Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    IP-GIPT DAS=12.05.2001 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung 15.04.11
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel_ Stubenlohstr. 20 _D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Abteilung Abstrakte Grundbegriffe aus den Wissenschaften (Analogien, Modelle und Metaphern für die allgemeine und integrative Psychologie und Psychotherapie sowie Grundkategorien zur Denk- und Entwicklungspsychologie):

    Gleichheit und gleichen im alltäglichen Leben
    und in der Wissenschaft

    Näherungen, Ideen, Ansätze, Modelle und Hypothesen

    von Rudolf Sponsel, Erlangen

        Viele konkreten Gegenstände des Alltagslebens gleichen sich: Teller, Tassen, Messer, Gabeln, Türgriffe, Kopien, Bücher, Nahrungsmittel, Benzin, Strom, Wasser, Kaffee, Bier, Zucker, Backsteine, Mörtel, Hölzer, Stecknadeln, Büroklammern, Autos, Kugelschreiber, Hemden, Hosen, Düfte, Farben, Formen, Massen, Gewichte, Entfernungen u.v.a.m. Viele dieser Dinge kann man als Kopie auffassen, manches scheint auch durch Vergrößerung, Verkleinerung, Stauchung oder Streckung auseinander hervorzugehen. Manches scheint gleich, manches scheint ähnlich und anderes wiederum mehr oder minder verschieden. So weit "Gleiches" oder "Ähnliches" in der Vielfalt des Konkreten. Zum besseren Verständnis wird es nützlich sein, wenn wir uns mit folgenden Grundbegriffen auseinandersetzen:
     
    Unterschied, unterschiedlich, unterscheiden
    Ähnlichkeit, ähnlich, ähneln
    Gleichheit, gleich, gleichen
    Identität
    von Gegenständen, Objekten, Merkmalen, Ereignissen, Geschiehnissen, Handlungen,  Sachverhalten, Zuständen, Dingen, Eigenschaften oder Beziehungen

    Unterschied, unterschiedlich, unterscheiden
    Unterscheiden ist die elementarste wahrnehmungs-, mentale und logisch propädaeutische und logische Funktion.

    Ähnlichkeit, ähnlich, ähneln
    Zwei Objekte heißen ähnlich oder ähneln sich, wenn man sie bezüglich eines Wahrnehmungssystems in einigen betrachteten Kriterien k1 ... km nicht und in anderen Kriterien km ... ks  unterscheiden kann .

    Gleichheit, gleich, gleichen
    Zwei Objekte heißen gleich oder gleichen sich, wenn man sie bezüglich eines Wahrnehmungssystems in den betrachteten Kriterien k1...kn nicht unterscheiden kann.
        Die Gleichheit kann je nach Abstraktion in den betrachteten Kriterien k1...kn und dem gewählten Wahrnehmungssystem und mehr oder minder vollständig sein.
        Relativ zur Abstraktion in den betrachteten Kriterien k1...kn und dem gewählten Wahrnehmungssystem nennen wir gleiche Objekte auch Kopien. Hierbei mögen auch Funktionskopien berücksichtigt sein, etwa zwei unterschiedliche Scheren, die in ihrer Funktion schneiden aber gleich sind. Die wichtige Prüfungfunktion für Gleichheit ist die Ersetzbarkeit durch Austauschen oder Überführen. Zwei körperliche Objekte unterscheiden sich immer durch ihre räumliche Lage, daher sind sie hinsichtlich ihrer räumlichen Lage ungleich. Doch selbst wenn sie ausgetauscht werden, kann die exakt gleiche Lage unter Umständen nicht mehr hergestellt werden. Und sie unterscheiden sich auch bezüglich der Zeit, zu der sie am jeweiligen Ort im Raume sind.
        In der Mathematik und Logik bedeutet gleich eine Äquivalenz-Relation, für die gilt: reflexiv (a=a), symmetrisch (wenn a=b, so b=a) und transitiv (wenn aus a=b und b=c folgt a=c).

    Identität > s.a. Identität im Definitionsartikel mit Lösungsvorschlag.
    Identisch ist jedes Objekt für einen bestimmten Zeitraum nur mit sich selbst. Wodurch unterscheidet sich nun die Identität von der Gleichheit? Oder, genauer gefragt: wie kann man Identität von Gleichheit unterscheiden - oder geht das gar nicht?
        Eine erste intuitive Idee konstruiert das Kriterium der Kopie. Gleiche Objekte können als Kopien voneinander angesehen werden bzw. von Objekten können gleiche Kopien gebildet werden, während auch jedes gleiche Objekt genau und nur eine Identität hat. Identität ist nicht kopierbar, hat keine Kopie. Man kann Identität als einen Zeiger ansehen, der auf genau ein einziges Objekt gerichtet ist. Ein Gleichheitszeiger kann hingegen auf mehrere Objekte gerichtet sein. Dies kann durch Abstraktion sehr weit getrieben werden. Als die beiden allgemeinsten abstrakten Objekte könnte man das Sein und das Nichts, wie das berühmte Hauptwerk Sartres heißt, ansehen. Die Welt dessen, was nicht ist, die Existenz des Nichtexistenten mutet aber schon rein sprachlich ziemlich paradox an.
        Eine zweite intuitive Idee konstruiert ein Unveränderlichkeits-Kriterium bezüglich eines Merkmals. Dieses Merkmal bliebe dann über die Zeit gleich oder wird als über die Zeit gleichbleibend gedacht. Das ist im allgemeinen bei geistig gesunden und wachen Menschen der Fall:
    Exkurs: Paradoxie der Identität im Psychischen: Obwohl sich die meisten Menschen Zeit ihres Lebens als eben ein und derselbe Menschen fühlen, also Identität erleben, ändern sie sich doch fortwährend. Die Identitätsfunktion im Erleben ist sozusagen invariant gegenüber Veränderungen. Nur bei bestimmten psychischen Störungen kann sich das ändern. Man darf daher die psychische Identitätsfunktion nicht mit der logischen durcheinanderbringen.
        Die dritte Idee ist eine Spezifikation der zweiten Idee. Als das unveränderliche Merkmal wird die Identität und nur die Identität eines geistigen Modells angesehen, dessen Inhalt und Form sich ansonsten vielfältig verändern kann - eben bis auf die Identität.
        Wann verliert ein Modell oder Objekt seine Identität? Ein Mensch mit dem Tod oder schon mit dem Verlust seiner persönlichen Identität, wenn er sein Gedächtnis verliert? Manche historische Persönlichkeiten existieren heute noch: sie haben Einträge in Geschichtsbüchern oder Lexika; es gibt Informationen und Berichte über sie. Die Identität Alexanders, des Großen, Goethes, Mozarts oder Leonardo Da Vincis gibt es immer noch, obwohl sie längst tot, physisch aufgelöst und vergangen sind. All das, was unterschieden und mit einem individuellen Eigennamen versehen werden kann, kann dadurch Identität erhalten. Die Identitätszuordnung scheint zu den wenigen Konstanten dieser Welt zu gehören.

    Vom Konkreten zum Abstrakten

      Doch was meinen wir, wenn wir von der Tasse, dem Teller oder Buch, der Büroklammer, der Form oder der Hose sprechen? Nun, dann sprechen wir nicht mehr von konkreten Dingen, sondern von - wie man in der logischen Propädeutik und Philosophie zu sagen pflegt - Abstrakta: den Begriffen. Was geschieht da, was tun wir da? Von potentiell unendlich vielen konkreten Realisierungen gelangen wir 'plötzlich' zu einem einzigen Begriff.

    Zum Universalienstreit am Beispiel der Schneeflocken
    Es heißt, es gäbe über 6000 Schneekristallformen und die Schneeflocke sei, genau betrachtet, ein Unikat, d.h. es gebe keine zwei gleichen Schneeflocken. Nun, dies kann man Grunde nur dann behaupten, wenn alle Schneeflocken miteinander verglichen würden, was nicht möglich ist. Außerdem stellt sich die Frage, ob das Vergleichen die Schneeflocke nicht schon so verändert, so daß nicht mehr klar wäre, ob ein Unterschied oder kein Unterschied durch den Vergleichsvorgang herbeigeführt wurde oder nicht. Warum nennt man aber die bislang so verschiedenartigen Unikate allesamt "Schneeflocke"? Ist das nur eine sprachliche Fehlleistung, eine Oberflächlich- und Nachlässigkeit, oder bedeutet das, daß alles Schneeflockenunikate etwas gemeinsam haben, daß man sie nämlich - mit Fug und Recht - als Schneeflocken bezeichnet?  Was also ist das allen Gemeinsame, das "Schneeflockige" an den verschiedenartigen Schneeflockenunikaten? Ähnliches ließe sich vom Begriff  Mensch, Hund oder Atom sagen oder fragen.
     
    William of Occam (1280/88-1347/49)

    Franziskaner. 1324 Anklage wegen Ket- zerei. Scharfe Kritik des Platonismus und des Aristoteles.  4 J. U-Haft, Flucht zu Ludwig, dem Bayern. Exkommunikation. 1339 Verbot seiner Lehrmeinungen der  Fakultät von Paris.

    Das Ockam'sches Rasiermesser:  Mehrdeutig: 1) Die Verfielfachung der Begriffe durch die Annahme der Existenz einer eigenen idealen Begriffsweltsphäre oder einer eigenen Existenzform in den realen Dingen soll durch das Ockhamsche Rasiermesser abgeschnitten werden. 2) Die allgemeine Bedeutung besteht in einer Art  Ökonomie-Prinzip der Wissenschaft, wonach man nicht mehr Termini und Voraus- setzungen annehmen soll als nötig sind. Das Zitat "Entia non sunt multiplicanda sine necessitate." ist bei Ockham nicht nachweisbar, wird aber oft als Ockhams Rasiermesser zitiert.
    Nominalismus: Den erkenntnistheoretischen Standpunkt, wonach man streng zwischen den Dingen und ihren Namen unterscheiden müsse und die Universalien (Allgemeinbegriffe) nicht in einer eigenen idealen Welt oder in den Dingen existieren, sondern nur eine Konstruktion des menschlichen Geistes sind, bezeichnet man als  Nominalismus. Diese Auffassung passt gut zum heutigen Konstruktivismus, wird aber z.B. von Stegmüller  philosophisch in Frage gestellt. Nach Ockham ist ein "Universale einerseits eine begriffliche Leistung des Erkenntnisvermögens, andererseits als 'signum praedicabile de pluribus', ein Zeichen, das von vielem ausgesagt werden kann (Summa logicae 114, Opera philos. 1, 49). Die Universalität der Begriffe beruht damit auf ihrer Verwendung als Zeichen für 'vieles' und nicht in der Existenz einer allgemeinen Substanz 'extra mentem'." [Zitatquelle] 

    Nun, mit diesen Fragen sind wir mitten in einer alten philosophischen Debatte: dem Universalienstreit, dem Wolfgang Stegmüller eine kleine Monographie gewidmet hat [Auszug im Internet]. Philosophiegeschichtlich war lange Zeit die Frage bedeutsam, in welcher Weise das von Begriffen Bezeichnete oder Gemeinte existiert: der Baum, das Rote, die Schneeflocke, das Gefühl, die Angst, der Mut, der Hund, das Haus usw. Betrachten wir den Sachverhalt genau, wird man feststellen, daß es all das in der konkreten und wirklichen Wirklichkeit so nicht gibt. Es gibt viele Bäume, aber nicht den Baum; es gibt viele Objekte, die rot sind, aber nicht das Rote usw. Es gibt potentiell unendliche viele konkrete Schneeflocken, aber nicht die Schneeflocke. Und doch sagen wir zu all den mehr oder minder konkret verschiedenen Schneeflocken: Schneeflocke. Gibt es nun etwas, das all den potentiell unendlich vielen Schneeflocken gemeinsam ist, sozusagen an 'wahrhaft' Schneeflockige an der Schneeflocke?

    Abstrahieren
        Abstrahieren als absehen von etwas und beschränken auf bestimmte Merkmale ist ein sehr wichtiger und nützlicher Vorgang nicht nur im Alltag, sondern auf allen Gebieten der Wissenschaft. In der Denkpsychologie beschäftigt man sich damit, wie solche Begriffsbildungen zustande kommen, in der Pädagogik, wie man sie lehren, lernen und fördern kann und in der Logik, wie die einzelnen hierzu nötigen formalen Schritte aussehen, aussehen sollen oder müssen. Letztlich erfolgt logisch immer eine Klassenbildung wenigstens der einfachen Art: Zusammenfassung zu einer Klasse derjenigen Objekte, die gewisse Merkmale m  haben, wobei die sonstigen Merkmale s  nicht interessieren und daher nicht betrachtet werden.
     
     
    Querverweise: Zur Philosophiegeschichte der Allgemein-Begriffe
    Universalien im Lichte der Denkpsychologie.

    Leseprobe aus Wolfgang Stegmüller:  "DAS UNIVERSALIENPROBLEM EINST UND JETZT
    Quellen.

        1. Das Problem
    Gibt es Universalien? Und wenn es sie gibt, haben sie dann nur in  unserem Geiste Bestand oder auch in der von unserem Denken  unabhängigen Wirklichkeit? Und wenn sie in der Wirklichkeit  existieren, kommen sie dann nur in und an den konkreten Einzeldingen  zur Erscheinung oder haben sie eine von diesen getrennte Existenz?  Seit der Antike gehören diese Probleme zu den meistdiskutierten der  Metaphysik und auch im gegenwärtigen Stadium der Philosophie ist  die Frage keineswegs verstummt, ob wir neben den Dingen der realen  Welt noch Gegenstände von ganz anderer Art anzunehmen haben,  insbesondere: ideale Wesenheiten, unverwirklichte Möglichkeiten und  Werte.
       Kritisch eingestellte Denker, vor allem Jene aus dem Lager der  Empiristen, neigen dazu, in derartigen Fragestellungen Scheinprobleme  zu erblicken. Und selbst wenn sie diese Fragen nicht rundweg für  sinnlos erklären, so glauben sie doch, alle platonischen Ideen mit  begründetem Recht verwerfen zu können. Zur Elimination dieser  überflüssigen Wesenheiten holen sie aus ihrer Truhe ein altes Instrument hervor, das Ockham'sche Rasiermesser, dessen  Wirksamkeit nach ihrer Meinung dadurch erhöht worden ist, daß es in  der Schmiedewerkstatt der modernen Logik einen neuen Schliff  bekommen hat. An der Unverwüstlichkeit gewisser idealer Gebilde  wie Mengen oder Klassen, Relationen, Zahlen und Funktionen stumpft  sich dieses Messer Jedoch rasch wieder ab und es wird zumindest ein  gewisser Zweifel wach, ob die negative Einstellung in der  Universalienfrage nicht eine Voreiligkeit war.
        Die Berufung auf unmittelbare Evidenz hat gewöhnlich den Nachteil,  sofort zu unschlichtbaren Streitigkeiten zu führen. So auch hier.  Angehörige der Platonistengruppe [FN01WS] behaupten, es sei unmittelbar  evident, daß wir unfähig wären, generelle Prädikatausdrücke wie  "grün", "Mensch" oder "Dummkopf" zu verstehen, wenn wir nicht Universalien erfassen könnten. Bisweilen kleiden sie ihre These in [193] ein weniger linguistisches Gewand und sprechen von der Unmöglichkeit, eine Ähnlichkeit zwischen Objekten festzustellen, wenn uns nicht zugleich ein bestimmtes Universale gegenwärtig wäre, also z.B. die gemeinsame Idee des Grünen in grünen Almweiden, grünen Lampenschirmen, grünen Smaragden und grünen Ahornblättern. Nominalisten nennt man jene Philosophen, die sich für außerstande erklären, die Richtigkeit dieser angeblich evidenten Behauptung einzusehen und welche darüber hinaus die Meinung vertreten, daß der Hinweis auf solche metaphysische Gegenstände keine andere Wirkung habe als die, philosophische Verwirzung zu stiften. "Der Sehende hat immer recht« sagt der Platonist, "wer etwas zu sehen glaubt, kann an Halluzinationen leiden« der Nominalist, um dann hinzuzufügen "und wer nichtkonkrete Objekte zu schauen vermeint, der leidet gewiß an solchen". 
       Will man die Diskussion nicht in eine usfruchtbare gegenseitige Versicherung der einzelnen Vertreter von der Unhaltbarkeit oder Unsinnigkeit der gegenteiligen These abgleiten lassen, so muß man zunächst untersuchen, ob sich in der vorwissenschaftlichen wie in der wissenschaftlichen Diskussion linguistische Faktoren aufzeigen lassen, in denen Objekte von der Art der Universalien ausdrücklich vorausgesetzt sind. Ferner gilt es, die eingangs in einer bildhaften Sprache formulierten Fragen in ein einwandfreies logisches Gewand zu kleiden.

       2. Platonismus und Nominalismus
    Irreführend ist es, beim Universalienproblem generelle Prädikatausdrücke zum Ausgangspunkt zu nehmen, also Ausdrücke, welche innerhalb der Alltagssprache als Substantiva, Verben oder Adjektiva vorkommen, um sog. Eigenschafts- und Relationsaussagen formulieren zu können, und für die in einer formalisierten Sprache ein einheitlicher Typus von Symbolen, etwa "P", "Q", ... verwendet wird. Der Platonist faßt mit naiver Selbstverständlichkeit alle derartigen Ausdrücke als Namen auf und hat damit bereits seine eigene Grundthese vorweggenommen; denn angesichts eines Namens können wir mit Recht fragen, wofür das Wort ein Name sei oder was es denn benenne, und müssen dann unvermeidlich die Antwort erhalten, daß es kein konkreter, sondern nur ein abstrakter, idealer Gegenstand sein könne, der durch die Prädikate "rot" oder "Mensch" benannt werde. Der Nominalist wird diese Schlußfolgerung zusammen mit der stillschweigenden Voraussetzung, daß Prädikate Namen seien, verwerfen. Er interpretiert die Prädikate als synkategorematische Ausdrücke (Synsemantika), die innerhalb eines Kontextes einen Sinn ergeben, ohne etwas zu benennen. Technisch gesprochen: Der Nominalist konstruiert ein Prädikat wie "Mensch« als sog. offenen Satz, d.h. als den Ausdruck "x ist ein Mensch« mit der freien Variablen "x«. Für sich selbst genommen hat ein derartig offener Satz nach der Theorie des Nominalisten gar keine Funktion - ...."

    Am Ende seiner Analyse fasst Stegmüller zusammen (S. 117f):

    "Zusammenfassung

    1. Den Ausgangspunkt bildete die Frage, ob es Irgendwelche linguistische Faktoren gibt, in deren Verwendung eine explizite Voraussetzung- von der Art der Universalien seitens des Sprachbenutzers zutage tritt.

    2. Die Antwort lautete: ja. Bei dem Schluß von der Sprache auf die Ontologie darf man sich jedoch weder auf Namen oder namens-ähnliche Ausdrücke noch auf Prädikate stützen. Ob jemand Platonist ist oder Nominalist, hängt nicht davon ab, was für Individuenprädikate er verwendet, sondern davon, was er als Werte für seine gebundenen Variablen zuläßt.

    3.  Wer abstrakte Gegenstandsvariable (Klassen-, Prädikat-, Zahl-, Funktionsvariable usw.)  verwendet, ist Platonist;  wer auf solche Variable verzichtet, ist Nominalist. Diese beiden Standpunkte bilden eine vollständige Disjunktion. Stets ist der Platonisnius das reichere System gegenüber dem. Nominalismus.

    4.  Der vermeintliche Gegensatz zwischen der These „universalia in rebus" und universalia ante res" innerhalb des Platonismus erweist sich als fiktiv,

    5. Die nominalistische Grundthese lautet: Alles, was in einem platonistischen  System gesagt  werden  kann, das kann auch in einem nominalistischen gesagt  werden: der Platonismus ist eine bloße façon de parler. Diese These konnte bis heute nicht bewiesen werden und es bestehen  kaum  Aussichten dafür, daß sie in dieser allgemeinen Form je bewiesen werden könnte. Nur für eine begrenzte Gesamtheit platonistischer Kontexte gelang es, sie in eine nominalistische Sprache umzuformulieren.

    6.  Das Problem des Platonismus besteht in der Frage, ob es nichtkonkrete   Gegenstände  gibt. Dieses Problem hat nichts mit der Frage der Allgemeinerkenntnis zu tun. Auch der Nominalist kann generelle Prädikate verwenden und generelle wahre Aussagen formulieren (vorausgesetzt, daß er sein „alle" und  „es gibt'' nur auf Konkretes bezieht). Es ist daher verfehlt, den Gegensatz „Nominalismus  -  Platonisnius" in das Schema  „Einzelerkenntnis - Allgemeinerkenntnis" hineinzuzwängen.

    7. Der sog. Konzeptualismus ist in zwei Formen denkbar: als psychologischer und als konstruktiver. Der psychologische Konzeptualimus ist zum Scheitern verurteilt. Der konstruktive Konzeptualismus dagegen tritt gerade heute ganz in  den Vordergrund:  er ist jedoch eine Abart des Platonismus. Ihm steht der Platonismus im. strengen Sinn gegenüber, der jedoch zu Widersprüchen führt. Der konstruktive  Konzeptualimus vermeidet diese Widersprüche durch Verzicht auf imprädikative Begriffsbildungen,

    8. Die drei Begriffe Nominalismus - Konzeptualimus - Platonismus finden genaue quantitative Entsprechungen in den drei Begriffen: endliche  Gesamtheit  - abzählbar unendliche Gesamtheit  - über- [>118] abzählbar unendliche Gesamtheiten. Der konstruktive Konzeptualimus anerkennt die Unendlichkeit, er muß jedoch die Vorstellung einer absolut überabzählbaren Unendlichkeit (ebenso wie die einer abgeschlossenen abzählbaren Unendlichkeit) als sinnlos Verwerfen. Der Nominalist verwirft bereits den Begriff der Unendlichkeit als solchen.

    9. Nominalismus und strenger Platonismus sind beide mit einer Krankheit behaftet. Der strenge Platonismus leidet an der Antinomienkrankheit und diese ist tödlich. Der Nominalismus trägt zwar keinen tödlichen Krankheitskeim in sich, aber er leidet an Schwäche. Sofern er nicht in der Zukunft eine Injektion mit einem Kräftigungsmittel erhalten sollte, das seine Leistungsfähigkeit in ungeahntem Maße steigert, wird er auch gegen die schwächste Form eines konstruktiven Konzeptualismus stets den Kürzeren ziehen."
     



    FN01WS Ich verwende das Wort "Platonist" zur Bezeichnung für jene Philosophen, welche die später zu definierenden Bedingungen des  Platonismus erfüllen, im Gegensatz zu "Platoniker" als Bezeiclmung  für einen Anhänger der Lehre Platos.



    Literatur (Auswahl)  > Literaturhinweise zu "vergleichen"
  • Bochenski, J.M. (1959). Zum Universalienproblem. In (131-152): Menne, A. (1959, Hrsg.). Logisch-Philosophische Studien. Freiburg: Alber.
  • Grünbaum, A. (1909). Über Abstraktion des Gleichen. In: Schumann, F. (1909, Hg.). Bericht über den III.  Kongreß für experimentelle Psychologie in Frankfurt a. Main vom 22. bis 25. April 1909. Leipzig: Barth. Seiten 229-232.
  • Hartmann, Dirk  (1993). Ist die konstruktive Abstraktionstheorie inkonsistent? Zeitschrift für philosophische Forschung Bd. 47, H. 2 (Apr. - Jun., 1993), pp. 271-285
  • Heil, Peter M.  (2001, Hrsg.).  Universalien und Konstruktivismus. Frankfurt: Suhrkamp.
  • Mittelstrass, J. (1980-1996, Hg.). Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Vier Bde. Ma
  • Lorenzen, Paul (1962).  Gleichheit und Abstraktion. Ratio, 77-.
  • Moreland, J. P. (dt. 2009). Universalien. Eine philosophische Einführung. Heusenstamm: Ontos.
  • Russel, Bertrand (dt. 1967, engl. 1912). Die Welt der Universalien (81-89). Und: Unsere Erkenntnis von den Universalien (90-98). In: Probleme der Philosophie. Frankfurt aM: Suhrkamp.
  • Stegmüller, Wolfgang (1956, 1967). Das Universalienproblem einst und jetzt. Damstadt: Wiss. Buchgesellschaft. Reprografischer NachdruckAchriv für Philosophie 6, 1956, S.192-225 und 7, 1957, S. 45-81. [Auszug im Internet]   Eine gute und überzeugende Lösung wird vorgeschlagen von: Kamlah, W. & Lorenzen, P. (1973 ff). Logische Propädeutik. Vorschule des vernünftigen Redens. Mannheim: BI. S. 103f., Abschnitt über Abstraktoren.

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    Links
    • Der Universalienstreit. [, Philolex, W, ]
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    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    ___
    FN01 Zitat zum Nominalismus aus Stichwort Ockham, in: Mittelstrass, J. (1980-1996, Hg.). Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, Vier Bde. Mannheim: BI und Stuttgart: Metzler.
    ___
    universalia in rebus und universalia ante res.
    • universalia ante res: Die Universalien (Allgemeinbegriffe, Abstrakta) sind vor den (Einzel-) Dingen da.
    • universalia in mente:  Die Universalien (Allgemeinbegriffe, Abstrakta) sind eine Konstruktion des geistes, des Denkens.
    • universalia in rebus: Die Universalien (Allgemeinbegriffe, Abstrakta) finden sich in den (Einzel-) Dingen.
    • universalia post res: Die Universalien (Allgemeinbegriffe, Abstrakta) sind nach den (Einzel-) Dingen.
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    Querverweise
    Standort: Gleichheit und gleichen im alltäglichen Leben und in der Wissenschaft.
    *
    Zur Abstraktionstheorie der GIPT
    *
    Universalien im Lichte der Denkpsychologie.
    Überblick Wissenschaft in der Allgemeinen und Integrativen Psychotherapie
    Allgemeine Theorie und Praxis des Vergleichens und der Vergleichbarkeit Grundlagen einer psychologischen Meßtheorie.
    Vergleichen und Vergleichbarkeit. Zur Bedeutung und Geschichte eines grundlegenden Begriffs. Aufbereitung einer Meßtheorie alltäglichen Lebens. * Literaturhinweise zum "Vergleichen"
    Vergleichen von Psychotherapiesystemen und ihrer Wirkungen.
    Über den Aufbau einer präzisen Wissenschaftssprache in Psychologie, Psychopathologie, Psychodiagnostik und Psychotherapie
    Der Wissenschaftsbegriff und seine aktuelle Bedeutung
    Zahlen und neue Zahlen zum Messen im Unscharfen, Flüchtigen, Subjektiven und idiographischen.
    Konstruktivismus - Formen & Varianten
    Beweis und Beweisen in Wissenschaft und Leben


    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Gleichheit und gleichen im alltäglichen Leben und in der Wissenschaft.
    Näherungen, Ideen, Ansätze, Modelle und Hypothesen Abstrakte Grundbegriffe aus den Wissenschaften: Analogien, Modelle und Metaphern für die allgemeine und integrative Psychologie und Psychotherapie sowie Grundkategorien zur Denk- und Entwicklungspsychologie. Internet Publikation - General and Integrative Psychotherapy   IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/wisms/gb/gleichen.htm
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    Änderungen Kleinere Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet und ergänzt.
    23.06.10    Universalien im Lichte der Denkpsychologie.
    28.02.10    Anmerkungen zum Identitätsproblem.
    20.01.10    Lit. Russell.
    07.09.09    Zusammenfassung Universalienstreit Stegmüller.
    23.07.05    Überarbeitung Abschnitt Identität.
    20.02.05    Link auf Auszug aus Stegmüllers Der Universalienstreit einst und jetzt. Link Beweis und Beweisen in Wissenschaft und Leben.