Gleichheit und gleichen im alltäglichen Leben
und in der Wissenschaft
Näherungen, Ideen, Ansätze, Modelle und Hypothesen
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Viele konkreten Gegenstände des
Alltagslebens gleichen sich: Teller, Tassen, Messer, Gabeln, Türgriffe,
Kopien, Bücher, Nahrungsmittel, Benzin, Strom, Wasser, Kaffee, Bier,
Zucker, Backsteine, Mörtel, Hölzer, Stecknadeln, Büroklammern,
Autos, Kugelschreiber, Hemden, Hosen, Düfte, Farben, Formen, Massen,
Gewichte, Entfernungen u.v.a.m. Viele dieser Dinge kann man als Kopie
auffassen, manches scheint auch durch Vergrößerung, Verkleinerung,
Stauchung oder Streckung auseinander hervorzugehen. Manches scheint gleich,
manches scheint ähnlich und anderes wiederum mehr oder minder verschieden.
So weit "Gleiches" oder "Ähnliches" in der Vielfalt des Konkreten.
Zum besseren Verständnis wird es nützlich sein, wenn wir uns
mit folgenden Grundbegriffen auseinandersetzen:
Unterschied, unterschiedlich, unterscheiden
Ähnlichkeit, ähnlich, ähneln Gleichheit, gleich, gleichen Identität |
von Gegenständen, Objekten, Merkmalen, Ereignissen, Geschiehnissen, Handlungen, Sachverhalten, Zuständen, Dingen, Eigenschaften oder Beziehungen |
Unterschied,
unterschiedlich, unterscheiden
Unterscheiden ist die elementarste wahrnehmungs-, mentale und logisch
propädaeutische und logische Funktion.
Ähnlichkeit,
ähnlich, ähneln
Zwei Objekte heißen ähnlich oder ähneln sich, wenn
man sie bezüglich eines Wahrnehmungssystems in einigen betrachteten
Kriterien k1 ... km nicht und in anderen Kriterien
km ... ks unterscheiden kann .
Gleichheit,
gleich, gleichen
Zwei Objekte heißen gleich oder gleichen sich, wenn man sie bezüglich
eines Wahrnehmungssystems in den betrachteten Kriterien k1...kn
nicht unterscheiden kann.
Die Gleichheit kann je nach Abstraktion in den betrachteten
Kriterien k1...kn und dem gewählten Wahrnehmungssystem
und mehr oder minder vollständig sein.
Relativ zur Abstraktion in den betrachteten Kriterien
k1...kn und dem gewählten Wahrnehmungssystem
nennen wir gleiche Objekte auch Kopien. Hierbei mögen auch Funktionskopien
berücksichtigt sein, etwa zwei unterschiedliche Scheren, die in ihrer
Funktion schneiden aber gleich sind. Die wichtige Prüfungfunktion
für Gleichheit ist die Ersetzbarkeit durch Austauschen oder Überführen.
Zwei körperliche Objekte unterscheiden sich immer durch ihre räumliche
Lage, daher sind sie hinsichtlich ihrer räumlichen Lage ungleich.
Doch selbst wenn sie ausgetauscht werden, kann die exakt gleiche Lage unter
Umständen nicht mehr hergestellt werden. Und sie unterscheiden sich
auch bezüglich der Zeit, zu der sie am jeweiligen Ort im Raume sind.
In der Mathematik und Logik bedeutet gleich eine
Äquivalenz-Relation, für die gilt: reflexiv (a=a), symmetrisch
(wenn a=b, so b=a) und transitiv (wenn aus a=b und b=c folgt a=c).
Identität >
s.a. Identität im Definitionsartikel
mit Lösungsvorschlag.
Identisch ist jedes Objekt für einen bestimmten Zeitraum nur mit
sich selbst. Wodurch unterscheidet sich nun die Identität von der
Gleichheit? Oder, genauer gefragt: wie kann man Identität
von Gleichheit unterscheiden - oder geht das gar nicht?
Eine erste intuitive Idee konstruiert das Kriterium
der Kopie. Gleiche Objekte können als Kopien voneinander angesehen
werden bzw. von Objekten können gleiche Kopien gebildet werden, während
auch jedes gleiche Objekt genau und nur eine Identität hat. Identität
ist nicht kopierbar, hat keine Kopie. Man kann Identität als einen
Zeiger ansehen, der auf genau ein einziges Objekt gerichtet ist. Ein Gleichheitszeiger
kann hingegen auf mehrere Objekte gerichtet sein. Dies kann durch Abstraktion
sehr weit getrieben werden. Als die beiden allgemeinsten abstrakten Objekte
könnte man das Sein und das Nichts, wie das berühmte Hauptwerk
Sartres heißt, ansehen. Die Welt dessen, was nicht ist, die Existenz
des Nichtexistenten mutet aber schon rein sprachlich ziemlich paradox an.
Eine zweite intuitive Idee konstruiert ein Unveränderlichkeits-Kriterium
bezüglich eines Merkmals. Dieses Merkmal bliebe dann über
die Zeit gleich oder wird als über die Zeit gleichbleibend
gedacht. Das ist im allgemeinen bei geistig gesunden und wachen Menschen
der Fall:
Exkurs:
Paradoxie der Identität im Psychischen: Obwohl sich die meisten
Menschen Zeit ihres Lebens als eben ein und derselbe Menschen fühlen,
also Identität erleben, ändern sie sich doch fortwährend.
Die Identitätsfunktion im Erleben ist sozusagen invariant gegenüber
Veränderungen. Nur bei bestimmten psychischen Störungen kann
sich das ändern. Man darf daher die psychische Identitätsfunktion
nicht mit der logischen durcheinanderbringen.
Die dritte Idee ist eine Spezifikation der zweiten
Idee. Als das unveränderliche Merkmal wird die Identität und
nur die Identität eines geistigen Modells angesehen, dessen Inhalt
und Form sich ansonsten vielfältig verändern kann - eben bis
auf die Identität.
Wann verliert ein Modell oder Objekt seine Identität?
Ein Mensch mit dem Tod oder schon mit dem Verlust seiner persönlichen
Identität, wenn er sein Gedächtnis verliert? Manche historische
Persönlichkeiten existieren heute noch: sie haben Einträge in
Geschichtsbüchern oder Lexika; es gibt Informationen und Berichte
über sie. Die Identität Alexanders, des Großen, Goethes,
Mozarts oder Leonardo Da Vincis gibt es immer noch, obwohl sie längst
tot, physisch aufgelöst und vergangen sind. All das, was unterschieden
und mit einem individuellen Eigennamen versehen werden kann, kann dadurch
Identität erhalten. Die Identitätszuordnung scheint zu den wenigen
Konstanten dieser Welt zu gehören.
Doch was meinen wir, wenn wir von der Tasse, dem Teller oder Buch, der Büroklammer, der Form oder der Hose sprechen? Nun, dann sprechen wir nicht mehr von konkreten Dingen, sondern von - wie man in der logischen Propädeutik und Philosophie zu sagen pflegt - Abstrakta: den Begriffen. Was geschieht da, was tun wir da? Von potentiell unendlich vielen konkreten Realisierungen gelangen wir 'plötzlich' zu einem einzigen Begriff.
Zum
Universalienstreit am Beispiel der Schneeflocken
Es heißt, es gäbe über 6000 Schneekristallformen und
die Schneeflocke sei, genau betrachtet, ein Unikat, d.h. es gebe keine
zwei gleichen Schneeflocken. Nun, dies kann man Grunde nur dann behaupten,
wenn alle Schneeflocken miteinander verglichen würden, was nicht möglich
ist. Außerdem stellt sich die Frage, ob das Vergleichen die Schneeflocke
nicht schon so verändert, so daß nicht mehr klar wäre,
ob ein Unterschied oder kein Unterschied durch den Vergleichsvorgang herbeigeführt
wurde oder nicht. Warum nennt man aber die bislang so verschiedenartigen
Unikate allesamt "Schneeflocke"? Ist das nur eine sprachliche Fehlleistung,
eine Oberflächlich- und Nachlässigkeit, oder bedeutet das, daß
alles Schneeflockenunikate etwas gemeinsam haben, daß man sie nämlich
- mit Fug und Recht - als Schneeflocken bezeichnet? Was also ist
das allen Gemeinsame, das "Schneeflockige" an den verschiedenartigen Schneeflockenunikaten?
Ähnliches ließe sich vom Begriff Mensch, Hund
oder Atom sagen oder fragen.
Franziskaner. 1324 Anklage wegen Ket- zerei. Scharfe Kritik des Platonismus und des Aristoteles. 4 J. U-Haft, Flucht zu Ludwig, dem Bayern. Exkommunikation. 1339 Verbot seiner Lehrmeinungen der Fakultät von Paris. |
Das Ockam'sches Rasiermesser:
Mehrdeutig: 1) Die Verfielfachung der Begriffe durch die Annahme der Existenz
einer eigenen idealen Begriffsweltsphäre oder einer eigenen Existenzform
in den realen Dingen soll durch das Ockhamsche Rasiermesser abgeschnitten
werden. 2) Die allgemeine Bedeutung besteht in einer Art Ökonomie-Prinzip
der Wissenschaft, wonach man nicht mehr Termini und Voraus- setzungen annehmen
soll als nötig sind. Das Zitat "Entia non sunt multiplicanda sine
necessitate." ist bei Ockham nicht nachweisbar, wird aber oft als Ockhams
Rasiermesser zitiert.
Nominalismus: Den erkenntnistheoretischen Standpunkt, wonach man streng zwischen den Dingen und ihren Namen unterscheiden müsse und die Universalien (Allgemeinbegriffe) nicht in einer eigenen idealen Welt oder in den Dingen existieren, sondern nur eine Konstruktion des menschlichen Geistes sind, bezeichnet man als Nominalismus. Diese Auffassung passt gut zum heutigen Konstruktivismus, wird aber z.B. von Stegmüller philosophisch in Frage gestellt. Nach Ockham ist ein "Universale einerseits eine begriffliche Leistung des Erkenntnisvermögens, andererseits als 'signum praedicabile de pluribus', ein Zeichen, das von vielem ausgesagt werden kann (Summa logicae 114, Opera philos. 1, 49). Die Universalität der Begriffe beruht damit auf ihrer Verwendung als Zeichen für 'vieles' und nicht in der Existenz einer allgemeinen Substanz 'extra mentem'." [Zitatquelle] |
Nun, mit diesen Fragen sind wir mitten in einer alten philosophischen Debatte: dem Universalienstreit, dem Wolfgang Stegmüller eine kleine Monographie gewidmet hat [Auszug im Internet]. Philosophiegeschichtlich war lange Zeit die Frage bedeutsam, in welcher Weise das von Begriffen Bezeichnete oder Gemeinte existiert: der Baum, das Rote, die Schneeflocke, das Gefühl, die Angst, der Mut, der Hund, das Haus usw. Betrachten wir den Sachverhalt genau, wird man feststellen, daß es all das in der konkreten und wirklichen Wirklichkeit so nicht gibt. Es gibt viele Bäume, aber nicht den Baum; es gibt viele Objekte, die rot sind, aber nicht das Rote usw. Es gibt potentiell unendliche viele konkrete Schneeflocken, aber nicht die Schneeflocke. Und doch sagen wir zu all den mehr oder minder konkret verschiedenen Schneeflocken: Schneeflocke. Gibt es nun etwas, das all den potentiell unendlich vielen Schneeflocken gemeinsam ist, sozusagen an 'wahrhaft' Schneeflockige an der Schneeflocke?
Abstrahieren
Abstrahieren als absehen von etwas und beschränken
auf bestimmte Merkmale ist ein sehr wichtiger und nützlicher Vorgang
nicht nur im Alltag, sondern auf allen Gebieten der Wissenschaft. In der
Denkpsychologie beschäftigt man sich damit, wie solche Begriffsbildungen
zustande kommen, in der Pädagogik, wie man sie lehren, lernen und
fördern kann und in der Logik, wie die einzelnen hierzu nötigen
formalen Schritte aussehen, aussehen sollen oder müssen. Letztlich
erfolgt logisch immer eine Klassenbildung wenigstens der einfachen Art:
Zusammenfassung zu einer Klasse derjenigen Objekte, die gewisse Merkmale
m haben, wobei die sonstigen Merkmale s nicht interessieren
und daher nicht betrachtet werden.
Universalien im Lichte der Denkpsychologie. Leseprobe aus Wolfgang
Stegmüller:
"DAS UNIVERSALIENPROBLEM EINST UND JETZT
Gibt es Universalien? Und wenn es sie gibt, haben sie dann nur in unserem Geiste Bestand oder auch in der von unserem Denken unabhängigen Wirklichkeit? Und wenn sie in der Wirklichkeit existieren, kommen sie dann nur in und an den konkreten Einzeldingen zur Erscheinung oder haben sie eine von diesen getrennte Existenz? Seit der Antike gehören diese Probleme zu den meistdiskutierten der Metaphysik und auch im gegenwärtigen Stadium der Philosophie ist die Frage keineswegs verstummt, ob wir neben den Dingen der realen Welt noch Gegenstände von ganz anderer Art anzunehmen haben, insbesondere: ideale Wesenheiten, unverwirklichte Möglichkeiten und Werte. Kritisch eingestellte Denker, vor allem Jene aus dem Lager der Empiristen, neigen dazu, in derartigen Fragestellungen Scheinprobleme zu erblicken. Und selbst wenn sie diese Fragen nicht rundweg für sinnlos erklären, so glauben sie doch, alle platonischen Ideen mit begründetem Recht verwerfen zu können. Zur Elimination dieser überflüssigen Wesenheiten holen sie aus ihrer Truhe ein altes Instrument hervor, das Ockham'sche Rasiermesser, dessen Wirksamkeit nach ihrer Meinung dadurch erhöht worden ist, daß es in der Schmiedewerkstatt der modernen Logik einen neuen Schliff bekommen hat. An der Unverwüstlichkeit gewisser idealer Gebilde wie Mengen oder Klassen, Relationen, Zahlen und Funktionen stumpft sich dieses Messer Jedoch rasch wieder ab und es wird zumindest ein gewisser Zweifel wach, ob die negative Einstellung in der Universalienfrage nicht eine Voreiligkeit war. Die Berufung auf unmittelbare Evidenz hat gewöhnlich den Nachteil, sofort zu unschlichtbaren Streitigkeiten zu führen. So auch hier. Angehörige der Platonistengruppe [FN01WS] behaupten, es sei unmittelbar evident, daß wir unfähig wären, generelle Prädikatausdrücke wie "grün", "Mensch" oder "Dummkopf" zu verstehen, wenn wir nicht Universalien erfassen könnten. Bisweilen kleiden sie ihre These in [193] ein weniger linguistisches Gewand und sprechen von der Unmöglichkeit, eine Ähnlichkeit zwischen Objekten festzustellen, wenn uns nicht zugleich ein bestimmtes Universale gegenwärtig wäre, also z.B. die gemeinsame Idee des Grünen in grünen Almweiden, grünen Lampenschirmen, grünen Smaragden und grünen Ahornblättern. Nominalisten nennt man jene Philosophen, die sich für außerstande erklären, die Richtigkeit dieser angeblich evidenten Behauptung einzusehen und welche darüber hinaus die Meinung vertreten, daß der Hinweis auf solche metaphysische Gegenstände keine andere Wirkung habe als die, philosophische Verwirzung zu stiften. "Der Sehende hat immer recht« sagt der Platonist, "wer etwas zu sehen glaubt, kann an Halluzinationen leiden« der Nominalist, um dann hinzuzufügen "und wer nichtkonkrete Objekte zu schauen vermeint, der leidet gewiß an solchen". Will man die Diskussion nicht in eine usfruchtbare gegenseitige Versicherung der einzelnen Vertreter von der Unhaltbarkeit oder Unsinnigkeit der gegenteiligen These abgleiten lassen, so muß man zunächst untersuchen, ob sich in der vorwissenschaftlichen wie in der wissenschaftlichen Diskussion linguistische Faktoren aufzeigen lassen, in denen Objekte von der Art der Universalien ausdrücklich vorausgesetzt sind. Ferner gilt es, die eingangs in einer bildhaften Sprache formulierten Fragen in ein einwandfreies logisches Gewand zu kleiden. 2. Platonismus und Nominalismus
Am Ende seiner Analyse fasst Stegmüller zusammen (S. 117f): 1. Den Ausgangspunkt bildete die Frage, ob es Irgendwelche linguistische Faktoren gibt, in deren Verwendung eine explizite Voraussetzung- von der Art der Universalien seitens des Sprachbenutzers zutage tritt. 2. Die Antwort lautete: ja. Bei dem Schluß von der Sprache auf die Ontologie darf man sich jedoch weder auf Namen oder namens-ähnliche Ausdrücke noch auf Prädikate stützen. Ob jemand Platonist ist oder Nominalist, hängt nicht davon ab, was für Individuenprädikate er verwendet, sondern davon, was er als Werte für seine gebundenen Variablen zuläßt. 3. Wer abstrakte Gegenstandsvariable (Klassen-, Prädikat-, Zahl-, Funktionsvariable usw.) verwendet, ist Platonist; wer auf solche Variable verzichtet, ist Nominalist. Diese beiden Standpunkte bilden eine vollständige Disjunktion. Stets ist der Platonisnius das reichere System gegenüber dem. Nominalismus. 4. Der vermeintliche Gegensatz zwischen der These „universalia in rebus" und universalia ante res" innerhalb des Platonismus erweist sich als fiktiv, 5. Die nominalistische Grundthese lautet: Alles, was in einem platonistischen System gesagt werden kann, das kann auch in einem nominalistischen gesagt werden: der Platonismus ist eine bloße façon de parler. Diese These konnte bis heute nicht bewiesen werden und es bestehen kaum Aussichten dafür, daß sie in dieser allgemeinen Form je bewiesen werden könnte. Nur für eine begrenzte Gesamtheit platonistischer Kontexte gelang es, sie in eine nominalistische Sprache umzuformulieren. 6. Das Problem des Platonismus besteht in der Frage, ob es nichtkonkrete Gegenstände gibt. Dieses Problem hat nichts mit der Frage der Allgemeinerkenntnis zu tun. Auch der Nominalist kann generelle Prädikate verwenden und generelle wahre Aussagen formulieren (vorausgesetzt, daß er sein „alle" und „es gibt'' nur auf Konkretes bezieht). Es ist daher verfehlt, den Gegensatz „Nominalismus - Platonisnius" in das Schema „Einzelerkenntnis - Allgemeinerkenntnis" hineinzuzwängen. 7. Der sog. Konzeptualismus ist in zwei Formen denkbar: als psychologischer und als konstruktiver. Der psychologische Konzeptualimus ist zum Scheitern verurteilt. Der konstruktive Konzeptualismus dagegen tritt gerade heute ganz in den Vordergrund: er ist jedoch eine Abart des Platonismus. Ihm steht der Platonismus im. strengen Sinn gegenüber, der jedoch zu Widersprüchen führt. Der konstruktive Konzeptualimus vermeidet diese Widersprüche durch Verzicht auf imprädikative Begriffsbildungen, 8. Die drei Begriffe Nominalismus - Konzeptualimus - Platonismus finden genaue quantitative Entsprechungen in den drei Begriffen: endliche Gesamtheit - abzählbar unendliche Gesamtheit - über- [>118] abzählbar unendliche Gesamtheiten. Der konstruktive Konzeptualimus anerkennt die Unendlichkeit, er muß jedoch die Vorstellung einer absolut überabzählbaren Unendlichkeit (ebenso wie die einer abgeschlossenen abzählbaren Unendlichkeit) als sinnlos Verwerfen. Der Nominalist verwirft bereits den Begriff der Unendlichkeit als solchen. 9. Nominalismus und strenger Platonismus sind beide mit einer Krankheit
behaftet. Der strenge Platonismus leidet an der Antinomienkrankheit und
diese ist tödlich. Der Nominalismus trägt zwar keinen tödlichen
Krankheitskeim in sich, aber er leidet an Schwäche. Sofern er nicht
in der Zukunft eine Injektion mit einem Kräftigungsmittel erhalten
sollte, das seine Leistungsfähigkeit in ungeahntem Maße steigert,
wird er auch gegen die schwächste Form eines konstruktiven Konzeptualismus
stets den Kürzeren ziehen."
FN01WS Ich verwende das Wort "Platonist" zur Bezeichnung für jene Philosophen, welche die später zu definierenden Bedingungen des Platonismus erfüllen, im Gegensatz zu "Platoniker" als Bezeiclmung für einen Anhänger der Lehre Platos. |