Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=27.07.2001 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 27.01.20
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20   D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Heilmittel-Lehre & Heilmittel-Monographien, und hier speziell:

    J Schuldgefühle und schuldig fühlen - Nicht

    Übersicht Heilmittellehre und Heilmittel-Monographien    LiteraturhinweisSymbolik Heilmittelgraphik

    Zusammenfassung - Abstract - Summary
    Wir haben zwei große Klassen von Störungen in Bezug auf das Schuldgefühl: 1) Unangemessene Schuldgefühle werden über Gebühr, stärker und länger andauernder erlebt als bei sachkundiger Betrachtung  verständlich und nachvollziehbar ist (z. B. Übergewissenhafte, Depressive, Idealisten, Überbrave, abhängige Persönlichkeiten, Unsichere, Überangepaßte). 2) Angemessene Schuldgefühle werden nicht, nicht stark oder anhaltend genug erlebt, wo sie erlebt werden sollten, um zwischenmenschliche Beziehungen oder Ausgeglichenheit im Sozialsystem zu erhalten ("Egoisten", Gewissenlose, anders normativ Geprägte, Enthemmte).
        Angemessene Schuldgefühle sind gesamtgesellschaftlich nützlich, wertvoll und ökonomisch, sparen an Kosten für Polizei, Justiz, Justizvollzug, Gesetzen, Verordnungen, Sozialarbeit, Sozialtherapie und Forensik.

    Wie entstehen Schuldgefühle?

    Schuldgefühle stellen sich ein, wenn ich gegen meine Normen, Gebote oder Verbote verstoße.
    Verstoßen kann hier sein: wünschen, phantasieren, denken, wollen, meist bedeutet es aber handeln oder verhalten. Gebotenes sagt, was man tun soll. Verbotenes sagt, was man nicht tun darf und lassen soll.

    Woran erkennt, merkt und spürt man Schuldgefühle?

    Schuldgefühle erkennt man (nicht immer und zwingend, aber auch): am Gefühl: Gewissensbisse, Reuegefühle, Unbehagen, Angst und Sorge, Unruhe (getrieben sein), schlechtes Gewissen, schlechtes, bedrückendes Gefühl; am Zweifeln, an Selbstvorwürfen, am Grübeln, sich immer wieder damit beschäftigen, ob man gut und richtig gehandelt hat; in Frage stellen; Fragen: war es richtig, habe ich genügend gemacht? Muß, soll oder darf ich dieses oder jenes tun oder unterlas-sen? Am ungeschehen oder wiedergutmachen wollen, an Reue, Sühne- und Bußhandlungen manchmal auch symbolischer Art („Hände in Unschuld waschen“, Waschzwang), an Beicht-impulsen, Geständniswunsch, Entschuldigen, um Vergebung bitten. Manchmal zeigen sich auch (verdeckte) Schuldgefühle durch Wut und Aggression, manchmal sind sie von Angst überlagert oder sie finden in Ablenkmanövern und Überdeckungshandlungen Ausdruck.

    Es gibt zwei Hauptarten von Schuldgefühlen:
    Angemessene und Unangemessene.
     
    Angemessene Schuldgefühle: Sie entstehen durch Verstöße gegen die eigenen inneren Normen, Gebote und Verbote. Angemessene Schuldgefühle vermeidet man künftig, indem man sich an seine inneren Normen, Gebote und Verbote hält.
    Unangemessene Schuldgefühle: Sie entstehen meistens durch zwei Hauptfehler: 1) Beurteilungsfehler und 2) Normfehler. Unangemessene Schuldgefühle vermeidet man künftig, indem man seine Beurteilungs- oder Normfehler erkennt und ändert.

    Ein paar wichtige Hilfsbegriffe: Anlaß, Auslöser, Ursache / Grund, Bedingung, Verantwortung, Schuld, Teil, Ganzes, Unabsichtlich, Absicht (Querverweis)

    Hinführung, Beispiel-1: Ich mache einem Freund ein Geschenk. Anlaß ist sein Geburtstag. Auslöser ist, daß ich den Geburtstag im Kalender eingetragen sehe. Der Grund für mein Geschenk ist die freundschaftliche Verbundenheit, aufgrund der ich ihn durch meine Wertschätzung erfreuen möchte. Für die Auswahl des Geschenkes trage ich die Verantwortung. Für die Wirkung des Geschenkes, nehmen wir an, es ist eine Flasche Wein mit verdorbenen Inhalt, trage ich keine Verantwortung, weil ich dafür nichts kann und was ich natürlich auch nicht beabsichtigt habe, ja nach Brauch und Gewohnheit nicht einmal konnte. Beispiel-2: Ich öffne das Fenster, um frische Luft rein zu lassen. Beim Öffnen der Tür gibt es Durchzug und eine Vase fällt runter. Anlaß für die Lüftung ist das Gewahrwerden schlechter Luft. Auslöser ist der Einfall: Fenster öffnen. Der Grund für den Fall liegt im Wind und im Durchzug. Verantwortung trage ich durch das unbedachte gleichzeitige Öffnen der Tür. Bin ich schuld? Die Bewertung hängt wohl von Wert und Bedeutung der Vase ab. Anders verhält sich wohl in folgendem Beispiel: Ich besuche jemand auf der Intensivstation. Die Luft ist stickig, ich öffne ohne nachzudenken das Fenster. Ein Kranker bekommt dadurch eine komplizierende Lungenentzündung und stirbt fast. Hier habe ich zwar nicht absichtlich, aber sicher fahrlässig gehandelt: ich bin mitverantwortlich und schuldig geworden. Es ist sicher wünschenswert und angemessen, hierauf ein Schuldgefühl zu entwickeln. Beispiel-3: Es klingelt, ich gehe zur Tür, betätige den Einlasser und A. erscheint? Der Grund, weshalb A. eintreten kann, ist das Öffnen der Tür. Daß dieses passieren kann, erfordert als Bedingung eine funktionierende Technik. Auslöser des Öffnens ist das Hören der Klingel. Grund für das Öffnen ist die Verabredung mit A. Anlaß ist die Kenntnis, daß A. um diese Zeit einen Termin hat.

    Beurteilungs- und Normfehler: Erklärung und Beispiele

    Beurteilungsfehler entstehen, indem der eigene Anteil an der Wirkung nicht richtig eingeschätzt wird. Normfehler entstehen, wenn falsche oder überzogene Maßstäbe angelegt werden.

        Fragen: Schätze ich meine Verantwortung richtig ein? War ich nur der Anlaß (Sylvester), der Auslöser (Zünden des Knallers) oder die Ursache (chemische Zusammensetzung, physikalischer Zustand), der Grund (zur Feier Knaller zünden) für eine Wirkung (z. B. Schaden)? Ist das überhaupt eine Verletzung der Norm? War es Absicht? Habe ich unter Druck gehandelt? Habe ich nur einen Anteil oder bin ich für alles, das Ganze verantwortlich? Schuld heißt gewöhnlich praktisch, daß man vorwerfbar nach dem Recht, Sitte und Brauchtum einem anderen - manchmal auch sich selbst - Schaden zugefügt hat. Zunächst ein noch Beispiel:

        Eine FreundIn bittet mich spontan, sie am selben Abend in ein Konzert zu begleiten, ich habe keine Lust und lehne ab. Wir betrachten uns folgende vier Möglichkeiten: a) die FreundIn ist leicht enttäuscht; b) die FreundIn ist schwer enttäuscht; c) die FreundIn ist zutiefst gekränkt und beleidigt; d) die FreundIn stürzt sich in derselben Nacht noch vom Dach und wird schwer verletzt geborgen.
        Nun, schlage ich jemandem einen Wunsch ab, so ist es wohl ganz recht und billig, daß dieser Mensch darüber enttäuscht ist. Bin ich verantwortlich oder gar schuldig an dieser ganz normalen Enttäuschung? Natürlich nicht. Und erst recht nicht für die stärkeren Reaktionen. Ich bin zwar beteiligt, aber mit äußerst geringer Verantwortung. Ein Normfehler läge sicher vor, wenn ich von mir verlangte, ich muß, wenn es einer FreundIn gefällt, mit ihr in ein Konzert gehen. Und ein Beurteilungsfehler läge vor, wenn ich mich verantwortlich oder gar schuldig fühlte für die Reaktionen.
     
    Die häufigsten Beurteilungsfehler 
    Falsche Beurteilung eigener Anteile 
       Absichtlich / unabsichtlich? 
       Mit Wissen um die Folgen? 
       Unter Druck, in Not? 
       Wahl, andere Alternativen? 
       Anlaß, Auslöser oder Grund 
       Teilweise oder ganze Verantwortung 
    Falsche Beurteilung der Anteile anderer
    Falsche Beurteilung der Situation
    Falsche Beurteilung der Wirkungen
       Tatsächliche Folgen und Wirkungen
    Die häufigsten Norm-Fehler

    Falsche Normen, Gebote, Verbote 
       Übertriebene Normen, Gebote, Verbote 
       Überzogene, überhöhte Maßstäbe

    Undifferenzierter Geltungsbereich

    Unzulängliche Differenzierung 
       Hinsichtlich der Betroffenen
       Hinsichtlich der Situation
     



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Egoisten: Egoisten sind wir alle. Selbst die Katechismusbraven machen letztlich ein Geschäft: ein gottgefälliges Leben für ein Plätzchen im Paradies. Aber: es gibt kluge und dumme Egoisten. Kluge Egoisten sind sozial, nur dumme Egoisten kümmern sich vermeintlich nur um sich. Wer andere Menschen zu seiner Lebensqualität braucht, wird gut beraten sein, die Interessen der anderen zu berücksichtigen: warum sollten die sonst seine berücksichtigen? Das ist eine gute sozialpsychologische Begründung für moralisches Verhalten, das nichts anderes als kluges egoistisches Verhalten ist und sich auch den vielen Varianten der Goldenen Regel ("Was Du nichts willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu"; Kant'scher Imperativ) wiederfindet. 
    Literaturhinweis: In Sponsel, R. (1995) werden S. 193 - 200 die meisten potentiellen psychologischen Heilmittel (neudeutsch: Heilwirkfaktoren) gelistet und ca. 180 - das sind längst nicht alle - in der Literatur beschriebenen Heilmittel S. 387 - 404 dokumentiert.
    Terminologie. Mit dem griechischen Buchstaben Theta J  (nach Jerapeia (therapeia): Heilung) kennzeichnen wir Psychische Funktionen, wenn sie Heilmittel oder Heilwirkfaktoren Qualität (Funktion) annehmen,  z. B. J einsehen,  J zulassen unterdrückter Erinnerungen, J stellen (konfrontieren), J sich  überwinden und J mutig sein, J differenzieren, J entspannen, J lernen, J loslassen, J beherrschen ...
        Man vergegenwärtige sich auch, daß viele Sachverhalte eine Doppelfunktion haben können: Heilmittel und Störmittel ("Gift"). Möchte man von der Heilmittelfunktion absehen, kann man einfach die Vorsilbe "Heil" weglassen und spricht dann ganz allgemein nurmehr vom "Mittel" (zum Zweck). Ein Mittel zum Heilzweck wird sozusagen zum Heilmittel, wenn das Mittel zur Begleitung, Linderung, Besserung oder Heilung von Störungen mit Krankheitwert eingesetzt werden soll. Für Mittel zum Zweck fehlt ein eigentliches griechisches Wort, so daß sich Begriff und Wort des Werkzeuges organon (organon) anbietet mit dem Nachteil, daß sich o wenig vom lateinsichen o unterscheidet, so daß wir aus typologischen Gründen lieber in lautgestaltlicher Analogie den Buchstaben m (Mü) wählen. Die Kennzeichnung  m loben bedeutet also z.B., daß wir loben als Mittel kennzeichnen, um einen Zweck zu erreichen zur Abgrenzung von  loben als z.B. spontaner Ausdruck von (freudiger) Anerkennung.
        Und um deutlich zu machen, daß wir ein Wort nicht alltagssprachlich, sondern im Rahmen einer psychologisch-psychotherapeutischen Fachsprache verwenden, kennzeichnen wir das Wort mit dem griechischen Buchstaben y  (Psi, mit dem das griechische Wort für Seele =  yuch, sprich: psyche, beginnt). Störungs Funktor. Begriffe, die eine Störung repräsentieren sollen, kennzeichnen wir mit dem Anfangsbuchstaben Tau (t) des griechischen Wortes für Störung tarach (tarach). Viel Verwirrung gibt es in und um die Psychologie, weil viele ihrer Begriffe zugleich Begriffe des Alltags und anderer Wissenschaften und damit meist vielfache Homonyme sind. Um diese babylonische Sprachverwirrung, die unökonomisch, unkommunikativ und entwicklungsfeindlich ist, zu überwinden, ist u. a. das Programm der Erlanger Konstruktivistischen Philosophie und Wissenschaftstheorie entwickelt worden: Kamlah & Lorenzen (1967). Zu einigen psychologischen Grundfunktionen siehe bitte: vorstellen. Ausführlich zur Terminologie.
     
      Querverweise (Links)  zum Terminologie-Problem in der Psychologie, Psychopathologie, Psychodiagnostik und Psychotherapie:
      • Über den Aufbau einer präzisen Wissenschaftssprache in Psychologie, Psychopathologie, Psychodiagnostik und Psychotherapie aus Allgemeiner und Integrativer Sicht.
      • Grundzüge einer Idiographischen Wissenschaftstheorie.
      • Introspektion, Bewußtseins- und Bewußtheitsmodell in der Allgemeinen und Integrativen Psychotherapie.
      • Beispiel Nur_empfinden_fühlen_spüren.
      • Über den Aufbau einer präzisen Wissenschaftssprache in Psychologie, Psychopathologie, Psychodiagnostik und Psychotherapie.
      • Überblick der Signaturen: Dokumentations- und Evaluationssystem Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
      • Testtheorie der Allgemeinen und Integrativen Psychotherapie.
      • Probleme der Differentialdiagnose und Komorbidität aus Sicht der Allgemeinen und Integrativen Psychotherapie.




    Querverweise
    Standort: Heilmittelmonographie Vorlage.
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    Gewissenstypologie und Straftäterbehandlung. Sozial- und Psychotherapie von normativ Devianten oder / und "Kriminellen"
    Übersicht Heilmittellehre und Heilmittel-Monographien  * Literaturhinweis Symbolik Heilmittelgraphik
    Überblick Heilung, Heilmittel und Heilmittelmonographien.
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    Sponsel, Rudolf (DAS).  Schuldgefühle. Ein therapiedidaktisches Paper. Copyright 2001 R. Sponsel, Erlangen. Zur freien Verwendung unter der Angabe der Quelle erlaubt.  Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/hm/hm_schuld.htm
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