Das Junktim1) Dekret vom Heilen und Forschen zugleich
Literaturbelegstelle: Sigmund Freud (1927,
GW 14, S. 293) im Nachwort zur Laienanalyse:
"In der Psychoanalyse bestand von Anfang an ein Junktim zwischen Heilen
und Forschen, die Erkenntnis brachte den Erfolg, man konnte nicht behandeln,
ohne etwas Neues zu erfahren, man gewann keine Aufklärung, ohne ihre
wohltätige Wirkung zu erleben. Unser analytisches Verfahren ist das
Einzige, bei dem dies kostbare Zusammentreffen gewahrt bleibt. Nur wenn
wir analytische Seelsorge betreiben, vertiefen wir unsere eben dämmernde
Einsicht in das menschliche Seelenleben. Diese Aussicht auf wissenschaftlichen
Gewinn war der vornehmste, erfreulichste Zug der analytischen Arbeit."
Das Freud'sche Junktim (1927) vom Heilen und Forschen besagt, daß Heilen und Forschen in der Durchführung von Psychoanalysen untrennbar und sich wechselseitig bedingend miteinander verbunden sind, d.h. daß das eine oder das andere nicht geht (Äquivalenz).
Wissenschaftsbissiger
Kommentar Junktim Dekret: Mit dem Freud'schen Junktim sind PsychoanalytikerInnen
quasi per Dekret und ex cathedra zugleich zu immerwährenden HeilerInnen
und ForscherInnen ernannt worden. Wissenschaft und Forschung ist damit
allein in die Hände der PsychoanalytikerIn gelegt. Externa, Universitäten,
Labors, ForscherInnen, Experimente, Empirische Erhebungen, Gruppen- und
Vergleichsstudien und Evaluation sind überflüssig und aus der
Sicht des Junktim-Dekrets fast schon zu Kunstfehlern geworden. Man muß
nur analysieren und die PatientInnen erforschen und automatisch stellt
sich sodann auch die Heilung ein. Ein noch weitaus verschärfteres
und jeglicher Realität entbehrendes Dogma ergibt sich, wenn
interpretiert wird, daß überhaupt nur PsychoanalytikerInnen
etwas erforschen können indem sie heilen (obwohl sie das oft genug
nicht tun).
Das Junktim-Dekret Freuds (1927) ist
wirklich in jeder Hinsicht sehr praktisch und ökonomisch, und es fragt
sich, warum man es nicht fuer die Qualitätssicherung und die Wirksamkeitsnachweise
vorschlägt, man würde viel Zeit, Aufwand und Geld sparen.
Diese Position Freud's ist genau so
extrem und unsinnig wie ihr Gegenteil, die szientistische Position, wonach
eine PsychotherapieforscherIn völlig unabhängig von der Psychotherapiepraxis
und ohne diese einzubeziehen praxeologische Operationale für die Praxis
dekretiert.
Sigmund
Freud (1918 GW 12 S. 32 Aus der Geschichte einer infantilen Neurose
"Die in kurzer Zeit zu einem günstigen Ausgang führenden
Analysen werden für das Selbstgefühl des Therapeuten wertvoll
sein und die ärztliche Bedeutung der Psychoanalyse dartun; für
die Förderung der wissenschaftlichen Erkenntnis bleiben sie
meist belanglos. Man lernt nichts Neues aus ihnen. Sie sind ja nur darum
so rasch geglückt, weil man bereits alles wußte, was zu ihrer
Erledigung notwendig war. Neues kann man nur aus Analysen erfahren, die
besondere Schwierigkeiten bieten, zu deren Überwindung man dann viel
Zeit braucht. Nur in diesen Fällen erreicht man es, in die tiefsten
und primitivsten Schichten der seelischen Entwicklung herabzusteigen und
von dort aus Lösungen für die Probleme der späteren Gestaltungen
zu holen. Man sagt sich dann, daß, streng genommen, erst die Analyse,
welche so weit vorgedrungen ist, diesen Namen verdient."
Sigmund
Freud (1927, GW 15, S. 169) Neue Folge der Vorlesung zur Einführung
in die Psychoanalyse
"Ich sagte Ihnen, die Psychoanalyse begann als eine Therapie, aber
nicht als Therapie wollte ich sie Ihrem Interesse empfehlen, sondern wegen
ihres Wahrheitsgehalts , wegen der Aufschlüsse, die sie uns gibt über
das, was dem Menschen am nächsten geht, sein eigenes Wesen, und wegen
der Zusammenhänge, die sie zwischen den verschiedensten seiner Betätigungen
aufdeckt. Als Therapie ist sie eine unter vielen, freilich eine prima inter
pares. Wenn sie nicht ihren therapeutischen Wert hätte, wäre
sie nicht an Kranken gefunden und über mehr als 30 Jahre entwickelt
worden."
Aussage p (forschen) | Aussage q (heilen) | Verknüpfung: p äquivalent q |
wahr: forschen | wahr: heilen | wahr: forschen und heilen |
wahr: forschen | falsch: nicht heilten | falsch: forschen und nicht heilen |
falsch: nicht forschen | wahr: heilen | falsch: nicht forschen und heilen |
falsch: nicht forschen | falsch: nicht heilen | wahr: nicht (forschen und heilen) |