Unterscheiden, auswählen, wählen, auserwählt
im Alltag und gesellschaftlichen Leben:
Zugleich Auserwählt Materialie 04:
Die normal-psychologischen und natürlichen Grundlagen des Faschismus
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Faschisten, das sind nicht nur die anderen, die Bösen, die Schlechten. Ein Stück Faschismus steckt - leider - in allen Menschen. In dieser Arbeit werden daher die normalpsychologischen und natürlichen Grundlagen des Faschismus erörtert und im Laufe der Zeit ergänzt, vertieft und ausgebaut. In guten Demokratien paßt daher getreu unserem Manifest, daß Macht korrumpiert, jeder auf jeden auf. Kritik, Anregungen und Mitarbeit sind erwünscht. Denn dies ist unsere Erde, für die wir alle gemeinsam verantwortlich sind. |
Auswählen ist eine sehr grundlegende Funktion, geistig (mental) und auf der Handlungsebene. Mit dem Auswählen wird unterschieden in das Ausgewählte und in das Nicht-Ausgewählte. Jemand wählt aus, was er tut oder nicht tut, was er liest oder nicht liest, zu wem er eine Beziehung pflegt oder nicht pflegt, wem er eine Aufwartung macht oder nicht macht. Wo miete ich mich ein oder wo baue ich mein Haus hin? Wen sehe ich als mögliche PartnerIn? Wem mache ich zuerst den Hof? Um welche Freundschaften bemühe ich mich? Welches Fernsehprogramm spricht mich an? Eine große Rolle spielt das Wählen schon immer im politischen Leben. Schon immer wurden VertreterInnen, RepräsentantInnen und FührerInnen gewählt (und sei es, indem die Macht an die Nachkommen [Erben] delegiert wurde).
Die normal-psychologischen und natürlichen Grundlagen des Auswählens
Die Wahrnehmung
als psychologische Basis der Auswahl.
Wenn wir die Augen öffnen und sehen können, dann bemerken
wir in der Regel, wenn wir nicht gerade in den blauen Himmel schauen, es
Nacht ist, oder eine andere Besonderheit vorliegt, ein Wahrnehmungsfeld
mit ganz unterschiedlich erkannten Objekten. Wahr-nehmen heißt bereits
unterscheiden können. So betrachtet ist auswählen ein psychologisch
sehr elementar fundierter geistiger (mentaler) Vorgang.
Biologisch wird wahrnehmendes Auswählen begrenzt
durch die Sinne - mit deren Hilfe wir Reize differenzieren können.
Durch Wissenschaft und Technik werden aber unsere Sinne und Wahrnehmungsmöglichkeiten
erweitert, vertieft und genauer.
Wahrnehmungsfokussierung
als besondere Auswahlleistung.
Wird die Wahrnehmung auf ein spezifisches Objekt gerichtet, so wählt
"die" Wahrnehmung aus. Für diesen bedeutsamen psychischen Vorgang
hat die deutsche Sprache das Wort Aufmerksamkeit zur Verfügung.
Und selbst für die besonders verdichtete Aufmerksamkeit gibt es ein
eigenes Wort: Konzentration.
Anmerkung: es gibt auch eine sog. dysfunktionale
Selbstaufmerksamkeit, etwa bei unfruchtbarem Grübeln oder bei
Hypochondrie.
Grundlagen-Diskussion
des Auswählens: unterscheiden, vergleichen, Perspektive.
Die beiden elementaren Funktionen des Auswählens sind Unterscheiden
und Vergleichen. Beide elementaren
Fähigkeiten hängen zusammen, wobei Unterscheiden auf den ersten
Blick als die grundlegendere erscheint. Tatsächlich hängen die
drei grundlegenden Funktionen auswählen, unterscheiden und vergleichen
letztlich untrennbar zusammen.
Betrachtung der graphischen Illustrationen. Als erstes müssen wir die Betrachtungsperspektive bestimmen: betrachte ich die ganze Abbildung wahr0.gif? Oder betrachte ich nur die einzelnen Abbildungen a,b,c,d? Und wenn, betrachte ich a,b,c,d von außen oder von innen? Es gibt also bereits auf dieser elementaren Stufe wenigstens drei Perspektiven. Das ist sehr wichtig, weil es für die Beurteilung eines Sachverhaltes sehr darauf ankommen kann, von welcher Basis aus man ihn betrachtet: die grundlegendste Unterscheideung ist die von innen oder außen. Die dritte Perspektive können wir Meta-Perspektive nennen. Diese Perspektive nehmen Sie, werte LeserIn gerade ein, wenn Sie die Graphik "wahrn0.gif Auswählen beim Wahrnehmen 2" betrachten.
Hier bedeute das Kästchen mit dem a im blauen Feld, die Betrachtung von innen. Das Kästchen a außerhalb des blauen Feldes bedeute eine Betrachtung von außen. Im Einklang mit den GestaltpsychologInnen [1, 2, 3] sagen wir: Im linken Teil der Betrachtung, Kästchen a im blauen Feld, fallen Figur und Hintergrund zusammen: hier können wir nicht zwischen Figur und Hintergrund unterscheiden. Wir können an dieser Stelle schon sagen: die Innenperspektive hat den geringsten Abstand, die Außenperspektive nimmt eine klare Trennung zwischen innen und und außen ein. Und die Meta-Perspektive steht über innen und außen. Beispiel: der Beschuldigte schildert das Geschehen aus seiner Innenperspektive, eine ZeugIn nimmt eine Außenperspektive ein und die RichterIn befindet sich in der Position der Meta-Perspektive. Betrachtet sich eine Persönlichkeit P selbst, so nimmt sie mit ihrem Selbstbild die Innenperspektive ein, ein Bekannter B nimmt mit seinem Fremdbild eine Außenperspektive ein. Eine PsychotherapeutIn, die sowohl Selbst- als auch Fremdperspektiven in ihre Beurteilung einbezieht, nähme so gesehen eine Meta-Perspektive ein. Es gibt nun eine Vielzahl von Perspektiven und Meta-Perspektiven, die einen beim näheren Analysieren ganz schön Kopfzerbrechen bereiten können.
Was geschieht nun in der Wahrnehmung? Was läßt sich über
das Wahr-nehmen der Graphik c sagen?
Innenperspektive: Auf weißem Hintergrund sehen wir zwei Figuren. Es ist ein gefüllter grauer Kreis und ein Dreieck, bei dem die Spitze nach rechts zeigt, zu sehen, wobei sich beide Figuren ungefähr auf gleicher Höhe befinden. Der Kreis hat keinen Rand und ist links, das Dreieck ist ohne Füllung, zeigt nur die Begrenzungslinien und ist rechts von Kreis plaziert. Außenperspektive: In einem rechtwinkligen durch schwarze Linien begrenzten Viereck: [Text Innenperspektive]. Meta-Perspektive: Bei Betrachtung von unterschiedlichen Figurenkompositionen auf zwei verschiedenen Hintergründen werden drei elementare Perspektiven dargestellt. |
Brainstorming
Kognitive Unterscheidungskriterien ( > Welten)
Wir unterscheiden entlang von Merkmalsdefinitionen (Dimensionen) nach
bestimmten Kriterien, z.B. länger, kürzer, dicker, breiter, dünner,
gerader, krummer, oben, unten, unter, davor, dahinter, auf, neben, nahe,
entfernt, groß, klein. Bei Düften können wir z.B. unterscheiden
nach Duft-Gruppen: harzig, minzig, blumig, fruchtig, würzig, faulig,
ranzig. Beim Schmecken werden vier Qualitäten unterschieden: süß,
bitter, sauer, salzig. Räumlich kennen wir drei Dimensionen: Länge,
Breite, Höhe (Tiefe). Ingesamt ergeben sich potentiell unendlich viele
unterscheidbare Objekte, Merkmale, Ereignisse oder Zustände noch dazu,
wenn verschiedene Perspektiven, Zeiten und Entwicklungen einbezogen werden.
Welche
Faktoren bestimmen die Auswahl innerer und äußerer Wahrnehmungen
?
Das ist eine der spannendsten Fragen der allgemeinen, differentiellen,
klinischen, ja eigentlich der ganzen Psychologie und Psychopathologie.
Warum und wie kommt es dazu, daß wir unsere Wahrnehmung auf dieses
oder jenes innere oder äußere Geschehen
richten? Im wesentlichen sind es zwei Faktorenkomplexe: 1) das affektive
System (Bedürfnisse, Wünsche, Interessen, Gefühle, Stimmungen,
Verfassung und Befindlichkeit) und 2) Erfahrungen, Gelerntes, Gewohnheiten.
Aus dem Zusammenspiel dieser zwei Faktorenkomplexe ergibt sich die Wahrnehmungs-
und Aufmerksamkeitslenkung. [System der
Psyche]
Die
grundlegende Unterscheidung zwischen ICH und Nicht-ICH (Ego - Alter) *
[Selbstbild
Glossar]
Psychologisch und psychopathologisch ist es sehr wichtig, unterscheiden
zu können: was ist meines, ist in mir, kommt von mir und was ist nicht
meines, ist außerhalb von mir und kommt von Außen? Bei psychiatrischen
Krankheitsbildern und bei religiösen Erscheinungen verwischen sich
die Grenzen und gehen bisweilen sogar streckenweise gänzlich verloren,
wenn etwa Schizophrene z.B. meinen, ihre Gedanken würden von außen
gesteuert oder gemacht (Gott spricht zu X [Moses]).
Zwischen Wahrheit, Wirklichkeit, Phantasie, Irrtum und Lüge gibt es
eine potentiell unendliche Grauzone. Aus heilkundlicher Sicht muß
eingeräumt werden, daß die Wahrnehmung der Wahrheit oder Wirklichkeit
dem Wohlbefinden oder Eigeninteressen oft nicht dienlich ist [Abwehr,
Neutralisation].
Ausgesucht - Erwählt
- Auserwählt
Aussuchen und auswählen kann im Prinzip zu folgenden Ergebnissen
führen: (1) eine Auswahl gelingt. (2) Eine Auswahl gelingt nicht.
(3) es gibt mehrere, ähnlich gleichwertige Möglichkeiten, so
daß eine Entscheidung schwer fällt. (4) Man ist hin- und hergerissen,
zwiespältig (ambivalent) und
weiß nicht so recht, wen oder was man wählen soll. Ist eine
Auswahl erfolgt, so kann das Ausgewählte als eine gute oder beste
Lösung unter den gegebenen Bedingungen gelten. Man kann aber auch
unglücklich sein, weil man nur die am wenigstens unattraktive Wahl
treffen konnte (wählen des geringsten Übels). Auswählen
ist immer auch eine Wertung und das Ausgewählte in aller Regel gegenüber
dem Nicht-Ausgewählten wertvoller. Man kümmert sich gewöhnlich
erst um die Nahestehenden und eigenen Leute, bevor man sich anderer oder
Fremder annimmt. Das ist in den meisten Fällen sogar gesetzlich geregelt
und geboten: Verwandte der direkten Linie sind einander zur Unterstützung
verpflichtet. Wenn ich mich für diese oder jene Religion entscheide
- wenn ich denn diesbezüglich entscheiden kann - so habe ich eine
ausgewählt, vermutlich die, die mir am meisten innerlich und nach
meinen Zielen und Zwecken, wozu ich sie brauche, entspricht. Gesunde Angehörige
eines gewissen Alters müssen ihrem Land für militärische
- oder zivile Ersatz - Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Der
Staat hat eine Fürsorgepflicht für seine BürgerInnen.
Das Auserwählte
als etwas Besonderes, Hervorgehobenes, Besseres, Erhöhtes
Die Wahl einer FreundIn oder einer PartnerIn ist sicher Ausdruck einer
ganz besonderen Wertschätzung. Die Phantasie, daß Gott,
der als höchstes Wesen der Welt gilt, ein Volk auswählt und über
alle anderen Völker erhebt, ist ebenfalls Ausdruck einer ganz besonderen
Wertschätzung. Ein solches Volk steht über den anderen. Stellt
man sich vor, daß es viele Völker (und Götter) gibt, die
nach ihren religiösen Eingebungen der Meinung sind, sie seien auserwählt,
kann man sich vorstellen, was geschieht, wenn diese Völker aufeinandertreffen.
Haben die einen sogar noch einen Missionsauftrag und dringen in andere
Völker regelrecht ein, um sie von deren Religion ab- und ihnen die
eigene auserwählte nahezubringen, wird es noch dramatischer.
Freunde
("Amigos"), Nahestehende, Geliebte - Feinde, Fremde, Gleichgültige
Freunde kann man sich aussuchen, seine Volks- und Kulturzugehörigkeit,
Eltern, Verwandtschaft und seine Sozialisationsbedingungen (also wo und
wie man aufwächst) nicht. Hier ist sozusagen die Welt, Gott oder das
Schicksal sehr willkürlich, was nicht selten auch als sehr ungerecht
empfunden wird. Im allgemeinen räumt man nahestehenden Menschen, solchen,
die man mag und wertschätzt, einen besonderen Status ein: man ist
um ihr Wohlergehen besorgter, kümmert sich mehr und ergreift Partei
für sie. Man hat so seine Freunde oder Amigos, wie es neudeutsch etwas
abfällig in politischen Zusammenhängen heißt.
Gesunder Egoismus,
gesunde Selbstliebe, Selbstwertschätzung
Das man sich selbst im Grundsatz wertschätzt, gut und in Ordnung
findet, gilt den meisten Menschen als erstrebenswert, ziemlich sicher aber
der Zunft der PsychotherapeutInnen. Ein positives Selbstwertgefühl
ist ein sehr häufiges Psychotherapieziel.
Sozio-Psycho-Pathologischer
Egoismus, ungesunde Selbstliebe, überhöhte Selbstwertzuweisung
Die Erhebung des Eigenen über die anderen, wie sie sich in fast
allen "Kulturen" in der Geschichte und auch heute noch zeigt, ist dann
faschistisch und international extrem gefährlich, wenn die anderen,
Fremden als Nichtmenschen, "Barbaren" oder Untermenschen bewertet
werden. Das ist in den Auserwählt-Religionen
(z.B. Juden [Talmud], Moslems,
Christen), bei den alten
Griechen, im wahnhaften Nationalsozialismus und in vielen anderen Religionen
und (politischen) Ideologien
der Fall, derzeit auch in der Außen-Politik der USA
sehr drastisch.
Auswahlmethoden
und Auswahlfunktionen - Wer die Wahl hat, hat die Qual
Was für ein Hose ziehe ich heute an? Welches Besteck nehme ich?
Welche ProbandInnen sind geeignet für die Fragestellung X? Wann ist
eine Auswahl repräsentativ? Welche BewerberIn soll ich auswählen?
Welche Fragen soll ich stellen, um dieses oder jenes zu erfahren?
Pars pro toto - Teil
des Ganzen - der Schluß vom Teil aufs Ganze
Schließt man vom Teil aufs Ganze, begibt man sich auf gefährliches
Gebiet. Das tut etwa das Sprichtwort: Wer einmal lügt, dem glaubt
man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht. Doch sind wir alle
in unserem Leben darauf angewiesen, aufgrund von Stichproben, also von
Teilen, auf das Ganze oder ein bestimmtes Merkmal zu schließen. Wir
kennen ja meist nur einen Ausschnitt, einen Teil.
Aus-Wählen können
als Grundlage der sog. Willensfreiheit
Gibt es die echte Möglichkeit
einer Wahl zwischen Alternativen, gibt es Willensfreiheit und Verantwortlich-
und Schuldfähigkeit. Auswählen können bedeutet natürlich
nicht, dass der Auswahl keine Motive oder Gründe unterliegen.