Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    IP-GIPTDAS=20.06.2002 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung 8.8.6
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
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    Willkommen in der Abteilung Medizinische Psychosomatik, Psychopathologie und Psychiatrie, Bereich Schizophrenie zum Thema:

    Bin ich wirklich schizophren?
    Die unsicheren Diagnosen der Psychiatrie und ihre Folgen für die Patienten

    Buchinweis von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Bewertung * Zentraler Kritikpunkt * Zentrale Arbeitshypothesen * Inhaltsverzeichnis * Aus dem Vorwort * Fallbeispiele zu Fehldiagnosen * Ausblick * Querverweise *

    Burkhardt-Neumann, Carola (1999). Bin ich wirklich schizophren? Die unsicheren Diagnosen der Psychiatrie und ihre Folgen für die Patienten. München: Zenit.
     

    Bewertung: Ein kritisches, mutiges und damit auch wichtiges und nützliches Büchlein, das die Schwächen des "normalen" Psychiatriebetriebes und der Wissenschaft von der Schizophrenie aufzeigt und zu Recht eine grundlegende Veränderung fordert, ohne in antipsychiatrische Dummheiten oder Unterstellungen zu verfallen. Die Autorin, praktizierende Fachärztin für Psychiatrie, weiß, wovon sie spricht. Sie plädiert einerseits konsequent und überzeugend für eine einzelfallorientierte und menschenzentrierte Neubesinnung und andererseits auch für eine neue Wahrhaftigkeit und Qualitätsprüfung in der Beobachtung, Behandlung, Klassifikation und Theorie. Damit werden auch die modernen pragmatischen Diagnosesysteme DSM und ICD zu Recht in Frage gestellt. Es scheint an der Zeit, daß die Psychiatrie sich endlich anschickt, eine echte Wissenschaft zu werden, um eine menschlich und fachlich überzeugende Praxeologie zu verankern, die auch das unnütze Gefälle zwischen PatientIn und Heilfachkundigen zu Gunsten eines partnerschaftlich orientierten Arbeitsbündnisses (Compliance) überwindet, wo es der Bewältigung, Linderung, Besserung oder Heilung im Wege steht. Die Autorin wendet sich zu Recht gegen voreilige Einsortierung in äußerst fragwürdige Schizophrenieschubfächer. Stattdessen spricht sie sich für unvoreingenommenes, sorgfältiges und patientInnen-zentriertes Zuhören und Explorieren aus.



    Zentraler Kritikpunkt
     
    Zentraler und berechtiger Kritikpunkt des Buches ist, daß unter das Wort "schizophren" eine solch außerordentliche Vielfalt von psychopathologischen (klinischen) Erscheinungen  gefaßt wird, daß der Begriff damit zu einem unverbindlichen, nichtssagenden aber im Grunde schon zu einem gefährlichen Etikett verkommen ist. Damit wird auch begründet bestritten, daß es eine Krankheit Schizophrenie gibt. Und damit wird am wissenschaftlichen Status und Niveau der Psychiatrie und Psychopathologie gerüttelt.

    Anmerkung: Wie eine wissenschaftliche psychopathologische Diagnostik konzipiert sein müßte, finden Sie hier.



    Zentrale Arbeitshypothesen
     
    1) Es ist beim derzeitigen Forschungsstand nicht sinnvoll, Schizophrenie als eine Krankheit zu betrachten.
    2) Sinnvoll ist es, die verschiedenen schizophrenen Syndrome zu unterscheiden.
    3) Sinnvoll ist es weiter, für ein schizophrenes Syndrom stets unterschiedliche Grunderkrankungen zu berücksichtigen.



    Inhaltsverzeichnis

    Kapitel 1: Ist die Psychiatrie ein Fachgebiet  der Medizin? 13
    Kapitel 2: Wozu braucht die Psychiatrie Diagnosen? 22
    Kapitel 3: Wie entstehen und wozu führen psychiatrische Fehldiagnosen?  31
    Kapitel 4: Haben alle Schixophrenen die gleiche Krankheit? 50
    Kapitel 5: Wer hört Stimmen? Und wer hat  sonstige besondere Fähigkeiten? 68
    Kapitel 6: Wer braucht und wer hat  Krankheitseinsicht? 90
    Kapitel 7: Wie wirkt Placebo? Und wem helfen Psychopharmaka? 102
    Kapitel 8: Wie werden Psychiater am zweckmäßigsten behandelt?  119
    Kapitel 9: Was und wer hilft Psychosekranken?  130
    Literaturverzeichnis 141



    Aus dem Vorwort
     
    "Dieses Buch will Menschen Mut machen, die an einer eher gutartigen Form der Schizophrenie erkrankt sind.
    Gutartig hat hier nichts mit "leicht" oder "harmlos" zu tun. Vielleicht haben Sie schreckliche und höchst gefährliche Zustände erlebt, die Ihr ganzes Leben erschüttert haben. Trotzdem finden viele Menschen mit ähnlichen Erfahrungen nach der Erkrankung wieder ganz zu sich zurück und dürfen sich als gesund betrachten. Genau dies ist mit einer gutartigen Verlaufsform gemeint.
    Schwerwiegendere Verlaufsformen einer Krankheit führen hingegen zu bleibenden Beeinträchtigungen.
    Wenn Sie wissen, daß Sie krank waren und weiterhin gefährdet bleiben, können Sie viel dazu tun, sich mit Ihrer Besonderheit besser zu verstehen, drohende Krisen selbst [<7] im Voraus erkennen und Schutzmaßnahmen ergreifen. Dazu kann auch die vorübergehende Einnahme von Medikamenten gehören.
    Dauernd Medikamente einzunehmen ist für Menschen mit eher gutartigen Psychosen eine zwiespältige Empfehlung. Der Rückfallschutz, den die Medikamente versprechen, wird teuer erkauft mit der Einschränkung der seelischen Lebendigkeit. Wer nach dem Abklingen der Psychose wieder gesund ist, braucht logischerweise keine Medikamente mehr, sondern schadet sich womöglich.
    In den letzten Jahren hat es sich weitgehend eingebürgert, allen Patienten sofort nach dem ersten Auftreten einer Psychose eine Langzeitmedikation von mindestens einem, eher sogar zwei Jahren zu verordnen. Das war nicht immer so. Eine ältere Empfehlung lautete, die Entscheidung für eine Langzeitbehandlung erst nach etwa zwei Jahren zu treffen. Zweifellos war dies logischer, weil man vorher ja gar nicht wissen kann, ob die Krankheit einen eher gutartigen Verlauf nimmt oder schwerwiegend ist.
    In der Psychiatrie wie in allen medizinischen Disziplinen gehen die herrschenden Lehrmeinungen immer wieder hin und her. Gerade in diesem Fach sollten aber die Patienten/innen als Experten in eigener Sache ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Bei Psychosen geht es um das ganz persönliche innere Erleben, das sich nicht durch Laborbefunde, Fragebögen und dergleichen objektiv feststellen läßt. Nur Menschen mit Psychoseerfahrung können helfen, gewisse wissenschaftlich umstrittene Fragen der Psychiatrie zu klären. Die Zusammenschlüsse der Psychiatrie-Erfahrenen haben sich dieser wichtigen Aufgabe in den letzten Jahren bereits gestellt."



    Aus: Wozu braucht die Psychiatrie Diagnosen ?
     
    "Als erstes will der kranke Mensch wissen: 'Was habe ich? Wo kommen meine Bauchschmerzen her?' Die Diagnose gibt ihm die Sicherheit, daß der Arzt seinen Zustand wiedererkennt als eine Gesundheitsstörung, die auch schon bei anderen Menschen aufgetreten ist und deshalb einen Namen hat, beispielsweise "Gastritis". Für den geplagten Patienten hat bereits diese Namensgebung in der Regel eine entlastende Wirkung, bekannt als 'Rumpelstilzchen-Effekt.' 
       Als nächstes will die Krankenkasse wissen, daß der Patient rechtmäßig krankgeschrieben wird. Anspruch auf diese Vergünstigung besteht nur bei einer anerkannten Krankheit, die eine entsprechende Bezeichnung trägt.
       Bei häufigen, leicht und sicher behandelbaren Bagatellerkrankungen ist der psychologische und soziale Zweck einer Diagnose oft wichtiger als ihre medizinische Bedeutung. [<22] 
       Bei ernsten oder unklaren Gesundheitsproblemen ist die Diagnose jedoch die Voraussetzung der Behandlung. Deshalb muß ieder Mediziner sich zunächst klar werden  'Vor die Theranie hahen die Götter die Diagnose gestellt.' 
       Im günstigsten - und eher seltenen - Fall ergibt die Diagnose sogleich die Behandlungsanweisung."


    Wie entstehen und wozu führen psychiatrische Fehldiagnosen ?
    Fall 1: Eifersuchtswahn bei nicht erkanntem Hirntumor
    Fall 2: Schizoaffektive Psychose statt Cannabispsychose
    Fall 3: Paranoid-halluzinatorische Schizophrenie statt akute vorübergehende psychotische Störung
    Fall 4: Paranoide Schizophrenie statt Schizophreniforme Störung mit günstigen prognostischen Mermalen
    Fall 5: Paranoide Schizophrenie statt Schizophreniforme Störung, vermutlich induziert durch Malariaprophylaxe, Rezidiv nach Absetzen der Langzeitmedikation
    Fall 6: Hebephrenie statt Zustand nach Adoleszenzpsychose.

    Kritische Anmerkung: Obgleich die Autorin S. 29 meint: "'Psychose' ist sowenig eine Diagnose wie das oben erwähnte Beispiel 'akuter Bauch'" weicht sie selbst mehrfach auf diesen noch allgemeineren Begriff der 'Psychose' aus und widerspricht sich damit ein bißchen selbst.



    Ausblick
    Ein wissenschaftlich, praktisch und ökonomisch einwandfreies Diagnostiksystem beruht auf elementarsten operationalen Diagnosen, die unempfindlich gegenüber diagnostischen Moden und Erkenntnisfortschritt sind. Ein Zifferncodesystem würde im übrigen sämtliche sprachlichen Stigmatisierungen beseitigen und Diagnostiker zum klaren und umfassenden differentialdiagnostischen Denken zwingen und allen nutzen: den PatientInnen, ihren Angehörigen, den PsychopathologInnen und PsychotherapeutInnen, Wissenschaft und Forschung und dem medizinischen Versorgungsystem.


    Querverweise
    Standort: Bin ich wirklich schizophren?
    Überblick Diagnostik und Differentialdiagnostik in der IP-GIPT.
    Was-ist-Fragen in der Diagnostik.
    Das Geheimnis der "Achsen" und ihrer Wandlung  im DSM, im Diagnostischen und Statistischen Manual für Psychische Störungen.
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    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
    z.B. Diagnostik site:www.sgipt.org  * Fehldiagnosen site:www.sgipt.org * 
    Psychiatrie site:www.sgipt.org. oder <Psychopathologie site:www.sgipt.org>
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf (DAS). Buchhinweis zu Carola Burkhardt-Neumann: Bin ich wirklich schizophren? Die unsicheren Diagnosen der Psychiatrie und ihre Folgen für die Patienten.  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/medppp/schizo/dds-cbn.htm
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