Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=09.03.2011 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 01.12.23
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20   D-91052 Erlangen
    Mail: sekretariat@sgipt_ Zitierung  &  Copyright

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    Willkommen in unsere Internet-Publikation für Allgemeine und integrative Psychotherapie, Abteilung Geschichte der Psychopathologie, und hier speziell zum Thema:

    Wahnformen

    und ähnliche oder verwandte Erscheinungen
    wie z.B. überwertige Idee, Eigenbezug

    ausgewählt und kommentiert von Rudolf Sponsel, Erlangen
    nach bestem Wissen und Gewissen, doch ohne Gewähr.

    Überblick
    _

    • Wahndefinition.
      • Auch wahre Inhalte können wahnhaft sein und was wahnhaft ist muss nicht falsch sein.
    • Einführung in die psychologisch-psychopathologische Wahndiagnostik.
    • Nachrichten aus der Wahnforschung.

    •    Ergebnisse der Arbeit von Hoff im Nervenarzt (2016).
    • Probleme der Epidemiologie.
    • Verlauf von Wahnerkrankungen Typ F22.0 nach DSM-IV.
      • Verlauf von Wahnerkrankungen des Typs ICD-10 F22 nach DSM-IV.
      • Verläufe nach Schanda (1987).
      • Die Norwegen-Studie: Langzeitverläufe von Wahnerkrankungen.
    • Behandlung.
      • Behandlung. nach Olbrich et al ( in Berger 1999).
      • Behandlung nach Tölle (2006).
      _
      Empirisch-phänomenologische und pragmatische Wahnformen: Abstammungswahn * Abwehr, Neutralisation, kognitive Dissonanzfilter * Alkoholinduzierter Wahn * Anhaltende wahnhafte Störung (F22) * Argwöhnen * Beeinträchtigungswahn * Berufungswahn * Beziehungswahn (sensitiver) * Blinder Fleck * Caesarenwahn * Capgras-Syndrom * Cotard-Syndrom * Dermatozoenwahn * Drogen induzierter Wahn * Eifersuchtswahn * Eigenbezug * Eigengeruchswahn * Esoterischer Wahn * Exorzismus * Folie à beaucoup * Folie à deux * Fregoli-Syndrom * Fremdbeeinflussungswahn * Geschlossenes Denksystem, geschlossenes System * Gewissheit > subjektive * Größenidee * Größenwahn * Haftpsychosen * Heiratswahn * Hochstapler * Hypochondrischer Wahn * Ideologischer Wahn * Induzierte wahnhafte Störung * Intermetamorphose * Jerusalem-Syndrom * Lykanthropie * Körperdysmorpher Wahn * Konfabulieren * Kontaktmangelparanoid * Korsakow-Syndrom * Liebeswahn * Martha-Mitchell-Effekt * Medikamenten induzierter Wahn * Minderwertigkeitswahn * Minuswahn * Misstrauen * Monoperceptose * Nihilistischer Wahn * Normaler Wahn * Organisch bedingter Wahn * Politischer Wahn * Positiver Wahn * Progredienz * Pseudoquerulanten * Pseudologia phantastica * Psychische Epidemien * Querulanz * Differentialdiagnostische Probleme bei Querulanz * Querulatorische Persönlichkeitsstörung * Querulantenwahn * Religion als Wahn * Religiösenwahn * Salonblödsinn * Schuldwahn * Schwangerschafts- und Mutterschaftswahn * Selbstüberschätzung * Sensorische Deprivation * Simulierter Wahn * Sozialer Wahn * Sterbewahn * Strafwahn * Subjektive Gewissheit * Theologischer Wahn * Überstieg * Überwertige Idee * Unkorrigierbarkeit * Verarmungswahn * Verfolgungswahn * Vergiftungswahn * Verhältnisblödsinn * Versündigungswahn * Wachstumswahn * Wahn bei sensorischer Beeinträchtigung * Wahndynamik * Weltuntergangs- und Katastrophenwahn * wissenschaftlicher Wahn, Beispiel Descartes * Zweifel * 



    Wahndefinition
     
    Wahn liegt vor, wenn mit rational unkorrigierbarer Gewissheit ein falsches Modell der Wirklichkeit oder ein falscher Erkenntnisweg zu einem richtigen oder falschen Modell der Wirklichkeit vertreten wird. 
        [> Zur Unmöglichkeit des Inhalts] > Peters (1984) Eintrag zum Wahn. > Abgrenzung Irrtum und Glaube.

    Auch wahre Inhalte können wahnhaft sein und was wahnhaft ist muss nicht falsch sein
    Kurt Schneider schrieb schon 1949: "Ein Einfall kann möglich sein und doch ein Wahneinfall sein und er kann unmöglich erscheinen und doch mit der Wirklichkeit übereinstimmen."
        Nicht jeder Wahn muss inhaltlich falsch sein, so Peter Berner (1980) in "Psychologie des Wahns" in Kindlers Psychologie des 20. Jahrhunderts, X. Ergebnisse für die Medizin (2) Psychiatrie, S. 542: "Zweifelsohne lassen Überlegungen jedoch nicht den Schluß zu, daß Wahn nur dort vorliege, wo ein Inhalt in einer »unverständlichen Seinsweise« aufscheint: Daß jemand das aus persönlichen Lebensgeschichte hervorwachsende Thema der Beeinträchtigung oder des Betrogenwerdens als Intrige oder Eifersucht erlebt, ist - nach Aufhellung der allgemeingültigen sowie der für den speziellen Einzelfall zutreffenden Sinngesetzlichkeit - bereits so naheliegend, daß man nicht mehr von einer unverständlichen Seinsweise sprechen kann. Das wird auch durch die Feststellung bekräftigt daß durchaus nicht jeder Wahn inhaltlich falsch sein muß (Matussek 1963, Mayer-Gross 1950, Schmidt 1940). Die Unmöglichkeit des Inhaltes kann als ein akzidentelles und nicht obligatorisches Wahnkriterium gelten."
        Spitzer  hat im Nervenarzt 1989, S. 95, das Problem aufgegriffen und eine Lösung vorgeschlagen, die meiner - mit Vorbehalten - nahe kommt: "Beim Wahn handelt es sich um Aussagen, die formal wie Aussagen über einen mentalen Zustand geäußert werden, bei deren Inhalten es sich jedoch nicht um mentale Zustände, sondern um intersubjektiv zugängliche ('objektive') Sachverhalte handelt. Aus dieser Definition ergibt sich unmittelbar, daß es klinisch bei der Diagnose von Wahn nicht um eine empirische Validierung oder Falsifizierung von Patientenaussagen geht, sondern um die genaue Erfassung der Art wie eine Person bestimmte Aussagen vertritt."
        Die Bedeutung der zwischenmenschlichen Begegnung für den Wahn:  Berner (1980, S. 533): "So kommt Matussek (1963) nach Sichtung der einschlägigen Literatur zu dem Schluß, daß alle Meinungsäußerungen der anthropologischen Psychiatrie zum Wahn dahingehend konvergieren, daß es sich um eine Störung der menschlichen Begegnung handle."

    Abgrenzungen, Merkmale, Kriterien, Formen und Varianten
    Argwohn, eigen, eigensinnig, Eigenbezug, Erfahrung, Falsifizierbarkeit, fanatisch, Gewissheit, Glauben, Größenidee, halsstarrig, Ideologie, Irrtum, Kontrolle, Korrektive, Logik, Misstrauen, Realitätskritik, Selbstkritik, stur, überwertige Idee, Überzeugung, Unkorrigierbarkeit, vermuten, wähnen, Wahnarbeit, Wahneinfall, Wahnsystem, Wahnwahrnehmung, Wissen, Zweifel.

    Wahnformen
     
    Im Prinzip erscheint jeder Sachverhalt wahnfähig. Erfüllt ein Denken oder Urteilen die Definitionskriterien für Wahn, so liegt ein entsprechender Wahn vor. Bei den Wahnformen werden im allgemeinen aber erstens natürlich nur die bekannten und zweitens davon in der Regel die häufigsten aufgeführt. Zu den selteneren Wahnformen: Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.  Siehe bitte auch > Wahn-Fälle.



    Einführung in die psychologisch-psychopathologische Wahndiagnostik > Wahn in den Diagnosesystemen.


    Nachrichten aus der Wahnforschung

    Ergebnisse der Arbeit von Hoff im Nervenarzt (2016)
    S. 71: "Zusammenfassung
    Wahn ist ein zentraler, aber auch schwieriger und kontroverser Begriff in der Psychiatrie. Ähnlich wie beim Begriff Schizophrenie auf der nosologischen Ebene verbinden sich in der Debatte um den Wahn, also auf der klinisch-psychopathologischen Ebene, die Grundfragen des Faches, angefangen von wissenschaftstheoretischen und methodischen Aspekten bis hin zur konkreten Ausgestaltung der Arzt-Patienten-Beziehung. Der vorliegende Text reflektiert diese Entwicklung vom 19. Jahrhundert bis heute und bezieht sie auf die von den Research Domain Criteria (RDoC) angestoßene lebhafte Diskussion um die zukünftige Ausrichtung der psychiatrischen Forschung. Unter bestimmten Voraussetzungen, wozu vor allem ein erweitertes Verständnis von Psychopathologie zählt, wird Wahn auch zukünftig als sinnvoller wissenschaftlicher Begriff betrachtet.

    S. 73: "Fazit für die Praxis
    Die folgenden Thesen fassen die Kerngedanken der Arbeit zusammen:

    • F Das psychopathologische Phänomen Wahn berührt alle humanwissenschaftlichen Erkenntnisebenen. Es kann auf jeder dieser Ebenen erforscht, dort aber nicht vollständig „erklärt“ werden.
    • F Wahn hat immer eine interpersonale Dimension. Ihn zu einer objektiven Sache zu machen, zu „reifizieren“, sei es neurowissenschaftlich oder psychodynamisch, kann kein sinnvolles Ziel sein.
    • F Wahn ist ein pathologisches, aber nicht bloß defizitäres Phänomen, repräsentiert er doch in vielen Fällen auch eine spezifische Reaktions- und Anpassungsleistung. Hier können sich psychotherapeutische Ansatzpunkte ergeben.
    • F Eingebettet in einen umfassenden psychopathologischen Kontext ist Wahn weiterhin ein sinnvoller wissenschaftlicher Begriff."


    Hoff, P. (2016). Ist Wahn ein sinnvoller wissenschaftlicher Begriff? Eine Reflexion über die Psychopathologie in der Psychiatrie des 21. Jahrhunderts. Der Nervenarzt 1, 69-73



    Probleme der Epidemiologie
    Die Angaben zu Häufigkeit, Dauer und Verlauf der Wahnstörungen schwanken sehr stark und sind vielfach auch unklar, werden in den meisten Angaben aber ganz sicher extrem unterschätzt. Ein  Hauptfehler in der psychopathologischen Epidemiologie der Wahnstörungen ist, dass nicht streng unterschieden wird zwischen Häufigkeitsangaben, die in die Klinik oder Ambulanz führen und dem tatsächlichen Vorkommen. Betrachtet man sich die Definition der klassischen Paranoia, also ICD-10 F22, ist ja völlig offensichtlich, dass die allermeisten dieser Störungen weder in der Klinik noch in der Ambulanz auftauchen, also gar nicht erfasst und vielfach auch gar nicht erkannt werden. So sind denn auch in einer jüngeren Untersuchung zu Wahn- und Halluzinationssymptomen im Feld die Zahlen um das 10-100fache höher als die meisten klinisch epidemiologischen Angaben sonst. Wahrscheinlich zeigen die allermeisten Menschen "normale" Wahnfähigkeit, was auch einen Teil der Massenwahnphänomene erklärt, z.B. Rassenwahn im 3. Reich, Chauvinismus, psychische Epidemien und vor allem der massenhafte Wahn in den Religionen und den ideologischen Verblendungen. Rechnet man noch den rollenfunktionellen und die positiven Wahnphänomene hinzu, wird man wohl oder übel dahin gelangen, Wahn für ein allgemein menschliches Phänomen zu halten (Scharfetter: "Der Mensch ist grundsätzlich wahnfähig"). In den psychiatrischen Kliniken findet sich nur eine winzige Spitze des Eisbergs. Und die gefährlichsten Wahngestörten sitzen sicher in den Regierungen und höheren Etagen der "Eliten", was den Zustand der Welt seit Jahrtausenden bis auf den heutigen Tag gut erklären kann.

    Lincoln et al. (2009, S. 34) finden: "Kriteriumsvalidität: Die einzelnen PDI-G-Items wurden im Durchschnitt von 17,4% der Bevölkerungsstichprobe und 34.9 % der Patientenstichprobe bejaht. Die Patienten mit Schizophrenie unterschieden sich auf allen PDI-G-Skalen signifikant von der Bevölkerungsstichprobe (Tabelle 3). Für die Bevölkerungsstichprobe zeigt sich eine linkssteile kontinuierliche Verteilung und eine Spannweite bejahter Items zwischen Null und 27. In der Patientenstichprobe wurden zwischen Null und 32 Items bejaht."

      Anmerkung: PDI := Peters Delusions Inventory.

      Die drei Generationenvergleiche von Kranz (1955, S. 61): 1884-88, 1916, 1946:
      Wahnform bei Psychosen in % der Themen 1884-88 1916 1946
      Schizo: Beeinträchtigung / Verfolgung 72 75 72
      Schizo: Vergiftungswahn 24 19 19
      Schizo: Größenwahn 24 17 11
      Schizo: Religiös-dämonischer Wahn 43 44 45
      Schizo: Weltuntergangswahn 5 3 8
      Zyklo: Schuldwahn 57 83 52
      Zyklo: Verarmungswahn 27 27 28
      Zyklo: Hypochondrischer Wahn 40 25 44

      Aus der Bonner Studie nach Huber & Gross (1977, S. 44):
      Hier ist zu berücksichtigen, dass ausschließlich die Wahninhalte von Schizophrenen erfasst wurden. Wahn kommt aber
      weit häufiger vor > Wahn in den Diagnosesystemen.


     
    • Steinebrunner, E. & Scharfetter, Ch. (1976). Wahn im Wandel der Geschichte. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience 222,1, 47-60. [Q]

    • "Zusammenfassung. Eine historisch-transkulturelle Betrachtung von Wahnpsychosen aus dem Beginn und der Mitte des 20. Jahrhunderts (anhand von je 100 Krankengeschichten, Gruppe I und II) ergab:
      1. Konstant haben sich gehalten: Beziehungswahn, religiöser Wahn, Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn.
      2. Der hypochondrische Wahn hat signifikant zugenommen.
      3. Abgenommen hat der Größenwahn, ferner der Liebeswahn.
      4. Früher sowie heute besteht eine signifikante Beziehung des Größenwahns zum männlichen Geschlecht.
      5. Früher bestand eine signifikante Beziehung zwischen weiblichem Geschlecht und Liebeswahn, die wir heute nicht mehr nachweisen können.
      6. Sowohl an der Konstanthaltung wie an der Veränderung der Wahnthemen sind beide Geschlechter beteiligt, z. T. unterschiedlich stark, z. T. gegenläufig.
      7. Bei den "geschlechtsspezifischen" Wahnthemen geht die Gesamtabnahme auf Konto des betreffenden Geschlechts.
      8. Mit zunehmendem Alter reduzieren sich die Wahnthemen in Gruppe II: Abstammungswahn, wahnhafter Identitätswandel und Liebeswahn kommen nach dem 30sten Altersjahr nicht mehr vor. Querulantenwahn kommt überhaupt nicht vor; in Gruppe I trat dieser Wahn erst nach dem 30sten Altersjahr auf.
      9. Einen signifikanten Zusammenhang kann man heute feststellen zwischen Größenwahn und Entwicklung bis zum 18. Lebensjahr auf dem Land.
      10. Kein Zusammenhang konnte eruiert werden für Intelligenz und Wahnthematik sowie Konfession und Wahnthematik.
      11. Sowohl beim hypochondrischen Wahn wie auch beim Verfolgungswahn lassen sich zeitbedingte Veränderungen in der Wahnausgestaltung feststellen.
      12. Es zeigt sich schließlich eine Tendenz zur Inhaltsverschiebung im Wahn, i. S. einer Vermehrung von technisch-physikalischen, toxischen, parapsychologischen und polizeilichen Verfolgungen. Häufung anonymer Verfolger, Abnahme sexueller Verfolgungen, Ausgestaltung hypochondrischer Vorstellungen in Gruppe II."


    Quellen epidemiologischer Informationen zum Wahn:

    • Lincoln, Tania M.; Keller, Eva & Rief, Winfried (2009). Die Erfassung von Wahn und Halluzinationen in der Normalbevölkerung. Deutsche Adaptationen des Peters et al. Delusions Inventory (PDI) und der Launay Slade Hallucination Scale (LSHS-R). Diagnostica 55, 1, 29-40.

    •  
    • Johns, Louise C. et al. (2004). Prevalence and correlates of self-reported psychotic symptoms in the British population. The British Journal of Psychiatry 185,  298-305 [Onl]


    •  
    • Os, Jim van; Hanssen, Manon; Bijl, Rob V.; Vollebergh & Wilma (2001). Prevalence of Psychotic Disorder and Community. Level of Psychotic Symptoms. An Urban-Rural Comparison. Arch Gen Psychiatry 58, 663-668. [Onl]

    • Cohen, Carl I.; Magai, Carol; Yaffee, Robert ; Walcott-Brown, Lorna (2004). Racial Differences in Paranoid Ideation and Psychoses in an Older Urban Population. Am J Psychiatry 161, 864-871. [Onl]

    •     "OBJECTIVE: This study examined whether there are racial differences in the prevalence of paranoid ideation and psychotic symptoms in persons age >=55 in an urban community. METHOD: Using 1990 census data for Brooklyn, N.Y., the authors attempted to interview all cognitively intact persons age >=55 in randomly selected blocks. The final group consisted of 206 whites and 821 blacks. The authors used George’s Social Antecedent Model for analyzing 21 independent and three dependent variables: paranoid ideation, psychotic symptoms, and psychotic symptoms/paranoid ideation. The group was weighted by race and gender. To control for intrablock clustering effects without replacement sampling, the authors used SUDAAN for data analysis. RESULTS: A significant difference in psychotic symptoms or paranoid ideation was found between blacks and whites (24% versus 10%) that was attenuated but not eliminated with logistic regression analyses. Blacks with psychotic symptoms or paranoid ideation, especially Caribbeans, had significantly lower receipt of mental health services and lower perceived service needs. With logistic regression, psychotic symptoms and paranoid ideation were associated with four variables among blacks and whites, although only one was significant in both groups. CONCLUSIONS: Racial differences in psychotic symptoms and paranoid ideation persist even after control for various clinical, social, and attitudinal effects. Among blacks, response to stressors may be expressed through increased paranoid ideation and psychotic symptoms. Stronger beliefs in spiritualism increase this expression in both races. The high prevalence of psychotic symptoms or paranoid ideation among this aging urban population, especially blacks, highlights a potential public health issue."



    Verlauf von Wahnerkrankungen des Typs ICD-10 F22 nach DSM-IV

    "Verlauf
    Das Ersterkrankungsalter der Wahnhaften Störung liegt im allgemeinen im mittleren oder späteren Erwachsenenalter, kann aber auch im jüngeren Alter liegen. Der Typus mit Verfolgungswahn ist der häufigste Subtypus. Der Verlauf ist recht variabel. Insbesondere beim Typus mit Verfolgungswahn kann die Störung chronisch sein, obwohl die Beschäftigung mit den wahnhaften Überzeugungen oft ab- und zunimmt. In anderen Fällen können Perioden [>356] von vollständiger Remission von späteren Rückfallen gefolgt sein. In wieder anderen Fällen bildet sich die Störung innerhalb weniger Monate zurück, oft ohne späteren Rückfall. Einige Anhaltspunkte lassen vermuten, daß der Typus mit Eifersuchtswahn eine bessere Prognose als der Typus mit Verfolgungswahn hat."

    Peters äußert sich zum Verlauf wie folgt: "3. Absolute Unkorrigierbarkeit auf dem Höhepunkt der Erkrankung. Später kann eine Distanzierung eintreten; der Wahn kann korrigiert werden oder unverändert bestehen bleiben (-> Residuärwahn)."

    Ewald berichtet: "... Langsam besserte sich sein Zustand etwas, und wenn er auch bis zum Schluß mißtrauisch blieb und [>714] stets geneigt war, jeder Äußerung und jeder Handlung die übelste Deutung zu geben, so konnte er doch gebessert entlassen werden. Er machte dann erst eine große Studien- und Erholungsreise nach Italien und Griechenland, auf der es ihm sehr gut ging und auf der er unter Verfolgungsideen nicht mehr zu leiden hatte. ..." Anmerkung RS: Der Fall des Realschulprofessors H. war 1911/12 für einige Jahre geheilt, nahm ab 1918 aber eine chronischen Verlauf an:

    • Ewald, Gottfried (1925). Das manische Element in der Paranoia.  Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten, 665-763. Aus der Psychiatrischen Klinik Erlangen [Direktor: Geh. Rat Prof. Dr. G. Specht].


    Verläufe nach Schanda (1987), Tabelle 52, S. 89:


     

    Die Norwegen-Studie: 10 Langzeitverläufe von Wahnerkrankungen
    RetterstØl, N. &  Opjordsmoen, S. (dt.1992). Langzeitverläufe von Wahnerkrankungen. In (121-128, Diskussion 129-130): Kaschka, Wolfgang & Lungershausen, Eberhard (1992, Hrsg.) Paranoide Störungen. Tropon Symposium VII. Heidelberg: Springer.

    "In seinem Vortrag präsentierte N. Retterstöl, Oslo, die Ergebnisse einer norwegischen Langzeitstudie, in der Verlauf und Status von paranoiden Psychosen untersucht wurden. Die durchschnittliche Beobachtungsdauer der Patienten lag bei 30 Jahren. Die teils prospektiv, teils retrospektiv angelegte Studie umfaßte insgesamt 334 Patienten. Es zeigte sich dabei, daß bei den reaktiven Psychosen der Status sehr günstig ist, während er bei der Schizophrenie als eher ungünstig zu beurteilen ist. Außerdem erwies sich, daß die jeweiligen Entlassungsdiagnosen entscheidenden prädikativen Wert für Verlauf und Status der Nachuntersuchungen hatten, die beide vorwiegend von der jeweiligen diagnostischen Kategorie, nicht aber von der Art der Wahnvorstellungen abhingen."

        S. 122: "... Die Langzeitgruppe umfaßt die erstmals 1946-48 eingewiesenen Patienten, die Kurzzeitgruppe die erstmals 1958-61 Eingewiesenen. Die an Wahnerkrankungen leidenden Patienten stellten innerhalb der 1. Periode 12,5%, in der 2. Periode 11,8% sämtlicher in die Klinik aufgenommenen Kranken. Die Klinik nahm Patienten aus ganz Norwegen auf, die jeweilige Verweildauer war jedoch recht kurz - ein paar Tage bis maximal 3-4 Monate. Insgesamt erfaßte die Studie 334 Patienten, 159 aus der Langzeit-, 175 aus der Kurzzeitgruppe. Letztere wurden während ihres Klinikaufenthalts alle von Prof. Retterstol einem der beiden Verfasser der Studie, untersucht, der darüber hinaus auch persönliche Gespräche mit jedem einzelnen führte. Hier war die Forschungsarbeit prospektiv ausgerichtet. Bei den Patienten der Langzeitgruppe konnte man auf die damals noch sehr sorgfältig ausgearbeiteten Krankenberichte zurückgreifen, das Forschungsmodell war somit ein retrospektives.
    Die Diagnosen sämtlicher Patienten waren systematisch erstellt worden - entsprechend der damals in Skandinavien gebräuchlichen diagnostischen Methode. Professor Gabriel Langfeldt war während der beiden aktuellen Perioden Chefarzt der Klinik und folglich in der Lage, die Diagnostik entscheidend zu beeinflussen, die als einheitlich und sicherlich repräsentativ für die damalige skandinavische Psychiatrie anzusehen war.
        Die erste persönliche Nachuntersuchung der Patienten durch Prof. Retterstol fand in den Jahren 1963-64 statt. 28 Personen waren im Laufe der vergangenen 2-18 Jahre gestorben, 5 Personen lehnten die Nachuntersuchung ab. Von den 306 noch lebenden Patienten wurden 301 (98,4%) persönlich von dem Arzt aufgesucht und zwar die meisten an ihrem Wohnort in vertrauter Umgebung - in den verschiedenen Gegenden des dünn besiedelten Norwegen. Vertrauliche, von einer bis zu vielen Stunden dauernde Gespräche, kamen mit jedem einzelnen Patienten zustande, in der Regel konnten darüber hinaus sowohl die Familienangehörigen als auch der behandelnde Arzt befragt werden.
        Zu den der Kurzzeitgruppe angehörenden Patienten wurde 3 Jahre später (1967) wiederholt Kontakt hergestellt und zwar in der Form neuer persönlicher Gespräche. Sämtliche von dieser ersten Forschungsarbeit erfaßten Patienten standen also 5-18 Jahre lang unter Nachbeobachtung. Alle Daten, Krankenberichte und Lochkarten wurden gespeichert - im Hinblick auf weitere elektronische Datenverarbeitung.
        In den Jahren 1983-85 erfolgte erneut eine persönlich vorgenommene Nachuntersuchung an den Patienten, diesmal von Prof. Opjordsmoen durchgeführt. Die Beobachtungszeit, praktisch eine lebenslange, hatte somit 22-39 Jahre in Anspruch genommen: im Schnitt 30 Jahre. Bei dieser letzten Nachuntersuchung waren 211 von den 334 Patienten noch am Leben. 180 (85,3%) konnten, meist am Wohnort und in vertrauter Umgebung, persönlich vom Arzt nachuntersucht werden. Für 15 Personen (7,1%) waren gute ausführliche Informationen von den Patienten selbst oder der Familie in anderer Weise gegeben. Es gelang somit über insgesamt 92,4% der Patienten ausreichende Informationen einzuholen.
        Jetzt wurden sämtliche Patienten noch nach DSM-III (American Psychiatric Association 1980) klassifiziert - als Ergänzung der vorausgehenden Gruppenzuordnung an Hand des skandinavischen Diagnostiksystems aus den 60er Jahren. ..."

    Heilbarkeitsraten des Wahns in der großen Norwegenstudie



    10.5 Paranoia

    "Schließlich werden wir auf die besondere Gruppe eingehen, für die Kraepelin die Diagnose Paranoia, von systematischen Wahnvorstellungen gekennzeichnet, gebrauchte. Nach Kraepelins Kriterien waren unter unseren Patienten 26 an Paranoia leidende. Diagnosen und GAS-Auswertung gehen aus Tabelle 9 und 10 hervor.

    "Ein Drittel dieser Kranken wies bei der letzten Nachuntersuchung keine psychotischen Symptome mehr auf; 35% der Fälle wurden nach DSM-III als Paranoia diagnostiziert, nach ICD-9 waren es 50%. Der niedrigere DSM-III-Prozentanteil ist zweifellos darauf zurückzuführen, daß man die unrevidierte Fassung benutzt hatte: somit konnten lediglich die Eifersuchts- und Verfolgungswahnvorstellungen die Diagnose beeinflussen. Unsere Befunde entsprechen in vieler Hinsicht durchaus nicht der Auffassung Kraepelins -, der so manche Kliniker noch immer anscheinend nachhängen.
     

    Der alte Grundsatz „einmal Paranoia, immer Paranoia" ist offensichtlich nicht mehr stichhaltig.

     10.6 Schlußfolgerung

    1. Patienten, die an paranoiden Störungen leiden - so wie diese in der vorliegenden Studie definiert werden -, weisen einen Verlauf und einen Status auf, die alle beide günstiger als erwartet sind: nach 5-18 Jahren waren 65% ohne psychotische Symptome, nach 22-35 Jahren waren es 44%. Mit der Zeit kann eine gewisse Verschlimmerung beobachtet werden. Die Entlassungsdiagnose ist der unbestritten zuverlässigste Prädiktor des Verlaufs und des Status. Nach der herkömmlichen skandinavischen diagnosti-[>128]schen Zuordnung liegt ein bedeutsames Gefälle vor: ganz vorn liegen die reaktiven Psychosen mit günstigem Verlauf und günstigem Status, die schizophrenieformen Psychosen schneiden relativ günstig ab, während die schizophrenen Leiden recht wenig günstige Aussichten haben. Nach DSM-III sind Verlauf und Status eindeutig günstig bei den affektiven und schizoaffektiven Störungen, die paranoiden und schizophrenieformen Leiden verfügen über eine noch relativ gute Prognose, während die schizophrenen Leiden durch sehr schlechte Aussichten gekennzeichnet sind. Dieser Umstand hat, sowohl klinisch als sozial gesehen, Gültigkeit für Verlauf und Status.
    2. Verlauf und Status sind vorwiegend von der jeweiligen diagnostischen Kategorie, nicht von der Art der Wahnvorstellungen abhängig.
    3. Von den - nach Kraepelin - an Paranoia leidenden Patienten war rund ein Drittel bei der letzten Nachuntersuchung ohne psychotische Symptome. Die Maxime „einmal Paranoia, immer Paranoia" entspricht offensichtlich nicht den Tatsachen."




    Behandlung

    Olbrich et al ( in Berger 1999, Hrsg. S.462f): "Behandlung
    Eine wesentliche Voraussetzung für eine Therapie der wahnhaften Störung ist eine gute Arzt-Patient-Beziehung, die aber nur sehr schwer aufzubauen ist, da der- obwohl offensichtlich schwer leidende - Patient das Vorliegen einer psychischen Erkrankung zumeist negiert und deshalb oft auch gegen seine« Willen einer Behandlung zugeführt wird."
        Im Resümee, S. 463 führen sie aus: "Bei den seltenen „anhaltenden wahnhaften Störungen" sind Wahnphänomene unterschiedlichen Inhalts das einzige oder zumindest das prominenteste psychopathologische Merkmal. Im Gegensatz zur Schizophrenie sind die Wahninhalte nicht bizarr, d.h. nicht so ungewöhnlich und nicht unverständlich. Häufigste Wahnthemen sind Verfolgung und Eifersucht, Liebe und Sexualität, Größe, Hypochondrie und Querulanz. Die Erkrankung hat einen extensiven, psychopathologisch lange unveränderten und nicht fluktuierenden Verlauf, und die Ursachen sind unbekannt. Die Behandlung erfolgt in der Regel durch hochpotente Neuroleptika, eventuell begleitet durch supportive psychotherapeutische oder kognitiv-behaviorale Verfahren."
        Kritik: Die These der Wahnkranke sei ein "offensichtlich schwer leidender Patient" ist nicht belegt und in dieser undifferenzierten Verallgemeinerung auch wohl falsch. Meist richtig ist es  z.B. bei Verfolgungswahn, Vergiftungswahn, Eifersuchtswahn. Aber es dürfte nicht wenige Wahnkranke geben, die mit íhrem Wahn zufrieden sind und im Alltag auch ganz gut zurecht lommen. Dies umso mehr, wenn man bedenkt dass die wirkliche Verbreitung die klinisch bekannten Fälle weit, ja sehr weit übersteigt.

    Behandlung nach Tölle (2006, S. 185) Nicht selten aber lehnen Wahnkranke die psychotherapeutischen Versuche des Arztes konsequent ab. Mancher Wahnkranke kann jedoch eine Behandlung im weiteren Sinn akzeptieren, wenn man ihm erklärt, daß er durch all das, was ihm widerfuhr, stark belastet, strapaziert, bedrückt und daher behandlungsbedürftig sei. Alle Bemühungen zielen darauf ab, ein Arbeitsbündnis zu erreichen. Es ist erstaunlich, wie oft das gelingt. Auch wenn die Wahnsymptomatik nicht behoben werden kann, ist eine stabile Patient-Arzt-Beziehung von beständigem therapeutischen Wert, insbesondere um bei chronischem Wahn die Abspaltung von Wahnerlebnissen zu unterstützen und damit soziale Beziehungen zu erleichtern.
        Psychopharmaka zeigen bei Wahnsyndromen eine unterschiedliche Wirksamkeit in Abhängigkeit von der zugrunde liegenden Krankheit. Bei wahnhafter Störung beeinflussen neuroleptische und andere Psychopharmaka den Wahn im allgemeinen wenig. Bei einzelnen Kranken kann aber durch ein Neuroleptikum der Wahn abgemildert oder gar aufgehoben werden (bei fortgesetzter Medikation auch dauerhaft); daher ist in jedem Fall ein Versuch angezeigt. Wenn zugleich depressive Störungen bestehen, sind Antidepressiva zu bevorzugen. Bei akuter Schizophrenie beeinflussen Neuroleptika die paranoid-halluzinatorische Symptomatik ausgesprochen günstig, weit weniger aber in chronischen Stadien mit systematisiertem Wahn. Das melancholische Wahnerleben von Depressiven wird von der üblichen antidepressiven Behandlung mit erfaßt.

      Tölle, R. & Windgassen, K. (2006, 14.A.). Psychiatrie einschließlich Psychotherapie. Heidelberg: Springer.



    Ende epidemiologische Mitteilungen


    Empirisch-phänomenologische und pragmatische Wahnformen

    Abstammungswahn
        Böker, H. in (13-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff. S. 15:  Epidemiologie: "Systematische epidemiologische Untersuchungen zur Häufigkeit des Abstammungswahnes sind nicht vorhanden. Es finden sich lediglich Aussagen zur Häufigkeit von Patientinnen und Patienten mit einem Abstammungswahn auf der Grundlage selektiver klinischer Stichproben. Steinebrunner und Scharfetter (1976) berichteten anhand einer empirischen Untersuchung von 200 Patienten mit "Wahnpsychosen" von einer Tendenz zur Abnahme der Abstammungsthematik im 20. Jahrhundert. Sie stellten ein Überwiegen des männlichen Geschlechtes fest und ferner ein Überwiegen bei jüngeren Patienten (jünger als 30 Jahre).


    Abwehr, Neutralisation, kognitive Dissonanzfilter > Blinder Fleck, Minuswahn.
    Die psychologisch-psychopathologische Abwehr hat die Aufgabe, Unangenehmes und schwer Akzeptables für das Selbstbild und das Selbstwertgefühl abzuwehren, wegzublenden. Das ist in gewisser Weise sehr wichtig und nützlich, kann aber auch fatale Folgen haben, wenn Sachverhalte ausgeblendet und abgewehrt werden, die man besser wissen sollte, damit man sich um sie kümmern kann.



    Alkohol induzierter Wahn. > Korsakow-Syndrom.
    Die gewöhnliche Psychoseerfahrung vieler Menschen ist der Alkoholrausch. Es kann zu schweren Delirien kommen. Auch beim Entzug können schwere Wahnzustände auftauchen.

    Cutting, J. (1987) Halluzination, Wahn und aktuelle Konzepte der Alkoholpsychosen. In (13-): Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.).
    Coper, H. (1987) Neurobiologische Grundlagen des Entzugssyndroms bei Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit. In (24-): Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.).
    Täschner, K.-L.  (1987) Die Behandlung akuter Psychosen bei Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit. In (52-): Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.).
     

    • Youtoube.




    Anhaltende wahnhafte Störung ICD-10 F22 ("klassische Paranoia")
    Eine kurze und treffende Kennzeichnung des „Paranoiden Syndroms“ habe ich bei Haring (1989, S. 92). gefunden:
    „13. Paranoides Syndrom. Von einem paranoiden Syndrom spricht man, wenn die Störung fast ausschließlich aus Wahnphänomenen besteht. Das Syndrom entwickelt sich manchmal aus einer Wahnstimmung, ist jedoch selten damit verbunden (der Wahn bringt Gewißheit).
    Sämtliche Inhalte des Wahns (s. dort) können vertreten sein. Vor allem werden abnorme Beziehungen erlebt, Ideen von Beeinträchtigung, Verfolgung, Bedrohung, manchmal auch Größenideen. Der Patient glaubt sich verfolgt, weil er von Gott auserwählt ist, eine großartige Erfindung gemacht hat oder "erprobt" werden soll.
    Der Patient braucht keine Begründungen. Er weiß es einfach (und lächelt).
    Bei isolierten Wahnthemen spricht man von Paranoia. Unter Paranoia versteht man die schleichende Entwicklung eines dauernden, unerschütterlichen Wahnsystems bei erhaltener Klarheit und Ordnung im Denken, Wollen und Handeln und intakter Persönlichkeit, so daß außerhalb der Wahnthematik keine Auffälligkeit nachweisbar ist (die Störung ist selten). ...“
        Kritische Anmerkung: Ich glaube nicht, dass diese Störung selten, sondern im Gegenteil sehr verbreitet ist, aber sie taucht bislang sicher selten in den Kliniken und in den Ambulanzen auf, wozu auch, denn: Ein F22 ist im allgemeinen schwierig zu (differential) diagnostizieren, weil ja gerade erhaltene "Klarheit und Ordnung im Denken, Wollen und Handeln und intakter Persönlichkeit" Definitionsmerkmal ist. Formal ergibt sich eine gewisse Analogie zu isolierten ZwangssymptomträgerInnen; sie kommen in die Praxis, fühlen sich vollkommen gesund und intakt bis auf "das da" - das Zwangssymptom -, das als ichfremd und störend erlebt wird im Gegensatz zum Wahn.

        Epidemiologie: (1) Olbrich et al. schreiben in Berger (1999, Hrsg., S. 461): „Die anhaltend wahnhafte Störung ist eher selten.  Außerdem ist eine Tendenz erkennbar, anhaltend wahnhafte Störungen entweder bei den affektiven oder bei den schizophrenen Erkrankungen diagnostisch einzuordnen. Dazu kommt, daß die Betroffenen eher mit Juristen als mit Psychiatern in Kontakt kommen. In den psychiatrischen Kliniken stellen sie auch nur 1-2% der stationären Patienten. ...“
        Zu Verlauf  und Prognose führen die Autoren aus (S. 460): „Der Beginn der wahnhaften Störung kann sowohl akut (z.B. beim Liebeswahn) als auch schleichend sein und schon im Jugendalter liegen. Insgesamt die Hälfte aller Patienten mit anhaltenden wahnhaften Störungen wird wieder gesund. Der typische Manifestationszeitraum ist das mittlere und späte Lebensalter.
    Die eher akut auftretenden Fälle beginnen im vierten Lebensjahrzehnt. Mehr als die Hälfte dieser akut Erkrankten genesen und nur ein Zehntel nimmt einen chronischen Verlauf. Ein Drittel erleidet Rückfälle. Die eher schleichend verlaufenden Wahnerkrankungen beginnen häufig im fünften Lebensjahrzehnt. Etwa die Hälfte dieser Wahnkranken wird wieder gesund, bei einem Drittel bleibt die Wahnerkrankung unverändert. Auch werden lebenslange Verläufe beschrieben. ... Insgesamt ist die Prognose für Patienten mit nur wahnhaften Störungen günstiger als bei schizophren Erkrankten. ...“
    (2) Das DSM-IV (dt. 1996, S. 355) kommt teilweise zu genaueren Schätzungen der Prävalenz : „Die Wahnhafte Störung ist im klinischen Bereich relativ selten und in den meisten Studien finden sich Hinweise, daß die Störung bei 1-2% aller Aufnahmen in stationäre Abteilungen vorliegt.  Präzise Angaben über die Prävalenz dieser Störung in der Allgemeinbevölkerung fehlen, die wahrscheinlichste Schätzung liegt bei 0,03%. Da die Störung normalerweise erst spät im Leben beginnt, liegt das Erkrankungsrisiko für die gesamte Lebenszeit vermutlich zwischen 0,05-0,1%“, also auf 2000 Personen 1 bis 2 Fälle.



    Argwöhnen. > wähnen, misstrauen.
        Epidemiologie: ""



    Beeinflussungswahn
    Scharfetter (1976, S.49, 169)
        Epidemiologie: ""



    Beeinträchtigungswahn.
    Scharfetter (1976, S.160)
        Epidemiologie: ""



    Beziehungswahn (sensitiver)
     Erkwoh, R. Sensitiver Beziehungswahn in (102-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.
        Beschreibung (S.114): "Das Erscheinungsbild des sensitiven Beziehungswahnes hat viele Gesichter. Der erotische Beziehungswahn oder – moderner – der Liebeswahn steht im Vordergrund, Wahnthemen der Beeinträchtigung, Verfolgung und Beobachtung kommen vor, aber auch Zwangsphänomene gehören hierhin, nicht aber der Querulantenwahn, der Eifersuchtswahn und auch nicht die Hysterie. Sie wären, neben dem sensitiven Beziehungswahn gestellt, „inkommensurable Größen“ (S. 25). Die Charakterlehre muss also ein Begriffsgerüst entwickeln, das die Persönlichkeitsanlagen vergleichbar und daher unterscheidbar macht."
       Kritik:  Sehr unscharf; für die Wissenschaft und Praxis kaum brauchbar.
        S. 120: Epidemiologie: "Die Feststellung eines Falles von sensitivem Beziehungswahn ist nicht voraussetzungsfrei, sondern gebunden an die Person des Untersuchers und seine Methode, sie verlangt „eine gründliche, zeitraubende Vertiefung“ (S. 8). Inzidenz- und Prävalenzzahlen des sensitiven Beziehungswahnes werden vor dem Hintergrund eines so stark von seiner Konzeptualisierung abhängigen psychischen Störungsbildes nicht erwartet. Sind „die Paranoiker“ schon selten, so sind ihre Untergruppen noch spärlicher, auch wenn E. Kretschmer den sensitiven Beziehungswahn häufiger als den Querulantenwahn gesehen hatte."
     
    • Kretschmer, Ernst (1918). Der sensitive Beziehungswahn. Berlin: Springer.
    • Schulte, Heinrich  (1922). Versuch einer Theorie der paranoischen Eigenbeziehung und Wahnbildung. In: Psychological Research, 1, 1-23.




    Berufungswahn.
    & Größenwahn: Huber & Gross (1977, S. 73f). > Fallbeispiele.

        Epidemiologie: ""
     


    Blinder Fleck  > Abwehr, Neutralisation, kognitiver Dissonanzfilter * Minuswahn.
    So nennt man den Bereich bei einem Menschen, der von ihm selbst nicht wahrgenommen, sondern ausgeblendet wird.


    Caesarenwahn > Größenwahn.
    Die Grundidee ist sehr einfach: Macht kann einem zum Kopf steigen, den Verstand vernebeln gewissenlos machen - eine Form des extremen narzisstischen Egozentrismus. Diese Idee ist insofern interessant als man gemeinhin annimmt, Wahn sei zwingend eine endogene, also aus dem Inneren heraus entstehende Krankheit. Beim Caesarenwahn kommt nun als soziale Dimension die Macht hinzu, so dass ein 3-Faktoren-Modell mit  (1) genetischen Dispositionen, (2) Persönlichkeit und Charakterstruktur, (3) die Macht als sozialer Entwicklungsfaktor vorliegt.

    Vom Wahnsinn zum Größenwahn - Eine Krankheit der Mächtigen
    "Was bewegt Menschen mit absoluter Macht alles menschliche Maß hinter sich zu lassen, durchzudrehen, in das zu verfallen, was der deutsche Historiker Prof. Ludwig Quidde  Ende des 19. Jahrhunderts als "Caesarenwahn" bezeichnete? Größenwahn - von der Antike bis zu Gegenwart - reichlich Stoff und vor dem Hintergrund der Ereignisse in Ägypten, Tunesien, Lybien und Syrien brandaktuell. Die Geschichte scheint sich stets zu wiederholen. Absolute Herrscher die jeden Bezug zur Realität verloren haben ..." [Doku WDR 17.7.14]
        Bewertung: Eine interessante Sendung zu einem interessanten Thema.
     

      Zur Geschichte der Begriffsentwicklung Caesarenwahnsinn
      "Cäsarenwahnsinn bezeichnet eine spezifische Form des Größenwahns und der Paranoia, die insbesondere bei einigen römischen Kaisern aufgetreten sein soll. Der Ausdruck bezeichnet weniger eine Krankheit im medizinischen Sinne als vielmehr ein Bündel von Merkmalen eines zur Herrschaft ungeeigneten Monarchen.
          Zum Schlagwort wurde der Begriff Cäsarenwahn durch Gustav Freytag, der in seinem Roman »Die verlorene Handschrift« (1864) den bei Tacitus gebrauchten Ausdruck furor principum (dt. „Fürstenwahnsinn“)) aufgriff. Zunächst wurde der Begriff nur auf die Herrschaft einiger Mitglieder des julisch-claudischen Kaiserhauses bezogen, später wurde er verallgemeinert.
      Weitere Verbreitung fand der Ausdruck Cäsarenwahnsinn durch die Schrift Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn des späteren Friedensnobelpreisträgers Ludwig Quidde (1894). Quidde benannte die wesentlichen Elemente wie folgt:
      - Glaube an die eigene Göttlichkeit,
      - Verschwendungssucht,
      - „theatralischer Schein“,
      - „Heißhunger nach militärischen Triumphen“ und
      - eine Neigung zum Verfolgungswahn.
      Quidde bezog seine Aussagen explizit auf Kaiser Caligula (37–41 n. Chr.), doch war seinen Zeitgenossen klar, dass er implizit auch Kritik am deutschen Kaiser Wilhelm II. übte. Quidde ging davon aus, dass manche Herrscher unter dem „Eindruck einer scheinbar unbegrenzten Macht“ glaubten, nicht mehr an Recht und Gesetz gebunden zu sein und, beeinflusst von der Schmeichelei ihrer Umgebung und der eigenen Propaganda, an die eigene Übermenschlichkeit oder gar Göttlichkeit zu glauben begännen.
      Als typische Fälle von Cäsarenwahn gelten neben Caligula besonders Nero, Commodus und Elagabal. Auch Domitian und Caracalla werden in diesem Zusammenhang häufig genannt. Problematisch ist diese Etikettierung aus Sicht der heutigen Althistoriker deshalb, weil vielfach damit zu rechnen ist, dass das Bild, das die antike Überlieferung von diesen Herrschern zeichnet, zumindest teilweise absichtlich verzerrt und überzeichnet ist: Was in den Quellen als Wahnsinn erscheint, ist mitunter einfach der Tyrannentopik geschuldet. Manch ein Kaiser, der sich nicht an die komplizierten Regeln des Prinzipats halten wollte oder konnte und daher durch mangelnde Rücksichtnahme auf die Empfindlichkeiten der Senatoren deren Unmut erregte, wurde von Historikern wie Tacitus oder Cassius Dio gleichsam zur Strafe als Irrer dargestellt (vgl. Damnatio memoriae). Dennoch ist Quiddes Konzept bis zu einem gewissen Grad sinnvoll.
          Eine römische Vorbeugemaßnahme gegen Cäsarenwahn war die Anwesenheit eines Sklaven auf dem Wagen eines siegreichen Triumphators, der ihn an seine Sterblichkeit zu erinnern hatte. Dieser flüsterte ihm ins Ohr: Respice post te, hominem te esse memento (in etwa: Schau hinter dich, und erinnere dich daran, dass du ein Mensch bist).
          Quiddes Caligula beendete seine Karriere als Historiker abrupt, da er wegen Majestätsbeleidigung zu einer Haftstrafe verurteilt und daraufhin sozial geächtet wurde. Der Caligula wurde im Kaiserreich mit 31 Auflagen bis zum Jahr 1926 zum meistverkauften politischen Pamphlet."
          Quelle: cyclopaedia Caesarenwahnsinn.
       
    Literatur
    • Quidde, Ludwig (1984) Caligula. Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn. Leipzig: Friedrich [Ausschnitt PDF]
    • cyclopaedia Caesarenwahnsinn.

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    Capgras-Syndrom
    Brüggemann, B. R. in (102-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.
        S. 103: Definition: "Als Capgras-Syndrom bezeichnet man heute die wahnhafte Überzeugung, dass Menschen, die zumeist in enger emotionaler Verbindung mit dem Betroffenen stehen, durch identisch oder fast identisch aussehende Andere ersetzt werden. Grundlegend ist dabei eine Veränderung der Identität bei Konstanz der physischen Erscheinung (Rentrop et al. 2002)."
        S. 104: Epidemiologie: "Das Capgras-Syndrom ist selten. Repräsentative Untersuchungen an Bevölkerungsstichproben liegen bislang nicht vor. Auch existieren bislang keine operationalen Kriterien für das Vorliegen eines Capgras-Syndroms, die für eine reliable Erfassung notwendig wären. Anhand einer klinischen Stichprobe wurde die Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung von Boston auf 0,027% geschätzt (Joseph 1994). Das Capgras-Syndrom tritt in der Regel nicht isoliert auf, sondern findet sich im Rahmen von verschiedenen psychischen Störungen (Förstl et al. 1994)."

    Historisch-literarische Anmerkung zu "Lila": Personenverkennung bzw. ein Capgras-Syndrom zeigt auch Goethes "Lila". Diener (1971, S. 229): "... Sie schien mit sich selbst in Zweifel zu sein, ob ich auch ihre Schwester sei." Und: "FRIEDRICH. Das ist eben das Gefährlichste ihrer Krankheit. Das gleiche ist mir mit ihr begegnet. Seitdem ihr die Phantasien den Kopf verrückt haben, traut sie niemanden, hält alle ihre Freunde und Liebsten, sogar ihren Mann für Schattenbilder und von den Geistern unterschobene Gestalten. Und wie will man sie von dem Wahren überzeugen, da ihr das Wahre als Gespenst verdächtig ist?"


    Goethes Lila wurde beeinflußt durch Reils Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen und durch die Erfahrungseelenheilkunde von Moritz Magazin (ausführlich bei Diener erörtert).

    Martin Huber: "Goethes Singspiel Lila [FN4] stellt in vier Akten die Heilung und soziale Wiedereingliederung einer an Wahnvorstellungen leidenden jungen Frau auf die Bühne. Im ersten Akt wird die dramatische Ausgangssituation exponiert: Baronesse Lila, qua psychischer Disposition bereits zur Melancholie neigend, ist durch einen Brief, der fälschlicherweise den Tod ihres abwesenden Gatten Baron Sternthal meldet, in den Zustand der Umnachtung gefallen. Selbst als der totgeglaubte Ehemann gesund zurückkehrt, hält sie ihn nur für ein "Schat-tenbild" (132, 36) und glaubt, feindselige Geister hätten ihren Mann gefangen und trachteten auch nach ihrer Freiheit. Lilas Gemütszustand wird zunehmend zu einer Belastung für die gesamte Gesellschaft, die deshalb nichts unversucht läßt, um Lila zu heilen. Nach mehreren gescheiterten Körperkuren, wie sie das 18. Jahrhundert kennt, nämlich "sezieren, klystieren, elektrisieren" (135, 9), schlägt ein neuer Arzt, Doktor Verazio, folgende "psychische Kur"5 vor: Die Familie soll Lila die "Geschichte ihrer Fantasien spielen" (140, 28), um sie durch die gleichsam homöopathische Maxime "Was Lieb und Phantasie entris-sen, / gibt Lieb und Phantasie zurück" (160, 10), zu heilen. Im zweiten bis vier-ten Akt setzt die Gesellschaft unter der Leitung des Arztes ein Märchenspiel mit Gesang und Tanz in Szene, in das Lila integriert wird. Im Verlauf des Spiels befreit sie mit der Unterstützung von ´Feen´ ihren Gatten aus den Fän-gen eines ´Menschenfressers´, und kann dabei ihren Ehemann schließlich wie-der als reale Person wahrnehmen. In der Auflösung der Maskerade findet Lila - von ihren im Spiel überwundenen Wahnvorstellungen geheilt - schließlich auch wieder zum normalen Gesellschaftsleben zurück."
        Aus: Martin Huber: Inszenierte Körper. Theater als Kulturmodell in Goethes Festspiel Lila (21.06.2004). In: Goethezeitportal.
        URL: <http://www.goethezeitportal.de/db/wiss/goethe/lila-huber.pdf> (Abruf 14.3.11).
     



    Cotard-Syndrom > Nihilistischer Wahn. > Fallbeispiel.
    Wolfersdorf, M.; Heidrich, A. in (67-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.
        Wesen des Wahns, S. 68: "Das Cotard-Syndrom ist definiert als extrem ausgeprägter nihilistischer Wahn, bei dem die Betroffenen davon überzeugt sind, keinen Körper mehr zu haben, Organe seien nicht mehr vorhanden bzw. würden nicht mehr funktionieren oder in falschen Zusammenhängen stehen, bis hin zur Verneinung der eigenen Existenz bzw. zur Gewissheit, bereits tot zu sein."
        S. 72:  Epidemiologie: "Zur Epidemiologie des Cotard-Syndroms gibt es keine belastbaren Zahlen. Geht man von 14–20% wahnhafter Symptomatik bei einer unausgelesenen stationären depressiven Klientel aus (Tölle 2008) und bricht dies auf die seltene Gruppe mit nihilistischem Wahn herunter, dann dürfte der Anteil unter 5% liegen."
     



    Dermatozoenwahn


    Dermatozoenfantasie-10 R. Sponsel 14.3.2011

    Bender, M.; Haltenhof, H. in (58-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff. Epidemiologie: "Die epidemiologischen Angaben sind insbesondere hinsichtlich der Häufigkeit uneinheitlich, was u. a. daran liegt, dass sich die betroffenen Menschen an ganz unterschiedliche Personen und Institutionen (z. B. Kammerjäger) wenden. Nach Hausarzt und Dermatologe wird der Psychiater in der Regel erst durch Überweisung – und zunächst meist unter Protest der Betroffenen – konsultiert (Mester 1980). Trabert (1991) ermittelte über eine Umfrage an psychiatrischen, dermatologischen und geriatrischen Kliniken sowie Gesundheitsämtern der BRD, insgesamt 1015 Institutionen, für 1988 eine extrapolierte Inzidenzrate von 16,6/1 Mio/Jahr und eine Jahresprävalenzrate von 83,2/1 Mio Einwohner. Prospektive Studien wurden bisher nur selten durchgeführt (z. B. Munro 1982, Musalek 1991, Skott 1978). In allen durchgesehenen Studien findet sich ein Überwiegen des weiblichen Geschlechts, das von 1,7 bis 6 : 1 reicht und im Mittel bei 3 : 1 liegt (u. a. Döhring 1960, Maier 1987). Das Manifestationsalter ist vorrangig das mittlere bis höhere Lebensalter, gewöhnlich ist der Erkrankungsbeginn um das 60. Lebensjahr."

    • Trabert, W. (1991) Zur Epidemiologie des Dermatozoenwahns. Nervenarzt 62:165–169
    • Trabert, W. (1995) 100 Years of delusional parasitosis. Meta-Analysis of 1223 case reports. Psychopathology 28:238–246




    Drogen induzierter Wahn.
    Scharfetter, C. (1987) Paranoid-halluzinatorische Zustandsbilder bei drogeninduzierten Psychosen. In (42-): Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.).



    Egozentrik.



    Eifersuchtswahn
     Soyka, M. in (87-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff. S. 89 Epidemiologie:



    Eigenbezug - Eigenbeziehung.
    Ein wichtiger psychologischer und psychopathologischer Grundbegriff. Die Grundfrage lautet: bin ich gemeint oder nicht? Lacht in meiner Umgebung einer, kann ich mich fragen, ob der mich auslacht? Die Neigung, vielerlei oder spezifisches Geschehen auf sich zu beziehen, als ob man gemeint wäre, bezeichnet mit eben dem trefflichen Ausdruck "Eigenbezug". Häufiges Wähnen, man sei gemeint, kann eine Wahnentwicklung andeuten oder schon ausdrücken.
        Epidemiologie: ""



    Eigengeruchswahn.   > Beispiel in Nihilistischer Wahn vom eigenen tot sein.

        Hauser,U.  Der Eigengeruchswahn – eine wahnhafte oder neurotische Störung? in (29-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff. S. 31:  Epidemiologie: "Der Eigengeruchswahn gilt als selten. Die publizierten Untersuchungen bestehen hauptsächlich aus Fallsammlungen, die in unterschiedlichem ätiologischem Kontext diskutiert werden. Moesler (1992) nimmt an, dass die Dunkelziffer sehr hoch liegen könnte, da sich nur einige Patienten mit Eigengeruchswahn und mit ausgeprägter Eigengeruchsphobie in ärztliche Behandlung begäben. Auch die Erfassung der Wahnsymptome hänge häufig  z.B  von Art und Ausführlichkeit der Exploration ab, insbesondere wenn es um die Unterscheidung zwischen Halluzinationen und illusionärer Verkennung gehe. Der als „Olfactory Reference Syndrome“ von Pryse-Phillips (1971) beschriebene zirkumskripte Eigengeruchswahn manifestiert sich erstmals überproportional häufig in der Adoleszenz oder im jungen Erwachsenenalter und tritt häufiger bei jungen Männern auf. Dies wird auch von Suzuki et al. (2004) in ihrem Kollektiv bestätigt, die allerdings ein etwas früheres Erkrankungsalter als Pryse-Phillips angeben. Häufigkeitsangaben über Eigengeruchswahnerleben in Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen existieren nicht."



    Esoterischer Wahn > Beweis und beweisen in den Grenzwissenschaften.
    Dazu gehört die subjektiv gewisse und unkorrigierbare Überzeugung, über magische Kräfte und andere paranormale Fähigkeiten zu verfügen. Teilweise gibt es eine große Schnittmenge zur Religion. Große Teile etwa des katholischen, jüdischen oder muslimischen Glaubens sind von esoterischem Wahn nicht zu unterscheiden - mit Ausnahme breiter gesellschaftlichen Anerkennung (Aberglaube, Wie aus Wahn Gesundes wird,).

        Epidemiologie: ""



    Exorzismus
    Wahnsystem und Wahnpraktik u.a. der katholischen Kirche, das Besessenheit von Teufeln oder anderen negativen Geistern annimmt, die nach bestimmten Ritualen und Vorschriften auszutreiben sind.
     


    Fanum
    Der Inhalt einer fanatischen Strebung.



    Folie à beaucoup
    Verallgemeinerung des "Wahnes zu zweit" (Folie à deux) auf einen Wahn von vielen. Typisch bei psychischen Epidemien.



    Folie à deux

    Peters (1984, S.197) [GB] "Folie à deux (f). (C. LASÊGUE, J. FALRET, 1873,1877). Übernahmewahnhafter Überzeugungen eines Geisteskranken durch eine andere (geistesgesunde oder geisteskranke) Person (Ehefrau, Verwandte, Anhänger). Auch Bez. für alle vergesellschaftet auftretenden Geistesstörungen psychotischer oder nichtpsychotischer Art (> Wahn, konformer). Durch Ausweitung auf größere Gruppen von Menschen können »psychische Epidemien« entstehen (> induziertes Irresein). Die häufig gebrauchte Bez. ist im Unterschied zur symbiontischen Psychose (s. d.) weiter und umfaßt auch familiär auftretende Psychosen, bei denen die Psychosen der Partner sich nicht miteinander verflechten. fr: délire à deux, contagion mentale; e: folie à deux, double insanity. Syn.: Folie simultané; infektiöses Irresein (IDELER, 1838); Contagio psychica (HOFBAUER, 1846)."


    Ernest-Charles Lasègue (1816-1883) [W]

    [Ideler 1838, 2. Bd., S. 537]



    Fregoli-Syndrom
    P. Garlipp in (97-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.
        Definition: "Wie erwähnt, ist die charakteristische Ausprägung des Fregoli-Syndroms dergestalt, dass der Patient eine emotional für ihn bedeutsame Person im Körper eines anderen wähnt."
        S. 78: Epidemiologie: "In der Literatur sind zumeist nur einzelne Fallbeispiele publiziert, so dass über die Häufigkeit des Vorkommens keine klare Aussage gemacht werden kann. Kirov et al. (1994) fanden in ihrer Untersuchung aller stationärer Aufnahmen zwischen 16 und 50 Jahren (n=195) acht Patienten mit aktuellen Missidentifikationssyndromen, das entsprach einer Prävalenz von 4,1%. Das Fregoli-Syndrom wurde in dieser Untersuchung jedoch nicht diagnostiziert. Das Fregoli-Syndrom kommt selten isoliert als Wahnstörung, sondern zumeist als Symptom einer zugrundeliegenden psychischen Erkrankung vor. Oft handelt sich um Schizophrenie (z. B. Brüggemann et al. 2002) und Depression (z. B. Sanati u. Mojtabai 1993). Nicht selten scheint eine Kombination verschiedener seltener Wahnstörungen zu sein, so z. B. Liebeswahn und Fregoli-Syndrom (Collacott u. Napier 1991). Insbesondere kommen verschiedene Missidentifikationssyndrome gemeinsam vor, z. B. Capgras-Syndromund Fregoli-Syndrom (Silva u. Leong 1992), sowie Intermetamorphose und Fregoli-Syndrom (Joseph 1985)."

         Anmerkung zum Namen nach Garlipp S. 97: "Leopoldo Fregoli (geboren 1867 in Rom, gestorben 1936 in Rom) war der berühmteste Verwandlungskünstler („Quickchange-artist“) seiner Zeit."



    Fremdbeeinflussungswahn > Beeinflussungswahn.
    Scharfetter (1976, S.49, 169)
        Epidemiologie: ""


    Geschlossenes Denksystem, geschlossenes System
    Unklarer und daher überflüssiger Ausdruck in der Psychopathologie, dessen Bedeutung so gut nie erklärt wird, z.B. auch nicht im Nedopil-Gutachten über Gustl Mollath. Der Ausdruck eignet sich besonders gut zum psychopathologiesierenden Verschmieren, so dass immer etwas hängen bleibt - Semper aliquid haeret Diagnostik, eine Spezialität und Kunstfehler besonders in der forensischen Psychiatrie. In Peters (1997) Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie findet sich kein Eintrag. Auch im neuen und völlig zu Unrecht vielgepriesenen 1300 Seiten DSM-5 findet sich Sachregister nicht einmal ein Eintrag zum "Denken" (!) und dann natürlich auch keiner zu einem "geschlossenen Denksystem". Auch im Glossar gibt es keinen Eintrag "geschlossenenes Denksystem". Aber selbst in Bezug auf den Wahn leistet die Wortschöpfung keinen verständlichen Beitrag. Nimmt man an, dass ein geschlossenes System nicht veränderlich ist, so wäre diese Bedeutung schon besser und klarer durch das Wahnmerkmal "unkorrigierbar" abgedeckt. So gesehen braucht man diese schwer zu definierende Wortschöpfung nicht und sollte sie tunlichst vermeiden.
      Materialien:
          Huth (1988) in Glaube, Ideologie und Wahn, S. 306f (Hervorhebung RS):
        "Der Wahn läßt sich als Rettung des Selbst begreifen. ...
        Das Beispiel zeigt, daß wir es nicht nur bei den Ideologien, sondern auch beim Wahn — im Gegensatz zum Glauben — mit einem angstreduzierenden Mechanismus zu tun haben, der mit einer tiefgreifenden Beeinträchtigung der mitmenschlichen Begegnungsfähigkeit erkauft wird. Bei den Ideologien geschieht dies durch Reduktion und Deformierung der Beziehung auf abstrakte Prinzipien, beim Wahn hingegen durch Ersatz lebendiger Bezugspersonen durch psychotisch umgebaute Objekte. Im einen wie im anderen Fall tendiert die Entwicklung zu einem Höchstmaß an Kohärenz, das heißt Geschlossenheit der eigenen Sichtweise. Diese ist mindestens so sehr ein zentrales Merkmal von Ideologien und von Wahn wie irgendwelche inhaltlichen Bestimmungen. Sie hat die Aufgabe einer Sicherung der eigenen Identität."
          Norbert Groeben, Heidelberg, in Erkenntnis und Dogmatismus, S. 85 [PDF]:
        "1. Das DTA-Verfahren: Was es messen soll und was es messen könnte
        1.1 Ableitung des DTA-Verfahrens vom Dogmatismus-Konstrukt Rokeachs.
        Ertel hat (1972a) versucht, das Dogmatismus-Konstrukt von Roke-ach (1960; 1968) auf Stilmerkmale von Texten anzuwenden: Danach indiziert die Häufigkeit der Verwendung bestimmter Ausdrücke (s. u.) einen dogmatischen oder undogmatischen Denkstil. Er geht bei dieser Ableitung von dem Prinzip der Systemkongruenz von Überzeugungen aus:
        »Informationen über Ereignisse werden bei einem dogmatisch Denkenden in besonderem Maße auf ihre Stimmigkeit in bezug auf sein geschlossenes Denksystem geprüft. Die Stimmigkeit systemkongruenter Ereignisse im Verhältnis zum Überzeugungssystem ist um so größer, je häufiger sie vorkommen. Sie ist am größten, wenn diese Ereignisse >immer< vorkommen. Potentiell systeminkongruente Ereignisse haben eine um so harmlosere Wirkung, je seltener sie auftreten. Sie sind bedeutungslos, wenn sie >nie-mals< auftreten.« (Ertel 1972a, 250).
        Indikatoren für undogmatische Denksysteme wären im Gegensatz dazu Ausdrücke wie »in der Regel, häufig, oft«. Diese Beispiele beziehen sich auf die erste der von Ertel abgeleiteten sechs Katego¬rien: die Kategorie der Häufigkeitsausdrücke (adverbial). Nach dem gleichen Begründungsprinzip entwickelt er noch die Kategorien: ..."
          Albertz (2009) geht in seinem Buch Denken, zunächst S. 104 [GB] auf ein Denksystem ein, dann S. 106 [GB], auf geschlossene Systeme ein  -wenn auch nicht wahnfokussiert, sondern allgemein - und schreibt hierzu:
        "10. System und Systematik, offenes und geschlossenes System - Ein Denksystem kann offen oder geschlossen sein. Es liegt in der Tendenz des Denkens, System zu schließen wie es wieder zu öffnen.
            Insofern der gedankliche Zusammenhang eines Systems sich einmal einem Hauptprinzip herleiten lassen und zudem kontinuierlich-lückenlos widerspruchsfrei sein soll, tendiert das Denken zur Geschlossenheit. Gedank die in Widerspruch zu bereits integrierten stehen, sind nicht mehr zu integrier" wenn nicht die bereits etablierten Gedanken infragegestellt werden. Da diiese aber innerhalb des Systems integrale Funktionen haben können, sind durch Infragestellung potentiell andere Gedanken betroffen, so dass sie nicht isoli betrachtet werden können. Die Folge: der Ansatz des Systems muss ggf. neu konzipiert werden.
            Ein geschlossenes Denksystem ist eines, bei dem bestimmte Grundannahmen den Stellenwert von Axiomen erhalten und tendenziell alle Gedanken Axiomen werden können. Es besteht dann keine Möglichkeit, Grundannahm und funktionale Beziehungen innerhalb des Systems zu ändern. Gedanken können nur noch integriert werden, wenn sie „passen" (oder sich anpassen).
            Es ist nicht nur möglich, ein System zu schließen, sondern es abzuschließen. Dazu muss die Gesamtheit der integrierten Gedanken als vollständig aufgefasst werden, so dass keine weiteren mehr aufgenommen werden. Zu dieser Haltung kann es kommen, wenn aufgrund des gewählten Ansatzes neue Gesichts, punkte nicht mehr in den Blick geraten und sich auch keine neue Perspektive anbietet. Die Abgeschlossenheit eines Systems bedeutet daher, dass die Möglichkeit ausgeschlossen wird, Momente des Systems ließen sich noch auf eine andere« Weise bestimmen: ihre „Bestimmung" gewinnen sie nur durch den Stellenwert, den sie im System, bedingt durch dessen Prinzip, innehaben.
            Vor allem Abgeschlossenheit ist Merkmal einer Weltanschauung, die, wenn sie andere Möglichkeiten, ein Moment zu denken, ausschließt, totalitäre Züge annehmen kann. Bei Denksystemen deutet Geschlossenheit auf das Vorhandensein von Wertgesichtspunkten, die eine zukunftsoffene, an Veränderungen orientierte Bestimmung des Sachverhaltes vom Ansatz her verhindern. Ein System ist totalitär, wenn seine Momente nicht frei sind, anders als durch sein Prinzip, durch es als Ganzes bestimmt zu werden, d. h. wenn es einen Ausschließlichkeitsanspruch erhebt. Die Besonderheit der Momente, ihr mögliches Andersbestimmtsein oder ihre Mehrdeutbarkeit (durch innerhalb oder außerhalb des Systems liegende Momente) kommt nicht zum Zuge."
            S. 117 führt er dann aus:
        "8. Geschlossenheit eines Musterzusammenhangs - Die stimmige Erklärung eines Sachverhalts, bei dem alle Muster zusammenpassen, führt leicht zu der Annahme, er sei anders gar nicht zu denken. Je mehr Muster zusammengefügt werden, desto weniger nimmt man das Heterogene, das, was nicht passt, wahr: weil dies nur durch „unpassende" Muster oder ihre Bestandteile erfolgen kann, die abgewiesen werden. Daher besteht die Gefahr, dass Änderungen des Sachverhalts (das  Wegfallen bestimmter Aspekte oder das Hinzukommen neuer) nicht in den gedanklichen Zusammenhang integriert werden können: das, was sich nicht in die bereits vorhandene Denkstruktur einfügt, wird gar nicht wahrgenommen oder nur so, dass es zugleich uminterpretiert wird. Neue Denkmuster, die es differenzierter erfassen, sich aber nicht in die vorhandene Konstruktion einfügen, sondern sie zu sprengen drohen, werden abgewiesen. Das Denken geht in einem eigenen, selbstgeschaffenen Zusammenhang, der sich immer wieder durch Anwendung auf Einzelfälle selbst bestätigt - aber es sieht auch nur die Einzelfälle, die es bestätigen. Nur der Einbezug anderer Denkweisen, die andere Muster verwenden, lässt die Sachverhalte wieder anders (aus) sehen."
          Hemminger-Kritik an Theorie und Praxis des Walter Alfred Siebel [Q], darin:
        "... Das Ergebnis ist ein geschlossenes, ideologisches Denk- und Wertesystem, daß alles, was therapeutisch geschieht, scheinbar objektiv rechtfertigt und die Grenzen des therapeutisch Machbaren verschwimmen läßt."
        "... Von daher ist sie als geschlossenes, pseudowissenschaftliches Denksystem zu beurteilen, wenn auch in den einzelnen Anteilen in unterschiedlichem Umfang: Am wenigsten in den geisteswissenschaftlichen Grundlagen, am stärksten in der psychosomatischen Ausformung. Von einem ernsthaften Beitrag zur wissenschaftlichen Menschenerkenntnis kann auf keinen Fall gesprochen werden. Da das geschlossene Denksystem  auf alle Lebensbereiche zugreift , von den Körpervorgängen bis hin zur Religion, und da in allen Bereichen die selbe Sicherheit des Wissens behauptet und vorgetäuscht wird, handelt es sich um eine voll entwickelte, pseudowissenschaftliche Ideologie."
          Gymansium Bad-Aibling Grundwissen Q12, Volk und Nation (12/1.1):
        "... Die Aufklärung war kein geschlossenes Denksystem, hatte jedoch enorme Auswirkungen: Die Ideen der Aufklärer haben entscheidend zum Umsturz der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Frankreich und anderen Ländern um 1800 beigetragen."
          Dan Diner über Hanna Arendt [Q]
         "Arendts Hauptwerk ist inzwischen ein Klassiker. Mit ihren weiteren Werken ist sie zur herausragenden Denkerin des Jahrhunderts avanciert. Die gesteigerte Aktualität Arendts ist dem paradoxen Umstand geschuldet, dass sie im Unterschied zu anderen politischen Theoretikern des vergangenen Jahrhunderts kein in sich geschlossenes Denksystem ausgebildet hat. Im Gegenteil: Sie war in ihrem Denken gleichsam bestrebt, aller Systematik entgegenzuwirken. In einem geschlossenen, konsistenten Denksystem sah sie bereits die Gefahren und Gefährdungen des Totalitären angelegt."
          Dr. Rainald Simon, Sinologe & Übersetzer, in Das Daodejing und seine Wirkung in der Tradition des Yangsheng (Pflege des Lebens) [Q]
        "Der Frühdaoismus bietet kein widerspruchfreies, geschlossenes Denksystem an, das Denken ist eher als eine grundsätzliche Ausrichtung und als eine mentale Basis für sehr unterschiedliche tastende Versuche der Lebensgestaltung zu verstehen. Es ist nicht religiös [und eignet sich nicht für Sektenbildungen]. Seine Modernität besteht in einer von Leistungsansprüchen freien, offenen Haltung dem Eigenen und Fremden, dem Innen und Außen gegenüber."
          Dr. Thomas Much in Aberglaube Homöopathie [Q]:
        "Schlußfolgerung: Homöopathie ist eine esoterische Behandlungsmethode (mit Wurzeln im Götterglauben der Antike). Die Homöopathie ist ein dogmatisches, in sich geschlossenes Denksystem, das sich (im Gegensatz zur Naturwissenschaft) nie selbst in Frage stellt. Die Befürworter und Nutznießer der Homöopathie verhalten sich ähnlich wie religiöse Fundamentalisten. Kritiker werden mit allen Mitteln bekämpft und man sieht sich stets in der Opferrolle."
          Ankündigungstext des Literarischen Zentrums: Patrick Bahners Streitschrift Die Panikmacher. [Q]
        "Die deutsche Angst vor dem Islam ist das Gegengewicht zur inzwischen fast salonfähigen sarrazinschen Untergangspolemik. (Diskussionsveranstaltung). In seinem »Meisterwerk der Aufklärung« (SZ) prüft er unaufgeregt und sachlich die Argumente der sogenannten Islamkritiker. Er rückt Statistiken und Zahlen ins richtige Licht und durchbricht ein geschlossenes Denksystem, das sich vor allem aus Vorurteilen speist. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Verharmlosung des islamischen Fundamentalismus, wohl aber um eine Anklage des Generalverdachts gegenüber Muslimen. (Veranstaltung am 10.10.11)"




    Gesunder Wahn - Wahn Gesunder. > normaler Wahn, gesunder Wahn, rollenfunktioneller Wahn, positiver Wahn, wissenschaftlicher Wahn.
    Gesunder Wahn liegt vor, wenn ein Sachverhalt alle Wahnkriterien erfüllt, der Wahn aber nicht als solcher beurteilt und bewertet wird, obwohl er, streng formal an den Kriterien gemessen, einer ist. Die Mechanismen der Transformation sind die gleichen wie unter dem  "normalen Wahn" ausgeführt:
     
    1. Anerkennung des Wahns durch die soziale Bezugsgruppe als "normal" oder "gesund".
    2. Häufigkeit der Verbreitung, indem zum Beispiel die Mehrheit einen Wahn als Glauben annimmt (Massenwahn), zum Beispiel Hexenwahn oder der chauvinistische Überlegenheitswahn der eigenen Gruppe, Rasse oder Nation, was Sie schon in der viel gepriesenen griechischen Hochkultur sehr ausgeprägt finden, selbst beim von mir sonst so hochgeschätzten Aristoteles, der Euripides Spruch aus Iphigenie zitiert und bestätigt.
    3. Erzwingen durch Ausübung von Macht, Gewalt, Herrschaft, z.B. Inquisition, Scharia, Staatsterrorismus verkleidet als "Recht" und "Ordnung".


    Bereits Karl Wilhelm Ideler bringt in seinem Grundriss ... Bd.2 (1838, S.427) zum Ausdruck: "In dieser allgemeinsten und allein sprachrichtigen Bedeutung ist aber der Wahn keinesweges Symptom geistiger Krankheit , sondenr oft ein nothwendiges Erzeugnis völlig gesunder Seelenzustände."  Zwar geht hier die Bedeutung in Richtung Fantasie und eidetische Vorstellungskraft, aber immerhin ist die Idee eines Wahns gesunder Seelenzustände schon gedacht.

        Häfner (1967) setzt sich in seiner Arbeit Der echte Wahn und die "Verrücktheit" in der Politikmit den Verrücktheit Gesunder auseinander.

        Auch de Boor konstruiert einen Wahn (Monoperceptose) der "Gesunden", den er aufgrund seiner eigenen Vorurteile und Blindheit aber ausschließlich bei wenigen RAF-Terroristen (genau 15 an der Zahl) erkennt.

        Epidemiologie: siehe bitte Epidemiologie, allgemeine unter Größenwahn.
     


    Gewissheit > subjektive Gewissheit.



    Größenidee
    "Eine übersteigerte Einschätzung von Wert, Macht, Wissen, Bedeutung oder Identität der eigenen Person. In extremen Fällen kann die Größenidee wahnhaftes Ausmaß annehmen." (Glossar DSM-IV, dt. 1996, S. 857)
        Noch bei Peters (1984, 1997) findet sich eine auf Wahn eingeschränkte und schon damals falsche Version. Damals schon falsch, weil der Verhältnisblöldsinn Bleuers ja schon seit 1914 bekannt ist. Und im Bereich der Persönlichkeitsstörungen (früher "Psychopathen"; Koch 1891, Kurt Schneider 1831) spielen Größenthemen sicher bei den histrionsischen (früher: Hysterischen) und besonders aber bei den sog. narzißtischen Persönlichkeiten eine Rolle, wobei natürlich Skepsis angezeigt ist, ob diese Klassifikationen überhaupt sinnvoll sind: Lieb, Hans (1998). "Persönlichkeitsstörung". Zur Kritik eines widersinnigen Konzeptes. Tübinger Reihe 18. Tübingen: dgvt.
        Kriterien für die histrionsische und die narzißtische Persönlichkeitsstörung.



    Größenwahn  > Variante Caesarenwahn.
    Huber & Gross (1977, S. 73) führen aus: "Wahneinfälle mit dem Thema "Berufung, Größe und besondere Fähigkeiten" (s. Tab. 3, S, 44), zu denen wir hier auch den Abstammungs- und Erfinderwahn rechnen, führen in 6,9% (84 Einzelphänomene — s. Tab. 7, S. 63) zu sichtbaren Konsequenzen für das faktische Verhalten: Die Kranken versuchen, andere zu beeinflussen, zu überzeugen und für die Realisierung ihrer Ideen zu gewinnen, sie bemühen sich um Bestätigung und Unterstützung, erheben Forderungen und Ansprüche und entwickeln dem Wahnthema konforme Aktivitäten, unternehmen beispielsweise Reisen zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Kranke mit Berufungs- und Größenwahn geben ihre bisherige Lebensform auf und übernehmen die neue, dem Wahninhalt gemäße Rolle."
        Epidemiologie, klinische: In der psychiatrischen Klinik ist der  Größenwahn nach dem Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn eine starke Gruppe. Huber & Gross führen in ihrer Tabelle der Bonner Schizophrenen Studie 102 von 400 Fällen (25,5%) an.

        Allgemein häufige Erscheinung, auch im religiösen Bereich bei sich von Gott auserwählt dünkenden Menschen, die dann besonders gemeingefährlich werden können, wenn sie auch noch einen Missionierungsauftrag wähnen. Zeigt sich in der Geschichte als vielfache Wurzel von Krieg, Folter, Ausbeutung, Versklavung und Unterdrückung. Primitivformel: Die eigenen sind die Guten, die anderen, die Fremden, sind die Schlechten. Als gesunder narzisstischer Kern kann das Bedürfnis nach Anerkennung, Wertschätzung und Geltung angesehen werden. Sobald die Selbsterhöhung aber auf Kosten anderer erfolgt, liegt eine gemeingefährliche Form von sozialem Wahn vor.
    Epidemiologie, allgemeine: Der allgemeine gruppenspezifische und national-chauvinistische Größenwahn (> Euripides) ist in den allermeisten Menschen angelegt und wohl als eine allgemeine, anthropologisch gegebene Wahnfähigkeit anzusehen. Er ist auch heute noch sehr weit verbreitet, wenn auch meist als "normal", "gesund" oder "positiv" gesehen und bewertet. In Deutschland ist z.B. seit der Wiedervereinigung ein neues Großmachtsdenken und Großmachtsstreben zu bemerken, das sogar so weit führte, dass inzwischen sogar grundgesetzwidrige Angriffskriege unterstützt (Balkan) und aktiv durchgeführt (Afghanistan) werden. Selbst militärische Interventionen für Handels- und Wirtschaftsinteressen (Weißbuch der Bundeswehr, Entgleisung Ex-Bundespräsident Köhler, Verkündung des Lügenbarons zu Guttenberg) sind mittlerweile öffentlich kommunizierbar geworden. Unterstützt wird die neue nationale Großmachtswelle durch Fahnenschwenken und Schwelgen angesichts nationaler Ereignisse, wie etwa Fußballweltmeisterschaften. Dazu passen dann auch die Entgleisungen der Militärgeistlichen in Afghanistan, die von "Kriegern des Lichts" und "Gottesstaaten" fantasieren.



    Haftpsychose(n), Gefängniskoller.

    Kolle, Kurt (1947). Paranoische Haftreaktionen. Allg. Z. Psychiatr. 124, 327-.



    Heiratswahn
    Mehrdeutiger Begriff.  Es kann unterschiedliches gemeint oder der Fall sein: (1) X meint, mit Y verheiratet zu sein, ohne das dies der Fall ist. (2) X meint, Y meint oder wünscht, mit X verheiratet zu sein. Verwandt mit Liebeswahn. Erstes Beispiel bei Tölle (2008, S. 3f).
        Die Begriffsschöpfung Peters (1984) "Krankhafter Wunsch zu heiraten, bzw. wieder zu heiraten") bedeutet hingegen keinen Wahn. Ob ein Wunsch, (wieder) zu heiraten, "krankhaft" sein kann, mag hier offen bleiben.
        Epidemiologie: ""



    Hochstapler. > Überblick Hochstapelei.
    • Psychopathologische Ausprägungen, Formen und Varianten der Hochstapelei.
      • Pseudologia phantastica.




    Hypochondrischer Wahn
    Ebel, H.; Algermissen, C. Hypochondrischer Wahn in (47-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff. S. 50f: Epidemiologie: "Die Häufigkeit des hypochondrischen Wahns verteilt sich zweigipfelig auf Adoleszenz und frühes Erwachsenenalter (zwei Drittel der Fälle unter 40 Jahren) einerseits und höheres Lebensalter (knapp ein Drittel über 60 Jahren) andererseits (Musalek u. Berner 1992). Es findet sich keine größere Geschlechterdifferenz (Winokur 1977). Eine hereditäre Belastung mit schizophrenen oder affektiven Störungen besteht meist nicht. Häufiger sind niedrigere sozioökonomische Schichten und Emigranten betroffen. Die prämorbide Persönlichkeit soll extrovertiert, dominant und hypersensitiv gegenüber der Umwelt sein, gleichzeitig aber misstrauisch und abweisend, was die Betroffenen im Verlauf weiter isoliert und dadurch wiederum die wahnbereite Persönlichkeit provoziert. Eine auffällige Persönlichkeitsstruktur mit vorwiegend schwacher Kontaktfähigkeit kann ebenfalls das Entstehen einer wahnhaften Störung begünstigen. Hypochondrische Inhalte finden sich bei bis zu einem Drittel der wahnhaft-schizophrenen Patienten und stehen damit hinter Verfolgungs- und Vergiftungswahn an dritter Stelle (Huber u. Gross 1977). Im Zuge des Gestaltwandels der Psychosen hat der hypochondrische Wahn bei Psychosen seit Anfang des Jahrhunderts gegenüber anderen Wahnformen zugenommen, in der Schizophrenie noch deutlicher (von 3 auf 12% zwischen 1911 und 1973) als in der Melancholie (von 20 auf 27% zwischen 1910 und 1963) (Lauter u. Schön 1967, Steinebrunner u. Scharfetter 1976). Nach einer jüngeren Studie fanden sich in der Periode von 1856–1910 unter 205 Patienten 24,4%, in der Periode von 1911–1955 unter 229 Patienten 25,3% und in der Periode von 1992–2001 unter 303 Patienten 17,5% mit hypochondrischem Wahn (Stompe et al. 2003). Die relative Häufigkeit des Krankheitswahnes bezogen auf wahnhafte Depressionen wurde zwischen 3,1% und 35,7% angegeben (Tölle 1998). Angesichts dieser Befunde ist die Einstufung des hypochondrischen als typisch melancholischen Wahns nicht zu rechtfertigen (Fuchs 1992)."


    Ideologischer Wahn. > Religion als Wahn, Herrscher Typen. > Auswirkungen nach Demoziden (Volkstötungen).

    Thieme (1991, S. 24f) erläutert: "Eine Ideologie ist die systematische intellektuelle Ausarbeitung einer Idee und!oder eines Ideals (also ein System von Konzeptionen, ergänzenden Aussagen, Theorien und Zielen, die als Prinzipien menschlichen Verhaltens und Handelns und menschlicher Organisationen dienen), die autoritär als Wahrheit verkündet wird, selbst wenn sie unbewiesen, unbeweisbar oder durch Tatsachen widerlegt ist.
        Das Wort Ideologie wird heutzutage oft nur auf wirtschaftspolitische Systeme angewendet, aber bereits Feuerbach und Marx betrachteten auch Religion als Ideologie. Das Wort soll hier in seinem weitesten Sinne gebraucht werden, sowohl für religiöse als auch politische Ideologien. Wir können diese zwei Hauptgruppen die großen Ideologien nennen. Es gibt auch viele kleine Ideologien auf dem Gebiet der Kunst und Literatur, in der Wissenschaft oder auf dem Sektor des täglichen Lebens, der Gesundheit, der Ernährung, usw.
        Eine mächtige Ideologie ist meist ein umfangreiches, ausgeklügeltes System, das aus verschiedenen ideologischen Konzeptionen besteht. Eine religiöse Ideologie ist in den meisten Fällen ein Gemisch von Konzeptionen des Übernatürlichen (z.B. Leben nach dem Tode, Reinkarnation) und der Moral; es enthält aber oft auch soziale, politische und wirtschaftliche Konzeptionen. Sich zu einer bestimmten Ideologie bekennen, heißt, an etwas glauben, für das es keinen realen Beweis gibt und das deshalb auf Autorität begründet ist. [>25]
        Ewige Wahrheit, auch wenn unbewiesen, unbeweisbar oder durch Tatsachen widerlegt, ist die Quintessenz jeder Ideologie. Das unterscheidet sie von einer Theorie, einer Weltanschauung und vom «common sense». Diese autoritäre Annexion der «Wahrheit» dient oft zur Rechtfertigung für Unnachsichtigkeit und Unbarmherzigkeit, für grausame Morde und blutige Kriege. Aber es gibt auch Ideologien (die buddhistische), die trotz ihrer behaupteten Unfehlbarkeit tolerant gegenüber Andersdenkenden sind und keinen Versuch machen, ihre Doktrin mit brutaler Gewalt anderen aufzuzwingen. Eine nicht-aggressive Ideologie kann töricht sein, die aggressiven Ideologien sind jedoch kriminell. Unsere Sprache macht keinen Unterschied zwischen ihnen. Vielleicht könnte man gewalttätige Ideologien «Ideologismus» nennen in Analogie zu Absolutismus und Despotismus, Psychologismus usw. In ähnlicher Weise könnte man zwischen einem Ideologen und einem Ideologisten unterscheiden. Entsprechend könnte man drei Gruppen ideologischen Gedankenguts definieren:
        Weltanschauung: Ein System von Konzeptionen, ergänzenden Aussagen, Theorien und Zielen, die revidiert werden können.
        Ideologie: Eine Weltanschauung, die trotz widersprechender Tatsachen als Wahrheit proklamiert wird und die nicht revidiert werden kann.
        Ideologismus: Eine Ideologie, die diktatorisch mit Gewalt auferlegt wird (hierzu gehören also alle in diesem Buch behandelten Ideologien, auch wenn diese nicht ausdrücklich als Ideologismus gekennzeichnet werden).
        Es ist für den arglosen Anhänger oft schwer, zwischen diesen drei Gruppen zu unterscheiden. ..."

        Epidemiologie: Der ideologische Wahn ist ein ständiges Weltphänomen bis auf den heutigen Tag. Ein jüngstes Beispiel liefert Libyen, wenngleich bei vielen in Libyen der fünfte Faktor  - Macht, Gewalt und Terror - eine Hauptrolle spielen dürfte.



    Induzierte wahnhafte Störung („Folie à deux“) > Stoffe: Drogen, Medikamente,
    Mehrdeutig jenachdem, ob der Wahn durch eine anderew Person oder durch Stoffe ausgelöst oder hevorgerufen wird.

    Haltenhof, H.; Bender, M. in (141-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.
        Beschreibung (S.142): "Nach ICD-10 übernimmt die sekundär betroffene Person den Wahn oder das Wahnsystem von einer anderen Person, zu der eine enge Beziehung besteht. Die DSM-Kriterien fordern bei enger Beziehung zu einer bereits wahnkranken Person die Entwicklung eines inhaltlich ähnlichen Wahns."
        S. 143: Epidemiologie: "Die induzierte wahnhafte Störung ist wahrscheinlich häufiger als vermutet, da die meist sehr zurückgezogen lebenden Personen nicht immer Anlass haben, medizinische Hilfe aufzusuchen bzw. im Fall eines solchen Kontaktes häufig nur einer der Betroffenen behandelt wird. Je gründlicher die Familienanamnese erhoben wird und je öfter Angehörige untersucht werden können, desto häufiger dürfte die Diagnose gestellt werden. Es verwundert daher nicht, dass die Angaben stark schwanken. So werden etwa bei in psychiatrischen Kliniken aufgenommenen Patienten Inzidenzraten zwischen 1,7% (Spradley 1937) und 2,6% (Scharfetter 1970) berichtet, die allerdings über unseren eigenen Erfahrungen liegen."



    Intermetamorphose.
    Kollmar, C. in (112-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.
        Beschreibung: "Die Intermetamorphose fällt diagnostisch in die Gruppe der wahnhaften Missidentifikationen. Zu den wahnhaften Missidentifikationen zählen das Capgras- und das Fregoli-Syndrom, das Syndrom des subjektiven Doppelgängers und die Intermetamorphose (Mattoni et al. 1999, Rentrop et al. 2002, Rodrigues u. Banzato 2006). Diesen Störungen ist gemeinsam, dass die betroffenen Personen ihre eigene Identität oder die Identität bekannter Personen negieren und von einer physischen und/oder psychischen Verwandlung überzeugt sind (Rentrop et al. 2002). Der Wahngedanke betrifft somit v. a. die Identifikation von Personen, aber auch die von Tieren."
        S. 112f: Epidemiologie: "Das Phänomen der Intermetamorphose kommt bei Patienten mit Schizophrenie, schizoaffektiven Störungen, bipolaren Störungen, organischen Störungen, Substanzabhängigkeit und demenziellen Syndromen vor (Fleminger u. Burs 1993, Silva et al. 1989). In der Literatur finden sich bisher nur Daten zur Häufigkeit von wahnhaften Missidentifikationen als Gesamtgruppe. Inzidenz- und Prävalenzraten speziell für das Krankheitsbild der Intermetamorphose gibt es bisher leider nicht (Arenz 2000). Klinische Untersuchungen konnten zeigen, dass wahnhafte Missidentifikationen bei genauer Diagnostik in der Praxis häufiger angetroffen werden als erwartet. In einer Studie von Kirov et al. aus dem Jahr 1994 fanden sich unter 195 Patienten, die aufgrund einer funktionellen Psychose stationär in Behandlung waren, acht Patienten mit einer voll ausgeprägten wahnhaften Missidentifikation. Dies entspricht einer Rate von 4,1%. Förstl et al. untersuchten im Jahr 1994 Patienten mit einer Alzheimer-Erkrankung. Bei 30% traten im Verlauf der Erkrankung wahnhafte Missidentifikationssymptome auf."



    Jerusalem-Syndrom [W]
    Wikipedia teilt mit (Abruf 9.3.11): "Die Erkrankung besitzt den Charakter einer Psychose und äußert sich unter anderem in Wahnvorstellungen: Der oder die Betroffene identifiziert sich vollständig mit einer heiligen Person aus dem Alten oder Neuen Testament und gibt sich als diese aus.
        Sehr prominente und wichtige biblische Personen werden dabei besonders häufig zum Objekt einer solchen Identifizierung, so zum Beispiel Mose und König David aus dem Alten Testament oder Jesus und Johannes der Täufer aus dem Neuen Testament. Grundsätzlich wählen Männer männliche Personen aus der Bibel und Frauen weibliche Personen. Auch gibt es konfessionelle Einflüsse bei der Wahl: Juden wählen Personen aus dem Alten Testament, Christen wählen Personen aus dem Neuen Testament.
        Die Identifizierung als biblische Person geht einher mit einer entsprechenden Selbstdarstellung und wird oft begleitet von öffentlichen Predigten oder Gebeten des Erkrankten. Auch legen diese häufig ihre Kleidung ab und hüllen sich statt dessen in weite Gewänder oder Bettlaken.
        Die Bezeichnung Jerusalem-Syndrom stammt vom israelischen Arzt Yair Bar El, der Anfang der 1980er Jahre als erstes dieses Krankheitsbild diagnostizierte und seitdem über 400 Betroffene in der psychiatrischen Klinik „Kfar Shaul“ behandelt hat. Grundsätzlich ist die Erkrankung nicht gefährlich und die Betroffenen sind in der Regel nach wenigen Tagen vollständig genesen. Allerdings zeigte die große Mehrzahl der erkrankten Personen bereits vor dem Jerusalem-Syndrom psychische Auffälligkeiten, so dass eine gewisse Disposition vorausgesetzt werden kann. Ein extremes Beispiel einer Tat, die wegen ihrer religiöser Motivation dem Jerusalem-Syndrom zugeordnet wurde, war jedoch der Brandanschlag auf die Al-Aqsa-Moschee durch den australischen Touristen Michael Rohan im Jahre 1969."
        Epidemiologie: Ca. 100 Besucher der Stadt Jerusalem pro Jahr.



    Körperdysmorpher Wahn
    Schmoll, D. Körperdysmorpher Wahn in (38-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff. S. 40f: Epidemiologie: "Die umfassendste Untersuchung zur Epidemiologie stammt von Rief et al. (2006). In der Allgemeinbevölkerung (n=2552) fanden sie die Kriterien der körperdysmorphen Störung bei 1,7% erfüllt. Die Störung war etwas häufiger bei Frauen (1,9%) als bei Männern (1,4%). Prävalenzraten in der Bevölkerung zwischen 1 und 2% wurden auch in früheren Studien angegeben. Bislang finden sich keine sicheren Hinweise für eine Zunahme der Häufigkeit, obwohl die Zahl der plastisch-kosmetischen Behandlungen (operativ und konservativ) in den USA von 2 Millionen im Jahr 1997 auf fast 8,3 Millionen im Jahr 2003 angestiegen ist (Phillips et al. 2005 a). Studien haben ergeben, dass zwischen 6 und 15% der Patienten, die vom Hautarzt oder plastischen Chirurgen gesehen werden, an einer körperdysmorphen Störung leiden. Viola Moser, Chefärztin des Zentrums für ästhetisch-plastische Chirurgie an unserer Klinik, schätzt den Anteil sogar noch höher, nämlich auf 20 bis 25% (pers. Mitteilung 2009). Unter stationären psychiatrischen Patienten fanden sich 13% mit dieser Störung. Die Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung scheint sich in den westlichen Nationen (USA, Italien, England) nicht wesentlich zu unterscheiden, für andere Kulturen gibt es bisher keine ausreichenden Daten (Phillips et al. 2005 a). Als eine Sonderform wurde das im asiatischen Raum auftretende sog. „Koro-Syndrom“ beschrieben. Es ist durch die ängstliche Überzeugung charakterisiert, dass der Penis sich in den Unterleib zurückzieht (Garlipp u. Machleidt 2003)."

    Konfabulieren. [W]

    • Abgrenzung: Pseudologia phantastica. Konfabulieren schließt Gedächtnislücken, Pseudologia erhöht sich.




    Kontaktmangelparanoid  > Sensorische Deprivation.
    Garlipp, P.; Haltenhof, H. in (125-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.
        Beschreibung: S. 126: "Janzarik nennt als Leitphänomen des Kontaktmangelparanoids die menschliche Isolierung ... Das Kontaktmangelparanoid existiert in den aktuellen deskriptiven und kriteriologischen Diagnoseklassifikationen sowohl der WHO als auch der amerikanischen psychiatrischen Vereinigung nicht mehr. Vielmehr geht die Diagnose in der ICD-10 entweder in der Rubrik „Schizophrenie“ oder „Anhaltende wahnhafte Störungen“ auf (Dilling et al. 1993, Riecher-Rössler 1997)."
        S. 127: Epidemiologie: "Das Kontaktmangelparanoid bleibt häufig unerkannt, da der Betroffene sein Erleben nicht mitteilt und es zumeist im häuslichen Rahmen auftritt."
       Kritik: Isolierung und Kontaktmangel muss kein Symptom sein. Misstrauen als Leitsymptom kann sowohl Ursache als auch Folge sozialer Isolierung und Kontaktmangel sein. So gesehen taugt der Begriff wenig und ist zu Recht aus den internationalen Diagnosesystemen verschwunden. Ungeachtet dessen kann Kontakt und die damit verbundene Kommunikation als wichtiges Heilmittel gegen psychische Störungen und auch Wahnbildungen angesehen werden.
        Lit. Janzarik, W. (1973) Über das Kontaktmangelparanoid des höheren Alters und den Syndromcharakter schizophrenen Krankseins. Nervenarzt 44:515–526
        Schulte, Thomas (1978). Das Kontaktmangelparanoid. Somatische, soziale und psychopathologische Aspekte eines paranoid-halluzinatorischen Syndroms in höherem Lebensalter. Dissertation MedFak JGU-Mainz.



    Korsakow-Syndrom.  > Alkoholinduzierter Wahn.


     

    • Youtoube. [404]
    • Google-Books: [1,]




    Liebeswahn.
    Gewöhnlich die wahnhaftze Überzeugung X, von Y geliebt zu werden oder mit Y Erfüllung und Glück in der Liebe zu finden. Ist es X nicht wichtig, ob Y überhaupt die Liebe erwidert, kommt eine soziopathische Komponente hinzu, die in kriminelles Stalking übergehen kann.
    Garlipp, P. in (79-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.
        S. 82: Epidemiologie: "Zunächst wurde davon ausgegangen, dass der Liebeswahn fast ausschließlich Frauen betreffe. Inzwischen wurden in Studien bis zu 20–25% männlicher Patienten berichtet (z. B. Kennedy et al. 2002). Die Häufigkeit des Auftretens eines Liebeswahns kann letztlich nicht festgelegt werden, da davon ausgegangen werden muss, dass nur ein Teil der Patienten in die psychiatrische Versorgung gelangt. Viele Patienten leben jahrelang mit einem unerkannten Liebeswahn, der möglicherweise nie oder erst durch die Folgen im Bereich juristisch-forensischer Konsequenzen bekannt wird. Immerhin stellten Meloy and Gotthard in ihrer Untersuchung 1995 einen Anteil von 10% an Stalkern fest, die an einem Liebeswahn litten. Möglicherweise findet aktuell der Liebeswahn indirekt durch die mediale Öffentlichkeit, die dem Thema des Stalking in den letzten Jahren gewidmet war und ist, mehr psychiatrische, aber auch forensische Beachtung, zumal Stalking seit kurzem in Deutschland einen Straftatbestand darstellt und die Möglichkeiten, Liebesobjekte zu belästigen, durch die modernen Kommunikationstechniken noch zahlreicher geworden sind."
            Auch: Schmidt, G. (1951). Liebeswahn. Fortschr. Neur. 18.



    Lykanthropie.
    Garlipp, P.; Dietrich, D. E.; Haltenhof, H. in (22-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff. S. 23: Epidemiologie: "Lykanthropie tritt meist als sekundäres Wahnphänomen bei anderen psychiatrischen Erkrankungen in Erscheinung. Im Vordergrund stehen dabei affektive (z. B. Keck et al. 1988) und schizophrene Psychosen (z. B. Garlipp et al. 2001), Demenz (Knoll 1986), selten  Persönlichkeitsstörungen (z. B. Keck et al. 1988) sowie substanzinduzierte (z. B. Surawicz u. Banta 1975) bzw. organische Erkrankungen (Kulick et al. 1990). Über die Häufigkeit ist nichts bekannt, allerdings ist davon auszugehen, dass die Lykanthropie als solche oft nicht erkannt wird bzw. nicht bekannt ist, da sie ein seltenes spezifisches Wahnphänomen darstellt. Es gibt Hinweise, dass insbesondere in vorindustriellen Gesellschaften (Coll et al. 1985) und bei Personen, die ländlich isoliert leben (Younis u. Moselhy 2009), die Lykanthropie auftritt."


    Martha-Mitchell-Effekt. > Psychiatrisierung.
    "Der Martha-Mitchell-Effekt: Wird einer Person absichtlich oder irrtümlich von Ärzten, Psychiatern, Justiz oder Politikern eine Geistesstörung (Wahn, Paranoia) zugeschrieben, um zutreffende Erkenntnisse, die diese Person an die Öffentlichkeit bringt, zu diskreditieren, dann spricht man in der Fachliteratur vom Martha-Mitchell-Effekt. Dr. Thomas Grüter schreibt hierzu: "Die Fehldeutung von Tatsachen als Wahnideen ist unter dem Namen »Martha-Mitchell-Effekt« bekannt. Martha Mitchell war die Frau des ehemaligen US-Justizministers John Mitchell. Im Oktober 1972 wurde er beschuldigt, den Einbruch in die Wahlkampfbüros der demokratischen Partei im Watergate Hotel in Washington D.C. beauftragt zu haben. Frau Mitchell informierte mehrfach die Presse darüber, dass ihr Mann nur als Sündenbock für den eigentlichen Drahtzieher herhalten sollte: Präsident Richard Nixon. Das Weiße Haus streute daraufhin falsche Informationen über ein angebliches Alkoholproblem der Ministergattin und unterstellte ihr Wahnideen. Als der Watergate-Skandal schließlich in seiner ganzen Tragweite bekannt wurde, erwiesen sich Martha Mitchells Aussagen als vollkommen korrekt und sie selbst als geistig gesund" (2004, S. 12). Der böse Schein, in der Fachzeitschrift Gehirn und Geist, Nr. 4/2004. Mollath ist kein Einzelfall! Dr. Reinhard Munzert " [Leserforum Sekundärquelle NN 9.12.12]



    Medikamenten induzierter Wahn.
    > Mefloquin induzierter Wahn.

    Block, Frank & Prüter, Christian (2006). Medikamentös induzierte neurologische und psychiatrische Störungen. Heidelberg: Springer.



    Minderwertigkeitswahn
    Typisch für depressiven Wahn mit dem Gefühl völlig Wertlosigkeit.
        Epidemiologie: ""



    Minuswahn  > Abwehr, Neutralisation, kognitive Dissonanzfilter * Blinder Fleck.
    Wahn wird von der traditionellen Psychopathologie als ein produktives oder Plus-Symptom angesehen. Alles, was ausgeblendet und nicht wahrgenommen genommen wird, kann aber nach dem Kriterium Falsches Modell auch als Wahn angesehen werden, wenn es mit rational unkorrigierbarer Gewissheit vertreten wird. Für diese Wahnform schlage ich die Wortschöpfung "Minuswahn" vor. Dazu gehört z.B. die Überzeugung eines Betrogenen, nicht betrogen worden zu sein oder zu werden, obwohl alle Welt um den Betroffenen herum weiß, dass der Partner fremd geht. In diesem Beispiel könnte man vom Gegenstück eines Eifersuchtswahns sprechen (ich werde betrogen, obwohl es nicht so ist bzw. ich erschließe es mit unüblichen Methoden, auch wenn es stimmt, z.B. der Partner badet seit einiger Zeit Dienstags). Der eine wähnt betrogen zu werden, obwohl er es nicht wird, der andere wird es und wähnt es gerade nicht.



    Misstrauen, misstrauisch.
    > Heilmittelmonographie vertrauen und misstrauen (glauben und zweifeln).

        Epidemiologie: ""



    Monoperceptose. [> Kritische Auseinandersetzung]
    Wahn der gesunden Terroristen. Vorschlag und Konstruktion de Boors (1978, 1997)

        Epidemiologie: ""


    Nihilistischer Wahn > s.a. Cotard-Syndrom. > Fallbeispiel.
    "Nihilistischer Wahn oder délire des négations (Cotard 1882) ist ins wahnhaft gesteigerter Nihilismus und letztendlich wahnhafte Nicht-Existenz. Der Kranke bestreitet sein Dasein oder die Existenz seiner Seele. Auf Gegenvorstellungen äußert er, allenfalls existiere er zum Schein, was er nicht näher erklären kann. Die „Existenz ohne Existenzgefühl" (v. Gebsattel 1928) ist als Extrem jener gefühlten Gefühllosigkeit und erlebten Leblosigkeit anzusehen, die das melancholische Erleben prägt. Sie kann sich auf einzelne Körperorgane beschränken, sich auf die Seele beziehen (vom Kranken dann meist im metaphysischen Sinne gemeint) oder auf Angehörige erstrecken. Wenn die Existenz lebender Angehöriger verneint wird, ist regelmäßig die Beziehung zur eigenen Kleinheit, Wertlosigkeit oder Nichtigkeit zu erkennen. Hinter der Äußerung einer melancholischen Frau, "ich habe keinen Sohn" steht die wahnhafte Überzeugung: Es ist unmöglich, daß ich ein Kind geboren habe.
        Nichtigkeitswahn ist die extreme Ausprägung des melancholischen Erlebens der Kleinheit. Es handelt sich um eine Erlebnisdimension mit unterschiedlichen Ausprägungsgraden: von dem Insuffizienzerleben des Melancholischen (leistungsunfähig, nicht therapierbar, finanziell ungesichert, beruflich unbedeutend) über das Schulderleben (für alles Negative verantwortlich, nicht mehr gut zu machen, verworfen) bis zur Verneinung der eigenen Existenz. "Ich bin ein Versager" (Kleinheitswahn), "Ich bin nichts wert" (Schuldwahn) und "Ich bin nicht" (nihilistischer Wahn) - diese Erlebnisweisen liegen nicht weit voneinander. Der Untergang des eigenen Menschseins ist die letzte Drohung, die auch dann noch gilt, wenn sonst alles wertlos geworden ist (Janzarik 1957a)."
        Quelle (S. 124): Tölle, R. & Werfelmeyer, Th. (1987).  Wahn bei Melancholie. In (124-139): Olbrich (1987, Hrsg.)



    Normaler Wahn  > Gesunder Wahn, rollenfunktioneller Wahn, positiver Wahn, wissenschaftlicher Wahn.
    > Norm, Wert, Abweichung (Deviation) - "Normal", "Anders", "Fehler", "Gestört", "Krank", "Verrückt".
    Am einfachsten lassen sich die unglaublichen Zustände unter den Menschen seit Jahrtausenden erklären, wenn wir annehmen, dass die überwiegende Anzahl der Regierenden und Herrschenden wahnsinnig, verbrecherisch oder beides waren und sind. In Demokratien, die allerdings meistens nur verbrämte Oligarchien sind, müssen dann u.U. die WählerInnen entsprechend beurteilt werden.

    Die paradoxe Hypothese eines "normalen" Wahns erklärt, wie auch aus Wahn "Normales" oder "Gesundes" wird: Es gibt - wie bei Verbrechen - mehrere Mechanismen, aus Wahn eine "Normalität" oder etwas "Gesundes" zu machen:
     

    1. Anerkennung des Wahns durch die soziale Bezugsgruppe als "normal" oder "gesund" (z.B. Religionen).
    2. Häufigkeit der Verbreitung, indem zum Beispiel die Mehrheit einen Wahn als Glauben annimmt (Massenwahn), zum Beispiel Religionen, Hexenwahn oder der chauvinistische Überlegenheitswahn der eigenen Gruppe, Rasse oder Nation, was Sie schon in der viel gepriesenen griechischen Hochkultur sehr ausgeprägt finden, selbst beim von mir sonst so hochgeschätzten Aristoteles, der Euripides Spruch aus Iphigenie zitiert und bestätigt.
    3. Erzwingen durch Ausübung von Macht, Gewalt, Herrschaft, z.B. Inquisition, Scharia, Staatsterrorismus verkleidet als "Recht" und "Ordnung".


    Der häufigste Fall für sog. "normalen Wahn" ist die Religion.
    Den radikalsten und konsequentesten Standpunkt in der Geistesgeschichte hinsichtlich des "normalen" Wahns habe ich bei Max Stirner in seiner Arbeit über den Sparren - aus Der Einzige und sein Eigentum - gefunden, der jeden Allgemeinbegriff (> Universale) für ein Wahngebilde hält.

        Epidemiologie: Christian Scharfetter (1976, S. 143) schreibt sehr sinnig: "Der Mensch ist grundsätzlich wahnfähig." Auch Spitzer (1989-2, S. 14) meint, dass "Wahn prinzipiell überall vorkommen kann". Die meisten Psychiater gehen aber davon aus, dass Wahn grundsätzlich aus krankhafter Ursache entsteht. Der von mir hypothetisch postulierte "normale Wahn" ist aber auch schon deshalb kaum untersucht, weil man die Idee gar nicht hatte oder schnell wieder verwarf.  Siehe bitte auch Epidemiologie, allgemeine unter Größenwahn.



    Organisch bedingter Wahn

    Das Auftreten von Wahn und anderen anderen psychischen Symptomen bei organischen Erkrankungen zeigen eindringlich, wie wichtig es für psychologische Psychotherapeuten sein kann,  das psychiatrisch-neurologische Konsil zu suchen.
     

    • Berner, P. &  Lesch, O. M. (1987) Systematik der Wahnerkrankungen unter besonderer Berücksichtigung organischer paranoider Syndrome. In (1-): Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.).
    • Minov, C.; Messer, T. & Schmauss, M. (2006). Organische Psychosen. In (407-420.): Block & Prüter (2006, Hrsg.)  Medikamentös induzierte neurologische und psychiatrische Störungen. Heidelberg: Springer.


    Fallbeispiele organische bedingte Wahnbildungen:

    • Organische Genese einer maniformen Psychose - Ein Fallbeispiel von progressiver Paralyse.




    Personenverkennung, wahnhafte. > Capgras-Syndrom. > Historisch-literarische Anmerkung zu "Lila".
        Epidemiologie: Huber & Gross (1977, 137-144) berichten über 86 Fälle (24,4%) aus der Bonner Schizophreniestudie.
    Historisch-literarische Anmerkung: Personenverkennung bzw. ein Capgras-Syndrom zeigt auch Goethes "Lila". Diener (1971, S. 229): "Sie schien mit sich selbst in Zweifel zu sein, ob ich auch ihre Schwester sei."  Und: "FRIEDRICH. Das ist eben das Gefährlichste ihrer Krankheit. Das gleiche ist mir mit ihr begegnet. Seitdem ihr die Phantasien den Kopf verrückt haben, traut sie niemanden, hält alle ihre Freunde und Liebsten, sogar ihren Mann für Schattenbilder und von den Geistern unterschobene Gestalten. Und wie will man sie von dem Wahren überzeugen, da ihr das Wahre als Gespenst verdächtig ist?"


    Politischer Wahn
    Robins & Post (2002)  führen in "Die Psychologie des Terrors" im Vorwort zur deutschen Ausgabe an: "Politischer Wahn ist keine seltene Form der Psychopathologie, vielmehr wohnt er dem menschlichen Wesen inne. Das Bedürfnis nach Feinden hat tiefsitzende biologische und sozialpsychologische Wurzeln. Von klein auf wird uns beigebracht, wen wir zu lieben und wen wir zu fürchten oder zu hassen haben. Weil die Neigung zum politischen Wahn derart tief in uns verwurzelt ist, konnten wir zeigen, wie sie in der Populärkultur, in der politischen Agitation und der politischen Macht, in der Literatur, der Religion, der Suche nach materieller Sicherheit und Wohlstand, aber auch im Innersten der von ihr Befallenen zum Ausdruck kommt. Alle diese Manifestationen des politischen Wahns gibt es auch heute noch, und es wird sie auch weiterhin geben, aber Form und Heftigkeit ihres Auftretens verändern sich mit den Zeitläuften. Als wir dieses Buch geschrieben haben, zeigte sich eine wahnhafte Auffassung von Politik besonders in der populären Kultur und in terroristischen Aktionen von Bürgern der Vereinigten Staaten gegen ihr eigenes Land. Fünf Jahre später hat die Bedrohung spürbar zugenommen. Sie findet nun ihren Ursprung außerhalb der Vereinigten Staaten und wird von religiösem Extremismus und kulturellem Haß genährt. Diese Aspekte des Themas sind vor allem in den Kapiteln »Das Bedürfnis nach Feinden«, in dem die Psychologie von haßerfüllten Massenbewegungen beschrieben wird, und »Töten im Namen Gottes« sowie in den verschiedenen Abschnitten des Buches zu finden, die sich mit dem Islam befassen."



    Positiver Wahn  > normaler Wahn, gesunder Wahn, rollenfunktioneller Wahn, wissenschaftlicher Wahn.
    Wahn kann auch (sehr) positiv erlebt werden und kann nicht nur von der WahnausbilderIn, sondern auch von Außenstehenden als wertvoll und lebensbereichernd angesehen werden. X, der sich von Y geliebt, gewertschätzt, beachtet  fühlt, obwohl das nicht so ist, kann dadurch ein positives Lebensgefühl erleben. X, der sich bestimmte Fähigkeiten oder auch Möglichkeiten zuspricht, obwohl er sie gar nicht hat, kann dadurch ein positives Lebensgefühl entfalten. Das gleiche gilt für abwesend gedachte Einschränkungen, Gefahren, Risiken. Positiver Wahn dürfte beim gesunden Wahn eine große Rolle spielen. Hypomaniforme Zustände euphorischen Typs (also solche, wo positive Hochgefühle das Lebensgefühl bestimmen), wie sie sich die Gesundheitsdefinition der WHO zu eigen macht, könnten als positiver, gesunder Wahn angesehen werden, wenn sie sich z.B. in Wirklichkeitsurteilen "Das Leben ist wunderbar" mit subjektiver Gewissheit und unkorrigierbar äußern. Das ist in vielen Verliebtheitszuständen der Fall, wenn ein Mensch verliebt ist und sich geliebt wähnt, also - in seinem Wirklichkeitserleben - sozusagen symmetrisch, glücklich verliebt ist. So gesehen kann glückliche Verliebtheit formal einen sehr angenehmen psychopathologischen Ausnahmenzustand bedeuten. Krankhafte Formen positiven Wahns können z.B. in Manien, beim Liebeswahn, in schizoaffektiven Glückpsychosen oder durch Rauschmittel hervorgerufen werden.
        Epidemiologie:



    Progredienz
    Fortschreitung, Ausdehnung, Ausweitung. Beispiel: Jemand klagt zunächst nur über einen Verfolger, dann werden es zwei, drei usw. In einem solchen Fall spricht man von Progredienz. Der Progredienzbegriff ist - wie so viele Begriffe in der Psychiatrie - nicht sehr präzise. Das ist nicht gut für die Begutachteten, nur für die Gutachter.
        Progredienz in der psychiatrischen Fachliteratur (Auswahl): Im Glossar des DSM-IV ist das Wort nicht eingetragen. Berger (1999, Hrsg.) Psychiatrie und Psychotherapie, haben "Progredienz" nicht im Sachregister. Es findet sich auch nicht im Wörterbuch der Psychiatrie von  Peters (1984) und ebenfalls nicht in Psychiatrische Begutachtung von Venzlaff & Foerster (2004, Hrsg.). Auch in der Wahn Monographie von Huber & Gross und bei Schanda Paranoide Psychosen gibt es keinen Sachgregistereintrag zu Progredienz oder progedient. Aber bei Schanda findet sich "progredient" im Text, in Tabelle 52, S.89. Von den 71 dort mitgeteilten Fällen, sind 10 progredient verlaufen, also nur rund 14%. Von 25 wurden vier geheilt und zwei verliefen als singuläre Episoden. Also fast 25%.


    Pseudologia phantastica > Zur Originalarbeit von Delbrück (1891).



    Psychiatrisierung als Disziplinierungsmittel des Staates und seiner Organe.  > Psychiatrisierungsfälle.
    > Martha-Mitchel-Effekt (Watergate 1972).


    Psychische Epidemien.

    Hole (1983, S. 516) führt aus: "Die Geschichte der psychischen Epidemien stellt ein eindrucksvolles Beispiel dafür dar, wie stark und wie rasch Zeitgeist und zeittypische Ideen unter dem Erlebnisdruck bestimmter Situationen mit den eigenen psychischen Tendenzen der dafür empfänglichen Individuen verschmelzen und eine enorme Eigendynamik entfalten können. Die bekannte »Verstärkerwirkung der Gruppe« (Battegay 31971, 31 f) als strukturierter und rollendifferenzierter Größe oder der »Masse« als unstrukturierter Bewegung gleichgeschalteter Emotionen läßt sich hierbei in besonders deutlicher Weise aufzeigen. Die ursprünglichen religiösen Ideen und Motive gehen mit Zunahme der Epidemie rasch eine Verbindung mit triebhaften und neurotischen Regungen ein und überwuchern diese unter dem Druck der entbundenen Emotionen oft völlig. So verstehen sich die - meist erst für den distanzierten historischen Betrachter richtig deutbaren - Exzesse masochistischer, sadistischer, sexueller, geltungs- oder machtsüchtiger Art, wobei es von sekundärer Bedeutung ist, ob diese Extremismen spontan-ekstatisch, ritualisiert oder institutionalisiert vorkommen. ..."


    Psychosen, Wahn bei Psychosen, psychotischer Wahn
    Psychosebegriff:
    Organische Psychosen
    Depressive Psychosen
    Schizophrene Psychosen
     
     
     



    Querulanz  > Querulatorische Persönlichkeitsstörung  > Querulantenwahn  > Differentialdiagnostische Probleme bei Querulanz
    Menschen, die kaum durch Argumente und Fakten beeindruckbar ihre Ziele hartnäckig verfolgen, auch wenn es nach Meinung vieler Außenstehender oder gar von ihren Anliegen Betroffene nicht (mehr) sinnvoll erscheint, werden von ihrer Umwelt als - mitunter sehr - lästig erlebt und daher als Querulanten benannt.
        Andrea Dinger (1991) führt in dem hervorragenden Werk Querulanz in Gericht und Verwaltung aus, S. 13: "In die Behandlung des Phänomens „Querulanz" sind gleichermaßen Juristen wie Psychiater involviert. Beide Personenkreise waren daher bestrebt, das Problem auch theoretisch zu bearbeiten. Während sich die psychiatrische Wissenschaft vor allem darum bemühte, das Phänomen „Querulanz" zu erklären und zu systematisieren, ging es der juristischen Wissenschaft stärker darum, wie der Umgang der Behörden mit querulierenden Rechtsuchenden vereinfacht werden könne.
        Wenn auch der Begriff seinen Ursprung im römischen Recht hat (Möllhoff 1990), so wurden in der Allgemeinen Gerichtsordnung für die Preußischen Staaten vom 6. 7. 1793 zum ersten Mal Querulanten definiert und Sanktionen gegen sie festgeschrieben:
        „Diejenigen Parteien, welche sich der vorgeschriebenen Ordnung nicht unterwerfen, sondern entweder Kollegia und deren Vorgesetzte mit offenbar grundlosen und widerrechtlichen Beschwerden gegen bessere Wissenschaft und Überzeugung belästigen; oder, nachdem sie ihres Unrechts gehörig bedeutet wurden, mit ihren Klagen dennoch fortfahren und durch wiederholtes ungeziemliches Supplizieren etwas, so gegen Recht und Ordnung ist, durchzusetzen und zu erzwingen suchen; oder die am Ende gar das Justizdepartement mit falschen und unrichtigen Darstellungen ihrer Angelegenheiten oder mit unwahren und erdichteten Beschuldigungen und Verunglimpfungen der Kollegien und Gerichte zu behelligen sich unterfangen, sollen als mutwillige oder boshafte Querulanten angesehen, ihnen der Prozeß gemacht und über ihre Bestrafung rechtserkannt werden« (zitiert nach Bublitz 1956, S. 138).
        Es erfolgte dann Ende des 19. Jahrhunderts und am Anfang des 20. Jahrhunderts eine heftige theoretische Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbegriff Querulanz."
        Im weiteren stellt Andrea Dinger wesentliche Persönlichkeitscharakteristika aus der Literatur zusammen (S. 15):
    "... Die folgende Beschreibung gibt das Stereotyp des Querulanten wieder, wie es sich in der Literatur darstellt:
        Ein wesentliches Merkmal des Querulanten sei sein übersteigerter Gerechtigkeitssinn (Schulte/Tölle 1979). Von der Heydt (1956) spricht von „anomalem Rechtsgefühl", da nur die Ich-bezügliche, nicht die Wir-bezügliche Seite des Rechtsempfindens entwickelt sei. In engem Zusammenhang damit stehe eine starke Geltungsbedürftigkeit oder Ichsucht (Bostroem 1940, Kraepelin 1893, Langelüddeke/Bresser 1976). Es fehle den Querulanten an „Opferwillen" und „Entsagungsfähigkeit" (von der Heydt 1956), dabei würden die Belange anderer ignoriert (Bleuler 1975, Schulte/Tölle 1979).
        Auffällig sei auch die große Aggressivität und „Kampfeslust", mit der Querulanten vorgingen (Bostroem 1940, Raecke1926). Dies zeige sich in der oft verletzenden und beleidigenden Ausdrucksweise in Schriftsätzen (Aschwanden 1978). Der Querulant verfüge über eine hyperthyme Persönlichkeitsstruktur (Langelüddeke/Bresser 1976), eine „Steigerung der gemütlichen Erregbarkeit" (Kraepelin 1893), die ihm die „gewaltigen Triebkräfte" verleihe (von der Heydt 1956).
        Hinzu komme die Hartnäckigkeit und Ausdauer, die der Justiz schwer zu schaffen mache und sich vor allem in der „Graphomanie", d. h. der Häufigkeit der vorgebrachten Schriftsätze, äußere (Bostroem 1940, Dietrich 1973, Wernicke 1897). Der Querulant sei uneinsichtig, unbelehrbar und rechthaberisch (Kraepelin 1893, Schneeberger 1973, Schulte/Tölle 1979).
        Oft werde das Querulieren zum Lebensinhalt (Langelüddeke/Bresser 1976), die angewandten Mittel stünden in keinem Verhältnis mehr zum angestrebten Ziel (Schneeberger 1973), alles - Beruf, Familie, Vermögen - werde der fanatischen Rechtsuche geopfert (Kraepelin 1893). Erwähnt wird aber auch, daß Querulanten in anderen Lebensbereichen als dem rechtlichen Gebiet durchaus unauffällig sein könnten (Wyrsch 1946).
        Neben dem „sthenischen" Element bestehe eine „asthenische" Verletzbarkeit (Schneeberger 1973, Wyrsch 1946). Querulanten reagierten empfindlich auf vermutete oder tatsächlich erfolgte Angriffe auf ihre Person (Aschwanden 1978, Schulte/Tölle 1979, Wyrsch 1946). Sie seien mißtrauisch und fühlten sich von Feindseligkeiten umgeben (Bleuler 1975, Dietrich 1973, Raecke 1926, Wernicke 1897).
        In vielen Fällen wird ihnen hohe Intelligenz bescheinigt (Bostroem 1940, Schneeberger 1973, Wyrsch 1946), ihnen fehle aber „der Blick auf das Ganze" (Aschwanden 1978). Hinzu komme ein „Minus an psychologischem Verstand", d. h. der „Überblick über das soziologische Ineinandergreifen allen Einzelgeschehens" gehe ihnen verloren (von der Heydt 1956).
        Gute juristische Kenntnisse seien oft vorhanden (Bostroem 1940, von der Heydt 1956, Kraepelin 1893). Querulanten legten die Gesetze aber meistens einseitig und zu ihren Gunsten aus (Bleuler 1975). Auch träten häufig Erinnerungstäuschungen auf (Aschwanden 1978, Kraepelin 1893, Raecke 1926, Wyrsch 1946).
        Meyer (1963) analysiert das Sozialverhalten der Querulanten: Der Queru-[>16]lant sei ein Einzelgänger; ..."

    Differentialdiagnostische Probleme bei Querulanz
    Die (forensische) Psychiatrie ist bislang weitgehend unfähig, ihre Begriffe operational nachvollziehbar und prüfbar zu definieren. Deshalb sind die Diagnosen sehr oft unsicher und damit nicht vertretbar, Menschen über Jahre oder Jahrzehnte in der Forensik verschwinden zu lassen, bis sie womöglich nicht mehr selbständig lebensfähig sind. Die extreme Inkompetenz, die sich bei Persönlichkeitsstörungen in der forensischen Psychiatrie oft zeigt, hat natürlich auch damit zu tun, dass forensische Psychiater oft keinerlei psychologische Grundausbildung haben, so auch  besonders nicht im dafür so wichtigen Fach Differentitelle und Persönlichkeitspsychologie, wie auch in Entwicklungs-, Sozialpsychologie, Exploration, Wissenschaftliche Methodik und Testdiagnostik.



    Querulatorische Persönlichkeitsstörung  > Querulanz  > Querulantenwahn. > Differentialdiagnostische Probleme bei Querulanz

    Eine solche ist im ICD-10 nicht eigens vorgesehen, sie wird aber unter F60.0 Paranoide Persönlichkeitsstörung subsummiert. Hierzu müssen dann zunächst die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllt sein (was die meisten forensischen PsychiaterInnen gewöhnlich souverän ignorieren):
     

    ICD-10 Kriterien für die Diagnose querulatorische Persönlichkeitsstörung 

    Die Methode der Persönlichkeitsstörungsdiagnostik nach dem ICD-10 verlangt für die Diagnose einer querulatorischen Persönlichkeitsstörung: 

    1. Prüfen ob a l l e  6  allgemeinen Kriterien  erfüllt sind
    2. Falls 1 erfüllt ist: Prüfen, ob die Mindestanzahl ((cut off = n aus max) der spezifischen Kriterien für eine paranoide Persönlichkeitsstörung erfüllt sind.
    Allgemeine Kriterien für Persönlichkeitsstörungen im ICD-10  (S. 234f):

    "F60 spezifische Persönlichkeitsstörungen
    Persönlichkeitsstörungen sind schwere Störungen der Persönlichkeit und des Verhaltens der betroffenen Person, die nicht direkt auf eine Hirnschädigung oder -krankheit oder auf eine andere psychiatrische Störung zurückzuführen sind. Sie erfassen verschiedene Persönlichkeitsbereiche und gehen beinahe immer mit ausgeprägten persönlichen Leiden und sozialen Beeinträchtigungen einher. Persönlichkeitsstörungen treten meist in der Kindheit oder in der Adoleszenz in Erscheinung und bestehen während des Erwachsenenalters weiter.

    Diagnostische Kriterien
    Gl. Die charakteristischen und dauerhaften inneren Erfahrungs- und Verhaltensmuster der Betroffenen weichen insgesamt deutlich von kulturell erwarteten und akzeptierten Vorgaben («Normen») ab. Diese Abweichung äußert sich in mehr als einem der folgenden Bereiche:

    1. Kognition (d.h. Wahrnehmung und Interpretation von Dingen, Menschen und Ereignissen; entscheidende Einstellungen und Vorstellungen von sich und anderen);
    2. Affektivität (Variationsbreite, Intensität und Angemessenheit der emotionalen Ansprechbarkeit und Reaktion);
    3. Impulskontrolle und Bedürfnisbefriedigung;
    4. Die Art des Umganges mit anderen Menschen und die Handhabung zwischenmenschlicher Beziehungen. 
    G2. Die Abweichung ist so ausgeprägt, dass das daraus resultierende Verhalten in vielen persönlichen und sozialen Situationen unflexibel, unangepasst oder auch auf andere Weise unzweckmäßig ist (nicht begrenzt auf einen speziellen auslösenden Stimulus oder eine bestimmte Situation).

    G3. Persönlicher Leidensdruck, nachteiliger Einfluss auf die soziale Umwelt oder beides sind dem unter G2. beschriebenen Verhalten zuzuschreiben.

    G4. Nachweis, dass die Abweichung stabil, von langer Dauer ist und im späten Kindesalter oder der Adoleszenz  begonnen hat. [RS Anmerkung: Eine Persönlichkeitsstörung muss im Gegensatz zu Neurosen, Psychosen oder Anpassungsstörungen sich wie ein roter Faden durchgängig und ständig seit der Adoleszenz  durch den Lebensverlauf ziehen.]

    G5. Die Abweichung kann nicht durch das Vorliegen oder die Folge einer anderen psychischen Störung des Erwachsenenalters erklärt werden. Es können aber episodische oder chronische Zustandsbilder der Kapitel F5 und F7 neben dieser Störung existieren oder sie überlagern.

    G6. Eine organische Erkrankung, Verletzung oder deutliche Funktionsstörung des Gehirns müssen als mögliche Ursache für die Abweichung ausgeschlossen werden (falls eine solche Verursachung nachweisbar ist, soll die Kategorie F07 verwendet werden)."

    Spezifische Kriterien für die paranoide Persönlichkeitstörung im ICD-10 F60.0  (S. 237)

    A. Die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen erfüllt sein.

    B. Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen:

    1. übertriebene Empfindlichkeit auf Rückschläge und Zurücksetzungen;
    2. Neigung, dauerhaft Groll zu hegen, d.h. Beleidigungen, Verletzungen, oder Missachtungen werden nicht vergeben;
    3. Misstrauen und eine anhaltende Tendenz, Erlebtes zu verdrehen, indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich missdeutet werden;
    4. streitsüchtiges und beharrliches, situationsunangemessenes Bestehen auf eigenen Rechten;
    5. häufiges ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der sexuellen Treue des Ehe- oder Sexualpartners;
    6. ständige Selbstbezogenheit, besonders in Verbindung mit starker Überheblichkeit;
    7. häufige Beschäftigung mit unbegründeten Gedanken an «Verschwörungen» als Erklärungen für Ereignisse in der näheren Umgebung des Patienten oder der Welt im Allgemeinen.
    __
    Lit: Dilling, H.;  Mombour, W.; Schmidt, M. H. & Schulte-Markwort, E. (dt. 1991, engl. 1991). Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V (F) Klinisch-Diagnostische Leitlinien. Bern: Huber.
    __
    Man beachte für die §§ 20, 21, 63 StGB
    Selbst wenn eine querulatorische Persönlichkeitsstörung diagnostiziert werden kann, ist damit längst noch nicht gezeigt, dass das Eingangsmerkmal einer schweren anderen seelischen Abartigkeit (SASA) , hier dann querulatorische Persönlichkeitsstörung, in einer Kausalbeziehung zu den Straftaten steht.



    Querulantenwahn > Querulanz  > Querulatorische Persönlichkeitsstörung  > Pseudoquerulanten (Kreaplin) > Differentialdiagnostische Probleme bei Querulanz

    Epidemiologie: "Ein echter Querulantenwahn ist selten (Astrup 1984, Dietrich 1972). Es gibt allerdings kaum epidemiologische oder statistische Daten zu querulatorischem Verhalten. Unter 21 000 Einweisungen in die Psychiatrische Klinik der Universität Iowa fanden sich fünf Patienten mit einem Querulantenwahn. Von 3441 Aufnahmen in die Psychiatrische Universitätsklinik Oslo wurde nur bei zwei Patienten (0,6%) die Diagnose Querulantenwahn gestellt (Marneros 2007, Retterstøl 1966, Winokur 1977). Ein Großteil des Wissens über Querulanten beruht auf Fallbeschreibungen."
    Quelle: Dietrich, D. E.; Claaßen, B., S.  135, in (S. 132 -): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.

    Henning Saß (2010) führt in seiner Arbeit Der Exzess einer Tugend. Querulanz zwischen Persönlichkeit, Strukturverformung und Wahn S. 223f ein (Kennzeichnung fett-kursiv RS):

      "In der Querulanz finden wir die krankhafte Steigerung einer Tugend, des Rechtsgefühls, das in Bezug auf die eigene Person außerordentlich leicht verletzbar ist, jedoch gegen das Empfinden anderer hartnäckig und ohne Rücksicht durchgesetzt wird [11]. Querulanten sind misstrauische, kränkbare, nörgelsüchtige, sensible Menschen, die sich jedem vernünftigen Vorschlag widersetzen, sich ständig über unrechtmäßiges Verhalten anderer beklagen, sich leicht erregen und mit den gegebenen Verhältnissen unzufrieden sind. Dies kann sich zum Querulantenwahn, also der unkorrigierbaren Überzeugung, in böswilliger Weise fortwährend Rechtskränkungen zu erleiden, steigern. In der Regel erfolgt dies in einer paranoiden Entwicklung aus einem hyperthymen, kampflustigen, starrköpfigen, dabei sensitiven Charakter heraus, beginnend mit einer wirklichen oder vermuteten Rechtskränkung, wodurch es zu einem erbitterten, oft viele Jahre lang fortgesetzten Kampf um das vermeintliche Recht und zum endlosen Prozessieren kommen kann, bis die Mittel erschöpft sind. Eine besonders ausgeprägte Form ist der Kampfparanoiker, der durch ein subjektiv empörendes Erlebnis in seinem Rechtsgefühl gekränkt ist und in einer paranoischen, fanatischen Weise um sein Recht kämpft." Und er verweist sogleich auf  Michael Kohlhaas.
    S. 228 charaktersiert Saß den Wahn durch vier Kriterien, die viele Fragen aufwerfen:
      "Die Diagnose der wahnhaften Störung bzw. des Querulantenwahns steht und fällt mit der Frage, ob und in welchem Ausmaß bei dem Probanden vom Vorliegen der psychopathologischen Kriterien eines Wahns gesprochen werden kann. Nach klassischer psychiatrischer Lehre wird der voll ausgeprägte Wahn durch folgende 4 phänomenologische Kriterien bestimmt [5]:
      1. Die wahnhafte Überzeugung wird mit absoluter subjektiver Gewissheit erlebt.
      2. Sie ist durch Erfahrung und durch zwingende Schlüsse unbeeinflussbar.
      3. Die Überzeugung ist absolut unkorrigierbar.
      4. Der Wahn entsteht aus krankhafter Ursache bei der betreffenden Person und wird von der soziokulturellen Umgebung nicht geteilt."
      [11] Peters UH (2007) Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, Medizinische Psychologie, 6. Aufl. Fischer, München
      [5] Jaspers K (1973) Allgemeine Psychopathologie, 9. Aufl. Springer, Berlin (Erstveröff. 1913)


    Kritische Anmerkung: Die Berufung auf Jaspers  ist falsch und unwissenschaftlich zitiert, weil die Seitenangabe fehlt. Jaspers definiert - seinerseits unzulänglich - als Wahnkriterien, von denen sich das dritte völlig überlebt hat.

    1. (Subjektive) Gewissheit
    2. Unkorrigierbarkeit (Erfahrung, Logik)
    3. Inhaltliche Unmöglichkeit .
    Nachdem die meisten Wahnerkrankungen vergehen, viele ausheilen, ist es überdies Unsinn von "absolut" zu sprechen.

        Lit: Baeyer, Walter von (1967) * Dinger-Broda, Andrea;  Koch, Uwe; Stein, Barbara & Zier, Johanna (1992) *  Saß, Henning (2010) * Steinbach, Matthias & Ploenus, Michael (2008, Hrsg.).



    Pseudoquerulanten  (Kraepelin 1904: Querulanz ohne Wahn)
    Historisch ist wichtig, dass bereits Kraepelin (1904) in seiner Psychiatrie Bd. II, S. 836-841, klar zwischen echtem Querulantenwahn und Pseudoquerulanten (Querulanten ohne Wahn) trennt. Er hält die beiden Krankheitsbilder für grundverschieden. Kraepelin schreibt abschließend, S. 840f:
      "Durch die steten Kämpfe werden die Kranken regelmässig; sehr mitgenommen; sie führen dieselben auf die Dauer keineswegs mit der grimmigen Befriedigung, welche dem Querulanten die Erfüllung seiner wahnhaften Lebensaufgabe gewährt. Vielmehr sind sie bisweilen sehr unglücklich über die ewigen Reibereien, möchten in Ruhe leben, ohne doch bei ihrer unglücklichen Gemütsart den richtigen Weg dazu finden zu können. Hie und da kann die Beseitigung des hauptsächlichsten Zündstoffes durch irgend eine Änderung der Lebensverhältnisse merkliche Beruhigung bringen, wenn nicht ein anderer Anlass neue Streitigkeit heraufführt. Erst mit dem Alter werden die Kranken stumpf und gleichgültiger, auf der anderen Seite freilich oft auch halstarriger. Dass die Pseudoquerulanten späterhin zu echten Que[>841]rulanten geworden seien, habe ich niemals gesehen; ich halte beide Krankheitsbilder trotz ihrer äusserlichen Übereinstimmung für grundverschieden. Hier handelt es sieh um eine Form der persönlichen Veranlagung, die von Jugend auf besteht und im wesentlichen unveränderlich andauert. Dort dagegen haben wir es mit einem Krankheitsvorgange zu tun, der zu bestimmter Zeit beginnt und seinen gesetzmässigen Verlauf nimmt. Mir ist jedoch ein Fall bekannt, in welchem anscheinend die Frau, die allerdings jede persönliche Untersuchung hartnäckig ablehnte, echte Querulantin war, während der ganz unter ihrem Einflusse stehende Mann vollkommen die Züge des hier gezeichneten Krankheitsbildes erkennen liess. Nach der Gesundheitsbreite zu gehen die psychopathischen Pseudoquerulanten ganz allmählich in die alltäglichen Erscheinungen reizbarer, streitsüchtiger und rechthaberischer Menschen über.
          Die Behandlung der Pseudoquerulanten bietet aus naheliegenden Gründen wenig Anhaltspunkte. Ein vorübergehender Anstaltsaufenthalt, die Versetzung in eine neue, von der früheren Zwietracht unberührte Umgebung kann sehr beruhigend wirken, ebenso die Beseitigung bestimmter Steine des Anstosses, friedliche Vermittlung durch Vertrauensmänner. Dauernde Entziehung der Freiheit vertragen die Kranken dagegen sehr schlecht."



    Religion als Wahn.     > Theologischer Wahn > Beispiele für katholisch-theologische Wahnideen. > Die Wandlung als Wahnsystem.
     > Auserwähltsyndrom und Fundamentalismus.
    Religion ist die zweieiige Zwillingsschwester des Wahns, nämlich genau dann, wenn die religiösen Inhalte mit subjektiver Gewissheit und unkorrigierbar vertreten werden. Prototyp: Katholische Glaubenslehre.
        Epidemiologie: ""


    Religiösenwahn  > Religion als Wahn > Theologischer Wahn. > Auserwähltsyndrom und Fundamentalismus.
    Tölle (2008, S. 206): „Die häufigsten Inhalte des religiösen Wahns sind die Überzeugung, mit Gott in direkter Kommunikation zu stehen, ein neuer Jesus zu sein, der die Welt erlöst, oder Maria usw.“
        Kurt Schneider, berühmt durch seine Schizophreniekriterien 1. und 2. Ordnung neben seiner Psychopathenlehre, schreibt in Zur Einführung in die Religionspsychopathologie (1928): „Ein Glaube, dessen einziges Kriterium die subjektive Gewißheit ist, ist  psychologisch von der überwertigen Idee und auch vom Wahn grundsätzlich nicht zu unterscheiden.“ Was steckt nun hinter dem Wahn? Eine Erklärung wird bereits 1818 von Heinroth gegeben. [Zitatfundstelle: In Fußnote 16, S. 59 zu S. 50, bei Schneider gesperrt hier kursiv]
     
     
    Den engen Zusammenhang zwischen Religion, Wahn und Verbrechen sah der aufgeklärte Karl Wilhelm Ideler schon 1838, wenn er S. 461 in seinem 2. Band Grundriss der Seelenheilkunde klar und unzweideutig ausführt: "Der schlechteste Spitzbube erwarb sich Ansehen durch ein Mönchskleid, und den größten Verbrecher verehrte man als einen Heiligen, sobald er die Kaputze aufsetzte."

    Karl Wilhelm Ideler (1795-1860)
    Bildquelle Wikipedia

        Epidemiologie: ""



    Rollenfunktioneller Wahn. > normaler Wahn, gesunder Wahn, positiver Wahn, wissenschaftlicher Wahn.
    Ein Wahn, der im Zusammenhang mit der Einnahme einer sozialen Rolle (z.B. politische Funktion erhalten), entstehen kann und an diese auch gebunden ist. Wird die soziale Rolle aufgegeben, verschwindet auch der rollenfunktionelle Wahn. Prototyp "Schuldentollwut": Wahnhafte Bereitschaft, öffentliche Haushalte stets und immer weiter zu verschulden. Im privaten Leben würden die meisten Regierenden, Bürgermeister, Kämmerer, Abgeordneten, Stadt- und Gemeinderäte für geschäftsunfähig in Vermögensfragen erklärt werden und eine Betreuung erhalten.


    Salonblödsinn  > Verhältnisblödsinn. > Hochstapler.
    Fragwürdige und wenig präzise Begriffschöpfung: Peters hierzu in seinem Wörterbuch: "Salonblödsinn (m). (A. Hoche). Ein im Verhältnis zum äußeren Habitus, gesellschaftlicher Stellung, gewählter Kleidung und zu den geistigen Ansprüchen zu niedriges Intelligenzniveau. Zeigt sich besonders in wortgewandt-eingelernten Unterhaltungen, in denen jedoch Kritik- und Urteilsschwäche nur mangelhaft verborgen werden. Fand sich häufig in den literarischen Salons des 19. Jahrhunderts. Auch in der Literatur häufig dargestellt (z. H. Ibsens »Baumeister Solneß«), selbst im Volkswitz bekannt (»Graf Bobby«). Die Bez. wird gewöhnlich von - Verhältnisschwachsinn nicht scharf getrennt."
        Anmerkung: Ungeachtet dessen, daß A. Hoche - zusammen mit Karl Binding (1920) - zu den geistigen Wegbereitern der nationalsozialistischen "Euthanasie" gehörte - die keine echte Euthanasie im Sinne von guter Tod war, sondern Mord - , hat diese Beschreibung etwas für sich. Der intellektuelle Dandy, dem vor allem am Schein, am Beeindrucken und gut Dastehen gelegen ist, ist auch keineswegs auf die intellektuellen Snobs im 19. Jahrhundert und ihre Salons beschränkt. Wie wir inzwischen wissen, entspricht dem auch ziemlich gut der smarte Dumpfbacken- New- Economy- Typ der Gegenwart, denn in den modernen Mediokratien kommt es nahezu ausschließlich auf die Wirkung an. Der mediokratische Slogan lautet: Du bist nur, was Du scheinst.



    Schuldwahn

        Epidemiologie: ""



    Schwangerschafts- und Mutterschaftswahn
    Huber & Gross (1977, S. 76).
        Epidemiologie: ""



    Selbstüberschätzung  (selbsterklärend) > Größenidee, > Salonblödsinn, > Verhältnisblödsinn.



    Sensorische Deprivation.
        Vorbemerkung: Im Unterschied zum Wahn bei sensorischer Beeinträchtigung geht es bei sensorischer Deprivation (Reizarmut von außen, z.B. Wüste, Folter, Isolationshaft). Man entbehrt das normale "Hintergrundrauschen" üblicher Wahrnehmung.



    Simulierter Wahn.
    Hier gibt es mehrere Paradigmen (Grundmuster) und Motive.
    1. Wichtig tun, Interesse erregen.
    2. Zuwendung und Aufmerksamkeit von Heilkundigen suchen (> Münchhausen-Syndrom).
    3. Mildernde Umstände für Fehlverhalten oder Straftaten bewirken wollen (teilweise oder vollständige Schuldunfähigkeit) oder im zivilen Bereich Anstreben von Geschäftsunfähigkeit, um finanziellen Verpflichtungen zu entgehen..
    4. Autosuggestion.
    5. Suggestive Beeinflussung von außen.
    6. Andere, hier nicht erfasste Motive für simulierten Wahn (z.B. Undercover-Arbeit in der Psychiatrie).




    Sozialer Wahn > Psychische Epidemien.
    Steinbacher (1968, S. 627) nennt zwei Bedingungen für den sozialen Wahn:
        "1. Wenn das soziale Leitbild generell in Widerspruch steht zur primären Realität des Menschen und seiner Gesellung.
         2. Wenn das Leitbildhafte den gravierenden und auffälligen Tendenzen der sekundären sozialen Wirklichkeit entgegensteht."
        Hierzu führt er beispielhaft aus: "Zu 1. Als exemplarisch für soziale Wahnvorstellungen können etwa die Pestprozessionen oder die Kinderkreuzzüge des Mittelalters angesehen werden, erstere geschahen unter der Vorstellung, daß die Pestepidemien ausschließlich als Gottesstrafen aufzufassen seien. Zur „Wiedergutmachung" aber war nichts weniger geeignet als Versammlungen, auch wenn ihr Zweck ausschließlich religiösen Charakter trug: Jene gefürchtete Seuche wurde durch das Leitbildhafte nicht selten zur schrecklichen Konsequenz. Das religiöse Leitbild stand hier in einem offensichtlichen Gegensatz zum Anliegen einer primären Daseinsbewältigung: Die Büß- und Bittprozessionen, welche die Gottesgeißel abwenden sollten, trugen nämlich wesentlich zur Krankheitsübertragung bei   und machten das Unheil nur noch schlimmer.
        Ähnlich verhielt es sich mit den mittelalterlichen Kinderkreuzzügen, die von einem Leitbild angeregt waren, in welchem die aggressiven Strebensrichtungen des Rittertums - verbrämt durch quasi-christliche Ideale - gegebenenfalls auf ihre Kosten zu kommen vermochten. Jenes dubiose Leitbild mußte aber unweigerlich zur absoluten Katastrophe führen, wenn es das frühe Jugendalter zu Schlußfolgerungen antrieb. Daß es sich in jenem Fall um sozialen Wahn gehandelt hat, dürfte nicht allein daraus zu ersehen sein, daß diese geschichtliche Bewegung radikal gescheitert ist, sondern auch, daß sie von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Jenes Leitbild stand in einem offensichtlichen Gegensatz zur primären Realität des Menschen; es widersprach nämlich dem Anliegen der Daseinserhaltung. Die Beteiligten jener Kinderkreuzzüge landeten - soweit sie überhaupt mit dem Leben davonkamen in der Sklaverei. ...
    Zu 2. ... Die großen geschichtlichen Bewegungen sind immer von Leitideen getragen; und diese entsprachen bisher durchaus nicht immer - im Sinne MAX WEBERS - „zweckrationalen" Anliegen des gesellschaftlichen Lebens, sondern mindestens genauso oft „wertrationalen" Einstellungen [FN20]. Es ist keineswegs das Typische von sozialen Wahnvorstellungen, daß es ihnen an „Zweckrationalität" mangelt oder daß sie eine noch nicht bzw. nicht mehr vorhandene Wirklichkeit voraussetzen, sondern daß sie untauglich sind, dem Selbstbehauptungsanspruch einer Sozietät zum Zuge zu verhelfen. Wo und wann immer das soziale Leitbild eine Tendenz erkennen laßt, die der Auswegslosigkeit und der Katastrophe zustrebt, handelt es sich im medizinanalogen Sinne um sozialen Wahn. ..."



    Sterbewahn

        Epidemiologie: ""



    Stoff induzierter Wahn.
    Durch Aufnahme von Stoffen, Alkohol, Drogen, Gifte, Medikamente, Umweltgifte, "Wahnallergene".


    Strafwahn
    Tölle, R. & Werfelmeyer, Th. (1987). Strafwahn. Zwei Beispiele. In (129f): Wahn bei Melancholie. In (128-139): Olbrich (1987, Hrsg.)


    Subjektive Gewissheit  > Unkorrigierbarkeit.
    Wir sind uns vieler alltäglicher, oft banal erscheinender Sachverhalte gewiss, z.B. dass ich jetzt da sitze und diese Worte schreibe, dass der Bildschirm vor mir ist und die Tastatur. Gewissheit ist nichts wahnspezifisches, sondern etwas ganz Alltägliches. Ähnlich ist es mit dem Wissen: die Erde ist rund, an den Polen ist sie abgeplattet, also doch nicht rund, nicht ganz rund?), sie dreht sich um die Sonne, es scheint aber, als ob die Sonne sich um die Erde drehte; 2+2 = 4, Ein Bleistift dient zum Schreiben, man kann damit aber auch Möbel zerkratzen; das ist ein Tür, na, vielleicht doch nicht, da sie sich nicht öffenen lässt: ist sie nur verschlossen oder handelt es sich um eine Türattrappe? Entscheidet sich ein Mensch, dass die Tür eine Atrappe ist, weil sie ihm gerade zugeblinzelt hat, so könnte man von einer wahnhaften Wahrnehmungsillusion sprechen, da Türen und ihre Atrappen nicht blinzeln.
     
    Das Besondere an der Wahngewissheit ist also das mit Gewissheit vertretene falsche Modell oder der falsche Erkenntnisweg. 

    [Quellen: Berner (1965). Paranoisches Syndrom. Sachregistereinträge: Gewißheit, subjektive 4, 6, 11, 19, 21, 22, 23, 29, 34, 35, 38, 42, 45, 46, 47, 55, 63, 65, 66, 94, 144. Gewißheitsgefühl 6, 21, 22, 39, 77.]


    Theologischer Wahn  > Religion als Wahn  > Religösenwahn. > Auserwähltsyndrom ...
    Wird unabhängig von Logik und Erfahrung unkorrigierbar mit Gewißheit daran festgehalten, dass es Gott. Teufel, Engel, Paradies, Hölle, Auferstehung, ... wirklich gibt, liegt Wahn vor.
        So gesehen sind in Universitäten integrierte theologische Fakultäten ein Widerspruch in sich selbst: nämlich wissenschaftlich nicht nur geduldete, sondern sogar noch akzeptierte und geförderte Wahnsysteme, was mit dem Grundverständnis von Wissenschaft unvereinbar ist. Theologische Fakultäten sollten also aus den öffentlich-rechtlichen Universitäten herausgenommen und als kirchliche Privatinstitute geführt werden. Das entspräche auch der Aufklärungsidee und dem Gebot der Trennung von Staat und Kirche.
        > Beispiele für katholisch-theologische Wahnideen. > Die Wandlung als Wahnsystem.



    Überstieg.
    Wichtige und grundlegende Fähigkeit des Denkens und der Haltung, das Bezugssystem zu wechseln. Reinhart Lempp hat auf die Überstiegsfähigkeit, Perspektivenwechsel und damit der kognitiven Voraussetzung für Empathie, eine interessante Schizophrenietheorie aufgebaut. Hieraus die Zusammenfassung.

    "Zusammenfassung
    Der für das Leben in einer menschlichen Gemeinschaft und für eine ungestörte Kontaktfähigkeit unabdingbare gemeinsame Realitätsbezug wird von jedem Kind im Laufe seiner ersten Lebensjahre aus den kognitiven und emotionalen Erfahrungen, die es von der Umwelt erfährt, aufnimmt und verarbeitet, aufgebaut. Daneben behält es eine Nebenrealität, eine ganz individuelle Beziehung zu seiner Umwelt, die es mit niemandem anderen teilen kann, die es aber entsprechend den eigenen Wünschen und Bedürfnissen unabhängig von der das Kind umgebenden Wirklichkeit verändern kann. Allmählich gewinnt die gemeinsame Realität eine Dominanz. Nur sie wird von den anderen Menschen anerkannt.
       Der Aufbau dieser gemeinsamen Realität kann im wesentlichen durch zwei Faktoren gestört oder behindert werden: Durch eine Störung, Behinderung oder Schwäche in der kognitiven Erfassung der Umwelt, d. h. durch sogenannte Teilleistungsstörungen oder Teilleistungsschwächen. Diese kann erblich sein, sie kann aber auch durch frühkindliche hirnorganische Schäden leichterer Art entstehen. Es kommt dadurch zu einer geringfügigen, aber konsequenten Veränderung der subjektiven Erlebnisweise der Umwelt. Jede kognitive Erfahrung verbindet sich aber auch mit einer emotionalen, wodurch auch kognitive Schwächen zu einer emotionalen Beziehungsstörung beitragen können, vor allem, weil hier ein dynamisches Wechselspiel zwischen Individuum und Umwelt stattfindet.
       Der Aufbau des gemeinsamen Realitätsbezugs kann aber auch dadurch beeinträchtigt sein, da  die Informationen, die das Kind von der Umwelt erfährt, in sich widersprüchlich und inkompatibel sind. Dies gilt insbesondere für Werthaltungen. Überschreiten diese Inkompatibilitäten einen gewissen Grad, dann kann vom Kind kein stabiler Umweltbezug aufgebaut werden.
       Eine Verbindung von Teilleistungsstörungen mit widersprechenden Erfahrungsinformationen verstärken die Störung im Aufbau der gemeinsamen Realität.
       Kinder, die auf diese Weise in ihrer Gemeinschaftsfähigkeit und in ihrem Kontaktvermögen beeinträchtigt sind, sind in der Fähigkeit, souverän von der gemeinsamen Realität zur Nebenrealität und wieder zurück überzusteigen, behindert und verunsichert. Es ist anzunehmen, da  solche Kinder in ihren ersten Lebensjahren den Überstieg nicht in der Weise einüben und einüben können, da  sie jederzeit und in jeder Situation darüber verfügen können.
       Menschen, die im Laufe ihres Lebens, meist beginnend mit der Reifeentwicklung und der Aufgabe, sexuell und sozial erwachsen zu werden, Schwierigkeiten und Problemen ausgesetzt sind, neigen dazu, sich vor diesen Problemen zurückzuziehen und in ihre Nebenrealität, d. h. auf eine kindliche Stufe zu regredieren. Solange sie in die gemeinsame Realität, der sie im Kreise ihrer Umgebung und entsprechend ihrem Entwicklungsalter verpflichtet sind, gelingt, solange sie den Realitätsbezug nicht verlieren, entspricht diese Regression einer neurotischen Haltung.
       Kinder, die aus Gründen eines gestörten Aufbaus des gemeinsamen Realitätsbezugs den Überstieg nicht sicher gelernt haben, können dieser Fähigkeit beim Versuch der Problembewältigung durch Regression verlustig gehen und sie bleiben dann in ihrer Nebenrealität gefangen. Der gemeinsame Realitätsbezug ist verlorengegangen, die Reaktionen, Äußerungen, Verhaltensweisen und Denkformen werden für die übrige Welt unverständlich, das heißt schizophren.
       Dieser Vorgang des Überstiegsverlustes kann akut unter starker Belastung entstehen, er kann aber auch gewissermaßen auf dem Wege der Gewohnheit allmählich verlorengehen." (S. 84 -  86)

        Primär- und Sekundärquelle: LEMPP, R. (1992) Vom Verlust der Fähigkeit, sich selbst zu betrachten. Eine entwicklungspsychologische Erklärung der Schizophrenie und des Autismus. Bern, Göttingen, Toronto: Huber. S. 84 -  86. Wir danken für die freundliche Abdruckgenehmigung des Copyrightinhabers: Verlag Hans Huber AG für den Reader (Kap. 9) in Sponsel, Rudolf (1995).



    Überwertige Idee
    Ein trefflicher Ausdruck der Psychiatrie, der zum Ausdruck bringt, dass eine bestimmte Idee eine besonders starke Bedeutung, viel Raum und Wertschätzung durch einen Menschen oder eine Gruppe erfährt. Überwertige Ideen bezeichnen auch keine Störungen oder Krankheiten, obwohl sie mit solchen einhergehen oder aus ihnen auch hervorgehen können.



    Unkorrigierbarkeit > subjektiven Gewissheit.
    In der Wahnphase kann mit in der Kultur gültiger Logik, Erfahrung oder Wissen der Wahninhalt nicht erschüttert werden. Das ist eine kleine, aber entscheidende Zusatzbedeutung zur subjektiven Gewissheit.

    [Quellen: Berner (1965). Paranoisches Syndrom. Sachregistereintrag: Unkorrigierbarkeit 4, 6, 19, 21, 22, 23, 24, 26, 31, 38, 47, 63, 65, 66]



    Unmöglichkeit des Inhalts
    > Auch wahre Inhalte können wahnhaft sein und was wahnhaft ist muss nicht falsch sein.

    Veraltetes und falsches Wahnkriterium von Jaspers.

    [Quellen: Berner (1965). Paranoisches Syndrom. Sachregistereintrag: Unmöglichkeit des Inhalts 4, 5, 19, 20, 21, 23, 33, 34, 35, 46, 65, 94]



    Verarmungswahn. > Fälle.
    Huber & Gross (1977, S. 74f).
        Epidemiologie: ""



    Verfolgungswahn > Fälle.
        Epidemiologie: ""



    Vergiftungswahn > Fälle.
    Peters (1984) führt aus: "Vergiftungswahn (m). Krankhafte, unkorrigierbare Überzeugung, vergiftet zu werden oder zu sein. Häufigste Form eines =>  Verfolgungswahns. Der Wahnkranke findet Anzeichen der Vergiftung im Geschmack der Speisen oder im Verhalten der Umgebung. Oft wird Nahrung gar nicht oder nur nach Sicherheitsvorkehrungen genossen. Vorkommen bei fast allen psychischen Krankheiten, insbesondere bei Schizophrenie und den Psychosen des höheren Lebensalters."
        Einer der berühmtesten und tragischsten Fälle ist der des großen mathematischen Logikers Kurt Gödel.

        Epidemiologie: ""



    Verhältnisblödsinn. (Quelle)
    Eugen Bleuler war ein kreativer Kopf in der Psychiatrie und erfand auch einige wichtige Worte oder Begriffe für die Psychiatrie, so den Begriff der Schizophrenie [kritisch auch], der Ambivalenz, Udenustherapie und auch den häßlichen Begriff "Verhältnissblödsinn", so nachzulesen  in: Eugen Bleuler (1923, 4. A.: S. 472 f; 12. A. 1972: S. 585), Lehrbuch der Psychiatrie, im Abschnitt Die Oligophrenien (Psychische Entwicklungshemmungen) und ausführlich unter: Bleuler, Eugen (1914). Verhältnisblödsinn. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie und psychisch gerichtliche Medizin. Bd. 71. Berlin: Reimer.
        1923 (S. 472): "II. Eine andere Form, in die der höhere Blödsinn ohne Grenze übergeht, ist der Verhältnisblödsinn. Nicht immer, wenn auch oft, besteht auch hier eine gewisse Unklarheit des Denkens. Das Wesentliche aber ist ein Mißverhältnis zwischen Streben und Verstehen. Es sind Leute, deren Verstand für eine gewöhnliche Lebensstellung oft sogar für eine etwas über mittelschwierige ausreichen würde, die aber zu aktiv sind und beständig sich mehr zumuten, als sie verstehen können, deshalb viele Dummheiten machen und im Leben scheitern."
           1972 (S. 585): "3.Verhältnisblödsinn.
    Hinter sozialem Versagen steht manchmal ein Mißverhähnis zwischen Streben und Verstehen, zwischen Wollen und Können. Viele 'Verhältnisblödsinnige' lassen sich ständig in Geschäftsgründungen ein, veranlassen unter beschönigenden Angaben andere, Geld in ihre Geschäfte zu legen. verlieren dann rasch die Übersicht über ihre Finanzen, versagen in jeder Beziehung und reißen andere im eigenen Ruin mit. Viele andere setzen es durch, Stipendien und Studienbeiträge in großen Beträgen zu erhalten, um angebliche künstlerische Fähigkeiten zu entwickeln. ohne daß diese da sind. Der Verstand dieser Leute wäre oft in einer bescheidenen Lebensstellung genügend, doch manövrieren sie sich unermüdlich und rastlos in Stellungen hinein, denen sie nicht gewachsen sind. Viele von ihnen sind im Denken unklar. 'Verhältnisblödsinn' und 'Salonblödsinn' zeigen mannigfaltige Übergänge."
        Wortgebrauch 'Verhältnisblödsinn' im Netz, Beispiel: http://www.freitag.de/2001/08/01081701.htm
    Kritisch ist anzumerken, daß das Wort ziemlich brutal und entwertend klingt. Heute sagt man sehr viel milder klingend: Selbstüberschätzung.



    Versündigungswahn > Religiösenwahn.
    Der Begriff der Sünde stammt zwar aus dem christlichen Umfeld, kann aber in Richtung Schuld, schlechtes Gewissen, Gewissensbisse verallgemeinert werden.
        Epidemiologie: ""



    Wachstumswahn
    Ein (wissenschaftlicher) Wahn, der in der New Economy und der Globalisierungs-Volkswirtschaft gepflegt wird, neben der Gier und dem Verhältnisblödsinn der Bankmanager und ihrer Finanzmathematiker ein wesentlicher Grund für die Finanzkrise, an deren Folgen die ganze Welt - vor allem die SteuerzahlerInnen seit dem 8.2.2007 - bis jetzt noch tragen. Offensichtlich verficht ein bestimmender Teil der etilE-Ökonomen mit unkorrigierbarer subjektiver Gewissheit, dass ununterbrochenes Wachstum für den angeblichen Wohlstand der Welt - gemeint ist die Oberschicht in Staatssystemen westlichen Typs - notwendig sei. Interessanterweise bildet sich seit einiger Zeit auch in Fachkreisen zunehmend mehr die Beurteilung eines "Wachstumswahns" heraus, was man an der Aufnahme in Buchtitel ablesen kann.

    Zu Meinhard Miegels Exit - Wohlstand ohne Wachstum:  "Abschied vom Wachstumswahn. Das Wachstum der Wirtschaft ist zur Ersatzreligion unserer Gesellschaft geworden. Vielen gilt es als Voraussetzung für Wohlstand, persönliches Glück und ein funktionierendes Gemeinwesen. Doch was ist, wenn es kein Wachstum mehr gibt? Was kann, was sollte an seine Stelle treten, um uns ein erfülltes Leben zu ermöglichen? ..."

    Anmerkung: Vermutlich besteht ein enger Zusammenhang mit der "Schuldentollwut" - sozusagen dem öffentlichen Gegenstück zum Schuldwahn - und einem sog. "Schneeballsystem".



    Wahn bei sensorischer Beeinträchtigung
        Vorbemerkung: Im Unterschied zur sensorischen Deprivation (Reizarmut von außen) geht es bei sensorischer Beeinträchtigung um Behinderungen der Wahrnehmung, hauptsächlich des Hörens. Man kann sozusagen nichts hören, weil keine Geräusche da sind (sensorische Deprivation) oder man kann nichts hören, weil man schwer hört oder taub ist (sensorische Beeinträchtigung).
    Müller-Vahl, K. in (153-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.  S.155: Epidemiologie: ""Bei einer wahnhaften Störung in Zusammenhang mit sensorischen Defiziten wird in aller Regel zunächst an ältere Patienten gedacht, bei denen im höheren Lebensalter (postlingual) eine Schwerhörigkeit eintritt und sich nachfolgend Wahnideen entwickeln. In einer Übersicht wurden 27 Studien analysiert, die einen möglichen Zusammenhang zwischen sensorischen Defiziten und einer „late-onset psychosis with paranoid features“ untersuchten (Prager u. Jeste 1993). Auch wenn die Mehrzahl der Untersuchungen mit methodischen Mängeln behaftet war, kamen Prager und Jeste zu der Einschätzung, dass eine Hörstörung, nicht jedoch eine Sehbehinderung, als eigenständiger Risikofaktor anzusehen ist (Prager u. Jeste 1993)."

        Olbrich, H. M. (1987). Optische Halluzinationen bei älteren Menschen mit Erkrankungen des Auges (Charles Bonnet-Syndrom). In (33-): Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.).



    Wahndynamik
     



    Wahneinfall.
    Ein Wahneinfall fällt ohne erkennbaren oder nachvollziehbaren äußeren Anlass wie bei der Wahnwahrnehmung ins Bewusstsein, z.B. X fällt plötzlich ein, sein Vater sei Hitler [eigener Fall] oder er sei der neuerdings wiederauferstandene Bruder von Jesus (Beispiel: Hong Xiuquan [W] im Taipingaufstand).
        Das dogmatische These Kurt Schneiders, wonach der Wahneinfall im Unterschied zur zweigliedrigen Wahnwahrnehmung (erstens wahrnehmen, zweitens danach die Wahrnehmung mit einer abnormen Bedeutung belegen) immer eingliedrig sein soll, ist sowohl falsch als auch  überflüssig, was Kurt Schneider selbstwidersprüchlich durch ein nachvollziehbares Beispiel belegt (1949 und in Zutt, 1963, S.112): "Theoretisch kann man sich gewiß auch zweigliedrige Wahneinfälle ausdenken. Es könnte einem Schizophrenen einfallen, daß ihm eben der Gedanke an einen Kastanienbaum gekommen sei, bedeute, daß ein Eisenbahnunglück bevorstehe — also eine Beziehungssetzung ohne rational oder emotional verständlichen Anlaß. Damit wäre ein Wahneinfall tatsächlich zweigliedrig. Dies ist aber eine Konstruktion, eine Denkbarkeit, der vielleicht nie ein wirklicher Vorgang entspricht. Wir halten also daran fest, daß der Wahneinfall eine derartige Zweigliedrigkeit nicht aufweist, weshalb man ihn nach diesem Gesichtspunkt nicht von anderen Einfällen scharf abgrenzen kann."

        Epidemiologie: ""



    Wahnwahrnehmung.
    Eine Wahrnehmung, die mit einer nicht nachvollziehbaren (wahnhaften) Bedeutung versehen wird, heißt Wahnwahrnehmung. Hier knüpft sich der Wahn an eine Wahrnehmung - im Gegensatz zum Wahneinfall.

        Epidemiologie: ""



    wissenschaftlicher Wahn.
    Während Wahn und Religion so etwas wie zweieiige Zwillinge sind, stößt die Vorstellung Wahn in der Wissenschaft bei den meisten Menschen in einer ersten Reaktion auf Unverständnis, Unglauben, Kopfschütteln. In der Öffentlichkeit herrscht weitgehende Übereinstimmung, dass Wissenschaft geradezu ein Gegenteil vom Wahn ist. Bei strenger und neutraler Betrachtung wird man allerdings anerkennen müssen, dass es kaum ein Lebensgebiet gibt, dessen sich ein Wahn oder Wahnsystem nicht bemächtigen könnte, warum sollte ausgerechnet die Wissenschaft mit ihren nicht wenigen autonomen und verschrobenen Gestalten frei davon sein? Denn auch in der Wissenschaft gibt es leidenschaftliche, verbissene, ja unnachsichtige bis fanatische Kämpfe um vermeintlich richtige oder falsche Weltbilder.
        Besonders kritisch wird es, wenn WissenschaftlerInnen verkennen, dass viele ihrer Erkenntnisse auf Heuristiken, Fiktionen und Konstruktionen (> Universalienstreit) beruhen, wobei die Überbewertung dieses Standpunktes, also der Vulgärkonstruktivismus selbst wieder ein guter Kandidat für ein wissenschaftliches Wahnsystem zu sein scheint.
    Beispiel Descartes' Wahnidee, er könne ohne seinen Körper bestehen
      Eine grundlegende Kritik an Descartes bringt Erwin Straus (1956, 2.A.) in seinem Werk Vom Sinn der Sinne, ein Beitrag zur Grundlegung der Psychologie. Dort stieß ich auch (S. 15) auf die wissenschaftliche Wahnidee Descartes' (Meditationes, Zeno.org), fett-kursiv RS):
         "Vielleicht habe ich auch einen Körper (oder ich bin vielmehr dessen gewiss, wie ich später bemerken werde), der eng mit mir verbunden ist; allein da ich auf der einen Seite eine klare und deutliche Vorstellung von mir selbst als eines blos denkenden und nicht ausgedehnten Dinges habe, und auf der anderen Seite eine deutliche Vorstellung des Körpers als eines ausgedehnten und nicht denkenden Dinges, so ist es gewiss, dass ich von meinem Körper wahrhaft unterschieden bin und ohne ihn bestehen kann."
      Anmerkung: Obwohl von Descartes eine lebensverändernde Nacht mit drei Traumerlebnissen vom 10. auf den 11. Nov. 1619 berichtet wird, geht er selbst bei Lange-Eichbaum & Kurth (Bd. 7, S. 34) als gesund durch: "Der ungesellige, aber ehrgeizige Descartes fand zu seinem Selbst: In der Nacht vom 10. auf den 11.November begann, durch "heftige Träume" begleitet, die Geburtsstunde seines eigentlichen Ich-Bewußtseins (1)." Im Pathogramm wird ausgeführt (S.35f): "Mit 23 Jahren depressive Krise (17). Keine Depression, sondern Trauerarbeit infolge des Todes eines ihm nahestehenden Verwandten, der in Italien lebte (9). Erkenntnisdrang [Ideal: Mutter der Weisheit] wurde ihm zum Mutterersatz, daher auch seine Unrast, Ungeduld und Zurückgezogenheit. Meister der Meditation. Kompensierte den frühen Tod seiner Mutter mit der Erschaffung revolutionärer Ideen (18), war aber stets bestrebt, allzu engen persönlichen Verbindungen auszuweichen (19).
          Sein erotisches Interesse galt vor allem schielenden Frauen (20). Hatte eine Tochter. Descartes verheiratete sich nicht, "verzichtete aber nicht auf wenigstens eine lang dauernde Liebesverbindung mit seiner Haushälterin oder Magd" (1). ... "
          Beispiel Philosophie: Die Philosophie kommt, wie Theologie und Religion, seit Jahrtausenden nicht weiter. Die grundlegende Wahnidee könnte darin bestehen, dass man glaubt, man könne Erkenntnisse über die Welt, die Menschen, das Erkennen selbst durch bloßes Nachdenken finden. Während die Mathematik präzise Definitionen, Axiome, Regeln und vor allem den Beweis hat und die Wissenschaften Beobachtung, Experiment, Erfahrung, Erklärung und Vorhersage nutzen, hat die Philosophie nichts dergleichen. Denken mag der wichtigste Hilfssherif der Wissenschaften sein, aber ohne Prüf- und Kontrollkriterien gibt es keinen Fortschritt. Das war sicher auch Descartes' Fehler, der ihn zu den Unsinn sich versteigen ließ, dass er von seinem Körper unabhängig ist und sogar ohne ihn bestehen könne. Ein besonderer Wahn-Kandidat ist der Wesensbegriff der Philosophen, z.B. Platons oder Husserls - wie auch die Methoden, das Wesen zu "schauen".
      Kandidaten-Beispiele: Äthertheorie, aktual Unendliches in der Mathematik, Boni-System der Banker, Deregulierung, Demokratie, Erde als Mittelpunkt der Welt, Esoterik  und Grenzwissenschaften (Ufos, Außerirdische, Übersinnliches, Magie, Zauber, Religion u.a.m), Finanzderivate, freie Marktwirtschaft, Forensisch-psychiatrische Gutachten ohne persönliche Untersuchung und Exploration (Beispiel);  Freiheit, Gottesbeweise; Transsubjektive Gefühle (Schmitz 1964)* Hohlwelttheorie, Ich (als Zentralorgan der Persönlichkeit nach Meinung der Neuroscience), Junktim-Dekret Freuds, Unabhängigkeit von Seele und Körper (Descartes), Kreditfinanzierter Wohlstand, Leere Menge, Leistungsprinzip, Metaphysik als Wissenschaft, Nichts, Ödipuskomplex in der Psychoanalyse, Öffentliche Meinung, Parapsychologie, ICH in der Psychologie; Prästabilierte Harmonie, beste aller Welten, Leib-Seele-Parallelismus (Leibniz); Penisneid in der Psychoanalyse, Rechtsprechung im Namen des Volkes, Signifikanztest, Statistik, Staatsverschuldung ("Schuldentollwut)", Theologie, Ufos, Universalien, Volksgeist der Historischen Rechtsschule insbesondere Saivignys, Vulgärkonstruktivismus, [homosexuelle] Wahntheorie Freuds, Werbung [Ziele], Willensfreiheit, Wirklichkeit, Ziele der Evolution, Zufall. Weitere Kandidaten sind das weite Feld der juristisch unbestimmten Begriffe, wenn sie so gehandhabt werden als entspräche ihnen tatsächlich eine Wirklichkeit. Auch in der Wirtschaft gibt es nicht wenige Kandidaten ("der Markt", der sich ständig ändernde Geldwert); manche sind zwar klar operationalisiert wie z.B. das BIP oder die Preise, aber die Repräsentativität und Vollständigkeit sind mehr oder weniger unbestimmt.
          Epidemiologie: Wahnideen in der Wissenschaft sind m.E. bislang nicht systematisch untersucht worden.

      Beispiel: Wissenschaftliches Wahnsystem in der forensischen Psychiatrie - okkulte NICHTSachten: wissen durch Nichtwissen.
      In der forensischen Psychiatrie hat es sich bei den schwierigen Schuldfähigkeitsgutachten, denen die Mehrzahl der forensischen PsychiaterInnen - besonders bei Prüfung der Einsichtsfähigkeit - anscheinend nicht gewachsen ist, eingebürgert, sogar ohne persönliche Untersuchung und Exploration ein Gutachten abzugeben - im Widerspruch zu den Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten (Nr. 1.13). Das ist ein interessantes Phänomen, bedeutet es doch, dass diese forensischen PsychiaterInnen über verborgene (okkulte) Erkenntnisquellen verfügen müssen. Sie haben nicht persönlich untersucht und exploriert, haben also NICHTS, aber nach ihrem Selbstverständnis doch etwas, sonst würden sie ja kein "Gut"achten vorlegen, wie z.B. mehrfach geschehen im Falle Gustl F. Mollath. Was sie vorlegen ist genau betrachtet ein okkultes NICHTSachten. Sind sie von ihrem okkulten NICHTSachten dann noch unkorrigierbar überzeugt, was sich in ihrem darauf Beharren äußern konnte, so liegt ein wissenschaftliches Wahnsystem vor vom Typ: Wissen durch Nichtwissen. Es wurde zwar nie persönlich untersucht und exploriert (befragt), aber man weiß trotzdem über Befinden und Verfassung der ProbandIn zu den Tatzeitpunkten Bescheid. Man weiß und diagnostiziert also auf der Basis Nichtwissen. Und das nennt man Wahn, genauer, einen wissenschaftlichen Wahn. Eine delikate Konstellation, wenn ein Wahnsystem auf einen möglicherweise Wahnhaften trifft. Welche spezifisch bekannten Wahnformen sind hier nun am Werk? Nun, es scheint eine Kombination aus Größenwahn und Verhältnisblödsinn (maßlose Selbstüberschätzung) zu sein.

      Exkurs: Wissenschaft und Wahn aus christlich fundamentalistischer Perspektive
      Günther, Andreas (2011). Wissenschaft und Wahn: Kant, Darwin, Einstein. Berlin: ProBUSINESS.
      Der Autor meint, Kant, Darwin und Einstein als Wahnverkünder entlarven zu müssen. Interessanterweise wird das Stichwort "Wahn", obschon doch der Titel und ein Kapitel davon handelt, nicht erwähnt. Das Buch ist eine Fundgrube für exzessiven homunkulusformen Universaliensprachstil - als ob die Abstrakta und Allgemeinbegriffe selbst agierende Wesenheiten wären (Klappentext Rückseite):

        "Verrückte Ideen sind der Wissenschaft offenbar immer recht Urknall, Weltformel, Einsteins Relativitätstheorie...
        Zunächst geht es „nur" um die Erkenntnistheorie Kants. Nachdem wir diese widerlegt und als unsinnig entlarvt haben, stellen sich Fragen:
        Warum finden schräge Ideen und dreiste Lügen oft besonders leicht Gehör - vor allem in der Wissenschaft? Wäre es möglich, dass die Wissenschaft gerade das Absurde (zu Darwin, Einstein, Kant) gezielt einsetzt um die Wahrheit zu verbiegen? Wer garantiert die Objektivität der Wissenschaft im Falle unbequemer Wahrheit? Ist es überhaupt realistisch, in einer gnadenlos egoistischen Welt, selbstlose Objektivität zu erwarten?
        Am Rande: Fernsehen, Atomkraft, Geld, Macht, Politik, Religion ...
        Kant wurde noch nie von Grund auf widerlegt. Ist diese NUSS zu hart? Nun, wir ziehen vor den falschen Göttern dieser Welt nicht den Hut, sondern sehen ihnen messerscharf auf die Finger, ohne jede Sympathie zu fachlichem Hochmut, ohne jede Rücksicht zu allgemein vorherrschender Meinung.
        Wissenschaft und Wahn: Kant, Darwin, Einstein
        (Eine Weiterentwicklung des Buches: eklatant, Herr Kant!)"
      Der metaphysisch-ideologische Hintergrund des Autors erschließt sich aus seinem Schlußkapitel (250-252) "Wissenschaft und Wahn":
        "... Ein Mensch kann Erkenntnis wie ein Engel haben, und doch kein Christ sein; [...] Wahrlich, das Wissen gefällt nur den Schwätzern und Ruhmredigen [?], aber das Thun gefällt Gott. Ich will nicht sagen, daß das Herz ohne Erkenntnis gut sein könnte, denn ohne dieselbe ist es finster. Aber Erkenntnis und Erkenntnis sind zweierlei Dinge. Es gibt nämlich eine Erkenntnis, die bei einer bloßen Betrachtung der Dinge stehen bleibt, und wieder eine andere, welche, mit Glauben und Liebe verbunden, den Menschen treibt, daß. er von Herzen den Willen Gottes thut. Mit der ersten Art der Erkenntnis begnügt sich der Schwätzer, aber der wahre Christ kann sich ohne die letztere nicht zufrieden geben. (Bunyan's Pilgerreise, 1859, (1678), S. 90)
        Und bloßes Geschwätz ist ein glänzendes Mittel der Täuschung: Warum müssen wir alles wissen? Warum müssen wir gerade den verrücktesten Ideen die größte Aufmerksamkeit schenken - Urknall, Relativitätstheorie, Kantsche Erkenntnistheorie, etc? Um der Wahrheit willen? Lächerlich! Machen wir uns nichts vor. Solange wir nicht sicher wissen, dass es Gott nicht gibt, müssen wir unwillkürlich annehmen, dass es ihn eben doch gibt und damit menschliche Schuld und Sünde. Der alte Adam, der unbedingt in seiner Sünde bleiben will ist gezwungen alles, aber auch wirklich alles in Bewegung zu setzen -ja es notfalls mit den ausgefallensten Theorien völlig an den Haaren herbeizuziehen - um einen Wissensstand zu erreichen, der die Welt erklärt, ohne Gott. Deshalb sind CERN, Mondfmg, Urknall und all die überaus kostspieligen, technisch-wissenschaftlichen Spielchen so überaus wichtig - weit wichtiger als Hunger, Elend, Katastrophen, atomares Risiko und alles Leid in der Welt. Wir müssen uns eine Theorie zusammenbasteln, koste es was es wolle, die alles erklärt, die Gott schlicht weg-rationalisiert. Gott, besonders in Jesus Christus, ist dem Weltgeist größtmögliches Ärgernis. In diesem Sinne ist gerade die Wissenschaft voll in der Macht des Bösen, unbelehrbar, unobjektiv, verlogen. Mit allerlei glänzenden, berauschenden Einzelleistungen täuscht sie über ihren eigentlichen Kurs prinzipieller Lüge hinweg. ..."




    Zweifel, zweifeln
    Zweifel gilt als Tugend kritischer, rationaler Einstellung, also als wissenschaftliche Tugend. Wo Zweifel ist, kann Wahn nicht sein. Der Zweifel ist das Leid vieler Gläubiger, die erleben, nicht so glauben zu können, wie sie sich das wünschen. Wie steht es nun mit der Paradoxie Zweifelwahn? Gibt es etwa auch eine - paradoxe - wahnhafte Form des Zweifelns?



    Weltuntergangs- und Katastrophenwahn.
    Huber & Gross (1977, S. 76).

        Epidemiologie: ""



     
    Ende Wahnformen


    Sonderthemen im Zusammenhang mit Wahnstörungen



    Wahnstörungen und Suizidalität
    Haltenhof, H. in (162-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.



    Wahnstörungen und Delinquenz
    Tänzer, A.; Randzio, S. in (171-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.

    Dölling, Dieter  (2010) Zur Bedeutung des Wahns für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach den §§ 20 und 21 StGB. Forens Psychiatr Psychol Kriminol (2010) 4:166–169 [DOI 10.1007/s11757-010-0057-4]
        "Zusammenfassung Für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eines Täters mit Wahnsymptomatik ist zunächst zu prüfen, ob ein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 des Strafgesetzbuches (StGB) vorliegt. Hierzu ist eine gründliche Diagnose von Art und Intensität des Wahns sowie der ihm zugrunde liegenden psychischen Erkrankung erforderlich. Ist ein Eingangsmerkmal gegeben, ist zu erörtern, wie sich
    der Wahn im jeweiligen Einzelfall auf die Fähigkeit des Täters zur Unrechtseinsicht und seine Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat. Hierfür kann ein Blick auf das von Winfried Brugger entwickelte anthropologische Kreuz der Entscheidung hilfreich sein."
     



    Wahnstörungen aus interkultureller Perspektive
    Schouler-Ocak, M. in (181-): Garlipp, P. & Haltenhof, H. (2010, Hrsg.). Seltene Wahnstörungen. Stuttgart: Steinkopff.
     


    ***


    Literatur (Auswahl)
    • Olbrich, H. M. (1987, Hrsg.). Halluzination und Wahn. Berlin: Springer.




    Links (Auswahl: beachte)
    Geänderte URLs ohne Weiterleitung wurden entlinkt.
    • Geschichte der PSYCHIATRIE und PSYCHOTHERAPIE in Stichworten: I, II.
    • Kritisch zur russischen Psychaitrie: Oltmann,




    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    Eigener wissenschaftlicher Standort
     
    . einheitswissenschaftliche Sicht. Ich vertrete neben den Ideen des Operationalismus, der Logischen Propädeutik und einem gemäßigten Konstruktivismus auch die ursprüngliche einheitswissenschaftliche Idee des Wiener Kreises, auch wenn sein Projekt als vorläufig gescheitert angesehen wird und ich mich selbst nicht als 'Jünger' betrachte. Ich meine dennoch und diesbezüglich im Ein- klang mit dem Wiener Kreis, daß es letztlich und im Grunde nur eine Wissenschaftlichkeit gibt, gleichgültig, welcher spezifischen Fachwissenschaft man angehört. Wissenschaftliches Arbeiten folgt einer einheitlichen und für alle Wissenschaften typischen Struktur, angelehnt an die allgemeine formale Beweisstruktur. 
       Schulte, Joachim & McGuinness, Brian (1992, Hrsg.). Einheitswissenschaft - Das positive Paradigma des Logischen Empirismus. Frankfurt aM: Suhrkamp.
       Geier, Manfred (1992). Der Wiener Kreis. Reinbek: Rowohlt (romono).
    Kamlah, W. & Lorenzen, P. (1967). Logische Propädeutik. Mannheim: BI.
    _
    Wissenschaft [IL] schafft Wissen und dieses hat sie zu beweisen, damit es ein wissenschaftliches Wissen ist, wozu ich aber auch den Alltag und alle Lebensvorgänge rechne. Wissenschaft in diesem Sinne ist nichts Abgehobenes, Fernes, Unverständliches. Wirkliches Wissen sollte einem Laien vermittelbar sein (PUK - "Putzfrauenkriterium"). Siehe hierzu bitte das Hilbertsche gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann verständlichen Sprache wiedergegeben." 
    Allgemeine wissenschaftliche Beweisstruktur und  beweisartige Begründungsregel
    Sie ist einfach - wenn auch nicht einfach durchzuführen - und lautet: Wähle einen Anfang und begründe Schritt für Schritt, wie man vom Anfang (Ende) zur nächsten Stelle bis zum Ende (Anfang) gelangt. Ein Beweis oder eine beweisartige Begründung ist eine Folge von Schritten: A0  => A1 => A2  => .... => Ai .... => An, Zwischen Vorgänger und Nachfolger darf es keine Lücken geben. Es kommt nicht auf die Formalisierung an, sie ist nur eine Erleichterung für die Prüfung. Entscheidend ist, dass jeder Schritt prüfbar nachvollzogen werden kann und dass es keine Lücken gibt. 
    __
    Bibliomane Besessenheit. Ausdruck bei de Boor (1997, S.5) zur Charakterisierung des Mörderpastors Georg Tinus (1767-1846)
    ___
    eidetische Vorstellungskraft. Eine eidetische Vorstellung liegt vor, wenn sie Realcharakter hat und der Vorstellende weiß, dass es sein Produkt, also keine Halluzination ist.
    ___
    Unmöglichkeit des Inhalts. Anmerkung: Das alte (dritte) Jasper'sche Wahnkriterium von der Unmöglichkeit des Inhalts ist in der Psychiatrie seit langem vom Tisch. Bereits Berner (1965, S. 5) schreibt rückblickend: "Umgekehrt ist auch die besonders von MATUSSEK, SCHMIDT, MAYER-GROSS herausgestrichene Tatsache, daß der Wahn keineswegs immer inhaltlich falsch sein muß — ein gewichtiges Gegenargument gegen die 'Irrtumsthese'."
    ___


    Anregungen, Ergänzungen und Kritik erwünscht.

    Querverweise
    Standort: Wahnformen.
    *
    Querverweise: Überblick Wahn.
    Wahn-Fälle. Geschichte der Wissenschaften, hier Psychiatrie: Materialien und Dokumente zum Wahn.
    Wahn in den Diagnose Systemen. Geschichte der Wissenschaften, hier Psychiatrie und speziell der Wahn.
    "Normal", "Anders", "Fehler", "Gestört", "Krank", "Verrückt".
    *  Welten *   Definition  * Terminologie*

    *

    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
    z.B. Wahn site:www.sgipt.org. * Psychopathologie Psychiatrie site:www.sgipt.org
    *
    Dienstleistungs-Info.
    *

    Zitierung
    Sponsel, R. (DAS). Wahnformen. Geschichte der Wissenschaften, hier Psychiatrie: Materialien und Dokumente zum Wahn. Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/psypath/Wahnform.htm
    Copyright & Nutzungsrechte
    Diese Seite darf von jeder/m in nicht-kommerziellen Verwertungen frei aber nur original bearbeitet und nicht  inhaltlich verändert und nur bei vollständiger Angabe der Zitierungs-Quelle benutzt werden. Das direkte, zugriffsaneignende Einbinden in fremde Seiten oder Rahmen ist nicht gestattet, Links und Zitate sind natürlich willkommen. Sofern die Rechte anderer berührt sind, sind diese dort zu erkunden. Sollten wir die Rechte anderer unberechtigt genutzt haben, bitten wir um Mitteilung. Soweit es um (längere) Zitate aus  ...  geht, sind die Rechte bei/m ... zu erkunden oder eine Erlaubnis einzuholen..



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    korrigiert: irs 11.03.2011



    Änderungen wird gelegentlich überarbeitet, ergänzt und vertieft * Anregungen und Kritik willkommen
    01.12.23   Neuer Wahnkandidat "Transsubjektive Gefühle" (Schmitz 1964)
    02.12.22   Neue Wahnkandidaten: Der Wesensbegrif der  Philosophen,  z.B. Platons und Husserls.
    03.04.22   Prästabilierte Harmonie, beste aller Welten, Leib-Seele-Parallelismus (Leibniz) zu den Kandidaten für wissenschaftliche Wahnsysteme aufgenommen.
    25.04.19   Volksgeist der Historischen Rechtsschule insbesonder Savignys bei den wissenschaftlichen Wahnkandidaten eingefügt.
    30.04.18   Pseudoquerulanten  (Querulanz ohne Wahn: Kraepelin 1904). irs korr. am 30.04.18
    29.04.17   Linkfehler (youtube) durch Entlinken korrigiert.
    10.08.16   Nachrichten aus der Wahnforschung.
    23.07.16   Neuer Eintrag: Politischer Wahn.
    12.03.15   Linkfehler geprüft und korrigiert, teilweise entlinkt.
    20,12,14   Geschlossenes Denksystem, geschlossenes System
    02.08.14   Querulanz * Differentialdiagnostische Probleme bei Querulanz * Querulatorische Persönlichkeitsstörung * Querulantenwahn *
    20.07.14    Neu aufgenommen: Caesarenwahn.
    30.07.13    Abwehr * Blinder Fleck * Minuswahn.
    23.07.13    Wissenschaftliche Wahnidee: Beispiel Descartes' Psychologie.
    24.06.13   Theologischer Wahn.
    07.02.13    Exkurs: Wissenschaft und Wahn aus christlich fundamentalistischer Perspektive.
    13.01.13    Die Norwegen-Studie: Langzeitverläufe von Wahnerkrankungen.
    06.01.13    Zur Bedeutung des Wahns für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach den §§ 20 und 21 StGB.
    02.01.13    Kurt Schneider Zitat zur Un-/ Möglichkeit des Wahn bei un-/möglichen Inhalten. * Kritik an Kurt Schneider Eingliedrigkeitsthese beim Wahneinfall *
    01.01.13    Neue Einträge: subjektive Gewissheit, Unkorrigierbarkeit, Unmöglichkeit des Inhalts.
    28.12.12    Progredienz.
    26.12.12    Auch wahre Inhalte können wahnhaft sein und was wahnhaft ist muss nicht falsch sein.
    20.12.12    Abschnitt Behandlung begonnen. * Martha-Mitchel-Effekt*
    18.12.12    Folie à beaucoup * Größenidee * Hochstapler * Pseudologia phantastica * Salonblödsinn * Selbstüberschätzung * Verhältnisblödsinn *
    02.12.12    Vergiftungswahn (Peters 1984).
    15.11.12    Wissenschaftliches Wahnsystem in der forensischen Psychiatrie - okkulte NICHTSachten: wissen durch Nichtwissen.
    19.03.11    Ideler zum religiösen Wahn * Einschub Ideler beim gesunden Wahn  * Folie à deux.
    18.03.11    Ideologischer Wahn Beispiel Libyen.
    15.03.11    Dermatozoenfantasie-10.
    14.03.11    Erg. zu Goethes Lila.
    12.03.11    Exorzismus. Drei Generationenvergleiche von Kranz 1886, 1916, 1946, "Lila"
    11.03.11    Simulierter Wahn, Sozialer Wahn.
    10.03.11    Einbau Harings Ausführungen zur Paranoia und epidemiologischen Daten.

    https://www.sgipt.org/gipt/psypath/Wahnform.htm#Normaler%20Wahn
    https://www.sgipt.org/gipt/psypath/Wahnform.htm#wissenschaftlicher