Beweis und beweisen in Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie
Blicke über den Zaun zum Auftakt für eine integrative
psychologisch-psychotherapeutische Beweislehre
aus allgemein integrativer psychologisch-psychotherapeutischer
und einheitswissenschaftlicher
Sicht
Einführung, Überblick, Verteilerseite Beweis und beweisen
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Hinweis: Wenn nicht ersichtlich werden (Externe Links) in runden und [interne IP-GIPT Links] in eckige Klammern gesetzt, direkte Links im Text auf derselben Seite sind direkt gekennzeichnet. In dieser Übersichtsarbeit wird das Thema im Überblick gesamtheitlich aus einheitswissenschaftlicher Perspektive dargestellt. Im Laufe der Zeit folgen weitere Ausarbeitungen. Ausarbeitungsgrad 1-(2)
Einstieg
Beweis und beweisen in Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie
mit einigen Einstiegs- und Beispielfragen
_
Diese Seite dient der Vorbereitung für die Seiten Sätze der Psychologie, die aus Übersichtsgründen extra angelegt werden. Die Formulierung Sätze der Psychologie sind in Wortlaut und Begriff bewusst der Mathematik entlehnt. Satz heißt: es muss bewiesen werden, sonst bleibt es eine Behauptung, Meinung, Vermutung, Phantasie. Die Seiten Sätze der Psychologie sollen zeigen wie es geht.
Der allgemeine und alltägliche Beweisbegriff
Ein Beweis liefert sicheres und abschließendes Wissen zu einem
Sachverhalt.
Vorbemerkung
zur Begrifflichkeit Psychologie, Psychopathologie und Psychiatrie
Die treffliche Kurzdefinition der Psychologie besagt: Psychologie ist
die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten. Die Psychopathologie kann entsprechend
als die Wissenschaft vom gestörten oder kranken Erleben und Verhalten
definiert werden. Historisch gibt es einen medizinischen, psychiatrischen
Zugang zur Psychopathologie und einen in den letzten Jahrzehnten u.a. durch
die Entwicklung der psychologischen Psychotherapie deutlich zugenommenen
psychologisch-psychotherapeutischen, was sich auch durch entsprechende
Kooperation in der Praxis zeigt. Die Voraussetzungen des § 63 wurden
traditionell und in der Hauptsache von (forensischen) PsychiaterInnen bearbeitet,
ihr Anteil dürfte an die 90% liegen mit abnehmender Tendenz, besonders
bei Prognosegutachten. Aber die MedizinerIn ist natürlich immer dann
die HauptansprechpartnerIn, wenn organische Störungen zu untersuchen
oder zu behandeln sind.
Das Leib-Seele-Problem und seine
Lösung in der allgemein-integrativen Psychologie
Seele und Geist sind "nur" eine besondere Perspektive oder Dimension
hochentwickelter körperlicher Organisation, besonders des Gehirns.
Man kann körperliche Vorgänge physikalisch, chemisch, biologisch,
medizinisch oder psychologisch beschreiben. Körperlichkeit ist in
diesem Modell fünfdimensional (> Axiome
I, II, III, ... ). Siehe hierzu bitte weiter: Die
Realität des Psychischen und die Theorie der zwei Welten.
Einige psychologische
Einstiegsfragen
Wie gehts? "Gut." Stimmt das wirklich oder
ist das nur eine oberflächliche Floskel? Wie prüft man das? Man
sollte denken, die Frage: [Wie
geht es Ihnen?] ist ganz einfach. Doch dies täuscht. In dieser
simplen Frage stecken viele Grundprobleme der Psychologie.
Lieben. Ein junger Mensch sieht in den
Medien des öfteren, daß sich zwei näherkommen, Zärtlichkeiten
austauschen und dann sagen, sie liebten sich. Tun sie das wirklich? Was
heißt das lieben? Wie wird das erlebt, gefühlt, erfahren? Wie
unterscheide ich 'echte' Liebe von bloßer Begierde, einem Gesellschaftsspiel
oder von '[Verliebtheit]'?
Vergessen. Ein Mensch beklagt sich,
daß er sich Namen so schwer merken kann? Stimmt das? Und falls es
stimmt, woher rührt das? Und wie könnte es verbessert werden?
Verlegen. Eine andere lästige Variante
des Vergessens - nicht nur, wenn man an [AD-H-D]
leidet - ist das Verlegen wichtiger Gegenstände, wie z.B. Schlüssel,
Brieftasche, Führerschein u.ä. Wie kann man sich das erklären?
Was kann man dagegen tun?
Verlernen. Jemand habe sich durch Lernen
eine Fertigkeit angeeignet und merke zwischenzeitlich, daß diese
Fertigkeit mit mangelnder Anwendung nachläßt. Ist dieses Phänomen
bekannt? Wie kommt es zu diesem 'verlernen'? Warum vergessen Menschen?
Kann dieses Vergessen aufgehalten werden? Wie geht das?
Depressiv. Ein Mensch kommt in die
Therapie, weil, wie er sich ausdrückt, depressiv sei. Was meint er
damit? Wie können wir überprüfen, wie diese Depression erlebt,
erfahren und gelebt wird?
Identität. Woher weiß ich,
wer ich bin und daß ich der bin, der ich schon immer war? Diese Frage
mag idiotisch finden, der noch nie das Problem hatte, an seiner Identität
zu zweifeln und sich darüber noch nie Gedanken machte (muß man
auch nicht). Trotzdem ist Frage, wie es kommt, daß die Menschen sich
als immer dieselben erleben, obschon sie sich doch dauernd verändern
und älter werden, psychologisch sehr interessant und gemahnt sogar
in gewisser Weise an ein [Wunder
II]. Gibt es so etwas wie einen Identitäts-'Chip' im Gehirn, der
z.B. durch eine fortschreitende Alzheimer'sche Erkrankung zerstört
wird? Wie ist das mit der Identität bei posthypnotischen Befehlen,
bei multiplen Persönlichkeiten, dissoziativen Störungen und schizophrenen
"Bewußtseinsspaltungen" (was korrekter Identitätsaufspaltungen
heißen sollte)?
Nicht gewollt. Jemand fährt
einen anderen Menschen tot und sagt, daß er das nicht gewollt habe.
Jemand vergißt einen Termin und entschuldigt sich, dies sei nicht
seine Art, und schon gar nicht seine Absicht gewesen. Nicht-gewollt haben
spielt eine wichtige Rolle im Strafrecht, wenn es um die Frage - verminderter
- Schuldfähigkeit geht. Soll man auch Verantwortung tragen, wenn man
etwas tatsächlich nicht gewollt hat? Gibt es ein [unbewußtes]
Wollen? Und sind wir dafür verantwortlich? Was heißt das? Wie
prüft und beweist man das? Was bedeutet es, zu sagen, wir hätten
einen [freien
Willen]?
Das Beweisthema spielt in Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie grundsätzlich eine vielfältige und schwierige Rolle: vom wissenschaftlichen Beweis psychischer Sachverhalte - z.B. lernen, [fühlen], [wünschen, wollen], [lenken], [bewußt sein], fähig sein = können, vergessen, wahrnehmen - Gesetzmäßig- und Regelhaftigkeiten bis hin zu den Fragen, welche subjektiven Überzeugungsgrade man unterscheiden könnte und sollte und wie man ihre Existenz und Anwendung in Abhängigkeit dieser oder jenen subjektiven Bedingungen beweisen kann? Aber in den wissenschaftlichen Veröffentlichungen wird der psychologische Beweis faktisch so gut wie nicht bearbeitet.
Die Probleme einer intersubjektiv kommunizierbaren wissenschaftlichen
Erforschung des Erlebens sind in der Tat objektiv extrem schwierig, so
daß es nicht so verwunderlich ist, daß viele daran scheiterten
und manche verzweifelten - am radikalsten und nachhaltigsten der Behaviorismus,
der sogar versuchte, eine Psychologie ohne Seele und Geist aufzubauen -
ein paradoxer Widerspruch in sich.
Hinzu kommt, dass das Beweisthema in den empirischen
Wissenschaften und ihren Wissenschaftstheorie unangemessen bearbeitet wurden
(> Falsifikationsprinzip,
Induktion).
Dabei kann man die Leitidee allgemeinen Beweisens ganz einfach verstehen:
Vorbild für Beweis und beweisen sind Mathematik und Logik. Das gilt für alle Wissenschaften und natürlich auch für die Psychologie, denn es gibt keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Beweisen in Mathematik oder Logik und den empirischen Wissenschaften. Denn für alle wissenschaftliche Erkenntnis gilt Dedekinds oben zitiertes Prinzip und die allgemeine wissenschaftliche Beweisstruktur. Leider beschäftigt man sich in der Psychologie bislang mehr mit nichtssagenden Signifikanztests oder dubios-läppischen Faktorenanalysen, statt endlich die wissenschaftliche Fundamente zu entwickeln und zu beweisen.
Wissenschaft [IL] schafft Wissen und dieses hat sie zu beweisen, damit es ein wissenschaftliches Wissen ist, wozu ich aber auch den Alltag und alle Lebensvorgänge rechne. Wissenschaft in diesem Sinne ist nichts Abgehobenes, Fernes, Unverständliches. Wirkliches Wissen sollte einem Laien vermittelbar sein (Laien-Kriterium). Siehe hierzu bitte das Hilbertsche gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann verständlichen Sprache wiedergeben." |
Allgemeine
wissenschaftliche Beweisstruktur und beweisartige Begründungsregel
(Quelle)
Sie ist einfach - wenn auch nicht einfach durchzuführen - und lautet: Wähle einen Anfang und begründe Schritt für Schritt, wie man vom Anfang (Ende) zur nächsten Stelle bis zum Ende (Anfang) gelangt. Ein Beweis oder eine beweisartige Begründung ist eine Folge von Schritten: A0 => A1 => A2 => .... => Ai .... => An, Zwischen Vorgänger und Nachfolger darf es keine Lücken geben. Es kommt nicht auf die Formalisierung an, sie ist nur eine Erleichterung für die Prüfung. Entscheidend ist, dass jeder Schritt prüfbar nachvollzogen werden kann und dass es keine Lücken gibt. Dies kann man auch methodisches Vorgehen nennen, was nichts anderes heißt, als Schritt für Schritt, ohne Lücken, von Anfang bis Ende, Wege und Mittel zum (Erkenntnis-) Ziel anzugeben . |
LK. Laien-Kriterium. Wünschenswert
ist weiterhin, dass wissenschaftliche Erkenntnisse Laien erklärbar
sein sollten. Psychologisch steckt dahinter: wer einem Laien etwas erklären
kann, sollte es wohl selbst verstanden haben. Siehe
hierzu bitte auch das Hilbertsche
gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein
zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft
sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann
verständlichen Sprache wiedergegeben."
Beispiele Beweisskizzen
Namen bedeutet im folgende nicht nur Eigennamen, sondern allgemeiner,
Namen für Begriffe, die Sachverhalte kennzeichnen, z.B. Hund, Baum,
finster, Angst, ....
Wahrnehmungen identifizieren
- Beispiel: Der Hund des Nachbarn
Satz (Behauptung): Um Wahrnehmungen wieder zu erkennen, bedarf es keiner
Namen für die Wahrnehmungen. Das ist ein ziemlich allgemeiner und
grundlegender Satz. Wie beweist man diesen? Betrachten wir zunächst
das
Beispiel: Um den Hund des Nachbarn als den Hund
des Nachbar zu identifizieren braucht man keine Namen. Man muss nicht wissen
wie der Hund heißt, falls er einen Namen hat.
Axiom: es gibt Wahrnehmungen
Voraussetzungen:
Namen fuer Erlebenssachverhalte
Voraussetzung für das Sprechen ueber sein Erleben
Satz (Behauptung): Um über sein Erleben zu sprechen, braucht man
Namen, die Erlebenssachverhalte beschreiben. Hier kann man fragen, ob diese
Behauptung nicht allgemein für alles Sprechen gilt. Wenn das so wäre,
dann gälte es natürlich auch für das Sprechen über
Sachverhalte des Erlebens.
Erlebenssachverhalte
verstehen
heißt ihre Namen und Bedeutung kennen
Satz (Behauptung): Damit man von anderen in Bezug auf Mitteilungen
seines Erlebens verstanden wird, müssen diese die Namen der Erlebenssachverhalte
und ihre Bedeutung kennen. In der Regel muss das zumindestest in wissenschaftlichen
Zusammenhängen geprüft werden, eine uralte, aber immer noch aktuelle
und gültige Forderung
von Aristoteles. Im Alltag versteht man sich meistens - oder
glaubt es zumindest (> Die
Sicherung des Verstehens zum Zwecke forschender Kommunikation).
Die zentrale
Beweisfrage der Psychologie lautet: wie kann eigenes und fremdes Erleben
bewiesen werden?
Weitere, sich daraus ergebende Fragen betreffen den Existenzbeweis
der elementaren psychologischen Erlebenselemente: erleben von wahrnehmen,
erleben von empfinden, erleben von wünschen, erleben
von denken, erleben von erinnern, erleben von vorstellen,
erleben von fantasieren, erleben von fühlen, erleben
von Stimmung, erleben von Befindlichkeit und Verfassung,
erleben von Ruhe und Bewegung, erleben von Lage und
Gleichgewicht,
erleben von Konflikt, erleben von Bedürfnissen,
Absichten,
Zielen
und Plänen, erleben des Abwägens, erleben des Entscheidens
und Entschließens, erleben des Wollens und des Handelns,
erleben der eigenen Identität, erleben der eigenen Fähigkeiten
und Fertigkeiten, erleben des Verhaltens ...
Im engen Zusammenhang mit dem Erleben der Menschen
steht die Beweisfrage, wie dieses Erleben biologisch fundiert ist bzw.
in welchem Zusammenhang das Seelisch-Geistige mit dem Biologischen steht?
Sind es "nur" zwei Erscheinungsformen ein- und desselben? Erleben oder
allgemeiner das Leben ist an den Körper, an die Materie gebunden,
genauer an den Leib als beseelter Körper. Ist der Mensch tot, ist
sein Er-Leben und sein Leben erloschen.
Ist das Erleben "nur" eine besondere Ausdrucksform
oder Funktion biologischer Organisation oder wird durch die biologische
Organisation eine "eigene", psychologische
Welt
erzeugt? Wie soll man sich diese vorstellen? Und was heißt eine "eigene"
Welt? Geistesgeschichtlich ist hier das sog. Leib-Seele-Problem angesprochen.
In welcher Beziehung stünde diese "eigene psychologische" Welt zur
biologischen Welt?
Die Grundprobleme der Erlebenspsychologie sind einfach
zu formulieren, aber sehr schwierig zu lösen.
Das individuelle Erlebensproblem
Wie erfahre, erkenne, bemerke ich mein Erleben?
Unterscheidung
innere Wahrnehmung und Selbstbeobachtung (Wundt 1888)
Ein allgemeines Hauptproblem der Erlebens- wie speziell auch der
Denkforschung
ist, dass Erleben und Denken teilweise nicht bewusst, schwer genau wahrzunehmen,
unscharf und flüchtig und meist schnell erfolgt. Geht man von einer
Bewusstseinseinheit aus, die Frage scheint mir wissenschaftlich noch nicht
geklärt, scheint es zudem so als wäre es nicht möglich zu
erleben und zugleich dieses Erleben meta-zu-erleben, was sowohl
eine Spaltung (Objekt- und Metaebene) als auch Erkennensprozesse voraussetzt.
Das ist der Kern des alten und im Prinzip noch aktuellen Streites um die
Introspektion: wie kann Selbstbeobachtung möglich sein? Die innere
Wahrnehmung ist das Fundament der Psychologie, wie schon Wundt 1888 - in
Selbstbeobachtung
und innere Wahrnehmung - eine Auseinandersetzung mit Volkelt - in Philosophische
Studien 4, S. 299. - sehr deutlich gemacht hat:
Ich halte fest: Wundt sieht die Fähigkeit der inneren Wahrnehmung
als Fundament der ganzen Psychologie. Direkte Beobachtung des eigenen Erlebens
hält Wundt nicht für möglich. Aber es gibt die Möglichkeit
über das kurzfristige Erinnern eine Selbstbeobachtung zu konstruieren.
Erleben -> innere Wahrnehmung -> merken -> erinnern als Selbstbeobachtung.
Grundsätzlich muss aber auch noch untersucht werden, ob nicht ein
Meta-Ich
und damit zwei ICHe denkbar und und vielleicht auch möglich sind.
Damit wäre die Selbstbeobachtungsfrage einfach gelöst: Das Meta-Ich
beobachtet in diesem Modell das ICH-Erleben.
Meta-Ich und zweie ICHe-Modell
Aus der Technik, aber auch aus der Biologie wissen wir: es gibt Vorgänge
und ihre Beobachtung Kontrolle (Regelungstechnik, Steuerungstechnik). So
gesehen sollten problemlos zwei Ich-Systeme, ein Ich des Erlebens und ein
Meta-Ich, das dieses Erleben beobachtet und kontrolliert, gedacht werden
können.
Indizien für Selbstbeobachtungen
Es gibt einige gute Gründe aus unser aller Alltagserleben
für die Möglichkeit, dass es meta-erleben und -denken gibt: Wir
scheinen nämlich - wenigstens gelegentlich - zu merken:
Das alles sind Metaphänomene. Aber es ist nicht ganz klar:
stellen diese sich nach dem Erlebensvorgang ein oder schon während
des
Erlebens. Beide Varianten gibt es wohl. Eine andere Möglichkeit ist,
dass das Bewusstsein aus mehreren hierarchischen Ebenen besteht oder dass
es mehrgleisiges erleben und denken ("multi-thinking" analog "multi-tasking")
gehen kann, obschon wir durch die Hypnoseforschung und Hypnosepraxis eigentlich
darauf eingestellt sein sollten, dass das Bewusstsein mehrere Formen annehmen
kann und mehrere Ebenen oder Schichten hat. Auch das Phänomen mehrfach
in- oder hintereinandergeschachtelter Erlebnisketten geht in die genannte
Richtung: ich nehme wahr - ich denke über die Wahrnehmung nach - ich
nehme wahr, was ich denke - ich denke weiter - ich merke ich komme nicht
vorwärts. Was ist das, wenn ich wahrnehme, was ich denke oder eröffnet
diese Frage nur ein neues Scheinproblem?
Anmerkung: das grundsätzlichere erkenntnistheoretisch-existenzielle Problem sei nur am Rande erwähnt: Die Frage, 'bin' ich, weil ich denke und zweifeln kann? ([Descartes]), beschäftigte jahrtausende lang die Philosophen, die es allerdings ganz überwiegend am Schreibtisch und durch nachdenken zu lösen versuchten und wahrscheinlich schon deshalb scheitern mußten. Denn Wissenschaft treiben ist ein dialogischer, kommunikativer, interaktiver und handlungsorientierter Prozeß mit Kommunizieren von beobachten, experimentieren, dokumentieren und vorhersagen, um Tatsachen, Gesetz- und Regelhaftigkeiten zu finden, zu bestätigen oder zu verwerfen.
Anmerkung: [> Beweis,
daß Empfindungen eine eigene Erlebniskategorie sind und nichts mit
denken zu tun haben]
Erfassen und Verstehen fremden Erlebens
Rudolf Carnaps Analyse der
Zugangswege zum fremden Erleben.
In seinem berühmten Büchlein Scheinprobleme in der Philosophie.
Das Fremdpsychische und der Realismusstreit, erste Auflage 1928 (2.
1962) analysiert Carnap die Bedingungen und Möglichkeiten einer Erkenntnis
des Fremdpsychischen:
Carnap bestimmt damit aber nur grob die Bedingungen und Möglichkeiten.
Ungeklärt bleibt die praktisch wichtige und entscheidende Frage richtiger
Interpretation und Verständigung. Die Frage bleibt: wie ist - wechselseitiges
- verstehen möglich? Was genau heißt verstehen? Und wie lässt
sich verstehen evaluieren, absichern?
Wie ist Kommunikation möglich ?
Vorbereitender Exkurs
Homonyme:
Die Worte können metaphorisch als die Kleider der Begriffe
angesehen werden. Begriffe sind Merkmalseinheiten oder Bedeutungen. Bei
psychologisch strenger Betrachtung hat ein Wort so viele unterschiedliche
Begriffe, wie es Subjekte gibt, die es benutzen, wobei sich die Bedeutungen
im zeitlichen Verlauf auch noch mehr oder minder ändern können.
Deshalb behält Aristoteles Empfehlung
auch seine zeitlose Richtigkeit:
|
"Nun müssen diejenigen, welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; |
Aristoteles formuliert das Problem sehr klar, aber er gibt keine Lösung. Denn es stellt sich natürlich die Frage, wie man das macht, sich auf genau eine Bedeutung zu verständigen. Mit anderen Worten: wie genau geht praktisch erklären der einen Bedeutung, in der man das Wort zu gebrauchen wünscht?
Grundproblem Begriffsverständnis:
Verstehen
ist ein grundlegender Begriff, der nur auf dem ersten Blick klar scheint.
Tatsächlich dürfte es in den meisten Situationen so sein, dass
wir zwar meinen oder glauben, zu verstehen - aber verstehen wir "wirklich"?
Wie können wir prüfen, ob wir "wirklich" verstehen? Wie macht
man das? Die einfachste Möglichkeit, verstehen zu prüfen, geht
über das Verhalten oder Handeln.
Wie kann man feststellen und ermitteln, welchen Begriff
ein Kommunikator mit der bildlichen oder lautlichen Ausdruckshülle
eines Wortes verbindet? Das Problem hat in allen Wissenschaften, die mit
Erleben und Verhalten zu tun haben, eine kaum zu überschätzende
Bedeutung.
Aus dieser Fragestellung ergibt sich sofort die
nächste und noch grundlegendere Frage: was können oder sollen
wir unter einem
Begriff verstehen? Eine Idee, eine Vorstellung,
ein kognitives Schema, eine mehr oder minder deutliche Merkmalskombination
in dieser oder jener Kommunikationssituation? Auf den ersten Blick scheint
intuitiv klar, was wir unter einem Begriff verstehen können, etwa
dadurch, dass wir Beispiele und Gegenbeispiele für Begriffe angeben
können, z.B. Baum, Anfang, und, .... Tatsächlich geben wir beim
Kommunizieren aber
nur Worte an. Worte sind aber nur die
"Kleider" der Begriffe. Sie repräsentieren oder bezeichnen
einen Begriff, aber welchen nun genau? Man könnte auch sagen, mit
Worten
rufen wir in unserem Geist, in unserem Gedächtnis, in unserer Erfahrung
Begriffe auf. Aber welche? Wie geschieht das? Wie können wir prüfen,
welcher Begriff sich bei diesem oder jenen Menschen, in dieser oder jener
Situation, mit diesem oder jenem Wort verbindet? Fragen wir nach und ausführlicher,
erhalten wir als Antwort wiederum Worte, so dass sich ein sog. unendlicher
Regress, ein nicht endender Frage- und Wortkreislauf anbahnt. Aus empirisch-
operational- wissenschaftlicher Sicht sind daher vor allem solche Methoden
erwünscht, die nicht nur eine Prüfung gestatten, sondern auch
ein Ende haben. Beispiel: Es bestehe die Aufgabe darin, aus drei Gegenständen,
die blau, rot und gelb sind, einen auswählen. Aus der Wahl lässt
sich bei farbtüchtigen Probanden und ehrlichen schließen, ob
z.B. die Begriffe blau, rot, gelb zur Verfügung stehen. Relativ einfach
erscheinen hierbei Begriffe, die Äußeres, Wahrnehmbares, Zeigbares
betreffen. Sehr viel schwieriger wird es, wenn die Begrifflichkeit von
Innerem, Erleben, Gefühlen oder Stimmungen, Wünschen, Bedürfnissen
oder Zielen zu überprüfen sind.
Fuzzy-Begrifflichkeit
im Alltag. In alltäglichen kommunikativen Situationen begnügt
man sich meist mit einem ungefähren Verständnis, d.h. man prüft
hier meist gar nicht, was gemeint ist, sondern nimmt eine Bedeutung einfach
an. In der Psychodiagnostik und Psychotherapie kann dies sehr problematisch
werden, weil man möglicherweise nur meint, sich zu verstehen.
Fragt man etwa:
Welche Gefühle kennen Sie? und fragt nicht:
Welche
Gefühle kennen Sie vom eigenen Erleben her? kann man Antworten
bekommen, die nur den Wortschatz der Gefühle einer Person repräsentieren,
aber nicht das Erleben. Fühlprobleme werden so vielleicht übersehen.
Andererseits ist die Idee reizvoll, dass die Alltagswelt
vielleicht gerade deshalb praktisch so gut funktioniert, weil man sich
mit dem Ungefähren begnügen kann. Man konnte oben schön
sehen, dass die Dinge vielleicht erst dann richtig schwierig werden, wenn
man sie genau und ausdrücklich zu erfassen sucht. Vielfach gibt es
keinerlei Probleme zu verstehen, was jemand meint, auch wenn viele objekt-
und metasprachliche Ebenen ineinander verschachtelt sind. Erst wenn man
genauer einzudringen versucht, stellt man fest, dass es dann kompliziert
und schwierig werden kann. Kaum ein des Rechnens mächtiger Mensch
hat ein Problem mit den natürlichen Zahlen, jeder weiß, wie
sie aufeinander folgen und wie man ihnen umgeht, zählt und rechnet
- bis man sich fragt: gibt es alle?
Und was bedeutet hier alle? Und was heißt geben? Gibt
es Dinge, die sich selbst enthalten? Gibt es Unvollendbares als Vollendetes?
Gibt es Teile eines Ganzen, die genau so groß sind wie das Ganze?
Allgemein-Psychologisches-Referenz-Modell
>
Referenz
und Erkenntnistheorie.
Psycho-Ontologisch sind zunächst zwei Wirklichkeiten zu unterscheiden:
erstens die, die es auch ohne die Menschen gibt und zweitens die Wirklichkeiten,
die erst mit dem Menschen in die Welt kommen. Weiterhin kann Psycho-Modal
unterschieden werden: Existenz (da sein) und Abwesenheit (nicht da sein),
Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit, Phantasie, Wunsch und Norm (>
Welten).
Referierender - Referenz - Referenzierte. Die Graphik zeigt vier Grundmodellle der Referenzierung aus denkpsychologischer Sicht: Ich (Aussagen über mich), Anderer (Aussagen über andere), Natur (Aussagen über die Natür), Kultur (Aussagen über Soziokulturelles). Am einfachsten ist zweifellos das Referenzieren auf äußere Dinge, die der Wahrnehmung und gemeinsamer Handlungs- und Lebenspraxis zugänglich sind. So fängt die Sprach- entwicklung auch weitgehend an: Mama, Papa, Auto, Handy, Wauwau, ... Schwieriger kann es werden, wenn es um das Erleben und nicht direkt beobachtbare seelisch-geistige Prozesse eines ich oder selbst oder gar um "höhere" Wahrnehmungsebenen (Laing) geht. Die Referenz der Innenwelt kann den Objekten des Personalpronomens
"ich" (bzw. seinen Entsprechun- gen) zugeschrieben werden.
Bemerkt ein Mensch, was in ihm vorgeht, so heißt "ich"
das Referierende und das, was bemerkt wird, das Referenzierte. Z.B. wenn
sich jemand fragt, wie es ihm geht, dann heißt ergehen so
und so das Referenzierte. Wenn sich jemand fragt, wie sein Partner
meint, dass es ihm geht, gibt es zwei Referenzierungen, nämlich erstens
mein
Ergehen so und so wie ich das zweitens in das Erleben meines
Partners projiziere. Die Referenzierungen des Erlebens können
als unterscheidbare Bewusstseinsinhalte angesehen werden.
|
Die psychische Realität und die psychologischen Gegebenheiten: Objekte (Gegenstände des Erlebens und Verhaltens), Eigenschaften und Relationen (Beziehungen) der psychologischen Gegebenheiten (des Erlebens und Verhaltens), Zeichen und Bezeichnungen für die psychologischen Gegebenheiten (des Erlebens und Verhaltens).
Viele psychologische Objekte sind sehr unscharf, flüchtig, schwer begrifflich und methodologisch zu fassen. Beweise des psychischen Erlebens sind daher schwierig, leicht hingegen die des Verhaltens, was schon die Behavioristen sehr zu schätzen wussten. Eine ausgearbeitete, geschweige denn eine allgemein anerkannte Beweislehre des psychischen Erlebens gibt es nicht. Daran kranken die Psychologie und Psychopathologie des Erlebens. Sie soll hier entwickelt werden in enger Anlehnung an meine Arbeit über das Denken.
Paradigmatische
Beweismethoden und Beweismittel in der Psychologie
Paradigma soll hier für Muster, typisches Beispiel, Prototyp stehen.
Ich verwende den Begriff für wiederkehrende, typische Fälle,
so dass die Beweismethodik für jeden einzelnen Fall angewendet werden
kann. Gelingt das nicht mehr, muss das Paradigma erweitert, verändert
werden.
Allgemeiner
Diagnosenbegriff
(1a) Ein Sachverhalt liegt (nicht) vor. (1b) Ein Sachverhalt liegt (nicht) in dieser oder jener Ausprägung vor. |
Es ist zwar ungewöhnlich, den Diagnosebegriff auf beliebige Sachverhalte zu verallgemeinern, aber in diesem Themenumfeld nicht abwegig und grundsätzlich, nach der ursprünglichen Wortbedeutung, ohnehin sinnvoll und begründet. Denn die ursprüngliche griechische Bedeutungswurzel: dia als unter- oder entscheiden, und gnosis, die Erkenntnis, trifft das, was Diagnostiker tun, sehr gut. Ursprungswörtlich ergibt sich demnach als sinnvolle Wortbedeutung unterscheidendes Erkennen.
Obwohl man auch davon sprechen könnte, Sachverhalte zu diagnostizieren, redet man nicht so. In Bezug auf allgemeine Sachverhalte benutzt man das Wort feststellen - ob etwas der Fall ist oder nicht. Von Diagnosen spricht man, wenn es um um das Auffinden von Störungen geht, im engeren Sinne in der Heilkunde. Eine Diagnose haben bedeutet gewöhnlich, die Krankheit kennen, die vorliegt.
Allgemeine äußere Sachverhaltsfeststellung sind z.B.: Da steht ein Tisch. Das Licht ist an. Die Tür ist auf. Es zieht. Die Glühbirne geht nicht mehr. Hier ist beweisen einigermaßen einfach. Aber das Innere, direkt Unsichtbare, Erlebensinhalte zu beweisen ist schwierig. Warum eigentlich? Auch die äußere Welt erleben wir doch durch Wahrnehmen, ist also durch "Inneres" vermittelt. Das werden wir herausfinden, indem wir die Beweisschritte für Äußeres und Inneres sorgfälig durchführen und vergleichen.
Die einfachste Unterscheidung betrifft elementare Sachverhalte, die vorliegen oder nicht vorliegen können:
Beweis Paradigma Tatsachen Diagnose (positiv: = Sachverhalt ist wahr, negativ := Sachverhalt ist nicht wahr. |
Beweis Paradigma Symptom Diagnose := einer Tatsache kommt Symptomwert zu. |
Symptomwert := Anzeichen für, z.B. Erröten oder Erblassen
für einen emotionalen Prozeß; Fieber oder
erhöhte Temperatur als Krankheitszeichen für viele Krankheiten.
Meist sind Symptomwerte nicht ein- sondern mehrdeutig, so dass sich das
Problem einer differentialdiagnostischen Entscheidung ergibt, für
welchen der in Frage kommenden Sachverhalte der Symptomwert besteht.
Beweis Paradigma Syndrom Diagnose := einer Symptomkonfiguration kommt Syndromwert zu. |
Der Medizin verdanken wir den Syndrombegriff. Darunter ist eine Konfiguration
von Zeichen zu verstehen, die durch unterschiedliche Krankheiten hervorgebracht
werden kann. Aus dieser Bestimmung geht schon hervor, wie wichtig es ist,
zwischen Syndrom und zugrunde liegender Krankheit zu unterscheiden.
Beweis Paradigma Krankheits-Diagnose := Ein Syndrom kann einer Krankheit zugeordnet werden. |
Das ist eine wesentliche Aufgabe in der Heilkunde. Oft gilt eine richtige
Diagnose als Voraussetzung für eine richtige Behandlung. Das ist aber
nicht zwingend, wie auch der Placeboeffekt
nahelegt.
Beweis Paradigma Wirkungen der Krankheit (z.B. arbeits-, geschäfts-, schuldunfähig; beeinträchtigt ...) |
Viele Erkrankungen haben Wirkungen auf Erleben und Verhalten. Eine der
bekanntesten in unserem sozialen Kulturkreis sind z.B. die Wirkungen Behandlungsbedürftigkeit,
Schonungsbedürftigkeit bis hin Arbeits- oder (vorübergehenden)
Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Der sozialrechtliche Status "krankt"
schützt und behütet auch, befreit vorübergehend von bestimmten
Pflichten und verleiht besondere Rechte, die mit dem Krankenstand verbunden
sind. So weit die soziologische Beschreibung. Sehr viel schwieriger ist
aber ein Beweis der Arbeitsunfähigkeit. In der Praxis begnügen
ÄrztInnen und Kranke meist mit glaubhaft machen, manchmal wird gar
nicht sorgfältig untersucht und geprüft. Krankschreiben gehört
sozusagen zum Service der ÄrztInnen und wer nicht mitmacht, wird mitunter
ganz schnell gewechselt.
Beweis
Paradigma Prüfung von Mitteilungen über das Erleben
> Wie geht es Ihnen?
Wie können wir prüfen, ob das, was ein Mensch über sein Erleben mitteilt, richtig ist? Wie macht man das im Beziehungs- und Kommunikationsalltag? Die wesentliche und grobe Antwort lautet: 1) Der Wahrheitsgehalt einer Mitteilung über das Erleben wird im Alltagsleben bewiesen durch - meist nichtbewusste - Abwesenheit von emotionalen oder mentalen Regungen des Zweifels oder Irritationen. 2) Durch Auflösen von auftretenden emotionalen oder mentalen Zweifeln oder Irritationen (neudeutschpsychologisch: durch Validieren oder Evaluieren von Mitteilungen. |
Im üblichen Alltag erfolgen solche Prüfungen meist nicht ausdrücklich,
sondern nicht bewusst, intuitiv, d.h. man prüft intuitiv, aber man
weiß nicht, wie man es (genau) macht. Die einfachste und übliche
positive intuitive Prüfung ergibt sich daraus, dass sich kein Zweifel
oder eine Irritation einstellt. Durch die Abwesenheit von
emotionalen oder mentalen Regungen des Zweifels oder von Irritationen kommt
man meist nicht-bewusst zur positiven Prüfung des Wahrheitsgehaltes
von Mitteilungen.
Erst dann, wenn sich emotionale oder mentale Regungen
von Zweifel oder Irritationen einstellen, können diese zu einer bewussten
Prüfung führen. Doch wie sieht dies aus, wie kann sie aussehen?
Alltagsformulierungen des Zweifels an Mitteilungen können z.B. sein:
Gegenbeispiele
für nur scheinbare Einwendungen als Ausdruck für ungewöhnliche,
kaum glaubliche Ereignisse:
Umschreibungen
emotionaler Ebene (schwer in Worte zu fassen)
Entstehen
von Zweifel und Irritationen
Beweis-Paradigma Ausführung nach Aufforderung oder - allgemeiner - Reiz-Reaktions-Schemata |
Fragt man z.B. jemand, ob er seine Hand heben kann und er hebt seine
Hand, so kann man schließen, dass er die Frage verstanden und angenommen,
weil er sie ausgeführt hat. Dieses Paradigma kann weiter
verallgemeinert werden auf Reiz-Reaktions-Schemata. Jemand konfrontiert
ein Erlebens-System, mit einem Reiz, das mit einer Reaktion antwortet.
Hieraus lässt sich im Prinzip schließen, dass der Reiz
das Erlebens-System erreicht hat, weil es reagiert.
Beweis-Paradigma Bio-Aktivitätsspur [Ideale Experimente] |
Erleben ist an den Körper, an die Materie, genauer an das Gehirn
und Nervensystem gebunden. Eine Projektion des Erlebens ist das sog. bewusste
Erleben. Ein Teil des Ereignisstroms
wird zum Erlebnisstrom, wenn das biologische System auf den
Ereignisstrom reagieren kann. Und von dem Erlebnisstrom kann wiederum ein
Teil bewusst und damit zum Bewusstseinsstrom werden. Damit
stellt sich die Frage, ob es eine direkte biologische Repräsentation
der Bewusstseinsvorgänge gibt. Hier ist man mit Hilfe der bildgebenden
Verfahren (PET,
fMRT,
AGT)
seit einiger Zeit deutlich weitergekommen. Hierzu kann man auch die Biofeedback
und die Neurofeedbackverfahren rechnen. So geht etwa eine Emotionalisierung
mit verstärkter Erregung und Schweißabsonderung einher, was
mess- und sichtbar gemacht werden kann. Ein großes Problem ergibt
sich aber durch das terminologisches Durcheinander, weil meist nicht operational
differenziert und klar unterschieden wird, von welcher Repräsentationsebene
gesprochen wird.
Beweis-Paradigma Anlage - Umelt |
Das Anlage-Umwelt-Problem ist ein "Klassiker" im Spannungsfeld Biologie
und Psychologie. Und eine klassische Untersuchungsmethode ist der Vergleich
zwischen verschiedenen Verwandtschaftsgraden, wobei der Zwillingsstudie
besondere Bedeutung zukommt. Merz
& Stelzl (1977), S. 68, sind nach Auswertung von eineiigen Zwillingsstudien
zu dem Ergebnis gekommen, dass 80% der Intelligenzleistung vererbt wird.
Die Idee aus Erbähnlichkeiten z.B. über
Zwillingsstudien Aufschlüsse über die Bedeutung der Erbfaktoren
z.B. für Charakter- oder Persönlichkeitsmerkmale zu gewinnen,
ist auf den ersten Blick überzeugend, nach dem zweiten Blick aber
nicht ganz so einfach, wie es vielleicht zunächst scheint.
Hinsichtlich des Erbgutes kann die Rangreihe Eineiiger
Zwilling, Zweieiiger Zwilling, Geschwister
aufgestellt werden. Hinsichtlich der Aufwuchs- und Erziehungsumgebungen
bieten sich gleiche, ungleiche oder mehr
oder minder ungleiche an, etwa wenn eineiige Zwillinge nach der
Geburt getrennt und in verschiedenen Umgebungen (Familien) aufwuchsen,
was aber noch nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass eine formal ungleiche
Umgebung auch inhaltlich ungleich zu bewerten ist. M.W. ist das Problem
der Gleichheit bzw. Ungleichheit von Umgebungen bislang noch nicht richtig
angegangen worden.
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Beispiel-Deutungen für Konfigurationen und Hypothesen:
Unterscheidungen
im Erleben und die Bewusstseinselemente [von Quelle
5.1]
Wir müssen grundsätzlich unterscheiden zwischen verschiedenen Erlebensstufen [von Quelle 5.2]
Nicht alles, was in uns stattfindet, wird auch subjektiv erlebt.
Nicht alles, was subjekt erlebt wird, wird bewusst erkannt. Nicht alles,
was bewusst als subjektives Erlebnis erkannt wird, kann auch ausgedrückt
und kommuniziert werden. Nicht alles, was ausgedrückt und kommuniziert
werden kann, wird auch so verstanden wie es gemeint ist. Damit sind die
Hauptprobleme der Kommunikation über das Erleben beschrieben.
Richtet oder verdichtet sich unsere Aufmerksamkeit auf einen Bewusstseinsinhalt, so stellt die Frage: um was für einen Bewusstseinsinhalt handelt es sich? Fokussiere ich auf eine Wahrnehmung, versuche ich etwa zu hören, was sich im Treppenhaus abspielt, oder was im Hof los ist? Versuche ich, die Nachrichten zu hören? Bemerke ich ein Ziehen im Bein, eine Missempfindung im Rücken oder eine Spannung in den Gliedern?
Ueberblick über mögliche Bewusstseinsinhalte oder Bewusstseinsfiguren - erleben im einzelnen
Anmerkung Brentano: Die Konzeption
der Funktionseinheiten findet sich schon bei Franz Brentanos (1874) "Psychologie
vom empirischen Standpunkt" - ein Buch zu einer angeblich empirischen Psychologie,
die ohne Experiment, Beobachtung, Exploration, Protokolle ... auskommt
(> Vorurteile
der Nur-Denker-Zunft), im Grunde eine Paradoxie - wenn er Z. im Ersten
Band, S. 8 ausführt:
Normierung
der verschiedenen Bewusstseinsinhalte oder Bewusstseinsfiguren
Normieren hört sich schrecklich bürokratisch, für manche
sogar regelrecht abstoßend, an. Es heißt hier aber nur, dass
man versucht, Standardsituationen zu finden, die eine hohe Gewähr
dafür bieten, dass der gemeinte Bewussstseinsinhalt, auch tatsächlich
erlebnisnahe erkannt und wiederbelebt wird. Manchmal genügt es hierzu,
sich Erfahrungen und Situationen der Vergangenheit ins Bewusstsein zu rufen.
Aber auch gezielte Fantasien und gelenkte Tagträume können hierbei
hilfreich sein. Die wichtigsten Bereiche sind:
Praktisch-Systematische und psychotherapiepraxisrelevante Terminologievorschläge
In den meisten Psychotherapien ist die Sprache das wesentliche Medium, um Erleben und Verhalten zu untersuchen und zu verändern. Es ist daher sehr wichtig, dass man sich - wirklich - versteht. Daher stellt sich in nahezu jeder Psychotherapie natürlich die Grundfrage: wie kann den PatientInnen geholfen werden, über ihr Erleben und Verhalten so zu sprechen, dass die Psychotherapie wirken kann und gut vorankommt? Die folgende Bewusstseinsinhaltsanalyse ist analytisch-künstlicher Natur, d.h. mit Hilfe der Erfahrung, Praxis, Vernunft und Wissen konstruiert.
Einige Stichworte:
Das Denken scheint auch ganz unterschiedliche Klarheit und Schärfe
annehmen zu können. Meist erscheint es wenig greifbar, diffus, ungefähr,
flüchtig, schnell. Eine gute Metapher sind unklare, unscharfe und
flüchtige Wahrnehmungen, die durch Fokussierung und Konzentration
an Klarheit und Schärfe gewinnen können. Man kann nun verschiedene
Modelle entwickeln, um die Bewusstseinsvorgänge und speziell das Denken
zu untersuchen. Hierbei kann man drei Ausgangspunkte unterscheiden.
Diese hinführenden Vorüberlegungen erlauben nun, ein realistisches
und praxistaugliches 7-Phasenmodell zu entwerfen:
Ein
7-Phasen-Modell einfacher Bewusstseinsvorgänge bei freischwebender
Aufmerksamkeit
Methodische
Anleitungsskizze zum 7-Phasen-Modell einfacher Bewusstseinsvorgänge
(1) Freischwebende Aufmerksamkeit. Versetzen Sie sich bitte in einen Zustand frei schwebender Aufmerksamkeit. Lassen Sie die Bewusstseinsinhalte kommen und gehen, wie sie wollen. Greifen Sie nicht ein. Lassen Sie sie geschehen. Versuchen Sie zunächst nicht, sich einem Bewusstseinsinhalt besonders zuzuwenden. Lassen Sie bitte einfach nur geschehen und Ihr Bewusstsein treiben, wie es gerade mag. Alles oder auch gar nichts darf kommen, bleiben oder wieder gehen. Versuchen Sie keinerlei Einfluss zu nehmen. Seien Sie nur ein teilnehmender Beobachter Ihrer Bewusstseinsvorgänge. Es spielt an dieser Stelle keinerlei Rolle, welche Bewusstseinsinhalte auftauchen, verweilen, sich verändern, wieder gehen oder nicht. Hierzu ist es wichtig, typische und wiederkehrende Erlebnisinhalte zu unterscheiden.
(2) Bemerken,
abrufen oder Erzeugen einer Bewusstseinsfigur aus dem Hintergrund oder
der Vielfalt der Bewusstseinsinhalte
Während in Ihrem Bewusstsein diese oder jene Figuren mehr oder
minder schemenhaft, flüchtig, so oder so auftauchen, kurz da bleiben,
wieder in den Hintergrund treten oder hin und wieder auch wieder zum Vorschein
kommen, bemerken Sie mehr oder weniger grob, was da alles erscheint und
vorüberzieht. Aus diesem flüchtigen und schemenhaften Bewusstseinsstrom
haben Sie vielleicht das eine oder andere bemerken oder registrieren können.
Diese Übungen können Sie systematisch auf verschiedene Weisen
durchführen, z.B.:
Übungsvariante-1: Damit äußere visuelle
Wahrnehmungen nicht stören können, schließen Sie bitte
für ungefähr eine Minute lang die Augen und lassen den Bewusstseinsstrom
vorüberziehen. Nach einer Minute versuchen Sie sich bitte zu erinnern,
was Sie bemerkt und registriert haben.
Übungsvariante-2: Damit äußere visuelle
Wahrnehmungen nicht stören können, schließen Sie bitte
für ungefähr eine Minute lang die Augen und nehmen sich z.B.
ein Tonaufnahmegerät. Sehen Sie sich bitte ein wenig wie einen Reporter,
der Ihren Bewusstseinsstrom beobachtet, und geben Sie hin und wieder an,
was Sie gerade bemerkt haben.
Übungsvariante-3: Legen Sie sich ein Blatt
Papier vor sich hin. Notieren Sie stichwortartig, was Sie in Ihrem Bewusstseinsstrom
bemerkt haben.
(3)
Auswählen
und Richten der Aufmerksamkeit auf die bemerkte Bewusstseinsfigur, wodurch
zugleich ein erstes, grobes Klassifizieren stattfindet.
Versuchen Sie, eine Bewusstseinsfigur festzuhalten und näher zu
klären, was sie für ein Typ ist. Hierbei können Sie z.B.
auf folgendes Bewusstseinsfigurtypen-Angebot zurückgreifen, wenn Sie
versuchen, die eine oder andere Bewusstseinsfigur nach ihrem Typus näher
zu klären: Wunsch, Bedürfnis, Gefühl, Stimmung, Befindlichkeit,
Gedanke, Erinnerung, Fantasie, (innere) Empfindung, (äußere)
Wahrnehmung, Konflikt, Körperregung, Vorsatz, Vorstellung, Plan, Frage,
Aufgabe, Einfall (Idee), Irritation (Störung), Entscheidung, Entschluss,
Handlungsimpuls, Handlungshemmung.
_
(4) Näheres
Klären der ausgewählten und grob klassifizierten Bewusstseinsfigur.
Bewusstseinsinhalte werden mit Hilfe der Erfahrungen, die im Gedächtnis
gespeichert sind und des Denkens geklärt. Die zum näheren Klären
ausgewählte Bewusstseinsfigur wird näher untersucht, bestimmt,
ein- und abgegrenzt und dadurch mehr und mehr geklärt.
Das (subjektiv) erfolgreiche Klären führt
zur Identifikation der Bewusstseinsfigur durch einen Namen oder eine Kennzeichnung
(Be- oder Umschreibung), der der Bewusstseinsfigur zugeordnet wird.
(5) Identifikationsfunktion des Denkens:
(7) (Vorläufige)
Beendigung und (Zwischen-) Ergebnis der Weiterverarbeitung.
Am - vielleicht vorläufigen - Ende der Verarbeitung stellt sich
die Frage nach einem - vielleicht vorläufigen - Ergebnis der Verarbeitung.
Man kann sich nun fragen, was das nun für einen insgesamt bedeutet,
was zu tun oder zu lassen ist, ob der Sachverhalt weiterhin im Auge behalten
werden soll oder nicht bzw. unter welchen Umständen?
Wird die Verarbeitung als insgesamt nicht sehr bedeutungsvoll
eingeschätzt wird sie vielleicht zur weiteren Nichtbeachtung oder
zum Vergessen freigegeben und sie verschwindet dann unter Umständen
für immer.
Damit die psychologischen Wissenschaften ihr prä-galileiisches Niveau nachhaltig überwinden und aufeinander [aufbauen] können, müssen sie [terminologische] intersubjektive Klarheit und Zuverlässigkeit in ihre begriffliche Grundlagen bringen, damit nicht jede Generation erneut bei Adam und Eva anfängt und immer wieder ihre eigenen neuen Systeme erfindet. Wissenschaft kann nur auf vielen Schultern [Kekulé 1890] entstehen. Und weil dies in der Psychologie so besonders schwierig ist, sind operationale Normierungen umso notwendiger.
Hierzu gehören besonders die elementaren [psychischen Funktionen], die Konstruktion der [Psyche], des [Bewußtseins] und der Bewußtseinselemente: was können und sollten wir erlebensmäßig unterscheiden und wie läßt sich das sowohl wissenschaftlich als auch praktisch normieren? Da eine empirische Erforschung der Psyche unmöglich ist, wenn nicht andere Menschen zu ihrem Erleben und Verhalten beobachtet und befragt werden, fragt sich: Wie ist einfühlen, mitfühlen (Empathie) und verstehen möglich? Welche Fehlerquellen erwarten uns hier und wie können wir sie bestmöglich kontrollieren? Ganz wichtig ist auch die Konstruktion der Persönlichkeit, der relativ stabilen und überdauernden Persönlichkeitskerne gegenüber den eher situativen und leichter veränderungsmöglichen Erlebens- und Verhaltensweisen. Hier ist also eine differentielle Psychologie der Persönlichkeit nötig. Voraussetzung für eine über einer Generation hinausgehende Persönlichkeitsforschung, die aufeinander aufbauen kann, ist abermals eine klare normierte Terminologie.
Beispiel: Unterscheidungen zu [Glauben] und Überzeugungsgraden
Zunächst wäre bei der folgenden Tabelle von Glaubens- oder
Überzeugungsgraden zu klären, ob die Unterscheidungen sinnvoll
sind. Dazu gehörte auch, zu zeigen, daß sie operational normierbar
sind, also experimentell als gesichert angesehen werden könnten.
Kürzel | Überzeugungsgrad/ Glaube | Sachverhaltsbezug 1. Metastufe "X ist ..." |
5+ | absolute Gewißheit | X. ist wahr; falsch; möglich; wahrscheinlich mit p |
4+ | Gewißheit, überzeugt daß ... | X. ist wahr; falsch; möglich; wahrscheinlich mit p |
3+ | ziemlich sicher glauben | X. ist wahr; falsch; möglich; wahrscheinlich mit p |
2+ | gewisse Wahrscheinlichkeit | X. ist wahr; falsch; möglich; wahrscheinlich mit p |
1+ | für möglich halten | X. ist wahr; falsch; möglich; wahrscheinlich mit p |
0 | ungewiß, unsicher, unklar | keine Ahnung, keine Meinung, völlig offen |
1- | kaum für möglich halten | X. ist wahr; falsch; möglich; wahrscheinlich mit p |
2- | gewisse Unwahrscheinlichkeit | X. ist wahr; falsch; möglich; wahrscheinlich mit p |
3- | ziemlich sicher nicht glauben | X. ist wahr; falsch; möglich; wahrscheinlich mit p |
4- | unmöglich | X. ist wahr; falsch; möglich; wahrscheinlich mit p |
5- | absolut Unmöglich | X. ist wahr; falsch; möglich; wahrscheinlich mit p |
Querverweis: Sprachstudie-01.
Beispiel
Erinnerungsbild und Wiedererkennen (Ziehen 1924).
Im Leitfaden der Physiologischen Psychologie von Th. Ziehen
(1924, S. 295) wird ausgeführt:
Die Schlußfigur Ziehens ist offenbar: Aus der Tatsache der
Wiedererkennung
folgt, daß es eine Erkennung gegeben haben muß. Wir
wissen aber andererseits aus der Gerichts- und Zeugenpsychologie, daß
es falsche Wiedererkennungen gibt. Zudem kann man einwenden, daß
eine Rose, die später wiedergesehen wird, sich sehr leicht verändert
haben kann. Diese Argumente können aber z.B. durch folgenden Versuch
außer Kraft gesetzt werden:
Literatur sich selbst erkennen im Spiegel
Der Zeigarnik-Effekt besagt, dass unerledigte Handlungen
doppelt so gut im Gedächtnis behalten werden als erledigte.
Der Beweis hat folgende Struktur: ProbandInnen werden hinsichtlich unerledigter und erledigter Handlungen befragt. Ihre Kooperation und subjektiv wahrheitsgemäße Mitwirkung wird vorausgesetzt. Die unterschiedlich vielen und mehr oder minder richtigen Erinnerungen werden hinsichtlich der beiden Ausgangsbedingungen erledigt/ unerledigt ausgezählt. Es wird angenommen, dass die Definitionen für erledigte, unerledigte Handlungen und Güte der Erinnerungen zutreffend vorgenommen wurden. Aus dem Ergebnis, dass im Durchschnitt nahezu doppelt so viele unerledigte als erledigte erinnert wurden, schließt Zeigarnik das nach ihr benannte Ergebnis. |
Bluma Zeigarnik fasst ihre Ergebnisse (1927) wie folgt zusammen (PDF, S. 84f): "Zusammenfassend ergibt sich:
Zunächst sind einige Grundfragen im Vorfeld zu lösen:
(1) Was soll unter freiem Willen verstanden werden. (2) Was soll unter
freiem Willen operational verstanden werden? (3) Welcher
Hypothesenraum (z.B. vollständige, totale Freiheit oder teilweise,
partielle Freiheit, also Freiheitsgrade unter dieser oder jenen Bedingungen?)
soll für freien Willen zugrunde gelegt werden?
(1) Rechtliche und
kriminologische Beweisprinzipien und Regeln
Allgemein und übergeordnete Gesichtspunkte zu Beweisfragen im
forensischen Bereich ergeben sich durch Gesetz, Rechtsprechung und Entwicklung
der kriminologischen Wissenschaft:
(2) Zuordnungsproblem
Rechtsbegriffe und Bereichsbegriffe
Eines der größten und bislang von der Rechtswissenschaft
ungelösten Probleme betrifft die Bedeutung der Rechtsbegriffe und
ihre Übersetzung- und Zuordnungsregeln in Fachbegriffe. Wie man es
lösen kann und vielleicht auch sollte, habe ich hier dargelegt:
(3) Mindestanforderungen
an forensisch-wissenschaftliche Gutachten
Weiter ist von großer Bedeutung für die praktische Gutachtenarbeit,
was überhaupt unter einem wissenschaftlichen Gutachten zu verstehen
ist, welche allgemeinen Mindestanforderungen an sie zu stellen sind:
(4)
Beweisbeispiele Forensische Psychologie, Psychopathologie und Psychiatrie.
Wie
beweist man, was für eine Bindung ein Kind an Bezugspersonen hat
?
Der Bindungsbegriff ist einerseits ein Rechtsbegriff
vom Typ Generalklausel, also offen und unvollständig,
in Entwicklung und Veränderung. Es gibt demnach rechtlich keine Definition,
sondern nur Charakterisierungen und Bestimmungsmerkmale. Das ist rein rechtlich
und forensisch die erste Schwierigkeit. Denn um feststellen zu können,
was für eine Bindung eines Kindes an seine Bezugspersonen vorliegt,
muss der Bindungsbegriff fachlich geklärt sein.
Ganz allgemein ergeben sich für den Bindungsbegriff
folgende Bedeutungsbereiche, die jeweils durch einen entsprechenden Index
spezifiziert werden:
Für die praktische Begutachtung ist hier wünschenswert
eine theoriegeleitete operationale Begriffsanalyse, die auf nachvollziehbaren
Forschungsdaten beruht. Im Gutachten wird oder sollte stehen, welche Bindungsbegrifffpsy(FamG)
dem Gutachten zugrunde liegt und welche Methodenfpsy angewandt
wurden, um die Bindungfpsy(FamG) im vorliegenden Einzelfall
festzustellen. Dazu gehören dann auch Ausführungen zur Sicherheit
der Befundergebnisse.
Beispiel Autismusforschung
Spektrum der Wissenschaft berichtete im April 2007 zum Autismus über
einige neuere Hypothesen:
Unter anderen wird von einem interessanten Versuch berichtet, der die Hypothese einer Spiegelneuronenstörung sehr stark unterstützt und damit einen besonderen Beweisindizwert hat.
Spiegelneuronen-Defizit-Hypothese:
Lernen durch Beobachtung anderer bei Autisten gestört ?
Führen Versuchspersonen eine kontrollierte Bewegung aus, z.B.
eine geschlossene Hand öffnen, so kommt es während der Muskelbewegung
zur Unterdrückung des relativen Amplitudenausschlages - bei Gesunden
und auch bei Autisten. Bei Beobachtung einer solchen Handlung kommt es
aber nur bei "Gesunden" zur gleichen Reaktion: die sog. m-Welle
wird unterdrückt, was man so deutet: ob diese Handlung selbst ausgeführt
oder "nur" bei anderen beobachtet wird ist für "Gesunde" einerlei.
Beobachten hingegen Autisten eine solche Handlung, kommt es zu keiner
m-Wellen
Unterdrückung.
Daraus zogen die Forscher den Schluss, dass das Spiegelneuronensystem bei Autisten "gestört" ist. Vom autistischen Standpunkt aus betrachtet kann man natürlich eben so gut sagen, dass das Spiegelneuronensystem der sog. "Gesunden" "gestört" ist, abermals ein Beleg dafür, wie sehr die Merkmalsdeutung "gestört" oder "gesund" von der Perspektive oder von der Beurteilerbasis abhängt.
Die Frage, die sich hier stellen, sind:
1) Trifft das auf alle Autisten zu?
2) Trifft es es nur auf Autisten zu?
3) Trifft es immer bei Autisten zu oder gibt es Bedingungen, wo es
nicht zutrifft?
Diese Fragen beantwortet der Versuch nicht. Es ist natürlich durchaus möglich, vermutlich sogar eher naheliegend, dass es mehrere und unterschiedliche Störungen gibt, zu denen dieses Symptom gehört.
Metapher-Verständnis-Defizit:
Der Buba-Kiki-Test
Die Zuordnung von Formen und Klängen funktioniert bei Autisten
anders als bei Kontrollpersonen (Nicht-AutistInnen). Während Kontrollpersonen
mit dem Klangbild von "Buba" rund und mit dem Klangbild von "Kiki" eher
etwas Spitzes verbinden, gelingen solche Zuordnungen bei AutistInnen nicht.
Die örtliche Zuständigkeit wird beim Gyrus angularis (Kreuzung
Sehzentrum, Hören und Tastempfinden) vermutet, wobei aus solchen neuroanatomischen
Zuordnungen meist nichts wirklich Strenges folgt. Die Argumentation der
AutorInnen ist selbst sehr metaphorisch, wenn sie ausführen, dass
in diesem Hirngebiet Neuronen lokalisiert sein sollen, die ähnlich
wie Spiegelneuronen funktionieren. Nichtautistische Personen mit Schädigungen
in diesem Hirngebiet sollen beim Buba-Kiki ähnlich ausgeprägt
"versagen" wie AutistInnen. So bleiben auch die spekulativen Phantasien
der AutorInnen sehr im entwertenden Dunkeln (die, mangels Spiegelneuronen,
nur nach Erdnüssen, statt nach den Sternen greifen können) .
In diesem Zusammenhang wird auch mitgeteilt, dass AutistInnen Probleme
mit dem Imitieren haben, so etwa die Mutter nach machen, wenn sie die Zunge
herausstreckt. Dunkel bleibt auch, wie eine Verhaltenstherapie vor Auftreten
der ersten Symptome möglich sein soll, noch dazu, wenn diese sich
zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr ausbilden sollen. Wieso sollte
man jemand behandeln, der keine Symptome zeigt? Wogegen denn?
Störung
des emotionalen Bewertungssystems: Salience-Landscape-Theory.
"UM GEWISSE SEKUNDÄRE AUTISMUSSYMPTOME ZU ERKLÄREN - Überempfindlichkeit,
Vermeiden von Blickkontakt, Abneigung gegen bestimmte Geräusche -
wurde die so genannte Salience-Landscape-Theorie entwickelt. Bei einem
gesunden Kind wandern die Sinnesdaten zum Mandelkern, dem Tor zum limbischen
System, das Emotionen verarbeitet. Der Mandelkern nutzt gespeichertes Vorwissen,
um zu bestimmen, wie das Kind emotional auf jeden Reiz reagieren soll.
Auf diese Weise entsteht eine Art Wichtigkeitslandschaft (salience landscape)
der kindlichen Umwelt. Doch bei Kindern mit Autismus sind die Verbindungen
zwischen den sensorischen Arealen und dem Mandelkern offenbar verändert;
darum reagieren Autisten auf unbedeutende Ereignisse oder Objekte mit extremen
Emotionen"
Diese Interpretation ist in sich widersprüchlich
und entwertend. Für Autisten sind "Nebensächlichkeiten" von "Gesunden"
eben keine Nebensächlichkeiten. Ihr Bewertungssystem funktioniert
anders.
Die AutorInnen vermuten spekulativ, dass Schläfenlappenepilepsien,
die bei jedem 3. autistischen Kind ausgemacht werden konnten, für
die "autistische Erregung" verantwortlich sein könnten.
Literaturhinweise im Spektrum Artikel:
Allgemeines
Beweisprinzip dieses Experimentiertyps
Experimentiergruppe | Kontrollgruppe | |
Bedingung 1 | Merkmal so vorhanden oder nicht | Merkmal so vorhanden oder nicht |
Bedingung 2 | Merkmal so vorhanden oder nicht | Merkmal so vorhanden oder nicht |
Es gibt dann die Möglichkeiten:
(1) B1_M(E) gleich B1_M(K) (2) B1_M(E) ungleich B1_M(K) (3) B2_M(E) gleich B2_M(K) (4) B2_M(E) ungleich B2_M(K) |
(1) und (3) erlauben wie (2) und (4) keine Schlussfolgerungen: beide
reagieren entsprechend.
Aber (1) und (4) erlauben wie (2) und (3) Schlussfolgerungen.
|
Medien-Material zum Zustand der Psychowissenschaften
"Psychologie Auf zwei von drei Studien ist kein Verlass Replizierbarkeit
ist in der Wissenschaft so etwas wie ein Naturgesetz: Wenn man ein Experiment
unter den gleichen Versuchsbedingungen wiederholt, sollte auch dasselbe
herauskommen, wenn die Ergebnisse vertrauenswürdig sein sollen. 270
Forscher von fünf Kontinenten haben versucht, 100 psychologische Studien
zu replizieren, die in Fachjournalen veröffentlicht worden waren.
Das vernichtende Ergebnis: Während in 97 Prozent der Originalstudien
ein statistisch auffälliger Zusammenhang zwischen den gemessenen Größen
gefunden worden war – ein „überzufälliger“ Zusammenhang –, waren
es bei replizierten Untersuchungen nur 36 Prozent. ..." [Berliner
Morgenpost 31.08.2015]
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