Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT
    (ISSN 1430-6972)
    DAS=24.08.2017 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 03.09.17
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel_ Stubenlohstr. 20 _D-91052 Erlangen
    Mail:_sekretariat@sgipt.org_ Zitierung  &  Copyright

    Anfang_Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs Teil 5_Überblick_Rel. Aktuelles _Rel. Beständiges_Titelblatt_Konzept_Archiv_ Region__ Service-iec-verlag_ _Wichtige Hinweise zu Links und Empfehlungen_

      Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Allgemeine Psychologie,
      Bereich Phantasie, und hier speziell zum Thema:

      Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs Teil 5:
      Differentialpsychologische Diskussion -
      Unterscheidungen und Überlegungen:

      Ein Ansatz und Entwurf zur Weiterentwicklung

      Originalarbeit (1. Version) von Rudolf Sponsel, Erlangen
      Um die aktuellste Version zu erhalten bitte F5 drücken



    Gesamt-Inhaltsverzeichnis Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs.
    Literaturbelege in Teil 8 Anhang: Literatur.



    5  Differentialpsychologische Diskussion - Unterscheidungen und Überlegungen:
    • Einführung und Grundlagen erlebenspsychologischer Unterscheidungen.
    • Was ist die Seele psychologisch betrachtet?
    • Kriterien für die Unterscheidung von Erlebenseinheiten.
      • Ein überzeugendes Kriterium von Kunz (1946).
        Vergleiche:
    • Allegorie und phantasieren.
    • Analogie und phantasieren.
    • Arbeiten und phantasieren.
    • Aufmerksamkeit und phantasieren.
    • Aussagen und phantasieren.
    • Bedeutung und phantasieren.
    • Begehren / bedürfen und phantasieren.
    • Begriff und phantasieren.
    • Bewegen und phantasieren.
    • Bewusstsein und phantasieren.
    • Denken und phantasieren.
      • Müller-Freienfels Denken und Phantasie (1925).
      • Kunz (1946), Das «phantasierende» und das «gerichtete» Denken.
      • Petrowski (1976)  Die Phantasie ist eng mit dem Denken verbunden.
    • Einfall und phantasieren.
    • Entscheiden und phantasieren.
    • Erinnern und phantasieren.
    • Erkennen und phantasieren.
    • Erzählen und phantasieren.
    • Erleben und phantasieren.
    • Fieber und phantasieren.
    • Gestalten und phantasieren.
    • Glauben und phantasieren.
    • Handeln und phantasieren.
    • Hypothese und Phantasie.
    • Idee und phantasieren.
    • Irren und Phantasieren.
    • Konzentrieren und phantasieren.
    • Kreativität und phantasieren.
    • Lernen und phantasieren.
    • Lügen und Phantasieren.
    • Meinen und phantasieren.
    • Metapher und phantasieren.
    • Planen und Phantasieren.
    • Problemlösen und phantasieren.
    • Schuld und Phantasie.
    • Sexualität und phantasieren.
    • Sinne und phantasieren:
      • phantasmatische Selbstaffektion.
        • Kants Hypothesen.
      • Sehen: visuelle Phantasien.
        • Der blinde Fleck und sein Ausgleich.
      • Hören: akustische Phantasien.
      • Riechen: olfaktorische Phantasien
      • Schmecken: gustatorische Phantasien
      • Tasten: haptische Phantasien.
    • Spielen und Phantasieren.
    • Symbol und phantasieren.
    • Tagträumen und phantasieren.
    • Theorie und Phantasieren.
    • Träumen und phantasieren.
    • Vermuten und phantasieren.
    • Vorstellen und phantasieren.
    • Wahrnehmen und phantasieren.
    • Werten und phantasieren.
    • Wissen und phantasieren.
    • Wünschen und phantasieren.
    • Wollen und phantasieren.
    • Ziele und phantasieren.
    • Zukunft und Phantasieren.


    5   Differentialpsychologische Unterscheidungen und Überlegungen
    Sofern Texte zitiert werden, werden für die Kriterien entsprechende Signaturen vorgenommen.

    Einführung und Grundlagen erlebenspsychologischer Unterscheidungen
    Der Bewusstseinsstrom ist ein Ganzes. Das ist so richtig wie trivial. Der Standardbeweis wird geführt durch Selbstbeoachtung des eigenen Erlebens mit dem Ziel unterschiedliche Bewusstseinsfiguren wie z.B. wünschen, bedürfen, wahrnehmen, vorstellen, denken, phantasieren, ... [mehr > Seele] ... zu identifizieren.
        Im Längsschnitt ist das Modell eine durchflutete Röhre, im Querschnitt eine Scheibe (Graphik unten). Unterscheidungen sind in gewisser Weise künstlich und ein Konstrukt. Das ist insofern aber kein Problem, wenn man es weiß und berücksichtigt, also konstruktiv prädiziert und definiert, wie im Teil 2 gezeigt. Ohne Zweifel ist es möglich, zu erkennen, ob im Bewusstsein ein Wunsch, ein Bedürfnis, eine Idee oder z.B. ein Problem auftaucht. Aber der wissenschaftliche Nachweis ist im einzelnen schwierig, weil die Psychologie bislang versäumt, ebenso exakte wie praktisch durchführbare terminologische Normierungen durchzuführen. Was alles von Bedeutung sein kann, ergibt die folgende Übersicht aus einer Psychotherapieinformation:

    Seele

      Quelle.


    Der Aufbau eines Unterscheidungssystems für Bewusstseinsinhalte wir hier durchgeführt, einen Graph über die Zusammenhänge der psychischen Funktionseinheiten finden Sie hier. Ausführlich ist das System der Funktionseinheiten beschrieben in Sponsel (1995), 178- 183 und 189-192. Es wurden auch Umfeldbegriffe wie z.B. Allegorie oder Analogie aufgenommen.

    Kriterien für die Unterscheidung von Erlebenseinheiten
     

      Ein überzeugendes Kriterium von Kunz (1946)
      Ein überzeugendes Kriterium für die Unterscheidung von Erlebenseinheiten im Bewusstseinsstrom liefert Kunz (1946), S. 71, fett-kursiv hervorgehoben von mir:
        "Wir fügen sogleich bei, daß wir uns zum Anschluß an die zuletzt genannte Anschauung gezwungen sehen, in den Grenzen, innerhalb derer es überhaupt einen Sinn haben kann, das seelische Kontinuum in scharf unterschiedene Faktoren zu zerlegen. Es bleibt schließlich stets weitgehend eine Angelegenheit der Konvention und daher des Beliebens, wo man Differenzen festlegen und wie man die unterschiedenen Einheiten terminologisch fixieren will. Wenn sich aber beispielsweise zwischen dem Erleben eines auf einen Gegenstand gerichteten Hingetrieben- und Gezogenwerdens und demjenigen des aktiven, entschiedenen Ergreifenwollens desselben erhebliche Merkmalsdifferenzen phänomenologisch aufweisen lassen, dann wird man sich zu einer • entsprechenden begrifflichen Unterscheidung verstehen müssen, auch wenn die beiden Erlebnisse durch eine Reihe von Übergängen gleitend miteinander verbunden sind. "




    Vergleiche

    Allegorie und phantasieren  {}

    Analogie und phantasieren  {}

    Arbeiten und phantasieren  {}
    "DIE Phantasie gehört, wie das Denken, zu den höheren Erkenntnisprozessen, die den menschlichen Charakter der Arbeit ganz offensichtlich machen. Der Mensch kann keine Arbeit beginnen, ohne in seiner Phantasie eine Vorstellung {K08m} von ihrem Ergebnis zu haben. Die Vorstellung des zu erwartenden Arbeitsergebnisses in der Phantasie unterscheidet die Tätigkeit des Menschen grundlegend von der instinktiven Tätigkeit des Tiers. Phantasie gehört zu jeder beliebigen Arbeit. Sie ist unerläßlich für die Tätigkeit des Künstlers, des Konstrukteurs, des Wissenschaftlers. Strenggenommen ist die Phantasie für das handwerkliche Anfertigen eines einfachen Tisches nicht minder notwendig als für das Komponieren einer Arie oder das Verfassen einer Novelle. Der Handwerker muß sich vorstellen {K08m} können, welche Form der Tisch haben wird, wie hoch,, wie lang, wie breit er sein muß, wie die Beine zu befestigen sind, ob er seiner Bestimmung als Eßtisch, als Experimentier- oder Schreibtisch gerecht werden wird; Kurzum, bereits vor Beginn der Arbeit muß er diesen Tisch vor Augen haben, als wäre er schon fertig. {K07m}" (Petrowski 1976, S. 345)

    Assoziation und phantasieren  {}
    Ganz allgemein bedeutet assoziieren verbinden. Gesellt sich zu einem Bewusstseinsinhalt A ein Bewusstseinsinhalt B, so kann man A und B als miteinander verbunden ansehen. Denke ich an A="Tasse" und fällt hierzu weiter B="Teller" ein, dann sind "Tasse" und "Teller" miteinander verbunden oder assoziiert. Solche Verbindungen können mehr oder minder fest oder konstant sein, sie können sich aber, z.B. bei geringem Gebrauch auch zurückbilden, schwächer werden.
    Der Assoziationsbegriff spielt eine grundlegende und wichtige Rolle auf vielen Gebieten der Psychologie, besonders auch beim Denken und Lernen. Assoziation ist auch der Namensgeber für die sog. Assoziationspsychologie.

    Aufmerksamkeit und phantasieren  {}
    Wir unterscheiden die frei schwebende, die gerichtete und die verdichtete Aufmerksamkeit. Der Zustand freischwebender Aufmerksamkeit ist für Phantasien günstig, weil hier Lenkung und Kontrolle der Bewusstseinsvorgänge gar nicht oder nur gering ausgeprägt sind.

    Aussagen und phantasieren (Teil 7) {}

    Bedeutung und phantasieren  {}
    Beziehung zwischen einem Sachverhalt und diesen repräsentierende Zeichen. Bedeutung ist ein grundlegender Begriff der Wissenschaftstheorie und Zeichenlehre, insbesondere der Semantik (Bedeutungslehre). Die Bedeutungen kann man dem Sprachgebrauch - und wie er in Wörterbüchern und Lexika dargelegt wird - entnehmen. Die Worte sind die "Kleider" der Begriffe, in denen meist vielfältige Bedeutungen stecken (> Homonyme). In die Bedeutungsdeutung kann viel Phantasie einfließen, woraus viele Missverständnisse und Kommunikationsprobleme resultieren können. Im psychischen Bereich sind genaue Bedeutungszuweisungen besonders schwierig (> Referenzproblem),

    Begehren/ bedürfen und phantasieren  {}
    Eine wahrscheinlich häufige und wichtige Quelle für die Erzeugung, Pflege, Ausgestaltung und Hingabe an Phantasien. Phantasien spielen eine besondere Rolle im Bereich der Erotik, Sexualität, Verliebtheit und Liebe.

    Begriff und phantasieren  {}
    Phantasieren kann auch mit Begriffen erfolgen. Einige Begriffe - besonders aus der Religion, Mythen-, Märchen- und Sagenwelt - repräsentieren auch direkt Phantasien, z.B.: Gott, Auserwähltidee, Fee, Hölle, Hexe, Pegasus, Chimäre.

    Bewusstsein und phantasieren  {}
    Phantasien gibt es in verschiedenen Bewusstseinszuständen: wach, Halbschlaf, Traum, Trance, Dämmerzuständen, ... Besonders günstig für Phantasien sind Zustände, in denen Lenkung und Kontrolle der Bewusstseinsströme herabgesetzt sind.

    Denken und Phantasieren  {}
    Denken und phantasieren sind schwierig auseinander zu halten. Jedes Phantasieren, wenn Begriffe oder Namen von Sachverhalten darin vorkommen, kann auch als Denken prädiziert werden - prädizieren heißt ein Merkmal oder Kriterium zu- oder absprechen -, aber nicht jedes Denken kann als Phantasie prädiziert werden. Wenn ich denke, das Fenster ist offen und es ist tatsächlich offen, dann handelt es sich um einen wahren Gedanken. Wenn ich denke, das Fenster ist offen, aber es ist tatsächlich zu, dann handelt es sich um einen Irrtum. Stelle ich mir aber anschaulich vor, dass das Fenster offen ist, dann ist das nach den Kriterien {K01h} eine Phantasie, unabhängig davon, ob es offen ist oder nicht. Schaue ich zum Fenster und nehme wahr, dass es offen ist, dann handelt es sich um eine zutreffende Wahrnehmung.
        Denken heißt geistige Modelle bilden oder zueinander in Beziehung setzen. Reicht diese Definition? Ist sie hinreichend klar, um andere Bewusstseinsprozesse davon abzugrenzen? Geistige Modelle können anschaulich vorgestellt oder abstrakt sein. So betrachtet erscheint es sinnvoll, denken in zwei Haupterscheinungsformen zu fassen: anschauliches denken, abstraktes denken. Ich möchte aber phantasieren nicht auf anschauliches Vergegenwärtigen beschränken.
        Zum logischen Verhältnis von denken und phantasieren: Jede Phantasie in der Namen von Begriffen oder Sachverhalten vorkommen, ist denken, aber nicht jedes Denken ist Phantasie. Es kann manchmal schwierig sein, denken von phantasieren zu unterscheiden (siehe bitte die Beispiele in  Denken unter 4.2.4 Feldexperiment).
        Einige Fachmeinungen zum Verhältnis Denken und Phantasie:

    Müller-Freienfels (1925), S. 285:

           "10. Die schöpferische Bewußtseinstätigkeit, die wir hier im Auge haben, pflegt man im Leben und auch in der Wissenschaft teils als „Denken", teils als „Phantasie" zu bezeichnen. Auch wir haben diese Begriffe sogar in den Titel unseres Buches aufgenommen, freilich nur, um damit den Umkreis unserer Untersuchungen allgemein verständlich zu bezeichnen, nicht aber, weil wir diese Begriffe für eine scharfe Unterscheidung zweier verschiedener seelischer Vorgänge hielten. Im Gegenteil, wir gedenken gerade zu zeigen, daß sich jene beiden Begriffe nicht scharf abgrenzen lassen, weder in Hinsicht der Art des seelischen Prozesses, noch in Hinsicht auf das verwendete Material, noch nach den Resultaten.
          Was zunächst den psychischen Prozeß anlangt, so haben wir bereits dargetan, daß es nicht angeht, etwa das Denken als zielstrebige Funktion von der Phantasie als einer ohne Ziel arbeitenden Geistestätigkeit zu unterscheiden. Das tut die Alltagssprache zwar insofern, als sie das Plänemachen und Projektieren als „Denken", das vage Träumen und Spintisieren vielfach als Phantasie bezeichnet; aber die Unschärfe dieser Sonderung geht uns alsbald auf, wenn wir uns klar sind, daß auch die großen Entdecker und Forscher „Phantasie" nötig haben (Wissenschaftstheoretiker wie E. MACH und W. OSTWALD haben das wiederholt betont), daß aber auch zur Schöpfung des „Faust" und des „Tristan" eine beträchtliche zielstrebige Gedankenarbeit vonnöten war. Wie sehr die Begriffe durcheinander gehen, beweist auch der Umstand, daß den meisten Zeitgenossen der Naturphilosophen SCHELLING-OKENscher Richtung deren Leistung als Denkarbeit erschien, während
      man heute vielfach geneigt ist, sie für bare Phantasie zu halten. In Wahrheit ist der Prozeß der geistigen Arbeit im Denken wie in der Phantasie der gleiche: auf einen zielstrebig gerichteten Denkantrieb  folgt eine versuchende und auswählende Bewußtseinsarbeit, die irgend wie in eine Lösung ausläuft. Das ist auch beim sogenannten Träumen und scheinbar spielerischen Phantasieren der Fall, nur daß hier der Denkantrieb unklar, ja oft ganz unbewußt ist, aber dennoch auswählend in bestimmter Richtung arbeitet. Dem Prozeß nach also gibt es keine Möglichkeit Denken und Phantasie scharf abzugrenzen."
          Müller-Freienfels versucht sich nicht an einer psychologischen Analyse, sondern geht überwiegend vom Sprachgebrauch aus, der aber selbst mehrdeutig und unklar ist. Müller-Freienfels, ein sehr belesener und gebildeter Kopf,  liest sich leicht und schön, aber mit wirklicher wissenschaftlicher Arbeit verwöhnt er uns nicht. Immerhin liefert er eine interessante Materialsammlung .
    Kunz (1946), S. 7f:
      "1. Das «phantasierende» und das «gerichtete» Denken.  {}
      Die traditionelle Aufteilung der seelischen Phänomene unter die psychologischen Grundbegriffe ordnet die Einbildungskraft, wir sagten es schon, dem Denken zu, sei es als ein konstitutiver Anteil oder als eine Abwandlung desselben. Wir wollen davon ausgehen und uns fragen, welchen Merkmalen der Sprachgebrauch folgt, wenn er trotzdem das Phantasieren, bzw. ein mehr «phantasierendes Denken» von einem «eigentlichen», «strengen», «geordneten», «folgerichtigen», «logischen» Denken unterscheidet [FN10]. Die Differenz scheint sich zunächst darin zu bekunden, daß bei jenem das Ich als denkendes Subjekt dem «in» ihm aufsteigenden und vor dem «inneren Auge» vorbeiziehenden [>8] «Bilderstrom» {K08m} hingibt, während bei diesem die Folge der «Bilder» und vor allem die «pensées sans image» (Binet [FN11]), die unanschaulichen «Gedanken» (Bühler [FN12]) oder «Bewußtheiten» (Ach [FN13]) mehr oder weniger dirigiert und auf ein Ziel hin geordnet werden. Dieses Ziel {K04h} besteht in der Lösung dessen, was sich das Subjekt als Aufgabe oder Thema des Nachdenkens gestellt oder ihm aufgedrängt hat; es wird vom Ich einerseits wenigstens in der Richtung und als vager, schematischer Lösungsentwurf antizipiert und wirkt andererseits zugleich rückläufig auf den Gang der Gedanken, wie es die Denkpsychologie detailliert herausgearbeitet hat. Das wesentliche Gewicht liegt dabei nicht auf den anschaulichen, bildhaften «Inhalten» als solchen, sondern auf den unanschaulichen Gedanken oder Bedeutungen und ihren Zusammenhängen; die Anschauungen fungieren als anschauliche «Bedeutungserfüllungen» (Husserl), die indessen sehr blaß oder vielleicht völlig fehlen können [FN14], ohne daß damit die Bedeutung selbst tangiert würde - ..."
          Fußnoten:
        FN10 Wie die «Vorstellung» hat auch die «Einbildungskraft» gelegentlich als sehr umfassender Begriff Verwendung gefunden, so bei Fichte, der darunter die Reproduktion, die Erinnerung, das freie Bilden, das Denken und das Urteilen verstand; vgl. J. G. Fichte:Sämmtliche Werke, hrsg. von I. H. Fichte, Band 9, S. 492 ff. Bonn 1834.
        FN11 A. Binet: La pensée sans image. Revue philos. 55 (1903), S. 138 ff.
        FN12 K. Bühler: Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge. Arch. f. d. ges. Psychol. 9 (1907), S. 316 ff., 324 ff.
        FN13 N. Ach: Über die Willenstätigkeit und das Denken, S. 210 ff. Göttingen 1905. Natürlich sind die mit den Ausdrücken «Gedanken», «Bewußtheiten», usw. gemeinten Sachverhalte nicht von der modernen Denkpsychologie entdeckt worden, obzwar deren Eigenart wohl erst von ihr genügend herausgearbeitet worden ist. In der älteren Literatur werden sie den «Vorstellungen» zugezählt. So hat etwa Malebranche drei Arten von «Vorstellungen» unterschieden, je nachdem die Seele mittels des reinen Verstandes (l'entendement pur), der Einbildungskraft oder "der Sinne die Dinge wahrnimmt. Die erste Art nennt er «pures intellections» oder «pures perceptions», und sie kommen den unanschaulichen Gedanken am nächsten; N. Malebranche: Erforschung der Wahrheit, hrsg. von A. Buchenau, Band 1, S. 50. München 1920. (Den Hinweis auf Malebranches Bedeutung für das Problem der Phantasie verdanke ich Herrn Dr. E. Heuß.)
        FN 14 Wir lassen die Frage, ob es tatsächlich völlig anschauungslose Begriffe oder Bedeutungseinheiten gibt, offen, möchten aber glauben, daß Herder recht gehabt hat, als er schrieb, dem Begriff könne «das Bildhafte nie ganz entnommen werden»; J. G. Herder: Sämmtliche Werke, hrsg. von B. Suphan, Band 21, S. 121. Berlin 1881. Vgl. auch die Formulierung Maiers: «Heute werden die Psychologen darüber einig sein, daß ein ,rein' begriffliches Denken ohne anschauliche Elemente psychologisch unmöglich ist»; H. Maier: Psychologie des emotionalen Denkens, S. 73. Tübingen 1907. Dessenungeachtet scheint es uns verfehlt zu sein, wenn Sartre behauptet: «En fait, il n'y a pas des concepts et des images. Mais il y a pour le concept [>9] deux facons d'apparaitre: comme pure pensée sur le terrain reflexif et sur le terrain irréflechi, comme image»; J.-P. Sartre: L'imaginaire, S. 148. Paris 1940. (Ich verdanke den Hinweis auf dieses Buch Herrn PD. Dr. Pierre Thévenaz.)
         Die Einordnung oder Beschränkung auf das Denken erscheint mir zu eng. Interessant ist, dass Kunz Binet folgend auch unanschauliche Gedanken in phantasieren einbezieht. Ungewöhnlich ist auch, dem Phantasieren ein Ziel, gestellt oder aufgedrängt, zuzuordnen, hier mit Wunschphantasie signiert.
    Petrowski (1976), S. 346  {}
           "Die Phantasie ist eng mit dem Denken verbunden. Ähnlich wie das Denken ermöglicht sie die Vorwegnahme {K07m}. Worin besteht das Gemeinsame von Denken und Phantasie? Was unterscheidet diese psychischen Prozesse?
          Wie das Denken tritt auch die Phantasie in einer Problemsituation in Erscheinung, also dann, wenn es notwendig wird, Entscheidungen zu treffen. Wie das Denken wird auch die Phantasie von den Bedürfnissen der Persönlichkeit motiviert. Der wirklichen Befriedigung der Bedürfnisse kann eine illusionäre Befriedigung der Bedürfnisse in der Phantasie {K04h} vorausgehen, das heißt, es entsteht eine lebendige, klare Vorstellung von einer Situation, in der diese Bedürfnisse befriedigt werden können. Die vorwegnehmende Widerspiegelung der Wirklichkeit im Prozeß der Phantasie verläuft in konkret-bildhafter Form{K08m}, in Form klarer Vorstellungen, während die vorwegnehmende Widerspiegelung im Denkprozeß mit Begriffen operiert, die es ermöglichen, die Welt verallgemeinert und vermittelt zu erkennen."


    Einfall und phantasieren  {}
    Ein grundlegender Begriff der Bewusstseins-, Denk- und  kreativen (Problemlösungs-) Psychologie. Einfälle kann man im Assoziationsmodell A o B (A verbunden mit B) als B betrachten, das in den Bewusstseinsstrom einfällt. Einfälle können als mehr oder minder passend oder nützlich bewertet werden. Es gibt aber auch eine Reihe von störenden und die Lebensqualität beeinträchtigenden Einfällen (Zwangsgedanken, Negatives).

    Entscheiden und phantasieren  {}
    "Wie das Denken tritt auch die Phantasie in einer Problemsituation in Erscheinung, also dann, wenn es notwendig wird, Entscheidungen zu treffen." (Petrowski 1976, S. 346) Das ist eine ziemlich apodiktisch-generalisierende Behauptung, für die keine Belege erbracht werden. Phantasien können insofern eine nützliche Rolle im Entscheidungsfindungsprozess spielen, als verschiedene Möglichkeiten durchgespielt {K07m, K08m} werden können, die eine Entscheidung für diese oder jene Möglichkeit erleichtern können.

    Erinnern und phantasieren {}
    Erinnern heißt die Re-Präsentation eines Erlebnis- oder früheren Bewusstseinsinhaltes aus dem Gedächtnis. Erinnerungen können mit Phantasien angereichert sein - auch ohne dass es bemerkt wird.

    Erkennen und phantasieren
    Vorüberlegungen. Erkennen ist zwar wie die meisten Worte ein vielfältiger Homonym. Aber die Formulierung etwas erkennen bereitet im Alltag keine Probleme. Fast jeder versteht, was damit gemeint ist. Und darauf kommt es an. Psychologisch stellen sich zwei interessante Fragen: ist jedes Erkennen wieder-erkennen? Und wenn das so wäre: wie stündet es dann um das erstmalige Erkennen? An dieser Stelle ist es vielleicht nützlich, sich klar zu machen, wie die Reihenfolge ist, z.b. beim visuellen Erkennen: sehen, wahrnehmen, erkennen. Vieles, was man sieht, nimmt man nicht wahr, weil die Aufmerksamkeit nicht darauf gerichtet wird. Und nicht alles, was man wahrnimmt, erkennt man auch, z.B. wenn Neues wahrzunehmen ist. Wie funktioniert nun das erste Erkennen? Mit dieser Frage gibt es eine formale Analogie zum Phantasiekriterium  K03h, die neue Verbindung von Bewusstseinselemente, z.B. "Elephantenbleistift". Man sieht einen ziemlich dicken (dicker als ein Zimmermannsbleistift) Bleistift, den man bislang noch nie gesehen hat und "tauft" ihn auf den Namen "Elephantenbleistift". Er enthält viel Minenstoff und hält entsprechend lang. Er könnte Kugelform haben und gar nicht aussehen wie ein Bleistift. Das Elephantöse bezöge sich dann nicht auf die übliche Bleistiftform, sondern auf die Menge des Minenstoffes in Kugelgestalt. Hier erhält  das unterscheidende Wahrnehmen einen Namen. Das Wesen des ersten Erkennens liegt in der Wahr-nehmung, also dem bewussten Sehen des Objektes. Ein Wiedererkennen wäre auch ohne Namen möglich, wenn die Objektgestalt gemerkt, im Gedächtnis abgespeichert, wird.
        Querverweise:

    • Erinnerungsbild und Wiedererkennen (Ziehen 1924).
    • Philosophischer Einstiegs-Exkurs zur Erkenntnistheorie.
    • Psychoanalyse als reines Phantasieprodukt.
    • Beweis und beweisen in den Grenzwissenschaften.
    • Wahnkandidaten in den Wissenschaften.


    In den Erkennensprozess können sich Phantasieelemente mischen. Welche Bedingungen solchen Beimischungen günstig sind, ist  hier  erörtert.

    Einige Meinungen aus der Literatur
    Szilasi (1969) hat einen Band mit dem Titel "Phantasie und Erkenntnis" veröffentlicht. Tatsächlich handelt es sich um eine Aufsatzsammlung ohnen einen Aufsatz mit diesem Titel, aber einen mit dem Titel "Über das Einbildungsvermögen", in dem das Wort Phantasie oft vorkommt. Er setzt sich zunächst mit Aristoteles, dann mit Kant und mit dem Literaturtheoretiker Friedrich (Struktur der modernen Dichtung) auseinander. Die Arbeit ist weder erkenntnistheoretisch noch psychologisch ergiebigl, teilweise durch den gestelzten Sprachstil  schwer verständlich (S. 59: "Im Hören bilden das Geräusch und die Hörung eine eine unzertrennliche Einheit). Die Arbeit besteht zu einem großen Teil selbst aus Phantasien, z.B. S. 72: "a) So etwas wie freie Phantasie gibt es nicht. Das Einbildungsvermögen ist eine streng geregelte Weise der Erkenntnis, des Wissens und des Denkens. Alle großen Leistungen unterliegen solchen Regeln."
    Ergiebiger ist Kunz (1946), S. 141f:

    "1. Die fremden Phantasien als Material des
    psychologischen Erkennens.

    Die Verhaltensweisen und Ausdrucksbewegungen der Mitmenschen verraten uns unmittelbar, ohne explizite Deutungen eine Fülle von Antrieben, Stimmungen, Affekten, Absichten usw., um die zu wissen für den alltäglichen Verkehr in der Regel ausreicht. Eine ähnliche Direktheit hinsichtlich der sich entäußernden seelischen Regungen eignet manchen Phantasie- und Vorstellungsinhalten, denen die in ihnen «illustrierten« Strebungen, Pläne und Befürchtungen ohne dazwischen geschaltete Schlüsse zu entnehmen sind. Wir fänden es nicht erstaunlich, sondern im Gegenteil selbstverständlich, wenn sich solcherart auch primäre Triebimpulse manifestieren würden; denn wie die gegenstandsbezogenen Erlebnisse überhaupt stellen sich deren Objekte in den phantasierten und gedachten Inhalten dar. Daher scheint es grundsätzlich zulässig zu. sein, in allen anschaulichen Produktionen — Vorstellungen, Wahrnehmungen, Schlaf- und Wachträumen, Sinnentrugerlebnissen, Deutungen sinnvoller und sinnloser Figuren, Gestaltungen usw. —nach ihren triebhaften Quellen zu suchen, wie es die Psychoanalyse konsequent getan hat. ..."

    Und S. 149f

    "2. Die eigene Phantasie des Psychologen
    als Erkenntnismittel.

    Die Phantasie dient der psychologischen Erkenntnis noch in einem andern als dem bisher erörterten Sinne, insofern sie nämlich nicht nur Material der Fremderfahrung liefert, sondern im Psychologen selbst in der Weise des konstruierenden Entwerfens von möglichen Erlebnissen und Erlebniszusammenhängen wirkt. [>150] Es ist ja so, daß man auch solche Handlungen zu «verstehen», d. h. als aus ihren Bedingungen, Antrieben und Motiven entspringend zu komponieren vermag, die im eigenen Leben zu realisieren uns aus unterschiedlichen Gründen versagt bleibt.  ... das Ausmaß und die Grenzen des psychologischen Verstehens hängen gewiß auch entscheidend von der Fähigkeit des Einzelnen ab, in sich phantasierend Erlebnis- und Verhaltensmöglichkeiten zu entwerfen. Dabei scheint zwischen der Fremderfahrung und dem produktiven Entwerfen solcher Möglichkeiten menschlichen Existierens das Verhältnis der wechselseitigen Bedingung und Grenzerweiterung zu bestehen. Die Schranken meines verstehenden Erkennens sind keineswegs durch die Weite der Selbstbesinnung und des Selbstverstehens endgültig fixiert; sie vermögen vielmehr von Begegnungen mir zunächst unverständlicher fremder Lebensgestalten durchbrochen zu werden, so daß das erweiterte Selbstverständnis seinerseits die Erhellung bislang dunkler Relationen im Erleben und Verhalten der Andern erlaubt. Die große Gefahr, die das konstruktiv-phantasierende Entwerfen birgt, liegt nun offenbar in der Neigung, diese nur möglichen Zusammenhänge «einfühlend» und sich an wenige Anknüpfungspunkte haltend in das zu erkennende Objekt zu projizieren und sie für tatsächliche zu erklären. So wird die Phantasie als Mittel des psychologischen Erkenntniswillens ebenso oft — wenn nicht häufiger — zur Täuschungsquelle im Hinblick auf die Realität des einzelnen Falles. Sicher finden sich in der psychoanalyti-[>151]schen Literatur manche Fälle von behaupteten seelischen Zusammenhängen, die faktisch allein von der Phantasie des Analytikers gestiftet und zu Unrecht in den Analysanden verlegt worden sind; bezüglich ihrer trifft der Vorwurf der «Phantastik» zu. Und das mag auch mit ein Grund gewesen sein, warum innerhalb der Psychoanalyse die Rolle der Phantasie des Analytikers als eines legitimen Instrumentes des Vermutens, Erratens, Konstruierens, Deutens und Erkennens psychischer Beziehungen nirgends klar herausgearbeitet worden ist, von beiläufigen unzureichenden Hinweisen abgesehen. Denn der Phantasie eignet grundsätzlich eine solche legitime Funktion, was die Kritik — von den konkreten Fehlanwendungen gebannt — verkannte. Mit Recht hat Schu'ltz-Hencke betont, daß die Unfähigkeit zum nachprüfenden Bestätigen der «tiefenpsychologischen» Zusammenhänge «weitgehend an einer Ungeübtheit oder auch einem Unvermögen psychologischen Denkens und Phantasierens» liege FN21. Indessen gehört auch die Umgrenzung der rechtmäßigen Rolle der Einbildungskraft im psychologischen Wissensprozeß in die Theorie des Erkennens und kann daher hier nicht genauer durchgeführt werden."
     

    Erleben und phantasieren  {}
    Erleben, das nicht unbedingt bewusst zu sein braucht, heißt die Grundfunktion der Bewusstseinsvorgänge in den verschiedenen Bewusstseinszuständen: mitbekommen, was in mir vorgeht. Jedes Phantasieren ist ein Erleben, aber nicht jedes Erleben ist ein Phantasieren.

    Erzählen und phantasieren  {}
    Erzählen hat zwei Hauptbedeutungen: alltägliches Erzählena, was man z.B. so gemacht hat und literarisches Erzählenlit z.B. in Romanen. Literarische Erzählungen sind von Haus aus Phantasien. In viele alltägliche Erzählungen mischen sich Phantasien.

    Fieber und Phantasie  {} > Erlkönig, .

    Gestalten und phantasieren  {}
    In viele Gestaltungen fließen Phantasien ein > Bildende Kunst und Phantasie.

    Handeln und phantasieren  {}
    Handlungsphantasien finden sich im freien Kinderspiel, in Theater- und Filmaufführungen, in Kunst und Literatur.
     

      Kunz (1946), schließt sein Werk mit dem Abschnitt 274: "2. Das imaginative Element im Handeln." und führt S. 275 aus: "Da die praktische Phantasie, schreibt Ribot, «das ganze Leben bis in seine geringsten Einzelheiten durchdringt, so laufen wir Gefahr, uns in der Mannigfaltigkeit ihrer oft nebensächlichen Äußerungen zu verlieren. Man vergegenwärtige sich nur irgend einen als nüchtern bekannten Menschen; abgesehen von den Momenten, in denen Wahrnehmungen, Erinnerungen, Gefühle, logische Gedanken und Handlungen sein Bewußtsein in Anspruch nehmen, ist sein ganzes geistiges Leben der Phantasie gewidmet. Doch selbst in dieser Beschränkung ist sie nicht zu unterschätzen: sie enthält alle Zukunftspläne und -träume, wie sie jeder hegt, ja die Zukunft selbst. Daran mußte ich erinnern, gerade weil es so banal ist, denn man vergißt das Walten der schöpferischen Phantasie hier leicht und beschränkt infolgedessen ihr Gebiet, indem man in ihrer Tätigkeit nur Ausnahmefälle sieht, in ganz unberechtigter Weise» [FN11]. Die antizipatorische Vergegenwärtigung der situativen Möglichkeiten, in die der Handelnde geraten kann und zu denen er Stellung nehmen muß, ist wesentlich eine Leistung der Imagination, geleitet zwar von der verständigen Besinnung. Die durch jene bedingten Ablaufstörungen gehen wahrscheinlich immer auf — zumeist unbewußte —  Motivationen oder imaginative Zielfixationen zurück, die das motorische Entgleisen rückläufig bewirken. Und schließlich dokumentieren auch die mannigfachen mnemischen Determinationen der Handlungen, auf die vor allem Bergson eindringlich hingewiesen hat [FN12], das eminente Gewicht der Einbildungskraft innerhalb der motorischen Vollzüge."
      Fußnoten:
      FN11 A. a. O. , S. 177.
      FN12 Materie und Gedächtnis, S. 18f., 55, 95, 127, 145.


    Hypothese und Phantasie
    Eine Hypothese mag oft u.a. mit Hilfe von Phantasien gefunden worden sein, aber wenn sie denn einmal wohlformuliert vorliegt, dann ist die Frage, wie bewährt sie sich, lässt sie sich aufrecht erhalten, kann sie so beibehalten oder muss sie verändert oder womöglich gar verworfen werden.

    Idee und phantasieren  {}
    Eine Idee haben wird Denken, den Problemlösungsprozessen und Kreativmethoden zugerechnet:

    • Einführung in die Denkpsychologie.
    • Kreativitäts- und Problemlösungs-Theorie.  * Brainstorming.
    • Problemlösungen 2. Ordnung.


    Irren und phantasieren  {}
    Irren und phantasieren haben gemeinsam, dass sie keine reale Wirklichkeit repräsentieren, also falsch sind. Beide Vorgänge können bewusst oder nicht bewusst sein. Der Phantasierende muss nicht wissen, dass er phantasiert, wie der Irrende, wie wir zu unserem Leidwesen alle wissen, seinen Irrtum nicht erkennen muss. Beim Irren geht es dem Anspruch nach meist um die reale Wirklichkeit, bei der Phantasie nicht. Wer phantasiert wünscht sich vielleicht, dass seine Phantasien Wirklichkeit mögen werden, aber er weiß in der Regel, dass sein Bewusstseinsstrom eine Phantasie ist.

    Konzentrieren und phantasieren  {}
    Konzentrieren heißt seine Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand richten und verdichten. Je  mehr die Konzentration gelingt, desto schwieriger könnte es sein, dass - zumindest unpassende - Phantasieelemente in den verdichtet vergegenwärtigten Bewusstseinsstrom eindringen können.

    Kreativität und phantasieren  {}
    Kreativ sein heißt Phantasien anwenden: > Idee und phantasieren.

    Lernen und phantasieren  {}
    Werden Lernprozesse von Phantasien begleitet? Können Phantasien das Lernen erleichtern? Oder erschweren sie es. Lernt man durch phantasieren? Kann man phantasieren lernen?

    Lügen und phantasieren {}
    Lüge und Irrtum haben gemein, dass sie falsch sind. Aber der Lügende weiß um die Unwahrheit: er bekundet sie mit Wissen und Absicht, das ist der Wesenskern der Lüge, während der Irrende üblicherweise nicht die Absicht hat, zu irren, also falsch zu liegen. Von Phantasien kann man nicht zwingend sagen, dass sie falsch sind, es sind eben Phantasien. Aber Lügen und Phantasien haben gemein, dass sie nicht der realen Wirklichkeit entsprechen.

    Meinen und phantasieren {}
    Meinen ist wie so viele Worte ein vielfältiges  Homonym  und man kann den Meinungsbegriff so oder so einführen. In meinem Verständnis kommt das Meinen dem Glauben - im Sinne von für wahr halten - sehr nahe, auch das Vermuten geht in diese Richtung.
        Anmerkung: In forensisch-psychiatrischen Gutachten spielt das Meinen eine untragbar schreckliche Rolle.

    Methapher und phantasieren  {}
    Bildliche Metaphern können sehr dicht und klar, einen Sachverhalt beschreiben, z.B.: "Trump dreht alle Uhren zurück, die Obama gestellt hat." 'Hafen' statt 'Zuflucht', 'kalt' für 'gefühllos'. Soweit Metaphern im Sprachgebrauch "eingebürgert" sind, sehe ich sie nicht als Phantasien an.

    Planen und phantasieren {}
    Planen betrifft gewöhnlich die Zukunft und damit etwas, was noch nicht wirklich eingetreten ist. So gesehen könnte man alle Planungen formal auch als Phantasien ansehen, aber nicht umgekehrt. Dagegen spüre ich aber ein starkes Unbehagen, das wahrscheinlich daher rührt, dass es vollkommen rationale und banale Planungen gibt, z.B. ich gehe heute in die Mensa zum Mittagessen, wo ich keinerlei Phantasie erkennen kann. Anders ist es, wenn sich die Planung um die Frage dreht, wie kann ich das machen, wie löse ich das Problem, wie kann ich das Ziel Z erreichen. Im Beispiel Ausflug ins  Naturgartenbad  meinte ich, dass es Planungen gibt, die auch als Phantasien anzusehen sind und dass es Phantasien gibt, die auch Planungen ausdrücken. Planung und Phantasie können also zusammenfallen, müssen aber nicht.

    Problemlösen und phantasieren  {}
    Ein Problem liegt vor, wenn nicht klar ist, wie ein Ziel erreicht werden kann. Sobald Weg oder Methode klar sind, handelt es sich nicht mehr um ein Problem, sondern um eine Aufgabe, die aber natürlich auch noch gemacht werden muss. Hier täuschen sich nicht wenige Menschen auch in der Psychotherapie, wenn sie meinen, wenn erst klar ist, wie es geht, dann ist das Problem gelöst. Nein, es ist dann nur klar, wie es gelöst werden kann. Phantasie braucht man in aller Regel, wenn es um Problemlösungen sog. 2. Ordnung geht.

    Sexualität und phantasieren  {}
    Phantasieren spielt in der Sexualität eine sehr große Rolle. Darüber gibt es viele Veröffentlichungen, teils um die Erregung anzureizen mit und ohne PartnerIn.

    • Von Nancy Friday gibt es einige Veröffentlichungen ("Die sexuellen Phantasien der Frauen". "Verbotene Früchte. Die geheimen Phantasien der Frauen")
    • "Studie zu Erotikfantasien Der Sex im Kopf Ein Techtelmechtel mit zwei Partnern gleichzeitig oder Sex mit Prostituierten - kanadische Forscher haben untersucht, wie verbreitet Sexfantasien sind. Demnach gibt es fast nichts mehr, was nicht normal ist. ..." [SPON 31.10.2014]
    • "Die Top 10 der häufigsten Sex-Fantasien von Männern ... (1) Sie verführt ihn - in der Öffentlichkeit ...;  (2) Ein Dreier mit zwei Frauen ...; (3) Ein ganz spontaner Blowjob ... ; (4) Analsex; (5) Sex in der Öffentlichkeit ...; (6) Der unerfüllte Traum ...; (7) Viele mögen's hart ...; (8) Durchs Schlüsselloch spannen ...; (9) Swingen ...; (10) One-Night-Stand ..." [miss.at 2017]
    • "Männer fantasieren anders als Frauen ... Männer fantasieren anders als Frauen. Sie reagieren viel stärker auf optische Schlüsselreize. Frauen finden es erotischer, Geschichten zu hören. Männer reagieren auf das, was sie sehen. ..." [ZEIT MAGAZIN 13.05.2015]




    Schuld und Phantasie
    Schuld und Schuldgefühle sind eine psychologisch komplexe und schwierige Angelegenheit. Als erstes muss man verstehen, ob Schuldgefühle relativ zu Normen, Recht, Moral, Ethik und Gewissen in einer spezifischen Situation subjektiv nachvollziehbar angemessen sind oder nicht. Denn dadurch wird z.B. der therapeutische Ansatz und Zugang maßgeblich bestimmt (>Schuldgefühle).
        In depressiven Zuständen können selbstquälende Schuldphantasien eine bedeutsame Rolle spielen. Sie können wahnhaften Charakter annehmen.
        Bei StraftäterInnen können - sofern vorhanden - Schuldgefühle zum Geständniszwang führen (Raskolnikow in Dostojewskis Schuld und Sühne bzw. in neuer Übersetzung Verbrechen und Strafe).
        Im Strafrecht gilt Schuldfähigkeit als Voraussetzung für Strafe.
        Der Situationsrahmen ist wichtig, denn im Krieg z.B. wird erfolgreiches Morden mit Orden belohnt. Werden Straftaten auf Geheiß von Autoritäten begangen, können Schuldgefühle neutralisiert werden (> Folter, Milgram-Experiment).
        Kann man sich Schuld einbilden? Natürlich, dann ist es sozusagen eine subjektiv wirksame Phantasie.



    Sinne und phantasieren
    • phantasmatische Selbstaffektion.
      • Kants Hypothesen.
    • Sehen: visuelle Phantasien.
    • Hören: akustische Phantasien. (Stimmen, Klänge, Lieder, Melodien,...)
    • Riechen: olfaktorische Phantasien (z.B. Geruch; Parfüm und Phantasie; Trauma-Trigger)
    • Schmecken: gustatorische Phantasien (z.B. Essenskreationen)
    • Tasten: haptische Phantasien.(z.B. Berührungsphantasien)
      phantasmatische Selbstaffektion (Lohmar 2008), S. 1 (Einleitung):
      "Die These dieses Buches lautet, dass die phantasmatische Selbstaffektion eine der grundlegenden Bedingungen der Möglichkeit für menschliches Wahrnehmen, Denken und Erkennen ist. Selbstaffektion bezeichnet die Fähigkeit des menschlichen Geistes, in allen Sinnesfeldern (Gesicht, Getast, Geruch, Geschmack, Gehör, Gefühl, Lust-Unlust-Empfindung, Bewegtheits-, Bewegungs- und Lage-Empfindungen, Kinästhesen etc.) zeitweise so etwas wie Empfindungen einzuzeichnen. Diese selbsterzeugten Empfindungen, Husserl nennt sie Phantasmata, erscheinen uns aber dennoch fast so, als ob sie aus unseren Sinnen stammen würden. Die phantasmatischen Einzeichnungen, auf die ich mich im Folgenden beschränken werde, sind zudem relativ schwach, weitgehend unwillkürlich und flüchtig. Es wird sich herausstellen, dass diese schwachen Formen der Phantasie sich zwar bemerken lassen, aber normalerweise beim Auftreten einer konkurrierenden sinnlichen Empfindung von dieser verdrängt werden. Dies verhält sich bei den stärkeren Formen der Phantasie anders: Erinnerungsbilder, Tagträume und willentliche Imagination können in der Konkurrenz mit wacher Sinnlichkeit bestehen.
          In ihrer konkretesten und lebendigsten Fassung ist Selbstaffektion etwas, was wir alle kennen, aber zugleich etwas, das uns sehr subjektiv und psychologisch erscheint. Selbstaffektdon kann man zum Beispiel den merkwürdigen Effekt nennen, der eintritt, wenn wir sehen, dass jemand anderes in eine Zitrone beißt. Es stellt sich bei uns so etwas wie ein saurer Geschmack ein und eine Reaktion darauf, und zwar fast genau so, als ob wir selbst in die Zitrone gebissen hätten.
          Man kann fragen, was dies mit Philosophie und Erkenntnisklärung zu tun hat. Es scheint doch nur ein unbedeutender psychologischer Nebeneffekt im Erkennen zu sein. Auf diese Bedenken möchte ich in zweifacher Weise antworten: Kant selbst stellt die Selbstaffektion als Phänomen in einigen vorkritischen Schriften dar und verwendet sie auch in seiner Kritik der reinen Vernunft an zentraler Stelle. Man könnte sagen, dass sich Kants Grundmodell der Konstitution als einer Synthesis, die, geregelt durch einen Begriff, aus einem ungeordneten, sinnlich-anschaulichen Material durch Zusammensetzung und Zusammenordnung die Darstellung eines Gegenstandes herstellt, an den Einsichten orientiert, die er in der Analyse der Selbstaffektion (unter dem Titel der dichterischen Einbildungskraft) gewonnen hat. Außerdem — und hierin besteht das Hauptziel der vorliegenden Darstellung — lässt sich die Selbstaffektion aus Sicht der genetischen Phänomenologie Husserls als eine transzendentale Bedingung von Wahrnehmung (Gegenstandshabe) und Erkenntnis herausarbeiten. Dieser Nachweis wird insgesamt in sieben Hinsichten geführt werden können. FN1"
      Kants Hypothesen S.36:
      "Diese empfindungsschöpferische Tätigkeit der Einbildungskraft ist für Kant kein Anzeichen von Verrücktheit oder Wahnsinn. Es geht ihm auch keineswegs nur um Erscheinungen in Fieberträumen. Die schöpferische Dichtungsfähigkeit gibt es stets auch im gesunden Menschen: FN21
        „Die Seele eines jeden Menschen ist selbst in dem gesundesten Zustande geschäftig, allerlei Bilder von Dingen, die nicht gegenwärtig sind, zu malen oder auch an der Vorstellung gegenwärtiger Dinge einige unvollkommene Ähnlichkeit zu vollenden durch [den] einen oder anderen chimärischen Zug, den die schöpferische Dichtungsfähigkeit mit in die Empfindung einzeichnet." (AA 2, 264).
      Kant unterscheidet hier offenbar zwei Fälle: 1. Gegenstände, die nicht gegenwärtig sind, können in die Empfindung eingezeichnet werden (Einzeichnen). 2. Es kann eine nur unvollkommene Ähnlichkeit durch die Hinzufügung eines „chimärischen Zuges" vollendet werden (Auszeichnen). Diese zweite Art des Eingreifens kommt vor allem bei Gegenständen vor, die nur schwach präsent sind, von denen nur Teile anschaulich präsent sind oder die in einzelnen Sinnesfeldern nicht präsent sind. FN22"


    Spielen und phantasieren  {}
     William Stern (1935), S. 482: "In den ersten Lebensjahren, etwa bis zum Eintritt in die Schule, ist das Spiel geradezu zentral für das kindliche Verhalten (man nennt diese Zeit deshalb auch das „Spielalter"). Hier fehlt auch noch die scharfe Sonderung von Spielwelt und Ernstwelt; alle Gegenstände der Umgebung und alle Handlungen des Kindes, auch die „ernsthaften", wie Essen, Sich-Anziehen u.s.w., werden ins Spiel einbezogen, mit Spiel durchsetzt; auch im Grade des „Ernstnehmens" besteht keine scharfe Grenze zwischen den beiden Lebensbereichen des Scheins und des Seins. Ob das Kind der Mutter beim Ankleiden des Babys durch Zureichen der Kleidungsstücke hilft, oder ob es seine Puppe ankleidet, macht erlebnismäßig kaum einen Unterschied. — Das Schulalter schafft grundlegende Änderungen, indem das Kind die beiden, nun deutlich getrennten, Sphären der Arbeit und des Spiels neben einander durchlebt und erlebt ; von da an beginnt eine immer stärkere Entwicklung der Ernsttätigkeit und eine Zurückdrängung des Spielverhaltens, nach Zeitdauer und nach Lebensbedeutung. — Im Jugendalter treten dann Zwischenformen und Mischformen auf : Zwischenformen sind die Betätigungen des Sports, der durch sein Prinzip ständiger Leistungssteigerung nicht mehr rein in der Gegenwart sich befriedigt wie das Spiel, sondern Zukunftsziele des Fortschritts und des Rekords setzt; ferner das Sammeln, das Basteln und andere, schon auf Erzeugung dauernder Objekte gerichtete „Beschäftigungen". Eine Mischform ist das „Ernstspie1", d.h. ein Verhalten, welches bei subjektivem Ernstnehmen doch objektiv noch die Freiheit und Konsequenzlosigkeit des Spiels hat [FN2]."

    Symbol und phantasieren  {}
    Symbole sind Schöpfungen der Phantasie unter Einbeziehung von Analogien.

    Tagträumen und phantasieren  {}
    Tagträumen ist phantasieren, der Prototyp der Alltags- und Jedermanns-Phantasie.

    Wach- oder Tagträumen mit geschlossenen Augen

      Hierzu Kunz (1946) zu den phantastischen Gesichtserscheinungen von Johannes Müller (1826 > PDF im Netz), S.50f: "Johannes Müller hat diesen Typus in seiner klassischen Darstellung der «phantastischen Gesichtserscheinungen» geschildert. «Ich kann es«, schreibt er 113, «auf das Bestimmteste unterscheiden, in welchem Moment das Phantasma leuchtend» — damit meint er wohl: wirklich sichtbar — «wird. Ich sitze lange da mit geschlossenen Augen; Alles, was ich mir einbilden will, ist bloße Vorstellung, vorgestellte Begrenzung im dunkeln Sehfeld, es leuchtet nicht, es bewegt sich nicht organisch im Sehfelde, auf einmal tritt der Moment der Sympathie zwischen dem Phantastischen und dem Lichtnerven FN114 ein, urplötzlich stehen Gestalten leuchtend da, ohne alle Anregung durch die Vorstellung. Die Erscheinung ist urplötzlich, sie ist nie zuerst eingebildet, vorgestellt und dann leuchtend. Ich sehe nicht, was ich sehen möchte; ich kann mir nur gefallen lassen, was ich ohne alle Anregung leuchtend sehen muß. Der kurzsichtige Einwurf, daß diese Erscheinungen wie im Traume nur leuchtend vorgestellt oder, wie man sagt, eingebildet werden, fällt hier natürlich von selbst weg. Ich kann stundenlang mir einbilden und vorstellen, wenn die Disposition zur leuchtenden Erscheinung nicht da ist, nie wird dieses zuerst Vorgestellte den Schein der Lebendigkeit erhalten. Und urplötzlich erscheint ein Lichtes, nicht zuerst Vorgestelltes gegen meinen Willen, ohne alle erkennbare Association». Auf die im dunkeln Sehfeld auftretenden Lichtflecken, Nebel, wechselnden Farben folgen dann vor dem Einschlafen die anfangs matten, später deutlicher werdenden, manchmal farbigen begrenzten Bilder von mannigfachen Gegenständen. «Sie bewegen sich, verwandeln sich, entstehen manchmal ganz zu den Seiten des Sehfeldes mit einer Lebendigkeit und Deutlichkeit des Bildes, wie wir sonst nie so deutlich etwas zur Seite des Sehfeldes sehen. Mit der leisesten Bewegung der Augen sind sie gewöhnlich verschwunden, auch die Reflexion verscheucht sie auf der Stelle. Es sind selten bekannte Gestalten, gewöhnlich sonderbare Figuren, Menschen, Thiere, die ich nie gesehen, erleuchtete Räume, in denen ich noch nicht [>51] gewesen. ..."


    Theorie und Phantasieren  {}
    Der Theoriebegriff ist auch ein vielfältiges Homonym mit mannigfachen Bedeutungen. Im wissenschaftlichen Sinne gestattet eine Theorie Erklärung und Voraussage (Prognose). Und eine wissenschaftliche Theorie sollte prüfbar sein. Sofern die Bedingungen unter denen eine Theorie gelten soll, nicht ausdrücklich und klar ausgewiesen sind, enthält die Theorie entsprechend Bereiche, die gute Kandidaten für Phantasien sind. Es dürfte kaum einen Zweifel geben, dass man auf dem Weg zu Theorien neben Fachwissen, Erfahrung und produktiver Intelligenz mehr oder minder viel Phantasie braucht. Wenn eine Theorie erst einmal vorliegt, dann wird Phantasie gebraucht, um sie auf Herz und Nieren zu prüfen, zu verbessern oder neue und mehr Anwendungen zu finden.

    Träumen und phantasieren  {}
    Nicht jeder Trauminhalt muss eine Phantasie sein, wenn es auch im Regelfall fast immer so sein dürfte. Aber wenn z.B. ein  luzider  Träumer träumt, dass er träumt, oder die Kirchenglocke im Traum läuten hört, wenn sie denn läutet, so wäre das ja richtig und keine Phantasie. Nicht jede Phantasie ist ein Traum, aber die allermeisten Träume sind Phantasien, schon deshalb, weil das Geschehen im Traum sich nicht in der realen Wirklichkeit abspielt. Der Traum gilt PsychoanalytikerInnen als Königsweg zum Unbewussten, wobei die psychoanalytische Traumtheorie  selbst ein ziemliches Phantasiegebilde ist.
     

      William Stern (1935), S. 469:
      "I. DAS TRÄUMEN
         Im Traum ist jeder Mensch ein Phantast; er erlebt in sich Bilder, deren Inhalte und Abläufe alles real Erfahrene überschreiten, so sehr auch ihr Rohmaterial in Erfahrungen bestehen mag; er erlebt sie mit vollem naiven Realitätsbewusstsein, da ja Kritik, Kontrolle und Widerlegung durch praktische Konsequenzen fehlen; und er hat, beim Erwachen, in aller Stärke das Zweiweltengefühl, nämlich das Gefühl des Nichtzueinandergehörens der Scheinwelt, aus der er kommt, und der Seinswelt, in die hinein er aufwacht. Auch das schnelle Entschwinden der Traumerinnerungen und das Bewusstsein, dass selbst die in der Erinnerung zurückbleibenden Traumfetzen nur ein ganz schwaches und noch dazu verschobenes Bild von dem geben, was im Traum tatsächlich erlebt worden war — trägt zu jenem Zweiweltengefühl bei."


    Vermuten und phantasieren  {}
    Vermutende wissen in der Regel, dass sie vermuten und nicht wissen. Das gilt auch für die meisten Phantasierenden. Beide haben also gemeinsam, dass nicht sicher ist, ob die Vermutung oder Phantasie wahr ist. Die Vermutung in der Wissenschaft entspricht einer Hypothese, während die Phantasie mit Hypothese nichts zu tun haben muss.

    Vorstellen und phantasieren  {}
    Unter vorstellen verstehen wir die sinnliche Repräsentation einer aus dem Gedächtnis aufgerufenen Wahrnehmung im Bewusstsein. Vorstellen heißt sozusagen "wahrnehmen" ohne äußere Wahrnehmungsquelle mit dem Wissen, dass man vorstellt - und nicht halluziniert oder pseudo-halluziniert. Dabei gibt es zu allen Sinneswahrnehmungsmöglichkeiten auch Vorstellungen. Die vertrauteste Vorstellung im Alltag ist die visuelle; vorstellen heißt hier praktisch: "sehen" mit geschlossenen Augen. Es können aber alle sinnlichen und wahrnehmbaren Funktionen vorgestellt werden: riechen, schmecken, hören, bewegen, Anspannung, Entspannung, Kälte, Wärme (Autogenes Training) ...
        Ob phantasieren immer mit vorstellen, also mit Anschauung einhergehen soll, wird in der Literatur unterschiedlich gesehen, allerdings so gut wie nie begründet. Lehnt man die Beschränkung des Phantasiebegriffs auf anschauliche Bewusstseinsinhalte ab, so gilt: Phantasien können, müssen aber nicht, anschauliche Vorstellungen sein und anschauliche Vorstellungen können, müssen aber nicht, Phantasien sein. Stelle ich mir visuell vor, die Haustür ist auf, so ist das eine Vorstellung und eine Phantasie. Bewusstseinsinhalte können demnach sowohl Vorstellungen als auch Phantasien sein.
        Eine umfangreiche Analyse findet man bei Husserl (1992) Logische Untersuchungen Zweiter Band 1. Teil, S. 520-528.

        Eine vergleichende Gegenüberstellung mit der Wahrnehmung gibt  Jaspers  (1948), S. 59:


        Lit > Segal (1916). > phantasmatische Selbstaffektion.

    Wahrnehmen und phantasieren  {}  > vergleichende Gegenüberstellung ...
    In Wahrnehmungen mischen sich nicht selten Phantasien, besonders unter mehr oder minder unstrukturierten Bedingungen, typisch etwa bei der Interpretation von Wolkenbildern oder projektivem Testmaterial (Rorschach)  {K05h}.
    > phantasmatische Selbstaffektion.

    Werten und phantasieren  {}
    Werten und phantasieren ist ein schwieriges Klassifikationsfeld, denn Werte sind Schöpfungen des menschlichen Geistes und so gesehen vielleicht sogar von Haus aus Phantasien. Stirner  hält Werte gar für Wahngebilde, was aber nur stimmen würde, wenn man Werten eine objektive und reale Existenz unabhängig vom menschlichen Leben und Erleben zusprechen würde. Im Allgemeinen werden Sachverhalte für Menschen zu Wertträgern, wenn sie mit positiven oder negativen Gefühlen  assoziiert  sind. Das lässt sich zweifellos empirisch belegen und so gesehen gibt es Werte auch objektiv (auch die subjektive Welt ist nicht weniger real als Sonne, Mond und Sterne), nämlich im Menschen und analogen Lebensformen. Alles, was fühlt und empfinden kann, sollte wertungsfähig sein.

    • "Es ist nicht gut allein zu sein." Das ist auf den ersten Blick zumindest ein allgemeines Werturteil. Könnte dieses Werturteil - und falls wie - auch zur Phantasie werden? Weltendiskussion: Im System der Welten gehört dieses Werturteil zur normativen Welt und vielleicht auch zur Wunschwelt. Es gibt aber auch eine empirische Interpretation, wenn zum Beispiel festgestellt werden kann, dass Menschen, die allein leben, nicht so zufrieden mit ihrem Leben sind, wie Menschen, die nicht allein leben. In diesem Falle wäre aber eine andere Formulierung besser, etwa: Menschen, die allein leben, sind nicht nicht so zufrieden, wie Menschen, die nicht allein leben.
    • Lebensmaximen und Ideale (>Paul Eluards allesbeherrschende Überwertigkeit der Liebe).
    • "Du sollst nicht töten" Diese Norm gehört natürlich unbestreitbar zur normativen Welt.


    Wissen und phantasieren
    Wissen als Realitätsurteil und phantasieren sollten sich ausschließen. Aber Wissensinhalte können Gegenstand von Phantasien sein, z.B. kann ich mir bildlich vorstellen, wie sich die Erde dreht. Wenn aber Drehrichtung und Achsenstellung unsicher, möglicherweise falsch sind, das gelangt in diese Vorstellung ein Phantasiemoment. Man könnte aber auch sagen: in meiner Phantasiewelt, kann ich die Erde drehen, fallen, steigen, gestellt sein lassen, wie ich will.

    Wünschen und phantasieren  {}
    Da es sogar ein eigenes Wort - Wunschphantasien - gibt, ergibt sich die große Bedeutung der Wünsche (Bedürfnisse, Ziele) für Phantasien. Wunschphantasien können auch als ein Ersatz für fehlende reale Befriedigung dienen.

    Wollen und phantasieren  {}
    Wollen ist ein jedem vertrautes Elementarerlebnis, wenn es auch oft nicht leicht ist, den Willen zu bestimmen und vom wünschen zu unterscheiden (>MAZOKA-Kriterium). Wollen wird gewöhnlich hinreichend klar oder konkret erlebt. Man muss oft nicht rätseln, ob man will oder nicht. Hierzu gehört auch der Ambivalenzkonflikt (Bleuler, Zwiespältigkeit).

    Ziele und phantasieren.
    Was will ich erreichen, wie kann ich dahin kommen? In der Beschäftigung mit diesen Fragen ist es sehr wahrscheinlich, dass Phantasien angeregt werden. Dass aber alle Phantasien zielgerichtet wie das Denken sein sollen, wie  Müller-Freienfels  meint, ist ziemlich sicher falsch. Weder ist Denken immer zielgerichtet noch Phantasieren.

    Zukunft und Phantasie   {}
    Die Zukunft existiert per definitionem nicht real und ist daher ein guter Kandidat für Phantasien. Hier gibt es schwierige Überschneidungen mit Planen, Denken und Prognosen.


    wird im Lauf der Zeit ergänzt

    Literaturbelege in Teil 8 Anhang: Literatur.
    Gesamt-Inhaltsverzeichnis Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs.

    Querverweise
    Standort: Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs Teil 5: Differentialpsychologische Diskussion - Unterscheidungen und Überlegungen
    *
      • Definieren und Definition. * ist * Nicht * Alle & Jeder * Paradoxien * Was ist Fragen * Welten*
      • Überblick Forensische Psychologie in der IP-GIPT  *  Aussagepsychologie.
      • Beweis und beweisen in Wissenschaft und Leben.
      • Definitionen, Nominal- und Realdefinitionen (Abschnitt aus der Testtheorie).
      • Definition aus Eisler Wörterbuch der philosophischen Begriffe (1927-1930).
      • Einführung in die Definitionsproblematik am Beispiel Trauma.
      • Zum Universalienstreit am Beispiel der Schneeflocke.
      • Gleichheit und gleichen im alltäglichen Leben und in der Wissenschaft. Näherungen, Ideen, Ansätze, Modelle und Hypothesen.
      • Aufbau einer Wissenschaftssprache in Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie.
      • Allgemeine Theorie und Praxis des Vergleichens und der Vergleichbarkeit. Grundlagen einer psychologischen Meßtheorie.
      • Überblick Wissenschaft in der GIPT.
    *
       
      Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site: www.sgipt.org
      z.B. Definition definieren site: www.sgipt.org.
    *
    Dienstleistungs-Info.
    *

    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs Teil 5: Differentialpsychologische Diskussion - Unterscheidungen und Überlegungen. Ein Ansatz und Entwurf zur Weiterentwicklung. Internet Publikation - General and Integrative Psychotherapy   IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/allpsy/phantas/APBFP5.htm
    Copyright & Nutzungsrechte
    Diese Seite darf von jeder/m in nicht-kommerziellen Verwertungen frei aber nur original bearbeitet und nicht  inhaltlich verändert und nur bei vollständiger Angabe der Zitierungs-Quelle benutzt werden. Das direkte, zugriffsaneignende Einbinden in fremde Seiten oder Rahmen ist nicht gestattet, Links und Zitate sind natürlich willkommen. Sofern die Rechte anderer berührt sind, wie bei einigen Zitaten, sind die Nutzungsrechte bei den Copyrightinhabern zu erkunden und die Erlaubnisse einzuholen. Sollten wir die Rechte anderer unberechtigt genutzt haben, bitten wir um Mitteilung. Soweit es um (längere) Zitate aus  ...  geht, sind die Rechte bei/m ... zu erkunden oder eine Erlaubnis einzuholen

      Ende  Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs Teil 5 _Überblick_ Rel. Aktuelles  _Rel. Beständiges  _ Titelblatt_ Konzept_ Archiv_ Region_Service_iec-verlag    Mail:  sekretariat@sgipt.org__Wichtiger Hinweis zu Links und zu Empfehlungen

    korrigiert: 26.08.2017 irs



    Änderungen Kleinere Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet und ergänzt.
    03.09.17    Hinweis auf Husserls umfangreiche Analyse zum Begriff der Vorstellung und Vorstellungshalt.
    31.08.17    Erkennen und phantasieren.
    27.08.17    Neu: Ein überzeugendes Kriterium von Kunz (1946); Wach- oder Tagträumen mit geschlossenen Augen; Eine vergleichende Gegenüberstellung mit der Wahrnehmung gibt Jaspers (1948); Schuld und Phantasie.
    26.08.17    IRS Korrektur
    24.08.17    1. Version ans Netz.
    23.08.17    rs Rechtschreibprüfung.
    07.08.17    Nach Vorarbeiten angelegt.



    Materialien