Definition
aus Eislers Wörterbuch der philosophischen Begriffe
(1927-1930)
Aus: Eisler, Rudolf
(1927-1930, 4.A.). Wörterbuch der philosophischen Begriffe. 3 Bde.
Berlin.
Mitgeteilt von Rudolf Sponsel, Erlangen
ohne die griechischen Zitate, aber
mit Quellen
Materialie
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Querverweise auf Seite
Definieren und Definition
"Definition: Begriffsbestimmung, Abgrenzung des Inhaltes eines Begriffes von dem anderer, Angabe der Merkmale, die den Inhalt eines Begriffes constituieren, Bewußtmachung des Begriffsinhalts in einem Urteil. Die Nominaldefinition besteht darin, daß die Bedeutung eines Wortes durch Zurückgehen auf ein allgemeineres oder bekannteres geklärt wird. Die Realdefinition (Sacherklärung) gibt durch Zergliederung des Begriffs zugleich das Wesen (s. d.), das Typische, Allgemeine, Gesetzmäßige einer Gruppe von Objecten (das »genus proximum«) und dazu die besonderen, unterscheidenden Merkmale der Art (die »differentiae specificae«) an. Reine Nominaldefinitionen sind nur Übersetzungen von Worten. Die analytische Definition zerlegt einen gegebenen Begriff in andere, die synthetische (genetische) Definition baut den Begriff aus seinen Teilinhalten auf. Regeln für die Definition: 1) Die Definition darf nicht zu weit, nicht zu eng sein, es darf weder zu wenig noch zu viel gesagt werden; sie muß adäquat sein. 2) Die Definition darf nicht zur Einteilung werden. 3) Sie darf nichts Überflüssiges enthalten. 4) Sie darf nicht bildlich, dunkel, zweideutig sein. 5) Sie darf keinen Zirkel (s. d.) beschreiben. 6) Sie soll nicht tautologisch (s. d.) sein. Elementarste Tatsachen können nicht eigentlich definiert, wohl aber »charakterisiert« werden.
Der erste, der auf das definitorische Verfahren Wert legt, ist SOKRATES. Er sucht stets zu bestimmen, was ein jedes Ding sei (ezêtei to ti estin, ARISTOTELES, Met. XIII 4, 1078 b 23; XENOPHON, Memor. IV, 6, 1; vgl. I, 1, 16 u. PLATO, Phaedr. 265). ANTISTHENES definiert die Definition (logos) als Bestimmung des Wesens (Diog. L. VI, 3). Das Einfache läßt sich nicht definieren (vgl. ARISTOTELES, Met. VIII 3, 1043 b 23; PLATO, Theaet. 201 E). PLATO sieht in der Definition die Bestimmung des Wesens von Dingen (Theaet. 200 E; Phaedr. 237 C; Meno 86 D). So auch ARISTOTELES: (Top. VII, 5), (Anal. post. II 3, 90 b 24). Die Definition besteht aus der Angabe der Gattung und der Artmerkmale (Top. I 8, 103 a 15); man darf aber nicht (Top. VI 5, 143 a 15: »definitio fiat per genus proximum et differentias sprcificas« der Schullogik). Es gibt Real- und Nominaldefinitionen (Anal. post. II, 7; l, Anal.post. II, 10). Die Peripatetiker unterscheiden (»definitio realis«) und (»definitio essentialis«). Nach den Stoikern ist die Definition (Diog. L. VII, 1, 60). CICERO erklärt: »Definitio est, quae rei alicuius proprias amplectitur potestates breviter et absolute« (Ad Herenn. IV, 25, 35; Top. 5, 26). Die Skeptiker halten Definitionen für unnütz (SEXTUS EMPIRICUS, Pyrrh. hyp. II, 205 ff.). Nach BOËTHIUS gibt die Definition an, was das Ding ist (»quid sit«, vgl. PRANTL, G. d. Log. I, 689). Er unterscheidet »definitio secundum substantiam« und »definitio secumdum accidens« (descriptio)(vgl. ÜBERWEG, Log.4, S. 141). MARCIANUS CAPELLA erklärt: »Definitio est, quum involuta uniuscuiusque rei notitia aperte ac breviter explicatur; in hac tria vitanda sunt, ne quid falsum, ne quid plus, ne quid minus significatur« (vgl. PRANTL, G. d. Log. I, 674).
Nach ALEXANDER VON HALES ist die definitio »actus animae concludens seu terminans rem intra fines essentiae suae« (bei GOCLEN, Lex. phil. p. 500). ABAELARD sagt: »nihil est definitum, nisi declaratum secundum significationem vocabalum.« (Dial. p. 496). ALBERTUS MAGNUS: »Definitio est enuntiativa naturae et esse rei« (Sum. th. I, 25, 1); »definitio indicat esse rei et essentiam« (l.c. II, 6, 1). THOMAS: »Definitio indicat rei quidditatem et essentiam« (Sum. th. II, II, 4, 1 c). »Definitio est ex genere et differentia« (l.c. I, 3, 5 c). »Definitio divisit definitum in singularia« (7 met. 9 a = ARISTOTELES, Phys. I 1, 184 b 11 squ.). WILHELM VON OCCAM unterscheidet Real- und Nominaldefinition (vgl. PRANTL, G. d. Log. III, 366 f.). GOCLEN versteht unter »definire« »naturam rei terminare et finire per essentialia eius« (Lex. phil. p. 500). MELANCHTHON: »Est... rei definitio oratio, quae rei partes aut causas aut accidentia exponit« (Dial.). SANCHEZ: »Mihi... omnis nominalis definitio est et fere omnis quaestio« (Quod nih. scit. p. 14).
SPINOZA meint, »veram uniuscuiusque rei definitionem nihil aliud quam rei definitae simplicem naturam includere« (Ep. 39, p. 602; Eth. I, prop. VIII). GEULINCX: »Definitionem evidentem voco illam scientiam, qua scimus optime et intuitive, ut loquuntur, quod rei sit« (Log. p. 434). Die Logik von PORTROYAL verlangt, daß jede Definition »universalis, propria, clara« sei (II, 12). HOBBES: »Definitio est propositio, cuius praedicatum est subiectum resolutivum, ubi fieri potest, ubi non potest, exemplicativum« (De corp. 6, 14). Die Definition stellt die Idee eines Dinges klar dar (l.c. 6, 15). Nach LOCKE legt sie den Sinn eines Wortes durch mehrere andere Ausdrücke dar (Ess. III, ch. 4, § 6). Der Satz vom »genus proximum« u.s.w. ist nur eine Bequemlichkeitsregel (l.c. ch. 3, § 10). REID: »A definition is nothing else but an explication of the meaning of a word« (Ess. on the Pow. I, p. 2). LEIBNIZ unterscheidet »definitiones nominales, quae notas tantum rei ab aliis discernendae continent, et reales, ex quibus constat rem esse possibilem« (Med. de cognit. Erdm. p. 80 b; vgl. p. 306 a). Nach CHR. WOLF ist die Definition eine »oratio, qua significatur notio completa atque determinata termino cuidam respondens« (Phil. rat. § 152). »Definitio, per quam patet rem definitam esse possibilem, realis vocatur« (l.c. § 191). »Es erklären... die Erklärungen entweder Wörter oder Sachen; daher sie in Wort- und Sach-Erklärungen gar füglich eingeteilet werden. Jene bestehen in einer Erzählung einiger Eigenschaften, dadurch eine Sache von allen anderen ihresgleichen unterschieden wird; diese zeigen die Art und Weise, wie etwas möglich sei« (Vern. Ged. von d. Kr. d. m. Verst.9, S. 48; Definitionsregeln: S. 48 ff.). BILFINGER: »Realem illam (definitionem) dicimus, quae ipsam rei genesin exprimit. Nominalem, quae characterem rei proprium et distinctivum, cuius ope agnosci et discerni potest ex omnibus aliis« (Diluc. § 140).
Nach KANT ist die Definition »ein zureichend deutlicher und abgemessener Begriff« oder ein »logisch vollkommener Begriff« (Log. § 99). Realdefinition ist diejenige, welche »nicht bloß einen Begriff, sondern zugleich die obiective Realität desselben deutlich macht« (Krit. d. r. Vern. S. 225, 508). Nach G. E. SCHUTZE ist die Definition die »Angabe der einem Begriff zukommenden Merkmale« (Gr. d. allg. Log.3, S. 224). FRIES versteht unter ihr »die systematisch geordnete deutliche Vorstellung eines Begriffes« (Syst. d. Log. S. 270). DESTUTT DE TRACY betont: »Il n'y a jamais que des définitions d'idées« (El. d'idéol. IV, 21). Die Regel vom »genus proximum« ist unnatürlich (l.c. p. 24). HERBART: »Die Stelle eines Begriffs unter den übrigen, sowohl durch Subordination als Coordination, angeben, heißt denselben bestimmen (definire)« (Hauptp. d. Met. S. 107). DROBISCH bestimmt die Definition als »das conjunctive Urteil, dessen Subject der zu verdeutlichende Begriff (das definiendum) und dessen Prädicat die durch den Artunterschied determinierte nächsthöhere Gattung ist« (N. Darst. d. Log. § 116). LOTZE versteht unter Definition »die Art der Construction, welche durch bloß logische Operationen einen Begriff aufzubauen sucht« (Gr. d. Log. S. 65). Nach ÜBERWEG ist die Definition »die vollständige und geordnete Angabe des Inhaltes eines Begriffes« (Log.4, § 60). Nach BERGMANN ist die Definition »ein identisches Urteil über den Begriff, der definiert wird« (Gr. d. Log.2, S. 208). Nach DÜHRING ist die Definition »eine systematische Zusammensetzung des Begriffs aus einfacheren Bestandteilen« oder die »Darstellung eines Begriffes mit Hülfe anderer Begriffe« (Log. S. 11).
Nach J. ST. MILL heißt ein Ding definieren, »aus dem Ganzen seiner Eigenschaften diejenigen wählen, welche durch dessen Namen bezeichnet und ausgesprochen werden sollen« (Log. S. 1). Jede Definition ist eine nominale, die aber zugleich von dem Gedanken begleitet ist, daß dem Worte ein Ding entspricht (l.c. S. 172). Nach HAGEMANN besteht die Definition, begriffliche Grenzbestimmung, in der Angabe des nächsten Gattungsbegriffes und des Artunterschiedes (Log. u. Noët. S. 79 ff.). Nach LIPPS ist die Definition eines Begriffs »die Bewußtwerdung seines Inhaltes, also der Vollzug des wechselseitigen... Urteils, in dessen potentiellem Dasein der Begriff besteht« (Gr. d. Log. S. 131). Alle Definitionen sind »Nominaldefinitionen« (l.c. S. 133). Nach SIGWART ist die Definition »ein Urteil, in welchem die Bedeutung eines einen Begriff bezeichnenden Wortes angegeben wird« (Log. I2, S. 370). Genetisch ist sie, wenn sie »die Vorstellung ihres Objects aus ihren Elementen entstehen lassen kann« (l.c. S. 375). Die »diagnostische« Definition besteht in der »Angabe der charakteristischen Eigenschaften eines Objects« (l.c. S. 379). SULLY erklärt die Definition als Darlegung des Inhalts eines Namens, als ein »Aufzählen der verschiedenen Merkmale oder Eigenschaften, welche seine eigentliche anerkannte Bedeutung ausmachen« (Handb. d. Psychol. S. 266 f.). Nach WUNDT sucht die Definition »einen gegebenen Begriff auf das schärfste von den verwandten Begriffen zu trennen« (Log. II, S. 34). Sie besteht darin, »daß ein Wort, dessen begrifflicher Sinn noch nicht festgestellt ist, durch Worte bestimmt wird, deren begriffliche Bedeutung als bekannt vorausgesetzt werden darf« (l.c. S. 35). Bei der Nominaldefinition sehen wir völlig ab von dem »wissenschaftlichen Zusammenhang, in [Eisler: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, S. 551 ff. Digitale Bibliothek Band 3: Geschichte der Philosophie, S. 12813 (vgl. Eisler-Begriffe Bd. 1, S. 197 ff.)] welchen der betreffende Begriff durch die Definition gebracht werden soll« (l.c. S. 36). Zu unterscheiden sind analytische und synthetische (bezw. genetische) Definition (l.c. S. 38 f.). MARTY erklärt: »Eine Definition im strengen Sinne gibt man, so oft man einen minder verständlichen Namen durch einen gleichbedeutenden verständlicheren erklärt. Sie ist in Wahrheit eine Namenerklärung, nichts mehr.« »In weniger strengem Sinne nennt man auch diejenigen Namenerklärungen Definitionen, welche einen Begriff verdeutlichen, indem sie nicht seinen eigenen Inhalt angeben, sondern den eines andern, der ein proprium des ersteren ist, oder dessen Gegenstand im Verhältnis der Ursache und Wirkung zum Gegenstand des ersteren steht u. dgl.« Das sind »umschreibende (circumscriptive) Definitionen.« »Die strenge Definition dagegen bezeichnet, nur mit andern verständlichen Worten, eben denselben Begriff wie der zu definierende Name und ist in diesem Sinne notwendig eine Tautologie« (Vierteljahrsschr. f. w. Phil. 19. Bd., S. 57). HÖFLER bezeichnet als Definition »die vollständige und geordnete Angabe des in seine Merkmale analysierten Inhaltes eines Begriffes« (Gr. d. Log.2, S. 47), »die Ersetzung eines Namens für einen bestimmten Begriff durch einen andern Namen, der gleichen Sinn mit jenem hat, aber verständlicher ist« (ib.). Von »deiktischer« (inhaltsaufzeigender) Definition spricht H. CORNELIUS (Allg. Psychol. S. 72). Nach E. MACH ist die Definition eines Begriffes »ein Impuls zu einer genau bestimmten, oft complicierten, prüfenden, vergleichenden Tätigkeit, deren meist sinnliches Ergebnis ein Glied des Begriffsumfangs ist« (Populärwiss. Vorles. S. 267). Nach SCHUPPE hat »die Angabe des eigentlichen genus proximum den Wert der Erkenntnis grundlegender Causalbeziehungen, daß das als generisch bezeichnete Moment die Bedingung der Denkbarkeit des Specifischen ist, nur diese und diese näheren Bestimmungen zuläßt und alle andern ausschließt« (Log. S. 152)."