Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    IP-GIPT DAS=15.09.2000 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung 29.5.3
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
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    Willkommen in der Abteilung Glossar und Kritik wichtiger psychoanalytischer Begriffe: Junktim Dogma:

    Das Junktim1) Dekret vom Heilen und Forschen zugleich

        Literaturbelegstelle: Sigmund Freud (1927, GW 14, S. 293) im Nachwort zur Laienanalyse:
    "In der Psychoanalyse bestand von Anfang an ein Junktim zwischen Heilen und Forschen, die Erkenntnis brachte den Erfolg, man konnte nicht behandeln, ohne etwas Neues zu erfahren, man gewann keine Aufklärung, ohne ihre wohltätige Wirkung zu erleben. Unser analytisches Verfahren ist das Einzige, bei dem dies kostbare Zusammentreffen gewahrt bleibt. Nur wenn wir analytische Seelsorge betreiben, vertiefen wir unsere eben dämmernde Einsicht in das menschliche Seelenleben. Diese Aussicht auf wissenschaftlichen Gewinn war der vornehmste, erfreulichste Zug der analytischen Arbeit."

        Das Freud'sche Junktim (1927) vom Heilen und Forschen besagt, daß Heilen und Forschen in der Durchführung von Psychoanalysen untrennbar und sich wechselseitig bedingend miteinander verbunden sind, d.h. daß das eine oder das andere nicht geht (Äquivalenz).

    Wissenschaftsbissiger Kommentar Junktim Dekret: Mit dem Freud'schen Junktim sind PsychoanalytikerInnen quasi per Dekret und ex cathedra zugleich zu immerwährenden HeilerInnen und ForscherInnen ernannt worden. Wissenschaft und Forschung ist damit allein in die Hände der PsychoanalytikerIn gelegt. Externa, Universitäten, Labors, ForscherInnen, Experimente, Empirische Erhebungen, Gruppen- und Vergleichsstudien und Evaluation sind überflüssig und aus der Sicht des Junktim-Dekrets fast schon zu Kunstfehlern geworden. Man muß nur analysieren und die PatientInnen erforschen und automatisch stellt sich sodann auch die Heilung ein. Ein noch weitaus verschärfteres und  jeglicher Realität entbehrendes Dogma ergibt sich, wenn interpretiert wird, daß überhaupt nur PsychoanalytikerInnen etwas erforschen können indem sie heilen (obwohl sie das oft genug nicht tun).
        Das Junktim-Dekret Freuds (1927) ist wirklich in jeder Hinsicht sehr praktisch und ökonomisch, und es fragt sich, warum man es nicht fuer die Qualitätssicherung und die Wirksamkeitsnachweise vorschlägt, man würde viel Zeit, Aufwand und Geld sparen.
        Diese Position Freud's ist genau so extrem und unsinnig wie ihr Gegenteil, die szientistische Position, wonach eine PsychotherapieforscherIn völlig unabhängig von der Psychotherapiepraxis und ohne diese einzubeziehen praxeologische Operationale für die Praxis dekretiert.



    Ergänzung: Die von Thomä & Kächele (1992) beiden zusätzlichen Textstellen von Freud (1918, 1933) dienen zwar auch dem Verständnis, wie Freud den Zusammenhang zwischen Analyse, Erkenntnis und Heilen sieht, formulieren aber kein strenges Junktim. Wir wollen indessen der ersten Adresse des Standard Psychoanalyse Lehrbuches hier folgen und die Texte wiedergeben:

    Sigmund Freud (1918 GW 12 S. 32 Aus der Geschichte einer infantilen Neurose
    "Die in kurzer Zeit zu einem günstigen Ausgang führenden Analysen werden für das Selbstgefühl des Therapeuten wertvoll sein und die ärztliche Bedeutung  der Psychoanalyse dartun; für die Förderung der wissenschaftlichen Erkenntnis  bleiben sie meist belanglos. Man lernt nichts Neues aus ihnen. Sie sind ja nur darum so rasch geglückt, weil man bereits alles wußte, was zu ihrer Erledigung notwendig war. Neues kann man nur aus Analysen erfahren, die besondere Schwierigkeiten bieten, zu deren Überwindung man dann viel Zeit braucht. Nur in diesen Fällen erreicht man es, in die tiefsten und primitivsten Schichten der seelischen Entwicklung herabzusteigen und von dort aus Lösungen für die Probleme der späteren Gestaltungen zu holen. Man sagt sich dann, daß, streng genommen, erst die Analyse, welche so weit vorgedrungen ist, diesen Namen verdient."

    Sigmund Freud (1927, GW 15, S. 169) Neue Folge der Vorlesung zur Einführung in die Psychoanalyse
    "Ich sagte Ihnen, die Psychoanalyse begann als eine Therapie, aber nicht als Therapie wollte ich sie Ihrem Interesse empfehlen, sondern wegen ihres Wahrheitsgehalts , wegen der Aufschlüsse, die sie uns gibt über das, was dem Menschen am nächsten geht, sein eigenes Wesen, und wegen der Zusammenhänge, die sie zwischen den verschiedensten seiner Betätigungen aufdeckt. Als Therapie ist sie eine unter vielen, freilich eine prima inter pares. Wenn sie nicht ihren therapeutischen Wert hätte, wäre sie nicht an Kranken gefunden und über mehr als 30 Jahre entwickelt worden."



    1)  Junktim: Nach dem Brockhaus (1953) versteht man unter einem "Junktim [lat. 'verbunden', 'vereint'], das, das Verhältnis mehrerer Gesetzesvorlagen, die nur gemeinsam , die nur gemeinsam und unter der Bedingung behandelt werden, daß sie zugleich in Geltung gesetzt  werden (Junktimsvorlagen, Junktimsgesetze). Ebenso spricht man von einem Junktim bei völkerrechtlichen Verträgen, wenn der eine nur unter der Bedingung abgeschlossen wird, daß auch der andere in Kraft tritt."
    2) Die Äquivalenz hat in der zweiwertigen Logik die Wahrheitswertverteilung w-f-f-w:
    Aussage p (forschen) Aussage q (heilen) Verknüpfung: p äquivalent q
    wahr:  forschen wahr:  heilen wahr: forschen und heilen
    wahr: forschen falsch: nicht heilten falsch: forschen und nicht heilen
    falsch: nicht forschen wahr: heilen falsch: nicht forschen und heilen
    falsch: nicht forschen falsch: nicht heilen wahr: nicht (forschen und heilen)
    Positivbeispiel für eine "richtige" Äquivalenzrelation: p=Dichter des Faust, q=Goethe.
    Möglicherweise so gemeint: p=wen die Götter lieben, q= der stirbt jung.
    Interessante Frage: p=es gibt einen Fortschritt in der Psychotherapie, q=erzkonservative Psychoanalyse verliert an Macht.

    Literatur Junktim   (wird in Kürze durch eine Literaturrecherche im PSYNDEX/ZPID ergänzt).
    Etchegoyen, R. Horacio (1993). Das Junktim von Forschen und Heilen in der Psychoanalyse. Psyche, XLVII, 12, 241-260.
    Freud, Sigmund  (1927, GW 14, S. 293). Nachwort zur Laienanalyse.
    Thomä, Helmut & Kächele, Horst (1992). Lehrbuch der psychoanalytischen Therapie. 2 Bde. Berlin: Springer.

    Zitierung
    Sekretariat SGIPT (DAS). Das Junktim Dekret Sigmund Freud's und in der Psychoanalyse. Glossar und Kritik wichtiger psychoanalytischer Begriffe, Modelle und Theoreme und Theorien. Wissenschaftlicher Apparat zu den Kritischen Arbeiten zur Psychoanalyse (PA) und Analytischen Psychotherapie (APt).  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/th_schul/pa/glossar/junktim.htm
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