Ein Explorations-Projekt der Allgemeinen und Integrativen PsychotherapeutInnen
2. F01 Problemdarstellung einer erwachsenen LegasthenikerIn
1. Legasthenie
und die psychologische Grundfunktion
des yVorstellens1)
Mehr oder minder durch Zufall habe
ich bei dem Versuch, einer - auch legasthenischen - PatientIn, dasJ
mentale
Training1)beizubringen
(als kognitives Heilmittel
bei negativistisch
depressiven Bewußtseinsinhalten) mit der PatientIn zusammen entdeckt,
daß sie nicht über die psychologische Grundfunktion desy
Vorstellens1)verfügt.
Es ist an dieser Stelle natürlich sehr wichtig, den psychologischen
Fachbegriff y
vorstellenexakt
zu verwenden, deshalb wollen wir ihn hier zunächstdefinierenund
anschließend konstruktiv normieren:
|
Die einfachste konstruktive Normierung erfolgt visuell, z. B. über folgende Anleitung:
KN_Bildlich_Vorstellen_01. Schließen Sie nun bitte die Augen und versuchen Sie, sich vorzustellen, wie ich aussehe. Versuchen Sie also, mich mit geschlossenen Augen zu "sehen". Wenn Sie mich auch mit geschlossenen Augen "sehen" können, so sagen wir dazu, daß Sie sich mich bildlich vorstellen können. Haben Sie verstanden, was ich mit dem Wort vorstellen meine?
Kontrolle_KN_Bildlich_Vorstellen_01. Wenn ja, dann bitten Sie die ProbandIn um ein Rollenspiel. Sie spielen eine NachbarIn und ProbandIn soll dieser NachbarIn erklären, was eine bildliche Vorstellung ist.
Man kann nun einfache geometrische Figuren vorstellen lassen oder auch visuell bekannte Personen, Tiere oder Gegenstände aus dem Leben der ProbandIn.
Ebenso kann man Formen, Farben, Klarheit, Bewegung (Film) und Veränderung prüfen, um so das Vorstellungsvermögen auszutesten. Und man kann im Anschluß auch die anderen Vorstellungsvermögen prüfen, z. B.: Riechvorstellungen (Duft von frischem Kaffee, frisch gemähtes Gras usw.), Geschmacksvorstellungen (süß, sauer, salzig, bitter).
Es stellt sich in der diagnostischen und therapeutischen Situation manchmal die Frage, z. B. beim Erlernen des Mentalen Trainings, wie können wir denn sicher sein, daß die ProbandIn auch tatsächlich yvorstellt und nicht nur gedanklich yerinnert?Die differentialdiagnostische Evaluation dieser Frage erfordert eine Reihe von Prüfverfahren, von denen wir glauben, daß sie nicht so allgemein zugänglich veröffentlicht werden sollten.
Vorbemerkung R. Sponsel (1998): Der folgende Text ist eine Originalproduktion (1997) und wird mit Einverständnis der PatientIn bewußt mit allen enthaltenen Fehlern wiedergegeben, weil dieser Text ein wertvolles wissenschaftliches Dokument ist.
"Legasthenie
vom
tauben, blinden, lahmen
Es gibt Menschen deren Wahrnehmung
nicht ausreichend entwickelt ist und doch Leben sie offensichtlich nicht
behindert. Ihre Schwäche fallt nicht auf. Nur beim Schreiben wird
es offensichtlich und man reagiert mit großen Unverständnis.
Wir sagen Legasthenie und meinen ein Schreib und Leseschwäche. Aber
wir sollte einer der blind und taub ist, schreiben und lesen können?
Ein einfacher Test, sollte uns die Problematik deutlich machen.
Man legt einem Kind ein Blattpapier
auf den Tisch und ein Anzahl Buntstifte und sagt nur einen Satz: „male
ein Kreis“. Eine leichte Aufgabe und doch wird ein Legasthenieker
sie nicht lösen können. Er hat überhaupt nicht verstanden
was sie von ihm gefordert haben. Und daß ist wörtlich zunehmen,
obwohl, er sehr gut gehört hat, was sie gesagt haben. Das Unterschieden
von Lauten und Silben wird nicht erkannt. Er wird nun zu ergründen
versuchen was hier von ihm gefordert wird - handelt es sich um ein Kreis?
Mais? Greis? Weiß? - der Unterschied ist nicht zu hören. Die
Laute und Silben zu trennen ist nicht eine Frage der Akustik, sondern eine
Frage der geistigen Verarbeitung des Gehörten.
Sollte erkannt werden das hier
ein Kreis gefordert ist so beginnt die nächste Schwierigkeit. Wie
sieht ein Kreis aus? Normal ist das man das Bild eines Kreises vor seinen
geistigen Auge sieht. Aber dieses Bild ist nicht vorhanden. Es ist absolut
dunkel. Nun muß durch nachdenken die Form ergründet werden.
Sieht ein Kreis wie ein Ball aus oder war das ein Quadrat, wie ein Buch
oder ist das ein Rechteck. Viel später wenn man Geometrie in der Schule
hat und hier ein mathematische Beschreibung lernt mit deren Hilfe man ein
Kreis beschreiben kann, ist man in der Lage einen Kreis zu konstruieren.
Durch die Tatsache, daß man sich kein geistiges Bild von den Dingen
macht, ist man immer gezwungen das Bild über nachdenken und kombinieren
zu ertasten. Auch ein Bild von einem Buchstaben oder ein Wort ist nicht
vorhanden. Somit hat man auch keine Vorstellung davon wie das Wort aussehen
könnte das man schreiben will. Durch trainieren einer bestimmte Handbewegung
wird der Buchstaben geformt den man Schreiben will und setzt einfach Buchstabe
für Buchstabe aneinander. So ergeben sich dann die Worte. Ob das Wort
richtig geschrieben ist sieht man nicht, denn man hat ja keine Vorstellung
wie das Wort aussehen muß. Lesen geschieht auch nicht über das
Erkennen des Wortes, sondern man entziffert Buchstabe für Buchstabe
und versucht durch kombinieren die Bedeutung zu erraten. Sind Buchstaben
noch schwer zu unterscheiden z.B. d-b, D-B, d-g, n-m so bedarf es einer
besonderen Anstrengung, dann kommt bei der Wortbildung entweder ein unbekanntes
Wort heraus oder das Wort macht in dem Satz keinen Sinn. Dann beginnt das
Rätsel um welches Wort es sich hier handelt aufs neue.
Zu rück zu unserem Beispiel
mit dem Kreis. Ist das Rätsel gelöst das ein Kreis gefordert
ist und durch Vergleiche mit Kreisförmigen Gegenständen geklärt
wie das Ding ausschaut so muß es noch gemalt werden. Hier ist es
nicht möglich mental den Bewegungsvorgang zu trainieren da ja kein
Bild von ein Kreis vorhanden ist. Die Aufgabe wird also so gelöst
das mit eine krummen Strich auf dem Blatt angefangen wird und dann das
Ergebnis betrachtet wird ob die Forderung erfüllt ist das sich der
Strich um eine nicht vorhandenen Mittelpunkt bewegt. Auch hier wird sich
in langsam tastender Weise auf das Ergebnis zu bewegt. Es kommt ein mehr
oder weniger rundes Ei dabei heraus. Und das ist so Frustrierend das man
möglichst ein zweiten Versuch unterläßt um es besser zu
machen. Bewegung ist aber eine Sache von Übung und Training. Somit
erschlafft jegliche Feinmotorik und dies wirkt sich auf das Schreiben aus.
Einen Text der so ungelenk geschrieben ist das man ihn selber nicht mehr
lesen kann, ist nicht ein Ansporn zum Schreiben. Wer aber nicht schreibt
der erlahmt in dieser Fähigkeit.
Durch das einfache zeichnen eines
Kreises kann man Beweisen das Legasthenie nichts mit Sprache oder Rechtschreibregeln
zusammen hängt sondern mit geistigen Geschick und deren Ausbildung.
Es bleibt der Wissenschaft überlassen
Meßwerte dafür zu finden wie differenziert ein Mensch hören
muß damit er Worte und Buchstaben erkennen kann. Das absolute Gehör
eines Musikers ist sicher nicht erforderlich.
Wie viel bildliches Vorstellungsvermögen
braucht ein Mensch um Buchstaben und Worte sicher wieder zu erkennen. Ein
Maler oder Grafiker hat sicher ein höheres Niveau. Auch für das
Bewegungsgeschick sollte sich ein Maßstab finden lassen.
Wichtig sind diese Maßstäbe
weil man mit ihrer Hilfe die Maßnahmen beurteilen kann, die ergriffen
werden müssen um Lese- und Schreibschwächen zu heilen. Eine heute
übliche Methode durch ständiges Diktate schreiben die Schwächen
auszugleichen ist nur ein zweifelhafter Erfolg beschieden. Es wird im Grunde
nur trainiert, wie man einen Tauben beibringt, durch schauen auf den Mund,
Worte zu verstehen. Wie man einen Blinden durch tasten beibringt sich in
der Welt zurecht zu finden. Einen Lahmen heilt man auch nicht indem man
mit ihm zum Tanzen geht.
Bevor ich zu den möglichem
Heilmethoden komme noch ein paar Bemerkungen zu den Ursachen. Wenn ich
davon ausgehe, daß es sich um die geistigen Fähigkeiten handelt
die eine Menschen mehr oder wenige im laufe seines Lebens entwickelt, dann
ist zu fragen warum entwickeln sich diese Fähigkeiten bei einzelnen
Menschen nicht. Auch ist zu fragen was blockiert das Training dieser Fähigkeiten.
Eine medizinische Möglichkeit betrachte ich hier nicht. Schauenden
wir uns die früheste Jugend bis zur Schulzeit an. Wie bildet sich
ein differenziertes Hören aus. Nur der Zwang oder das Interesse etwas
genau zu hören wird auch dieses Geschick trainieren und fördern.
Wie, aber bei Kindern bei denn Hören auf niedrigen Niveau statt findet.
Eltern reden nur in drei Wort Sätzen. Kommunikation findet nur in
Frage-, Anweisungs-, und Befehlssätzen statt. Die umgebenden Geräusche
sind eher ein unangenehmer Krach als das sie einen Menschen zum hin hören
animieren. Es ist besser nicht hin zu hören, als sich unangenehm zu
Belasten. Das weg hören wird ständig praktiziert. Aussagen wie
„ Egal was man dem Kind auch sagt, es hört (macht) es nicht“ sind
hier für ein Zeugnis.
Mit dem Sehen verhält es sich
ähnlich. Welches sehen wird gefördert, das man genau hinschaut
und sich das gesehene genau einprägt, um es wieder zu erkennen. Das
Gegenteil wird ständig geübt. Rasch wechselnde Bilder und eindrücke
kommen auf einen zu (z.B. Fernsehen) die, bevor man sie richtig erfaßt
hat auch schon wieder verschwunden sind. Bilder die unangenehm sind, so
das man sie besser schnell wieder vergießt. Oder die Umgebung ist
so eintönig, langweilig und uninteressant das es sich nicht lohnt
hin zu schauen.
Die Feinmotorik kann man nur durch
üben erreichen. Was ist wenn hier keine Gelegenheit oder Übungsmaterialien
zur Verfügung stehen. Buntstifte und Papier nicht da sind. Oder das
Ergebnis der Übung als Schmiererei und Gekritzel nicht den hochgesteckten
Erwartungen entspricht. Dann ist es besser nicht zu üben als wenn
man den Unmut seiner Umgebung auf sich zieht. Auch wenn es immer wieder
von Eltern bestritten wird, richtiges hören, sehen und bewegen wird
nicht gefördert, ja manchmal sogar unterdrückt. Gefordert ist
ein leises, unaufmerksames und tatenloses Kind.
In der Schule treten die Defizite
früher oder später in Erscheinung. Aber nicht die Ursachen werden
bekämpft, sonder es wird mit viel Aufwand, trotz der fehlenden Fähigkeiten,
lesen und schreiben gelehrt. Dadurch aber werden die eigentlichen Mängel
nur noch weiter manifestiert. Demjenigen der nicht hören kann werden
Hilfen an die Hand gegeben in der Form das er dann besser hinschauen muß.
Dem Blinden versucht man durch hören ein richtiges Schreiben beizubringen.
Sehr schlimm treibt man es mit den Lahmen. Im wird immer wieder ein Bleistift
in die Hand gegeben und Schönschrift geübt. Lehrer werden nicht
müde auch die Rechtschreibregeln als Hilfe für die fehlenden
Fähigkeiten einzupauken. Als ob man durch pauken der Straßenverkehrsordnung
Autofahrern lernen kann. Was aber all diese Maßnahmen bewirken ist
das Gleiche wie wenn man einen Behinderten Hilfen an die Hand gibt damit
er sich selbst zurechtfindet und nicht den Anderen zur Last fällt.
Von Heilung kann nicht die Rede sein, wenn man einen Blinden einen Stock
in die Hand gibt damit er sich die Welt ertasten kann. Besser währe
es mit einer Brille die Sehkraft wieder herzustellen. Einen Lahmen nicht
in einen Rollstuhl zu setzen, sondern mit ihm Heilgymnastik zu machen.
Da her auch die Forderung, durch Test und Meßwerte den eigentlichen
Mangel auf den Grund zu gegen. Denn bei der Heilung tritt das Problem auf
das nicht gezielt geholfen wird sondern alternative Techniken trainiert
werden. Um diese Gefahr aus dem Weg zugehen, sollte ein Training möglichst
weit von lesen und schreiben entfernt angesiedelt werden. Hier bei bietet
sich die Therapie, wie sie für Schlaganfall- und Kommapatienten angewandt
wird, an. Auch die gezielte Leistungsfähigkeit der Gehirnleistung
zu fördern wie das beim Gehirnjogging der Fall ist, sollte in Betracht
gezogen werden. Es geht nicht darum etwas zu lehren sondern darum unterentwickelte
Fähigkeiten zu trainieren und eventuelle Blockaden die eine bestimmte
Denkweise entgegen stehen, abzubauen."
AutorIn: Eine Betroffene