Axiome
- Grundannahmen
der
Allgemeinen und Integrativen Psychotherapie (GIPT)
nach Sponsel
1995, S. 128-145 (Arbeitsversion, unkorrigiert)
Erstausgabe
10.9.2000, Letztes Update 29.6.2002
TOP-10 Arbeitsprinzipien der GIPT_ Handlungsprinzipien:_ Intuition_ Heuristik_ Flexibilität_ Kontrolle_ Außendarstellung GIPT
"Es braucht Mut und vielleicht ein Stück Narrheit, zu versuchen, ein Architekt von Systemen zu sein; aber wir hoffen, daß am Horizont für Psychologie und Psychotherapie einige solcher mutigen 'Narren' auftauchen."
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Zum Aufbau von Theorien, Modellen muß man irgendwelche ersten Annahmen treffen, die nicht weiter zurückgeführt werden können, ohne in einen unendlichen Regreß zu gelangen. Erste Annahmen, die besonders geeignet sind, viele andere Phänomene, die wir beobachten und sichern können, und die selbst nicht oder nur sehr umständlich und sehr schwierig bewiesen werden können, wollen wir Axiome nennen. Es sind so etwas wie Anfangssätze, Basissätze, Grundannahmen. Mit Hilfe logischer Analysen, kreativer Einfälle und empirischer Erkenntnisfortschritte kann es sein, daß Axiome aufgelöst und in Sätze übergeführt werden können. Sätze wollen wir beweisbare bzw. empirisch gut begründ- und belegbare Behauptungen nennen, z. B. es gibt Glaubensheilungen, d. h. einige Menschen wurden dadurch geheilt, weil sie fest daran glaubten, geheilt zu werden. Kann man zeigen, daß es tatsächlich Glaubensheilungen gibt, erübrigt sich ein entsprechendes Axiom. Axiome sind gefährlich und müssen daher stets kritisch betrachtet und hinterfragt werden.
Von den folgenden Axiomen sind einige, glauben wir, als Sätze beweisbar. Da wir die Beweise in diesem Buch nicht führen, die Gültigkeit dieser Aussagen andererseits bei wichtigen Argumentationen voraussetzen, möchten wir sie als Axiome einführen. Die präzise Abklärung, Untersuchung und Ausarbeitung mag - in der Hauptsache - den psychologischen WissenschaftstheoretikerInnen vorbehalten bleiben.
Biologische Ereignisse und Prozesse können psychologische Repräsentationen haben, müssen sie aber nicht haben und haben sie vielfach auch nicht. Psychologische Prozesse und Ereignisse hingegen müssen eine biologische Repräsentation haben. Psychologische Ereignisse und Prozesse sind an Leben und Funktionsfähigkeit des Gehirns gebunden. Sei R(P(Wa)) die psychologische Repräsentation eines Wirklichkeitsausschnittes und R(B(Wa)) die biologische Repräsentation eines Wirklichkeitsausschnittes, dann gelte: alle R(P(Wa)) basieren auf einer R(B(Wa)), aber nicht alle R(B(Wa)) haben eine R(P(Wa)).
Falls
biologische Prozesse psychologische Repräsentationen haben, sind Bild
und Abbild nicht identisch. Das psychologische Erlebnis ist zwar in physikalisch-chemischen
Ereignissen und Prozessen repräsentiert und fundiert, es ist aber
nicht mit diesen Prozessen gleich zu setzen, das psychologische Erlebnis
oder das Seelisch-Geistige ist neben dem Materiellen eine eigene, spezifisch
menschliche Wirklichkeit, die auch für das menschliche Dasein, Erleben
und Selbstverständnis in der Welt wesentlich und durch naturwissenschaftliche
Betrachtungen nicht ersetzbar ist.
Bemerkung:
Wir können daher der Identitätstheorie des Leib-Seele-Problems
im Sinne von Feigl (dt. 1973) nicht zustimmen. Argumentatives Analog-Beispiel:
Die menschliche Farbwahrnehmung ist das Ergebnis einer Lichtreflexion relativ
zum "sensorischen System Auge" und relativ zum verarbeitenden System "Gehirn".
Diese Farbwahrnehmung ist eine eigene Wirklichkeit, die zwar abhängig
vom Phänomen Licht und seiner Reflexion ist, aber natürlich keineswegs
mit ihm identisch (dem ästhetischen Empfinden ist es auch völlig
gleichgültig, ob man Licht als Korpuskel oder Welle betrachtet). Und
so verhält es sich auch mit dem Bewußtsein und seinen Inhalten:
natürlich liegen ihm physikalische, chemische, biochemische und physiologische
Vorgänge zugrunde, aber meine Idee der Liebe, meine Bewertung des
Mutes, mein Lebensgefühl in diesem Augenblick ist etwas anderes, nämlich
meine psychologische Wirklichkeit.
Zu
den verschiedenen Welt-Konzepten hier.
Biologische Ereignisse und Prozesse können psychologische Ereignisse und Prozesse beeinflussen und umgekehrt. Exakt betrachtet kann auch das psychologische Ereignis aus einer naturwissenschaftlichen Perspektive betrachtet werden, dann bewegt man sich in einer homogenen (ontologischen) Wirklichkeitsebene. Von daher dürfte es kein Problem mehr darstellen, zu verstehen, wieso es Wechselwirkungen gibt. Umgekehrt: sofern naturwissenschaftliche Ereignisse im Betriebssystem "Mensch" eine psychologische Projektion haben, können diese Projektionen von anderen psychologischen Funktionen natürlich beeinflußt werden, was wiederum zu einem Rückkopplungseffekt führen kann. Die Wirkung des Psychischen auf das Organische erfolgt über den organischen Träger des Psychischen. Und die Wirkung des Organischen auf das Psychische erfolgt über die psychische Repräsentation des Organischen im Psychischen.
Zusatz Axiom III: In der Computer-Metapher bedeutet dies, daß zwischen Hard- und Software vielfache Wechselwirkungen bestehen. Der Hardware-Metapher entspricht die biologisch-materielle Basis der Seele, also die Perspektive Repräsentationssystem Körper. Das Betriebssystem organisiert und verwaltet den Betrieb "Mensch". Begabung und Anlagen werden in einem sogenannten "Anlage-Chip" gedacht. Einige Programme verändern sich mit den zunehmenden Erfahrungen und Veränderungen des Lebens. Die Programme sind nicht perfekt, sondern fehlerhaft; teilweise sind sie fast unveränderlich ("ROM"), teilweise können sie völlig neu gestaltet werden. Man kann "löschen", erweitern, modifizieren, spezifizieren. In der Programmzentrale "Gehirn" denken wir uns einen Programmgenerator, der ganz neue Programme entwickeln kann: die Metapher für das Lernen (und die Konditionierung). Lernt man, generiert der Programmgenerator ein neues Programm oder aktualisiert ein altes. Wird das Lernen selbst verändert, z. B. optimiert, wird das Programmgeneratorprogramm angesprochen.
A-IV Leib-Seele-Axiom: Entsprechungen
A-IV
Leib-Seele-Axiom IV: Entsprechungen
(a) Die gleiche
biologische Repräsentation kann zu unterschiedlichen Zeiten und Bedingungen
unterschiedliche psychologische Repräsentationen bewirken (wahrscheinlich
aber einander ähnliche).
(b) Die gleiche
psychologische Repräsentation kann zu unterschiedlichen Zeiten und
Bedingungen auf unterschiedlichen (aber wahrscheinlich ähnlichen)
biologischen Repräsentationen beruhen.
Zwischen Biologie und Psychologie gibt es keine zwingenden eindeutigen oder eineindeutigen Relationen. Anschauungsbeispiel: eine unmittelbare überzeugende Anwendung liefern die Gestaltgesetze von Figur und Hintergrund. Das "objektiv gleiche" Grau wirkt auf schwarzem Hintergrund ganz anders als auf weißem.
A-V Axiom: Multiple Repräsentationen
Was für eine Wissenschaft ist die Psychologie?
Vorbemerkung:
Die Psychologie kann je nach Perspektive als Naturwissenschaft (Physik,
Chemie, Biochemie, Biologie, Medizin) oder als Geistes& Sozialwissenschaft,
eben als Psychologie im originären Sinne, verstanden werden. Die Frage,
was für eine Wissenschaft die Psychologie "ist", hängt davon
ab, welche Perspektive man einnimmt.
Wie bei allen Definitionsfragen gibt es letztlich keine Entscheidung vom
Typ wahr oder falsch, sondern man wird relativ zu den Zielen und Zwecken,
der Perspektive die Frage so oder so beantworten. Eines ist allerdings
sicher: während die genuin psychologische Betrachtung ohne die
naturwissenschaftliche Perspektive auskommen kann, geht das umgekehrt nicht.
Das
Seelenleben kann in unterschiedlichen Repräsentationsebenen beschrieben
werden: chemisch-physikalisch, biologisch-physiologisch, psychologisch-erlebnismäßig,
begrifflich-symbolisch, sprachlich-symbolisch, usw. So repräsentiert
Angst einen Begriff als geistige oder gedankliche Repräsentation,
ein Erlebnis als bewußte psychologische Repräsentation, eine
emotionale Repräsentation, eine physiologisch-biologische Erscheinung
und ein hysikalisch- chemisches Geschehen, ein geschriebenes oder gesprochenes
Wort, eine Erfahrung, die im Gedächtnis gespeichert werden und mit
anderen Gedächtnisinhalten vernetzt sein kann, eine Erinnerung,
die im Bewußtsein präsent sein kann, ein Erlebnis, das kommuniziert
werden kann - wie so oft in der Psychotherapie.
Anhang A-V: Die wichtigsten Repräsentationsebenen (siehe auch Welten)
Aus psychologisch-menschlicher Perspektive ist folgende Einteilung zweckmäßig:
OBJE-RE
Objektive Repräsentationsebene
Geschehen
wie es unabhängig von speziellen sensorischen Systemen existiert (näherungsweise
das KANTsche "Ding an sich", das letztlich aber auch nur relativ zu sensorischen
Systemen erfaßt werden kann). Damit beschäftigen sich die Naturwissenschaften,
vor allem Physik und Chemie. Man könnte die Wissenschaften, die die
so verstandenen objektiven Gegebenheiten erforschen, auch objektive Wissenschaften
nennen.
SENS-RE
Sensorspezifische Repräsentationsebene
Geschehen,
wie es sich in speziellen sensorischen Systemen abbildet, z. B. in lichtempfindlichen
Systemen wie Augen, Kameras.
LEIT-RE
Leitungsspezifische Repräsentationsebene
Signale, wie
sie von einem Ort zu einem anderen Ort transformiert werden, z. B. vom
sensorischen Empfangsorgan zum Zentralverarbeitungsorgan = Zentralnervensystem,
Gehirn.
ZENT-RE
Zentrale Repräsentationsebene
Wie die Signale
zentral codiert oder abgebildet werden.
GEDÄ-RE
Gedächtnismäßige Repräsentationsebene
Geschehen,
wie es im Gedächtnis codiert oder abgebildet und gespeichert wird.
Hier kann noch weiter differenziert werden: Eingangsspeicher, Kurzzeitgedächtnis,
Langzeitgedächtnis.
MENT-RE
Mentale Repräsentationsebene
Geschehen,
wie es im Denken abgebildet wird.
HYPO-RE
Hypothetische Repräsentationsebene
Geschehen,
wie es möglich sein kann, für möglich gehalten wird. Das
ist eine spezifische Variante des mentalen Repräsentationssystems.
VOLU-RE
Voluntative Repräsentationsebene
Geschehen,
wie es gewünscht oder gewollt wird.
KOMM-RE
Kommunikativ-Sprachliche Repräsentationsebene
1) Phonetisch
(Laute, Lautgestalten, Lautworte, ...)
2) Visuell
(Bilder, Zeichen, Buchstaben, Worte, Sätze, Texte, ...)
3) Taktil
(Formen und Zeichengestalten, Modelle, Kopien, ...)
Wichtig für
neuropathologische Ausfallerscheinungen z. B. der verschiedenen Aphasien,
Agnosien und Apraxien.
Bemerkung:
Es sind natürlich weitere Differenzierungen und Konstruktionen möglich.
A-VI Axiom verschiedener Bewußtheitsmöglichkeiten
Es gibt
bewußtes, unbewußtes und nichtbewußtes, vorbewußtes,
unbewußtes und gar kein Seelenleben, d. h. "in" der Seele geschieht
etwas bewußt, unbewußt, nichtbewußt oder es geschieht
nichts. y Unbewußtes
kann bewußt werden, y Nichtbewußtes
ist per definitionem nicht bewußtseinsfähig. Viele seelisch-geistige
Prozesse sind dem bewußten Erleben verborgen. Und viele, ja die meisten
biologischen Prozesse sind y
Nichtbewußt. Zu den griechischen
Zeichen y
A-VII Axiom der systematischen Stellung des Unbewußten
"DAS" Unbewußte im Sinne FREUDs und der Tiefenpsychologien als eigenes Funktionssystem mit eigenen Aufgaben und Zielen gibt es im Allgemeinen und Integrativen Ansatz nicht. Das ganze Seelenleben ist zwar von vielen unbewußt ablaufenden Prozessen durchsetzt und natürlich auch - teilweise maßgeblich - beeinflußt, wird hier aber nicht als eigenes Homunculus System (ES) konstituiert und gedacht. TiefenpsychologInnen und PsychoanalytikerInnen haben hier wahrscheinlich einen anderen Inhalt des Axioms.
A-VIII Axiom: Evolutionärer Sinn des Bewußtseins
Das
Bewußtsein bedeutet Wissen um das seelische Geschehen. Das seelische
Geschehen wird auf den Ort, den wir y
Bewußtsein
nennen, projiziert und zum Zwecke optimierender Lenkung dort wahrgenommen.
Dadurch, daß das seelische Geschehen am Ort des Bewußtseins
gespiegelt wird - Perzeption wird zur Apperzeption (ich nehme wahr, daß
ich wahrnehme)- kann bewußt lenkend eingegriffen werden. Die evolutionären
Möglichkeiten der Kontrolle und Lenkung (Steuerung, Regelung) wurden
damit sehr stark erweitert. Das ist der biologisch-evolutionäre Sinn
des Bewußtseins: eine viel höhere Anpassung, Reagibilität
und Lernen wird dadurch ermöglicht bzw. optimiert. Bewußtheit
schafft mehr Freiheitsgrade und Wahlmöglichkeiten. D. h. bewußte
Wesen haben auch eine bessere Überlebenschance in der Natur, weil
sie nicht nach einem starren Programm gelenkt werden, sondern durch die
reflexive "Spiegelung" im Bewußtsein jederzeit vom "Standardprogramm"
abweichen, also lernen und sich entwickeln können. Mit der Möglichkeit
des Bewußtseins wurde auch die Möglichkeit und Grundlage einer
relativen Freiheit und Verantwortung geschaf-
fen (denken,
vorstellen, erinnern, phantasieren, wollen, machen und tun).
A-IX Unabhängigkeit der Wahrnehmung vom Bewußtsein
Die Wahrnehmung ist - wenigstens teilweise - unabhängig vom Wach-Bewußtsein (ein simples Argument ist schon die Tatsache der Weckbarkeit: wie sollte der Mensch weckbar sein, wenn er den Weckreiz nicht wahrnehmen könnte?). Gelangt Wahrnehmung ins Bewußtsein, so weiß ich, daß ich wahrnehme, das nannten die Alten trefflich y Apperzeption (aber wir nehmen gewöhnlich vieles wahr, ohne uns dessen - besonders - bewußt zu sein), dies nennen wir in Anlehnung an die klassische deutsche Psychologie y Perzeption. Auch dieses Axiom ist mit Einschränkungen wahrscheinlich in einen Satz überführbar, wofür die Arbeit von Perrig et al. (1993) zahlreiches empirisches Material liefert, was von den psychologischen WissenschaftstheoretikerInnen abgeklärt werden kann.
A-X Fünf qualitativ unterschiedliche Bewußtseinszustände
Wachzustand,
Schlafzustand, Trancezustand, Bewußtlosigkeit, Grenzzustände
(Graphik ausführlich siehe bitte)
A-XI Konstruktives Modell der Psyche und ihrer Funktionen (Persönlichkeitsmodell des Menschen) in der GIPT
Zu den psychischen Elementarfunktionen gehören sowohl existenzbejahend (gegeben sein) als auch existenzverneinend (nicht gegeben sein): empfinden, spüren, fühlen; wahrnehmen; filtern und abwehren; erkennen und wiedererkennen; denken (geistige Modelle bilden und zueinander in Beziehung setzen); vorstellen; phantasieren; erinnern, merken, lernen; bewußt sein; wünschen, begehren, bedürfen, mögen; Antrieb und Energie; wollen, beabsichtigen; lenken: anfangen, dabeibleiben, unterbrechen, kontrollieren, aufhören oder beendigen (lassen), bewerten, wählen, entscheiden, planen, koordinieren und abstimmen; optimieren; Anlage und Begabung; Können, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Kompetenzen; Haben, sein und gelten; Werte, Vorlieben, Neigungen und Abneigungen; Beziehungen, Bindungen, soziale Vernetzung; Kommunikation; Befinden und Verfassung, gestimmt sein; Handeln, machen, tun, Verhalten; Erscheinung. Aus diesen Elementarfunktionen werden die elementaren psychischen Heilmittel abgeleitet, entwickelt und aufgebaut. Zu den Beziehungen der höheren Funktionseinheiten (Sponsel 1995, > 3.4.1, Modelle).
A-XII Introspektive Differenzierung als Grundlage jeder Psychotherapie, die das Medium der Sprache benutzt
Schon die Frage: "Wie geht es Ihnen heute?" ist eine Aufforderung zur Introspektion. "Wie war das damals?" animiert PatientInnen zur Erinnerung, Repräsentation im Bewußtsein und Ausdrücken in der Sprache. "Warum wollten Sie das?" setzt voraus, daß PatientInnen den Willensbegriff verstehen und den Bewußtseinsinhalt <Wollen> von anderen Bewußtseinsinhalten abgrenzen und differenzieren können. Jede vernünftige, ergiebige und stimmige Anamnese und Exploration setzt voraus, daß PatientInnen über differenzierte introspektive Fähigkeiten verfügen. Eine solche Voraussetzung ist aber ohne besondere Prüfung naiv und unkritisch.
Bemerkung: Sprachnormierungs-Training für PatientInnen:
Damit eine vergleichende Psychotherapieforschung überhaupt sinnvoll ist, müssen wir verlangen, daß die elementarpsychologischen Funktionstermini intersubjektiv verbindlich operational (nicht nur sprachdefinitorisch) normiert werden, und zwar so, daß PatientInnen auch einfacher Herkunft und Bildung, diese sprachliche und introspektive Differenzierung leicht lernen können. Hierzu sind die Psychotherapieschulen bislang nicht in der Lage, schon weil sie häufig die Notwendigkeit gar nicht einsehen, was zum Teil auch an der empiristisch-positivistischen Ausrichtung der Wissenschaft liegt. In der GIPT haben wir diesen Dualismus überwunden und die Einheit von Wissenschaft und Praxis, die gerade für die Psychologie und ihre Tochter, die psychologische Psychotherapie, so wichtig und typisch ist, wieder hergestellt.
A-XIII Gesundheit, Störung, Krankheit und ihre Maße
(1) Unter einer y Störung verstehen wir eine y Abweichung von einer y Norm. y Störungen können Krankheitswert erlangen, d. h. die Folgen und Konsequenzen, die sich aus einer Störung ergeben, können die gleichen sein, wie wenn die Störung eine Krankheit wäre, sie kann also wie eine Krankheit behandelt werden.
(2) y
Krankheit_ökologisch_soziale_Dimension:
Der Mensch ist wesentlich durch seine zwischenmenschlichen, sozialen und
ökologischen Erfahrungen in seiner individuellen Persönlichkeit
beeinflußt und bestimmt. Gesundheit, Störung, Krankheit kann
daher nicht - zumindest nicht immer oder ausschließlich - unabhängig
von seiner zwischenmenschlichen, sozialen und ökologischen Umwelt
gesehen werden [F2].
Die Abstraktion von der zwischenmenschlichen, sozialen und ökologischen
Dimension in der Psychotherapie ist daher als ein gravierender Kunstfehler
zu bewerten.
(3)
Allgemeiner wissenschaftlicher Krankheitsbegriff
Vorklärung:
Das Problem der nosologischen Einheiten, also die Idee, Krankheiten als
im Prinzip intersubjektiv, relativ gleichförmig wiederkehrende Phänomene
zu verstehen, haben wir bewußt ausgelassen. Solche Krankheiten gibt
es zwar, aber es gibt auch sehr viele a) sich überschneidende und
b) individuell gestaltete, die sich einer solchen nosologischen Einheitsvorstellung
zumindest praktisch häufig entziehen. Eine dogmatische Festlegung
oder Einengung würde weder der Praxis gerecht werden noch dem wissenschaftlichen
Fortschritt dienen.
Am Krankheitsgeschehen
können wir verschiedene Repräsentationsebenen unterscheiden:
(a) y
Krankheit_latent:
hier entsteht und entwickelt sich eine Krankheit, ohne daß äußere
manifeste Zeichen erkennbar sind (z. B. Krebs); (b) y
Krankheit_manifest:
hier ist die Krankheit ausgebrochen und an manifesten Zeichen erkennbar;
(c) y
Krankheit_subjektiv:
hier wird eine Erkrankung auch subjektiv als solche bewußt wahrgenommen.
Die zeitliche Differenz zwischen (a) und (b) heißt y
Inkubations-zeit_objektiv;
die zeitliche Differenz zwischen (b) und (c) heißt y
Inkubationszeit_subjektiv.
Im psychopathologischen Bereich gibt es massenhaft das Phänomen, daß
viele Kranke sich subjektiv nicht so erleben.
y
Krankheit_subjektiv
bedeutet inhaltlich eine Störung der natürlichen Funktionsfähigkeit
eines oder mehrerer Funktionssysteme in einem solchen Umfang über
die Zeit, daß das "Gesamtbetriebssystem Mensch" in seiner natürlichen
Funktionsfähigkeit so relevant beeinträchtigt wird, daß
in der Regel eine Heilfachkundige als hilfreich erlebt bzw. notwendig wird,
um die Funktionsfähigkeit wieder herstellen zu helfen.
y
Krankheit_latent
bedeutet demnach, daß mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine
y
Krankheit_manifest
und eine y
Krankheit_subjektiv
d r o h t.
Zusatz zu Axiom-XIII: Endogen, Organisch, Funktionell, Psychisch
Zwischen
den verschiedenen Schulen und Berufsgruppen gibt es einige Kontroversen
und Sprachverwirrung darüber, wie die Ätiologie einiger Krankheiten
oder Syndrome rekonstruiert und verstanden werden sollte.
In
der Computer-Metapher bedeutet eine organische Störung einen Hardwareschaden,
während eine funktionelle Störung durch einen Softwarefehler
repräsentiert wird. Bei der Software brauche ich SystemanalytikerInnen
und ProgrammiererInnen (PsychotherapeutInnen), bei der Hardware IngenieurInnen
oder TechnikerInnen (MedizinerInnen). Um die Interpretation etwas anschaulicher
zu machen, ist die Vergegenwärtigung eines Beispiels sinnvoll.
Nehmen wir die agitierte Depression. Hier befindet sich der Mensch in großer
Unruhe und wechselt in rascher Folge seinen Ort. Er wirkt ziellos, aber
voller Energie, der die Richtung fehlt. Dieses Unruhesyndrom kann durch
die Modellvorstellung ANTRIEB EINGESCHALTET, AFFEKTE ABGESCHALTET gut begriffen
werden. Hier klappt die Koordination oder Synchronisation nicht und das
therapeutische Problem besteht darin: was kann getan werden, um die Synchronisation
oder Koordination wieder herzustellen? Was kann getan werden, um das affektive
System synchron zu schalten, also ANTRIEB EIN = AFFEKTE EIN, ANTRIEB AUS
= AFFEKTE AUS? Die Psychopathologie hat hier einige Kreativität entwickelt
und interessante Handlungsanweisungen vorgeschlagen und erprobt [F3]:
(1) Heliotherapie, also ca. 30 - 90 Minuten Bestrahlen durch Tageslicht;
(2) Überspringen eines Nachtschlafes. Bei (1) nutzt man aus, daß
die Einstellung der biologischen Synchronisationsparameter vom Licht abhängt,
im Fall (2), daß der Schlaf-Wach-Rhythmus eine Rolle spielt. Es werden
also Maßnahmen ergriffen, die die Synchronisationsparameter stark
reizen und beeinflussen. Eine mechanische Analogie wäre wie bei einem
Wackelkontakt ein starkes Durchschütteln oder Beklopfen des Gerätes,
um eine "heilsame" Erschütterung herbeizuführen, die den Kontakt
wieder schließt.
Ein
anderes Beispiel wäre die Umkehrung dieser Synchronisationsstörung,
also: ANTRIEB AUS = AFFEKTE EIN. Hier fehlt die Energie, der Mensch ist
müde, erschöpft, aber die Affekte bewegen ihn noch so, daß
er nicht zur Ruhe kommt, nicht einschlafen und sich erholen kann. Obwohl
er müde ist und sich erholen, schlafen möchte, kann er es nicht.
Das ist oft dann der Fall, wenn der Mensch sehr bewegt ist oder große
Sorgen hat, für die er nach Lösungen sucht.
Während
man beim Beispiel des Unruhesyndroms bei der agitierten Depression eher
die Phantasie einer Hardwarestörung hat, ist es bei dem Einschlafproblem
eher die Phantasie einer Softwarestörung.
A-XIV Systemregulierungs- und Veränderungs-Axiom, Homöostase & actio et reactio und das grundlegende psychotherapeutische Heilungsprinzip
(1) Systemregulierung. Jedes System sucht einen ihm gemäßen Gleichgewichtszustand zu erreichen und zu erhalten. (2) Veränderung und Widerstand: Jede nicht natürlich vorgefundene und gewünschte [F4] Veränderung (actio) ruft daher einen natürlichen Widerstand [F5] (reactio) hervor. (3) Psychotherapeutisches Heilungsprinzip: (3a) In der Psychotherapiestunde erfolgt die Heilung oder Besserung gewöhnlich nicht [F6] , aber die Arbeit dort liefert den Anstoß. (3b) Entscheidend für das Gelingen einer Psychotherapie ist daher, ob der Transfer der in der Therapie initiierten Prozesse auf den Lebensalltag gelingt und (3c), ob "das Leben" diese Veränderungen so belohnt, daß sie sich dauerhaft festigen können. (3d) Daraus folgt auch: man sollte die Umgebung explizit - wenigstens mental - berücksichtigen und nach Möglichkeit in den Therapieplan und, falls für günstig befunden, auch in die Psychotherapie selbst direkt mit einbeziehen (GIPT- Systemik Postulat)
A-XV Relativitätsaxiom [F7] des grundsätzlichen Doppelcharakters der Heilmittel (und ihrer Negationen) und die vier möglichen Wirkungen der Heilmittel (und ihrer Negationen)
Vorbemerkung: Dieses Axiom ist sehr radikal und drückt eine extreme Komplexität, Kompliziertheit und Relativität aus. Aber es repräsentiert die Realitätserfahrungen vieler Heilkundiger und PatientInnen. Es hat aber auch sein Gutes: es bewahrt vor unzulässigen, vereinfachenden und falschen Verallgemeinerungen und entsprechend fragwürdigen Diagnose- wie Therapieschemata: es hält wach, offen, kritisch und stellt uns auf Flexibilität ein.
(1) Grundsatz des Doppelcharakters: Eine Heilmittelwirkung kann durch Anwesenheit oder Abwesenheit (Negation) eines Heilmittels oder eines Quantums davon entstehen.
(2) Grundsätzliche Relativität der Wirkungen: Heilmittel bzw. Quanta davon sind nur potentielle Heilmittel und können im Prinzip vierfach wirken: Positiv, negativ, neutral, ambivalent, d. h. sowohl positiv als auch negativ.
(3) Grundsatz Individuelle Relativität: Ob ein Heilmittel oder ein Quantum (Paracelsus: Die Dosis macht das Gift) davon als solches wirkt, kann von Mensch zu Mensch verschieden sein.
(4) Grundsatz Situative Relativität: Ob ein Heilmittel oder ein Quantum davon auch bei ein und demselben Mensch wirkt, kann sehr von der Situation abhängen, d. h. ein und dasselbe Heilmittel oder ein Quantum davon, kann in der einen Situation positiv, in einer anderen negativ, in einer dritten gar nicht oder ambivalent wirken.
Aus A-XV, (1) - (4) folgt eine strenge Einzelfallprüfung sowohl des Individuums als auch der in Frage kommenden Situation. In diesem Axiom stecken Legionen von potentiellen Kunstfehlern.
A-XVI Unspezifische und Spezifische Heilmittelwirkungen
Im Einklang
mit der Psychotherapieforschung (Bergin
& Garfield 1994, p. 8) nehmen wir sowohl unspezifische, allgemeine
als auch spezielle, besondere Heilmittelwirkungen an, die durch die Anwendung
von Psychotherapien ausgelöst, angeregt oder erzeugt werden, die sich
ergänzen. Obwohl sich die Psychotherapieforschung sehr schwer tut,
spezifische Nachweise zu sichern (Sponsel 1995, > 6.3.1), gehen wir in
der GIPT davon aus, daß der ausgiebige und überzeugende Nachweis
noch gelingen wird. Unseres Erachtens ist hierzu aber eine strenge Normierung
der Erfolgsforschung nötig, damit nicht ständig Birnen mit Balkonen
oder Quecksilberscheren verglichen werden. Unspezifische und spezifische
Wirkungen können auch negativen oder schädlichen Charakter haben.
y
Common_factors,
so heißen die Heilwirkfaktoren, wie sie fast allen Psychotherapien
eigentümlich sind und wie sie von Frank
(dt. 1981, orig. 1961) in seiner epochalen Studie untersucht wurden.
y
Specific_factors
nennen wir entsprechend die nur speziellen Psychotherapien häufiger
zugeordneten Heilwirkfaktoren.
A-XVII Glaubensheilung oder Placeboeffekte
Vorbemerkung:
Mit der Postulierung von Glaubensheilungen und Placeboeffekten betreten
wir ein Gebiet, das großen Teilen der Wissenschaft sehr suspekt ist.
Nun, die Menschen können zwar logisch denken, aber sie sind nicht
logisch organisiert; sie sind in ihrem Leben öfter mehr oder minder
das, was man "irrational" nennt, wenn sie sich z. B. (anscheinend) nicht
zweckrational verhalten. Psychologie, Klinische Psychologie und Psychologische
Psychotherapie haben es oft mit dem sog. "Irrationalen" zu tun. In der
GI PT sehen wir das nicht negativ. "Irrationalität" mit seinen Geheimnissen
und seinem Überraschungswert birgt eine besondere Spannung und Herausforderung.
Wir glauben auch, daß sich die sog. "Irrationalität" wissenschaftlich
verstehen und erklären läßt. Je nach Bezugssystem mutet
im
übrigen
auch manche sog. "Rationalität" außerordentlich "irrational"
an. Fast alles ist eben relativ.
(0) Es gibt Vorbeugung, Linderung, Besserung, Heilung und Bewältigung, die durch den Glauben, Hoffnung, Erwartung ausgelöst werden. Das ist unseres Erachtens durch die Wirkung des Placeboeffektes nachgewiesen. Glaubensheilungen: (1) y Glaubensheilungen sind psychologische Heilungen aufgrund von Glaube, Hoffnung oder Erwartung. (2) Durch Glaube, Hoffnung, Erwartung werden Selbstheilungsmechanismen aktiviert, die (3) ihrerseits den Heilungsvorgang aktivieren. Die y Glaubensheilung ist die Grundlage des Placeboeffektes. [F8].
Bemerkung: Unseres Erachtens setzt die Akzeptanz von Glaubensheilungen, die Postuliuerung von Selbstheilungskräften voraus, da Glaube, Hoffnung, Erwartung nicht (immer) unmittelbar direkt wirken. Die Glaubensheilung ist von großer Bedeutung bei allen Störungen unklarer, schwer bestimmbarer Herkunft, für Störungen gegen die es keine Therapie zu geben scheint und für die sog. "unheilbaren" Störungen. Zu einer Therapie lege artis gehört es unserer Auffassung nach auch, daß die mächtigen Placeboeffekte wenn möglich zugunsten der Vorbeugung, Linderung, Besserung, Heilung oder Bewältigung von Störungen eingesetzt werden.
Zusatz: Gibt es Wunder? Wir denken ja (und nein), und zwar in folgender Weise: y Wunder_1 bedeutet: in Widerspruch zur Erfahrung, zum gesunden Menschenverstand und zum derzeitigen Erkenntnisstand der Wissenschaft. Solche Pänomene gibt es, aber sie gehören zu den eher unwahrscheinlichen Ereignissen. Da unser Wissen sehr begrenzt, sehr endlich ist, ist es völlig unmöglich, alle Varianten und Kombinationen der realen Möglichkeiten zu übersehen. In diesem Umstand liegen y Wunder_1 begründet. An y Wunder_2, die Naturgesetze außer Kraft setzen können, glauben wir nicht. y Wunder_1 sind Wunder relativ zu unserem Kenntnisstand und sonst nichts. y Wunder_2 gehören ins Reich der Religion und Metaphysik.
A-XVIII Potentiell unendlich viele Heilmittel & Störungen
Es gibt
potentiell unendlich viele Heilmittel. Das folgte schon aus relativ wenigen,
die immer auf praktisch potentiell unendliche Weise in der Zeit kombiniert
werden können. Gleiches gilt für die Störungen und Umweltkontexte.
Bemerkung:
Die Fixierung auf bestimmte, einheitliche, immer wiederkehrende Krankheiten
mit typischem Erscheinungsbild ist weniger wissenschaftlich begründet
als es einem zwanghaften Ordnungs- und Orientierungsbedürfnis der
Wissenschaft entspricht. Hier zeigen die oftmals so auf Rationalität
pochenden WissenschaftlerInnen ein seltsam irrationales Verhalten, das
seine Wurzeln in der Magie hat: Namen geben und klassifizieren beruhigt
die WissenschaftlerIn psychomental. Haben die Erscheinungen erst einmal
einen Namen, kann auf sie eingewirkt werden. Für WissenschaftlerInnen
ist Unordnung, Nichtwissen, Unsicherheit ein Dissonanzerlebnis. Also werden
sie versuchen, die Dissonanz zu mindern. Und heraus kommt dann so etwas
wie der ICD oder das DSM-III. Das Klassifikationsmotiv
der Wissenschaft ist gefährlich, weil es eine Ordnung vortäuscht,
die es in Wirklichkeit so gar nicht gibt. Das ist nicht der iatrogene,
sondern der szientogene Faktor der Heilkundefehler: man starrt nur auf
die vorgegebenen Klassen, statt frei, kritisch und kreativ jeden Einzelfall
anzugehen. Dieser Fehler könnte leicht minimiert werden, wenn man
sich entschlösse, Diagnosesysteme auf kleinster phänomenologisch-operationaler
Basis zu entwickeln, wie wir das in der GIPT tun. Zumal wir wissen, daß
die Störungen und Krankheiten, ja selbst die Symptome einer großen
Fluktuation und Veränderung unterliegen [F9]
Die Fixierung auf feststehende, unveränderliche Klassen behindert
daher auch den Erkenntnisfortschritt. Mit Hilfe von Konfigurations-, Cluster-
und Diskriminanzanalyse ist es ja gar kein Problem, Regelhaftigkeiten in
Mustern und Konfigurationen zu erkennen.
(1) Intrapsychische Symptomverschiebungen sind möglich und bedürfen daher der Kontrolle. Es ist also möglich, daß ein Symptom verschwindet und durch ein anderes ersetzt wird. Es kann auch therapeutisch sehr erwünscht sein, ein lästiges und schädliches Symptom durch ein vergleichsweise harmloses und erträgliches zu ersetzen (z. B. statt zu rauchen Kaugummi zu kauen). Symptomverschiebung kann so gesehen eine sehr nützliche und wertvolle Therapie sein. Symptomverschiebungen können durch Globalmaße kontrolliert werden. Globalmaße, wie z. B. der von Sponsel (1984) auf der Basis der Toman'schen Motivationstheorie entwickelte homöostatische Lebenszufriedenheitsmittelwert schließen in einem bestimmten Bereich (60 < Mittelwert < 80) mit einem kalkulierbaren Risiko Symptomverschiebungen aus (erst recht die gesamte Befindlichkeitsanalyse) (Sponsel, 1984).
(2) Interpsychische Symptomverschiebungen, d. h. die Genesung des einen bewirkt die Erkrankung eines anderen, sind möglich und bedürfen daher der Kontrolle. Dies bedeutet, daß man das relevante nähere soziale Umfeld eines Menschen erfassen und überlegen muß, wie man die interpsychische Symptomverschiebung kontrollieren kann.
Anmerkungen: Ehrlicherweise müssen wir an dieser Stelle bekennen, daß uns zur interpsychischen Symptomverschiebung keine Forschungsarbeiten bekannt sind. Wir kennen das Phänomen aus eigener und kollegialer Erfahrung und hier bevorzugt aus der familien- und partnertherapeutischen Arbeit. Wir sind auch durch globale psychopathologische und soziologische Überlegungen auf dieses Phänomen gestoßen, insbesondere durch die Auseinandersetzung mit dem Psychopathen-Konzept der klassischen deutschen Psychiatrie. In der psychotherapeutischen Praxis findet sich meist "der Neurotiker" mit starkem Überich, mit skrupulösem Gewissen und relativ starken Anpassungsmotiven. Versteht man unter PsychopathInnen bevorzugt starke Persönlichkeiten mit schwachen Anpassungsmotiven, gering ausgeprägtem Gewissen oder Überich, so sind das unserer Erfahrung nach oft Menschen, die andere "krank machen". Diese Ideen lassen sich als Kontinuum ausgeweitet denken: Die soziale Durchsetzung des einen bedeutet zwangsweise eine soziale Anpassung oder Schwächung eines anderen. Diese Überlegung macht sofort klar, was wir damit meinen, daß die Genesung des einen die Erkrankung des anderen nach sich ziehen kann. Das ist sicher evaluierbar für alle Sozialbeziehungen mit Machtproblemen, wenn die Macht umkippt, wie so oft in (pathologischen) Partnerschaften. Unsicher sind wir, ob dieses Konzept verallgemeinert werden kann, darf oder soll. Sponsel (1984) hat schon in seiner Dissertation die Vermutung geäußert, daß, gesamtgesellschaftlich gesehen, die Rate an Kranken, Gesunden und gerade Wandernden relativ konstant sein könnte (1/3, 1/3, 1/3). Gerechtigkeit könnte, so gesehen, darin bestehen, daß die Menschen im Laufe ihres Lebens mal diesem, mal jenem Drittel angehören, also diffundieren.
A-XX Relativitätsprinzip der Symptombedeutung
(1)
Allgemein: Zwischen Symptomen und ihrer kausalen Störungsbedeutung
gibt es keine eindeutige und schon gar keine eineindeutige Beziehung, also
Verdauungsprobleme bedeuten nicht immer Ärger, Migräne heißt
nicht immer "verkopft, intellektuell und überbeherrscht" oder umgekehrt.
Auch hier postulieren wir ein strenges idiographisches Einzelfallprinzip.
(2)
Einzelfall: Nicht einmal bei ein und demselben Individuum muß es
eine Entsprechung (Äquivalenz) geben.
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
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