Welten, Wahrheit und die Konstruktion
unterschiedlicher Wirklichkeiten
aus denkpsychologischer und ontologischer Sicht
der Allgemeinen und Integrativen Psychotherapie (GIPT1))
nach Sponsel
(1995, S. 518 - 520)
Internet-Erstausgabe 6.9.2000, Letztes Update 29.6.2
Querverweise
1. Die Welten im Erleben und Denken der Menschen
Die objektiv wirkliche
Welt
Das, was physikalisch, chemisch, naturwissenschaftlich erfassbar ist
und unabhängig vom spezifisch menschlichen Wahrnehmungssystem existiert.
Die subjektiv wirkliche
Welt
Das, was uns sinnlich, empfindungs- oder wahrnehmungs- und erlebnismäßig
gegeben ist. Die Welt, wie wir sie erleben, ist eine Konstruktion, in die
auch persönliche und subjektive Momente mit eingehen. Daraus folgt
optimistisch: Wir müssen die Dinge nicht unbedingt so „sehen", wie
wir meinen, dass sie sind. Welten sind auch anders konstruierbar. Und manchmal
hilft es sehr im Leben, seine Sichtweise und Perspektive zu verändern.
Stellt sich die Welt für mehrere Menschen so dar, wie sie sich darstellt,
können wir von einer gruppensubjektiven Welt sprechen. Stellt sich
die Welt im Wesentlichen für alle Menschen mit einer normalen Wahrnehmungsausstattung
annähernd gleichermaßen dar, so können wir auch von "der"
intersubjektiven Welt sprechen.
Anmerkung: Mit den vielen Wirklichkeiten,
von denen Watzlawick
(> Kommunikationstheorie)
in seinen Werken spricht, sind meist subjektive Wirklichkeiten (Perspektiven)
gemeint, wobei seine grundlegende
Annahme zu kommunikationsrelativistisch anmutet.
Die mögliche Welt
Die Welt des Möglichen, Wahrscheinlichen, die Welt der Hypothesen,
Dinge oder Ereignisse, die möglich sind, aber nicht sein müssen.
Die Wunsch- und Wert-Welt
Die Welt der Wünsche, Wünschbarkeiten, Werte und Ideale,
wie sie sich auch in Gefühlen, Motiven, Bedürfnissen, Zielen
und Absichten ausdrücken. Überschneidungen gibt es zur Phantasie-
und zur Soll-Welt (Ideale). Was uns wichtig und wertvoll ist, gehört
gewöhnlich zur Wunsch- und Wert-Welt. Aus der Wunsch- und Wert-Welt
kann die Norm- und Soll-Welt konstruiert werden, indem einige Wünsche
als für viele verbindlich erklärt werden (Gesetze, Recht, Sitte).
Daraus ergibt sich dann die:
Die Norm- und Soll-Welt
Die Welt der Normen, Gebote, Verbote, des Erlaubten oder Freigestellten.
Normen definierten Werte.
Die Phantasiewelt
Die Welt der Phantasien, Tagträume, Träume, der Kunst,
der Sagen und Märchen, Science Fiction usw. Dies ist die allgemeinste
und freieste aller Welten.
Man kann dieses grundlegenden Unterscheidungen verschiedener Welten zur leichteren Bezugnahme auch mit Referenzkürzeln versehen:
Referenzwelten RWindex
[Quelle
Dialektik]
Bringt man die ontologischen Ebenen oder Referenzwelten durcheinander,
kann man sich schnell verstricken und verheddern. Ich führe folgende
ontologische Ebenen ein, um eindeutig kennzeichnen zu können, in welchen
Referenzwelten wir uns befinden:
2. Systematik der Welten (Ontologie der Welten)
Vorbemerkung (31.8.3): Die Ontologie als philosophische Wissenschaft (Metaphysik) vom Seienden als solchen hat einen schlechten Ruf. Ungeachtet dieses schlechten Rufes halten wir die Differenzierung verschiedener Seinsebenen oder Welten, wie wir sagen, für notwendig und wichtig; viele logische und methodologische Probleme sind überhaupt nicht lösbar, wenn man die verschiedenen Seins- oder Weltebenen nicht unterscheidet.
2.1 Die Dimensionen des wahrnehmenden Bezugssystems:
2.2 Die Dimensionen des Realitätsbezuges:
Das wahrnehmende Bezugssystem (2.1) kann nun mit allen Dimensionen
des Realitätsbezuges (2.2) kombiniert und in Beziehung gesetzt werden.
Hierbei können sich unerwartete und verblüffende Einsichten ergeben.
Kombiniert man z. B. die Objektive Welt mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit,
so stellt sich zunächst einmal gleich die Frage: was soll das sein?
Was ist das für ein Vergleich? Ist z. B. Licht unabhängig von
einem wahrnehmenden Bezugssystem?
Wie ist z. B. die Lehre der katholischen Kirche in diesem System einzuordnen? Nun, die Kirche behauptet gewisse Dinge, z. B. es gibt einen persönlichen Gott und ein Weiterleben nach dem Tode. Es komme darauf an, in bestimmter Weise zu leben zu versuchen. Diese Aussagen glaubt eine Gruppe von Menschen, andere nicht. Es handelt sich also beim wahrnehmenden Bezugssystem um eine gruppensubjektive Welt, in der alle Dimensionen des Realitätsbezuges eine Rolle spielen: Wahrnehmung der Wirklichkeit; Möglichkeiten, die gesehen werden; Wünsche, Wertungen, normative Gebote und Verbote (10 Gebote) spielen eine besondere Rolle und auch die Phantasie kommt sicher nicht zu kurz (unbefleckte Empfängnis Marias, Auferstehung Jesu, Unfehlbarkeit des Papstes, Hölle und Paradies usw).
Und wie ist das z. B. mit einem Menschen, der sich - irrtümlich, wie die anderen meinen - für Napoleon hält, der also, landläufig aus Sicht der kritischen Beobachter betrachtet, an einem Wahn leidet? Nun, der Wahn bekommt seinen pathologischen Charakter durch den unterschiedlichen Wirklichkeitsstatus, den der Wahnhafte und seine kritischen Beobachter der Merkmalszuordnung "Napoleon" zuordnen. Ist der Betreffende durch seine soziale Bezugsgruppe nicht überzeugbar, dass seine Merkmalszuordnung "Napoleon" nur Ausdruck eines Wunsches oder von Phantasien sind, so definiert die kritische soziale Bezugsgruppe den Betreffenden als wahnhaft oder wahnsinnig.
Umgekehrt kann auch eine ganze Gesellschaft wahnsinnig reagieren, indem sie ihre Definitionsmacht missbraucht, etwa wenn eine rothaarige Frau vor 300 Jahren zur Hexe definiert wurde.
Im Nationalsozialismus wurden Juden zu Unmenschen definiert und industriemäßig vernichtet, was von vielen Menschen widerstandslos hingenommen wurde.
Die Erde ist eine Scheibe oder die Sonne dreht sich um die Erde sind
andere interessante Konstruktionen.
Dies führt uns auf die Frage: was ist "die" Wahrheit? Gibt es
eine
Wahrheit? Oder ist alles nur Glaube, entsprungen aus Wunsch und Phantasie?
3. Das Problem der Wahrheit
Welche Geometrie
ist die richtige? Welcher Zahlentyp ist im Falle X angemessen? Ist die
Erde rund? Ist eine einheitliche Feldtheorie möglich? Was "ist" das
Licht: Korpuskel oder Welle? Funktioniert die Natur deterministisch oder
macht sie unberechenbare Sprünge, folgt Zufall und Willkür?
Ist es unzweifelhaft wahr, dass ich jetzt (ich blicke auf die Uhr), Donnerstag,
den 27.4.2000, 12.02, diese Zeilen eintippe?
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