Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    IP-GIPT DAS=19.09.1999 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung 31.8.8
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr.20  D-91052 Erlangen *
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Forensische Psychologie, Kriminologie, Recht und Strafe, Bereich Entwicklungspsychologie der Bindung, und hier speziell zum Thema:

    Über Bindung, Beziehung und das Messen in der Psychologie

    von  Rudolf Sponsel, Erlangen

    Postprint aus:  Praxis der Rechtspsychologie, 4,2, 1994, 121-129.
    Im Original ohne Übersicht und Links. {In geschweiften Klammern Seiten im Zeitschriftenartikel}
    (In runder Klammer mit Ozz Originalfußnoten der eingereichten Arbeit: sie enthalten auch alle von der
    Redaktion aus unerfindlichen Gründen nicht aufgenommen Literaturhinweise)
    [In eckiger Klammer neue Anmerkungen beginnend mit Nzz  [N01] ]

                                                                   Übersicht
                         1   Einleitung
                         2   Problem der Quantifizierung: Messen in der Psychologie
                         3   Analyse des Bindungsbegriffs:
                              3.1  Vorläufige Begriffseingrenzung der Bindung
                              3.2  Dimensionen (Objekte, Bezüge) der Bindung
                              3.3  Qualität der Bindung
                              3.4  Quantität der Bindung
                              3.5  Stabilität & Kontinuität der Bindung
                              3.6  Ursachen und Entstehungsbedingungen von  Bindungen und Beziehungen
                              3.7  Bindungs-Paradoxa - Pathologische Bindungen
                              3.8  Zeichen & Ausdruck von Bindung
                              3.9  Bedeutung der Bindung für das Kindeswohl

    {121}

    1. Einleitung

    Fthenakis und seine Schule, Jopt und Anhänger attackieren nunmehr seit Jahren die Bedeutung des  Bindungskriteriums und bestreiten vehement den Sinn einer  Quantifizierung. Mit ihrer wenig überzeugenden Entwertung der Bindung geht eine entsprechende Entwertung  psychologischer  Sachverständigentätigkeit einher, die so nicht mehr länger hingenommen werden kann. Quantifikation als Ordinalurteile (mehr oder weniger-Urteile)  sind sowohl möglich als auch notwendig (O01). Das Konzept Bindung ist ein  wichtiges, unverzichtbares  und  außerordentlich wertvolles Kriterium für das Konzept Kindeswohl (O02), wie auch die neuere deutsche Bindungsforschung (O03) zeigt. Der Bindungsbegriff ist  durch den viel zu weiten und damit nichtssagenden Beziehungsbegriff nicht ersetzbar.
     

    2   Das Problem der Quantifizierung: Messen in   der Psychologie

    Im wesentlichen gibt es drei familienrechtspsychologische Paradigmen:  (a) Entscheidende Feststellung  Kindeswohl,  (b) Beratend-unterstützendes Finden einer günstigen  Lösung für das Kindeswohl,  (c)  Befriedungsauftrag.  (a) ist der schlimme 5%-Streitfall.  (b) und  (c) wird zunehmend von Mediatoren übernommen, was auch gut zur Vermeidung von schweren Rollenkonflikten des Gutachters ist (=O04). Wie  immer auch das Paradigma sein mag, es sind  in jedem Fall Entscheidungen zu treffen der Art:  Wer  ist für  welche  Aufgabe  geeignet  bzw.  geeigneter  und daher zuständig?  Meßtheoretisch verlangt die häufigste gerichtliche Fragestellung der schlimmen 5%-Streitfälle eine Antwort  auf  Ordinalniveau (O05). D. h. das  Gericht erwartet,  daß der Psychologe in der Lage ist, zwischen mehr und  weniger  unter scheiden   und   damit entscheiden  zu  können.  Können  Sachverhalte  nach einer Dimension (Einheit) in eine Ordnung vom Typ  mehr oder  weniger  gebracht werden,  so formt  eine  solche Ordnung  eine Ordinalskala. Vergleicht man  z.B.  zwei Eltern hinsichtlich ihrer Fähigkeit,  sich in ihr  Kind einzufühlen,  so heißt die Dimension (Einheit)  Einfühlung in Kind X. Glaubt man z.B.  mit Hilfe psychologischer Methoden und Verfahren, eine Entscheidung der Art herbeiführen zu können:  Elter A's  Einfühlungsvermögen in  Kind X ist besser,  stärker,  größer etc.  als  das Elter B's, so hat man eine Messung auf Ordinalniveau - das üblich Mögliche in den Sozialwissenschaften und  in der  Psychologie (O06)  - vorgenommen. Es ist nun völlig gleichgültig,  welches  Kriterium oder welch  komplexes Kriterium man nimmt, ob es Beziehung heißt,  ob man es Qualität der Bindung nennt oder wie auch immer. Sobald man  ein  komparatives Urteil  vom  Typ  mehr,  besser, geeigneter,  qualitativer, günstiger, stärker, also vom Typ mehr oder weniger abgibt, trifft man ein {122} Ordinalurteil,  d. h. man behauptet, es existiert  eine Ordnungsrelation M(n)> M(n-1)>...>M(i)>...>M(1). Nehmen wir die moderne  Bindungsforschung  in  Deutschland,  also  die Regensburger Forschungsgruppe um das Psychologenehepaar Großmann,  Fremmer-Bombik u.a. und deren Bindungsmuster als Beispiel. Sie unterscheiden bislang vier Hauptbindungsverhaltensmuster:
    A= vermeidend,  B=  sicher,  C= ambivalent,  D= desorganisiert. Ohne jeden Zweifel gilt hier folgende Ordnungsrelation B>A,C,D, d.h. stellt der Psychologe fest, daß zwischen  Elter E1 und Kind K1 das Bindungsverhaltensmuster B(E1,K1) gilt, während für für Elter  E2 und Kind K1 A(E2,K1) gilt,  so gilt auch die Präferenzrelation B(E1,K1)>A(E2,K1),  wobei der Relator ">" hier "vorzuziehen" oder gar "deutlich  vorzuziehen" bedeutet. Man kann aber auch den differenzierteren Fall betrachten,  daß  wir "sicher gebunden"  differenzieren und damit quantifizieren,  z.B. (im Prinzip) drei Grade unterscheiden können: B3>B2>B1. Die Einheit der Messung heißt  hier "Günstige Bindungsart für das  Kindeswohl". Bezieht man mehrere Kriterien in die Entscheidung ein - der Regelfall in Theorie und Praxis -,  so stellt  sich das  Problem der Konstruktion eines komplexen  Ordinalmaßes.  Gute Alltagsbeispiele für komplexe Ordinalprobleme  und  deren Messung sind etwa die  Qualität  einer Wohnung, eines Arbeitsplatzes oder die  Attraktivität eines  Partners,  aber auch,  um bei unserem  Thema  zu bleiben: das  Kindeswohl. Von der  meßtheoretischen Anforderung  her,  handelt es sich um einen  komplexen, d. h.  zusammengesetzten Ordinalbegriff.

    Gesetzgeber und Rechtsprechung meinen zu Recht, wie ich denke, daß es ein mehr oder weniger an Kindeswohl gibt.  Das ist der Sinn  der Beweisfrage sowohl im Beratungs- als auch im Streitfall: wer soll die elterliche Sorge (meist orientiert am Kindeswohl)  ausüben?  Wer sich als  Gutachter auf eine Wahlfrage einläßt,  der muß (implizit)  annehmen,  daß das (meist komplexe) Kriterium auf dem Niveau einer Ordinalskala vorliegt. Hält man auf diese Frage eine Antwort für möglich,  so anerkennt man die  potentielle Existenz einer Präferenzrelation:  das  ordinale Skalenniveau  des  Kindeswohlbegriffs.  Wer  das  nicht anerkennt,  kann  überhaupt keine Gutachten erstellen, weil er die Vergleichbarkeit verneint  und  behauptet, nicht unterscheiden zu können.  Wer aber sagt, Qualität Q1 ist besser als Q2, der unterstellt ebenfalls  eine gemeinsame  Dimension zwischen Q1 und  Q2,  postuliert eine Ordnungsrelation zwischen Q1 und Q2,  trifft  also ein Ordinalurteil und mißt daher, wenn auch nur auf dem bescheidenen Ordinalniveau (O07). Das Argument,  man müsse sich auf Qualitäten zurückziehen, weil man nicht messen könne, ist ein Scheinargument, verleugnet die Problematik und Realität und verschiebt sie gleichzeitig.

      Es macht weder einen logischen noch empirischen Sinn, wenn Fthenakis und Jopt zwar meinen, man könne zwischen der Qualität von Beziehungen differenzieren, aber nicht zwischen Bindungen. Ein mehr oder weniger, eine bessere oder günstigere Qualität erkennen, heißt messen auf Ordinalniveau. Weshalb sollte eine ordinale Messung für Beziehungen, nicht aber für Bindungen möglich sein? Folgte man Fthenakis, opferte man ein {123} inhaltlich gut ausgefülltes und empirisch vielfach untersuchtes Konzept zugunsten eines völlig nichtssagenden und unbestimmten Beziehungs-Begriffs. Beziehungen, die eine starke Bindung beinhalten, sind demgegenüber nicht nur konkreter sondern ihrem Wesen und ihrer Bedeutung nach auch viel richtiger bestimmt, da es schließlich um Eltern-Kind-Beziehungen geht.
     

    3 Analyse des Bindungsbegriffs

    3.1  Vorläufige Begriffseingrenzung der Bindung

    Bindung  ist  Merkmal bzw.  eine  Eigenschaft  einer Beziehung (Beziehungsgeschichte genau genommen). Da der Bindungsbegriff nicht verschwindet, wenn man ihn durch Beziehung ersetzt, da er ja gerade ein Charakteristikum von Beziehungen ist, ergibt sich schon von daher  eine Zurückweisung der Argumente, Bindung durch Beziehung zu ersetzen (O08). Beziehung umfaßt Bindung. Bindung ist in diesem Sinne ein Beziehungsmerkmal. Man muß aufpassen, den Bindungsbegriff nicht einseitig im Sinne einer besonderen psychologischen  oder psychoanalytischen  Schule oder  Wissenschaftsmode zu interpretieren bzw. als Terminus technicus für  eine bestimmte experimentelle Situation, wie z.B. kurzfristige Trennung von einer Bemutterungs-Figur (O09); auch empfiehlt   sich  eine  strenge  Trennung  zwischen   der Begriffs-Konstruktion Bindung und einer der zahlreichen Operationalisierungen (O10). Hier soll der allgemeine Bindungsbegriff, die "objektive" Idee, der "objektive Geist" des Gesetzes  und der Rechtsprechung  zur Begriffs-Konstruktion der  Bindung  ausgedeutet werden (O11). Der gesamte (und auch nur vorläufige) Begriffsinhalt ergibt sich erst am Ende der Analyse.

      Binden oder gebunden sein bedeutet (O12) a) befestigen, fest sein, b) zusammenfügen, zusammengefügt, verbunden sein, c) abhängig machen/ sein; verpflichten oder verpflichtet sein,  festlegen oder festgelegt sein. Zum Gegenteil gehört daher a) lockern,  lösen,  b) trennen, c) unabhängig,  frei sein,  beliebig,  willkürlich.  Im Begriff der Bindung selbst ist tatsächlich keine Qualität enthalten.  Bindung ist so gesehen streng begriffsanalytisch  als  relevantes Kriterium an sich zu verstehen. Es können aber bei  wohlwollender  Interpretation - die bei Jopt und Fthenakis allerdings nicht  zu erkennen  ist - weder die Gesetzgebung  und  Rechtsprechung noch die Sachverständigen meinen und wollen,  daß alle anderen Gesichtspunkte vernachlässigt werden  sollen.  Psychologisch ist Bindung affektive Bindung. Zur Psychologie der Affekte zählen hierbei Gefühle, Emotionen, Stimmung, Temperament, Antrieb, Bedürfnisse, Wünsche, Motive, Interessen und der Wille (O13).

    3.2  Dimensionen (Objekte, Bezüge) der Bindung

       Man  kann  sich neben Personen im  Prinzip  fast an alles binden: an Orte & Landschaften (O14), Sachen (O15), Ideen, Ideale & Werte (O16), Ereignisse & Betätigungen (O17), Erfahrungen (O18), Tiere (O19) und an {124} Gewohnheiten (O20) oder an Aspekte der aufgeführten  Sachverhalte (FN1). Bindung  im Sozialraum  eines  Kindes und   Menschen ist  daher  ein komplexes und kompliziertes Konstrukt mit vielen Rückkopplungen, Überschneidungen und Überlagerungen.

    3.3  Qualität (= Wert) der Bindung

    Man  kann  gegenüber Sachverhalten  der  Welt  folgende Grundeinstellungen  einnehmen: positiv (S gut für  X), negativ (S schlecht für X), neutral (S gleichgültig für X) und zugleich sowohl positiv als  auch  negativ  (S sowohl positiv als auch negativ für X). Eine zugleich sowohl  positive  als auch  negative  Einstellung  oder Haltung  bezeichnet man in der Psychologie als  Ambivalenz (Zwiespältigkeit,  Doppelwertigkeit), das sind die Beziehungen, die uns Kummer machen. Infolgedessen kann man  alle zwischenmenschlichen Beziehungen, wozu auch die Bindung als ein Aspekt einer Beziehung  zählt,  im Prinzip wie folgt charakterisieren:

                                                    Graphik:  Zur Matrix der vier Grundbeziehungen [N02]

    {125}
    Bindung  und allgemein zwischenmenschliche  Beziehungen sind  nicht (zwingend) symmetrisch  oder  transitiv:  A kann B mögen, aber B A nicht. A kann B mögen und B kann C mögen,  aber A muß nicht C mögen.  Ja, sie sind nicht einmal  konstant,  sondern variieren und wechseln  nach Befinden und Situation. Betrachtet man eine Dyade, also eine  Zweierbeziehung,  so  gibt  es  im  Prinzip nach obigem  Schema und Modell 4x4=16  Beziehungsmöglichkeiten.[N03] In einer Triade (A,B,C) gibt es drei Paarbildungen (AB,AC,BC), also 16x16x16=4096 Beziehungsmöglichkeiten. Man sieht, wie extrem die kombinatorischen Möglichkeiten  wachsen und welches  Beziehungspotential  Familien bergen! Für N>1 Personen gibt es 16 EXPONENT((N/ 2 (N-1))  [N03] qualitative Beziehungsmöglichkeiten.

    3.4  Quantität (= Ausprägung) der Bindung

    Der  Quantitätsbegriff  in Bezug auf  die  Bindung  ist nicht eindeutig,  sondern vieldeutig.  Man kann  mindestens sechs Aspekte des Quantitäts-Begriffsraums unterscheiden:  (1)  Quantität als (nicht  näher  bestimmte) Ausprägung (allgemeines Bild einer Ausdehnung, Vielheit);  (2)  Quantität  als  Menge  (Bild:  Anzahl  der miteinander  verbundenen "Elemente" zweier  Persönlichkeiten); (3) Quantität als Stärke (Bild: Kraft); (4) Quantität als Festigkeit (Bild:  Reißfestigkeit, Widerstand);  (5) Quantität als Erlebnis-Intensität (Bild: intensive  Verliebtheit)  und (6) Quantität als Tiefe (Bild: Verwurzelungstiefe eines Baumes bzw.  affektive Schichten eines Menschen). Die Entwertung des quantitativen Bindungsbegriffs, wie sie etwa Jopt und Fthenakis betreiben, wird der Mehrgestaltigkeit und Bedeutungsvielfalt des Quantitätsbegriffsraumes überhaupt nicht gerecht. Deren völlig verkürzte eindimensionale Interpretation erfaßt den komplexen Sachverhalt,  wie er von zahlreichen  Sachverständigen in praxi erfaßt und  berücksichtigt wird, in gar keiner Weise.

    3.5  Stabilität & Kontinuität der Bindung

    Die Bindung kann im Prinzip mehr oder minder flüchtiger Natur sein,  nur kurzfristig existieren,  z. B. wenn ein starker Anreiz, etwa eine große Geschenkerwartung, eine kurzfristig intensive Bindung bewirkt. Es widerstrebt allerdings dem Alltagssprachgebrauch und auch dem "objektiven" Geist von Gesetzgebung und  Rechtsprechung von  Bindung  als etwas  Flüchtigem  zu  sprechen.  Der Bindungsbegriff impliziert seiner Natur nach Dauer und Konstanz  im Gegensatz  zum  Beziehungsbegriff. Unter Stabilität  versteht  man  die  Beibehaltung,  Konstanz einer Bindung (O21). Bindungsmuster zeigen  nicht nur  eine  erstaunliche Stabilität über Entwicklungszeiträume,  sondern sie zeigen sogar eine Tradierung über Generationen hinweg  (70-80%), (vgl. Köhler, 1992) eine glänzende  Bestätigung  der  Bedeutung  der Persönlichkeitsanalyse  im  Sorgerechtsverfahren.

    {126}

    3.6   Ursachen und Entstehungsbedingungen von Bindungen und Beziehungen

    Aronson (O22) fand in der Sympathieforschung  sieben Faktoren; wir mögen Menschen, die: (1) uns nahe sind, (2) ähnliche Ansichten haben,  (3) uns selbst ähnlich sind, (4) Bedürfnisse haben,  die wir befriedigen können und unsere Bedürfnisse befriedigen,  (5) über  Fähigkeiten und Kompetenzen verfügen, (6) angenehm sind und schöne Dinge tun und (7) uns mögen.  Ruch &  Zimbardo fassen zusammen: wir mögen Menschen, die uns maximale Befriedigung geben bei minimalem Aufwand und umgekehrt (O23 =). Man erkennt unschwer,  daß diese 7 Faktoren  direkt zur  Schätzung der Bindung,  ihrer Qualität  und  Stärke herangezogen werden können.

    Die Entstehung der Bindung kann auf  diesem Hintergrund gut verstanden werden: Bindung ist in der Hauptsache das Ergebnis von Bedürfnis-Befriedigungs-Erfahrungen. Entwicklungspsychologisch sind nicht alle Bedürfnisbefriedigungserfahrungen gleichwertig. Aus den Versuchen von Harlow (O24) wissen  wir z.B., daß die Bedürfnisbefriedigungserfahrung von Nähe, Wärme,  Geborgenheit wichtiger ist  als die Nahrungsversorgung. Lange Zeit nahm man fälschlicherweise an,  daß die bevorzugte Bindung vieler Kindern ihre Mutter-Figur (O25) auf der ursprünglichen Versorgungsleistung beruhte. Man hat Bowlby vielfach zu Unrecht  vorgeworfen  - auch Fthenakis, Niesel & Kunze (1982, S.40/41) liefern diese Fehlleistung -,  daß er die  Mutter überbewertet und den Vater vernachlässigt. Tatsächlich hat Bowlby  selbst korrekt immer von der  Mutter-Figur gesprochen und das kann selbstverständlich auch ein Mann sein (vgl. Bowlby, 1975,   S.41 und 171  jeweils Fußnote, 1976,  S.19; Rutter, 1978, S.121).

       Begegnen  sich  zwei Menschen und teilen ein Stück Lebensraum  miteinander, so treffen ihre  Wünsche und Bedürfnisse,  ihre Erwartungen, ihre Meinungen, Ziele und Werte und ihre Handlungen aufeinander. Zahlreiche Gefühle  werden hierdurch berührt, aktiviert und  die Erlebnisse  als Erfahrungen im Gedächtnis  gespeichert. Zwischen  zwei  Menschen  kann man  nun  eine  Gefühls-Ereignis-Matrix annehmen, die  als Resultat gemeinsamer Erfahrungen aufgefaßt  werden  kann.  Eine  solche Gefühls-Ereignis-Matrix  kann  nun  zwischen je zwei Menschen gedacht und konstruiert werden,  diese repräsentiert dann die Beziehung und Bindung zwischen diesen beiden. Jedes Ereignis, jede Begegnung zwischen zwei Menschen hinterläßt auf der  Gefühls-Ereignis-Matrix eine Spur. Sobald die Vorstellung und Fantasietätigkeit ausgebildet ist, kann ein Ereignis auch in der Vorstellungs- oder Fantasietätigkeit stattfinden (O26, FN2). Die Gefühls-Ereignis-Matrizen  sind nun im Gedächtnis untereinander und mit anderen Matrizen vernetzt. Das ist der Grund,  weshalb {127} wir  in einer neuen Begegnung einem Menschen  niemals völlig "vorurteilsfrei" oder  "unbefangen"  gegenübertreten: sie aktiviert unsere  Erfahrungsgeschichte,  die den ersten Eindruck sehr  mitbestimmt. Der Psychologe ist nun in der Kontrolle seiner Erfahrungsgeschichte  besonders geschult und  diszipliniert und daher besonders zur Objektivität befähigt.

    3.7   Bindungs-Paradoxa - Pathologische Bindungen [N04]

    Die  Bindungs-Paradoxa machen  darauf  aufmerksam,  daß Bindung  und  Liebe nicht identisch  sind.  Nicht  jede Bindung  bedeutet  Liebe,  aber jede Liebe  zieht  eine Bindung  nach sich oder bildet eine Bindung  aus.  Eine wirkliche allgemeine wissenschaftliche Theorie der Bindung muß die Bindungs-Paradoxa erklären können. Stellen wir uns vor, daß zwei Menschen,  die ein Stück Lebensraum teilen, ein starkes - äußerliches - Bindungsverhalten zeigen,  obwohl, blickt man genauer und  tiefer hin, ihre Gefühls-Ereignis-Matrizen gar nicht so  gut aussehen. Wie kann man sich das  erklären? Menschen binden  sich aneinander,  obwohl die Matrix dies  nicht vermuten ließe. Wir alle kennen jene paradoxen Phänomene, daß Menschen in ihr Milieu zurückgehen, wo sie geschlagen, entwürdigt und ausgebeutet werden, obwohl niemand  sie zwingt  (z. B. Frauenhäuslerinnen,  Prostituierte, Kriminelle, aber auch scheinbar ganz "normale" Menschen aus scheinbar ganz "normalen"  Familien).  Wir kennen die paradoxen Phänomene der Hörigkeit und Abhängigkeit. Kinder binden sich an Eltern, die sie schlagen, vernachlässigen,  wegstoßen, die sie, wie ich meine, gar nicht lieben können.  Wie ist das erklärbar? Schon Freud postulierte 1920 (O27) das Konzept des  Wiederholungszwanges, wonach  Menschen dazu neigen, alte Szenarien zu wiederholen (O28, FN3). Eine Hypothese zur Erklärung dieses absonderlichen Verhaltens liefert uns  Skinners Lerntheorie (O29). Wir wissen, daß  Verhalten  mehr verfestigt und wahrscheinlicher wird, wenn die Verstärkung (positive = Gabe einer Belohnung, negative = Wegnahme einer Strafe) unregelmäßig erfolgt. Irrationalität, Unberechenbarkeit im Betreuungs-, Versorgungs- und Erziehungsverhalten müßte,  stimmte die Analogie, stärkere Bindung schaffen, was sich z.B. in der Festigkeit, mit der an Beziehungen zu Menschen,  Orten und  Milieus festgehalten wird, zeigen müßte (O30 =). Prägungskonzepte könnten hier eine neue  Rechtfertigung  erfahren und sind keineswegs  so  ungerechtfertigt wie Fthenakis (1985, S. 285) meint.

    3.8  Zeichen & Ausdruck von Bindung

    Man  muß  hier besonders aufpassen,  daß  man  einzelne Zeichen  in besonderen  Situationen  nicht  falsch  (O31) (z. B. eine problematische Angstbindung als besonders günstig, weil intensiv  {128} zu verkennen) oder überbewertet (z. B. Idealisierungen und Sehnsuchtsbindungen ohne reale Erfahrungsgrundlage). Wir haben in der konkreten  Praxis immer  nur  Operationalisierungs- und  Situations - S t i c h p r o b e n  und das gewöhnlich in einer interessegeleiteten  Kampfsituation  mit  massiven  Beeinflussungen und Manipulationen innerhalb einer besonders stressigen Lebensphase. Im folgenden einige Charakteristika nach Großmann,  Fremmer-Bombik et.al.:

    Sichere Bindungs-Kinder (Typ B) zeigen Gefühle  und Bedürfnisse  offen; suchen z.B. die  Hauptbindungsperson, wenn sie  den  Raum verläßt,  rufen  nach ihr,  weinen, schreien, freuen sich und sind glücklich, wenn sie wieder da ist.  Günstiger  Bezugspersonen-Hintergrund: Angemessenes, einfühlsames Eingehen  auf die  Bedürfnisse des  Kindes,  insbesondere für  sein  Bedürfnis sowohl nach Nähe als auch nach Exploration. Ungünstiger Bezugspersonen-Hintergrund: Überbehütung, Überbesorgnis. Zu schnelle Erziehung zur Selbständigkeit.

    Unsicher-vermeidende  Bindungs-Kinder (Typ  A) mit gleichgültigem äußeren Ausdruck: zeigen keine Gefühle oder Reaktionen,  wenn die Hauptbindungsperson  z. B. den Raum verläßt, reagieren auch  nicht, wenn sie wieder kommt. Bezugspersonen-Hintergrund: Öfter als gut nicht angemessenes, einfühlsames Eingehen auf die Bedürfnisse des Kindes, Frust.

    Unsicher-ambivalente Bindungs-Kinder (Typ C) mit ängstlich gespanntem Ausdruck.  Bezugspersonen-Hintergrund: für die  Kinder nicht berechenbar,  wann und unter welchen  Bedingungen die Hauptbindungsperson auf seine Bedürfnisse eingeht: mal geht sie ein, mal nicht,  jenachdem wie es bei ihr paßt,  was aus der Perspektive des Kindes nicht  kalkulierbar ist.

    Über Typ D kann noch wenig gesagt werden, außer daß die Bezugsperson mit unbewältigten  Verlusten zu kämpfen hat, also sich in einer psychischen Neuorganisation befindet (vgl. Köhler, 1992, S. 276) (O32).

    3.9  Bedeutung der Bindung für das Kindeswohl

    Die Bindung an Bemutterungs-Figuren (O33) bei kleinen Kindern repräsentiert das mit Abstand wichtigste Kriterium für  das  Kindeswohl,  wobei es auch Überschneidungen gibt: so ist die Bindung  z. B.  untrennbar  mit der Kontinuität verbunden. Ehescheidung bedeutet für Kinder vielfach einen schweren Einschnitt in die Bindung, besonders in die Bindungskontinuität, sowie einen Bruch der  Kontinuität  ganz allgemein. Die Grundlagen der Bindungsforschung beginnen mit Bowlby (1951) und  Spitz (1956)  (O34) erst in den fünfziger Jahren und die Differenzierungskonzepte entstehen sogar erst in den siebziger Jahren mit Ainsworth (1978) u.a. und seither erforscht das Ehepaar Großmann, Fremmer-Bombik und Mitarbeiter die verschiedenen Bindungsmuster, ihre Entstehung und Bedeutung. Dank Ainsworth,  den  Großmanns und anderen wissen  wir  mittlerweile -  Kliniker und auch therapeutisch  tätige Forensiker wußten das schon immer - um problematische Bindungen (A,C,D-Muster [N05] ). Was  wir nicht wissen ist (O35), wie sind die Folgen von Trennungen bei mehr {129} oder  minder  problematischen  und starken Bindungen gegenüber den Folgen  bei Alternativentscheidungen, weil die Forschung noch viel zu jung ist.  Welche Entscheidung auch getroffen wird: jede ist mit Fehlern, unerwünschten Begleit- und Nebenwirkungen behaftet (O36). Hier hilft nur eines: eine sorgfältige und umfassende Einzelfallanalyse auch in der Darstellung, um eine  kritische  Kontrolle  aller Beteiligten - Eltern, Rechtsanwälte,  Richter  - zu ermöglichen. Juristen und praktisch-forensische wie auch beratende und  therapeutisch tätige Psychologen haben eines gemeinsam: sie haben konkrete individuelle  Einzelfälle zu  entscheiden, Korrelationen  und Wahrscheinlichkeiten helfen da wenig (O37):

    Nomothetisches, d. h.  naturwissenschaftliches  Wissenschaftsverständnis ist so wenig angebracht wie moderner statistischer Hokuspokus womöglich gar in Eintracht mit naiver Testgläubigkeit  oder das  andere  Extrem: die Verleugnung des Quantitativen.  Was wir  brauchen ist eine Entwicklung  der  idiografischen  Methodik. Auch bessere Gesetze im Sinne gemeinsamer Sorge  ändern nichts an der Problemfrage: bei wem soll das Kind leben ("residieren")  und nach welchen Kriterien sollte  eine solche Entscheidung erfolgen?  Die Probleme ändern sich weder durch  andere  Namensgebung  noch  durch  andere Gesetze: wo sollen die Kinder hin, wenn die Eltern sich trennen?  Wer  soll entscheiden, wenn sie  sich  nicht einigen können oder wollen? Und welche Kriterien sind hierfür  besonders wichtig?  Die Rechtsprechung  sagt bislang: Bindungs-,  Kontinuitäts- und Förderungsprinzip. Ich  denke, daß diese Kriterien  psychologisch vernünftig  und  bewährt  sind und  die  von  Jopt und Fthenakis betriebene Entwertung nicht verdient haben.
     

    Literatur:

    • Bolterauer, L. (1989).  "Die Macht der Begeisterung -  Fanatismus  und Enthusiasmus in  tiefenpsychologischer  Sicht. Tübingen:
    • Freud, S. (1975).  Psychologie des Unbewußten., Bd. III Studienausgabe, (Jenseits des Lustprinzips) Frankfurt: Fischer.
    • Fthenakis, W. E., Niesel, R. & Kunze, H.-R.  (1982).  Ehescheidung. München: Urban & Schwarzenberg.
    • Fthenakis, W. E.  (1984). Zum Stellenwert der Bindungen des Kindes als sorgerechtsrelevantes Kriterium gemäß § 1671 BGB", FamRZ,  662-672
    • Fthenakis, W. E.  (1985). Väter. München: Urban & Schwarzenberg.
    • Fuhrer, U. &  Kaiser, F. G.  (1992).  "Bindung an das Zuhause:  Die emotionalen  Ursachen",  Zeitschrift  für Sozialpsychologie 1992,23  (2),  S.105-118.
    • Harlow, H. F. (1958). The nature of love. American Psychologist, 13, 673-685.
    • Jopt, U. J. (1992). Im Namen des Kindes. Hamburg: Rasch & Röhring
    • Rutter, M. (1978). Bindung und Trennung in der frühen Kindheit. München: Juventa.
    • Ullmann, C. (1986). Lempps Meinungswandel zum Umgangsrecht. In:  Zeitschrift  für Kinder- und Jugendpsychiatrie,  Bd.  14, 1986, 1, S. 88-94.


    Fußnoten
    FN01)  Im  weiteren Sinne Bindung an die Heimat  (Heimweh), an Sprache und Volk (was man erst merken kann,  wenn man längere Zeit im Ausland lebt) (vgl. Fuhrer & Kaiser, 1992); Dinge: Zwanghafte Sammler, aber auch jeder, für den bestimmte Gegenstände einen spezifischen emotionalen Erinnerungswert haben; Ideen (Bolterauer, 1989); Ereignisse und Betätigungen: Hier besonders die Angstbindungen der Phobiker, kulturelle Riten, aber auch leidenschaftliche Betätigungen wie FLOW-Erlebnisse (= lustvolles Tun, Hingabe, die um ihrer selbst willen erfolgt), aber z. B. auch die Sucht des Spielers. Erfahrungen: Wiederholungszwang , z. B. immer wieder den gleichen Partnertyp wählen und mit ihm streiten.
    FN02)  Sehr  beeindruckend zeigt sich das Phänomen  in  der Pubertät,  wenn Idole und Ideale hingebungsvoll  vergöttert werden, ohne daß eine Realerfahrung oder Realbeziehung  zugrunde  liegt.  Auch die Beziehung zu  Gott  als einem  imaginären Wesen paßt hierher.  Unser Thema  wird berührt durch Idealisierungen und  Sehnsuchtsbeziehungen ohne  reale oder falsche  Erfahrungsgrundlage,  wie  sie z. B. in Sorgerechtsfragen zu Fehlentscheidungen  führen oder in reinen "Sonntagsbeziehungen" beim Umgang vorkommen können. Das ist auch eine gute Begründung dafür, dem Kindeswillen  zwar  Beachtlichkeit  (BGH)  zuzuerkennen, aber keine alleinige Entscheidungskraft.
    FN03)  Aus der Beratungs- und Therapiepraxis ist  bekannt, daß  viele  Menschen eine starke  Neigung  haben,  immer wieder  an den gleichen Partner-Typ  zu  geraten,  immer wieder die gleichen Fehler zu machen oder  Problemlösungen  vergeblich zu versuchen.  Andererseits gehört zu einem Charakter, zu einer Persönlichkeit eine  gewisse Konstanz,  so daß es auch nicht verwundert,  wenn Regelhaftigkeiten auftreten.

    Ende der Originalarbeit.


    Originalfußnoten der eingereichten Arbeit: sie enthalten auch alle von der Redaktion aus unerfindlichen Gründen nicht aufgenommen Literaturhinweise. Literaturnachträge hier

    O01)  W.E. Fthenakis  "Zum Stellenwert der Bindungen des Kindes als sorgerechtsrelevantes Kriterium gemäß §  1671 BGB", FamRZ, 1985, S. 662-672, hier zur Quantität S.666,  eine Replik auf Lempp FamRZ  1984,  S. 741-744). Siehe auch (Anhänger von Fthenakis): Christian Ullmann "Lempps Meinungswandel zum Umgangsrecht",  in:  Zeitschrift  für Kinder- und Jugendpsychiatrie,  Bd. 14, 1986, 1, S. 88-94) und R. Lempp "Zum Aufsatz von Ch. Ullmann: Lempps Meinungswandel  zum  Umgangsrecht", Zeitschrift für Kinder- und Jugendpsychiatrie",  Bd. 14, Bern, 1986, S. 268-269. U.J. Jopt "Im Namen des Kindes", Hamburg 1992, S.83. Jopt fordert neben der Gesetzesänderung (Regelfall gemeinsame elterliche Sorge) wie Fthenakis einen Paradigmenwechsel, wobei er offenbar der Illusion anhängt,  man könne Menschen  zur Kooperation oder zur Vernunft zwingen  und die  Streitrate  wesentlich senken,  wenn  man  nur  den gesetzlichen  Rahmen  entsprechend  gestaltete. Einem systemischen Familientherapeut hätte ich  mehr  Watzlawickschen Realitätssinn zugetraut  (P.  Watzlawick,  J. Weakland,  R.  Fisch "Lösungen", Bern 2.A. 1979, S.59: Fazit  Ziffer 2 und 3):  die Minimierung (noch  weniger 'desselben') der Streitrate strebt gegen einen Grenzwert und  der scheint hierzulande bei 5%  zu  liegen.  Daraus allerdings zu folgern, es gibt überhaupt nur 5% Problemfälle,  wäre völlig abwegig. Viele Problemfälle  werden nicht entdeckt oder man will sie gar nicht entdecken.
    O02)  Es  ist Mode geworden, das Konzept Kindeswohl  als unbestimmte Generalklausel oder Universalkategorie  zu beklagen,   obwohl der Begriff seit  mindestens 1959 juristisch  relevant  ist und  seither  ausgedeutet  und erforscht  wird.  Spätestens aber seit Coesters  Habilitationsschrift "Das Kindeswohl als Rechtsbegriff", Frankfurt 1982/83, ist diese Klage weitgehend überflüssig.  Gesetzgebung,  Rechtsprechung, Rechtswissenschaft, forensische Psychologie, Entwicklungspsychologe, Gesundheitspsychologie, klinische Psychologie sowie Kinder und Jugendpsychiatrie,  Sozialpädagogik  und  Pädagogik haben reichlich Kriterien und Merkmale  entwickelt.  Wem das immer noch nicht reicht, der sollte sich nicht nach Gutachten drängen. So wie ein formales  Beweisverfahren nicht sinnvoll ist,  so wenig wäre es auch sinnvoll,  in einer stets sich wandelnden Welt und des Wissens von ihr die Begriffe zu sehr festzuschreiben:  vgl. R. Zippelius "Einführung in die juristische  Methodenlehre",  München 1974, 113/114
    O03)   Regensburger  Forschungsgruppe um das Ehepaar  Großmann,  Fremmer-Bombik u.a.,  zahlreiche Veröffentlichungen, Diplom-Arbeiten, Dissertationen.
    O04)  Im wesentlichen gibt es drei familienrechtspsychologische Paradigmen:  (1) Entscheidende Feststellung  Kindeswohl,  (2) Beratend-unterstützendes Finden einer günstigen  Lösung für das Kindeswohl,  (3)  Befriedungsauftrag.  (1) ist der schlimme 5%-Streitfall.  (2) und  (3) wird zunehmend von Mediatoren übernommen,  was auch  gut zur Vermeidung von schweren Rollenkonflikten des Gutachters ist.
    O05)  In der Meßtheorie werden vier Skalenniveaus  unterschieden:  (1) Nominalskala: einfache klassifikatorische Unterscheidung.  Urteil:  ja,  nein;  gehört zu,  gehört nicht  zu. (2) Ordinalskala: das Quantum läßt sich  in eine Ordnung vom Typ mehr oder weniger bringen: größer, geeigneter, mehr, besser, günstiger ... als (Bindung bei A  besser als bei B).  (3) Intervallskala:  das  Quantum kann  in gleichabständige Intervalle unterteilt werden, d. h.  gleichabständigen Zahlenabständen  entsprechen gleiche empirische Abstände (Bindung bei A um 12 Einheiten  besser als bei B). Varianten sind (3a)  logarithmische Intervallskalen (Psychophysik) und  Intervallskalen (3b) mit einem willkürlichen  Nullpunkt, wie bei der Temperaturmessung, d.h. Verhältnisvergleiche  (Bindung bei  A  3x besser als bei B)  sind  auf  Intervallniveau nicht statthaft. (4) Verhältnisskalen erlauben Verhältnisvergleiche,  sie setzen einen empirisch-sinnvollen Nullpunkt voraus. In Psychologie, Forensik und im Recht hat man es meist mit komplexen Ordinalskalen zu tun, die oft sogar nur auf einen Einzelfall beschränkt sind  und genau für diesen passend konstruiert werden, wobei man zugeben muß, daß die Einzelfallmessung  völlig  unererforscht ist: eine Folge nomothetischer Wissenschaftsfixierung, so auch  Bredenkamp & Feger (Hrsg.) "Messen und Testen", Enzyklopädie der Psychologie,  Serie I: Forschungsmethoden  der  Psychologie Bd. 3,  speziell  2. Kapitel B. Orth "Grundlagen des Messens". In der Psychologie  haben  wir es mit Ausnahme der Psychophysik  mit unscharfen Größen zu tun. Die traditionelle Mathematik taugt nicht für diese Problemlage und die neuen  Ansätze der Fuzzy-Methoden (s.u.) sind weder genügend entwickelt noch hinreichend bekannt:  fuzzy [englisch] = flockig,  kraus,  unklar. FuzzyMathematik oder Fuzzy-Logik ein neuer Zweig der Mathematik und Logik,  der sich speziell mit unscharfen Mengen, Maßen,  mathematischen  und logischen  Objekten  befaßt: H. Bandemer & S. Gottwald "Einführung in  Fuzzy-Methoden", 3.A. Berlin 1992.
    O06)  a) In  der Psychologie findet seit  Jahrzehnten  ein noch nicht entschiedener Kampf - gegenwärtig beherrschen die SzientistInnen  noch das Feld,  obwohl  sie im Rückzug begriffen sind - um Sinn und Unsinn quantitativer  Messungen statt,  der sich hauptsächlich aus der Auseinandersetzung um die Bedeutung von Tests entwickelt hat. Schärfste und geradezu vernichtende Kritik an  der klassischen Testtheorie kommt aus vielen Lagern: (1) von den  (richtigen) Meßtheoretikern,  siehe  z.B.  B. Orth "Einführung  in die Theorie des  Messens", Mainz  1974, S.31:  "So wird  in der Testtheorie die  Annahme  einer Intervallskala  [=gleiche Einheiten sind  konstruierbar, es gilt u.a. 4-3=9-8] vorausgesetzt." (2) aus der  Ecke der "modernen" Testtheorie, die behaupten auf der Grundlage  des Rasch-Modells nicht nur  Intervallskalen  konstruieren, sondern auch eine stichprobenunabhängige Messung  vornehmen  zu können  (was  m.E.  bestenfalls  für diejenigen Testtypen gilt, bei denen das Axiom gilt, daß die  Lösungshäufigkeit  die  Ausprägung   repräsentiert) Hauptvertreter: G. Fischer "Einführung in die Theorie psychologischer Tests", Wien 1974, der ganze erste Teil, besonders  aber das 9.  Kapitel "Kritik der  klassischen Testtheorie". (3)  aus  dem Lager der  Pragmatiker  und Lebensrealisten,  die z.B. kritisieren, daß die Testausprägungen nicht die wirklichen Fähigkeiten der  Menschen repräsentieren,  Lebensprobleme, die meist komplex, vernetzt und mit Unsicherheit behaftet sind,  zu lösen, ein wichtiger  Vertreter auf dem Gebiet der Intelligenz  und Problemlösung etwa D. Dörner "Die Logik des Mißlingens - Strategisches Denken in komplexen Situationen",  als Taschenbuch Reinbek bei Hamburg 1992, S.46. (4) Erfahrene Forensiker und insbesondere Aussagepsychologen wissen natürlich um die Problematik von Tests und kritisieren deren naive und unkritische Anwendung vor Gericht. Die Kritik aus dem therapeutischen Lager ist anderer Art und soll hier nicht weiter ausgeführt werden. b) Fthenakis behauptet in FamRZ 1985,7,  S.666, Zeile mit  Fußnote  52  sogar -  allerdings  unbelegt  -,  daß Bindungstheoretiker  angeblich sogar Differenzen der Bindungsstärke,  also auf Intervallskalenniveau, messen könnten. Mir ist kein einziger Autor bekannt, der dies behauptet, obwohl es grundsätzlich auch nicht ausgeschlossen ist (Rasch-Modell).
    O07) Es macht auch weder einen logischen noch empirischen Sinn,  wenn Fthenakis und Jopt zwar meinen, man könne zwischen der Qualität von  Beziehungen  differenzieren, aber nicht zwischen Bindungen.  Ein mehr oder  weniger, eine  bessere  oder günstigere Qualität erkennen  heißt messen auf Ordinalniveau. Weshalb sollte eine ordinale Messung für Beziehungen, nicht aber für Bindungen  möglich sein?
    O08)  Folgte man Fthenakis opferte man ein inhaltlich relativ gut ausgefülltes und empirisch vielfach untersuchtes Konzept zugunsten eines völlig nichtssagenden und unbestimmten Beziehungs-Begriffs. Beziehungen, die eine starke Bindung beinhalten, sind demgegenüber nicht nur  konkreter sondern ihrem Wesen und  ihrer  Bedeutung nach auch viel richtiger bestimmt,  da es schließlich um Eltern-Kind-Beziehungen geht.
    O09)  Kinder  verschiedenen Entwicklungsstandes reagieren unterschiedlich und nicht einheitlich auf die Trennungssituation  vgl.  E. Fremmer-Bombik "Beobachtungen zur Beziehungsqualität im zweiten Lebensjahr und ihre Bedeutung im Lichte mütterlicher Kindheitserinnerungen", Dissertation Regensburg 1987, S.18 f.
    O10)  Der  seelisch geistige Bereich entzieht sich meist der direkten Beobachtung. Möchte man zuverlässige Informationen  über  nicht-direkt beobachtbare Begriffskonstruktionen im seelisch-geistigen Bereich,  muß  man Methoden und Verfahren konstruieren,  die eine Beziehung zwischen nicht-direkt-beobachtbarem Konstrukt und Wahrnehmbarem, Beobachtbarem herstellt. Diesen Prozeß nennt man Operationalisierung.
    O11)  und zwar unabhängig von den Möglichkeiten der Operationalisierung.  Analogie im Juristischen: Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Handlung ist grundsätzlich unabhängig von der Frage der Beweisbarkeit. Obwohl Fthenakis' Kapitel über Bindung 77 Seiten umfaßt ("Väter"  Bd.I),  hält er eine Begriffsanalyse offenbar für unnötig, wie überhaupt auffällt, daß die Arbeiten aus seiner Schule zwar sehr  viel  empirisches Material aneinanderreihen, aber es fehlt die Durchdringung,  das  konstruktive, inhaltliche und verbindende Moment.
    O12)  Siehe: "Duden:  Das Bedeutungswörterbuch",  Mannheim 1970, Stichworte: binden, Bindung.
    O13)  Bindung zeigt sich daher auch, wie Coester  zu Recht erkennt,  im Kindeswillen a.a.O. S.258/259,  wobei  den beiden Dimensionen des Kindeswillens -  Selbstbestimmung und  Verbundenheit - eine wichtige  dritte  hinzuzufügen wäre:  der Kindeswille als Ausdruck persönlichen Wohlbefindens, Wohlergehens, emotionaler Zufriedenheit.
    O14)  Im  weiteren Sinne Bindung an die Heimat  (Heimweh), an Sprache und Volk (was man erst merken kann, wenn man längere Zeit im Ausland lebt),  s.a.: U. Fuhrer, F.G. Kaiser  "Bindung an das Zuhause: Die emotionalen  Ursachen", Zeitschrift für Sozialpsychologie 1992,23  (2), S.105-118.
    O15)  Besonders zwanghafte Sammler, aber auch jeder,  für den bestimmte Gegenstände einen spezifischen emotionalen Erinnerungswert haben.
    O16)  L. Bolterauer "Die Macht der Begeisterung -  Fanatismus  und Enthusiasmus in  tiefenpsychologischer  Sicht", Tübingen 1989.
    O17)  Hier besonders die Angstbindungen der Phobiker, kulturelle Riten, aber auch leidenschaftliche Betätigungen wie FLOW-Erlebnisse (= lustvolles Tun,  Hingabe, die um  ihrer selbst willen erfolgt),  aber  auch  z.B.  die Sucht des Spielers.
    O18)  Freuds  unten  zitierter  Wiederholungszwang,  z.B. immer den gleichen Partnertyp wählen und mit ihm  streiten.
    O19)  die eine stärkere Rolle spielen können als  manche Menschen im Beziehungsfeld.
    O20)  wie sehr  man z.B. an sein Aussehen  gewöhnt  ist, merkt man,  wenn einen der Friseur verschnitten hat oder wenn man etwas Ungewöhnliches an hat.
    O21)  Bindungsmuster zeigen  nicht nur  eine  erstaunliche Stabilität über Entwicklungszeiträume,  sondern sie zeigen sogar eine Tradierung über Generationen hinweg  (70-80%),  eine glänzende  Bestätigung der Bedeutung  der Persönlichkeitsanalyse im  Sorgerechtsverfahren. Vgl. Lotte Köhler "Formen und Folgen früher Bindungserfahrungen", in: Forum der Psychoanalyse  (1992),8,  263-280, besonders 266/67 und 271.
    O22)  nach  Aronson zitiert aus Ruch & Zimbardo "Lehrbuch der Psychologie", dt. Berlin 1975, S. 332.
    O23)  Man erkennt unschwer, daß diese 7 Faktoren direkt zur Schätzung der Bindung,  ihrer Qualität und Stärke herangezogen werden können.
    O24)  H.F. Harlow "Das Wesen der Liebe", dt. in: O.M. Ewert (Hrsg.) . "Entwicklungspsychologie",  Köln 1972 (orig. 1958), S.128-138.
    O25)  Man hat Bowlby vielfach zu Unrecht  vorgeworfen  - auch Fthenakis et. al. in "Ehescheidung",  München 1982, S.40/41  liefert diese Fehlleistung,  daß er die  Mutter überbewertet und den Vater vernachlässigt. Tatsächlich hat Bowlby selbst korrekt immer von der Mutter-Figur gesprochen und das kann selbstverständlich auch ein Mann sein, siehe "Bindung", dt. 1975 S.41 und 171 jeweils Fußnote und "Trennung" dt. 1976, S.19 Fußnote. Hierzu auch M. Rutter  "Bindung  und Trennung in der frühen Kindheit", dt. 1978, S.121.
    O26)  Sehr  beeindruckend zeigt sich das Phänomen in der Pubertät, wenn Idole und Ideale hingbungsvoll  vergöttert werden, ohne daß eine Realerfahrung oder Realbeziehung  zugrunde  liegt.  Auch die Beziehung zu  Gott  als einem  imaginären Wesen paßt hierher.  Unser Thema  wird berührt durch Idealisierungen und  Sehnsuchtsbeziehungen ohne  reale oder falsche  Erfahrungsgrundlage,  wie  sie z.B.  in Sorgerechtsfragen zu Fehlentscheidungen  führen oder in reinen "Sonntagsbeziehungen" beim Umgang vorkommen können. Das ist auch eine gute Begründung dafür, dem Kindeswillen  zwar  Beachtlichkeit (BGH)  zuzuerkennen, aber keine alleinige Entscheidungskraft.
    O27)  S. Freud "Jenseits des Lustprinzips" in: "Psychologie des Unbewußten", Bd. III Studienausgabe, Frankfurt 1975.
    O28)  Aus  der Beratungs- und Therapiepraxis ist  bekannt, daß  viele  Menschen eine starke  Neigung  haben,  immer wieder  an den gleichen Partner-Typ  zu  geraten,  immer wieder die gleichen Fehler zu machen oder  Problemlösungen  vergeblich  zu versuchen.  Andererseits  gehört  zu einem  Charakter,  zu einer Persönlichkeit eine  gewisse Konstanz,  so daß es auch nicht verwundert,  wenn Regelhaftigkeiten auftreten.
    O29)  Vgl.  Hilgard & Bower "Theorien des Lernens", Bd. I, dt. 2.A. Stuttgart 1971, vor allem Kapitel 5 (Skinner).
    O30)  Prägungskonzepte könnten hier eine neue  Rechtfertigung  erfahren und sind keineswegs so ungerechtfertigt wie  Fthenakis  meint  ("Väter", Bd.I,  München  1985, S.285).
    O31)  vgl.  die Kritik von Großmann et.al., eine problematische Angstbindung als besonders günstig,  weil  intensiv,  zu  verkennen,  in  "Die Entwicklung  emotionaler Organisation und ihre Beziehung zum intelligenten  Handeln", in: Mönks & Lewald (Hrsg.) "Neugier, Erkundung und  Begabung bei  Kleinkindern",  München 1991,  S.66. Umgekehrt darf man Idealisierungen und Sehnsuchtsbindungen ohne reale Erfahrungsgrundlage nicht überbewerten.
    O32)  Vgl.  Lotte  Köhler "Formen und Folgen  früher  Bindungserfahrungen",  Forum  der Psychoanalyse  (1992)  8, 263-280, hier S.276.
    O33)  siehe Anmerkung 25)
    O34)  Eine Zusammenfassung der Forschungen bis Mitte  der 60er  Jahre gibt Emil Schmalohr "Frühe  Mutterentbehrung bei Mensch und Tier",  2.A. München 1975, bis etwa 1970 M. Rutter "Bindung und Trennung in der frühen Kindheit", dt.  München 1978.  Ausführlich,  wenn auch  tendenziös überkritisch auch Fthenakis "Väter", Bd.I, München 1985, Kapitel 8, S.209-288.   Ganz  neu: K.E. Großmann  & E. Fremmer-Bombik "Über die lebenslange Bedeutung  früher Bindungserfahrungen", in:  H. Petzold  (Hrsg.)  "Psychotherapie und Babyforschung": im Druck.
    O35)  Mit Ausnahme Jopt's und Fthenakis', die offenbar ganz genau wissen, wie wenig gewachsene Bindungsstärke für Kinder bedeutet.
    O36)  Das Problem  existiert  allenthalben. So wie jede statistische Entscheidung mit einem Fehler behaftet  ist (Alpha, Beta), so stellt sich das Problem auch im Recht, das immer im Dilemma steht: Maximierung der Verurteilung der  Unrechthandelnden  gegenüber  Minimierung  der  zu Unrecht  Verurteilten. Minimiere  ich  die  zu  Unrecht Verurteilten,  begehe ich den Fehler, daß viele Gangster und  Ganoven frei herumlaufen und ihr  Unwesen  treiben. Maximiere  ich die Verurteilung  der  Unrechthandelnden, erwische ich auch so und so viele Unschuldige. Will man den Wert oder Unwert  von  psychologischen  Gutachten burteilen,  muß man die Fehler und Mängel mit Gutachten gegenüberstellen den Fehlern und Schwächen  bei  den Entscheidungen ohne Gutachten. So wie man im Leben  für fast alles bezahlen muß, aber freie Wahl in der Währung (Schweiß, Geld, Unterwerfung, Anpassung, Symptombildung etc.)  hat, so kommen wir nicht ohne Fehler aus, wir können uns nur die Fehlerart und  das Risiko wählen. Fehlerminimierung  kann arg daneben gehen  -  was  Jopt nicht  begreift - und Watzlawik so überzeugend  darlegt, siehe oben Anmerkung 1.
    O37)  Selbst wenn wir theoretisch einmal annehmen: Sei Kriterium  k erfüllt, sei die Wahrscheinlichkeit, daß Kind  X  eine  bessere Bindung an  Y gegenüber  Z  hat, p=0.95,  so weiß ich immer noch nicht,  gehört das Kind, um das es konkret hier und jetzt geht, zu den 95%  oder zu den 5%, d.h. an der kritischen idiografischen Einzelfallbewertung führt  k e i n  Weg vorbei. Ich muß  mich immer mit Risiko entscheiden.


    Neue Anmerkungen
    N01 Die Arbeit hat, was den Bindungsbegriff und seine Bedeutung betrifft, weder durch die Forschung noch durch die gesetzlichen Veränderungen ihre Aktualität eingebüßt. Die Streitenden streiten weiter, wenn auch nunmehr aufgrund der gesetzlich verankerten gemeinsamen Sorge weniger eine Entscheidung nach alleiniger Sorge gesucht wird, sondern es jetzt mehr um das Aufenthaltsbestimmungsrecht geht. Insgsamt ist in der Familienrechtspsychologie eine Entwicklung mit großer Sorge zu beobachten, daß den Kindern immer mehr Spannungen und Loyalitätskonflikte zugemutet werden, um Druck auf (teils) kooperationsunfähige oder kooperationsunwillige Eltern auszuüben.
    Zur neuen Rechtslage seit dem 1.7.1998: Durch die neuen Bestimmungen im Familienrecht seit dem 1.7.1998 hat sich inzwischen eine neue Situation ergeben. Die Stellung des Kindes wurde erfreulicherweise gestärkt. Das Umgangsrecht ist nun nicht nur als Recht eines Elternteils, sondern auch ausdrücklich als Recht des Kindes auf diesen Umgang niedergelegt. Unter Normalbedingungen zählt das Umgang-recht zum Kindeswohl dazu. Das Kind und seine bisher relevanten Bindungsbeziehungs-Personen (Geschwister, Großeltern, Paten, Stiefeltern usw.) haben auch ein Umgangsrecht; aus familienrechtspsychologischer Sicht eine erfreuliche Entwicklung. Die gemeinsame elterliche Sorge ist nunmehr der gesetzliche Regelfall. Und dies gilt - im Gegensatz zum die Wende auslösenden Bundesverfassungsgerichtsurteil  - auch gegen den Willen eines Elternteils, wenn es das Kindeswohl erfordert. Während die gemeinsame elterliche Sorge beim Bundesverfassungsgerichtsurteil  noch das Einverständnis beider Eltern erforderlich machte, um eine gemeinsame Sorge zu ermöglichen, so verlangt das Gesetz jetzt „nur" noch, daß die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl nicht entgegenstehen dürfe und verlagert damit das Problem bei streitigen Eltern auf die Sachverständigen, die nunmehr zu prüfen haben, welche Streit- und Konfliktformen bei einer gemeinsamen Sorge noch mit dem Kindeswohl verträglich sind und welche nicht. Dies erfordert nunmehr - zusätzlich zu den grundlegenden Kriterien - die besondere Prüfung von: (1) Konflikt-Toleranz der getrennten / geschiedenen Eltern; (2) Konflikt-Mana- gement-Fähigkeit der getrennten / geschiedenen Eltern; (3) Bewährung der Konflikt-Toleranz und Konflikt-Management-Fähigkeit über die Zeit.
    N02 Die Originalarbeit enthält nur die im Link dargestellt Graphik zu den Grundbeziehungen.
    N03 Der Link zu den Graphiken dient der Illustration (nicht in der Originalarbeit).
    N04 Die paradoxen Bindungen werden bislang von der Bindungstheorie nicht erklärt und offensichtlich auch nicht angemessen beforscht. Der naheliegende Grund dürfte sein, daß das Problem objektiv sehr schwer zu behandeln und zu lösen sein dürfte. Auch die Großmann-Differentialdiagnostik - A sicher, B unsicher-vermeidend, C unsicher-ambivalent, D desorganisiert - erfaßt  das Problem nicht.
    N05 Die Originalarbeit enthält hier einen (Druck) Fehler: Es muß heißen: (B,C,D-Muster), da Muster A als sichere Bindung ja geradezu den wünschenswerten Optimalzustand bedeutet.
    Literaturnachträge:
    • Schwabe-Höllein, M., Kindler, H. & Ausgust-Frenzel, P. (1997). Der Bindungsaspekt von Eltern-Kind-Beziehungen: Forschungsstand und Anwendung in der familienpsychologischen Begutachtung. Praxis der Rechtspsychologie 7,1, 1997, 6-21.
    • Spangler, G. & Zimmermann, P. (1995). Die Bindungstheorie. Stuttgart: Klett-Cotta.

    Querverweise
    Standort: Über Bindung, Beziehung und das Messen inder Psychologie.
    *
    Überblick Forensische Psychologoe.
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    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
    z.B. Forensische Psychologie site:www.sgipt.org. 
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    Dienstleistungs-Info.
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    Zitierung
    Sponsel, R. (DAS). Über Bindung, Beziehung und das Messen inder Psychologie. Postprint aus: Praxis der Rechtspsychologie, 4,2, 1994, 121-129. Erlangen IP-GIPT: https://www.sgipt.org/forpsy/binmes0.htm
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