Internet Publikation für
Allgemeine und Integrative Psychotherapie
(ISSN 1430-6972)
IP-GIPT DAS=09.03.2011
Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 01.12.23
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Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel
Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
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für Allgemeine und integrative Psychotherapie, Abteilung Geschichte
der Psychopathologie, und hier speziell zum Thema:
Wahnformen
und ähnliche oder verwandte Erscheinungen
wie z.B. überwertige Idee, Eigenbezug
ausgewählt und kommentiert von Rudolf
Sponsel, Erlangen
nach bestem Wissen und Gewissen, doch ohne
Gewähr.
Überblick
_
Wahndefinition
Auch
wahre Inhalte können wahnhaft sein und was wahnhaft ist muss nicht
falsch sein
Kurt Schneider schrieb
schon 1949: "Ein Einfall kann möglich sein und doch ein Wahneinfall
sein und er kann unmöglich erscheinen und doch mit der Wirklichkeit
übereinstimmen."
Nicht jeder Wahn muss inhaltlich falsch sein,
so Peter Berner (1980) in "Psychologie des Wahns" in Kindlers Psychologie
des 20. Jahrhunderts, X. Ergebnisse für die Medizin (2) Psychiatrie,
S. 542: "Zweifelsohne lassen Überlegungen jedoch nicht den Schluß
zu, daß Wahn nur dort vorliege, wo ein Inhalt in einer »unverständlichen
Seinsweise« aufscheint: Daß jemand das aus persönlichen
Lebensgeschichte hervorwachsende Thema der Beeinträchtigung oder des
Betrogenwerdens als Intrige oder Eifersucht erlebt, ist - nach Aufhellung
der allgemeingültigen sowie der für den speziellen Einzelfall
zutreffenden Sinngesetzlichkeit - bereits so naheliegend, daß man
nicht mehr von einer unverständlichen Seinsweise sprechen kann. Das
wird auch durch die Feststellung bekräftigt daß durchaus nicht
jeder Wahn inhaltlich falsch sein muß (Matussek 1963, Mayer-Gross
1950, Schmidt 1940). Die Unmöglichkeit des Inhaltes kann als ein akzidentelles
und nicht obligatorisches Wahnkriterium gelten."
Spitzer
hat im Nervenarzt 1989, S. 95, das Problem aufgegriffen und eine Lösung
vorgeschlagen, die meiner - mit Vorbehalten - nahe kommt: "Beim Wahn handelt
es sich um Aussagen, die formal wie Aussagen über einen mentalen Zustand
geäußert werden, bei deren Inhalten es sich jedoch nicht um
mentale Zustände, sondern um intersubjektiv zugängliche ('objektive')
Sachverhalte handelt. Aus dieser Definition ergibt sich unmittelbar, daß
es klinisch bei der Diagnose von Wahn nicht um eine empirische Validierung
oder Falsifizierung von Patientenaussagen geht, sondern um die genaue Erfassung
der Art wie eine Person bestimmte Aussagen vertritt."
Die Bedeutung der zwischenmenschlichen Begegnung
für den Wahn: Berner (1980, S. 533): "So kommt Matussek (1963)
nach Sichtung der einschlägigen Literatur zu dem Schluß, daß
alle Meinungsäußerungen der anthropologischen Psychiatrie zum
Wahn dahingehend konvergieren, daß es sich um eine Störung der
menschlichen Begegnung handle."
Abgrenzungen,
Merkmale, Kriterien, Formen und Varianten
Argwohn, eigen, eigensinnig, Eigenbezug,
Erfahrung, Falsifizierbarkeit, fanatisch, Gewissheit,
Glauben,
Größenidee,
halsstarrig, Ideologie, Irrtum,
Kontrolle, Korrektive, Logik, Misstrauen,
Realitätskritik, Selbstkritik, stur, überwertige
Idee, Überzeugung, Unkorrigierbarkeit,
vermuten, wähnen, Wahnarbeit, Wahneinfall,
Wahnsystem,
Wahnwahrnehmung, Wissen, Zweifel.
Wahnformen
Im Prinzip erscheint jeder Sachverhalt wahnfähig.
Erfüllt ein Denken oder Urteilen die Definitionskriterien für
Wahn, so liegt ein entsprechender Wahn vor. Bei den Wahnformen werden im
allgemeinen aber erstens natürlich nur die bekannten und zweitens
davon in der Regel die häufigsten aufgeführt. Zu den selteneren
Wahnformen: Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010,
Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.
Siehe bitte auch > Wahn-Fälle. |
Einführung in
die psychologisch-psychopathologische Wahndiagnostik >
Wahn
in den Diagnosesystemen.
Nachrichten
aus der Wahnforschung
Ergebnisse der Arbeit
von Hoff im Nervenarzt (2016)
S. 71: "Zusammenfassung
Wahn ist ein zentraler, aber auch schwieriger und kontroverser Begriff
in der Psychiatrie. Ähnlich wie beim Begriff Schizophrenie auf der
nosologischen Ebene verbinden sich in der Debatte um den Wahn, also auf
der klinisch-psychopathologischen Ebene, die Grundfragen des Faches, angefangen
von wissenschaftstheoretischen und methodischen Aspekten bis hin zur konkreten
Ausgestaltung der Arzt-Patienten-Beziehung. Der vorliegende Text reflektiert
diese Entwicklung vom 19. Jahrhundert bis heute und bezieht sie auf die
von den Research Domain Criteria (RDoC) angestoßene lebhafte Diskussion
um die zukünftige Ausrichtung der psychiatrischen Forschung. Unter
bestimmten Voraussetzungen, wozu vor allem ein erweitertes Verständnis
von Psychopathologie zählt, wird Wahn auch zukünftig als sinnvoller
wissenschaftlicher Begriff betrachtet.
S. 73: "Fazit für die Praxis
Die folgenden Thesen fassen die Kerngedanken der Arbeit zusammen:
-
F Das psychopathologische Phänomen Wahn berührt alle humanwissenschaftlichen
Erkenntnisebenen. Es kann auf jeder dieser Ebenen erforscht, dort aber
nicht vollständig „erklärt“ werden.
-
F Wahn hat immer eine interpersonale Dimension. Ihn zu einer objektiven
Sache zu machen, zu „reifizieren“, sei es neurowissenschaftlich oder psychodynamisch,
kann kein sinnvolles Ziel sein.
-
F Wahn ist ein pathologisches, aber nicht bloß defizitäres Phänomen,
repräsentiert er doch in vielen Fällen auch eine spezifische
Reaktions- und Anpassungsleistung. Hier können sich psychotherapeutische
Ansatzpunkte ergeben.
-
F Eingebettet in einen umfassenden psychopathologischen Kontext ist Wahn
weiterhin ein sinnvoller wissenschaftlicher Begriff."
Hoff, P. (2016). Ist Wahn ein sinnvoller wissenschaftlicher Begriff?
Eine Reflexion über die Psychopathologie in der Psychiatrie des 21.
Jahrhunderts. Der Nervenarzt 1, 69-73
Probleme
der Epidemiologie
Die Angaben zu Häufigkeit, Dauer und Verlauf der Wahnstörungen
schwanken sehr stark und sind vielfach auch unklar, werden in den meisten
Angaben aber ganz sicher extrem unterschätzt. Ein Hauptfehler
in der psychopathologischen
Epidemiologie der Wahnstörungen ist, dass nicht streng unterschieden
wird zwischen Häufigkeitsangaben, die in die Klinik oder Ambulanz
führen und dem tatsächlichen Vorkommen. Betrachtet man sich die
Definition der klassischen Paranoia, also ICD-10
F22, ist ja völlig offensichtlich, dass die allermeisten dieser
Störungen weder in der Klinik noch in der Ambulanz auftauchen, also
gar nicht erfasst und vielfach auch gar nicht erkannt werden. So sind denn
auch in einer jüngeren
Untersuchung zu Wahn- und Halluzinationssymptomen im Feld die Zahlen
um das 10-100fache höher als die meisten klinisch epidemiologischen
Angaben sonst. Wahrscheinlich zeigen die allermeisten Menschen "normale"
Wahnfähigkeit, was auch einen Teil der Massenwahnphänomene erklärt,
z.B. Rassenwahn im 3. Reich, Chauvinismus, psychische
Epidemien und vor allem der massenhafte Wahn
in den Religionen und den ideologischen Verblendungen. Rechnet man
noch den rollenfunktionellen
und die positiven Wahnphänomene hinzu, wird man wohl oder übel
dahin gelangen, Wahn für ein allgemein menschliches Phänomen
zu halten (Scharfetter: "Der Mensch ist grundsätzlich wahnfähig").
In den psychiatrischen Kliniken findet sich nur eine winzige Spitze des
Eisbergs. Und die gefährlichsten Wahngestörten sitzen sicher
in den Regierungen und höheren Etagen der "Eliten",
was den Zustand
der Welt seit Jahrtausenden bis auf den heutigen Tag gut erklären
kann.
Lincoln
et al.
(2009, S. 34) finden: "Kriteriumsvalidität:
Die einzelnen PDI-G-Items wurden im Durchschnitt von 17,4% der Bevölkerungsstichprobe
und 34.9 % der Patientenstichprobe bejaht. Die Patienten mit Schizophrenie
unterschieden sich auf allen PDI-G-Skalen signifikant von der Bevölkerungsstichprobe
(Tabelle 3). Für die Bevölkerungsstichprobe zeigt sich eine linkssteile
kontinuierliche Verteilung und eine Spannweite bejahter Items zwischen
Null und 27. In der Patientenstichprobe wurden zwischen Null und 32 Items
bejaht."
Anmerkung: PDI := Peters Delusions Inventory.
Die drei Generationenvergleiche
von Kranz (1955, S.
61): 1884-88, 1916, 1946:
Wahnform bei Psychosen in % der Themen |
1884-88 |
1916 |
1946 |
|
|
Schizo: Beeinträchtigung / Verfolgung |
72 |
75 |
72 |
|
|
Schizo: Vergiftungswahn |
24 |
19 |
19 |
|
|
Schizo: Größenwahn |
24 |
17 |
11 |
|
|
Schizo: Religiös-dämonischer Wahn |
43 |
44 |
45 |
|
|
Schizo: Weltuntergangswahn |
5 |
3 |
8 |
|
|
Zyklo: Schuldwahn |
57 |
83 |
52 |
|
|
Zyklo: Verarmungswahn |
27 |
27 |
28 |
|
|
Zyklo: Hypochondrischer Wahn |
40 |
25 |
44 |
|
|
Aus der Bonner Studie nach
Huber
& Gross (1977, S. 44):
Hier ist zu berücksichtigen, dass ausschließlich
die Wahninhalte von Schizophrenen erfasst wurden. Wahn kommt aber
weit häufiger vor > Wahn
in den Diagnosesystemen.
-
Steinebrunner, E. & Scharfetter, Ch. (1976). Wahn
im Wandel der Geschichte. European Archives of Psychiatry and Clinical
Neuroscience 222,1, 47-60. [Q]
"Zusammenfassung. Eine historisch-transkulturelle Betrachtung von Wahnpsychosen
aus dem Beginn und der Mitte des 20. Jahrhunderts (anhand von je 100 Krankengeschichten,
Gruppe I und II) ergab:
-
Konstant haben sich gehalten: Beziehungswahn, religiöser Wahn, Beeinträchtigungs-
und Verfolgungswahn.
-
Der hypochondrische Wahn hat signifikant zugenommen.
-
Abgenommen hat der Größenwahn, ferner der Liebeswahn.
-
Früher sowie heute besteht eine signifikante Beziehung des Größenwahns
zum männlichen Geschlecht.
-
Früher bestand eine signifikante Beziehung zwischen weiblichem Geschlecht
und Liebeswahn, die wir heute nicht mehr nachweisen können.
-
Sowohl an der Konstanthaltung wie an der Veränderung der Wahnthemen
sind beide Geschlechter beteiligt, z. T. unterschiedlich stark, z. T. gegenläufig.
-
Bei den "geschlechtsspezifischen" Wahnthemen geht die Gesamtabnahme auf
Konto des betreffenden Geschlechts.
-
Mit zunehmendem Alter reduzieren sich die Wahnthemen in Gruppe II: Abstammungswahn,
wahnhafter Identitätswandel und Liebeswahn kommen nach dem 30sten
Altersjahr nicht mehr vor. Querulantenwahn kommt überhaupt nicht vor;
in Gruppe I trat dieser Wahn erst nach dem 30sten Altersjahr auf.
-
Einen signifikanten Zusammenhang kann man heute feststellen zwischen Größenwahn
und Entwicklung bis zum 18. Lebensjahr auf dem Land.
-
Kein Zusammenhang konnte eruiert werden für Intelligenz und Wahnthematik
sowie Konfession und Wahnthematik.
-
Sowohl beim hypochondrischen Wahn wie auch beim Verfolgungswahn lassen
sich zeitbedingte Veränderungen in der Wahnausgestaltung feststellen.
-
Es zeigt sich schließlich eine Tendenz zur Inhaltsverschiebung im
Wahn, i. S. einer Vermehrung von technisch-physikalischen, toxischen, parapsychologischen
und polizeilichen Verfolgungen. Häufung anonymer Verfolger, Abnahme
sexueller Verfolgungen, Ausgestaltung hypochondrischer Vorstellungen in
Gruppe II."
Quellen
epidemiologischer Informationen zum Wahn:
-
Lincoln, Tania M.; Keller, Eva & Rief, Winfried
(2009). Die Erfassung von Wahn und Halluzinationen in der Normalbevölkerung.
Deutsche Adaptationen des Peters et al. Delusions Inventory (PDI) und der
Launay Slade Hallucination Scale (LSHS-R). Diagnostica 55, 1, 29-40.
-
Johns, Louise C. et al. (2004). Prevalence and correlates
of self-reported psychotic symptoms in the British population. The British
Journal of Psychiatry 185, 298-305 [Onl]
-
Os, Jim van; Hanssen, Manon; Bijl, Rob V.; Vollebergh
& Wilma (2001). Prevalence of Psychotic Disorder and Community. Level
of Psychotic Symptoms. An Urban-Rural Comparison. Arch Gen Psychiatry 58,
663-668. [Onl]
-
Cohen, Carl I.; Magai, Carol; Yaffee, Robert ; Walcott-Brown, Lorna (2004).
Racial Differences in Paranoid Ideation and Psychoses in an Older Urban
Population. Am J Psychiatry 161, 864-871. [Onl]
"OBJECTIVE: This study examined whether
there are racial differences in the prevalence of paranoid ideation and
psychotic symptoms in persons age >=55 in an urban community. METHOD: Using
1990 census data for Brooklyn, N.Y., the authors attempted to interview
all cognitively intact persons age >=55 in randomly selected blocks. The
final group consisted of 206 whites and 821 blacks. The authors used George’s
Social Antecedent Model for analyzing 21 independent and three dependent
variables: paranoid ideation, psychotic symptoms, and psychotic symptoms/paranoid
ideation. The group was weighted by race and gender. To control for intrablock
clustering effects without replacement sampling, the authors used SUDAAN
for data analysis. RESULTS: A significant difference in psychotic symptoms
or paranoid ideation was found between blacks and whites (24% versus 10%)
that was attenuated but not eliminated with logistic regression analyses.
Blacks with psychotic symptoms or paranoid ideation, especially Caribbeans,
had significantly lower receipt of mental health services and lower perceived
service needs. With logistic regression, psychotic symptoms and paranoid
ideation were associated with four variables among blacks and whites, although
only one was significant in both groups. CONCLUSIONS: Racial differences
in psychotic symptoms and paranoid ideation persist even after control
for various clinical, social, and attitudinal effects. Among blacks, response
to stressors may be expressed through increased paranoid ideation and psychotic
symptoms. Stronger beliefs in spiritualism increase this expression in
both races. The high prevalence of psychotic symptoms or paranoid ideation
among this aging urban population, especially blacks, highlights a potential
public health issue."
Verlauf
von Wahnerkrankungen des Typs ICD-10 F22 nach DSM-IV
"Verlauf
Das Ersterkrankungsalter der Wahnhaften Störung liegt im allgemeinen
im mittleren oder späteren Erwachsenenalter, kann aber auch im jüngeren
Alter liegen. Der Typus mit Verfolgungswahn ist der häufigste Subtypus.
Der Verlauf ist recht variabel. Insbesondere beim Typus mit Verfolgungswahn
kann die Störung chronisch sein, obwohl die Beschäftigung mit
den wahnhaften Überzeugungen oft ab- und zunimmt. In anderen Fällen
können Perioden [>356] von vollständiger Remission von späteren
Rückfallen gefolgt sein. In wieder anderen Fällen bildet sich
die Störung innerhalb weniger Monate zurück, oft ohne späteren
Rückfall. Einige Anhaltspunkte lassen vermuten, daß der Typus
mit Eifersuchtswahn eine bessere Prognose als der Typus mit Verfolgungswahn
hat."
Peters
äußert sich zum Verlauf wie folgt: "3. Absolute Unkorrigierbarkeit
auf dem Höhepunkt der Erkrankung. Später kann eine Distanzierung
eintreten; der Wahn kann korrigiert werden oder unverändert bestehen
bleiben (-> Residuärwahn)."
Ewald berichtet: "... Langsam besserte sich sein Zustand etwas, und
wenn er auch bis zum Schluß mißtrauisch blieb und [>714] stets
geneigt war, jeder Äußerung und jeder Handlung die übelste
Deutung zu geben, so konnte er doch gebessert entlassen werden. Er machte
dann erst eine große Studien- und Erholungsreise nach Italien und
Griechenland, auf der es ihm sehr gut ging und auf der er unter Verfolgungsideen
nicht mehr zu leiden hatte. ..." Anmerkung RS: Der Fall des Realschulprofessors
H. war 1911/12 für einige Jahre geheilt, nahm ab 1918 aber eine chronischen
Verlauf an:
-
Ewald, Gottfried (1925). Das manische Element in der Paranoia.
Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, 665-763. Aus der Psychiatrischen
Klinik Erlangen [Direktor: Geh. Rat Prof. Dr. G. Specht].
Verläufe
nach Schanda (1987), Tabelle 52, S. 89:
Die Norwegen-Studie:
10 Langzeitverläufe von Wahnerkrankungen
RetterstØl,
N. & Opjordsmoen, S. (dt.1992). Langzeitverläufe von Wahnerkrankungen.
In (121-128, Diskussion 129-130): Kaschka, Wolfgang & Lungershausen,
Eberhard (1992, Hrsg.) Paranoide Störungen. Tropon Symposium VII.
Heidelberg: Springer.
"In seinem Vortrag präsentierte N. Retterstöl, Oslo, die Ergebnisse
einer norwegischen Langzeitstudie, in der Verlauf und Status von paranoiden
Psychosen untersucht wurden. Die durchschnittliche Beobachtungsdauer der
Patienten lag bei 30 Jahren. Die teils prospektiv, teils retrospektiv angelegte
Studie umfaßte insgesamt 334 Patienten. Es zeigte sich dabei, daß
bei den reaktiven Psychosen der Status sehr günstig ist, während
er bei der Schizophrenie als eher ungünstig zu beurteilen ist. Außerdem
erwies sich, daß die jeweiligen Entlassungsdiagnosen entscheidenden
prädikativen Wert für Verlauf und Status der Nachuntersuchungen
hatten, die beide vorwiegend von der jeweiligen diagnostischen Kategorie,
nicht aber von der Art der Wahnvorstellungen abhingen."
S. 122: "... Die Langzeitgruppe umfaßt die
erstmals 1946-48 eingewiesenen Patienten, die Kurzzeitgruppe die erstmals
1958-61 Eingewiesenen. Die an Wahnerkrankungen leidenden Patienten stellten
innerhalb der 1. Periode 12,5%, in der 2. Periode 11,8% sämtlicher
in die Klinik aufgenommenen Kranken. Die Klinik nahm Patienten aus ganz
Norwegen auf, die jeweilige Verweildauer war jedoch recht kurz - ein paar
Tage bis maximal 3-4 Monate. Insgesamt erfaßte die Studie 334 Patienten,
159 aus der Langzeit-, 175 aus der Kurzzeitgruppe. Letztere wurden während
ihres Klinikaufenthalts alle von Prof. Retterstol einem der beiden Verfasser
der Studie, untersucht, der darüber hinaus auch persönliche Gespräche
mit jedem einzelnen führte. Hier war die Forschungsarbeit prospektiv
ausgerichtet. Bei den Patienten der Langzeitgruppe konnte man auf die damals
noch sehr sorgfältig ausgearbeiteten Krankenberichte zurückgreifen,
das Forschungsmodell war somit ein retrospektives.
Die Diagnosen sämtlicher Patienten waren systematisch erstellt
worden - entsprechend der damals in Skandinavien gebräuchlichen diagnostischen
Methode. Professor Gabriel Langfeldt war während der beiden aktuellen
Perioden Chefarzt der Klinik und folglich in der Lage, die Diagnostik entscheidend
zu beeinflussen, die als einheitlich und sicherlich repräsentativ
für die damalige skandinavische Psychiatrie anzusehen war.
Die erste persönliche Nachuntersuchung der
Patienten durch Prof. Retterstol fand in den Jahren 1963-64 statt. 28 Personen
waren im Laufe der vergangenen 2-18 Jahre gestorben, 5 Personen lehnten
die Nachuntersuchung ab. Von den 306 noch lebenden Patienten wurden 301
(98,4%) persönlich von dem Arzt aufgesucht und zwar die meisten an
ihrem Wohnort in vertrauter Umgebung - in den verschiedenen Gegenden des
dünn besiedelten Norwegen. Vertrauliche, von einer bis zu vielen Stunden
dauernde Gespräche, kamen mit jedem einzelnen Patienten zustande,
in der Regel konnten darüber hinaus sowohl die Familienangehörigen
als auch der behandelnde Arzt befragt werden.
Zu den der Kurzzeitgruppe angehörenden Patienten
wurde 3 Jahre später (1967) wiederholt Kontakt hergestellt und zwar
in der Form neuer persönlicher Gespräche. Sämtliche von
dieser ersten Forschungsarbeit erfaßten Patienten standen also 5-18
Jahre lang unter Nachbeobachtung. Alle Daten, Krankenberichte und Lochkarten
wurden gespeichert - im Hinblick auf weitere elektronische Datenverarbeitung.
In den Jahren 1983-85 erfolgte erneut eine persönlich
vorgenommene Nachuntersuchung an den Patienten, diesmal von Prof. Opjordsmoen
durchgeführt. Die Beobachtungszeit, praktisch eine lebenslange, hatte
somit 22-39 Jahre in Anspruch genommen: im Schnitt 30 Jahre. Bei dieser
letzten Nachuntersuchung waren 211 von den 334 Patienten noch am Leben.
180 (85,3%) konnten, meist am Wohnort und in vertrauter Umgebung, persönlich
vom Arzt nachuntersucht werden. Für 15 Personen (7,1%) waren gute
ausführliche Informationen von den Patienten selbst oder der Familie
in anderer Weise gegeben. Es gelang somit über insgesamt 92,4% der
Patienten ausreichende Informationen einzuholen.
Jetzt wurden sämtliche Patienten noch nach
DSM-III (American Psychiatric Association 1980) klassifiziert - als Ergänzung
der vorausgehenden Gruppenzuordnung an Hand des skandinavischen Diagnostiksystems
aus den 60er Jahren. ..."
Heilbarkeitsraten
des Wahns in der großen Norwegenstudie
10.5 Paranoia
"Schließlich werden wir auf die besondere Gruppe eingehen, für
die Kraepelin die Diagnose Paranoia, von systematischen Wahnvorstellungen
gekennzeichnet, gebrauchte. Nach Kraepelins Kriterien waren unter unseren
Patienten 26 an Paranoia leidende. Diagnosen und GAS-Auswertung gehen aus
Tabelle 9 und 10 hervor.
"Ein Drittel dieser Kranken wies bei der letzten Nachuntersuchung keine
psychotischen Symptome mehr auf; 35% der Fälle wurden nach DSM-III
als Paranoia diagnostiziert, nach ICD-9 waren es 50%. Der niedrigere DSM-III-Prozentanteil
ist zweifellos darauf zurückzuführen, daß man die unrevidierte
Fassung benutzt hatte: somit konnten lediglich die Eifersuchts- und Verfolgungswahnvorstellungen
die Diagnose beeinflussen. Unsere Befunde entsprechen in vieler Hinsicht
durchaus nicht der Auffassung Kraepelins -, der so manche Kliniker noch
immer anscheinend nachhängen.
Der alte Grundsatz „einmal Paranoia, immer Paranoia"
ist offensichtlich nicht mehr stichhaltig. |
10.6 Schlußfolgerung
-
Patienten, die an paranoiden Störungen leiden - so wie diese in der
vorliegenden Studie definiert werden -, weisen einen Verlauf und einen
Status auf, die alle beide günstiger als erwartet sind: nach 5-18
Jahren waren 65% ohne psychotische Symptome, nach 22-35 Jahren waren es
44%. Mit der Zeit kann eine gewisse Verschlimmerung beobachtet werden.
Die Entlassungsdiagnose ist der unbestritten zuverlässigste Prädiktor
des Verlaufs und des Status. Nach der herkömmlichen skandinavischen
diagnosti-[>128]schen Zuordnung liegt ein bedeutsames Gefälle vor:
ganz vorn liegen die reaktiven Psychosen mit günstigem Verlauf und
günstigem Status, die schizophrenieformen Psychosen schneiden relativ
günstig ab, während die schizophrenen Leiden recht wenig günstige
Aussichten haben. Nach DSM-III sind Verlauf und Status eindeutig günstig
bei den affektiven und schizoaffektiven Störungen, die paranoiden
und schizophrenieformen Leiden verfügen über eine noch relativ
gute Prognose, während die schizophrenen Leiden durch sehr schlechte
Aussichten gekennzeichnet sind. Dieser Umstand hat, sowohl klinisch als
sozial gesehen, Gültigkeit für Verlauf und Status.
-
Verlauf und Status sind vorwiegend von der jeweiligen diagnostischen Kategorie,
nicht von der Art der Wahnvorstellungen abhängig.
-
Von den - nach Kraepelin - an Paranoia leidenden Patienten war rund ein
Drittel bei der letzten Nachuntersuchung ohne psychotische Symptome. Die
Maxime „einmal Paranoia, immer Paranoia" entspricht offensichtlich nicht
den Tatsachen."
Behandlung
Olbrich
et al ( in Berger
1999, Hrsg. S.462f): "Behandlung
Eine wesentliche Voraussetzung für eine Therapie der wahnhaften
Störung ist eine gute Arzt-Patient-Beziehung, die aber nur sehr schwer
aufzubauen ist, da der- obwohl offensichtlich schwer leidende - Patient
das Vorliegen einer psychischen Erkrankung zumeist negiert und deshalb
oft auch gegen seine« Willen einer Behandlung zugeführt wird."
Im Resümee, S. 463 führen sie aus: "Bei
den seltenen „anhaltenden wahnhaften Störungen" sind Wahnphänomene
unterschiedlichen Inhalts das einzige oder zumindest das prominenteste
psychopathologische Merkmal. Im Gegensatz zur Schizophrenie sind die Wahninhalte
nicht bizarr, d.h. nicht so ungewöhnlich und nicht unverständlich.
Häufigste Wahnthemen sind Verfolgung und Eifersucht, Liebe und Sexualität,
Größe, Hypochondrie und Querulanz. Die Erkrankung hat einen
extensiven, psychopathologisch lange unveränderten und nicht fluktuierenden
Verlauf, und die Ursachen sind unbekannt. Die Behandlung erfolgt in der
Regel durch hochpotente Neuroleptika, eventuell begleitet durch supportive
psychotherapeutische oder kognitiv-behaviorale Verfahren."
Kritik: Die These der Wahnkranke sei ein
"offensichtlich schwer leidender Patient" ist nicht belegt und in dieser
undifferenzierten Verallgemeinerung auch wohl falsch. Meist richtig ist
es z.B. bei Verfolgungswahn, Vergiftungswahn, Eifersuchtswahn. Aber
es dürfte nicht wenige Wahnkranke geben, die mit íhrem Wahn
zufrieden sind und im Alltag auch ganz gut zurecht lommen. Dies umso mehr,
wenn man bedenkt dass die wirkliche Verbreitung die klinisch bekannten
Fälle weit, ja sehr weit übersteigt.
Behandlung nach
Tölle (2006, S. 185) Nicht selten aber lehnen Wahnkranke die psychotherapeutischen
Versuche des Arztes konsequent ab. Mancher Wahnkranke kann jedoch eine
Behandlung im weiteren Sinn akzeptieren, wenn man ihm erklärt, daß
er durch all das, was ihm widerfuhr, stark belastet, strapaziert, bedrückt
und daher behandlungsbedürftig sei. Alle Bemühungen zielen darauf
ab, ein Arbeitsbündnis zu erreichen. Es ist erstaunlich, wie oft das
gelingt. Auch wenn die Wahnsymptomatik nicht behoben werden kann, ist eine
stabile Patient-Arzt-Beziehung von beständigem therapeutischen Wert,
insbesondere um bei chronischem Wahn die Abspaltung von Wahnerlebnissen
zu unterstützen und damit soziale Beziehungen zu erleichtern.
Psychopharmaka zeigen bei Wahnsyndromen eine
unterschiedliche Wirksamkeit in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden
Krankheit. Bei wahnhafter Störung beeinflussen neuroleptische und
andere Psychopharmaka den Wahn im allgemeinen wenig. Bei einzelnen Kranken
kann aber durch ein Neuroleptikum der Wahn abgemildert oder gar aufgehoben
werden (bei fortgesetzter Medikation auch dauerhaft); daher ist in jedem
Fall ein Versuch angezeigt. Wenn zugleich depressive Störungen bestehen,
sind Antidepressiva zu bevorzugen. Bei akuter Schizophrenie beeinflussen
Neuroleptika die paranoid-halluzinatorische Symptomatik ausgesprochen günstig,
weit weniger aber in chronischen Stadien mit systematisiertem Wahn. Das
melancholische Wahnerleben von Depressiven wird von der üblichen antidepressiven
Behandlung mit erfaßt.
Tölle, R. & Windgassen,
K. (2006, 14.A.). Psychiatrie einschließlich Psychotherapie. Heidelberg:
Springer.
Ende epidemiologische Mitteilungen
Empirisch-phänomenologische
und pragmatische Wahnformen
Abstammungswahn
Böker,
H. in (13-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen.
Stuttgart: Steinkopff. S. 15: Epidemiologie:
"Systematische epidemiologische Untersuchungen zur Häufigkeit des
Abstammungswahnes sind nicht vorhanden. Es finden sich lediglich Aussagen
zur Häufigkeit von Patientinnen und Patienten mit einem Abstammungswahn
auf der Grundlage selektiver klinischer Stichproben. Steinebrunner und
Scharfetter (1976) berichteten anhand einer empirischen Untersuchung von
200 Patienten mit "Wahnpsychosen" von einer Tendenz zur Abnahme der Abstammungsthematik
im 20. Jahrhundert. Sie stellten ein Überwiegen des männlichen
Geschlechtes fest und ferner ein Überwiegen bei jüngeren Patienten
(jünger als 30 Jahre).
Abwehr,
Neutralisation, kognitive Dissonanzfilter > Blinder
Fleck, Minuswahn.
Die psychologisch-psychopathologische Abwehr hat die Aufgabe, Unangenehmes
und schwer Akzeptables für das Selbstbild und das Selbstwertgefühl
abzuwehren, wegzublenden. Das ist in gewisser Weise sehr wichtig und nützlich,
kann aber auch fatale Folgen haben, wenn Sachverhalte ausgeblendet und
abgewehrt werden, die man besser wissen sollte, damit man sich um sie kümmern
kann.
Alkohol induzierter Wahn.
> Korsakow-Syndrom.
Die gewöhnliche Psychoseerfahrung vieler Menschen ist der Alkoholrausch.
Es kann zu schweren Delirien kommen. Auch beim Entzug können schwere
Wahnzustände auftauchen.
Cutting, J. (1987) Halluzination, Wahn und aktuelle Konzepte
der Alkoholpsychosen. In (13-): Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.).
Coper, H. (1987) Neurobiologische Grundlagen des Entzugssyndroms
bei Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. In (24-): Olbrich, H. M.
(1987, Hrsg.).
Täschner, K.-L. (1987) Die Behandlung akuter
Psychosen bei Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit. In (52-):
Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.).
Anhaltende wahnhafte
Störung ICD-10 F22 ("klassische Paranoia")
Eine kurze und treffende Kennzeichnung des „Paranoiden Syndroms“ habe
ich bei Haring (1989, S.
92). gefunden:
„13. Paranoides Syndrom. Von einem paranoiden Syndrom spricht man,
wenn die Störung fast ausschließlich aus Wahnphänomenen
besteht. Das Syndrom entwickelt sich manchmal aus einer Wahnstimmung, ist
jedoch selten damit verbunden (der Wahn bringt Gewißheit).
Sämtliche Inhalte des Wahns (s. dort) können vertreten sein.
Vor allem werden abnorme Beziehungen erlebt, Ideen von Beeinträchtigung,
Verfolgung, Bedrohung, manchmal auch Größenideen. Der Patient
glaubt sich verfolgt, weil er von Gott auserwählt ist, eine großartige
Erfindung gemacht hat oder "erprobt" werden soll.
Der Patient braucht keine Begründungen. Er weiß es einfach
(und lächelt).
Bei isolierten Wahnthemen spricht man von Paranoia. Unter Paranoia
versteht man die schleichende Entwicklung eines dauernden, unerschütterlichen
Wahnsystems bei erhaltener Klarheit und Ordnung im Denken, Wollen und Handeln
und intakter Persönlichkeit, so daß außerhalb der Wahnthematik
keine Auffälligkeit nachweisbar ist (die Störung ist selten).
...“
Kritische Anmerkung: Ich glaube nicht, dass
diese Störung selten, sondern im Gegenteil sehr verbreitet ist, aber
sie taucht bislang sicher selten in den Kliniken und in den Ambulanzen
auf, wozu auch, denn: Ein F22 ist im allgemeinen schwierig zu (differential)
diagnostizieren, weil ja gerade erhaltene "Klarheit und Ordnung im Denken,
Wollen und Handeln und intakter Persönlichkeit" Definitionsmerkmal
ist. Formal ergibt sich eine gewisse Analogie zu isolierten ZwangssymptomträgerInnen;
sie kommen in die Praxis, fühlen sich vollkommen gesund und intakt
bis auf "das da" - das Zwangssymptom -, das als ichfremd und störend
erlebt wird im Gegensatz zum Wahn.
Epidemiologie:
(1) Olbrich et al. schreiben in Berger (1999, Hrsg., S. 461): „Die
anhaltend wahnhafte Störung ist eher selten. Außerdem
ist eine Tendenz erkennbar, anhaltend wahnhafte Störungen entweder
bei den affektiven oder bei den schizophrenen Erkrankungen diagnostisch
einzuordnen. Dazu kommt, daß die Betroffenen eher mit Juristen als
mit Psychiatern in Kontakt kommen. In den psychiatrischen Kliniken stellen
sie auch nur 1-2% der stationären Patienten. ...“
Zu Verlauf und Prognose führen
die Autoren aus (S. 460): „Der Beginn der wahnhaften Störung kann
sowohl akut (z.B. beim Liebeswahn) als auch schleichend sein und schon
im Jugendalter liegen. Insgesamt die Hälfte aller Patienten mit anhaltenden
wahnhaften Störungen wird wieder gesund. Der typische Manifestationszeitraum
ist das mittlere und späte Lebensalter.
Die eher akut auftretenden Fälle beginnen im vierten
Lebensjahrzehnt. Mehr als die Hälfte dieser akut Erkrankten genesen
und nur ein Zehntel nimmt einen chronischen Verlauf. Ein Drittel erleidet
Rückfälle. Die eher schleichend verlaufenden Wahnerkrankungen
beginnen häufig im fünften Lebensjahrzehnt. Etwa die Hälfte
dieser Wahnkranken wird wieder gesund, bei einem Drittel bleibt die Wahnerkrankung
unverändert. Auch werden lebenslange Verläufe beschrieben. ...
Insgesamt ist die Prognose für Patienten mit nur wahnhaften Störungen
günstiger als bei schizophren Erkrankten. ...“
(2) Das DSM-IV (dt. 1996, S. 355) kommt teilweise
zu genaueren Schätzungen der Prävalenz : „Die Wahnhafte Störung
ist im klinischen Bereich relativ selten und in den meisten Studien finden
sich Hinweise, daß die Störung bei 1-2% aller Aufnahmen in stationäre
Abteilungen vorliegt. Präzise Angaben über die Prävalenz
dieser Störung in der Allgemeinbevölkerung fehlen, die wahrscheinlichste
Schätzung liegt bei 0,03%. Da die Störung normalerweise erst
spät im Leben beginnt, liegt das Erkrankungsrisiko für die gesamte
Lebenszeit vermutlich zwischen 0,05-0,1%“, also auf 2000 Personen 1 bis
2 Fälle.
Argwöhnen. > wähnen, misstrauen.
Epidemiologie:
""
Beeinflussungswahn
Scharfetter (1976, S.49, 169)
Epidemiologie:
""
Beeinträchtigungswahn.
Scharfetter (1976, S.160)
Epidemiologie:
""
Beziehungswahn (sensitiver)
Erkwoh, R. Sensitiver Beziehungswahn in
(102-):
Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.).
Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.
Beschreibung (S.114):
"Das Erscheinungsbild des sensitiven Beziehungswahnes hat viele Gesichter.
Der erotische Beziehungswahn oder – moderner – der Liebeswahn
steht im Vordergrund, Wahnthemen der Beeinträchtigung, Verfolgung
und Beobachtung kommen vor, aber auch Zwangsphänomene gehören
hierhin, nicht aber der Querulantenwahn, der Eifersuchtswahn und auch nicht
die Hysterie. Sie wären, neben dem sensitiven Beziehungswahn gestellt,
„inkommensurable Größen“ (S. 25). Die Charakterlehre muss also
ein Begriffsgerüst entwickeln, das die Persönlichkeitsanlagen
vergleichbar und daher unterscheidbar macht."
Kritik: Sehr unscharf;
für die Wissenschaft und Praxis kaum brauchbar.
S. 120: Epidemiologie:
"Die Feststellung eines Falles von sensitivem Beziehungswahn ist nicht
voraussetzungsfrei, sondern gebunden an die Person des Untersuchers und
seine Methode, sie verlangt „eine gründliche, zeitraubende Vertiefung“
(S. 8). Inzidenz- und Prävalenzzahlen des sensitiven Beziehungswahnes
werden vor dem Hintergrund eines so stark von seiner Konzeptualisierung
abhängigen psychischen Störungsbildes nicht erwartet. Sind „die
Paranoiker“ schon selten, so sind ihre Untergruppen noch spärlicher,
auch wenn E. Kretschmer den sensitiven Beziehungswahn häufiger als
den Querulantenwahn gesehen hatte."
-
Kretschmer, Ernst (1918). Der sensitive Beziehungswahn. Berlin:
Springer.
-
Schulte, Heinrich (1922). Versuch einer Theorie der
paranoischen Eigenbeziehung und Wahnbildung. In: Psychological Research,
1, 1-23.
Berufungswahn.
& Größenwahn: Huber & Gross (1977,
S. 73f). > Fallbeispiele.
Epidemiologie:
""
Blinder Fleck >
Abwehr,
Neutralisation, kognitiver Dissonanzfilter * Minuswahn.
So nennt man den Bereich bei einem Menschen, der von ihm selbst nicht
wahrgenommen, sondern ausgeblendet wird.
Caesarenwahn >
Größenwahn.
Die Grundidee ist sehr einfach: Macht kann einem zum Kopf steigen,
den Verstand vernebeln gewissenlos machen - eine Form des extremen narzisstischen
Egozentrismus. Diese Idee ist insofern interessant als man gemeinhin annimmt,
Wahn sei zwingend eine endogene, also aus dem Inneren heraus entstehende
Krankheit. Beim Caesarenwahn kommt nun als soziale Dimension die Macht
hinzu, so dass ein 3-Faktoren-Modell mit (1) genetischen Dispositionen,
(2) Persönlichkeit und Charakterstruktur, (3) die Macht als sozialer
Entwicklungsfaktor vorliegt.
Vom Wahnsinn zum Größenwahn
- Eine Krankheit der Mächtigen
"Was bewegt Menschen mit absoluter Macht alles menschliche Maß
hinter sich zu lassen, durchzudrehen, in das zu verfallen, was der deutsche
Historiker Prof. Ludwig
Quidde Ende des 19. Jahrhunderts als "Caesarenwahn" bezeichnete?
Größenwahn - von der Antike bis zu Gegenwart - reichlich Stoff
und vor dem Hintergrund der Ereignisse in Ägypten, Tunesien, Lybien
und Syrien brandaktuell. Die Geschichte scheint sich stets zu wiederholen.
Absolute Herrscher die jeden Bezug zur Realität verloren haben ..."
[Doku WDR 17.7.14]
Bewertung: Eine interessante
Sendung zu einem interessanten Thema.
Zur Geschichte
der Begriffsentwicklung Caesarenwahnsinn
"Cäsarenwahnsinn bezeichnet eine spezifische Form des Größenwahns
und der Paranoia, die insbesondere bei einigen römischen Kaisern aufgetreten
sein soll. Der Ausdruck bezeichnet weniger eine Krankheit im medizinischen
Sinne als vielmehr ein Bündel von Merkmalen eines zur Herrschaft ungeeigneten
Monarchen.
Zum Schlagwort wurde der Begriff Cäsarenwahn
durch Gustav Freytag, der in seinem Roman »Die verlorene Handschrift«
(1864) den bei Tacitus gebrauchten Ausdruck furor principum (dt. „Fürstenwahnsinn“))
aufgriff. Zunächst wurde der Begriff nur auf die Herrschaft einiger
Mitglieder des julisch-claudischen Kaiserhauses bezogen, später wurde
er verallgemeinert.
Weitere Verbreitung fand der Ausdruck Cäsarenwahnsinn durch die
Schrift Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn
des späteren Friedensnobelpreisträgers Ludwig Quidde (1894).
Quidde benannte die wesentlichen Elemente wie folgt:
- Glaube an die eigene Göttlichkeit,
- Verschwendungssucht,
- „theatralischer Schein“,
- „Heißhunger nach militärischen Triumphen“ und
- eine Neigung zum Verfolgungswahn.
Quidde bezog seine Aussagen explizit auf Kaiser Caligula (37–41 n.
Chr.), doch war seinen Zeitgenossen klar, dass er implizit auch Kritik
am deutschen Kaiser Wilhelm II. übte. Quidde ging davon aus, dass
manche Herrscher unter dem „Eindruck einer scheinbar unbegrenzten Macht“
glaubten, nicht mehr an Recht und Gesetz gebunden zu sein und, beeinflusst
von der Schmeichelei ihrer Umgebung und der eigenen Propaganda, an die
eigene Übermenschlichkeit oder gar Göttlichkeit zu glauben begännen.
Als typische Fälle von Cäsarenwahn gelten neben Caligula
besonders Nero, Commodus und Elagabal. Auch Domitian und Caracalla werden
in diesem Zusammenhang häufig genannt. Problematisch ist diese Etikettierung
aus Sicht der heutigen Althistoriker deshalb, weil vielfach damit zu rechnen
ist, dass das Bild, das die antike Überlieferung von diesen Herrschern
zeichnet, zumindest teilweise absichtlich verzerrt und überzeichnet
ist: Was in den Quellen als Wahnsinn erscheint, ist mitunter einfach der
Tyrannentopik geschuldet. Manch ein Kaiser, der sich nicht an die komplizierten
Regeln des Prinzipats halten wollte oder konnte und daher durch mangelnde
Rücksichtnahme auf die Empfindlichkeiten der Senatoren deren Unmut
erregte, wurde von Historikern wie Tacitus oder Cassius Dio gleichsam zur
Strafe als Irrer dargestellt (vgl. Damnatio memoriae). Dennoch ist Quiddes
Konzept bis zu einem gewissen Grad sinnvoll.
Eine römische Vorbeugemaßnahme gegen
Cäsarenwahn war die Anwesenheit eines Sklaven auf dem Wagen eines
siegreichen Triumphators, der ihn an seine Sterblichkeit zu erinnern hatte.
Dieser flüsterte ihm ins Ohr: Respice post te, hominem te esse memento
(in etwa: Schau hinter dich, und erinnere dich daran, dass du ein Mensch
bist).
Quiddes Caligula beendete seine Karriere als Historiker
abrupt, da er wegen Majestätsbeleidigung zu einer Haftstrafe verurteilt
und daraufhin sozial geächtet wurde. Der Caligula wurde im Kaiserreich
mit 31 Auflagen bis zum Jahr 1926 zum meistverkauften politischen Pamphlet."
Quelle: cyclopaedia Caesarenwahnsinn.
Literatur
-
Quidde, Ludwig (1984) Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn.
Leipzig: Friedrich [Ausschnitt PDF]
-
cyclopaedia Caesarenwahnsinn.
Capgras-Syndrom
Brüggemann, B. R. in (102-): Garlipp,
P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart:
Steinkopff.
S. 103: Definition:
"Als Capgras-Syndrom bezeichnet man heute die wahnhafte Überzeugung,
dass Menschen, die zumeist in enger emotionaler Verbindung mit dem Betroffenen
stehen, durch identisch oder fast identisch aussehende Andere ersetzt werden.
Grundlegend ist dabei eine Veränderung der Identität bei Konstanz
der physischen Erscheinung (Rentrop et al. 2002)."
S. 104: Epidemiologie:
"Das Capgras-Syndrom ist selten. Repräsentative Untersuchungen an
Bevölkerungsstichproben liegen bislang nicht vor. Auch existieren
bislang keine operationalen Kriterien für das Vorliegen eines Capgras-Syndroms,
die für eine reliable Erfassung notwendig wären. Anhand einer
klinischen Stichprobe wurde die Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung
von Boston auf 0,027% geschätzt (Joseph 1994). Das Capgras-Syndrom
tritt in der Regel nicht isoliert auf, sondern findet sich im Rahmen von
verschiedenen psychischen Störungen (Förstl et al. 1994)."
Historisch-literarische
Anmerkung zu "Lila": Personenverkennung bzw. ein Capgras-Syndrom zeigt
auch Goethes "Lila". Diener (1971, S. 229): "... Sie schien mit sich selbst
in Zweifel zu sein, ob ich auch ihre Schwester sei." Und: "FRIEDRICH. Das
ist eben das Gefährlichste ihrer Krankheit. Das gleiche ist mir mit
ihr begegnet. Seitdem ihr die Phantasien den Kopf verrückt haben,
traut sie niemanden, hält alle ihre Freunde und Liebsten, sogar ihren
Mann für Schattenbilder und von den Geistern unterschobene Gestalten.
Und wie will man sie von dem Wahren überzeugen, da ihr das Wahre als
Gespenst verdächtig ist?"
Goethes Lila wurde beeinflußt durch Reils
Rhapsodieen
über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen
und durch die Erfahrungseelenheilkunde
von Moritz Magazin (ausführlich
bei Diener erörtert).
Martin Huber: "Goethes Singspiel Lila [FN4] stellt in vier Akten die
Heilung und soziale Wiedereingliederung einer an Wahnvorstellungen leidenden
jungen Frau auf die Bühne. Im ersten Akt wird die dramatische Ausgangssituation
exponiert: Baronesse Lila, qua psychischer Disposition bereits zur Melancholie
neigend, ist durch einen Brief, der fälschlicherweise den Tod ihres
abwesenden Gatten Baron Sternthal meldet, in den Zustand der Umnachtung
gefallen. Selbst als der totgeglaubte Ehemann gesund zurückkehrt,
hält sie ihn nur für ein "Schat-tenbild" (132, 36) und glaubt,
feindselige Geister hätten ihren Mann gefangen und trachteten auch
nach ihrer Freiheit. Lilas Gemütszustand wird zunehmend zu einer Belastung
für die gesamte Gesellschaft, die deshalb nichts unversucht läßt,
um Lila zu heilen. Nach mehreren gescheiterten Körperkuren, wie sie
das 18. Jahrhundert kennt, nämlich "sezieren, klystieren, elektrisieren"
(135, 9), schlägt ein neuer Arzt, Doktor Verazio, folgende "psychische
Kur"5 vor: Die Familie soll Lila die "Geschichte ihrer Fantasien spielen"
(140, 28), um sie durch die gleichsam homöopathische Maxime "Was Lieb
und Phantasie entris-sen, / gibt Lieb und Phantasie zurück" (160,
10), zu heilen. Im zweiten bis vier-ten Akt setzt die Gesellschaft unter
der Leitung des Arztes ein Märchenspiel mit Gesang und Tanz in Szene,
in das Lila integriert wird. Im Verlauf des Spiels befreit sie mit der
Unterstützung von ´Feen´ ihren Gatten aus den Fän-gen
eines ´Menschenfressers´, und kann dabei ihren Ehemann schließlich
wie-der als reale Person wahrnehmen. In der Auflösung der Maskerade
findet Lila - von ihren im Spiel überwundenen Wahnvorstellungen geheilt
- schließlich auch wieder zum normalen Gesellschaftsleben zurück."
Aus: Martin Huber: Inszenierte Körper.
Theater als Kulturmodell in Goethes Festspiel Lila (21.06.2004). In: Goethezeitportal.
URL: <http://www.goethezeitportal.de/db/wiss/goethe/lila-huber.pdf>
(Abruf 14.3.11).
Cotard-Syndrom > Nihilistischer
Wahn. > Fallbeispiel.
Wolfersdorf, M.; Heidrich, A. in (67-): Garlipp,
P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart:
Steinkopff.
Wesen des Wahns, S. 68: "Das Cotard-Syndrom
ist definiert als extrem ausgeprägter nihilistischer Wahn, bei dem
die Betroffenen davon überzeugt sind, keinen Körper mehr zu haben,
Organe seien nicht mehr vorhanden bzw. würden nicht mehr funktionieren
oder in falschen Zusammenhängen stehen, bis hin zur Verneinung der
eigenen Existenz bzw. zur Gewissheit, bereits tot zu sein."
S. 72: Epidemiologie:
"Zur Epidemiologie des Cotard-Syndroms gibt es keine belastbaren Zahlen.
Geht man von 14–20% wahnhafter Symptomatik bei einer unausgelesenen stationären
depressiven Klientel aus (Tölle 2008) und bricht dies auf die seltene
Gruppe mit nihilistischem Wahn herunter, dann dürfte der Anteil unter
5% liegen."
Dermatozoenwahn
Dermatozoenfantasie-10 R. Sponsel
14.3.2011
Bender, M.; Haltenhof, H. in (58-): Garlipp,
P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart:
Steinkopff. Epidemiologie:
"Die epidemiologischen Angaben sind insbesondere hinsichtlich der Häufigkeit
uneinheitlich, was u. a. daran liegt, dass sich die betroffenen Menschen
an ganz unterschiedliche Personen und Institutionen (z. B. Kammerjäger)
wenden. Nach Hausarzt und Dermatologe wird der Psychiater in der Regel
erst durch Überweisung – und zunächst meist unter Protest der
Betroffenen – konsultiert (Mester 1980). Trabert (1991) ermittelte über
eine Umfrage an psychiatrischen, dermatologischen und geriatrischen Kliniken
sowie Gesundheitsämtern der BRD, insgesamt 1015 Institutionen, für
1988 eine extrapolierte Inzidenzrate von 16,6/1 Mio/Jahr und eine Jahresprävalenzrate
von 83,2/1 Mio Einwohner. Prospektive Studien wurden bisher nur selten
durchgeführt (z. B. Munro 1982, Musalek 1991, Skott 1978). In allen
durchgesehenen Studien findet sich ein Überwiegen des weiblichen Geschlechts,
das von 1,7 bis 6 : 1 reicht und im Mittel bei 3 : 1 liegt (u. a. Döhring
1960, Maier 1987). Das Manifestationsalter ist vorrangig das mittlere bis
höhere Lebensalter, gewöhnlich ist der Erkrankungsbeginn um das
60. Lebensjahr."
-
Trabert, W. (1991) Zur Epidemiologie
des Dermatozoenwahns. Nervenarzt 62:165–169
-
Trabert, W. (1995) 100 Years of delusional
parasitosis. Meta-Analysis of 1223 case reports. Psychopathology 28:238–246
Drogen induzierter Wahn.
Scharfetter, C. (1987) Paranoid-halluzinatorische Zustandsbilder
bei drogeninduzierten Psychosen. In (42-): Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.).
Egozentrik.
Eifersuchtswahn
Soyka, M. in (87-): Garlipp,
P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart:
Steinkopff. S. 89 Epidemiologie:
Eigenbezug - Eigenbeziehung.
Ein wichtiger psychologischer und psychopathologischer Grundbegriff.
Die Grundfrage lautet: bin ich gemeint oder nicht? Lacht
in meiner Umgebung einer, kann ich mich fragen, ob der mich auslacht? Die
Neigung, vielerlei oder spezifisches Geschehen auf sich zu beziehen, als
ob man gemeint wäre, bezeichnet mit eben dem trefflichen Ausdruck
"Eigenbezug". Häufiges Wähnen, man sei gemeint, kann eine Wahnentwicklung
andeuten oder schon ausdrücken.
Epidemiologie:
""
Eigengeruchswahn.
> Beispiel in Nihilistischer
Wahn vom eigenen tot sein.
Hauser,U.
Der Eigengeruchswahn – eine wahnhafte oder neurotische Störung? in
(29-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen.
Stuttgart: Steinkopff. S. 31: Epidemiologie:
"Der Eigengeruchswahn gilt als selten. Die publizierten Untersuchungen
bestehen hauptsächlich aus Fallsammlungen, die in unterschiedlichem
ätiologischem Kontext diskutiert werden. Moesler (1992) nimmt an,
dass die Dunkelziffer sehr hoch liegen könnte, da sich nur einige
Patienten mit Eigengeruchswahn und mit ausgeprägter Eigengeruchsphobie
in ärztliche Behandlung begäben. Auch die Erfassung der Wahnsymptome
hänge häufig z.B von Art und Ausführlichkeit
der Exploration ab, insbesondere wenn es um die Unterscheidung zwischen
Halluzinationen und illusionärer Verkennung gehe. Der als „Olfactory
Reference Syndrome“ von Pryse-Phillips (1971) beschriebene zirkumskripte
Eigengeruchswahn manifestiert sich erstmals überproportional häufig
in der Adoleszenz oder im jungen Erwachsenenalter und tritt häufiger
bei jungen Männern auf. Dies wird auch von Suzuki et al. (2004) in
ihrem Kollektiv bestätigt, die allerdings ein etwas früheres
Erkrankungsalter als Pryse-Phillips angeben. Häufigkeitsangaben über
Eigengeruchswahnerleben in Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen
existieren nicht."
Esoterischer Wahn > Beweis
und beweisen in den Grenzwissenschaften.
Dazu gehört die subjektiv gewisse und unkorrigierbare Überzeugung,
über magische Kräfte und andere paranormale Fähigkeiten
zu verfügen. Teilweise gibt es eine große Schnittmenge zur Religion.
Große Teile etwa des katholischen, jüdischen oder muslimischen
Glaubens sind von esoterischem Wahn nicht zu unterscheiden - mit Ausnahme
breiter gesellschaftlichen Anerkennung (Aberglaube,
Wie
aus Wahn Gesundes wird,).
Epidemiologie:
""
Exorzismus
Wahnsystem und Wahnpraktik u.a. der katholischen Kirche, das Besessenheit
von Teufeln oder anderen negativen Geistern annimmt, die nach bestimmten
Ritualen und Vorschriften auszutreiben sind.
Fanum
Der Inhalt einer fanatischen Strebung.
Folie à beaucoup
Verallgemeinerung des "Wahnes zu zweit" (Folie
à deux) auf einen Wahn von vielen. Typisch bei psychischen
Epidemien.
Folie à deux
Peters (1984, S.197) [GB]
"Folie à deux (f). (C. LASÊGUE, J. FALRET, 1873,1877). Übernahmewahnhafter
Überzeugungen eines Geisteskranken durch eine andere (geistesgesunde
oder geisteskranke) Person (Ehefrau, Verwandte, Anhänger). Auch Bez.
für alle vergesellschaftet auftretenden Geistesstörungen psychotischer
oder nichtpsychotischer Art (> Wahn, konformer). Durch Ausweitung auf größere
Gruppen von Menschen können »psychische
Epidemien« entstehen (> induziertes Irresein). Die häufig
gebrauchte Bez. ist im Unterschied zur symbiontischen Psychose (s. d.)
weiter und umfaßt auch familiär auftretende Psychosen, bei denen
die Psychosen der Partner sich nicht miteinander verflechten. fr: délire
à deux, contagion mentale; e: folie à deux, double insanity.
Syn.: Folie simultané; infektiöses Irresein (IDELER, 1838);
Contagio psychica (HOFBAUER, 1846)."
Ernest-Charles Lasègue (1816-1883) [W]
[Ideler 1838, 2. Bd., S. 537]
Fregoli-Syndrom
P. Garlipp in (97-): Garlipp, P.
& Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart:
Steinkopff.
Definition: "Wie erwähnt,
ist die charakteristische Ausprägung des Fregoli-Syndroms dergestalt,
dass der Patient eine emotional für ihn bedeutsame Person im Körper
eines anderen wähnt."
S. 78: Epidemiologie:
"In der Literatur sind zumeist nur einzelne Fallbeispiele publiziert, so
dass über die Häufigkeit des Vorkommens keine klare Aussage gemacht
werden kann. Kirov et al. (1994) fanden in ihrer Untersuchung aller stationärer
Aufnahmen zwischen 16 und 50 Jahren (n=195) acht Patienten mit aktuellen
Missidentifikationssyndromen, das entsprach einer Prävalenz von 4,1%.
Das Fregoli-Syndrom wurde in dieser Untersuchung jedoch nicht diagnostiziert.
Das Fregoli-Syndrom kommt selten isoliert als Wahnstörung, sondern
zumeist als Symptom einer zugrundeliegenden psychischen Erkrankung vor.
Oft handelt sich um Schizophrenie (z. B. Brüggemann et al. 2002) und
Depression (z. B. Sanati u. Mojtabai 1993). Nicht selten scheint eine Kombination
verschiedener seltener Wahnstörungen zu sein, so z. B. Liebeswahn
und Fregoli-Syndrom (Collacott u. Napier 1991). Insbesondere kommen verschiedene
Missidentifikationssyndrome gemeinsam vor, z. B. Capgras-Syndromund
Fregoli-Syndrom (Silva u. Leong 1992), sowie Intermetamorphose
und Fregoli-Syndrom (Joseph 1985)."
Anmerkung
zum Namen nach Garlipp S. 97: "Leopoldo Fregoli (geboren 1867 in Rom, gestorben
1936 in Rom) war der berühmteste Verwandlungskünstler („Quickchange-artist“)
seiner Zeit."
Fremdbeeinflussungswahn
> Beeinflussungswahn.
Scharfetter (1976, S.49, 169)
Epidemiologie:
""
Geschlossenes
Denksystem, geschlossenes System
Unklarer und daher überflüssiger Ausdruck in der Psychopathologie,
dessen Bedeutung so gut nie erklärt wird, z.B. auch nicht im Nedopil-Gutachten
über Gustl Mollath. Der Ausdruck eignet sich besonders gut zum psychopathologiesierenden
Verschmieren, so dass immer etwas hängen bleibt - Semper
aliquid haeret Diagnostik, eine Spezialität und Kunstfehler
besonders in der forensischen Psychiatrie. In Peters (1997) Wörterbuch
der Psychiatrie und medizinischen Psychologie findet sich kein Eintrag.
Auch im neuen und völlig zu Unrecht vielgepriesenen 1300 Seiten DSM-5
findet sich Sachregister nicht einmal ein Eintrag zum "Denken" (!) und
dann natürlich auch keiner zu einem "geschlossenen Denksystem". Auch
im Glossar gibt es keinen Eintrag "geschlossenenes Denksystem". Aber selbst
in Bezug auf den Wahn leistet die Wortschöpfung keinen verständlichen
Beitrag. Nimmt man an, dass ein geschlossenes System nicht veränderlich
ist, so wäre diese Bedeutung schon besser und klarer durch das Wahnmerkmal
"unkorrigierbar" abgedeckt. So gesehen braucht man diese schwer zu definierende
Wortschöpfung nicht und sollte sie tunlichst vermeiden.
Materialien:
Huth
(1988) in Glaube, Ideologie und Wahn, S. 306f (Hervorhebung RS):
"Der Wahn läßt sich als Rettung des Selbst begreifen. ...
Das Beispiel zeigt, daß wir es nicht nur bei den Ideologien,
sondern auch beim Wahn — im Gegensatz zum Glauben — mit einem angstreduzierenden
Mechanismus zu tun haben, der mit einer tiefgreifenden Beeinträchtigung
der mitmenschlichen Begegnungsfähigkeit erkauft wird. Bei den
Ideologien geschieht dies durch Reduktion und Deformierung der Beziehung
auf abstrakte Prinzipien, beim Wahn hingegen durch Ersatz lebendiger
Bezugspersonen durch psychotisch umgebaute Objekte. Im einen wie im anderen
Fall tendiert die Entwicklung zu einem Höchstmaß an Kohärenz,
das heißt Geschlossenheit der eigenen Sichtweise. Diese
ist mindestens so sehr ein zentrales Merkmal von Ideologien und von Wahn
wie irgendwelche inhaltlichen Bestimmungen. Sie hat die Aufgabe einer Sicherung
der eigenen Identität."
Norbert Groeben, Heidelberg, in Erkenntnis und Dogmatismus,
S. 85 [PDF]:
"1. Das DTA-Verfahren: Was es messen soll und was es messen könnte
1.1 Ableitung des DTA-Verfahrens vom Dogmatismus-Konstrukt Rokeachs.
Ertel hat (1972a) versucht, das Dogmatismus-Konstrukt von Roke-ach
(1960; 1968) auf Stilmerkmale von Texten anzuwenden: Danach indiziert die
Häufigkeit der Verwendung bestimmter Ausdrücke (s. u.) einen
dogmatischen oder undogmatischen Denkstil. Er geht bei dieser Ableitung
von dem Prinzip der Systemkongruenz von Überzeugungen aus:
»Informationen über Ereignisse werden bei einem dogmatisch
Denkenden in besonderem Maße auf ihre Stimmigkeit in bezug auf sein
geschlossenes Denksystem geprüft. Die Stimmigkeit systemkongruenter
Ereignisse im Verhältnis zum Überzeugungssystem ist um so größer,
je häufiger sie vorkommen. Sie ist am größten, wenn diese
Ereignisse >immer< vorkommen. Potentiell systeminkongruente Ereignisse
haben eine um so harmlosere Wirkung, je seltener sie auftreten. Sie sind
bedeutungslos, wenn sie >nie-mals< auftreten.« (Ertel 1972a, 250).
Indikatoren für undogmatische Denksysteme wären im Gegensatz
dazu Ausdrücke wie »in der Regel, häufig, oft«. Diese
Beispiele beziehen sich auf die erste der von Ertel abgeleiteten sechs
Katego¬rien: die Kategorie der Häufigkeitsausdrücke (adverbial).
Nach dem gleichen Begründungsprinzip entwickelt er noch die Kategorien:
..."
Albertz
(2009) geht in seinem Buch Denken, zunächst S. 104 [GB]
auf ein Denksystem ein, dann S. 106 [GB],
auf geschlossene Systeme ein -wenn auch nicht wahnfokussiert, sondern
allgemein - und schreibt hierzu:
"10. System und Systematik, offenes und geschlossenes System
- Ein Denksystem kann offen oder geschlossen sein. Es liegt in der Tendenz
des Denkens, System zu schließen wie es wieder zu öffnen.
Insofern der gedankliche Zusammenhang eines Systems
sich einmal einem Hauptprinzip herleiten lassen und zudem kontinuierlich-lückenlos
widerspruchsfrei sein soll, tendiert das Denken zur Geschlossenheit. Gedank
die in Widerspruch zu bereits integrierten stehen, sind nicht mehr zu integrier"
wenn nicht die bereits etablierten Gedanken infragegestellt werden. Da
diiese aber innerhalb des Systems integrale Funktionen haben können,
sind durch Infragestellung potentiell andere Gedanken betroffen, so dass
sie nicht isoli betrachtet werden können. Die Folge: der Ansatz des
Systems muss ggf. neu konzipiert werden.
Ein geschlossenes Denksystem ist eines, bei dem
bestimmte Grundannahmen den Stellenwert von Axiomen erhalten und tendenziell
alle Gedanken Axiomen werden können. Es besteht dann keine Möglichkeit,
Grundannahm und funktionale Beziehungen innerhalb des Systems zu ändern.
Gedanken können nur noch integriert werden, wenn sie „passen" (oder
sich anpassen).
Es ist nicht nur möglich, ein System zu schließen,
sondern es abzuschließen. Dazu muss die Gesamtheit der integrierten
Gedanken als vollständig aufgefasst werden, so dass keine weiteren
mehr aufgenommen werden. Zu dieser Haltung kann es kommen, wenn aufgrund
des gewählten Ansatzes neue Gesichts, punkte nicht mehr in den Blick
geraten und sich auch keine neue Perspektive anbietet. Die Abgeschlossenheit
eines Systems bedeutet daher, dass die Möglichkeit ausgeschlossen
wird, Momente des Systems ließen sich noch auf eine andere«
Weise bestimmen: ihre „Bestimmung" gewinnen sie nur durch den Stellenwert,
den sie im System, bedingt durch dessen Prinzip, innehaben.
Vor allem Abgeschlossenheit ist Merkmal einer Weltanschauung,
die, wenn sie andere Möglichkeiten, ein Moment zu denken, ausschließt,
totalitäre Züge annehmen kann. Bei Denksystemen deutet Geschlossenheit
auf das Vorhandensein von Wertgesichtspunkten, die eine zukunftsoffene,
an Veränderungen orientierte Bestimmung des Sachverhaltes vom Ansatz
her verhindern. Ein System ist totalitär, wenn seine Momente nicht
frei sind, anders als durch sein Prinzip, durch es als Ganzes bestimmt
zu werden, d. h. wenn es einen Ausschließlichkeitsanspruch erhebt.
Die Besonderheit der Momente, ihr mögliches Andersbestimmtsein oder
ihre Mehrdeutbarkeit (durch innerhalb oder außerhalb des Systems
liegende Momente) kommt nicht zum Zuge."
S. 117 führt er dann aus:
"8. Geschlossenheit eines Musterzusammenhangs - Die stimmige
Erklärung eines Sachverhalts, bei dem alle Muster zusammenpassen,
führt leicht zu der Annahme, er sei anders gar nicht zu denken. Je
mehr Muster zusammengefügt werden, desto weniger nimmt man das Heterogene,
das, was nicht passt, wahr: weil dies nur durch „unpassende" Muster oder
ihre Bestandteile erfolgen kann, die abgewiesen werden. Daher besteht die
Gefahr, dass Änderungen des Sachverhalts (das Wegfallen bestimmter
Aspekte oder das Hinzukommen neuer) nicht in den gedanklichen Zusammenhang
integriert werden können: das, was sich nicht in die bereits vorhandene
Denkstruktur einfügt, wird gar nicht wahrgenommen oder nur so, dass
es zugleich uminterpretiert wird. Neue Denkmuster, die es differenzierter
erfassen, sich aber nicht in die vorhandene Konstruktion einfügen,
sondern sie zu sprengen drohen, werden abgewiesen. Das Denken geht in einem
eigenen, selbstgeschaffenen Zusammenhang, der sich immer wieder durch Anwendung
auf Einzelfälle selbst bestätigt - aber es sieht auch nur die
Einzelfälle, die es bestätigen. Nur der Einbezug anderer Denkweisen,
die andere Muster verwenden, lässt die Sachverhalte wieder anders
(aus) sehen."
Hemminger-Kritik an Theorie und Praxis des Walter Alfred
Siebel [Q], darin:
"... Das Ergebnis ist ein geschlossenes, ideologisches Denk- und Wertesystem,
daß alles, was therapeutisch geschieht, scheinbar objektiv rechtfertigt
und die Grenzen des therapeutisch Machbaren verschwimmen läßt."
"... Von daher ist sie als geschlossenes, pseudowissenschaftliches
Denksystem zu beurteilen, wenn auch in den einzelnen Anteilen in unterschiedlichem
Umfang: Am wenigsten in den geisteswissenschaftlichen Grundlagen, am stärksten
in der psychosomatischen Ausformung. Von einem ernsthaften Beitrag zur
wissenschaftlichen Menschenerkenntnis kann auf keinen Fall gesprochen werden.
Da das geschlossene Denksystem auf alle Lebensbereiche zugreift ,
von den Körpervorgängen bis hin zur Religion, und da in allen
Bereichen die selbe Sicherheit des Wissens behauptet und vorgetäuscht
wird, handelt es sich um eine voll entwickelte, pseudowissenschaftliche
Ideologie."
Gymansium Bad-Aibling Grundwissen Q12,
Volk und Nation (12/1.1):
"... Die Aufklärung war kein geschlossenes Denksystem, hatte jedoch
enorme Auswirkungen: Die Ideen der Aufklärer haben entscheidend zum
Umsturz der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Frankreich
und anderen Ländern um 1800 beigetragen."
Dan Diner über Hanna Arendt [Q]
"Arendts Hauptwerk ist inzwischen ein Klassiker. Mit ihren weiteren
Werken ist sie zur herausragenden Denkerin des Jahrhunderts avanciert.
Die gesteigerte Aktualität Arendts ist dem paradoxen Umstand geschuldet,
dass sie im Unterschied zu anderen politischen Theoretikern des vergangenen
Jahrhunderts kein in sich geschlossenes Denksystem ausgebildet hat. Im
Gegenteil: Sie war in ihrem Denken gleichsam bestrebt, aller Systematik
entgegenzuwirken. In einem geschlossenen, konsistenten Denksystem sah sie
bereits die Gefahren und Gefährdungen des Totalitären angelegt."
Dr. Rainald Simon, Sinologe & Übersetzer, in
Das
Daodejing und seine Wirkung in der Tradition des Yangsheng (Pflege des
Lebens) [Q]
"Der Frühdaoismus bietet kein widerspruchfreies, geschlossenes
Denksystem an, das Denken ist eher als eine grundsätzliche Ausrichtung
und als eine mentale Basis für sehr unterschiedliche tastende Versuche
der Lebensgestaltung zu verstehen. Es ist nicht religiös [und eignet
sich nicht für Sektenbildungen]. Seine Modernität besteht in
einer von Leistungsansprüchen freien, offenen Haltung dem Eigenen
und Fremden, dem Innen und Außen gegenüber."
Dr. Thomas Much in Aberglaube Homöopathie
[Q]:
"Schlußfolgerung: Homöopathie ist eine esoterische Behandlungsmethode
(mit Wurzeln im Götterglauben der Antike). Die Homöopathie ist
ein dogmatisches, in sich geschlossenes Denksystem, das sich (im Gegensatz
zur Naturwissenschaft) nie selbst in Frage stellt. Die Befürworter
und Nutznießer der Homöopathie verhalten sich ähnlich wie
religiöse Fundamentalisten. Kritiker werden mit allen Mitteln bekämpft
und man sieht sich stets in der Opferrolle."
Ankündigungstext des Literarischen Zentrums: Patrick
Bahners Streitschrift Die Panikmacher. [Q]
"Die deutsche Angst vor dem Islam ist das Gegengewicht zur inzwischen
fast salonfähigen sarrazinschen Untergangspolemik. (Diskussionsveranstaltung).
In seinem »Meisterwerk der Aufklärung« (SZ) prüft
er unaufgeregt und sachlich die Argumente der sogenannten Islamkritiker.
Er rückt Statistiken und Zahlen ins richtige Licht und durchbricht
ein geschlossenes Denksystem, das sich vor allem aus Vorurteilen speist.
Dabei handelt es sich keineswegs um eine Verharmlosung des islamischen
Fundamentalismus, wohl aber um eine Anklage des Generalverdachts gegenüber
Muslimen. (Veranstaltung am 10.10.11)"
Gesunder Wahn - Wahn Gesunder.
>
normaler
Wahn, gesunder Wahn, rollenfunktioneller
Wahn,
positiver Wahn, wissenschaftlicher
Wahn.
Gesunder Wahn liegt vor, wenn ein Sachverhalt alle Wahnkriterien erfüllt,
der Wahn aber nicht als solcher beurteilt und bewertet wird, obwohl er,
streng formal an den Kriterien gemessen, einer ist. Die Mechanismen der
Transformation sind die gleichen wie unter dem "normalen Wahn" ausgeführt:
-
Anerkennung des Wahns durch die soziale Bezugsgruppe als "normal"
oder "gesund".
-
Häufigkeit der Verbreitung, indem zum Beispiel die Mehrheit
einen Wahn als Glauben annimmt (Massenwahn), zum Beispiel Hexenwahn oder
der chauvinistische Überlegenheitswahn der eigenen Gruppe, Rasse oder
Nation, was Sie schon in der viel gepriesenen griechischen Hochkultur sehr
ausgeprägt finden, selbst beim von mir sonst so hochgeschätzten
Aristoteles, der Euripides
Spruch aus Iphigenie zitiert und bestätigt.
-
Erzwingen durch Ausübung von Macht, Gewalt, Herrschaft, z.B.
Inquisition, Scharia, Staatsterrorismus verkleidet als "Recht" und "Ordnung".
Bereits Karl Wilhelm Ideler
bringt in seinem Grundriss ... Bd.2 (1838, S.427) zum Ausdruck:
"In dieser allgemeinsten und allein sprachrichtigen Bedeutung ist aber
der Wahn keinesweges Symptom geistiger Krankheit , sondenr oft ein nothwendiges
Erzeugnis völlig gesunder Seelenzustände." Zwar geht hier
die Bedeutung in Richtung Fantasie und eidetische
Vorstellungskraft, aber immerhin ist die Idee eines Wahns gesunder
Seelenzustände schon gedacht.
Häfner (1967) setzt sich in seiner Arbeit
Der
echte Wahn und die "Verrücktheit" in der Politikmit den
Verrücktheit Gesunder auseinander.
Auch de
Boor konstruiert einen Wahn (Monoperceptose)
der "Gesunden", den er aufgrund seiner eigenen Vorurteile und Blindheit
aber ausschließlich bei wenigen RAF-Terroristen (genau 15 an der
Zahl) erkennt.
Epidemiologie:
siehe bitte Epidemiologie, allgemeine
unter Größenwahn.
Gewissheit > subjektive
Gewissheit.
Größenidee
"Eine übersteigerte Einschätzung von Wert, Macht, Wissen,
Bedeutung oder Identität der eigenen Person. In extremen Fällen
kann die Größenidee wahnhaftes Ausmaß annehmen." (Glossar
DSM-IV, dt. 1996, S. 857)
Noch bei Peters (1984, 1997) findet sich eine auf
Wahn eingeschränkte und schon damals falsche Version. Damals schon
falsch, weil der Verhältnisblöldsinn
Bleuers ja schon seit 1914 bekannt ist. Und im Bereich der Persönlichkeitsstörungen
(früher "Psychopathen"; Koch 1891, Kurt Schneider 1831) spielen Größenthemen
sicher bei den histrionsischen (früher: Hysterischen) und besonders
aber bei den sog. narzißtischen Persönlichkeiten eine Rolle,
wobei natürlich Skepsis angezeigt ist, ob diese Klassifikationen überhaupt
sinnvoll sind: Lieb, Hans (1998). "Persönlichkeitsstörung". Zur
Kritik eines widersinnigen Konzeptes. Tübinger Reihe 18. Tübingen:
dgvt.
Kriterien
für die histrionsische und die narzißtische Persönlichkeitsstörung.
Größenwahn > Variante
Caesarenwahn.
Huber & Gross (1977, S. 73) führen aus: "Wahneinfälle
mit dem Thema "Berufung, Größe und besondere Fähigkeiten"
(s. Tab. 3, S, 44), zu denen wir hier auch den Abstammungs- und Erfinderwahn
rechnen, führen in 6,9% (84 Einzelphänomene — s. Tab. 7, S. 63)
zu sichtbaren Konsequenzen für das faktische Verhalten: Die Kranken
versuchen, andere zu beeinflussen, zu überzeugen und für die
Realisierung ihrer Ideen zu gewinnen, sie bemühen sich um Bestätigung
und Unterstützung, erheben Forderungen und Ansprüche und entwickeln
dem Wahnthema konforme Aktivitäten, unternehmen beispielsweise Reisen
zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Kranke mit Berufungs-
und Größenwahn geben ihre bisherige Lebensform auf und übernehmen
die neue, dem Wahninhalt gemäße Rolle."
Epidemiologie,
klinische: In der psychiatrischen Klinik ist der Größenwahn
nach dem Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn eine starke Gruppe.
Huber & Gross führen in ihrer Tabelle
der Bonner Schizophrenen Studie 102 von 400 Fällen (25,5%) an.
Allgemein häufige Erscheinung, auch im religiösen
Bereich bei sich von Gott auserwählt
dünkenden Menschen, die dann besonders gemeingefährlich werden
können, wenn sie auch noch einen Missionierungsauftrag wähnen.
Zeigt sich in der Geschichte als vielfache Wurzel von Krieg, Folter, Ausbeutung,
Versklavung und Unterdrückung. Primitivformel: Die eigenen sind die
Guten, die anderen, die Fremden, sind die Schlechten. Als gesunder narzisstischer
Kern kann das Bedürfnis nach Anerkennung, Wertschätzung und Geltung
angesehen werden. Sobald die Selbsterhöhung aber auf Kosten anderer
erfolgt, liegt eine gemeingefährliche Form von sozialem
Wahn vor.
Epidemiologie,
allgemeine: Der allgemeine gruppenspezifische und national-chauvinistische
Größenwahn (> Euripides)
ist in den allermeisten Menschen angelegt und wohl als eine allgemeine,
anthropologisch gegebene Wahnfähigkeit anzusehen. Er ist auch heute
noch sehr weit verbreitet, wenn auch meist als "normal", "gesund" oder
"positiv" gesehen und bewertet. In Deutschland ist z.B. seit der Wiedervereinigung
ein neues Großmachtsdenken und Großmachtsstreben zu bemerken,
das sogar so weit führte, dass inzwischen sogar grundgesetzwidrige
Angriffskriege unterstützt (Balkan) und aktiv durchgeführt (Afghanistan)
werden. Selbst militärische Interventionen für Handels- und Wirtschaftsinteressen
(Weißbuch der Bundeswehr, Entgleisung Ex-Bundespräsident Köhler,
Verkündung des Lügenbarons zu Guttenberg) sind mittlerweile öffentlich
kommunizierbar geworden. Unterstützt wird die neue nationale Großmachtswelle
durch Fahnenschwenken und Schwelgen angesichts nationaler Ereignisse, wie
etwa Fußballweltmeisterschaften. Dazu passen dann auch die Entgleisungen
der Militärgeistlichen in Afghanistan, die von "Kriegern
des Lichts" und "Gottesstaaten" fantasieren.
Haftpsychose(n),
Gefängniskoller.
Kolle, Kurt (1947). Paranoische Haftreaktionen. Allg.
Z. Psychiatr. 124, 327-.
Heiratswahn
Mehrdeutiger Begriff. Es kann unterschiedliches gemeint oder
der Fall sein: (1) X meint, mit Y verheiratet zu sein, ohne das dies der
Fall ist. (2) X meint, Y meint oder wünscht, mit X verheiratet zu
sein. Verwandt mit Liebeswahn. Erstes Beispiel
bei Tölle (2008, S. 3f).
Die Begriffsschöpfung Peters (1984) "Krankhafter
Wunsch zu heiraten, bzw. wieder zu heiraten") bedeutet hingegen keinen
Wahn. Ob ein Wunsch, (wieder) zu heiraten, "krankhaft" sein kann, mag hier
offen bleiben.
Epidemiologie:
""
Hochstapler. > Überblick
Hochstapelei.
Hypochondrischer Wahn
Ebel, H.; Algermissen, C. Hypochondrischer
Wahn in (47-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen.
Stuttgart: Steinkopff. S. 50f: Epidemiologie:
"Die Häufigkeit des hypochondrischen Wahns verteilt sich zweigipfelig
auf Adoleszenz und frühes Erwachsenenalter (zwei Drittel der Fälle
unter 40 Jahren) einerseits und höheres Lebensalter (knapp ein Drittel
über 60 Jahren) andererseits (Musalek u. Berner 1992). Es findet sich
keine größere Geschlechterdifferenz (Winokur 1977). Eine hereditäre
Belastung mit schizophrenen oder affektiven Störungen besteht meist
nicht. Häufiger sind niedrigere sozioökonomische Schichten und
Emigranten betroffen. Die prämorbide Persönlichkeit soll extrovertiert,
dominant und hypersensitiv gegenüber der Umwelt sein, gleichzeitig
aber misstrauisch und abweisend, was die Betroffenen im Verlauf weiter
isoliert und dadurch wiederum die wahnbereite Persönlichkeit provoziert.
Eine auffällige Persönlichkeitsstruktur mit vorwiegend schwacher
Kontaktfähigkeit kann ebenfalls das Entstehen einer wahnhaften Störung
begünstigen. Hypochondrische Inhalte finden sich bei bis zu einem
Drittel der wahnhaft-schizophrenen Patienten und stehen damit hinter Verfolgungs-
und Vergiftungswahn an dritter Stelle (Huber u. Gross 1977). Im Zuge des
Gestaltwandels der Psychosen hat der hypochondrische Wahn bei Psychosen
seit Anfang des Jahrhunderts gegenüber anderen Wahnformen zugenommen,
in der Schizophrenie noch deutlicher (von 3 auf 12% zwischen 1911 und 1973)
als in der Melancholie (von 20 auf 27% zwischen 1910 und 1963) (Lauter
u. Schön 1967, Steinebrunner u. Scharfetter 1976). Nach einer jüngeren
Studie fanden sich in der Periode von 1856–1910 unter 205 Patienten 24,4%,
in der Periode von 1911–1955 unter 229 Patienten 25,3% und in der Periode
von 1992–2001 unter 303 Patienten 17,5% mit hypochondrischem Wahn (Stompe
et al. 2003). Die relative Häufigkeit des Krankheitswahnes bezogen
auf wahnhafte Depressionen wurde zwischen 3,1% und 35,7% angegeben (Tölle
1998). Angesichts dieser Befunde ist die Einstufung des hypochondrischen
als typisch melancholischen Wahns nicht zu rechtfertigen (Fuchs 1992)."
Ideologischer Wahn.
> Religion als Wahn, Herrscher
Typen. > Auswirkungen
nach Demoziden (Volkstötungen).
Thieme (1991, S. 24f) erläutert: "Eine Ideologie ist die systematische
intellektuelle Ausarbeitung einer Idee und!oder eines Ideals (also ein
System von Konzeptionen, ergänzenden Aussagen, Theorien und Zielen,
die als Prinzipien menschlichen Verhaltens und Handelns und menschlicher
Organisationen dienen), die autoritär als Wahrheit verkündet
wird, selbst wenn sie unbewiesen, unbeweisbar oder durch Tatsachen widerlegt
ist.
Das Wort Ideologie wird heutzutage oft nur auf wirtschaftspolitische
Systeme angewendet, aber bereits Feuerbach und Marx betrachteten auch Religion
als Ideologie. Das Wort soll hier in seinem weitesten Sinne gebraucht werden,
sowohl für religiöse als auch politische Ideologien. Wir können
diese zwei Hauptgruppen die großen Ideologien nennen. Es gibt auch
viele kleine Ideologien auf dem Gebiet der Kunst und Literatur, in der
Wissenschaft oder auf dem Sektor des täglichen Lebens, der Gesundheit,
der Ernährung, usw.
Eine mächtige Ideologie ist meist ein umfangreiches,
ausgeklügeltes System, das aus verschiedenen ideologischen Konzeptionen
besteht. Eine religiöse Ideologie ist in den meisten Fällen ein
Gemisch von Konzeptionen des Übernatürlichen (z.B. Leben nach
dem Tode, Reinkarnation) und der Moral; es enthält aber oft auch soziale,
politische und wirtschaftliche Konzeptionen. Sich zu einer bestimmten Ideologie
bekennen, heißt, an etwas glauben, für das es keinen realen
Beweis gibt und das deshalb auf Autorität begründet ist. [>25]
Ewige Wahrheit, auch wenn unbewiesen, unbeweisbar
oder durch Tatsachen widerlegt, ist die Quintessenz jeder Ideologie. Das
unterscheidet sie von einer Theorie, einer Weltanschauung und vom «common
sense». Diese autoritäre Annexion der «Wahrheit»
dient oft zur Rechtfertigung für Unnachsichtigkeit und Unbarmherzigkeit,
für grausame Morde und blutige Kriege. Aber es gibt auch Ideologien
(die buddhistische), die trotz ihrer behaupteten Unfehlbarkeit tolerant
gegenüber Andersdenkenden sind und keinen Versuch machen, ihre Doktrin
mit brutaler Gewalt anderen aufzuzwingen. Eine nicht-aggressive Ideologie
kann töricht sein, die aggressiven Ideologien sind jedoch kriminell.
Unsere Sprache macht keinen Unterschied zwischen ihnen. Vielleicht könnte
man gewalttätige Ideologien «Ideologismus» nennen in Analogie
zu Absolutismus und Despotismus, Psychologismus usw. In ähnlicher
Weise könnte man zwischen einem Ideologen und einem Ideologisten unterscheiden.
Entsprechend könnte man drei Gruppen ideologischen Gedankenguts definieren:
Weltanschauung: Ein System von Konzeptionen,
ergänzenden Aussagen, Theorien und Zielen, die revidiert werden können.
Ideologie: Eine Weltanschauung, die trotz widersprechender
Tatsachen als Wahrheit proklamiert wird und die nicht revidiert werden
kann.
Ideologismus: Eine Ideologie, die diktatorisch
mit Gewalt auferlegt wird (hierzu gehören also alle in diesem Buch
behandelten Ideologien, auch wenn diese nicht ausdrücklich als Ideologismus
gekennzeichnet werden).
Es ist für den arglosen Anhänger oft schwer,
zwischen diesen drei Gruppen zu unterscheiden. ..."
Epidemiologie:
Der ideologische Wahn ist ein ständiges Weltphänomen bis auf
den heutigen Tag. Ein jüngstes Beispiel liefert Libyen,
wenngleich bei vielen in Libyen der fünfte Faktor - Macht,
Gewalt und Terror - eine Hauptrolle spielen dürfte.
Induzierte wahnhafte
Störung („Folie à deux“) >
Stoffe: Drogen,
Medikamente,
Mehrdeutig jenachdem, ob der Wahn durch eine anderew Person oder durch
Stoffe ausgelöst oder hevorgerufen wird.
Haltenhof, H.; Bender, M. in (141-): Garlipp,
P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart:
Steinkopff.
Beschreibung
(S.142): "Nach ICD-10 übernimmt die sekundär betroffene Person
den Wahn oder das Wahnsystem von einer anderen Person, zu der eine enge
Beziehung besteht. Die DSM-Kriterien fordern bei enger Beziehung zu einer
bereits wahnkranken Person die Entwicklung eines inhaltlich ähnlichen
Wahns."
S. 143: Epidemiologie:
"Die induzierte wahnhafte Störung ist wahrscheinlich häufiger
als vermutet, da die meist sehr zurückgezogen lebenden Personen nicht
immer Anlass haben, medizinische Hilfe aufzusuchen bzw. im Fall eines solchen
Kontaktes häufig nur einer der Betroffenen behandelt wird. Je gründlicher
die Familienanamnese erhoben wird und je öfter Angehörige untersucht
werden können, desto häufiger dürfte die Diagnose gestellt
werden. Es verwundert daher nicht, dass die Angaben stark schwanken. So
werden etwa bei in psychiatrischen Kliniken aufgenommenen Patienten Inzidenzraten
zwischen 1,7% (Spradley 1937) und 2,6% (Scharfetter 1970) berichtet, die
allerdings über unseren eigenen Erfahrungen liegen."
Intermetamorphose.
Kollmar, C. in (112-): Garlipp,
P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart:
Steinkopff.
Beschreibung: "Die
Intermetamorphose fällt diagnostisch in die Gruppe der wahnhaften
Missidentifikationen. Zu den wahnhaften Missidentifikationen zählen
das Capgras- und das Fregoli-Syndrom,
das Syndrom des subjektiven Doppelgängers und die Intermetamorphose
(Mattoni et al. 1999, Rentrop et al. 2002, Rodrigues u. Banzato 2006).
Diesen Störungen ist gemeinsam, dass die betroffenen Personen ihre
eigene Identität oder die Identität bekannter Personen negieren
und von einer physischen und/oder psychischen Verwandlung überzeugt
sind (Rentrop et al. 2002). Der Wahngedanke betrifft somit v. a. die Identifikation
von Personen, aber auch die von Tieren."
S. 112f: Epidemiologie:
"Das Phänomen der Intermetamorphose kommt bei Patienten mit Schizophrenie,
schizoaffektiven Störungen, bipolaren Störungen, organischen
Störungen, Substanzabhängigkeit und demenziellen Syndromen vor
(Fleminger u. Burs 1993, Silva et al. 1989). In der Literatur finden sich
bisher nur Daten zur Häufigkeit von wahnhaften Missidentifikationen
als Gesamtgruppe. Inzidenz- und Prävalenzraten speziell für das
Krankheitsbild der Intermetamorphose gibt es bisher leider nicht (Arenz
2000). Klinische Untersuchungen konnten zeigen, dass wahnhafte Missidentifikationen
bei genauer Diagnostik in der Praxis häufiger angetroffen werden als
erwartet. In einer Studie von Kirov et al. aus dem Jahr 1994 fanden sich
unter 195 Patienten, die aufgrund einer funktionellen Psychose stationär
in Behandlung waren, acht Patienten mit einer voll ausgeprägten wahnhaften
Missidentifikation. Dies entspricht einer Rate von 4,1%. Förstl et
al. untersuchten im Jahr 1994 Patienten mit einer Alzheimer-Erkrankung.
Bei 30% traten im Verlauf der Erkrankung wahnhafte Missidentifikationssymptome
auf."
Jerusalem-Syndrom [W]
Wikipedia teilt mit (Abruf
9.3.11): "Die Erkrankung besitzt den Charakter einer Psychose und äußert
sich unter anderem in Wahnvorstellungen: Der oder die Betroffene identifiziert
sich vollständig mit einer heiligen Person aus dem Alten oder Neuen
Testament und gibt sich als diese aus.
Sehr prominente und wichtige biblische Personen
werden dabei besonders häufig zum Objekt einer solchen Identifizierung,
so zum Beispiel Mose und König David aus dem Alten Testament oder
Jesus und Johannes der Täufer aus dem Neuen Testament. Grundsätzlich
wählen Männer männliche Personen aus der Bibel und Frauen
weibliche Personen. Auch gibt es konfessionelle Einflüsse bei der
Wahl: Juden wählen Personen aus dem Alten Testament, Christen wählen
Personen aus dem Neuen Testament.
Die Identifizierung als biblische Person geht einher
mit einer entsprechenden Selbstdarstellung und wird oft begleitet von öffentlichen
Predigten oder Gebeten des Erkrankten. Auch legen diese häufig ihre
Kleidung ab und hüllen sich statt dessen in weite Gewänder oder
Bettlaken.
Die Bezeichnung Jerusalem-Syndrom stammt vom israelischen
Arzt Yair Bar El, der Anfang der 1980er Jahre als erstes dieses Krankheitsbild
diagnostizierte und seitdem über 400 Betroffene in der psychiatrischen
Klinik „Kfar Shaul“ behandelt hat. Grundsätzlich ist die Erkrankung
nicht gefährlich und die Betroffenen sind in der Regel nach wenigen
Tagen vollständig genesen. Allerdings zeigte die große Mehrzahl
der erkrankten Personen bereits vor dem Jerusalem-Syndrom psychische Auffälligkeiten,
so dass eine gewisse Disposition vorausgesetzt werden kann. Ein extremes
Beispiel einer Tat, die wegen ihrer religiöser Motivation dem Jerusalem-Syndrom
zugeordnet wurde, war jedoch der Brandanschlag auf die Al-Aqsa-Moschee
durch den australischen Touristen Michael Rohan im Jahre 1969."
Epidemiologie:
Ca. 100 Besucher der Stadt Jerusalem pro Jahr.
Körperdysmorpher Wahn
Schmoll, D. Körperdysmorpher
Wahn in (38-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen.
Stuttgart: Steinkopff. S. 40f: Epidemiologie:
"Die umfassendste Untersuchung zur Epidemiologie stammt von Rief et al.
(2006). In der Allgemeinbevölkerung (n=2552) fanden sie die Kriterien
der körperdysmorphen Störung bei 1,7% erfüllt. Die Störung
war etwas häufiger bei Frauen (1,9%) als bei Männern (1,4%).
Prävalenzraten in der Bevölkerung zwischen 1 und 2% wurden auch
in früheren Studien angegeben. Bislang finden sich keine sicheren
Hinweise für eine Zunahme der Häufigkeit, obwohl die Zahl der
plastisch-kosmetischen Behandlungen (operativ und konservativ) in den USA
von 2 Millionen im Jahr 1997 auf fast 8,3 Millionen im Jahr 2003 angestiegen
ist (Phillips et al. 2005 a). Studien haben ergeben, dass zwischen 6 und
15% der Patienten, die vom Hautarzt oder plastischen Chirurgen gesehen
werden, an einer körperdysmorphen Störung leiden. Viola Moser,
Chefärztin des Zentrums für ästhetisch-plastische Chirurgie
an unserer Klinik, schätzt den Anteil sogar noch höher, nämlich
auf 20 bis 25% (pers. Mitteilung 2009). Unter stationären psychiatrischen
Patienten fanden sich 13% mit dieser Störung. Die Prävalenz in
der Allgemeinbevölkerung scheint sich in den westlichen Nationen (USA,
Italien, England) nicht wesentlich zu unterscheiden, für andere Kulturen
gibt es bisher keine ausreichenden Daten (Phillips et al. 2005 a). Als
eine Sonderform wurde das im asiatischen Raum auftretende sog. „Koro-Syndrom“
beschrieben. Es ist durch die ängstliche Überzeugung charakterisiert,
dass der Penis sich in den Unterleib zurückzieht (Garlipp u. Machleidt
2003)."
Konfabulieren. [W]
Kontaktmangelparanoid
> Sensorische Deprivation.
Garlipp, P.; Haltenhof, H. in (125-): Garlipp,
P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart:
Steinkopff.
Beschreibung: S. 126:
"Janzarik nennt als Leitphänomen des Kontaktmangelparanoids die menschliche
Isolierung ... Das Kontaktmangelparanoid existiert in den aktuellen deskriptiven
und kriteriologischen Diagnoseklassifikationen sowohl der WHO als auch
der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung nicht mehr. Vielmehr geht
die Diagnose in der ICD-10 entweder in der Rubrik „Schizophrenie“ oder
„Anhaltende wahnhafte Störungen“ auf (Dilling et al. 1993, Riecher-Rössler
1997)."
S. 127: Epidemiologie:
"Das Kontaktmangelparanoid bleibt häufig unerkannt, da der Betroffene
sein Erleben nicht mitteilt und es zumeist im häuslichen Rahmen auftritt."
Kritik: Isolierung und Kontaktmangel
muss kein Symptom sein. Misstrauen als Leitsymptom kann sowohl Ursache
als auch Folge sozialer Isolierung und Kontaktmangel sein. So gesehen taugt
der Begriff wenig und ist zu Recht aus den internationalen Diagnosesystemen
verschwunden. Ungeachtet dessen kann Kontakt und die damit verbundene Kommunikation
als wichtiges Heilmittel gegen psychische Störungen und auch Wahnbildungen
angesehen werden.
Lit.
Janzarik, W. (1973) Über das Kontaktmangelparanoid des höheren
Alters und den Syndromcharakter schizophrenen Krankseins. Nervenarzt 44:515–526
Schulte, Thomas
(1978). Das Kontaktmangelparanoid. Somatische, soziale und psychopathologische
Aspekte eines paranoid-halluzinatorischen Syndroms in höherem Lebensalter.
Dissertation MedFak JGU-Mainz.
Korsakow-Syndrom. > Alkoholinduzierter
Wahn.
-
Youtoube. [404]
-
Google-Books: [1,]
Liebeswahn.
Gewöhnlich die wahnhaftze Überzeugung X, von Y geliebt zu
werden oder mit Y Erfüllung und Glück in der Liebe zu finden.
Ist es X nicht wichtig, ob Y überhaupt die Liebe erwidert, kommt eine
soziopathische Komponente hinzu, die in kriminelles Stalking übergehen
kann.
Garlipp, P. in (79-): Garlipp,
P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart:
Steinkopff.
S. 82: Epidemiologie:
"Zunächst wurde davon ausgegangen, dass der Liebeswahn fast ausschließlich
Frauen betreffe. Inzwischen wurden in Studien bis zu 20–25% männlicher
Patienten berichtet (z. B. Kennedy et al. 2002). Die Häufigkeit des
Auftretens eines Liebeswahns kann letztlich nicht festgelegt werden, da
davon ausgegangen werden muss, dass nur ein Teil der Patienten in die psychiatrische
Versorgung gelangt. Viele Patienten leben jahrelang mit einem unerkannten
Liebeswahn, der möglicherweise nie oder erst durch die Folgen im Bereich
juristisch-forensischer Konsequenzen bekannt wird. Immerhin stellten Meloy
and Gotthard in ihrer Untersuchung 1995 einen Anteil von 10% an Stalkern
fest, die an einem Liebeswahn litten. Möglicherweise findet aktuell
der Liebeswahn indirekt durch die mediale Öffentlichkeit, die dem
Thema des Stalking in den letzten Jahren gewidmet war und ist, mehr psychiatrische,
aber auch forensische Beachtung, zumal Stalking seit kurzem in Deutschland
einen Straftatbestand darstellt und die Möglichkeiten, Liebesobjekte
zu belästigen, durch die modernen Kommunikationstechniken noch zahlreicher
geworden sind."
Auch: Schmidt,
G. (1951). Liebeswahn. Fortschr. Neur. 18.
Lykanthropie.
Garlipp, P.; Dietrich, D. E.; Haltenhof,
H. in (22-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen.
Stuttgart: Steinkopff. S. 23: Epidemiologie:
"Lykanthropie tritt meist als sekundäres Wahnphänomen bei anderen
psychiatrischen Erkrankungen in Erscheinung. Im Vordergrund stehen dabei
affektive (z. B. Keck et al. 1988) und schizophrene Psychosen (z. B. Garlipp
et al. 2001), Demenz (Knoll 1986), selten Persönlichkeitsstörungen
(z. B. Keck et al. 1988) sowie substanzinduzierte (z. B. Surawicz u. Banta
1975) bzw. organische Erkrankungen (Kulick et al. 1990). Über die
Häufigkeit ist nichts bekannt, allerdings ist davon auszugehen, dass
die Lykanthropie als solche oft nicht erkannt wird bzw. nicht bekannt ist,
da sie ein seltenes spezifisches Wahnphänomen darstellt. Es gibt Hinweise,
dass insbesondere in vorindustriellen Gesellschaften (Coll et al. 1985)
und bei Personen, die ländlich isoliert leben (Younis u. Moselhy 2009),
die Lykanthropie auftritt."
Martha-Mitchell-Effekt.
> Psychiatrisierung.
"Der Martha-Mitchell-Effekt: Wird einer Person absichtlich oder irrtümlich
von Ärzten, Psychiatern, Justiz oder Politikern eine Geistesstörung
(Wahn, Paranoia) zugeschrieben, um zutreffende Erkenntnisse, die diese
Person an die Öffentlichkeit bringt, zu diskreditieren, dann spricht
man in der Fachliteratur vom Martha-Mitchell-Effekt. Dr. Thomas Grüter
schreibt hierzu: "Die Fehldeutung von Tatsachen als Wahnideen ist unter
dem Namen »Martha-Mitchell-Effekt« bekannt. Martha Mitchell
war die Frau des ehemaligen US-Justizministers John Mitchell. Im Oktober
1972 wurde er beschuldigt, den Einbruch in die Wahlkampfbüros der
demokratischen Partei im Watergate Hotel in Washington D.C. beauftragt
zu haben. Frau Mitchell informierte mehrfach die Presse darüber, dass
ihr Mann nur als Sündenbock für den eigentlichen Drahtzieher
herhalten sollte: Präsident Richard Nixon. Das Weiße Haus streute
daraufhin falsche Informationen über ein angebliches Alkoholproblem
der Ministergattin und unterstellte ihr Wahnideen. Als der Watergate-Skandal
schließlich in seiner ganzen Tragweite bekannt wurde, erwiesen sich
Martha Mitchells Aussagen als vollkommen korrekt und sie selbst als geistig
gesund" (2004, S. 12). Der böse Schein, in der Fachzeitschrift Gehirn
und Geist, Nr. 4/2004. Mollath ist kein Einzelfall! Dr. Reinhard Munzert
" [Leserforum Sekundärquelle NN 9.12.12]
Medikamenten induzierter
Wahn.
> Mefloquin
induzierter Wahn.
Block, Frank & Prüter, Christian (2006). Medikamentös
induzierte neurologische und psychiatrische Störungen. Heidelberg:
Springer.
Minderwertigkeitswahn
Typisch für depressiven Wahn mit dem Gefühl völlig Wertlosigkeit.
Epidemiologie:
""
Minuswahn > Abwehr,
Neutralisation, kognitive Dissonanzfilter * Blinder
Fleck.
Wahn wird von der traditionellen Psychopathologie als ein produktives
oder Plus-Symptom angesehen. Alles, was ausgeblendet und nicht wahrgenommen
genommen wird, kann aber nach dem Kriterium Falsches Modell auch als Wahn
angesehen werden, wenn es mit rational unkorrigierbarer Gewissheit vertreten
wird. Für diese Wahnform schlage ich die Wortschöpfung "Minuswahn"
vor. Dazu gehört z.B. die Überzeugung eines Betrogenen, nicht
betrogen worden zu sein oder zu werden, obwohl alle Welt um den Betroffenen
herum weiß, dass der Partner fremd geht. In diesem Beispiel könnte
man vom Gegenstück eines Eifersuchtswahns sprechen (ich werde betrogen,
obwohl es nicht so ist bzw. ich erschließe es mit unüblichen
Methoden, auch wenn es stimmt, z.B. der Partner badet seit einiger Zeit
Dienstags). Der eine wähnt betrogen zu werden, obwohl er es nicht
wird, der andere wird es und wähnt es gerade nicht.
Misstrauen, misstrauisch.
> Heilmittelmonographie vertrauen
und misstrauen (glauben und zweifeln).
Epidemiologie:
""
Monoperceptose. [> Kritische
Auseinandersetzung]
Wahn der gesunden Terroristen. Vorschlag und Konstruktion
de Boors (1978, 1997)
Epidemiologie:
""
Nihilistischer Wahn
> s.a. Cotard-Syndrom. > Fallbeispiel.
"Nihilistischer Wahn oder délire des négations (Cotard
1882) ist ins wahnhaft gesteigerter Nihilismus und letztendlich wahnhafte
Nicht-Existenz. Der Kranke bestreitet sein Dasein oder die Existenz seiner
Seele. Auf Gegenvorstellungen äußert er, allenfalls existiere
er zum Schein, was er nicht näher erklären kann. Die „Existenz
ohne Existenzgefühl" (v. Gebsattel 1928) ist als Extrem jener gefühlten
Gefühllosigkeit und erlebten Leblosigkeit anzusehen, die das melancholische
Erleben prägt. Sie kann sich auf einzelne Körperorgane beschränken,
sich auf die Seele beziehen (vom Kranken dann meist im metaphysischen Sinne
gemeint) oder auf Angehörige erstrecken. Wenn die Existenz lebender
Angehöriger verneint wird, ist regelmäßig die Beziehung
zur eigenen Kleinheit, Wertlosigkeit oder Nichtigkeit zu erkennen. Hinter
der Äußerung einer melancholischen Frau, "ich habe keinen Sohn"
steht die wahnhafte Überzeugung: Es ist unmöglich, daß
ich ein Kind geboren habe.
Nichtigkeitswahn ist die extreme Ausprägung
des melancholischen Erlebens der Kleinheit. Es handelt sich um eine Erlebnisdimension
mit unterschiedlichen Ausprägungsgraden: von dem Insuffizienzerleben
des Melancholischen (leistungsunfähig, nicht therapierbar, finanziell
ungesichert, beruflich unbedeutend) über das Schulderleben (für
alles Negative verantwortlich, nicht mehr gut zu machen, verworfen) bis
zur Verneinung der eigenen Existenz. "Ich bin ein Versager" (Kleinheitswahn),
"Ich bin nichts wert" (Schuldwahn) und "Ich bin nicht" (nihilistischer
Wahn) - diese Erlebnisweisen liegen nicht weit voneinander. Der Untergang
des eigenen Menschseins ist die letzte Drohung, die auch dann noch gilt,
wenn sonst alles wertlos geworden ist (Janzarik 1957a)."
Quelle (S. 124): Tölle, R. &
Werfelmeyer, Th. (1987). Wahn bei Melancholie. In (124-139): Olbrich
(1987, Hrsg.)
Normaler Wahn > Gesunder
Wahn, rollenfunktioneller Wahn,
positiver
Wahn,
wissenschaftlicher Wahn.
> Norm, Wert, Abweichung (Deviation)
- "Normal",
"Anders", "Fehler", "Gestört", "Krank", "Verrückt".
Am einfachsten lassen sich die unglaublichen Zustände unter den
Menschen seit Jahrtausenden erklären, wenn wir annehmen, dass die
überwiegende Anzahl der Regierenden und Herrschenden wahnsinnig, verbrecherisch
oder beides waren und sind. In Demokratien, die allerdings meistens nur
verbrämte Oligarchien
sind, müssen dann u.U. die WählerInnen entsprechend beurteilt
werden.
Die paradoxe Hypothese eines "normalen" Wahns erklärt, wie auch
aus Wahn "Normales" oder "Gesundes" wird: Es gibt - wie bei Verbrechen
- mehrere Mechanismen, aus Wahn eine "Normalität" oder etwas "Gesundes"
zu machen:
-
Anerkennung des Wahns durch die soziale Bezugsgruppe als "normal"
oder "gesund" (z.B. Religionen).
-
Häufigkeit der Verbreitung, indem zum Beispiel die Mehrheit
einen Wahn als Glauben annimmt (Massenwahn), zum Beispiel Religionen, Hexenwahn
oder der chauvinistische Überlegenheitswahn der eigenen Gruppe, Rasse
oder Nation, was Sie schon in der viel gepriesenen griechischen Hochkultur
sehr ausgeprägt finden, selbst beim von mir sonst so hochgeschätzten
Aristoteles,
der Euripides Spruch aus Iphigenie zitiert und bestätigt.
-
Erzwingen durch Ausübung von Macht, Gewalt, Herrschaft, z.B.
Inquisition, Scharia, Staatsterrorismus verkleidet als "Recht" und "Ordnung".
Der häufigste Fall für sog. "normalen Wahn" ist die Religion.
Den radikalsten und konsequentesten Standpunkt in der Geistesgeschichte
hinsichtlich des "normalen" Wahns habe ich bei Max
Stirner in seiner Arbeit über den Sparren - aus Der Einzige
und sein Eigentum - gefunden, der jeden Allgemeinbegriff (> Universale)
für ein Wahngebilde hält.
Epidemiologie:
Christian Scharfetter (1976, S. 143) schreibt sehr sinnig: "Der Mensch
ist grundsätzlich wahnfähig." Auch Spitzer (1989-2, S. 14) meint,
dass "Wahn prinzipiell überall vorkommen kann". Die meisten Psychiater
gehen aber davon aus, dass Wahn grundsätzlich aus krankhafter Ursache
entsteht. Der von mir hypothetisch postulierte "normale Wahn" ist aber
auch schon deshalb kaum untersucht, weil man die Idee gar nicht hatte oder
schnell wieder verwarf. Siehe bitte auch Epidemiologie,
allgemeine unter Größenwahn.
Organisch bedingter Wahn
Das Auftreten von Wahn und anderen anderen psychischen Symptomen bei
organischen Erkrankungen zeigen eindringlich, wie wichtig es für psychologische
Psychotherapeuten sein kann, das psychiatrisch-neurologische Konsil
zu suchen.
-
Berner, P. & Lesch, O. M. (1987) Systematik der
Wahnerkrankungen unter besonderer Berücksichtigung organischer paranoider
Syndrome. In (1-): Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.).
-
Minov, C.; Messer, T. & Schmauss, M. (2006). Organische
Psychosen. In (407-420.): Block & Prüter (2006, Hrsg.) Medikamentös
induzierte neurologische und psychiatrische Störungen. Heidelberg:
Springer.
Fallbeispiele organische bedingte Wahnbildungen:
Personenverkennung, wahnhafte.
> Capgras-Syndrom. > Historisch-literarische
Anmerkung zu "Lila".
Epidemiologie:
Huber & Gross (1977, 137-144) berichten über 86 Fälle (24,4%)
aus der Bonner Schizophreniestudie.
Historisch-literarische Anmerkung: Personenverkennung bzw. ein Capgras-Syndrom
zeigt auch Goethes "Lila". Diener (1971, S. 229): "Sie schien mit sich
selbst in Zweifel zu sein, ob ich auch ihre Schwester sei." Und:
"FRIEDRICH. Das ist eben das Gefährlichste ihrer Krankheit. Das gleiche
ist mir mit ihr begegnet. Seitdem ihr die Phantasien den Kopf verrückt
haben, traut sie niemanden, hält alle ihre Freunde und Liebsten, sogar
ihren Mann für Schattenbilder und von den Geistern unterschobene Gestalten.
Und wie will man sie von dem Wahren überzeugen, da ihr das Wahre als
Gespenst verdächtig ist?"
Politischer Wahn
Robins
& Post (2002) führen in "Die Psychologie des Terrors"
im Vorwort zur deutschen Ausgabe an: "Politischer Wahn ist keine seltene
Form der Psychopathologie, vielmehr wohnt er dem menschlichen Wesen inne.
Das Bedürfnis nach Feinden hat tiefsitzende biologische und sozialpsychologische
Wurzeln. Von klein auf wird uns beigebracht, wen wir zu lieben und wen
wir zu fürchten oder zu hassen haben. Weil die Neigung zum politischen
Wahn derart tief in uns verwurzelt ist, konnten wir zeigen, wie sie in
der Populärkultur, in der politischen Agitation und der politischen
Macht, in der Literatur, der Religion, der Suche nach materieller Sicherheit
und Wohlstand, aber auch im Innersten der von ihr Befallenen zum Ausdruck
kommt. Alle diese Manifestationen des politischen Wahns gibt es auch heute
noch, und es wird sie auch weiterhin geben, aber Form und Heftigkeit ihres
Auftretens verändern sich mit den Zeitläuften. Als wir dieses
Buch geschrieben haben, zeigte sich eine wahnhafte Auffassung von Politik
besonders in der populären Kultur und in terroristischen Aktionen
von Bürgern der Vereinigten Staaten gegen ihr eigenes Land. Fünf
Jahre später hat die Bedrohung spürbar zugenommen. Sie findet
nun ihren Ursprung außerhalb der Vereinigten Staaten und wird von
religiösem Extremismus und kulturellem Haß genährt. Diese
Aspekte des Themas sind vor allem in den Kapiteln »Das Bedürfnis
nach Feinden«, in dem die Psychologie von haßerfüllten
Massenbewegungen beschrieben wird, und »Töten im Namen Gottes«
sowie in den verschiedenen Abschnitten des Buches zu finden, die sich mit
dem Islam befassen."
Positiver Wahn > normaler
Wahn, gesunder Wahn, rollenfunktioneller
Wahn, wissenschaftlicher Wahn.
Wahn kann auch (sehr) positiv erlebt werden und kann
nicht nur von der WahnausbilderIn, sondern auch von Außenstehenden
als wertvoll und lebensbereichernd angesehen werden. X, der sich von Y
geliebt, gewertschätzt, beachtet fühlt, obwohl das nicht
so ist, kann dadurch ein positives Lebensgefühl erleben. X, der sich
bestimmte Fähigkeiten oder auch Möglichkeiten zuspricht, obwohl
er sie gar nicht hat, kann dadurch ein positives Lebensgefühl entfalten.
Das gleiche gilt für abwesend gedachte Einschränkungen, Gefahren,
Risiken. Positiver Wahn dürfte beim gesunden Wahn eine große
Rolle spielen. Hypomaniforme Zustände euphorischen Typs (also solche,
wo positive Hochgefühle das Lebensgefühl bestimmen), wie sie
sich die Gesundheitsdefinition der WHO zu eigen macht, könnten als
positiver, gesunder Wahn angesehen werden, wenn sie sich z.B. in Wirklichkeitsurteilen
"Das Leben ist wunderbar" mit subjektiver Gewissheit und unkorrigierbar
äußern. Das ist in vielen Verliebtheitszuständen der Fall,
wenn ein Mensch verliebt ist und sich geliebt wähnt, also - in seinem
Wirklichkeitserleben - sozusagen symmetrisch, glücklich verliebt ist.
So gesehen kann glückliche Verliebtheit formal einen sehr angenehmen
psychopathologischen Ausnahmenzustand bedeuten. Krankhafte Formen positiven
Wahns können z.B. in Manien, beim Liebeswahn, in schizoaffektiven
Glückpsychosen oder durch Rauschmittel hervorgerufen werden.
Epidemiologie:
Progredienz
Fortschreitung, Ausdehnung, Ausweitung. Beispiel: Jemand klagt zunächst
nur über einen Verfolger, dann werden es zwei, drei usw. In einem
solchen Fall spricht man von Progredienz. Der Progredienzbegriff ist -
wie so viele Begriffe in der Psychiatrie - nicht sehr präzise. Das
ist nicht gut für die Begutachteten, nur für die Gutachter.
Progredienz in der psychiatrischen Fachliteratur
(Auswahl): Im Glossar des DSM-IV ist das Wort nicht eingetragen. Berger
(1999, Hrsg.) Psychiatrie und Psychotherapie, haben "Progredienz"
nicht im Sachregister. Es findet sich auch nicht im Wörterbuch
der Psychiatrie von Peters (1984) und ebenfalls nicht in Psychiatrische
Begutachtung von Venzlaff & Foerster (2004, Hrsg.). Auch in der
Wahn
Monographie von Huber & Gross und bei Schanda Paranoide Psychosen
gibt es keinen Sachgregistereintrag zu Progredienz oder progedient. Aber
bei Schanda findet sich "progredient" im Text, in Tabelle
52, S.89. Von den 71 dort mitgeteilten Fällen, sind 10 progredient
verlaufen, also nur rund 14%. Von 25 wurden vier geheilt und zwei verliefen
als singuläre Episoden. Also fast 25%.
Pseudologia phantastica
> Zur Originalarbeit
von Delbrück (1891).
Psychiatrisierung als Disziplinierungsmittel
des Staates und seiner Organe. > Psychiatrisierungsfälle.
> Martha-Mitchel-Effekt (Watergate
1972).
Psychische
Epidemien.
Hole (1983, S. 516)
führt aus: "Die Geschichte der psychischen Epidemien stellt
ein eindrucksvolles Beispiel dafür dar, wie stark und wie rasch Zeitgeist
und zeittypische Ideen unter dem Erlebnisdruck bestimmter Situationen mit
den eigenen psychischen Tendenzen der dafür empfänglichen Individuen
verschmelzen und eine enorme Eigendynamik entfalten können. Die bekannte
»Verstärkerwirkung der Gruppe« (Battegay 31971, 31 f)
als strukturierter und rollendifferenzierter Größe oder der
»Masse« als unstrukturierter Bewegung gleichgeschalteter Emotionen
läßt sich hierbei in besonders deutlicher Weise aufzeigen. Die
ursprünglichen religiösen Ideen und Motive gehen mit Zunahme
der Epidemie rasch eine Verbindung mit triebhaften und neurotischen Regungen
ein und überwuchern diese unter dem Druck der entbundenen Emotionen
oft völlig. So verstehen sich die - meist erst für den distanzierten
historischen Betrachter richtig deutbaren - Exzesse masochistischer, sadistischer,
sexueller, geltungs- oder machtsüchtiger Art, wobei es von sekundärer
Bedeutung ist, ob diese Extremismen spontan-ekstatisch, ritualisiert oder
institutionalisiert vorkommen. ..."
Psychosen, Wahn bei Psychosen,
psychotischer Wahn
Psychosebegriff:
Organische Psychosen
Depressive Psychosen
Schizophrene Psychosen
Querulanz > Querulatorische
Persönlichkeitsstörung > Querulantenwahn
> Differentialdiagnostische
Probleme bei Querulanz
Menschen, die kaum durch Argumente und Fakten beeindruckbar ihre Ziele
hartnäckig verfolgen, auch wenn es nach Meinung vieler Außenstehender
oder gar von ihren Anliegen Betroffene nicht (mehr) sinnvoll erscheint,
werden von ihrer Umwelt als - mitunter sehr - lästig erlebt und daher
als Querulanten benannt.
Andrea Dinger (1991) führt in dem hervorragenden
Werk Querulanz in Gericht und Verwaltung aus, S. 13: "In die Behandlung
des Phänomens „Querulanz" sind gleichermaßen Juristen
wie Psychiater involviert. Beide Personenkreise waren daher bestrebt, das
Problem auch theoretisch zu bearbeiten. Während sich die psychiatrische
Wissenschaft vor allem darum bemühte, das Phänomen „Querulanz"
zu erklären und zu systematisieren, ging es der juristischen Wissenschaft
stärker darum, wie der Umgang der Behörden mit querulierenden
Rechtsuchenden vereinfacht werden könne.
Wenn auch der Begriff seinen Ursprung im
römischen Recht hat (Möllhoff 1990), so wurden in der
Allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten vom
6. 7. 1793 zum ersten Mal Querulanten definiert und Sanktionen gegen sie
festgeschrieben:
„Diejenigen Parteien, welche sich der vorgeschriebenen
Ordnung nicht unterwerfen, sondern entweder Kollegia und deren Vorgesetzte
mit offenbar grundlosen und widerrechtlichen Beschwerden gegen bessere
Wissenschaft und Überzeugung belästigen; oder, nachdem sie ihres
Unrechts gehörig bedeutet wurden, mit ihren Klagen dennoch fortfahren
und durch wiederholtes ungeziemliches Supplizieren etwas, so gegen Recht
und Ordnung ist, durchzusetzen und zu erzwingen suchen; oder die am Ende
gar das Justizdepartement mit falschen und unrichtigen Darstellungen ihrer
Angelegenheiten oder mit unwahren und erdichteten Beschuldigungen und Verunglimpfungen
der Kollegien und Gerichte zu behelligen sich unterfangen, sollen als mutwillige
oder boshafte Querulanten angesehen, ihnen der Prozeß gemacht und
über ihre Bestrafung rechtserkannt werden« (zitiert nach
Bublitz
1956, S. 138).
Es erfolgte dann Ende des 19. Jahrhunderts und am
Anfang des 20. Jahrhunderts eine heftige theoretische Auseinandersetzung
mit dem Krankheitsbegriff Querulanz."
Im weiteren stellt Andrea Dinger wesentliche Persönlichkeitscharakteristika
aus der Literatur zusammen (S. 15):
"... Die folgende Beschreibung gibt das Stereotyp des Querulanten wieder,
wie es sich in der Literatur darstellt:
Ein wesentliches Merkmal des Querulanten sei sein
übersteigerter
Gerechtigkeitssinn (Schulte/Tölle 1979). Von der Heydt
(1956) spricht von „anomalem Rechtsgefühl", da nur die Ich-bezügliche,
nicht die Wir-bezügliche Seite des Rechtsempfindens entwickelt sei.
In engem Zusammenhang damit stehe eine starke Geltungsbedürftigkeit
oder Ichsucht (Bostroem 1940, Kraepelin 1893, Langelüddeke/Bresser
1976). Es fehle den Querulanten an „Opferwillen" und „Entsagungsfähigkeit"
(von der Heydt 1956), dabei würden die Belange anderer ignoriert
(Bleuler 1975, Schulte/Tölle 1979).
Auffällig sei auch die große Aggressivität
und „Kampfeslust", mit der Querulanten vorgingen (Bostroem 1940,
Raecke1926).
Dies zeige sich in der oft verletzenden und beleidigenden Ausdrucksweise
in Schriftsätzen (Aschwanden 1978). Der Querulant verfüge
über eine hyperthyme Persönlichkeitsstruktur (Langelüddeke/Bresser
1976), eine „Steigerung der gemütlichen Erregbarkeit" (Kraepelin
1893), die ihm die „gewaltigen Triebkräfte" verleihe (von der Heydt
1956).
Hinzu komme die Hartnäckigkeit und Ausdauer,
die der Justiz schwer zu schaffen mache und sich vor allem in der „Graphomanie",
d. h. der Häufigkeit der vorgebrachten Schriftsätze, äußere
(Bostroem 1940, Dietrich 1973, Wernicke 1897). Der
Querulant sei uneinsichtig, unbelehrbar und rechthaberisch (Kraepelin
1893, Schneeberger 1973, Schulte/Tölle 1979).
Oft werde das Querulieren zum Lebensinhalt (Langelüddeke/Bresser
1976), die angewandten Mittel stünden in keinem Verhältnis mehr
zum angestrebten Ziel (Schneeberger 1973), alles - Beruf, Familie,
Vermögen - werde der fanatischen Rechtsuche geopfert (Kraepelin
1893). Erwähnt wird aber auch, daß Querulanten in anderen Lebensbereichen
als dem rechtlichen Gebiet durchaus unauffällig sein könnten
(Wyrsch 1946).
Neben dem „sthenischen" Element bestehe eine „asthenische"
Verletzbarkeit (Schneeberger 1973, Wyrsch 1946). Querulanten
reagierten empfindlich auf vermutete oder tatsächlich erfolgte Angriffe
auf ihre Person (Aschwanden 1978, Schulte/Tölle 1979,
Wyrsch
1946). Sie seien mißtrauisch und fühlten sich von Feindseligkeiten
umgeben (Bleuler 1975, Dietrich 1973,
Raecke 1926,
Wernicke
1897).
In vielen Fällen wird ihnen hohe Intelligenz
bescheinigt (Bostroem 1940, Schneeberger 1973, Wyrsch
1946), ihnen fehle aber „der Blick auf das Ganze" (Aschwanden 1978).
Hinzu komme ein „Minus an psychologischem Verstand", d. h. der „Überblick
über das soziologische Ineinandergreifen allen Einzelgeschehens" gehe
ihnen verloren (von der Heydt 1956).
Gute juristische Kenntnisse seien oft vorhanden
(Bostroem 1940, von der Heydt 1956, Kraepelin 1893).
Querulanten legten die Gesetze aber meistens einseitig und zu ihren Gunsten
aus (Bleuler 1975). Auch träten häufig Erinnerungstäuschungen
auf (Aschwanden 1978, Kraepelin 1893, Raecke 1926,
Wyrsch
1946).
Meyer (1963) analysiert das Sozialverhalten
der Querulanten: Der Queru-[>16]lant sei ein Einzelgänger; ..."
Differentialdiagnostische
Probleme bei Querulanz
Die (forensische) Psychiatrie ist bislang weitgehend unfähig,
ihre Begriffe operational nachvollziehbar und prüfbar zu definieren.
Deshalb sind die Diagnosen sehr oft unsicher und damit nicht vertretbar,
Menschen über Jahre oder Jahrzehnte in der Forensik verschwinden zu
lassen, bis sie womöglich nicht mehr selbständig lebensfähig
sind. Die extreme Inkompetenz, die sich bei Persönlichkeitsstörungen
in der forensischen Psychiatrie oft zeigt, hat natürlich auch damit
zu tun, dass forensische Psychiater oft keinerlei psychologische Grundausbildung
haben, so auch besonders nicht im dafür so wichtigen Fach Differentitelle
und Persönlichkeitspsychologie, wie auch in Entwicklungs-,
Sozialpsychologie,
Exploration,
Wissenschaftliche
Methodik und Testdiagnostik.
Querulatorische
Persönlichkeitsstörung > Querulanz
> Querulantenwahn. > Differentialdiagnostische
Probleme bei Querulanz
Eine solche ist im ICD-10 nicht eigens vorgesehen, sie wird aber unter
F60.0 Paranoide Persönlichkeitsstörung subsummiert. Hierzu müssen
dann zunächst die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung
erfüllt sein (was die meisten forensischen PsychiaterInnen gewöhnlich
souverän ignorieren):
ICD-10
Kriterien für die Diagnose querulatorische Persönlichkeitsstörung
Die Methode der Persönlichkeitsstörungsdiagnostik nach dem
ICD-10 verlangt für die Diagnose einer querulatorischen Persönlichkeitsstörung:
-
Prüfen ob a l l e 6 allgemeinen
Kriterien erfüllt sind
-
Falls 1 erfüllt ist: Prüfen, ob die Mindestanzahl ((cut
off = n aus max) der spezifischen
Kriterien für eine paranoide Persönlichkeitsstörung
erfüllt sind.
Allgemeine
Kriterien für Persönlichkeitsstörungen im ICD-10
(S. 234f):
"F60 spezifische Persönlichkeitsstörungen
Persönlichkeitsstörungen sind schwere
Störungen der Persönlichkeit und des Verhaltens der betroffenen
Person, die nicht direkt auf eine Hirnschädigung oder -krankheit oder
auf eine andere psychiatrische Störung zurückzuführen sind.
Sie erfassen verschiedene Persönlichkeitsbereiche und gehen beinahe
immer mit ausgeprägten persönlichen Leiden und sozialen Beeinträchtigungen
einher. Persönlichkeitsstörungen treten meist in der Kindheit
oder in der Adoleszenz in Erscheinung
und bestehen während des Erwachsenenalters weiter.
Diagnostische Kriterien
Gl. Die charakteristischen und
dauerhaften inneren Erfahrungs- und Verhaltensmuster der Betroffenen weichen
insgesamt deutlich von kulturell erwarteten und akzeptierten Vorgaben («Normen»)
ab. Diese Abweichung äußert sich in mehr als einem der folgenden
Bereiche:
-
Kognition (d.h. Wahrnehmung und Interpretation von
Dingen, Menschen und Ereignissen; entscheidende Einstellungen und Vorstellungen
von sich und anderen);
-
Affektivität (Variationsbreite, Intensität
und Angemessenheit der emotionalen Ansprechbarkeit und Reaktion);
-
Impulskontrolle und Bedürfnisbefriedigung;
-
Die Art des Umganges mit anderen Menschen und die
Handhabung zwischenmenschlicher Beziehungen.
G2. Die Abweichung ist so ausgeprägt,
dass das daraus resultierende Verhalten in vielen persönlichen und
sozialen Situationen unflexibel, unangepasst oder auch auf andere Weise
unzweckmäßig ist (nicht begrenzt auf einen speziellen auslösenden
Stimulus oder eine bestimmte Situation).
G3. Persönlicher Leidensdruck,
nachteiliger Einfluss auf die soziale Umwelt oder beides sind dem unter
G2. beschriebenen Verhalten zuzuschreiben.
G4. Nachweis, dass die Abweichung
stabil, von langer Dauer ist und im späten Kindesalter oder der Adoleszenz
begonnen hat. [RS Anmerkung: Eine Persönlichkeitsstörung muss
im Gegensatz zu Neurosen, Psychosen oder Anpassungsstörungen sich
wie ein roter Faden durchgängig und ständig seit der Adoleszenz
durch den Lebensverlauf ziehen.]
G5. Die Abweichung kann nicht
durch das Vorliegen oder die Folge einer anderen psychischen Störung
des Erwachsenenalters erklärt werden. Es können aber episodische
oder chronische Zustandsbilder der Kapitel F5 und F7 neben dieser Störung
existieren oder sie überlagern.
G6. Eine organische Erkrankung,
Verletzung oder deutliche Funktionsstörung des Gehirns müssen
als mögliche Ursache für die Abweichung ausgeschlossen werden
(falls eine solche Verursachung nachweisbar ist, soll die Kategorie F07
verwendet werden)."
Spezifische
Kriterien für die paranoide Persönlichkeitstörung im ICD-10
F60.0 (S. 237)
A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung
(F60) müssen erfüllt sein.
B. Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen
müssen vorliegen:
-
übertriebene Empfindlichkeit auf Rückschläge und Zurücksetzungen;
-
Neigung, dauerhaft Groll zu hegen, d.h. Beleidigungen, Verletzungen, oder
Missachtungen werden nicht vergeben;
-
Misstrauen und eine anhaltende Tendenz, Erlebtes zu verdrehen, indem neutrale
oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich
missdeutet werden;
-
streitsüchtiges und beharrliches, situationsunangemessenes Bestehen
auf eigenen Rechten;
-
häufiges ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der sexuellen
Treue des Ehe- oder Sexualpartners;
-
ständige Selbstbezogenheit, besonders in Verbindung mit starker Überheblichkeit;
-
häufige Beschäftigung mit unbegründeten Gedanken an «Verschwörungen»
als Erklärungen für Ereignisse in der näheren Umgebung des
Patienten oder der Welt im Allgemeinen.
__
Lit: Dilling, H.; Mombour, W.; Schmidt, M.
H. & Schulte-Markwort, E. (dt. 1991, engl. 1991). Internationale Klassifikation
psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F) Klinisch-Diagnostische
Leitlinien. Bern: Huber. |
__
Man beachte
für die §§ 20, 21, 63 StGB
Selbst wenn eine querulatorische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert
werden kann, ist damit längst noch nicht gezeigt, dass das
Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit (SASA)
, hier dann querulatorische Persönlichkeitsstörung, in
einer Kausalbeziehung zu den Straftaten steht.
Querulantenwahn > Querulanz
> Querulatorische Persönlichkeitsstörung
> Pseudoquerulanten (Kreaplin) > Differentialdiagnostische
Probleme bei Querulanz
Epidemiologie:
"Ein echter Querulantenwahn ist selten (Astrup 1984, Dietrich 1972). Es
gibt allerdings kaum epidemiologische oder statistische Daten zu querulatorischem
Verhalten. Unter 21 000 Einweisungen in die Psychiatrische Klinik der Universität
Iowa fanden sich fünf Patienten mit einem Querulantenwahn. Von 3441
Aufnahmen in die Psychiatrische Universitätsklinik Oslo wurde nur
bei zwei Patienten (0,6%) die Diagnose Querulantenwahn gestellt (Marneros
2007, Retterstøl 1966, Winokur 1977). Ein Großteil des Wissens
über Querulanten beruht auf Fallbeschreibungen."
Quelle: Dietrich, D. E.; Claaßen, B., S.
135, in (S. 132 -): Garlipp, P. & Haltenhof,
H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.
Henning Saß (2010) führt in seiner Arbeit Der Exzess einer
Tugend. Querulanz zwischen Persönlichkeit, Strukturverformung und
Wahn S. 223f ein (Kennzeichnung fett-kursiv RS):
"In der Querulanz finden wir die krankhafte Steigerung einer Tugend,
des Rechtsgefühls, das in Bezug auf die eigene Person außerordentlich
leicht verletzbar ist, jedoch gegen das Empfinden anderer hartnäckig
und ohne Rücksicht durchgesetzt wird [11].
Querulanten sind misstrauische, kränkbare, nörgelsüchtige,
sensible Menschen, die sich jedem vernünftigen Vorschlag widersetzen,
sich ständig über unrechtmäßiges Verhalten anderer
beklagen, sich leicht erregen und mit den gegebenen Verhältnissen
unzufrieden sind. Dies kann sich zum Querulantenwahn, also der unkorrigierbaren
Überzeugung, in böswilliger Weise fortwährend Rechtskränkungen
zu erleiden, steigern. In der Regel erfolgt dies in einer paranoiden
Entwicklung aus einem hyperthymen, kampflustigen, starrköpfigen, dabei
sensitiven Charakter heraus, beginnend mit einer wirklichen oder vermuteten
Rechtskränkung, wodurch es zu einem erbitterten, oft viele Jahre lang
fortgesetzten Kampf um das vermeintliche Recht und zum endlosen Prozessieren
kommen kann, bis die Mittel erschöpft sind. Eine besonders ausgeprägte
Form ist der Kampfparanoiker, der durch ein subjektiv empörendes Erlebnis
in seinem Rechtsgefühl gekränkt ist und in einer paranoischen,
fanatischen Weise um sein Recht kämpft." Und er verweist sogleich
auf Michael
Kohlhaas.
S. 228 charaktersiert Saß den Wahn durch vier Kriterien, die viele
Fragen aufwerfen:
"Die Diagnose der wahnhaften Störung bzw. des Querulantenwahns
steht und fällt mit der Frage, ob und in welchem Ausmaß bei
dem Probanden vom Vorliegen der psychopathologischen Kriterien eines Wahns
gesprochen werden kann. Nach klassischer psychiatrischer Lehre wird der
voll ausgeprägte Wahn durch folgende 4 phänomenologische Kriterien
bestimmt [5]:
-
Die wahnhafte Überzeugung wird mit absoluter subjektiver Gewissheit
erlebt.
-
Sie ist durch Erfahrung und durch zwingende Schlüsse unbeeinflussbar.
-
Die Überzeugung ist absolut unkorrigierbar.
-
Der Wahn entsteht aus krankhafter Ursache bei der betreffenden Person und
wird von der soziokulturellen Umgebung nicht geteilt."
[11] Peters UH (2007) Lexikon
Psychiatrie, Psychotherapie, Medizinische Psychologie, 6. Aufl. Fischer,
München
[5] Jaspers K (1973) Allgemeine
Psychopathologie, 9. Aufl. Springer, Berlin (Erstveröff. 1913)
Kritische Anmerkung: Die Berufung auf Jaspers
ist falsch und unwissenschaftlich zitiert, weil die Seitenangabe fehlt.
Jaspers definiert - seinerseits unzulänglich - als Wahnkriterien,
von denen sich das dritte völlig überlebt hat.
-
(Subjektive) Gewissheit
-
Unkorrigierbarkeit (Erfahrung, Logik)
-
Inhaltliche Unmöglichkeit .
Nachdem die meisten Wahnerkrankungen vergehen, viele ausheilen, ist es
überdies Unsinn von "absolut" zu sprechen.
Lit:
Baeyer,
Walter von (1967) * Dinger-Broda, Andrea; Koch, Uwe; Stein, Barbara
& Zier, Johanna (1992) * Saß, Henning
(2010) * Steinbach, Matthias & Ploenus, Michael
(2008, Hrsg.).
Pseudoquerulanten (Kraepelin
1904: Querulanz ohne Wahn)
Historisch ist wichtig, dass bereits Kraepelin
(1904) in seiner Psychiatrie Bd. II, S. 836-841, klar zwischen echtem Querulantenwahn
und Pseudoquerulanten (Querulanten ohne Wahn) trennt. Er hält die
beiden Krankheitsbilder für grundverschieden. Kraepelin schreibt abschließend,
S. 840f:
"Durch die steten Kämpfe werden die Kranken regelmässig;
sehr mitgenommen; sie führen dieselben auf die Dauer keineswegs mit
der grimmigen Befriedigung, welche dem Querulanten die Erfüllung seiner
wahnhaften Lebensaufgabe gewährt. Vielmehr sind sie bisweilen sehr
unglücklich über die ewigen Reibereien, möchten in Ruhe
leben, ohne doch bei ihrer unglücklichen Gemütsart den richtigen
Weg dazu finden zu können. Hie und da kann die Beseitigung des hauptsächlichsten
Zündstoffes durch irgend eine Änderung der Lebensverhältnisse
merkliche Beruhigung bringen, wenn nicht ein anderer Anlass neue Streitigkeit
heraufführt. Erst mit dem Alter werden die Kranken stumpf und gleichgültiger,
auf der anderen Seite freilich oft auch halstarriger. Dass die Pseudoquerulanten
späterhin zu echten Que[>841]rulanten geworden seien, habe ich niemals
gesehen; ich halte beide Krankheitsbilder trotz ihrer äusserlichen
Übereinstimmung für grundverschieden. Hier handelt es sieh um
eine Form der persönlichen Veranlagung, die von Jugend auf besteht
und im wesentlichen unveränderlich andauert. Dort dagegen haben wir
es mit einem Krankheitsvorgange zu tun, der zu bestimmter Zeit beginnt
und seinen gesetzmässigen Verlauf nimmt. Mir ist jedoch ein Fall bekannt,
in welchem anscheinend die Frau, die allerdings jede persönliche Untersuchung
hartnäckig ablehnte, echte Querulantin war, während der ganz
unter ihrem Einflusse stehende Mann vollkommen die Züge des hier gezeichneten
Krankheitsbildes erkennen liess. Nach der Gesundheitsbreite zu gehen die
psychopathischen Pseudoquerulanten ganz allmählich in die alltäglichen
Erscheinungen reizbarer, streitsüchtiger und rechthaberischer Menschen
über.
Die Behandlung der Pseudoquerulanten bietet
aus naheliegenden Gründen wenig Anhaltspunkte. Ein vorübergehender
Anstaltsaufenthalt, die Versetzung in eine neue, von der früheren
Zwietracht unberührte Umgebung kann sehr beruhigend wirken, ebenso
die Beseitigung bestimmter Steine des Anstosses, friedliche Vermittlung
durch Vertrauensmänner. Dauernde Entziehung der Freiheit vertragen
die Kranken dagegen sehr schlecht."
Religion als Wahn.
> Theologischer Wahn > Beispiele
für katholisch-theologische Wahnideen. > Die
Wandlung als Wahnsystem.
>
Auserwähltsyndrom
und Fundamentalismus.
Religion ist die zweieiige Zwillingsschwester des Wahns, nämlich
genau dann, wenn die religiösen Inhalte mit subjektiver Gewissheit
und unkorrigierbar vertreten werden. Prototyp: Katholische
Glaubenslehre.
Epidemiologie:
""
Religiösenwahn > Religion
als Wahn > Theologischer Wahn. >
Auserwähltsyndrom
und Fundamentalismus.
Tölle (2008, S. 206): „Die häufigsten Inhalte des religiösen
Wahns sind die Überzeugung, mit Gott in direkter Kommunikation zu
stehen, ein neuer Jesus zu sein, der die Welt erlöst, oder Maria usw.“
Kurt Schneider, berühmt durch seine Schizophreniekriterien
1.
und 2.
Ordnung neben seiner Psychopathenlehre, schreibt in Zur Einführung
in die Religionspsychopathologie (1928): „Ein Glaube, dessen einziges
Kriterium die subjektive Gewißheit ist, ist psychologisch
von der überwertigen Idee und auch vom Wahn grundsätzlich nicht
zu unterscheiden.“ Was steckt nun hinter dem Wahn? Eine Erklärung
wird bereits 1818 von Heinroth gegeben. [Zitatfundstelle: In Fußnote
16, S. 59 zu S. 50, bei Schneider gesperrt hier kursiv]
Den engen Zusammenhang zwischen Religion, Wahn und Verbrechen
sah der aufgeklärte Karl Wilhelm
Ideler schon 1838, wenn er S. 461 in seinem 2. Band Grundriss der Seelenheilkunde
klar und unzweideutig ausführt: "Der schlechteste Spitzbube erwarb
sich Ansehen durch ein Mönchskleid, und den größten Verbrecher
verehrte man als einen Heiligen, sobald er die Kaputze aufsetzte."
Karl Wilhelm Ideler (1795-1860)
Bildquelle Wikipedia
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Epidemiologie:
""
Rollenfunktioneller Wahn.
> normaler Wahn, gesunder
Wahn,
positiver Wahn, wissenschaftlicher
Wahn.
Ein Wahn, der im Zusammenhang mit der Einnahme einer sozialen Rolle
(z.B. politische Funktion erhalten), entstehen kann und an diese auch gebunden
ist. Wird die soziale Rolle aufgegeben, verschwindet auch der rollenfunktionelle
Wahn. Prototyp "Schuldentollwut":
Wahnhafte Bereitschaft, öffentliche Haushalte stets und immer weiter
zu verschulden. Im privaten Leben würden die meisten Regierenden,
Bürgermeister, Kämmerer, Abgeordneten, Stadt- und Gemeinderäte
für geschäftsunfähig in Vermögensfragen erklärt
werden und eine Betreuung erhalten.
Salonblödsinn
> Verhältnisblödsinn. > Hochstapler.
Fragwürdige und wenig präzise Begriffschöpfung: Peters
hierzu in seinem Wörterbuch: "Salonblödsinn
(m). (A. Hoche). Ein im Verhältnis zum äußeren Habitus,
gesellschaftlicher Stellung, gewählter Kleidung und zu den geistigen
Ansprüchen zu niedriges Intelligenzniveau. Zeigt sich besonders in
wortgewandt-eingelernten Unterhaltungen, in denen jedoch Kritik- und Urteilsschwäche
nur mangelhaft verborgen werden. Fand sich häufig in den literarischen
Salons des 19. Jahrhunderts. Auch in der Literatur häufig dargestellt
(z. H. Ibsens »Baumeister Solneß«), selbst im Volkswitz
bekannt (»Graf Bobby«). Die Bez. wird gewöhnlich von -
Verhältnisschwachsinn nicht scharf getrennt."
Anmerkung: Ungeachtet dessen, daß A. Hoche
- zusammen mit Karl Binding (1920) - zu den geistigen Wegbereitern der
nationalsozialistischen
"Euthanasie" gehörte - die keine echte Euthanasie im Sinne von
guter Tod war, sondern Mord - , hat diese Beschreibung etwas für sich.
Der intellektuelle Dandy, dem vor allem am Schein, am Beeindrucken und
gut Dastehen gelegen ist, ist auch keineswegs auf die intellektuellen Snobs
im 19. Jahrhundert und ihre Salons beschränkt. Wie wir inzwischen
wissen, entspricht dem auch ziemlich gut der smarte Dumpfbacken- New- Economy-
Typ der Gegenwart, denn in den modernen Mediokratien kommt es nahezu ausschließlich
auf die Wirkung an. Der mediokratische Slogan lautet: Du bist nur,
was Du scheinst.
Schuldwahn
Epidemiologie:
""
Schwangerschafts-
und Mutterschaftswahn
Huber & Gross (1977, S. 76).
Epidemiologie:
""
Selbstüberschätzung
(selbsterklärend) > Größenidee, > Salonblödsinn, >
Verhältnisblödsinn.
Sensorische Deprivation.
Vorbemerkung: Im Unterschied
zum Wahn bei sensorischer Beeinträchtigung geht es bei sensorischer
Deprivation (Reizarmut von außen, z.B. Wüste, Folter, Isolationshaft).
Man entbehrt das normale "Hintergrundrauschen" üblicher Wahrnehmung.
Simulierter Wahn.
Hier gibt es mehrere Paradigmen (Grundmuster) und Motive.
-
Wichtig tun, Interesse erregen.
-
Zuwendung und Aufmerksamkeit von Heilkundigen suchen (> Münchhausen-Syndrom).
-
Mildernde Umstände für Fehlverhalten oder Straftaten bewirken
wollen (teilweise oder vollständige Schuldunfähigkeit) oder im
zivilen Bereich Anstreben von Geschäftsunfähigkeit, um finanziellen
Verpflichtungen zu entgehen..
-
Autosuggestion.
-
Suggestive Beeinflussung von außen.
-
Andere, hier nicht erfasste Motive für simulierten Wahn (z.B. Undercover-Arbeit
in der Psychiatrie).
Sozialer Wahn > Psychische
Epidemien.
Steinbacher (1968,
S. 627) nennt zwei Bedingungen für den sozialen Wahn:
"1. Wenn das soziale Leitbild generell in Widerspruch
steht zur primären Realität des Menschen und seiner Gesellung.
2. Wenn das Leitbildhafte den gravierenden
und auffälligen Tendenzen der sekundären sozialen Wirklichkeit
entgegensteht."
Hierzu führt er beispielhaft aus: "Zu 1.
Als exemplarisch für soziale Wahnvorstellungen können etwa die
Pestprozessionen oder die Kinderkreuzzüge des Mittelalters angesehen
werden, erstere geschahen unter der Vorstellung, daß die Pestepidemien
ausschließlich als Gottesstrafen aufzufassen seien. Zur „Wiedergutmachung"
aber war nichts weniger geeignet als Versammlungen, auch wenn ihr Zweck
ausschließlich religiösen Charakter trug: Jene gefürchtete
Seuche wurde durch das Leitbildhafte nicht selten zur schrecklichen Konsequenz.
Das religiöse Leitbild stand hier in einem offensichtlichen Gegensatz
zum Anliegen einer primären Daseinsbewältigung: Die Büß-
und Bittprozessionen, welche die Gottesgeißel abwenden sollten, trugen
nämlich wesentlich zur Krankheitsübertragung bei
und machten das Unheil nur noch schlimmer.
Ähnlich verhielt es sich mit den mittelalterlichen
Kinderkreuzzügen, die von einem Leitbild angeregt waren, in welchem
die aggressiven Strebensrichtungen des Rittertums - verbrämt durch
quasi-christliche Ideale - gegebenenfalls auf ihre Kosten zu kommen vermochten.
Jenes dubiose Leitbild mußte aber unweigerlich zur absoluten Katastrophe
führen, wenn es das frühe Jugendalter zu Schlußfolgerungen
antrieb. Daß es sich in jenem Fall um sozialen Wahn gehandelt hat,
dürfte nicht allein daraus zu ersehen sein, daß diese geschichtliche
Bewegung radikal gescheitert ist, sondern auch, daß sie von vornherein
zum Scheitern verurteilt war. Jenes Leitbild stand in einem offensichtlichen
Gegensatz zur primären Realität des Menschen; es widersprach
nämlich dem Anliegen der Daseinserhaltung. Die Beteiligten jener Kinderkreuzzüge
landeten - soweit sie überhaupt mit dem Leben davonkamen in der Sklaverei.
...
Zu 2. ... Die großen geschichtlichen Bewegungen sind immer
von Leitideen getragen; und diese entsprachen bisher durchaus nicht immer
- im Sinne MAX WEBERS - „zweckrationalen" Anliegen des gesellschaftlichen
Lebens, sondern mindestens genauso oft „wertrationalen" Einstellungen [FN20].
Es ist keineswegs das Typische von sozialen Wahnvorstellungen, daß
es ihnen an „Zweckrationalität" mangelt oder daß sie eine noch
nicht bzw. nicht mehr vorhandene Wirklichkeit voraussetzen, sondern daß
sie untauglich sind, dem Selbstbehauptungsanspruch einer Sozietät
zum Zuge zu verhelfen. Wo und wann immer das soziale Leitbild eine Tendenz
erkennen laßt, die der Auswegslosigkeit und der Katastrophe zustrebt,
handelt es sich im medizinanalogen Sinne um sozialen Wahn. ..."
Sterbewahn
Epidemiologie:
""
Stoff induzierter Wahn.
Durch Aufnahme von Stoffen, Alkohol,
Drogen,
Gifte, Medikamente, Umweltgifte,
"Wahnallergene".
Strafwahn
Tölle, R. & Werfelmeyer, Th. (1987). Strafwahn.
Zwei Beispiele. In (129f): Wahn bei Melancholie. In (128-139): Olbrich
(1987, Hrsg.)
Subjektive Gewissheit
> Unkorrigierbarkeit.
Wir sind uns vieler alltäglicher, oft banal erscheinender Sachverhalte
gewiss, z.B. dass ich jetzt da sitze und diese Worte schreibe, dass der
Bildschirm vor mir ist und die Tastatur. Gewissheit ist nichts wahnspezifisches,
sondern etwas ganz Alltägliches. Ähnlich ist es mit dem Wissen:
die Erde ist rund, an den Polen ist sie abgeplattet, also doch nicht rund,
nicht ganz rund?), sie dreht sich um die Sonne, es scheint aber, als ob
die Sonne sich um die Erde drehte; 2+2 = 4, Ein Bleistift dient zum Schreiben,
man kann damit aber auch Möbel zerkratzen; das ist ein Tür, na,
vielleicht doch nicht, da sie sich nicht öffenen lässt: ist sie
nur verschlossen oder handelt es sich um eine Türattrappe? Entscheidet
sich ein Mensch, dass die Tür eine Atrappe ist, weil sie ihm gerade
zugeblinzelt hat, so könnte man von einer wahnhaften Wahrnehmungsillusion
sprechen, da Türen und ihre Atrappen nicht blinzeln.
Das Besondere an der Wahngewissheit ist also das mit Gewissheit
vertretene falsche Modell oder der falsche Erkenntnisweg. |
[Quellen: Berner (1965). Paranoisches Syndrom. Sachregistereinträge:
Gewißheit, subjektive 4, 6, 11, 19, 21, 22, 23, 29, 34, 35, 38, 42,
45, 46, 47, 55, 63, 65, 66, 94, 144. Gewißheitsgefühl 6, 21,
22, 39, 77.]
Theologischer Wahn
> Religion als Wahn > Religösenwahn.
> Auserwähltsyndrom
...
Wird unabhängig von Logik und Erfahrung unkorrigierbar mit Gewißheit
daran festgehalten, dass es Gott. Teufel, Engel, Paradies, Hölle,
Auferstehung, ... wirklich gibt, liegt Wahn vor.
So gesehen sind in Universitäten integrierte
theologische Fakultäten ein Widerspruch in sich selbst: nämlich
wissenschaftlich nicht nur geduldete, sondern sogar noch akzeptierte und
geförderte Wahnsysteme, was mit dem Grundverständnis von Wissenschaft
unvereinbar ist. Theologische Fakultäten sollten also aus den öffentlich-rechtlichen
Universitäten herausgenommen und als kirchliche Privatinstitute geführt
werden. Das entspräche auch der Aufklärungsidee und dem Gebot
der Trennung von Staat und Kirche.
> Beispiele
für katholisch-theologische Wahnideen. > Die
Wandlung als Wahnsystem.
Überstieg.
Wichtige und grundlegende Fähigkeit des Denkens
und der Haltung, das Bezugssystem zu wechseln. Reinhart Lempp hat auf die
Überstiegsfähigkeit, Perspektivenwechsel und damit der kognitiven
Voraussetzung für Empathie, eine interessante Schizophrenietheorie
aufgebaut. Hieraus die Zusammenfassung.
"Zusammenfassung
Der für das Leben in einer menschlichen Gemeinschaft und für
eine ungestörte Kontaktfähigkeit unabdingbare gemeinsame Realitätsbezug
wird von jedem Kind im Laufe seiner ersten Lebensjahre aus den kognitiven
und emotionalen Erfahrungen, die es von der Umwelt erfährt, aufnimmt
und verarbeitet, aufgebaut. Daneben behält es eine Nebenrealität,
eine ganz individuelle Beziehung zu seiner Umwelt, die es mit niemandem
anderen teilen kann, die es aber entsprechend den eigenen Wünschen
und Bedürfnissen unabhängig von der das Kind umgebenden Wirklichkeit
verändern kann. Allmählich gewinnt die gemeinsame Realität
eine Dominanz. Nur sie wird von den anderen Menschen anerkannt.
Der Aufbau dieser gemeinsamen Realität kann im wesentlichen
durch zwei Faktoren gestört oder behindert werden: Durch eine Störung,
Behinderung oder Schwäche in der kognitiven Erfassung der Umwelt,
d. h. durch sogenannte Teilleistungsstörungen oder Teilleistungsschwächen.
Diese kann erblich sein, sie kann aber auch durch frühkindliche hirnorganische
Schäden leichterer Art entstehen. Es kommt dadurch zu einer geringfügigen,
aber konsequenten Veränderung der subjektiven Erlebnisweise der Umwelt.
Jede kognitive Erfahrung verbindet sich aber auch mit einer emotionalen,
wodurch auch kognitive Schwächen zu einer emotionalen Beziehungsstörung
beitragen können, vor allem, weil hier ein dynamisches Wechselspiel
zwischen Individuum und Umwelt stattfindet.
Der Aufbau des gemeinsamen Realitätsbezugs kann aber
auch dadurch beeinträchtigt sein, da die Informationen, die
das Kind von der Umwelt erfährt, in sich widersprüchlich und
inkompatibel sind. Dies gilt insbesondere für Werthaltungen. Überschreiten
diese Inkompatibilitäten einen gewissen Grad, dann kann vom Kind kein
stabiler Umweltbezug aufgebaut werden.
Eine Verbindung von Teilleistungsstörungen mit widersprechenden
Erfahrungsinformationen verstärken die Störung im Aufbau der
gemeinsamen Realität.
Kinder, die auf diese Weise in ihrer Gemeinschaftsfähigkeit
und in ihrem Kontaktvermögen beeinträchtigt sind, sind in der
Fähigkeit, souverän von der gemeinsamen Realität zur Nebenrealität
und wieder zurück überzusteigen, behindert und verunsichert.
Es ist anzunehmen, da solche Kinder in ihren ersten Lebensjahren
den Überstieg nicht in der Weise einüben und einüben können,
da sie jederzeit und in jeder Situation darüber verfügen
können.
Menschen, die im Laufe ihres Lebens, meist beginnend mit
der Reifeentwicklung und der Aufgabe, sexuell und sozial erwachsen zu werden,
Schwierigkeiten und Problemen ausgesetzt sind, neigen dazu, sich vor diesen
Problemen zurückzuziehen und in ihre Nebenrealität, d. h. auf
eine kindliche Stufe zu regredieren. Solange sie in die gemeinsame Realität,
der sie im Kreise ihrer Umgebung und entsprechend ihrem Entwicklungsalter
verpflichtet sind, gelingt, solange sie den Realitätsbezug nicht verlieren,
entspricht diese Regression einer neurotischen Haltung.
Kinder, die aus Gründen eines gestörten Aufbaus
des gemeinsamen Realitätsbezugs den Überstieg nicht sicher gelernt
haben, können dieser Fähigkeit beim Versuch der Problembewältigung
durch Regression verlustig gehen und sie bleiben dann in ihrer Nebenrealität
gefangen. Der gemeinsame Realitätsbezug ist verlorengegangen, die
Reaktionen, Äußerungen, Verhaltensweisen und Denkformen werden
für die übrige Welt unverständlich, das heißt schizophren.
Dieser Vorgang des Überstiegsverlustes kann akut
unter starker Belastung entstehen, er kann aber auch gewissermaßen
auf dem Wege der Gewohnheit allmählich verlorengehen." (S. 84 -
86)
Primär- und Sekundärquelle:
LEMPP, R. (1992) Vom Verlust der Fähigkeit, sich selbst zu betrachten.
Eine entwicklungspsychologische Erklärung der Schizophrenie und des
Autismus. Bern, Göttingen, Toronto: Huber. S. 84 - 86. Wir danken
für die freundliche Abdruckgenehmigung des Copyrightinhabers: Verlag
Hans Huber AG für den Reader
(Kap. 9) in Sponsel,
Rudolf (1995).
Überwertige
Idee
Ein trefflicher Ausdruck der Psychiatrie, der zum Ausdruck bringt,
dass eine bestimmte Idee eine besonders starke Bedeutung, viel Raum und
Wertschätzung durch einen Menschen oder eine Gruppe erfährt.
Überwertige Ideen bezeichnen auch keine Störungen oder Krankheiten,
obwohl sie mit solchen einhergehen oder aus ihnen auch hervorgehen können.
Unkorrigierbarkeit > subjektiven
Gewissheit.
In der Wahnphase kann mit in der Kultur gültiger Logik, Erfahrung
oder Wissen der Wahninhalt nicht erschüttert werden. Das ist eine
kleine, aber entscheidende Zusatzbedeutung zur subjektiven
Gewissheit.
[Quellen: Berner (1965). Paranoisches Syndrom. Sachregistereintrag:
Unkorrigierbarkeit 4, 6, 19, 21, 22, 23, 24, 26, 31, 38, 47, 63, 65, 66]
Unmöglichkeit des Inhalts
> Auch wahre
Inhalte können wahnhaft sein und was wahnhaft ist muss nicht falsch
sein.
Veraltetes und falsches Wahnkriterium von Jaspers.
[Quellen: Berner (1965). Paranoisches Syndrom. Sachregistereintrag:
Unmöglichkeit des Inhalts 4, 5, 19, 20, 21, 23, 33, 34, 35, 46, 65,
94]
Verarmungswahn. >
Fälle.
Huber & Gross (1977, S. 74f).
Epidemiologie:
""
Verfolgungswahn > Fälle.
Epidemiologie:
""
Vergiftungswahn > Fälle.
Peters
(1984) führt aus: "Vergiftungswahn (m). Krankhafte, unkorrigierbare
Überzeugung, vergiftet zu werden oder zu sein. Häufigste Form
eines => Verfolgungswahns. Der Wahnkranke findet Anzeichen der Vergiftung
im Geschmack der Speisen oder im Verhalten der Umgebung. Oft wird Nahrung
gar nicht oder nur nach Sicherheitsvorkehrungen genossen. Vorkommen bei
fast allen psychischen Krankheiten, insbesondere bei Schizophrenie und
den Psychosen des höheren Lebensalters."
Einer der berühmtesten und tragischsten Fälle
ist der des großen mathematischen Logikers Kurt
Gödel.
Epidemiologie:
""
Verhältnisblödsinn.
(Quelle)
Eugen Bleuler war ein kreativer Kopf in der Psychiatrie und erfand
auch einige wichtige Worte oder Begriffe für die Psychiatrie, so den
Begriff der Schizophrenie
[kritisch auch], der Ambivalenz,
Udenustherapie
und auch den häßlichen Begriff "Verhältnissblödsinn",
so nachzulesen in: Eugen Bleuler (1923, 4. A.: S. 472 f; 12. A. 1972:
S. 585), Lehrbuch der Psychiatrie, im Abschnitt Die Oligophrenien (Psychische
Entwicklungshemmungen) und ausführlich unter: Bleuler, Eugen (1914).
Verhältnisblödsinn. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie
und psychisch gerichtliche Medizin. Bd. 71. Berlin: Reimer.
1923 (S. 472): "II. Eine andere Form, in die der
höhere Blödsinn ohne Grenze übergeht, ist der Verhältnisblödsinn.
Nicht
immer, wenn auch oft, besteht auch hier eine gewisse Unklarheit des Denkens.
Das Wesentliche aber ist ein Mißverhältnis zwischen Streben
und Verstehen. Es sind Leute, deren Verstand für eine gewöhnliche
Lebensstellung oft sogar für eine etwas über mittelschwierige
ausreichen würde, die aber zu aktiv sind und beständig sich mehr
zumuten, als sie verstehen können, deshalb viele Dummheiten machen
und im Leben scheitern."
1972 (S. 585): "3.Verhältnisblödsinn.
Hinter sozialem Versagen steht manchmal ein Mißverhähnis
zwischen Streben und Verstehen, zwischen Wollen und Können. Viele
'Verhältnisblödsinnige' lassen sich ständig in Geschäftsgründungen
ein, veranlassen unter beschönigenden Angaben andere, Geld in ihre
Geschäfte zu legen. verlieren dann rasch die Übersicht über
ihre Finanzen, versagen in jeder Beziehung und reißen andere im eigenen
Ruin mit. Viele andere setzen es durch, Stipendien und Studienbeiträge
in großen Beträgen zu erhalten, um angebliche künstlerische
Fähigkeiten zu entwickeln. ohne daß diese da sind. Der Verstand
dieser Leute wäre oft in einer bescheidenen Lebensstellung genügend,
doch manövrieren sie sich unermüdlich und rastlos in Stellungen
hinein, denen sie nicht gewachsen sind. Viele von ihnen sind im Denken
unklar. 'Verhältnisblödsinn' und 'Salonblödsinn' zeigen
mannigfaltige Übergänge."
Wortgebrauch 'Verhältnisblödsinn' im Netz,
Beispiel: http://www.freitag.de/2001/08/01081701.htm
Kritisch ist anzumerken, daß
das Wort ziemlich brutal und entwertend klingt. Heute sagt man sehr viel
milder klingend: Selbstüberschätzung.
Versündigungswahn > Religiösenwahn.
Der Begriff der Sünde stammt zwar aus dem christlichen Umfeld,
kann aber in Richtung Schuld, schlechtes Gewissen, Gewissensbisse verallgemeinert
werden.
Epidemiologie:
""
Wachstumswahn
Ein (wissenschaftlicher) Wahn, der in der New Economy und der Globalisierungs-Volkswirtschaft
gepflegt wird, neben der Gier
und dem Verhältnisblödsinn
der Bankmanager und ihrer Finanzmathematiker
ein wesentlicher Grund für die Finanzkrise,
an deren Folgen die ganze Welt - vor allem die SteuerzahlerInnen seit dem
8.2.2007
- bis jetzt noch tragen. Offensichtlich verficht ein bestimmender Teil
der etilE-Ökonomen mit
unkorrigierbarer subjektiver Gewissheit, dass ununterbrochenes Wachstum
für den angeblichen Wohlstand der Welt - gemeint ist die Oberschicht
in Staatssystemen westlichen Typs - notwendig sei. Interessanterweise bildet
sich seit einiger Zeit auch in Fachkreisen zunehmend mehr die Beurteilung
eines "Wachstumswahns" heraus, was man an der Aufnahme in Buchtitel ablesen
kann.
Zu Meinhard
Miegels Exit - Wohlstand ohne Wachstum: "Abschied vom Wachstumswahn.
Das Wachstum der Wirtschaft ist zur Ersatzreligion unserer Gesellschaft
geworden. Vielen gilt es als Voraussetzung für Wohlstand, persönliches
Glück und ein funktionierendes Gemeinwesen. Doch was ist, wenn es
kein Wachstum mehr gibt? Was kann, was sollte an seine Stelle treten, um
uns ein erfülltes Leben zu ermöglichen? ..."
Anmerkung: Vermutlich besteht ein enger Zusammenhang mit der "Schuldentollwut"
- sozusagen dem öffentlichen Gegenstück zum Schuldwahn - und
einem sog. "Schneeballsystem".
Wahn bei sensorischer
Beeinträchtigung
Vorbemerkung: Im Unterschied
zur sensorischen Deprivation (Reizarmut von außen) geht es bei sensorischer
Beeinträchtigung um Behinderungen der Wahrnehmung, hauptsächlich
des Hörens. Man kann sozusagen nichts hören, weil keine Geräusche
da sind (sensorische Deprivation) oder man kann nichts hören, weil
man schwer hört oder taub ist (sensorische Beeinträchtigung).
Müller-Vahl, K. in (153-):
Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen.
Stuttgart: Steinkopff. S.155:
Epidemiologie:
""Bei einer wahnhaften Störung in Zusammenhang
mit sensorischen Defiziten wird in aller Regel zunächst an ältere
Patienten gedacht, bei denen im höheren Lebensalter (postlingual)
eine Schwerhörigkeit eintritt und sich nachfolgend Wahnideen entwickeln.
In einer Übersicht wurden 27 Studien analysiert, die einen möglichen
Zusammenhang zwischen sensorischen Defiziten und einer „late-onset psychosis
with paranoid features“ untersuchten (Prager u. Jeste 1993). Auch wenn
die Mehrzahl der Untersuchungen mit methodischen Mängeln behaftet
war, kamen Prager und Jeste zu der Einschätzung, dass eine Hörstörung,
nicht jedoch eine Sehbehinderung, als eigenständiger Risikofaktor
anzusehen ist (Prager u. Jeste 1993)."
Olbrich, H. M. (1987). Optische Halluzinationen
bei älteren Menschen mit Erkrankungen des Auges (Charles Bonnet-Syndrom).
In (33-): Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.).
Wahndynamik
Wahneinfall.
Ein Wahneinfall fällt ohne erkennbaren oder nachvollziehbaren
äußeren Anlass wie bei der Wahnwahrnehmung
ins Bewusstsein, z.B. X fällt plötzlich ein, sein Vater sei Hitler
[eigener Fall] oder er sei der neuerdings wiederauferstandene Bruder von
Jesus (Beispiel: Hong Xiuquan [W]
im Taipingaufstand).
Das dogmatische These Kurt Schneiders,
wonach der Wahneinfall im Unterschied zur zweigliedrigen Wahnwahrnehmung
(erstens wahrnehmen, zweitens danach die Wahrnehmung mit einer abnormen
Bedeutung belegen) immer eingliedrig sein soll, ist sowohl falsch
als auch überflüssig, was Kurt Schneider selbstwidersprüchlich
durch ein nachvollziehbares Beispiel belegt (1949 und in Zutt, 1963, S.112):
"Theoretisch kann man sich gewiß auch zweigliedrige Wahneinfälle
ausdenken. Es könnte einem Schizophrenen einfallen, daß ihm
eben der Gedanke an einen Kastanienbaum gekommen sei, bedeute, daß
ein Eisenbahnunglück bevorstehe — also eine Beziehungssetzung ohne
rational oder emotional verständlichen Anlaß. Damit wäre
ein Wahneinfall tatsächlich zweigliedrig. Dies ist aber eine Konstruktion,
eine Denkbarkeit, der vielleicht nie ein wirklicher Vorgang entspricht.
Wir halten also daran fest, daß der Wahneinfall eine derartige Zweigliedrigkeit
nicht aufweist, weshalb man ihn nach diesem Gesichtspunkt nicht von anderen
Einfällen scharf abgrenzen kann."
Epidemiologie:
""
Wahnwahrnehmung.
Eine Wahrnehmung, die mit einer nicht nachvollziehbaren (wahnhaften)
Bedeutung versehen wird, heißt Wahnwahrnehmung. Hier knüpft
sich der Wahn an eine Wahrnehmung - im Gegensatz zum Wahneinfall.
Epidemiologie:
""
wissenschaftlicher Wahn.
Während Wahn und Religion so etwas wie zweieiige Zwillinge sind,
stößt die Vorstellung Wahn in der Wissenschaft bei den meisten
Menschen in einer ersten Reaktion auf Unverständnis, Unglauben, Kopfschütteln.
In der Öffentlichkeit herrscht weitgehende Übereinstimmung, dass
Wissenschaft geradezu ein Gegenteil vom Wahn ist. Bei strenger und neutraler
Betrachtung wird man allerdings anerkennen müssen, dass es kaum ein
Lebensgebiet gibt, dessen sich ein Wahn oder Wahnsystem nicht bemächtigen
könnte, warum sollte ausgerechnet die Wissenschaft mit ihren nicht
wenigen autonomen und verschrobenen Gestalten frei davon sein? Denn auch
in der Wissenschaft gibt es leidenschaftliche, verbissene, ja unnachsichtige
bis fanatische Kämpfe um vermeintlich richtige oder falsche Weltbilder.
Besonders kritisch wird es, wenn WissenschaftlerInnen
verkennen, dass viele ihrer Erkenntnisse auf Heuristiken, Fiktionen und
Konstruktionen (> Universalienstreit)
beruhen, wobei die Überbewertung dieses Standpunktes, also der Vulgärkonstruktivismus
selbst wieder ein guter Kandidat für ein wissenschaftliches Wahnsystem
zu sein scheint.
Beispiel Descartes'
Wahnidee, er könne ohne seinen Körper bestehen
Eine grundlegende Kritik an Descartes bringt Erwin Straus (1956, 2.A.)
in seinem Werk Vom Sinn der Sinne, ein Beitrag zur Grundlegung der Psychologie.
Dort stieß ich auch (S. 15) auf die wissenschaftliche Wahnidee Descartes'
(Meditationes, Zeno.org), fett-kursiv RS):
"Vielleicht habe ich auch einen Körper (oder ich bin vielmehr
dessen gewiss, wie ich später bemerken werde), der eng mit mir verbunden
ist; allein da ich auf der einen Seite eine klare und deutliche Vorstellung
von mir selbst als eines blos denkenden und nicht ausgedehnten Dinges habe,
und auf der anderen Seite eine deutliche Vorstellung des Körpers als
eines ausgedehnten und nicht denkenden Dinges, so ist es gewiss,
dass ich von meinem Körper wahrhaft unterschieden bin und ohne ihn
bestehen kann."
Anmerkung: Obwohl von Descartes eine lebensverändernde Nacht mit drei
Traumerlebnissen vom 10. auf den 11. Nov. 1619 berichtet wird, geht er
selbst bei Lange-Eichbaum
& Kurth (Bd. 7, S. 34) als gesund durch: "Der ungesellige, aber
ehrgeizige Descartes fand zu seinem Selbst: In der Nacht vom 10. auf den
11.November begann, durch "heftige Träume" begleitet, die Geburtsstunde
seines eigentlichen Ich-Bewußtseins (1)." Im Pathogramm wird ausgeführt
(S.35f): "Mit 23 Jahren depressive Krise (17). Keine Depression, sondern
Trauerarbeit infolge des Todes eines ihm nahestehenden Verwandten, der
in Italien lebte (9). Erkenntnisdrang [Ideal: Mutter der Weisheit] wurde
ihm zum Mutterersatz, daher auch seine Unrast, Ungeduld und Zurückgezogenheit.
Meister der Meditation. Kompensierte den frühen Tod seiner Mutter
mit der Erschaffung revolutionärer Ideen (18), war aber stets bestrebt,
allzu engen persönlichen Verbindungen auszuweichen (19).
Sein erotisches Interesse galt vor allem schielenden
Frauen (20). Hatte eine Tochter. Descartes verheiratete sich nicht, "verzichtete
aber nicht auf wenigstens eine lang dauernde Liebesverbindung mit seiner
Haushälterin oder Magd" (1). ... "
Beispiel Philosophie:
Die Philosophie kommt, wie Theologie und Religion, seit Jahrtausenden nicht
weiter. Die grundlegende Wahnidee könnte darin bestehen, dass man
glaubt, man könne Erkenntnisse über die Welt, die Menschen, das
Erkennen selbst durch bloßes Nachdenken finden. Während die
Mathematik präzise Definitionen, Axiome, Regeln und vor allem den
Beweis hat und die Wissenschaften Beobachtung, Experiment, Erfahrung, Erklärung
und Vorhersage nutzen, hat die Philosophie nichts dergleichen. Denken mag
der wichtigste Hilfssherif der Wissenschaften sein, aber ohne Prüf-
und Kontrollkriterien gibt es keinen Fortschritt. Das war sicher auch Descartes'
Fehler, der ihn zu den Unsinn sich versteigen ließ, dass er von seinem
Körper unabhängig ist und sogar ohne ihn bestehen könne.
Ein besonderer Wahn-Kandidat ist der Wesensbegriff der Philosophen, z.B.
Platons oder Husserls - wie auch die Methoden, das Wesen zu "schauen".
Kandidaten-Beispiele: Äthertheorie,
aktual Unendliches in der Mathematik, Boni-System der Banker, Deregulierung,
Demokratie,
Erde als Mittelpunkt der Welt, Esoterik
und Grenzwissenschaften (Ufos, Außerirdische, Übersinnliches,
Magie, Zauber, Religion u.a.m), Finanzderivate, freie
Marktwirtschaft, Forensisch-psychiatrische Gutachten ohne persönliche
Untersuchung und Exploration (Beispiel);
Freiheit,
Gottesbeweise;
Transsubjektive Gefühle (Schmitz
1964)* Hohlwelttheorie, Ich (als Zentralorgan der Persönlichkeit
nach Meinung der Neuroscience), Junktim-Dekret
Freuds, Unabhängigkeit von Seele und Körper (Descartes),
Kreditfinanzierter Wohlstand, Leere
Menge, Leistungsprinzip, Metaphysik als Wissenschaft, Nichts, Ödipuskomplex
in der Psychoanalyse, Öffentliche Meinung, Parapsychologie, ICH in
der Psychologie; Prästabilierte Harmonie, beste aller Welten, Leib-Seele-Parallelismus
(Leibniz); Penisneid in der Psychoanalyse, Rechtsprechung
im Namen des Volkes, Signifikanztest,
Statistik, Staatsverschuldung ("Schuldentollwut)",
Theologie, Ufos, Universalien,
Volksgeist der Historischen Rechtsschule insbesondere Saivignys, Vulgärkonstruktivismus,
[homosexuelle] Wahntheorie Freuds,
Werbung
[Ziele], Willensfreiheit, Wirklichkeit, Ziele der Evolution, Zufall.
Weitere Kandidaten sind das weite Feld der juristisch unbestimmten
Begriffe, wenn sie so gehandhabt werden als entspräche ihnen tatsächlich
eine Wirklichkeit. Auch in der Wirtschaft gibt es nicht wenige Kandidaten
("der Markt", der sich ständig ändernde Geldwert); manche sind
zwar klar operationalisiert wie z.B. das BIP oder die Preise, aber die
Repräsentativität und Vollständigkeit sind mehr oder weniger
unbestimmt.
Epidemiologie:
Wahnideen in der Wissenschaft sind m.E. bislang nicht systematisch untersucht
worden.
Beispiel: Wissenschaftliches
Wahnsystem in der forensischen Psychiatrie - okkulte NICHTSachten: wissen
durch Nichtwissen.
In der forensischen Psychiatrie hat es sich bei den schwierigen Schuldfähigkeitsgutachten,
denen die Mehrzahl der forensischen PsychiaterInnen - besonders bei Prüfung
der Einsichtsfähigkeit
- anscheinend nicht gewachsen ist, eingebürgert, sogar ohne persönliche
Untersuchung und Exploration ein Gutachten abzugeben - im Widerspruch zu
den Mindestanforderungen
für Schuldfähigkeitsgutachten (Nr. 1.13).
Das ist ein interessantes Phänomen, bedeutet es doch, dass diese forensischen
PsychiaterInnen über verborgene (okkulte) Erkenntnisquellen verfügen
müssen. Sie haben nicht persönlich untersucht und exploriert,
haben also NICHTS, aber nach ihrem Selbstverständnis doch etwas, sonst
würden sie ja kein "Gut"achten vorlegen, wie z.B. mehrfach geschehen
im Falle Gustl
F. Mollath. Was sie vorlegen ist genau betrachtet ein okkultes NICHTSachten.
Sind sie von ihrem okkulten NICHTSachten dann noch unkorrigierbar überzeugt,
was sich in ihrem darauf Beharren äußern konnte,
so liegt ein wissenschaftliches Wahnsystem vor vom Typ: Wissen durch
Nichtwissen. Es wurde zwar nie persönlich untersucht und exploriert
(befragt), aber man weiß trotzdem über Befinden und Verfassung
der ProbandIn zu den Tatzeitpunkten Bescheid. Man weiß und diagnostiziert
also auf der Basis Nichtwissen. Und das nennt man Wahn, genauer, einen
wissenschaftlichen Wahn. Eine delikate Konstellation, wenn ein Wahnsystem
auf einen möglicherweise Wahnhaften trifft. Welche spezifisch bekannten
Wahnformen sind hier nun am Werk? Nun, es scheint eine Kombination aus
Größenwahn
und Verhältnisblödsinn
(maßlose Selbstüberschätzung) zu sein.
Exkurs:
Wissenschaft und Wahn aus christlich fundamentalistischer Perspektive
Günther, Andreas (2011). Wissenschaft und Wahn: Kant, Darwin,
Einstein. Berlin: ProBUSINESS.
Der Autor meint, Kant, Darwin und Einstein als Wahnverkünder entlarven
zu müssen. Interessanterweise wird das Stichwort "Wahn", obschon doch
der Titel und ein Kapitel davon handelt, nicht erwähnt. Das Buch ist
eine Fundgrube für exzessiven homunkulusformen Universaliensprachstil
- als ob die Abstrakta und Allgemeinbegriffe selbst agierende Wesenheiten
wären (Klappentext Rückseite):
"Verrückte Ideen sind der Wissenschaft offenbar immer recht Urknall,
Weltformel, Einsteins Relativitätstheorie...
Zunächst geht es „nur" um die Erkenntnistheorie Kants. Nachdem
wir diese widerlegt und als unsinnig entlarvt haben, stellen sich Fragen:
Warum finden schräge Ideen und dreiste Lügen oft besonders
leicht Gehör - vor allem in der Wissenschaft? Wäre es möglich,
dass die Wissenschaft gerade das Absurde (zu Darwin, Einstein, Kant) gezielt
einsetzt um die Wahrheit zu verbiegen? Wer garantiert die Objektivität
der Wissenschaft im Falle unbequemer Wahrheit? Ist es überhaupt realistisch,
in einer gnadenlos egoistischen Welt, selbstlose Objektivität zu erwarten?
Am Rande: Fernsehen, Atomkraft, Geld, Macht, Politik, Religion ...
Kant wurde noch nie von Grund auf widerlegt. Ist diese NUSS zu hart?
Nun, wir ziehen vor den falschen Göttern dieser Welt nicht den Hut,
sondern sehen ihnen messerscharf auf die Finger, ohne jede Sympathie zu
fachlichem Hochmut, ohne jede Rücksicht zu allgemein vorherrschender
Meinung.
Wissenschaft und Wahn: Kant, Darwin, Einstein
(Eine Weiterentwicklung des Buches: eklatant, Herr Kant!)"
Der metaphysisch-ideologische Hintergrund des Autors erschließt sich
aus seinem Schlußkapitel (250-252) "Wissenschaft und Wahn":
"... Ein Mensch kann Erkenntnis wie ein Engel haben, und doch kein
Christ sein; [...] Wahrlich, das Wissen gefällt nur den Schwätzern
und Ruhmredigen [?], aber das Thun gefällt Gott. Ich will nicht sagen,
daß das Herz ohne Erkenntnis gut sein könnte, denn ohne dieselbe
ist es finster. Aber Erkenntnis und Erkenntnis sind zweierlei Dinge. Es
gibt nämlich eine Erkenntnis, die bei einer bloßen Betrachtung
der Dinge stehen bleibt, und wieder eine andere, welche, mit Glauben und
Liebe verbunden, den Menschen treibt, daß. er von Herzen den Willen
Gottes thut. Mit der ersten Art der Erkenntnis begnügt sich der Schwätzer,
aber der wahre Christ kann sich ohne die letztere nicht zufrieden geben.
(Bunyan's Pilgerreise, 1859, (1678), S. 90)
Und bloßes Geschwätz ist ein glänzendes Mittel der
Täuschung: Warum müssen wir alles wissen? Warum müssen wir
gerade den verrücktesten Ideen die größte Aufmerksamkeit
schenken - Urknall, Relativitätstheorie, Kantsche Erkenntnistheorie,
etc? Um der Wahrheit willen? Lächerlich! Machen wir uns nichts vor.
Solange wir nicht sicher wissen, dass es Gott nicht gibt, müssen wir
unwillkürlich annehmen, dass es ihn eben doch gibt und damit menschliche
Schuld und Sünde. Der alte Adam, der unbedingt in seiner Sünde
bleiben will ist gezwungen alles, aber auch wirklich alles in Bewegung
zu setzen -ja es notfalls mit den ausgefallensten Theorien völlig
an den Haaren herbeizuziehen - um einen Wissensstand zu erreichen, der
die Welt erklärt, ohne Gott. Deshalb sind CERN, Mondfmg, Urknall und
all die überaus kostspieligen, technisch-wissenschaftlichen Spielchen
so überaus wichtig - weit wichtiger als Hunger, Elend, Katastrophen,
atomares Risiko und alles Leid in der Welt. Wir müssen uns eine Theorie
zusammenbasteln, koste es was es wolle, die alles erklärt, die Gott
schlicht weg-rationalisiert. Gott, besonders in Jesus Christus, ist dem
Weltgeist größtmögliches Ärgernis. In diesem Sinne
ist gerade die Wissenschaft voll in der Macht des Bösen, unbelehrbar,
unobjektiv, verlogen. Mit allerlei glänzenden, berauschenden Einzelleistungen
täuscht sie über ihren eigentlichen Kurs prinzipieller Lüge
hinweg. ..."
Zweifel, zweifeln
Zweifel gilt als Tugend kritischer, rationaler Einstellung, also als
wissenschaftliche Tugend. Wo Zweifel ist, kann Wahn nicht sein. Der Zweifel
ist das Leid vieler Gläubiger, die erleben, nicht so glauben zu können,
wie sie sich das wünschen. Wie steht es nun mit der Paradoxie Zweifelwahn?
Gibt es etwa auch eine - paradoxe - wahnhafte Form des Zweifelns?
Weltuntergangs-
und Katastrophenwahn.
Huber & Gross (1977, S. 76).
Epidemiologie:
""
Sonderthemen
im Zusammenhang mit Wahnstörungen
Wahnstörungen
und Suizidalität
Haltenhof, H. in (162-): Garlipp,
P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart:
Steinkopff.
Wahnstörungen und
Delinquenz
Tänzer, A.; Randzio, S. in (171-): Garlipp,
P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart:
Steinkopff.
Dölling,
Dieter (2010) Zur Bedeutung des Wahns für die Beurteilung der
Schuldfähigkeit nach den §§ 20 und 21 StGB. Forens Psychiatr
Psychol Kriminol (2010) 4:166–169 [DOI 10.1007/s11757-010-0057-4]
"Zusammenfassung Für die Beurteilung
der Schuldfähigkeit eines Täters mit Wahnsymptomatik ist zunächst
zu prüfen, ob ein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 des Strafgesetzbuches
(StGB) vorliegt. Hierzu ist eine gründliche Diagnose von Art und Intensität
des Wahns sowie der ihm zugrunde liegenden psychischen Erkrankung erforderlich.
Ist ein Eingangsmerkmal gegeben, ist zu erörtern, wie sich
der Wahn im jeweiligen Einzelfall auf die Fähigkeit des Täters
zur Unrechtseinsicht und seine Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat.
Hierfür kann ein Blick auf das von Winfried Brugger entwickelte anthropologische
Kreuz der Entscheidung hilfreich sein."
Wahnstörungen
aus interkultureller Perspektive
Schouler-Ocak, M. in (181-): Garlipp,
P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart:
Steinkopff.
***
Literatur
(Auswahl)
-
Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.). Halluzination und Wahn. Berlin: Springer.
Links
(Auswahl: beachte)
Geänderte URLs ohne Weiterleitung wurden
entlinkt.
-
Geschichte der PSYCHIATRIE und PSYCHOTHERAPIE in Stichworten: I, II.
-
Kritisch zur russischen Psychaitrie: Oltmann,
Glossar,
Anmerkungen und Endnoten:
GIPT= General
and Integrative
Psychotherapy, internationale Bezeichnung
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
__
Eigener
wissenschaftlicher Standort
. |
einheitswissenschaftliche
Sicht. Ich vertrete neben den Ideen des Operationalismus, der Logischen
Propädeutik und einem gemäßigten Konstruktivismus
auch die ursprüngliche einheitswissenschaftliche Idee des Wiener
Kreises, auch wenn sein Projekt als vorläufig gescheitert angesehen
wird und ich mich selbst nicht als 'Jünger' betrachte. Ich meine dennoch
und diesbezüglich im Ein- klang mit dem Wiener
Kreis, daß es letztlich und im Grunde nur eine
Wissenschaftlichkeit gibt, gleichgültig, welcher spezifischen
Fachwissenschaft man angehört. Wissenschaftliches Arbeiten folgt einer
einheitlichen und für alle Wissenschaften typischen Struktur, angelehnt
an die allgemeine
formale Beweisstruktur.
Schulte, Joachim &
McGuinness, Brian (1992, Hrsg.). Einheitswissenschaft - Das positive Paradigma
des Logischen Empirismus. Frankfurt aM: Suhrkamp.
Geier, Manfred (1992).
Der Wiener Kreis. Reinbek: Rowohlt (romono).
Kamlah, W. & Lorenzen, P. (1967).
Logische Propädeutik. Mannheim: BI. |
|
_
Wissenschaft
[IL] schafft
Wissen und dieses hat sie zu beweisen, damit es ein wissenschaftliches
Wissen ist, wozu ich aber auch den Alltag und alle Lebensvorgänge
rechne. Wissenschaft in diesem Sinne ist nichts Abgehobenes, Fernes, Unverständliches.
Wirkliches Wissen sollte einem Laien vermittelbar sein (PUK - "Putzfrauenkriterium").
Siehe
hierzu bitte das Hilbertsche
gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein
zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft
sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann
verständlichen Sprache wiedergegeben." |
Allgemeine
wissenschaftliche
Beweisstruktur
und beweisartige Begründungsregel
Sie ist einfach - wenn auch nicht einfach durchzuführen - und
lautet: Wähle einen Anfang und begründe Schritt für Schritt,
wie man vom Anfang (Ende) zur nächsten Stelle bis zum Ende (Anfang)
gelangt. Ein Beweis
oder eine beweisartige Begründung ist eine Folge von Schritten: A0
=> A1 => A2 => .... => Ai .... =>
An, Zwischen Vorgänger und Nachfolger darf es keine Lücken
geben. Es kommt nicht auf die Formalisierung an, sie ist nur eine Erleichterung
für die Prüfung. Entscheidend ist, dass jeder Schritt prüfbar
nachvollzogen werden kann und dass es keine Lücken gibt. |
__
Bibliomane Besessenheit.
Ausdruck bei de Boor (1997, S.5) zur Charakterisierung des Mörderpastors
Georg Tinus (1767-1846)
___
eidetische Vorstellungskraft.
Eine eidetische Vorstellung liegt vor, wenn sie Realcharakter hat und der
Vorstellende weiß, dass es sein Produkt, also keine Halluzination
ist.
___
Unmöglichkeit des
Inhalts. Anmerkung: Das alte (dritte) Jasper'sche Wahnkriterium von
der Unmöglichkeit des Inhalts ist in der Psychiatrie seit langem vom
Tisch. Bereits Berner (1965, S. 5) schreibt rückblickend: "Umgekehrt
ist auch die besonders von MATUSSEK, SCHMIDT, MAYER-GROSS herausgestrichene
Tatsache, daß der Wahn keineswegs immer inhaltlich falsch sein muß
— ein gewichtiges Gegenargument gegen die 'Irrtumsthese'."
___
Anregungen, Ergänzungen
und Kritik erwünscht.
Querverweise
Standort: Wahnformen.
*
Querverweise: Überblick
Wahn.
Wahn-Fälle.
Geschichte der Wissenschaften, hier Psychiatrie: Materialien und Dokumente
zum Wahn.
Wahn
in den Diagnose Systemen. Geschichte der Wissenschaften, hier Psychiatrie
und speziell der Wahn.
"Normal",
"Anders", "Fehler", "Gestört", "Krank", "Verrückt".
* Welten
* Definition
*
Terminologie*
*
*
Dienstleistungs-Info.
*
Zitierung
Sponsel, R. (DAS). Wahnformen.
Geschichte
der Wissenschaften, hier Psychiatrie: Materialien und Dokumente zum Wahn.
Internet
Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/psypath/Wahnform.htm
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Wichtige
Hinweise zu Links und Empfehlungen
korrigiert: irs 11.03.2011
Änderungen wird
gelegentlich überarbeitet, ergänzt und vertieft * Anregungen
und Kritik willkommen
01.12.23 Neuer Wahnkandidat "Transsubjektive
Gefühle" (Schmitz
1964)
02.12.22 Neue Wahnkandidaten: Der Wesensbegrif
der Philosophen, z.B. Platons und
Husserls.
03.04.22 Prästabilierte Harmonie, beste
aller Welten, Leib-Seele-Parallelismus (Leibniz) zu den Kandidaten für
wissenschaftliche Wahnsysteme aufgenommen.
25.04.19 Volksgeist der Historischen Rechtsschule
insbesonder Savignys bei den wissenschaftlichen Wahnkandidaten eingefügt.
30.04.18 Pseudoquerulanten
(Querulanz ohne Wahn: Kraepelin 1904). irs korr. am 30.04.18
29.04.17 Linkfehler (youtube) durch Entlinken
korrigiert.
10.08.16 Nachrichten
aus der Wahnforschung.
23.07.16 Neuer Eintrag: Politischer
Wahn.
12.03.15 Linkfehler geprüft und korrigiert,
teilweise entlinkt.
20,12,14 Geschlossenes
Denksystem, geschlossenes System
02.08.14 Querulanz
* Differentialdiagnostische
Probleme bei Querulanz * Querulatorische
Persönlichkeitsstörung * Querulantenwahn
*
20.07.14 Neu aufgenommen: Caesarenwahn.
30.07.13 Abwehr
* Blinder Fleck * Minuswahn.
23.07.13 Wissenschaftliche Wahnidee:
Beispiel
Descartes' Psychologie.
24.06.13 Theologischer
Wahn.
07.02.13 Exkurs:
Wissenschaft und Wahn aus christlich fundamentalistischer Perspektive.
13.01.13 Die
Norwegen-Studie: Langzeitverläufe von Wahnerkrankungen.
06.01.13 Zur
Bedeutung des Wahns für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach
den §§ 20 und 21 StGB.
02.01.13 Kurt
Schneider Zitat zur Un-/ Möglichkeit des Wahn bei un-/möglichen
Inhalten. * Kritik an Kurt Schneider Eingliedrigkeitsthese beim Wahneinfall
*
01.01.13 Neue Einträge: subjektive
Gewissheit, Unkorrigierbarkeit, Unmöglichkeit
des Inhalts.
28.12.12 Progredienz.
26.12.12 Auch
wahre Inhalte können wahnhaft sein und was wahnhaft ist muss nicht
falsch sein.
20.12.12 Abschnitt Behandlung
begonnen. * Martha-Mitchel-Effekt*
18.12.12 Folie
à beaucoup * Größenidee
* Hochstapler * Pseudologia
phantastica * Salonblödsinn * Selbstüberschätzung
* Verhältnisblödsinn *
02.12.12 Vergiftungswahn
(Peters 1984).
15.11.12 Wissenschaftliches
Wahnsystem in der forensischen Psychiatrie - okkulte NICHTSachten: wissen
durch Nichtwissen.
19.03.11 Ideler
zum religiösen Wahn * Einschub Ideler
beim gesunden Wahn * Folie à deux.
18.03.11 Ideologischer Wahn Beispiel
Libyen.
15.03.11 Dermatozoenfantasie-10.
14.03.11 Erg. zu Goethes
Lila.
12.03.11 Exorzismus. Drei Generationenvergleiche
von Kranz 1886, 1916, 1946, "Lila"
11.03.11 Simulierter Wahn, Sozialer
Wahn.
10.03.11 Einbau Harings Ausführungen
zur Paranoia und epidemiologischen Daten.
https://www.sgipt.org/gipt/psypath/Wahnform.htm#Normaler%20Wahn
https://www.sgipt.org/gipt/psypath/Wahnform.htm#wissenschaftlicher