Über den Aufbau einer präzisen Wissenschaftssprache
in
Psychologie, Psychopathologie, Psychodiagnostik
und Psychotherapie
aus Allgemeiner und Integrativer Sicht (GIPT(1))
Querverweise
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Operational-Konstruktive Definition psychologischer Termini
Das terminologische Chaos in der Heilkunde, Psychopathologie(2), Psychologie und Psychotherapie hat leider zur Folge, daß die WissenschaftlerInnen nicht vernünftig aufeinander aufbauen können und ein großer Teil der Arbeit, Zeit und Energie mit Sprachexegesen und häufig wenig ergiebigen Worterklärungen verbracht wird. Gerade im psychischen Bereich mit seinen vielen Flüchtigkeiten, Unklarheiten und Vieldeutigkeiten ist das konstruktiv operationale Definieren sehr schwierig und gerade hier wäre es absolut notwendig, wenn diese Wissenschaften wenigstens einmal ein paragalileiisches Niveau erreichen wollen(3). Denn viele wichtige Fachbegriffe in der Psychologie sind zugleich Alltagsbegriffe oder auch Begriffe in anderen Wissenschaften. Man sieht es den Wörtern nicht an, in welcher speziellen Bedeutung man sie verwendet. Dies führt zu vielen Mißverständnissen und Unklarheiten, die in der Wissenschaft unerwünscht sind und die beseitigt werden müssen. Hier fühlen wir uns dem Programm(4) der Erlanger Konstruktivisten verpflichtet (Kamlah & Lorenzen 1967).
So bedeutet z.B. in der Alltagssprache vorstellen: ein visuelles Bild haben, eine beliebige sinnliche Vergegenwärtigung, eine Phantasie, eine Idee haben, denken, erinnern, tagträumen, "vorstellen" u.a.m. Das sind nun psychologisch ganz unterschiedliche Funktionen, die man beim wissenschaftlichen Arbeiten unterscheiden muß. Zusätzlich gibt es in der Psychopathologie und Medizin natürlich die Möglichkeit, die körperliche Seite einer Funktion, z.B. phantasieren, denken, fühlen, wollen, tun, zu meinen. Erregung in physiologischer Interpretation würde dann z.B. etwa bedeuten: erhöhter Blutdruck, vermehrte Schweißabsonderung, Pupillenerweiterung, schnelle Atmung, Erhöhung der Muskelspannung u.a.
Differentielle Funktoren. Zunächst ist es daher sinnvoll, zwei differentielle Zeichen zur Unterscheidung einer psychologischen Funktion und ihres materiellen Substrats zu wählen. Wir haben in der Allgemeinen und Integrativen Psychologie und Psychotherapie das Problem so gelöst, daß wir mit besonderen und sinnvollen griechischen Buchstaben, die wir den Wörtern voranstellen, deutlich machen, in welcher spezifischen Bedeutung wir das Wort verwenden.
Psychologischer Funktor y. Wir kennzeichnen eine psychologische Funktion durch den griechischen Buchstaben = y = Psi (gr. Psi, yuch (psyche): Seele), z.B. fühlen, denken, wollen, vorstellen. Da es in der Psychologie immer noch unterschiedliche "Schulen" und Theorien gibt, kann durch einen Index genauer spezifiziert werden, in welcher Bedeutung der Begriff verwendet wird, z. B. GIPT (GIPT = Allgemeine und Integrative Psychotherapie), PA (PA = Psychoanalyse), GESTALT (GESTALT = Gestaltpsychologie), BEHAV (BEHAV = Behaviorismus).
Heilmittel Funktor. Den griechischen Buchstaben J = Theta verwenden wir, wenn wir einen Begriff in seiner Heilmittelfunktion verwenden wollen. Psychisches Heilmittel, Heilwirkfaktor (gr. Theta, Jerapeia (therapeia): Heilung), z.B. J einsehen, J zulassen unterdrückter Erinnerungen, J stellen (konfrontieren), J sich überwinden und J mutig sein, J differenzieren, J entspannen, J lernen, J loslassen, J beherrschen.
Mittel-Funktor. Möchte man von der Heilmittelfunktion absehen, kann man einfach die Vorsilbe "Heil" weglassen und spricht dann ganz allgemein nurmehr vom "Mittel" (zum Zweck). Ein Mittel zum Heilzweck wird sozusagen zum Heilmittel J, wenn das Mittel zur Begleitung, Linderung, Besserung oder Heilung von Störungen mit Krankheitswert eingesetzt werden soll. Für Mittel zum Zweck fehlt ein eigentliches griechisches Wort, so daß sich Begriff und Wort des Werkzeuges organon (organon) anböte - aber mit dem Nachteil, daß sich o wenig vom lateinsichen o unterscheidet, so daß wir aus typologischen Gründen lieber in lautgestaltlicher Analogie den Buchstaben m (Mü) wählen. Die Kennzeichnung m loben bedeutet also z.B., daß wir loben als Mittel kennzeichnen, um einen Zweck zu erreichen - z.B. die Festigung eines Tuns oder Lassens - zur Abgrenzung von loben als z.B. spontanem Ausdruck von (freudiger) Anerkennung.
Somatischer Funktor. Betrachten wir die somatische, die "Hardwarekomponente" eines Begriffs, also seine naturwissenschaftliche Repräsentation im Gehirn oder im Körper, so kennzeichnen wir dies mit dem Präfix s des griechischen Sigmas (nach soma = soma = Körper). Sämtliche psychischen Funktionen haben eine materielle somatische Basis, sind an den Körper gebunden (> Die naturwissenschaftliche Codierung des Erlebens und die Natur des Erlebens). Wenn wir über die somatische Repräsentation psychischer Funktionen sprechen, kennzeichnen wir z.B. wie folgt: s denken, s fühlen, s empfinden, s wahrnehmen, s planen, s vorstellen, s phantasieren.
Störungs Funktor. Begriffe, die eine Störung repräsentieren sollen, kennzeichnen wir mit dem Anfangsbuchstaben Tau (t) des griechischen Wortes für Störung tarach (tarach).
Doppelcharakter und Inverse: J und t sind wechselseitig invers. Wir wollen im folgenden erstens die merkwürdige und scheinbar widerspruchsvolle Natur, den Doppelcharakter aller potentiellen Heilmittel betrachten. Zweitens wollen wir darlegen, daß jede Heilung oder Störung als inverse Operation (Watzlawick 1979(5)) beschrieben werden kann. Eine inverse Operation stellt einen ursprünglichen, früheren Zustand wieder her.
Sich beherrschen kann z.B. in manchen Situationen ein Heilmittel sein (t Sucht, t negative Impulse, t kriminelle Impulse). Sich beherrschen ist z.B. die inverse Operation zu einer t Sucht. In anderen Fällen kann - nun übertriebene - t Beherrschung eine Störung anzeigen (t Hemmung, t verschlossen, t Angst, t Mutismus, t gesperrt, t nichts hergebend). t Beherrschung ist hier die inverse Operation zu einem Lassen oder Geben. Tilung, Sühne, Strafe, Buße sind die Inversen zur Schuld. Die Entschuldigung ist die Inverse zu einer Fehlleistung - wenn sie angenommen wird. Hat man einen schweren Personenverlust erlitten, mag J trauern, J weinen, J jammern und J klagen als Heilmittel dienen, t beherrschen könnte in einem solchen Fall ein schlimmes Symptom sein, weil es zurückhält, was raus sollte. J Warten kann manchmal sehr sinnvoll und nützlich sein, in anderen Situationen mag t warten sehr störend, ja krankheitswertig sein.
Denken kann manchmal der einzige Weg sein, ein Problem zu verstehen, um es zu lösen, in anderen Fällen mag t denken eine Störung sein, wenn man z.B. an Mißgeschicke denkt, die man vermeiden möchte (nicht einschlafen können, Erektionsschwäche, keinen Fehler machen in einer Prüfungssituation, zwanghaftes Denken, wahnhaftes Denken, falsches Denken, gesteigerte Aufmerksamkeit für körperliche Mißempfindungen [Hypochondrie] als Ausdruck für Krankheiten).
Eine unerschütterliche religiöse Überzeugung kann den Charakter eines in mancherlei Hinsicht heilsamen J Wahns (!) annehmen wie z.B. die unerschütterliche Überzeugung, es wird schon gut gehen. In einem anderen Zusammenhang kann die gleiche unerschütterliche t Überzeugung den Charakter einer schwerwiegenden Störung annehmen (siehe unten).
Konfrontieren mag in vielen Zusammenhängen ein wichtiges Heilmittel sein, zu frühes und zu massives t Konfrontieren, kann die Störung verschlimmern und ein Therapietrauma bewirken. Eine Lebenslüge kann ein wichtiges Heilmittel sein, eine t wahrhafte Aufklärung eine schlimme Krise und Störung auslösen, z.B. wenn jemand davon überzeugt war, daß die PartnerIn treu war. Diesen Glauben aufgeben müssen, kann einen Zusammenbruch des Lebenswertes zur Folge haben. In anderen Fällen mag eine t Selbsttäuschung sehr gefährlich sein und eine Störung repräsentieren.
Abb. Terminologische Grundbegriffe Heilmittellehre GIPT und
die Konzeption unterschiedlicher Welten
und Perspektiven
_
Viele Perspektiven erfordern sehr oft zugleich eine allgemein- alltägliche und psychologische Perspektive, nämlich immer dann, wenn zu den untersuchten oder erforschten Sachverhalten ProbandInnen befragt werden müssen (was bei einer Sektion z.B. nicht möglich ist). Hierbei geht sozusagen immer das Alltagsverständnis der ProbandInnen ein und um dieses zu kontrollieren wird man um die psychologische Perspektive meist nicht herumkommen.
Perspektiven
und Welten der Angst
Die vielfältige
Homonymie
des Wortes "Angst"
Erleben der a0,5 Angst
Biochemie der a2,3 Angst
Pharmakologie der a0,1,2,3,4,5
Angst
Ausdruck der a0,5,12
Angst (Bewegung,
Haltung, Mimik, Gestik)
Körperliches Empfinden der a0,3,4,5
Angst
Psychosomatik der a0,3,4,5 Angst
Motivationale Auswirkungen der a0,5
Angst
Auswirkungen der a0,5
Angst auf
das Befinden
Auswirkungen der a0,5 Angst auf
das Verhalten
Fremdwahrnehmung der a0,5,10
Angst
Anatomische Orte der a0,4,5
Angstentstehung
Anatomische Wege der a0,4,5
Angstverbreitung
Informationstechnik der a0,4,5,6
Angst
(im Körper)
Modelle der a0,1,2,3,4,5,6,10,13, ...,
x Angst
Vorbeugen gegen a0,1,2,3, ..., 13,
..., x Angst
Störungen des a0,1,2,3,4,5
Angsterlebens
Therapie der Störungen des a0,1,2,3,4,5,8,10,11,13
..., x Angsterlebens
Vorbemerkung: Wahn verleiht Wahrnehmungen
eine Bedeutung, die vom sozialen Bezugssystem nicht geteilt wird, z.B.
wenn jemand unkorrigierbar überzeugt meint, er werde vergiftet, verfolgt,
geliebt, gehasst, behindert, benachteiligt usw. Die Übergänge
können sehr fließend und sehr schwierig sein.
Es können ganze Gesellschaften an einem Wahn
teilnehmen, z.B.: (1) der Wahn, es gebe Hexen, die es zu vernichten gelte;
(2) die Existenz Gottes, des Teufels
und der Hölle, ist für nicht wenige ein Wahn; (3) die Juden
seien Unglück und Verderben der germanischen Herrenrasse war der Wahn
Hitlers und seiner
fanatisierten AnhängerInnen;
(4) die Projektion des Bösen in die Welt durch Präsident Bush
könnte durchaus für die eine oder andere größere gesellschaftliche
Gruppe einen Wahn repräsentieren. (5) Viele Religions-, Glaubens-,
Esoterik und Sektensysteme sind wahnfähig, wie etwa die großen
Auerwähltreligionen,
manche EsoterikerInnen, SatanistInnen oder die Sekte Scientology. (6) Die
pathologische
katholische Sexuallehre ist ebenfalls eine gute Kandidatin für
ein Wahnsystem. (7) In der 13. Woche 2002 anläßlich eines islamischen
Kulturschande Prozesses in Nigeria ging durch die Medien, daß nach
dem islamischen Rechtssystem, der Scharia, eine Frau auch durch einen abwesenden
Mann noch bis zu 7 Jahren empfangen kann ("ruhende Schwangerschaft").
(8) Das Dogma der sog. unbefleckten Empfängnis Maria liefert eine
christlich- katholische Entsprechung. (9) Antipsychiatrische autonome radikal
FundamentalistInnen (ARAF) erklären zuweilen unkorrigierbar überzeugt
die gesamte Psychiatrie für ein Wahnsystem (des Teufels); (10) in
Kriegszeiten nimmt die Verteufelung und Entwertung des Feindes häufig
Wahncharakter an..
Es gibt auch weniger eindeutig negative Wahnsysteme,
wie etwa (11) manche kaum korrigierbar geglaubten Botschaften der Werbung,
(12) kaum korrigierbare Pseudo- Wirklichkeitsinszenierungen in den Medien
oder (13) Meinungen von bestimmten Menschen, Sachverhalten oder Ereignissen.
Wahn wird im Gehirn erzeugt. Wie das geht, wissen
wir zur Zeit noch nicht. Wir wissen nicht, ob Wahn, Wahnstörungen
und Wahnerkrankungen eine genetische Anlage mitbringen, ob die Hardware,
das Betriebssystem Gehirn oder einzelne Softwareprogramme,
die vom Leben und Erfahrungen geschrieben worden sind, Wahn hervorrufen
können und wie die verschiedenen Faktoren zusammenwirken.
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z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
z.B. Terminologie site:www.sgipt.org. |