Internet
Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
(ISSN 1430-6972)
IP-GIPT DAS=24.04.2013
Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 07.12.19
Impressum:
Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052
Erlangen
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Willkommen in unserer Internet-Publikation
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Forensische
Psychologie, Kriminologie, Recht und Strafe, Bereich forensische Gutachten,
und hier speziell zum Thema:
Katalog der potentiellen forensischen
Gutachtenfehler
Daten-Fehler (DatF)
Zu:
Potentielle Fehler in forensisch psychiatrischen
Gutachten, Beschlüssen und Urteilen der Maßregeljustiz
Eine methodenkritische Untersuchung illustriert
an einigen Fällen u. a. am Fall Gustl
F. Mollath
mit einem Katalog
der potentiellen forensischen Gutachtenfehler sowie einiger Richter-Fehler.
von Rudolf
Sponsel, Erlangen
_
Abstract
- Zusammenfassung - Summary
Objektive, zuverlässige und gültige Datenerhebung ist eine
hohe angewandt-wissenschaftliche Kunst.
Die Welt ist voller Daten. Was
ist nun ein "Datum", eine "Datenerhebung" (Beispiele)?
Für die Physik ist alles Messbare ein Datum. Für die Informatiker
eine Anordnung von 1en und 0en. Allgemein kann man sagen: Ein Datum ist
ein wohlunterscheidbarer Sachverhalt
(unterschiedlicher Quellen),
den man erfassen kann. Wahre Sachverhalte heißen gewöhnlich
Tatsachen. Sachverhalte, die wahr oder falsch sein können, kann man
potentielle Tatsachen (tatsachenfähige Sachverhalte) nennen,
wobei es manchmal notwendig sein kann, verschiedene Welten,
über oder in denen Aussagen erfolgen, zu unterscheiden (Pegasus heißt
ein Pferd mit Flügeln: wahr in der Welt der Mythologie und Sprache,
falsch in der Welt der Wirklichkeit). Wichtig ist ferner die Unterscheidung
zwischen subjektiven
(gruppensubjektiven) und objektiven (intersubjektiven) Tatsachen.
Daten repräsentieren Ereignisse (gestern
morgen kam ich nur schwer aus dem Bett), Zustände (letzte Woche
ging es mir gut) oder Geschehen (nachdem er mich beschimpfte, haute
ich ihm eine runter) aller Art in Form von Aufzeichnungen, Berichten,
Beobachtungen des Erlebenden selbst oder von anderen ("Zeugen").
Der schwerste fatale und nicht wieder gut zumachende
Daten-Fehler in einem forensischen Gutachten besteht darin, Symptome, Syndrome,
Befunde und Diagnose(n) oder damit zusammenhängende Sachverhalte nicht
mit genügend soliden empirischen Daten zu unterlegen,
so dass die LeserIn des Gutachtens gar nicht wissen kann, wie es zu den
Symptom-, Syndrom-, Befund-, Diagnosezuweisungen oder Beweisfragenantworten
kommt. Ein forensisches psychopathologisches Gutachten ohne Daten
ist völlig wertlos. Das ist kein Gutachten, sondern ein Meinungs-
oder Willkürachten ohne nachvollziehbare Basis - wovon es aber
nicht wenige zu geben scheint. Daten fehlen fast immer, wenn nicht oder
nicht ausreichend persönlich
untersucht oder
exploriert
wurde.
Bei jedem forensisch-psychopathologischen Gutachten
stellt sich bei der Planung der Untersuchung die
Frage, welche Daten für die Beantwortung der Beweisfragen benötigt
werden. Mit anderen Worten: Am Anfang steht die Auswahl,
die sich aber im Verlauf der Untersuchung noch verändern oder weiter
entwickeln kann (> Fuchs 1965).
Formal kann dies wie folgt geschrieben werden DA=
fA (D1, D2, D3, ..., Di,
... Dn), wobei fA die Auswahlfunktion symbolisiert.
Damit ist der erste Daten-Fehler der
Daten-Auswahl-Fehler,
d.h. dass eine für die Untersuchungssituation fehlerhafte Auswahl
der benötigten Daten getroffen wurde.
Ein zweiter Fehler kann darin bestehen, dass die
verschiedenen Quellen - die oft eine wichtige Rolle für die Beurteilung
und Bewertung der Datengüte spielen - zu den relevanten Daten nicht
ausdrücklich erwähnt oder dokumentiert werden: Daten-Quellen-Fehler.
Der dritte Daten-Fehler kann dann in der unzulänglichen
oder gar nicht möglichen Beschaffung liegen. Man weiß zwar,
welche Daten man für sein Gutachten braucht, aber man kann die Daten
aus diesem oder jenem Grunde nicht gewinnen. Das führt dann zum Daten-Mangel-Fehler.
D.h. es fehlt zur angemessenen Beantwortung der Beweisfragen die Datenbasis.
Die vierte Fehlergruppe betrifft forensische Daten-Verarbeitungs-Fehler.
Die Verarbeitung der Daten, z.B. die Zuordnung oder Einordnung (Klassifikation,
Subsumtion), bleibt unklar, zweifelhaft oder ist falsch.
Die fünfte Gruppe betrifft Daten-Gültigkeits-Fehler.
Ein
Test ist kein Test, heißt ein geflügeltes Wort in der Psychologie.
Für eine solide Aussage braucht man auch solide, stimmige, zuverlässige
Daten. Man denke nur an den berühmten
Rosenhanversuch,
[inzwischen Zweifel aufgetreten] wo nur eine einzige und einmalige Berichterstattung
zu einer in allen Fällen falschen Diagnose führte. Wichtige Fragen
sind hier: Wie sicher sind die zur Verfügung stehenden Daten? Sind
die Daten miteinander verträglich, bestätigen, stützen oder
widersprechen sie sich? In den meisten forensisch-psychiatrischen Gutachten
wie auch in vielen psychologisch-psychopathologischen Tests fehlen begründete
Angaben zur Gültigkeit der Daten. Es gibt dort kaum ein Problembewusstsein
zu den klassischen Datengütekriterien
Objektivität,
Reliabilität und Validität, wobei in forensischen Fragestellungen
speziell die zeitliche Gültigkeit eine ganz besondere
Rolle einnimmt: die Vergangenheit zu den Tatzeitpunkten bei
allen Schuldfähigkeitsfragen, die Gegenwart
bei Fragen der Gefährlichkeit und Unterbringung und die Zukunft
bei Prognosefragen.
Überschneidungen
und Subsumtionsprobleme der Einordnung und Klassifikation von Daten-Fehlern
Zwischen den verschiedenen Fehlerarten gibt es Überschneidungen,
so dass es im Prinzip möglich ist, einen entsprechenden Fehler in
dieser oder jener Fehlergruppe unterzubringen. Das kann dann in der Praxis
je nach der speziellen Perspektive so oder so gemacht werden, wobei zu
beachten ist, dass ein und derselbe Fehler, der verschiedenen Gruppen zugeordnet
werden kann, nicht mehrfach gezählt werden darf, wenn die Anzahl der
Fehler für die Beurteilung eine Rolle spielt. So können z.B.
Daten nicht ordentlich erhoben (Untersuchungs- oder Explorations-Fehler),
dokumentiert (Dokumentations-Fehler), nicht angemessen mitgeteilt (Darstellungs-Fehler),
eingeordnet (Befund- oder Diagnose-Fehler), evaluiert (Evaluations-
oder Validitäts-Fehler) oder kontrolliert (Kontroll-Fehler) werden.
Ein häufiger Datenfehler ist z.B., wichtige
Daten, wo es auf den Wortlaut ankommt, nicht original mitzuteilen,
z.B. typischer Fehler von ErmittlungsrichterInnen, wenn Zeugenaussagen
nicht wörtlich protokolliert werden und man sich mit Zusammenfassungen
begnügt. Die meisten Vernehmungsfehler dürften hierdurch verloren
gehen. Und auch im psychopathologischen Bereich ist manchmal der Wortlaut
sehr wichtig, z.B. bei Angaben zum Stimmen hören. Diesen Fehler kann
man unter Daten-Verarbeitungs-, Dokumentations-Fehler (wenn der Wortlaut
nicht erfasst wurde) oder unter Darstellungs-Fehler (wenn der Wortlaut
zwar erfasst, aber nicht mitgeteilt wird) einordnen. Dahinter kann auch
eine bewusste Absicht stecken, sich nämlich nachvollziehbarer Kontrolle
zu entziehen.
Wenn für Befunde, Diagnosen oder Beweisfragenantworten
Daten fehlen, so sollte das unter DatF03 Daten-Mangel-Fehler erfasst und
gezählt werden. Bei den anderen Fehlergruppen Befund- oder Diagnosen-Fehler
können und sollten in der Regel wohl auch entsprechende Hinweise erfolgen.
Wenn die Arbeit "Potentielle
Fehler in forensisch-psychopathologischen Gutachten, Beschlüssen und
Urteilen der Maßregeljustiz" abgeschlossen ist, wird eine eigene
Seite zur Signierung der Fehler diese Problematik noch einmal aufgreifen
und ausführlich Handhabungsvorschläge mit Beispielen entwickeln
und vorlegen.
Datentypen
in der Psychologie und Psychopathologie
Die treffliche Kurzdefinition der Psychologie besagt: Psychologie ist
die Wissenschaft vom Erleben und Verhalten.
Die Psychopathologie kann entsprechend als die Wissenschaft vom gestörten
oder kranken Erleben und Verhalten definiert werden. Unterscheiden
wir Selbst- und Fremdauskünfte, so gibt es vier Datentypen (nicht
zu verwechseln mit den quantitativen Datenverarbeitungstypen
von Coombs et al.)
Datentypen |
Erleben (innere Wahrnehmung)
|
Verhalten (Tun und Lassen)
|
Selbstauskunft
|
Aussagen zur inneren Wahrnehmung: Selbstwahrnehmung, z.B. X fühlt
sich schlecht", X spürt Appetit, X hat Lust auf einen Spaziergang,
X empfindet Anspannung.
Tests, Fragebögen. Exploration (= Erkun- dungsgespräch),
Aufzeichnungen, Notizen, Tagebücher, Symptomlisten. |
Aussagen zum Tun und Lassen, Selbstbeobachtung des äußeren
Verhaltens.
X geht, steht, sagt ("mache mir gerade ein Brot"), tut es oder bemerkt
sein Tun. Ausdrucksverhalten (Mimik, Gestik, Haltung), Beschreibungen vom
Störungsverhalten. |
Fremdauskunft
|
Eindrücke Fremdwahrnehmung
Y hat den Eindruck, X geht es nicht gut
Y hat den Eindruck, X druckst herum. Beobachtungen hinsichtlich Erlebenszeichen,
Ausdrucksverhalten (Mimik, Gestik, Haltung), lachen, weinen, stöhnen,
Schmerzlaute, schimpfen, ... |
Beobachtung Y sagt, X habe sich geduckt, einen Stein aufgehoben und
gegen die Scheibe geworfen. Zeugenaussagen, Berichte, Erzählungen,
Fremdanamnese zu Störungs-Verhalten.
|
Die Tabelle erscheint unmittelbar verständlich: einmal sagt jemand
über sich selbst aus oder über jemand anderen. Und die Aussage
selbst kann das Erleben oder das Verhalten betreffen.
Psychopathologische Datensammlungen sind psychopathologische
Tests (z.B.
MMPI), psychodiagnostische Manuals oder
Explorationsleitfäden (SKID,
DIPS) Explorationen, Symptomlisten (z.B. AMDP,
PSE),
Anamnesen, Untersuchungsdokumentationen aus der Fachliteratur, Kasuistik
(Fallberichte).
Methoden der Datengewinnung
Die Methoden der Datengewinnung ergeben sich im Wesentlichen aus den
grundlegenden Datentypen (nicht zu verwechseln mit Coombs
quantitativer Datentheorie). Selbstauskünfte setzen eine funktionierende
innere
Wahrnehmung (nicht Selbstbeobachtung!) voraus. Die innere
Wahrnehmung ist das Fundament aller Psychologie, wie Wundt schon klar
und deutlich ausgeführt hat. Und die meisten Menschen können
im Grundsatz auch richtige Auskünfte über ihre Befindlichkeit,
wie es Ihnen ergeht oder ergangen ist, erteilen. Schwieriger gestaltet
sich das in der Regel bei psychisch Kranken oder Funktionsbeeinträchtigten.
Genau
betrachtet ist aber z.B. schon die einfache Frage "Wie
geht es Ihnen?" eine sehr komplexe Angelegenheit.
Psychopathologische Datensammlungen findet man in
psychopathologischen Tests (z.B. MMPI), psychodiagnostischen
Manuals oder Explorationsleitfäden (SKID,
DIPS) Explorationen, Symptom- und
Syndromlisten
(z.B. AMDP,
PSE),
Anamnesen, Untersuchungsdokumentationen aus der Fachliteratur, besonders
informativ ist auch die Kasuistik (Fallberichte, z.B. > Fallberichte
Wahn).
Voraussetzungen
der Gültigkeit (Validität) von Aussagen über die Selbstwahrnehmung
bei der Exploration
Ob man mündlich oder schriftlich exploriert, spielt hinsichtlich
der Voraussetzungen keine Rolle. Die direkte mündliche Exploration
hat aber den Vorteil, dass detailliert und sofort Verständnis- oder
Ausdrucksprobleme besprochen werden können. Bei genauer Betrachtung
müssen folgende Voraussetzung erfüllt sein:
-
dass die Befragten ihre innere Befindlichkeit wahrnehmen
(Siehe: "Wie geht es Ihnen?")
können
-
das die Befragten ihre inneren Wahrnehmungen angemessen beurteilen
und bewerten können
-
dass die Erfassung der inneren Befindlichkeit diese auch tatsächlich
repräsentiert
-
dass die Befragten den Sachverhalt einräumen können
-
das die Befragten den Sachverhalt einräumen wollen
-
dass die Befragten den Sachverhalt ihrer inneren Wahrnehmungen angemessen
ausdrücken (verbalisieren) können
-
dass die Untersucherin angemessen
exploriert
-
dass die Untersucherin die Äußerungen der Befragten so
wie gemeint versteht
-
dass die Untersucherin die Äußerungen der Befragten angemessen
beurteilt und bewertet
In den bisherigen - rein formalistisch orientierten - Testtheorien
werden 1) 2) 3) 4) 5) 6) unkritisch vorausgesetzt und gewöhnlich nicht
weiter thematisiert, was ich für einen schweren Fehler halte,
weil hier das Fundament, die Basis betroffen ist. Stimmt schon die Basis
nicht, ist der gesamte Überbau in Frage gestellt und sei er mathematisch
noch so eloquent ausgearbeitet. Bevor wir zum Quantitativen vorrücken
können, muss das Qualitative der Datenerfassung angemessen geregelt
und aufbereitet sein.
Beispiele für
psychopathologische Daten > Siehe bitte auch
einige Items (Fragen) aus dem MMPI.
01 Ich bin oft so müde, lustlos, kann mich kaum aufraffen.
[Gültigkeitsangabe]
02 In letzter Zeit ist mir öfter so seltsam, irgendwie
komisch. [Gültigkeitsangabe]
03 Ich schlafe länger als sonst, fühle mich danach
oft wie gerädert. [Gültigkeitsangabe]
04 Manchmal weiß ich gar nicht, ob ich wache oder
träume. [Gültigkeitsangabe]
05 Irgendwie bin ich mir manchmal so fremd. [Gültigkeitsangabe]
06 Kürzlich dachte ich erst, dass ich für große
Aufgaben berufen bin. [Gültigkeitsangabe]
07 Manchmal war mir, als spräche eine Stimme über
mich und mein Tun und Lassen. [Gültigkeitsangabe]
08 Ich träumte schon, dass ich ein Zeichen setzen
muss. [Gültigkeitsangabe]
09 Ich fühle mich voller Energie und Tatendrang. [Gültigkeitsangabe]
10 Manchmal komme ich mir vor wie ein Kühlschrank,
alles eingefroren, kalt und starr. [Gültigkeitsangabe]
11 Immer wieder befällt mich die Sorge, ich könnte
etwas vergessen haben. [Gültigkeitsangabe]
12 Ich bin sehr unsicher geworden und stelle mich oft in
Frage. [Gültigkeitsangabe]
13 Irgendwie bin ich nicht unterzukriegen. [Gültigkeitsangabe]
14 Nein, an dem Tag hatte ich keine besonderen Beeinträchtigungen.
Es ging mir nicht besonders gut, aber auch nicht schlecht. Ich hörte
keine Stimmen, ich war nicht niedergeschlagen. Es war, alles in allem,
ein ganz annehmbarer Tag. [Gültigkeitsangabe]
15 Wir hatten Streit und es kam sogar zu einem kleinen
Gerangel. Irgendwas, ich glaube, es war die Bluse, die riss sogar ein wenig
ein. Geschlagen habe ich sie nicht. Es war vor der Wohnzimmertür.
Sie wollte vorbei, ich wollte erst noch eine Antwort. Sie gab mir keine
und wollte an mir vorbei ... [Gültigkeitsangabe]
16 Es war ein Tag wie jeder andere. Nichts besonderes.
Auf einmal wurde mir schlecht und schwindlig. Ich fürchtete, das Bewusstsein
zu verlieren und setzte mich schnell hin, um nicht zu fallen. Das war jetzt
schon das dritte Mal. Aus heiterem Himmel, ohne jeden Anlass. Mein Herz
klopfte, mal schwitzte ich, mal fröstelte ich. Ein übler Zustand
kann ich nur sagen. [Gültigkeitsangabe]
17 Ich sah sie manchmal durchs Fenster, wie sie die Wand anzustarren
schien. Irgendwie abwesend, wie einen fernen Punkt fixierend, den es gar
nicht gab. [Gültigkeitsangabe]
18 Manchmal genügt eine Kleinigkeit und ich gerate in eine
solche Wut, dass ich Angst bekomme, mich zu vergessen. [Gültigkeitsangabe]
19 Am meisten fürchte ich das schwarze Loch, die dunkle,
lähmende Leere. Ich kann dann gar nichts machen, und ich komme mir
vor, wie ein Gefangener. Das kann Stunden gehen. [Gültigkeitsangabe]
20 In der letzten Zeit verliere ich immer wieder den Faden, stehe
dann da, frage mich, was ich wollte und weiß es nicht mehr.
[Gültigkeitsangabe]
Anmerkung Gültigkeitsangabe
Wie man sieht, haben die Beispiele keinen - genauen - Zeitbezug, wie z.B.
sehr oft bei psychopathologischen Tests oder Explorationsmanuals, der aber
sowohl für psychotherapeutische als auch für forensische Fragen
oft sehr wichtig ist.
Daten-Fehler
im Recht und in Kommentaren
In Recht, Rechtsprechung und Rechtswissenschaft habe ich keine ausdrückliche
Thematisierung zur Datentheorie, Datenauswahl, Datenerhebung und damit
auch keine Datenfehlerproblematik gefunden. Die VertreterInnen der verschiedenen
Rechtsfelder geben sich meist völlig naiv, was man u.a. an ihrer Art
z.T. erheblich fehlerhaft zu vernehmen (> Explorations-Fehler),
ihrem unbekümmerten Gebrauch von Universalien
und den Rechtsbegriffen merkt oder auch an merkwürdigen psychologischen
Theorien z.B. zur psychischen Kausalität (Kostproben).
So gesehen passen das weitgehend fehlende Datenproblembewusstsein in Recht
und (forensischer) Psychiatrie gut zusammen.
Daten-Fehler
in forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
Das Thema Datentheorie, Datenauswahl und Datenerhebung spielt in der
Psychiatrie und forensischen Psychiatrie so gut wie keine Rolle (Ausnahme
Weber 1984, der allerdings an Coombs quantitativer Datenverarbeitungstheorie
anknüpft). Nur geringfügig besser sieht es mit einer Theorie
der Daten in der Psychologie aus, wobei die häufig zitierten angeblichen
Grundlagenveröffentlichungen (Coombs, Roskam) mehr formal , technisch,
mathematisch-statistisch, also an der Datenverarbeitung orientiert
sind und damit die eigentlichen Grund- und Kernfragen wie oben ausgeführt,
verkennen und vernachlässigen. Datenverarbeitung setzt bereits entsprechend
aufbereitete und verarbeitungsfähige Daten voraus. Datentheoretiker
sind also auch in der Psychologie mit großer Vorsicht zu "genießen",
meist sind sie ganz schnell, ja viel zu schnell beim "messen" (per
fiat), besser schätzen, skalieren oder testen. So setzt der falsch-irritierende
Titel von Coombs "A Theory of Data"
wie auch Roskams "Allgemeine
Datentheorie" in Wahrheit eine richtige Datentheorie zur
Datenerhebung voraus, also die Klärung und Evaluierung der Voraussetzungen
für valide (stimmige) Daten.
Es gibt bezüglich der Daten, die psychiatrische
ProbandInnen liefern - bis auf wenige spezielle Ausnahmen
- so gut wie kein Problembewusstsein (Belege).
Das ist insofern merkwürdig, als doch jederfrau klar sein sollte,
dass die elementaren Daten das Fundament jeder Befundung und (Differential-)
Diagnostik ist und sein muss. Daher sollte es auch jedem einleuchten, dass
man sich der Sicherheit des Fundamentes, der Basis, ganz besonders annehmen
sollte. Der Überbau kann nicht sicherer oder besser sein als sein
Fundament. Hinzu kommt die besondere Problematik der Selbstauskünfte
bei psychisch Kranken oder (vorübergehend) Funktionsgestörten.
Bei Venzlaff & Förster (2009, 2004) gibt
es keinen Sachregistereintrag zum Thema (psychopathologische) Daten, etwas
besser, wenn auch längst nicht hinreichend, sieht es im 5-bändigen
Handbuch der Forensischen Psychiatrie aus. Immerhin geht aus Stellers
(2010, S. 194) Strukturmodell zumindest einmal die Bedeutung der
Datenerhebung hervor:
Eine weitere zwar kurze, aber wichtige Aussage, legen
Hoff, P. & Saß, H. (2010) Psychopathologische Grundlagen der
forensischen Psychiatrie. In HBFP 2, S. 2, vor, wenn sie ausführen:
"Eine solcherart erweiterte Psychopathologie hat allerdings ein kritisches
Methodenbewusstsein zum zentralen Gegenstand. Sie kann nicht nur Datenerhebung
sein, sondern immer auch kritisches Hinterfragen des Zustandekommens und
der Art der Daten."
Man kann diesen richtigen und kritischen Worten entnehmen, Datenerhebung
muss natürlich sein, aber es muss auch das Entstehen der Daten kritisch
hinterfragt werden. Wenn es denn in der Praxis nur so wäre.
Dass man den Auskünften nicht so einfach naiv vertrauen darf, geht
auch aus vielen psychopathologischen Testkonstruktionen hervor, die oft
spezielle Kontrollskalen zur Prüfung der Gültigkeit der Aussagen
eingebaut haben. So gibt es im MMPI allein 109 von
566 Items (Fragen) zur Kontrolle,
die in drei Skalen organisiert sind (F, K, L), wenn man die Zahl der Auslassungen
("?") nicht berücksichtigt.
Katalog
der potentiellen forensischen Gutachtenfehler
Fehler in forensisch-psychologischen, forensisch-psychopathologischen,
forensisch-psychiatrischen Gutachten.
Vorbemerkung: Das Einzelfallprinzip gebietet sicherheitshalber nur von
potentiellen Fehlern zu sprechen. Der Katalog enthält also überwiegend
nur potentielle Fehler. Ob ein potentieller Fehler im spezifischen
Einzelfall wirklich ein Gutachten-Fehler ist, sollte nicht absolut-allgemein,
sondern im Realitätsrahmen und Situationskontext des Einzelfalles
untersucht und entschieden werden. Und natürlich hängt die Fehler-Diagnose
und das Gewicht, das ihr zukommt, auch sehr davon ab, aus welcher wissenschaftlichen
Perspektive oder Basis die Betrachtung erfolgt. PsychoanalytikerInnen haben
z.B. ein sehr lockeres Verhältnis zu Phantasie und Vermutungen und
verwechseln diese oft mit Wissenschaft, Empirie oder Objektivität.
Wichtig ist vielleicht auch, dass man sich eingesteht:
fehlerlose Gutachten gibt es nicht. Aber: die Problemlösung beginnt
bekanntlich mit der Problemwahrnehmung. Deshalb ist es sinnvoll, sich seinen
möglichen Fehlern grundsätzlich zu öffnen. Manche Fehler
mögen auch keine ernste Bedeutung haben, andere aber im jeweiligen
Einzelfall vielleicht schon. Und es gibt fatale Fehler, die ein Gutachten
nicht verwertbar machen (z.B. Oder-Diagnosen, Verfassung und Befinden zu
den Tatzeiten nicht exploriert oder, bei keinem Ergebnis hierzu, die Beweisfrage
als nicht beantwortbar erklärt, nicht persönlich untersucht,
unzulängliche Mittel und Methoden angewendet, ... ... ...)
Kleine Fehlertaxonomie: (1) Fatale, nicht mehr reparierbare
Fehler. (2) Fatale Fehler ohne nähere Spezifikation. (3) Fatale, aber
grundsätzlich noch reparierbare Fehler ("Nachbesserung", weiteres
Ergänzungsgutachten). (4) Fehler ohne bedeutsame Auswirkung auf die
Beantwortung der Beweisfrage. (5) Sonstiger in seiner Bedeutsamkeit nicht
richtig oder zuverlässig einschätzbarer Fehler.
Sonderfall: Fehlerhaftes Gutachten, aber im Ergebnis
nachvollziehbar und - wenn auch mit anderem Vorgehen - zum gleichen Ergebnis
gelangend.
Daten-Fehler (DatF)
In Daten werden die elementaren Sachverhalte erfasst, sie sind die
Informationsbasis und Grundlage jedes Gutachtens jenseits bloßer
Meinung, Mutmaßung oder spekulativer Willkür. Ohne ausreichende
Datengrundlage gibt es kein wissenschaftliches Gutachten. Und das ist regelmäßig
dann der Fall, wenn keine persönliche Untersuchung
oder Exploration erfolgte.
-
DatF01 Daten-Auswahl-Fehler
-
DatF02
Daten-Quellen-Fehler
-
DatF03 Daten-Mangel-Fehler
-
DatF04 Daten-Verarbeitungs-Fehler
-
DatF05 Daten-Gültigkeits-Fehler
-
DatF-X: Sonstiger,
bislang nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Daten zuzuordnen ist.
DatF01
Daten-Auswahl-Fehler
Kennt man die Beweisfragen und die Informationsbasis mit den "Anknüpfungstatsachen",
so stellt sich gewöhnlich die Frage der (Vor-) Untersuchungsplanung.
Es gibt daher manchmal auch einen engen Zusammenhang zwischen Datenauswahl-
und Planungsfehlern. 1) Welche Daten liegen vor, welche davon sind für
die Beweisfragen relevant, sind also auszuwählen und welche nicht?
2) Welche Daten ("Befundtatsachen") sind durch die Untersuchung zu beschaffen,
welche sind also für die Datenerhebung auszuwählen, welche nicht
(manche GutachterInnen neigen dazu möglichst viel zu erheben, auch
wenn gar kein Zusammenhang zu den Beweisfragen erkennbar ist)?
Anmerkung: Zur Bedeutung der Auswahl > Fuchs
(1965).
Prototypische Fehlerstruktur DatF01: Die Grundfrage lautet: welche
Daten werden erhoben und welche nicht? Die Datenbasis ist nicht klar
ausgewiesen und definiert oder die Beziehung der Daten zu den Symptomen,
Syndromen, Befunden oder Diagnosen ist nicht nachvollziehbar begründet
dargelegt. Der Fehler kann natürlich dann nicht gefunden und erfasst
werden, wenn überhaupt keine Daten vorliegen oder ausgewiesen sind.
Beleg
DatF01-02-01 Das Nürnberger mündliche GA im Fall Mollath
vom 22.4.2004 hat keinerlei Daten angegeben auf die es seine "Befunde"
gründet. Der Richter weist lediglich unspezifisch auf die Kenntnis
des Akteninhalts
hin. Obwohl ihm Mollath keine Untersuchung und Exploration gewährt,
fühlt der Gutachter sich doch berufen, schwerwiegende Befunde und
weitreichende Diagnosen zu vermuten.
Quelle: https://www.gustl-for-help.de/download/2004-05-05-Mollath-Amtsgericht-Einweisungsbeschluss.pdf
_
Beleg
DatF01-02-02 (1) Im Bayreuther GA vom 25.7.2005 zum Fall Mollath
werden aus dem Duraplusschnellhefter einerseits Daten ausgewählt,
andererseits unbeachtet gelassen, ohne dass man je erfährt, warum
es einerseits zu der getroffenen Auswahl, anderseits zu der Nichtbeachtung
und Ausblendung kommt. Der Gutachter stellt S. 12 lediglich fest: "Auf
die Mehrzahl, der in der Heftung „Duraplus" abgehefteten Unterlagen des
Angeklagten kann hier nicht eingegangen werden.“ Es bleibt unerklärt,
warum auf welche eingegangen wird, auf die Mehrzahl aber nicht.
(2) Die angebliche
Wahnprogredienz wird nicht mit Daten bzw. mit falschen Daten unterlegt.
(3) Das Datum angebliche Stimmen hören
wird aus dem Zusammenhang gerissen und verfälscht.
(4) Ein Vergiftungswahn wird nahegelegt durch eine
Fälschung mit Textmontage
(Datenmontage) - also durch Verbinden von Daten und falsche Auswahl > Daten-Verarbeitungs-Fehler.
Beleg
DatF01-02-03 Der Berliner Gutachter übernimmt unkritisch die Datenauswahl
der Vorgutachter im Fall Mollath, so dass sich die Daten-Fehler des Vorgutachter
fortsetzen. Und schlimmer noch: der Berliner Gutachter greift auch die
Vergiftungswahn induzierende Textmontage - in diesem Kontext auch Daten-Montage
- des Bayreuther Vorgutachters auf und
interpretiert
sie induktionsgemäß.
Beleg
DatF01-02-04 (1) Auch der Ulmer Gutachter im Fall Mollath, obwohl
er selbst untersuchen und explorieren kann, übernimmt die Datenauswahl
der Vorgutachter unkritisch.
(2) Einen besonders schwerer
Datenauswahl-Fehler zeigt seine Anwendung des SKID.
(3) S. führt der GA unter der Überschrift "1.7 Krankengeschichte
des BKH Bayreuth" aus (S.5; fett-kursiv RS): "Da der Verlauf in den jährlichen
Stellungnahmen nach § 67 StGB zusammengefasst ist, werden hier stichwortartig
nur Details genannt, die sich auf die jüngste, dort noch nicht dargestellte
Entwicklung beziehen (in Klammern jeweils das Datum des Eintrags, wobei
hier nur ausgewählte Einträge genannt werden)."
Die Auswahlkriterien bleiben im Dunkeln.
Anmerkung
DatF01-02 Echte eigene Datenauswahlen und unabhängige, selbständige
Gesamtwürdigungen des Datenmaterials im Fall Mollath finden sich erst
beim Mainkofener Betreuungs- und Geschäftsfähigkeitsgutachten
und im Gutachten Dr. Weinberger.
DatF02
Daten-Quellen-Fehler
Wenn überhaupt Daten fehlen, dann fehlen
natürlich auch die Quellen hierzu. Dieser Fehler ist daher nicht gemeint
(> Daten-Mangel-Fehler). Hier
geht es um den Fehler, dass für Daten, die vorliegen, die Quellen
aber nicht differenziert, klar und vollständig angegeben werden. Die
Angabe von Daten-Quellen, gerade bei Zeugenaussagen, ist sehr wichtig,
um (Tendenz-) Interessen kontrollieren zu können. Nicht selten ist
die Perspektive, die eine Datenquelle einnimmt, kritisch zu beachten: von
wem, von wann, unter welchen Bedingungen, mit welchem Interesse, wurden
Daten in welcher Weise mitgeteilt. Das ist zwingend kritisch zu berücksichtigen
bei Beziehungskonflikten (Prototyp "Rosenkrieg"). Hierbei spielen auch
Gültigkeitsfragen
eine wichtige Rolle, die unter DatF05
eine eigene Gruppe bilden und dort besprochen werden. Ein häufiger
Fehler ist mangelnde quellenkritische Prüfung und Erörterung,
ein Fehler der hier (DatF02) oder unter Daten-Gültigkeits-
oder Kontroll-Fehler
eingeordnet werden kann.
Prototypische Fehlerstruktur: Die Datenquellen werden nicht genau
angegeben. Es bleibt unklar, auf welcher Quelle die für relevant befundenen
Daten beruhen.
Beleg
DatF02-02-01 Im Nürnberger Mollath-Gutachten werden nur zwei Datenquellen
angegeben. Einmal, ganz unspezifisch und summarisch "Akteninhalte",
zum anderen der persönliche Eindruck in der Verhandlung. Wie hierdurch
Rückschlüsse auf die Befindlichkeit bei den behaupteten Tathandlungen,
die Jahre zurückliegen, möglich sein sollen, ist völlig
unerfindlich.
Beleg
DatF02-02-02 (1) Im Bayreuther Gutachten werden die "Beobachtungen"
und Vermerke der "Pflegedokumentation" nicht genau quellenbelegt.
(2) Bei den meisten Befunden
und Diagnosen fehlen die Datenbezüge und genauen Daten-Quellen.
Beleg
DatF02-02-03 Das Berliner Gutachten über Mollath besticht durch
die völlige Abwesenheit jeglicher Quellenkritik. Es übernimmt
ungeprüft, unerörtert, unproblematisiert und unkritisch die außerordentlich
spärlichen Daten, die noch dazu in keinem Fall auf persönlicher
Untersuchung oder Exploration beruhen.
Beleg
DatF02-02-04 Das Ulmer Gutachten referiert die von ihm ausgewählten
"Anknüpfungstatsachen aus den Akten so knapp wie möglich",
so S. 2. Immerhin, so klar und deutlich hat das vor ihm keiner formuliert.
Die vielen schriftlichen Äußerungen Mollaths werden sämtlich
als "bekannt vorausgesetzt". Sie werden nicht einmal thematisch klassifiziert
und sortiert. Es gibt Mollaths paar hundert Seiten einfach im Gesamtpack,
sie werden summarisch, undifferenziert als bekannt vorausgesetzt. Was wo
genau an welcher Stelle wozu steht, das muss wohl niemand wissen. Nicht
einmal die wichtigen Textstellen, die seine Sicht der Auseinandersetzung
wiedergeben. Die genaueren Äußerungen und Themen des "Irren"
interessieren einfach nicht.
DatF03
Daten-Mangel-Fehler
Ein Mangel an Daten ist fatal, weil ein wissenschaftliches Gutachten
eine solide, ausreichende und zuverlässige Datenbasis braucht. Ohne
eine ausreichende Daten- und Informationsbasis können Befunde, Diagnosen
und Beweisfragen nicht sicher und valide (stimmig) begründet werden.
Was dann nur bleibt, sind bloße Eindrücke, Vermutungen, Spekulationen,
Meinungen. Das ist ist natürlich keine Basis, um jemanden z.B. über
mehrere Jahre in der forensischen Psychiatrie unterzubringen. Ein
fataler Mangel an Daten liegt in aller Regel vor, wenn keine persönliche
Untersuchung
und Exploration durchgeführt wurde.
So kranken z.B. das Nürnberger,
Bayreuther und Berliner Mollath-Gutachten an extremem Daten-Mangel. Während
jeder durchschnittlich intelligente Mensch weiß, dass man nichts
sagen kann, wenn man nichts weiß - und dann natürlich erst recht
nicht gutachten kann - wissen das die erwähnten Mollath-Gutachter
offenbar nicht oder sie setzen sich einfach darüber hinweg nach dem
Motto ich erfülle jeden Gutachtenauftrag, auch wenn das die Mindestanforderungen
hinten und vorne nicht erlauben. Wenn die Daten fehlen, muss man eben meinen,
vermuten, spekulieren, phantasieren, woraus sich dann okkulte parapsychopathologische
Nichtsachten ergeben. Das ist aber nur möglich, weil die Unterbringungsrichter
mitspielen, ja wahrscheinlich sogar wollen und begrüßen.
Prototypische Fehlerstruktur DatF03: Es fehlen Daten. Symptome,
Syndrome, Befunde, Diagnosen und Beweisfragenantworten scheinen vom
Himmel zu fallen, sind einfach da, ohne dass sie mit Daten ausreichend
unterlegt werden.
Beleg
DatF03-02-01 Das Nürnberger Gutachten im Fall Mollath beruht auf
keinen eigenen Daten, weil Mollath die "Einladungen" zur psychiatrischen
Untersuchung ignorierte und auch sonst jede persönliche Untersuchung
und Exploration ablehnte.
Beleg
DatF03-02-02 (1) Auch das Bayreuther Gutachten vom 25.7.2005
zum Fall Mollath hat keinerlei Datengrundlage für eine tatwirksame
Wahndiagnose.
(2) Es wird nicht einmal eine
Rekonstruktion zur Befindlichkeit zu den Tatzeitpunkten versucht.
(3) Was unter den Überschriften
"Dokumentation", "Beobachtungen" oder "Pflegedokumentation" abgehandelt
wird, ist oft summarisch zusammenfassend und enthält gar keine Daten,
was unweigerlich Daten-Verarbeitungs-Fehler nach sich zieht: zwischen fehlenden
Daten und Befundung besteht eine Lücke. So stellt S. 15 des GA unter
"Psychischer Befund" fest: "Es dominieren Größenphantasien"
ohne dass hierzu auch nur ein einziges Datum angeführt wird. Wann,
wie, wo, unter welchen Umständen ... all dies bleibt offen.
Beleg
DatF03-02-03 Auch der Berliner Gutachter (Dr.
Merk: "crème de la crème") kann im Fall Mollath nur abschreiben
und keine eigenen Daten erheben. Er zeigt sich noch nicht einmal imstande,
die fehlende Datenbasis seiner Vorgutachter kritisch zu hinterfragen.
Beleg
DatF03-02-04 Auch der von Mollath akzeptierte Ulmer Gutachter, von
dem sich Mollath untersuchen und explorieren lässt, zeigt sich unwillig
oder unfähig, die fehlende Datenbasis vor allem zu den behaupteten
Tatzeitpunkten nachzuliefern. So entscheidet er sich auch völlig falsch,
SKID
II anzuwenden, obwohl SKID I erforderlich gewesen wäre. Und natürlich
hätte er erkennen und problematisieren müssen, dass die Voraussetzungen
für den § 63 StGB völlig in der Luft hingen.
Anmerkung DatF03
Hingegen
legt der Mainkofener
Gutachter ein durch eine persönliche Untersuchung und Exploration
begründetes und datengestütztes Gutachten zur Frage der Geschäftsfähigkeit
Mollaths vor, das bei Mollath keinerlei psychotische oder Wahnproblematik
erkennt. So auch der unabhängige und außersystemische Gutachter
Dr. Weinberger.
DatF04
Daten-Verarbeitungs-Fehler
In diesem Fall liegen zwar Daten vor, sie werden aber fehlerhaft, falsch
oder gar nicht verarbeitet, wobei auch absichtliche oder vorsätzliche
Datenfälschungennicht
auszuschließen sind, die man auch als absolute Datenfehler werten
kann und die ein Gutachten völlig wertlos machen. Auch hier gibt es
viele Überschneidungsmöglichkeiten mit anderen Fehlern, z.B.
mit Befund-, Diagnose-, Beweisfragen-Fehlern. Daten-Verarbeitungs-Fehler
liegen fast immer dann vor, wenn Lücken
und Sprünge gefunden werden.
Prototypische Fehlerstruktur DatF04: Die Verarbeitung der Daten,
z.B. die Zuordnung, bleibt unklar, zweifelhaft oder ist falsch. Es können
Daten übrig bleiben, die nicht nachvollziehbar verarbeitet wurden.
Mit anderen Worten: nicht alle ausgewählten Daten werden verarbeitet.
Das ist dann kein Problem, wenn die Nichtverarbeitung erklärt wird.
Manche GutachterInnen folgen hier einer persönlichen impliziten Regel:
relevant ist eben das, was sie verarbeiten und was hinten runterfällt
ist nicht relevant.
Beleg
DatF04-02-01 Das Nürnberger Gutachten über Mollath besteht
praktisch nur aus Daten-Verarbeitungs-Fehlern, wobei es : eigene Daten
gar nicht hat und vorhandene nicht benennt.
Beleg
DatF04-02-02 Das Bayreuther Gutachten über Mollath zeigt eine
ganze Reihe von schwerwiegenden Daten-Verarbeitungs-Fehlern, wobei als
der schwerwiegendste die Text-
oder Datenmontage angesehen werden kann. Lücken oder ein Sprung
zeigt sich auch bei der Progredienzbehauptung des angeblichen Wahns von
Mollath. Völlig in der Luft hängen die Befund- und Diagnosemutmaßungen
zu den behaupteten Tatzeitpunkten. Wichtige Daten, die auf das Eingangsmerkmal
tiefgreifende Bewusstseinsstörung hindeuten, werden, obwohl ausgewiesen,
nicht verarbeitet und nicht erörtert.
Beleg
DatF04-02-03 (1) Das Berliner Gutachten zu Mollath vom 27.6.2008
besteht in der Hauptsache aus Daten-Verarbeitungs-Fehlern, deren Grundlage
die unkritische und auch nicht ansatzweise problematisierte Übernahme
der Sicht der Vorgutachter und ihrer extrem spärlichen oder einseitigen
Datenbasis.
(2) Ein Gipfel der Kritiklosigkeit-
und Oberflächlichkeit ist die Interpretation
der Bayreuther Text- und Datenmontage zur Induktion des Vergiftungswahnes.
Beleg
DatF04-02-04 (1) Im Ulmer Gutachten zu Mollath vom 9.3.2011 wird
zitiert (S. 6; Bl. 525; fett-kursiv RS):
"Ausführlicher Verlaufseintrag von 6 Seiten
(26.11.2010). Darin heißt es, Ausführungen zu Arztbesuchen seien
problemlos verlaufen und in der Lockerungskonferenz vom 02.11.2010 habe
man keine von ihm ausgehende Allgemeingefährdung gesehen und
keine Fluchtgefahr."
Dieser für Mollath sehr wichtige Befund
zur sog. Allgemeingefährlichkeit geht in der Daten-Verarbeitung zwar
nicht ganz unter, wird später aber nur summarisch und völlig
verwässert berücksichtigt (S. 47: "Die ihm gewährten
Lockerungen verliefen ohne Zwischenfälle"). Die fehlende und
bislang so wichtige "Allgemeingefährlichkeit" ist in dieser "Berücksichtigung"
verschwunden. Der Gutachter führt weiter aus:
"Immerhin äußerte
er während der Untersuchung an keiner Stelle konkrete Rachegedanken
oder -absichten gegenüber seiner Frau oder anderer bestimmter Personen,
von denen er. sich ungerecht behandelt fühlte, sondern stellte sein
Bedürfnis nach Wahrheit und Gerechtigkeit als sein Hauptanliegen ins
Zentrum seiner Ausführungen. Dies spricht dafür, dass die vielen
Jahre in der Unterbringung des Maßregelvollzugs, in denen er vielfach
Situationen ausgesetzt war, die ihm in jeder Hinsicht zuwider waren, nicht
spurlos an ihm vorbeigegangen sind. Zur Kompensation der dabei erlebten
Ohnmacht hat er sich darauf verlegt, zahllose schriftliche Klagen, Anklagen,
Eingaben und Anträge zu verfassen, was nicht nur negativ zu bewerten
ist sondern als in begrenztem Maße konstruktiver Kompensationsmechanismus
für die Abarbeitung heftiger affektiver [<46] Erregungen aufgefasst
werden kann.
Wiederholt verwies er zwar
auf die Schrift von Halmi mit dem Titel 'Zwangspsychiatrie ein Foltersystem'
(vgl. oben S. 25 u. S. 32) und wurde nicht müde, seine Erfahrungen
und Beobachtungen im Maßregelvollzug als Folter zu bezeichnen, ohne
dabei persönlich gefärbte Ranküne oder gar konkrete Absichten
zur Sprache zu bringen, sich an den handelnden Personen zu rächen.
Weit mehr schien es ihm darum zu gehen, deutlich zu machen, dass nicht
nur er, sondern alle, die zwangsweise in der Psychiatrie untergebracht
sind, Opfer sind. An keiner Stelle seiner Ausführungen leitete
er aus entsprechend bewerteten Erfahrungen und Beobachtungen die Rechtfertigung
rechtswidriger Handlungen ab.
Trotz der diagnostizierten
anhaltenden wahnhaften Störung sind seine Stimmung und sein Verhalten
im Stationsalltag inzwischen deutlich unauffälliger und angepasster
als während der Zeit seiner ersten Unterbringung im BKH Bayreuth anlässlich
der Begutachtung durch Dr. Leipziger (vgl. dessen Gutachten S. 14ff), wiewohl
er zu niemandem vom Personal eine vertrauensvolle Beziehung etabliert hat.
Die ihm gewährten Lockerungen verliefen
ohne Zwischenfälle, so dass auch die schrittweise Erweiterung
von Lockerungen in Betracht gezogen werden sollte. Dass er sich weigert,
bei der Rückkehr von Ausgängen die auf Station üblichen
Alkoholkontrollen vornehmen zu lassen, hängt mit seiner generellen
Einstellung zu seiner Unterbringung und seiner Vorstellung, zu Unrecht
untergebracht zu sein, zusammen. Dass er sein Fortkommen durch diese Weigerung
nicht befördert (vgl. die Angaben der Stationsärztin, oben Abschn.
4, S. 33f), leuchtet ihm nicht ein. Vergleichbar ist sein Verhalten demjenigen
eines Fluggastes, der nicht einsehen will, dass jeder Passagier vor dem
Besteigen eines Flugzeuges einer Kontrolle unterzogen wird, auch wenn er
selbst keine gefährlichen Gegenstände mit sich führt. Man
mag dieses Verhalten als trotzigen Widerstand gegen Stationsregeln bezeichnen.
Hinweise
auf eine spezifische Gefährlichkeit lassen sich daraus sicherlich
nicht ableiten. [<47] Anhaltende wahnhafte Störungen
können
zwar, müssen aber nicht in (erneute) rechtswidrige gefährliche
Handlungen münden. Empirisch abgesicherte Daten zu entsprechenden
Rückfallhäufigkeiten liegen nicht vor."
_
Man kann diesen Ausführungen
klar entnehmen, dass sich Mollaths Stationsverhalten nach der Beurteilung
und Bewertung des Ulmer Gutachters tatsächlich positiv verändert
hat. Selbst die Klinik räumt in der Pflegedokumentation freimütig
ein, dass es "keine von ihm ausgehende Allgemeingefährdung
gesehen und keine Fluchtgefahr" gebe. Keine Allgemeingefährlichkeit,
keine Ranküne, keine Rachegedanken. Und trotzdem "allgemeingefährlich"?
Herzlichen Glückwunsch,
Herr Professor, das ist wahrlich eine logische Glanzleistung der forensischen
Psychiatrie!
(3) Ein weiterer schwerer Daten-Verarbeitungs-Fehler
ergibt sich aus dem Ergebnis des SKID
II. (S. 38; Bl. 557, fettkursiv RS) : "Allein bei den Antworten
auf die Fragen nach Symptomen der zwanghaften Persönlichkeitsstörung
fand sich eine gering ausgeprägte, jedoch in Bezug auf die Vergabe
der Diagnose deutlich unterschwellige Antworttendenz in Richtung zwanghafter
Symptomatik,
Züge einer paranoiden oder anderweitigen Persönlichkeitsstörung
ließen sich mit diesem Instrument nicht objektivieren." Obwohl
der aktuelle Befund des SKID II keine paranoide Persönlichkeitsstörung"
erkennt, wird dennoch an der Diagnose "paranoid" festgehalten.
DatF05
Daten-Gültigkeits-Fehler
Im engen Zusammenhang mit diesem Daten-Fehler stehen die Evaluations-
und Kontroll-Fehler. Evaluation bedeutet den Wert eines Ergebnisses, das
mit Hilfe dieser oder jener Methode gewonnen wurde, festzustellen und zu
begründen. Im engeren Sinne geht es um die Datengütekriterien
der Objektivität,
Reliabilität und Validität, die nicht nur für psychologische
Tests, sondern für alle Datenerhebungsverfahren oder
Informationen von Bedeutung sind.
Allgemeine Parameter
von Daten (hier psychologisch-psychopathologische)
1. Art (z.B. Angst,
Wahn),
2. Stärke, 3. Häufigkeit, 4. Dauer, 5. Verlauf, 6. Beeinträchtigung
(Beschwernis).
Dauer, Stärke und Häufigkeit werden in den Diagnosesystemen
(z.B. ICD, DSM) teilweise berücksichtigt, nicht immer praxis-angemessen
und im neuen DSM 5 teilweise völlig unsinnig, wenn etwa bei Personenverlusten
der Trauer nur noch 14 Tage zugebilligt werden und was darüber hinausgeht
pathologisiert wird. Eine grundlegende und nachvollziehbare Erfassungsmethode
aller Parameter fehlt ebenso wie eine schlüssige und praktikable Taxonomie.
Prototypische Fehlerstruktur DatF05: Wie zuverlässig und
stimmig sind und für welchen Zeitraum und unter welchen Bedingungen
gelten die der Begutachtung zugrunde gelegten Daten? Die Datenqualität
wird übergangen, nicht kritisch oder nur grob unzulänglich erörtert
(Probleme der Güte, Objektivität, Reliabilität,
Validität, Nutzen und praktische Bedeutsamkeit [praktische Signifikanz]).
Insbesondere die zeitliche Gültigkeit wird nicht genannt oder nachvollziehbar
begründet.
Die ersten beiden Mollath-Gutachten strotzen vor
Unsicherheit. Sie platzen fast vor Mutmaßungen (käme in Frage
oder in Betracht, evtl., müsste, möglich, vielleicht, auch, alternativ,
nicht sicher). Es sind Feste der Möglichkeiten und Hochzeiten
des Konjunktivs. Dass aufgrund solcher extremen Vagheiten, obwohl sie der
BGH
klar und deutlich als rechtswidrig erklärt hat, jemand jahrelang in
der Psychiatrie festgehalten wird, Mollath sitzt jetzt im April 2013 im
8. Jahr, das hält man nicht für möglich. Hier dachte man
früher an die Nazis, an die Faschisten oder Stalinisten. Falsch gedacht,
das ist gang und gäbe in Deutschland, das sich für einen Rechtsstaat
hält und dessen forensische Psychiatrie vorgibt, sie verfüge
über Kompetenz. Wenn das stimmen sollte, dann verstecken sie diese
Kompetenz sehr gut oder wenden sie nicht an, weil sie RichterInnen gefällig
sein wollen (> Unrecht im Namen
des Rechts)
Beleg
DatF05-02-01 Das Nürnberger Gutachten zu Mollath vom 22.04.2004
kennt nur Vermutungen, also nicht akzeptable völlig unsichere Gültigkeiten..
Beleg DatF05-02-02
Das
Bayreuther Gutachten vom 25.7.2005 zeigt beim entscheidenden Ergebnis,
dem Befund,
14 Unsicherheiten, es ist durch und durch invalide, was inhaltlich letztlich
kein Wunder ist, weil es ja auf keine persönliche Untersuchung und
Exploration zurückgreifen kann..
Beleg
DatF05-02-03 Das Berliner Gutachten zu Mollath vom 27.6.2008
besticht dadurch, dass es nichts überprüft, kritisch nachuntersucht,
für und wider erörtert, eigenständig denkt, problematisiert.
Es ist eine Mischung aus Abschreibe- und Bestätigungsgutachten. Für
eine eigene Untersuchung und Exploration konnte der Gutachter Mollath nicht
gewinnen. So liegt ein Datenraum im Hochvakuum vor. Und da haben natürlich
Evaluation, Validität, Kontrolle keinen Platz. Da keine Daten zu den
behaupteten Tatzeiten vorliegen, thematisiert man diesen Befund am besten
nicht, dann gibt es auch keine Probleme (> Untersuchungs-.
Dokumentations-
und Darstellungs-Fehler).
Beleg
DatF05-02-04 Das Ulmer Gutachten zu Mollath vom 9.3.2011 prüft
ebenfalls nicht und setzt damit die Schlechtachterpraxis der Vorgutachter
(Ausnahme Mainkofener Geschäftsfähigkeitsgutachten) nahtlos fort.
Wie man zu dieser Zeit überhaupt
auf die absurde Idee kommen kann, Schwarzgeldbeschuldigungen (> Steueroasen,
Finanzkrise)
könnten etwas mit einem Wahn zu tun haben, wenn so viele reale
Anknüpfungstatsachen jedem einigermaßen normal denkenden Menschen,
der Zeitung liest und Nachrichten hört, geradezu ins Gesicht springen,
liefert immer wieder Nahrung für die wohl begründete Meinung,
dass
eine Krähe der andern kein Auge aushackt. Man kennt sich, man
stützt sich, das funktioniert auch ganz ohne Absprache (etwa in schwarmintelligenter
Manier).
Unter "7.2 Diagnostische Beurteilung",
S. 41 führt der Gutachter aus:
"Die Einweisungsdiagnose der wahnhaften Störung
(ICD-10, F22.0) gilt aus meiner Sicht auch heute noch." Nach Erörterungen
wie Mollath und seine Unterstützer diese Feststellung aufnehmen werden,
kommt er dann doch noch zu Begründungsversuchen: "An die externe Begutachtung
hat er die vage Hoffnung geknüpft, der Gutachter solle zur Aufklärung
des von ihm behaupteten Bankenskandals beitragen, so wie er auch erwartet,
dass der für ihn zuständige Oberarzt die Machenschaften der Hypobank
aufklären solle, so dass mit ihm über anderes kaum ins Gespräch
zu kommen ist (vgl. oben Abschn. 4, S. 34). Allein schon diese Erwartung
an den Oberarzt und an den Gutachter spricht für [>43] eine verzerrte
Realitätswahrnehmung, denn diese Personen sind keine Kriminalisten
und keine Juristen, und sie haben bei ihren Beurteilungen zunächst
einmal von den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils auszugehen."
_
Diese befassen sich allerdings
so wenig mit den Machenschaften wie die Justiz. Dass Mollath Hoffnungen
auf den externen Gutachter setzt, den er selbst gewählt hat und dem
er mithin ein gewisses Vorvertrauen entgegen bringt, ist wohl mehr als
verständlich nach bald 5 Jahren Maßregelvollzug. Das hat mit
einer verzerrten Realitätswahrnehmung nichts, mit begründeten
Wünschen, Erwartungen und Forderungen indessen viel zu tun. Der GA
fährt fort (S. 43):
"Die Überprüfung, ob sich Herr M. aufgrund
eines Komplottes im MRV befindet und ob ihm die dem Urteil zugrunde liegenden
Taten zu Unrecht unterstellt wurden, ist nicht Sache des Gutachters. Ungeachtet
dieser Feststellung müsste im Gutachten selbstverständlich darauf
aufmerksam gemacht werden, wenn im Rahmen der Untersuchung Informationen
auftauchten, die zum Zeitpunkt des Einweisungsurteils noch nicht bekannt
waren und die Zweifel an der Täterschaft des Begutachteten begründen.
Entsprechend neue Unterlagen bzw. Informationen hat Herr M. mir nicht vorgelegt."
Mollath muss keine "neuen" Informationen vorlegen,
es müssten "nur" die vorliegenden angemessen wahrgenommen, erörtert
und bewertet werden, was bei keinem Gutachter (beim Mainkofener spielte
es keine Rolle) mit Ausnahme Dr. Weinbergers auch nur ansatzweise stattfand.
Ein weiterer schwerer Daten-Gültigkeits-Fehler
liegt darin, dass die nicht weiter aufzeigbare Progredienz (2003 bis 30.11.2010)
die Wahnprognosen der Vorgutachter nicht in Frage stellte. Statt die prognostizierte
Progredienz von 2003 bis zum Untersuchungstag am 30.11.2010 zu begründen,
zieht sich der Gutachter auf die schon damals falschen, nicht datenbelegten
Behauptungen der Vorgutachter zurück (S. 43):
"Wahnhaftes Erleben geht nicht selten von einem konkreten Kern beobachteten
oder selbst erfahrenen Unrechts aus, das keine angemessene Würdigung
bzw. Genugtuung erfährt, wie dies in klassischer Form in Kleists Novelle
Michael Kohlhaas beschrieben ist. In der wahnhaften Entwicklung wird der
Kreis derer, die in das Unrechtssystem einbezogen werden, sukzessive ausgeweitet,
so dass immer mehr Personen als Verfolger bzw. als an dem Unrechtssystem
aktiv Beteiligte identifiziert werden."
Das stimmt für Michael
Kohlhaas so wenig wie für Gustl F. Mollath. Im Übrigen ist
die Wahndiagnose, die Progredienz und die Gefährlichkeit für
die aktuelle Untersuchungsgegenwart zu prüfen und nicht, was damals
phantasiert wurde.
Auch der Rekurs auf die vorgehaltenen Taten erscheint
als völlig abwegige Spiegelfechterei. Denn was sollen die mit den
Voraussetzungen
des § 63 StGB, zu denen ja auch die Schuldunfähigkeit gehört,
zu tun haben? Kein Vorgutachter hat je einen Zusammenhang zwischen dem
angeblichen Wahn und den Tathandlungen ausführen
können oder wollen. Es fehlte überall an einfachsten forensischen
Einfällen (wie man z.B. untersuchen kann, wenn die Tathandlungen abgestritten
werden), am Können und wahrscheinlich auch am Willen für ein
entsprechendes Untersuchungsdesign. Damit mit den Befundtatsachen nichts
schief gehen konnte, wurde neue gar nicht erst beigebracht - wie der dringend
erforderliche
SKID I - bzw.
umgedeutet oder gar nicht beachtet. Sämtliche Lücken wurden mit
freier spekulativer, vorurteilsvollen, phantastischen Sprungbefunden geschlossen.
DatF-X:
Sonstiger, bislang nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Daten zuzuordnen
ist.
Zum Beispiel die Erfindung von Daten, Verwechslung von verarbeiteten
mit originären Daten.
Literatur (Auswahl)
Erheberunabhängige (objektive), zuverlässige (reliable),
richtige und stimmige (valide) Daten sind die Grundlage jeder empirischen
Wissenschaft und daher in jeder Wissenschaft ein Grundlagenthema. In Testtheorie
und Statistik ist das Thema Messfehler sogar ein eigenes Spezialgebiet.
Hier wird aber nur die zitierte Literatur und eine
Auswahl der Spezialliteratur zum Thema Daten, Datentheorie, Datenerhebung
im engeren Sinne angeführt im Rahmen Psychologie und Psychopathologie.
Siehe bitte auch Literaturangaben:
Befund-Fehler,
Explorations-Fehler
und vor allem Untersuchungs-Fehler. Aber
auch der Anamnese- , Psychographie- (im weiteren Sinne der Biographik
und Lebenslaufforschung), Evaluations-
und qualitativen Sozialforschungsliteratur kann einiges Anregende oder
Hilfreiche zum Thema Daten entnommen werden. Insgesamt ist hier das große
Thema und weite Feld der psychologischen Diagnostik Objektivität,
Reliabilität und Validität angesprochen. Eine solide, zuverlässige,
gültige Datenbasis ist die Grundlage jedes wissenschaftlichen Gutachtens.
Das Grundproblem wird verständlich illustriert in dem kleinen Artikel:
Wie
geht es Ihnen?
-
Birbaumer,
N. & Schmidt, R.F. (2003) Biologische Psychologie. Berlin: Springer
-
Coombs,
C.H. (1964) A theory of data. New York: Wiley (2nd ed. 1967).
-
Coombs,
Clyde H.; Dawes, Robyn M. & Tversky, Amos (dt. 1975) Skalierung und
Datentheorie. In (S. 45-96): Mathematische Psychologie. Weinheim: Beltz.
-
Hagendorf, Herbert; Müller, Hermann-Joseph;
Krummenacher, Joseph & Schubert, Torsten (2011, Hrsg.) Wahrnehmung
und Aufmerksamkeit. Allgemeine Psychologie für Bachelor.
Berlin: Springer.
-
Hayakawa, S.I. (1967) Semantik
Sprache im Denken und Handeln. Darmstadt: Verlag Darmstädter Blätter.
-
Hollweg, Matthias (1998) Dokumentation in der forensischen Psychiatrie
- Zielsetzungen, Fehlerquellen und neuere Entwicklungen . In (226-228)
Stieglitz, R. D. et al. (1998).
-
Hoff, P. &
Saß, H. (2010) Psychopathologische Grundlagen der forensischen Psychiatrie.
In (1-156): Kröber, H.-L.; Dölling, D.; Leygraf, N. &
Saß, H. (2010, Hrsg.)
-
Huber,
Günter L. (1994, Hrsg.) Verbale
Daten. Eine Einführung in die Grundlagen und Methoden der Erhebung
und Auswertung. Nachdruck der ersten Auflage von1982.Weinheim: Beltz, PVU.
-
Kendell, R. E. (1978). Die Diagnose in der
Psychiatrie. Stuttgart: Enke.
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Koriath, Heinz (1988).
Kausalität, Bedingungstheorie und Psychische Kausalität. Göttinger
rechtswissenschaftliche Studien Bd. 139. Göttingen: Schwartz &
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Kröber, H.-L. (2010). 2.2.3
Methodik: hypothesengeleitete Begutachtung. In (193-201): Kröber,
H.-L.; Dölling, D.; Leygraf, N. & Saß, H. (2010, Hrsg.).
-
Kröber,
H.-L.; Dölling, D.; Leygraf, N. & Saß, H. (Hrsg.)
Handbuch der Forensischen Psychiatrie. 5 Bde. Berlin: Steinkopff (Springer).
-
2007: HBFP Band 1 Strafrechtliche Grundlagen der Forensischen Psychiatrie.
-
2010: HBFP Band 2 Psychopathologische Grundlagen und Praxis der Forensischen
Psychiatrie im Strafrecht.
-
2006: HBFP Band 3 Psychiatrische Kriminalprognose und Kriminaltherapie.
-
2009: HBFP Band 4 Kriminologie und Forensische Psychiatrie.
-
2009: HBFP Band 5 Forensische Psychiatrie im Privatrecht und Öffentlichen
Recht.
-
Lehmann-Waldau, Frieder & Hoffmann, Klaus (1998) Darstellung
der psychiatrischen Dokumentation in den Berufsgruppen der Ärzte,
des Pflegepersonals und der Verwaltung des Zentrums für Psychiatrie
Reichenau. In (229-233) Stieglitz, R. D. et al. (1998).
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Margraf, J. (1994) Mini-DIPS.
Diagnostisches Kurz-Interview bei psychischen Störungen. Berlin: Springer.
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Bd. I/1, hrsg. von K. Gottschaldt, P. Lersch, F. Sander, H.Thomae. Hogrefe,
Göttingen 1966
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In (S. 47-58): P. Hartwich (Ed.). Der Psychiater als Gutachter. Sternenfels:
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Psychologie, Band C.II.1. Göttingen: Hogrefe.
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Roskam,
Edward E. (1983). Allgemeine Datentheorie. In (S. 1-135): Feger, Hubert
& Bredenkamp, Jürgen (1983, Hrsg.). Messen und Testen. Enzyklopädie
der Psychologie, Themenbereich B Methodologie und Methoden, Serie I Forschungsmethoden
der Psychologie, Bd. 3. Göttingen: Hogrefe.
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Stieglitz, R. D.; Erdmann, Fähndrich & Möller, Hans-Jürgen
(1988, Hrsg) Syndromale Diagnostik psychischer Störungen. Göttingen:
Hogrefe.
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Venzlaff,
Ulrich & Klaus Foerster, Klaus (2004) Psychiatrische Begutachtung.
Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen. Hrsg. v. Harald
Dreßing u. a. München: Urban & Fischer (Elsevier).
-
Venzlaff,
Ulrich & Klaus Foerster, Klaus (2009) Psychiatrische Begutachtung.
Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen. Hrsg. v. Harald
Dreßing
u. a. München: Urban & Fischer (Elsevier).
-
Weber,
Adrian (1984) Daten sind nicht gleich Daten. In (5-22): Weber, Adrian (1984)
Automatische Syndromerkennung in der Psychiatrie. Stuttgart: Enke.
-
Wundt,
Wilhelm (1888) Selbstbeobachtung und innere Wahrnehmung. Philosophische
Studien 4, 292-309.
Links (Auswahl: beachte)
Glossar,
Anmerkungen und Endnoten:
1) GIPT=
General
and Integrative
Psychotherapy, internationale Bezeichnung
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
__
Stichworte A
Theory of Data * Ausnahmen Problembewusstsein
psychopathologischer Daten * Ausnahme
Weber 1984 * Auswahlfunktion * Belege
fehlendes Problembewusstsein Daten in der forensischen Psychiatrie
* Datengütekriterien
Objektivität, Reliabilität und Validität * Erleben
* innere Wahrnehmung * Kostproben
psychische Kausalität im Recht * Kröber
Hypothesengeleitete Begutachtung * Messen
per fiat * MMPI * Operationalisierung,
Geschichte
des Begriffs * Rosenhanversuch * Roskams
Datentheorie * Schwarmintelligenz
in der forensischen Psychiatrie * Subsumtionsfehler
* Tatsachenproblem * unterscheidbar
* Wahn * wohlunterscheidbar *
__
Eigener
wissenschaftlicher Standort
__
. |
einheitswissenschaftliche
Sicht. Ich vertrete neben den Ideen des Operationalismus, der Logischen
Propädeutik und einem gemäßigten Konstruktivismus
auch die ursprüngliche einheitswissenschaftliche Idee des Wiener
Kreises, auch wenn sein Projekt als vorläufig gescheitert angesehen
wird und ich mich selbst nicht als 'Jünger' betrachte. Ich meine dennoch
und diesbezüglich im Ein- klang mit dem Wiener
Kreis, daß es letztlich und im Grunde nur eine
Wis- senschaftlichkeit gibt, gleichgültig, welcher spezifischen
Fachwissenschaft man angehört. Wissenschaftliches Arbeiten folgt einer
einheitlichen und für alle Wissenschaften typischen Struktur, angelehnt
an die allgemeine
formale Beweisstruktur.
Schulte, Joachim &
McGuinness, Brian (1992, Hrsg.). Einheitswissenschaft - Das positive Paradigma
des Logischen Empirismus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Geier, Manfred (1992).
Der Wiener Kreis. Reinbek: Rowohlt (romono).
Kamlah, W. & Lorenzen, P. (1967).
Logische Propädeutik. Mannheim: BI. |
|
_
Wissenschaft
[IL] schafft
Wissen und dieses hat sie zu beweisen, damit es ein wissenschaftliches
Wissen ist, wozu ich aber auch den Alltag und alle Lebensvorgänge
rechne. Wissenschaft in diesem Sinne ist nichts Abgehobenes, Fernes, Unverständliches.
Wirkliches Wissen sollte einem Laien vermittelbar sein (PUK - "Putzfrauenkriterium").
Siehe
hierzu bitte das Hilbertsche
gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein
zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft
sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann
verständlichen Sprache wiedergeben." |
_
Allgemeine
wissenschaftliche
Beweisstruktur
und beweisartige Begründungsregel
Sie ist einfach - wenn auch nicht einfach durchzuführen - und
lautet: Wähle einen Anfang und begründe Schritt für Schritt,
wie man vom Anfang (Ende) zur nächsten Stelle bis zum Ende (Anfang)
gelangt. Ein Beweis
oder eine beweisartige Begründung ist eine Folge von Schritten: A0
=> A1 => A2 => .... => Ai .... =>
An, Zwischen Vorgänger und Nachfolger darf es keine Lücken
geben. Es kommt nicht auf die Formalisierung an, sie ist nur eine Erleichterung
für die Prüfung. Entscheidend ist, dass jeder Schritt prüfbar
nachvollzogen werden kann und dass es keine Lücken gibt. |
__
A Theory of Data Berühmter
Titel von Coombs, eines meist fälschlich als grundlegend bewerteten
Werks psychologischer Datentheorie. Tatsächlich beschäftigt sich
das Werk überhaupt nicht mit psychologischen Daten, sondern setzt
sie voraus, um sie skalenmethodisch zu verarbeiten, wobei auch
hier wieder die grundlegenden Fragen und Probleme der Daten selbst, der
Datenniveaus, Evaluation und Validierung ausgespart bleiben, womit es auch
hier beim
"messen" per fiat
stehen bleibt.
Coombs erste Auflage erschien 1964, die zweite 1967.
In Bayern scheint es nur ein Exemplar zu geben, nämlich in der Bibliothek
der Hochschule der Bundeswehr. Dank des hervorragenden Fernleihe-Service
der Erlanger Universitätsbibliothek konnte ich das Exemplar einsehen.
Die Datentheorie findet sich auch in Mathematische Psychologie in Coombs
et al. (1975), hieraus die vier Quadranten der Daten (S. 49):
__
Ausnahmen Problembewusstsein psychopathologischer
Daten > Nedopil (2010).
__
Ausnahme Weber 1984
Weber (1984) referiert
in Daten sind nicht gleich Daten Coombs Datentheorie
Inhalt Kapitel I. in den Titel hineinkopiert von RS. |
KAPITEL I. DATEN SIND NICHT GLEICH DATEN: DER UNTERSCHIED ZWISCHEN
RECORDED OBSERVATIONS UND DATEN
Im Zusammenhang mit statistischen Auswertungen in den empirischen Humanwissenschaften
wird der Begriff "Daten" meist unspezifisch für jeglichen Input in
die entsprechenden Algorithmen verwendet. Solche Eingabedaten bestehen
beispielsweise aus den codierten Antworten einer Reihe von Probanden auf
bestimmte Fragebogenitems. Die vorliegende Arbeit folgt im Gegensatz dazu
einer auf Clyde Coombs zurückgehenden Tradition, den datenanalytsichen
Prozess in drei Phasen aufzugliedern. Das ganze erste Kapitel ist seinem
grundlegenden Werk "A Theory of Data" gewidmet..
Coombs unterscheidet 3 Phasen der wissenschaftlichen Analyse von Beobachtungen
(Abb. 1.1).
Phase l: Aus dem Universum aller potentiell in der Welt möglichen
Beobachtungen wird durch ein bestimmtes Beobachtungsinstrument, aufgrund
einer bestimmten Fragestellung, ein Ausschnitt festgehalten. Die genaue
Art und Weise, wie diese Beobachtungen festgehalten werden, spielt dabei
noch keine Rolle. Im allgemeinen wird es sich aber im Hinblick auf die
spätere EDV- unterstützte Verarbeitung um Zahlen handeln. Das
Resultat der ersten Phase nennt Coombs die 'recorded observations'. Wir
wollen alternativ dazu auch den Begriff Rohdatentabelle verwenden.
Phase 2: In dieser Phase tritt zu den 'recorded observations'
ein abstraktes Prinzip, eine theoretische Annahme hinzu, die wir als Datenmodell
bezeichnen wollen. Darunter verstehen wir eine theoretische Modellvorstellung
darüber, wie die Interaktion von Objekt, Instrument und Setting die
beobachteten Phänomene (die 'recorded observations') hervorgebracht
hat. Dieser etwas (>6) schwierig zu erklärende Gedanke soll an einem
kurzen Beispiel erläutert werden (Zwei weitere Beispiele werden
gleich im nächsten Abschnitt in grösserer
Ausführlichkeit besprochen werden): |
Abb 1.1. Die 3 Phasen des datenanalytischen Prozesses
nach Coombs
In einer Intelligenztest-Situation bestehe die 'recorded observation'
aus dem Lösen bzw. Nicht-Lösen einer Aufgabe durch den Probanden.
Wir überprüfen seine Lösung auf Korrektheit und notieren
'richtig' oder 'falsch'. Wenn wir dieses Vorgehen an vielen Probanden und
mit vielen Aufgaben wiederholen, erhalten wir eine Rohdatentabelle. Für
das weitere Vorgehen müssen wir nun eine theoretische Vorstellung
ausprägen, durch welche [>7] verborgenen Prozesse und Grössen
diese Observations wohl zustandegekommen sein könnten. Eine nicht
unplausible und relativ einfache Annahme, ist folgende:
Sowohl Probanden als auch Testitems haben einen Ort auf einer hypothetischen
Intelligenzskala. Der Ort des Items liegt bei jenem IQ, der benötigt
wird, um es zu lösen. Der Ort des Probanden ist so definiert, dass
er gerade oberhalb des schwierigsten Items angesiedelt wird, das er gerade
noch lösen kann. Die konkrete Datenanalyse soll die Örter aller
Items und Probanden aus der Rohdatentabelle bestimmen (Diese Modell entspricht
in etwa der sog. Guttman-Scale (auch als Simplex bezeichnet;
vgl. 'Facet Theory').
Die letztgenannten Überlegungen fügen der Rohdatentabelle
über das blosse Festhalten des Erfolgs hinaus ein wesentliches Element
hinzu. Die Performanz der Probanden wird im Lichte einer Modellvorstellung
über deren Zustandekommen interpretiert, wodurch auch bereits der
Weg zur anschliessenden Auswertungsmethode gebahnt wird.
Phase 3: Im letzten Schritt des datenanalytischen Prozesses wird
die konkrete Auswertung durchgeführt. Hierher gehören die mathematischen
Algorithmen, die statistischen Auswertungsmethoden. Nachdem in Phase 2
der Typus des Modells festgelegt worden ist, werden nun die freien Parameter
bestimmt bzw. geschätzt.
Die Tatsache, dass Coombs der Datenmodellbildung eine eigenständige
Existenz einräumt, mag wohl auf Anhieb etwas überraschen. Normalerweise
wird ein Modell eher als Teil des Auswertungsverfahrens angesehen. Es bildet
gewissermassen dessen Motivation und Hintergrund. Der Coombs'sche Ansatz
war aber für die Methodenentwicklung ungemein fruchtbar. Das Nachdenken
über Phase 2 des datenanalytischen Prozesses führte zu einer
ausführlichen Theorie - eben zur "Theory of Data" - , der es gelang,
die Vielzahl [>8] der Datenmodelle zu typisieren und zu ordnen.
... ... ..."
__
Auswahlfunktion > Auswahl.
Die einfachste Auswahlfunktion ist eine Teilmenge mit und-verknüpfter
Elementarsachverhalte. In vielen Diagnosesystemen wie z.B. ICD-10 oder
DSM nutzt man einfache Teilmengen und-verknüpfter Kriterien mit einer
unteren Schranke, etwa 5 aus 8 oder 5 aus 9 (Beispiel Borderline).
Mit einer solchen Auswahlfunktion hat man sämtliche Kriterien in ihrer
Gewichtung gleichgesetzt.
Es gibt beliebig komplizierte, bedingt verknüpfte, hierarchisch
und mit unterschiedlichen Gewichten aufgebaute Datenverknüpfungen.
Im Allgemeinen geben GutachterInnen, KlinikerInnen oder PsychotherapeutInnen
nicht an, welche Datenverknüpfungen oder Auswahlfunktionen sie bei
ihrer Arbeit benutzen, manchmal kann man es erschließen. Theorie
und Praxis der Datenauswahl und ihrer Begründung sind bislang Stiefkinder
in den Psychowissenschaften.
__
Belege fehlendes
Problembewusstsein Daten in der forensischen Psychiatrie
Als Belegexemplare für das Problembewusstsein "Daten" und "Datenerhebung"
habe ich zwei Repräsentanten ausgewählt: Venzlaff und Foerster
(2004,
2009)
und das 5bändige Handbuch der Forensischen Psychiatrie (2006-2010
> Kröber
et al.):
Nun sind Sachregistereinträge bestenfalls ein Indiz. Schon deshalb,
weil sie meist sehr nachlässig "gemacht werden". Tatsächlich
findet man auch im Kröber-Artikel deutlich mehr als aus den Sachregistern
hervorgeht. Problematisch kommt speziell bei Kröber hinzu, dass der
sich zumindest im Fall Mollath an seine eigenen Verkündigungen nicht
hält. Kröber beherrscht das Erwähnen und Aufführen,
aber
nicht das Sich-daran-halten und Ausführen.
__
Datengütekriterien
Objektivität,
Reliabilität und Validität
__
Erleben > Lebens-
und Erlebensströme.
Die Erlebensinhalte können z.B. praxisorientiert wie folgt eingeteilt
oder unterschieden werden:
__
Fuchs (1965) Das Problem der klinischen
Befunddokumentation in der Sicht der mathematischen Logik. Methodik der
Information in der Medizin, Vol 4,3, 130-134. Zusammenfassung:
"Drei Hauptprobleme der klinischen Befunddokumentation
sind:
1. die zweckmäßige Auswahl der zu
codierenden Informationen
2. optimale Codierung
3. Anpassung an die maschinellen Hilfsmittel
In Anlehnung an frühere Empfehlungen wird eine Informationsauswahl
für eine Patienten-Leitkarte vorgeschlagen. Mit den Hilfsmitteln der
mathematischen Logik läßt sich zeigen, daß alle denkbaren
Verknüpfungen dieser Informationen sich auf die Grundverknüpfungen
Negation (»nicht«) und Konjunktion (»sowohl als auch«)
reduzieren lassen. Dazu müssen allerdings die Fragestellungen in logi-stischer
Schreibweise formuliert und nach den Regeln der Boole-Algebra umgeformt
werden. Anhand von 2 Beispielen wird das Verfahren erläutert."
__
innere Wahrnehmung
„... Es braucht ja die innere Wahrnehmung darum, weil man ihr die wesentlichen
Eigenthümlichkeiten der Beobachtung abspricht, deshalb noch nicht
niedrig gestellt oder verächtlich behandelt zu werden. Letzteres wäre
gewiss um so weniger gerechtfertigt, weil, vor allem in der vorhin beschriebenen
Verbindung mit der Reproduction, die innere Wahrnehmung nicht nur ein unerlässliches
Hülfsmittel, sondern sogar das Fundament der ganzen Psychologie ist.“
Wilhelm Wundt 1888: In: Selbstbeobachtung und innere Wahrnehmung. Philosophische
Studien 4, S. 299.
Leider scheint die ebenso einfache, wie richtige
und grundlegende Idee der inneren Wahrnehmung Wundts aus der neueren
Wahrnehmungs- und Bewusstseinspsychologie verschwunden zu sein. Im Wahrnehmungsband
der Enzyklopädie der Psychologie C,II,1 (1993) gibt es im Sachregister
keinen Eintrag Innere Wahrnehmung (auch keinen zu Selbstbeobachtung, aber
einen zu „Introspektionismus“ (S. 314): „Konstanzforschung war der Kern
der Divergenz zwischen Introspektionismus und Gestaltpsychologie.“ Auch
in der Biologischen Psychologie von Bierbaumer & Schmidt aus
2003 findet sich kein Eintrag zur inneren Wahrnehmung. Selbst im
Handbuch der Psychologie, Bd. 1, (1966), 1. Halbband Wahrnehmung und
Bewusstsein, mit 1179 Seiten findet sich im Sachregister kein Eintrag
„Innere Wahrnehmung“ bzw. „Wahrnehmung, innere“. In dem neueren Werk
von Hagendorf, Herbert (2011, Hrsg.). Wahrnehmung und Aufmerksamkeit.
Allgemeine Psychologie für Bachelor findet sich kein Eintrag "innere
Wahrnehmung" im Sachregister.
__
Kostproben
psychische
Kausalität im Recht
Quelle: Koriath, Heinz (1988). Kausalität,
Bedingungstheorie und Psychische Kausalität. Göttinger rechtswissenschaftliche
Studien Bd. 139. Göttingen: Schwartz & Co; S. 191f:
"b) Entscheidungen aus dem Zivilrecht
Zur Begründung eines ursächlichen Zusammenhanges im Schadensersatzrecht
haben verschiedene Senate des Bundesgerichtshofs für Zivilsachen neben
den Fällen der Rentenneurose FN291 auch in verschiedenen anderen Fällen
mit der Figur der psychischen Kausalität argumentiert. Es ging um
die Beurteilung etwa dieser Sachverhalte:
(1) Von den Beamten (B, C, D) einer Polizeistreife
wurde A angehalten, weil an seinem PKW die hintere Kennzeichenbeleuchtung
nicht funktionierte. Noch bevor einer der Beamten A auf diesen kleinen
technischen Mangel aufmerksam machen konnte, wendete er seinen Wagen und
flüchtete mit hoher Geschwindigkeit. A wollte sich einer möglichen
Kontrolle entziehen, weil er nicht mehr im Besitz einer Fahrerlaubnis war.
Die Polizeibeamten nahmen die Verfolgung auf. Ihnen wurde, nach einer spektakulären
einstündigen Verfolgungsfahrt, eine schwierig zu durchfahrende Links-Rechtskurve
zum Verhängnis. Während A sie trotz der hohen Geschwindigkeit
meisterte, verunglückten die Polizeibeamten und wurden schwer verletzt.
FN292)
(2) Weil A ohne gültigen Fahrausweis in einem
öffentlichen Verkehrsmittel angetroffen wurde, forderte B ihn zur
Entrichtung des sog. erhöhten Fahrgeldes oder zur Vorlage seines Personalausweises
auf. A tat weder das eine noch andere, sondern suchte sein Heil in einer
raschen Flucht. So schnell er konnte lief B hinterher, rutschte aber auf
einem Treppenabsatz aus und erlitt einen komplizierten Schenkelhalsbruch
am linken Bein. FN293)
(3) Durch einen von A bei einem Überholmanöver
verursachten Frontalzusammenstoß wurde die Fahrbahn einer Straße
vollständig blockiert. Viele nachfolgende Kraftfahrer, B, C, D ...,
passierten die Unfallstelle, indem sie über den rechts befindlichen
Rad- und Fußweg fuhren, der dabei ganz erheblich beschädigt
wurde. FN294)
(4) Polizeiobermeister B hatte den 17jährigen
A festzunehmen. A mußte wegen eines geringfügigen Verkehrsdeliktes
einen Jugendarrest verbüßen. Noch in der Wohnung seiner Eltern
flieht A durch das Toilettenfenster; B versucht, dem Fliehenden nachzuspringen,
fällt jedoch in eine vor dem Fenster befindliche Baugrube, die A natürlich
übersprungen hat. Auch B verletzt sich schwer und ist für lange
Zeit dienstunfähig. FN295)
In allen Fällen lautet die Rechtsfrage: Ist
A zum Schadensersatz verpflichtet? FN296) A haftet aus § 823 Abs.
l BGB, wenn es einen Ursachenzusammenhang zwischen seinem Verhalten und
dem Schaden an Personen bzw. Sachen gibt.
Definiert man diesen Zusammenhang durch die Bedingungstheorie,
dann hat A in allen Fällen zweifellos den Schaden verursacht. Dieses
Ergebnis bleibt äquivalent, wenn man die Frage stellt, ob das Fluchtverhalten
und der Schaden einem adäquaten, also typischen und reproduzierbaren
Verhältnis zueinander stehen FN297) Was also macht diese Fälle
so problematisch? Offensichtlich scheint bei der Rekonstruktion der geschilderten
historischen Vorgänge in einer wertneutralen kausalen Sprache ein
wesentlicher Teil des natürlichen Geschehens nicht oder nur unzulänglich
wiedergegeben worden zu sein. Wie kausal man den A denn für etwas
verantwortlich machen, das in Wahrheit die Folge eines autonomen und frei
verantwortlichen Entschlusses des B. ist? FN298) Kann man das Verhalten
des B gleichzeitig als kausale Folge des Fluchtverhaltens des A und als
freie, indeterminierte eigene Entscheidung interpretieren? ..."
Hier sieht man, dass offensichtlich nicht zwischen
verschiedenen Akteuren, Bedingungen, Anlass, Auslöser, Grund (Teil
und Ganzes) unterschieden wird. Was das Recht hier als Kausalkette "verkauft"
spottet jeder Beschreibung.
__
Kröber
Hypothesengeleitete Begutachtung
Aus: Kröber, H.-L. (2010). In HBFP Bd. 2, S. 193: "2.2.3
Methodik: hypothesengeleitete Begutachtung
Bei forensisch-psychologischen Begutachtungen determinieren eine juristische
Zielvorgabe, bestehend aus einer Ausgangsfrage, und anfallende Informationen,
nämlich „Anknüpfungstatsachen“ in Akten, die Durchführung
von zielgerichteten Aktivitäten der Informationssammlung durch den
beauftragten Gutachter zum Zwecke der Gewichtung dieser Informationen („Daten“)
für Entscheidungen bzw. Entscheidungsvorbereitungen, da die endgültige
forensische Entscheidung durch den Auftraggeber erfolgt. Das in 2.2.2 erwähnte
Abbildkonzept von Psychodiagnostik als Methodik zur Kategorisierung von
Menschen (Menschenbeurteilung) kann die notwendige Integration von Personen-
und Situationsvariablen bei der Bearbeitung von forensisch-psychologischen
Fragestellungen schon deswegen nicht leisten, weil die Informationssammlung
(Datenerhebung) durch den Gutachter nicht nur Personeneigenschaften des
zu Begutachtenden betrifft, sondern zusätzlich andere Personen und
besonders auch situative Gegebenheiten einschließen muss. Forensisch-psychologische
Begutachtung folgt demselben gedanklichen Konzept wie moderne Psychodiagnostik
im Allgemeinen nach Vollzug des erwähnten Paradigmenwechsels (vgl.
Kaminski 1970; Jäger 1983; Steller u. Dahle 2001)."
Anmerkung: Kröber ist in seiner Veröffentlichungspraxis
schon so weit psychologie-assimiliert, dass er den "praktischen" Hochstaplerzitierstil
der Psychologen übernimmt ("Paradigmenwechsel"). Im Text erläutert
Kröber S. 188:
"Das hier nur kurz skizzierte Abbildkonzept von psychologischer Diagnostik,
das einen Höhepunkt in der Entwicklung psychologischer Tests hatte,
geriet in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in den USA und
mit der üblichen Verzögerung bei uns etwas später in eine
tiefe Krise. In dieser „Krise der Diagnostik“ (Pulver 1975) wurde die Zielsetzung
von Psychodiagnostik als Menschenkenntnis aus methodischen und ethischen
Gesichtspunkten in Frage gestellt. Schließlich kam es zu einer Absage
an Notwendigkeit und Möglichkeit der umfassenden Menschenbeurteilung.
Ergebnis dieser Erschütterung mit anschließender konstruktiver
Aufarbeitung der Krise im Sinne einer „Diagnose der Diagnostik“ (Pawlik
1976) war eine Neubestimmung der Aufgabe von Psychodiagnostik. Als ihr
Ziel wurde die „Optimierung von Problemlösungen“ und nicht (mehr)
die umfassende Persönlichkeitsbeurteilung definiert. Mit dem Paradigmenwechsel
war die Betonung verbunden, dass Psychodiagnostik keinen Aufdeckungs- und
Deutungsprozess für Verborgenes, sondern einen hypothesengeleiteten
Prüfprozess darstellt, um zu Entscheidungen bei praktischen Problemstellungen
beizutragen (vgl. 2.2.3)."
Globale Literaturverweise Kröbers zum "Paradigmenwechsel"
in der Psychodiagnostik
-
Jäger RS (1983) Der diagnostische Prozeß. Eine
Diskussion psychologischer und methodischer Randbedingungen. Hogrefe, Göttingen
-
Kaminski G (1970) Verhaltenstheorie und Verhaltensmodifikation.
Klett, Stuttgart. [Kaminski hat 657 Seiten, das Wort "Paradigmenwechsel"
taucht in seinem Sachregister nicht auf.]
-
Steller M, Dahle K-P (2001) Diagnostischer Prozeß.
In: Stieglitz R-D, Baumann U, Freyberger H (Hrsg.) Psychodiagnostik in
Klinischer Psychologie, Psychiatrie, Psychotherapie. Thieme, Stuttgart,
S 39–49 (2. überarbeitete Aufl von: Steller M (1994) Der diagnostische
Prozeß. In: Stieglitz R-D, Baumann U (Hrsg.) Psychodiagnostik bei
psychischen Störungen. Enke, Stuttgart, S 35–44).
__
Messen per fiat
Orth, B. (1974). Einführung in die Theorie des Messens. Stuttgart:
Kohlhammer. S. 41: "Das über die Skalierungsverfahren Gesagte gilt
sinngemäß auch für psychologische Tests. Diese sind auch
'Meßverfahren per fiat' genannt worden (Torgerson, 1958; Pfanzagl,
1968; Fischer, 1970), da sie auf dem Glauben beruhen, daß
die jeweilige Eigenschaft meßbar sei, und daß Tests zur Messung
auf Intervallskalenniveau führten. Ein weiterer Unterschied zwischen
Meßstrukturen und Tests besteht darin, daß bei letzteren nicht
ein empirisches Relativ in ein numerisches, sondern ein numerisches Relativ
in ein anderes numerisches Relativ abgebildet wird. Es werden (numerische)
Testrohwerte in numerische Testwerte abgebildet bzw. transformiert. Für
eine Messung mit Hilfe von Tests auf Intervallskalenniveau sind die meßtheoretischen
Grundlagen erst noch zu entwickeln. ..."
Zusätzliche kritische Anmerkung: Falls Rohdaten
nicht normalverteilt sind, führen die Transformationen vom Typ STANINE
oder T-WERTen zu
regelrechten Rohdaten-Ergebnisfälschungen.
__
MMPI
Die alte Langversion des MMPI (Minnesota Multiphasic
Personality
Inventory
von Starke R. Hathaway und J. Charnley McKinley herausgegeben vom Psychologischen
Institut der Universität des Saarlandes) bestand aus 566 Fragen, die
mit Ja oder Nein zu beantworten waren. Die Antworten sind psychopathologische
Daten, deren Einordnung (Zuordnung, Klassifikation) vorgegeben ist. Hier
geht es lediglich um eine Illustration und Beispiele zu psychopathologischen
Daten wie sie der MMPI erhebt:
8. Mein tägliches Leben ist voller Dinge, die mich interessieren.
10. Ich habe häufig das Gefühl, als ob ich einen Klumpen
im Halse hätte.
11. Man sollte versuchen, seine Träume zu verstehen und sich von
ihnen leiten oder warnen zu lassen.
18. Es fällt mir schwer, meine Gedanken bei einer Aufgabe oder
einer Arbeit zu behalten.
19. Ich habe sehr seltsame und fremdartige Erlebnisse gehabt.
25. Zuweilen möchte ich am liebsten etwas kaputtschlagen.
48. Wenn ich mit anderen zusammen bin, werde ich dadurch gestört,
dass ich sehr seltsame Dinge höre.
50. Meine Seele verlässt manchmal meinen Körper.
123. Ich glaube, man spioniert mir nach.
142. Ich habe Zeiten gehabt, in denen ich etwas tat, ohne später
zu wissen, was ich getan hatte.
207. Ich habe Freude an den verschiedensten Spielen und Freizeitbetätigungen.
238. Ich habe Zeiten, in denen ich so ruhelos bin, dass ich nicht lange
auf einem Stuhl sitzen kann.
270. Ich glaube bestimmt, dass man über mich spricht.
299. Ich glaube, ich empfinde stärker und tiefer als die meisten
Menschen.
301. Ich höre seltsame Dinge, wenn ich allein bin.
470. Es tut mir oft leid, dass ich so ärgerlich und schlecht gelaunt
bin.
Kritische Bemerkung: Die zeitliche Gültigkeit der Angaben ist nicht
definiert und damit unklar. Das ist vor allem auch deshalb problematisch,
weil die MMPI-Antworten, so die Autoren im Handbuch (1963), S. 40, eine
hohe Variabilität aufweisen, d.h. stark schwanken. Die erzwungene
Ja/Nein Entscheidung ist nicht suggestionsfrei.
__
Operationalisierung
Vieles, was wir Seele und Geist zurechnen, ist nicht direkt beobachtbar.
Die Merkmale von Seele
und Geist sind Konstruktionen. Daher sind Aussagen über Seele
und Geist (befinden, fühlen, denken, wünschen, wollen, eingestellt
sein, ...) besonders anfällig für Fehler. Damit man sich nicht
in rein geistigen Sphären bewegt, ist es daher in vielen Fällen
sinnvoll, ja notwendig, unsere Konstruktionen seelischer Merkmale und Funktionsbereiche
an Konkretes, Sinnlich-Wahrnehmbares, Zählbares
zu knüpfen. Damit haben wir die wichtigsten praktisches Kriterien
für Operationalisiertes benannt (in Anlehnung an das test-theoretische
Paradigma; Stichwort Operationalisierung
bei Einsicht und Einsichtsfähigkeit)
Ein Begriff kann demnach als operationalisiert gelten,
wenn sein Inhalt durch wahrnehm- oder zählbare
Merkmale bestimmt werden kann. Viele Begriffe in der Psychologie, Psychopathologie,
in Gesetzen und in der Rechtswissenschaft sind nicht direkt beobachtbare
Konstruktionen des menschliches Geistes und bedürften daher der Operationalisierung.
Welcher ontologischer Status
oder welche Form der Existenz ihnen zukommt, ist meist unklar.
Das Operationalisierungsproblem von Fähigkeiten.
Ob einer etwas kann oder nicht, lässt sich im Prinzip leicht prüfen
durch die Aufforderung, eine Fähigkeitsprobe abzulegen in der eine
Aufgabe bearbeitet wird, z.B. die Rechenaufgabe 12 - 7 + 1 = ? Hierbei
gibt es eine ganze Reihe richtiger Lösungen, z.B.: (1) die Hälfte
des ersten Summanden, (2) 5 + 1, 7 - 1 oder (3) die, an die die meisten
zuerst denken: 6. Will man prüfen, ob jemand rechtmäßige
von unrechtmäßigen Handlungen unterscheiden gibt kann, gibt
man z.B. 10 Aufgaben mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden vor und
lässt diese bearbeiten, etwa als einfacher Ja-Nein-Test oder als Begründungs-
oder Erörterungsaufgabe, wenn tiefere Einblicke gewünscht werden.
Doch wie will man herausbringen, ob jemand vor drei Monaten, am TT.MM.JJJJ
um 13.48 Uhr als man einen Gegenstand (z.B. einen Fotoapparat) in seiner
Tasche wiederfand, wusste, dass dieser Gegenstand nicht in seine Tasche
hätte gelangen dürfen?
> Drei Beispiele Innere Unruhe, Angst, Depression
(Quelle)
Merkmal (latente
Dimension) |
Operationalisierung(en) |
(a) Innere Unruhe |
Ich bin innerlich unruhig und nervös. |
(b) Angst |
Ich fühle Angst. |
(c) Depression |
Nicht selten ist alles wie grau und tot und in mir ist nur Leere. |
Hayakawa (1967) zitiert S. 241 Bridgman
kurz und bündig: "Um die Länge eines Gegenstandes herauszufinden,
müssen wir bestimmte physikalische Operationen vornehmen. Der Begriff
der Länge wird daher festgestellt, wenn die Operationen, durch die
die Länge gemessen wird, festgestellt sind .... Im allgemeinen verstehen
wir unter irgend einem Begriff nicht mehr als eine Anzahl von Operationen;
DER BEGRIFF IST SYNONYM MIT DER ENTSPRECHENDEN ANZAHL VON OPERATIONEN.
"(3)"
Zur
Geschichte des Operationalisierungsbegriffs in der Psychopathologie
Kendell (1978) berichtet, S. 27f: "Vor einigen Jahren machte der Philosoph
Carl
Hempel einem Publikum von Psychiatern und klinischen Psychologen, die
an Fragen der Diagnose und der Klassifikation interessiert waren, in taktvoller
Weise den Vorschlag, sie sollten das Problem dadurch angehen, daß
sie „operationale Definitionen" für alle die verschiedenen Krankheitskategorien
in ihrer Nomenklatur entwickelten (Hempel 1961). Dies war wirklich
der einzige Rat, den ein Philosoph oder Naturwissenschaftler überhaupt
hätte geben können. Der Ausdruck operationale Definition wurde
ursprünglich von Bridgman (1927) geprägt, der ihn folgendermaßen
definierte:
„Die operationale Definition eines wissenschaftlichen
Begriffes ist eine Übereinkunft des Inhalts, daß S auf alle
die Fälle - und nur auf die Fälle - anzuwenden ist, bei denen
die Durchführung der Testoperation T das spezielle Resultat 0 ergibt.
Wie Hempel selbst zugibt, muß im Rahmen
der psychiatrischen Diagnose der Ausdruck „operational" sehr großzügig
interpretiert werden, um auch noch bloße [>28] Beobachtungen mit
einschließen zu können. Im Grunde genommen sagt er nicht mehr,
als daß die Diagnose S auf alle die Personen, und nur auf die, angewandt
werden sollte, die das Merkmal Q bieten oder die dem entsprechenden Kriterium
genügen, wobei nur die Voraussetzung erfüllt sein muß,
daß O „objektiv" und „intersubjektiv verifizierbar" ist und nicht
nur intuitiv oder einfühlend vom Untersucher erfaßt wird.
Daraus ergibt sich die Schwierigkeit, wie man eine
ganze Reihe klinischer Bilder, von denen viele quantitativ variieren und
kein einzelnes gewöhnlich ausreicht, die fragliche Diagnose zu stellen,
auf ein einziges objektives Kriterium 0 reduzieren kann. Dies ist offensichtlich
eine schwierige und verwickelte Aufgabe. Ein großer Teil dieses Buches
ist direkt oder indirekt mit der Art und Weise befaßt, wie dieses
Ziel erreicht werden könnte. Deshalb ist es angezeigt, an dieser Stelle
zwei allgemeine Prinzipien, die sich hierauf beziehen, aufzustellen. Erstens
müssen Einzelsymptome oder Merkmale, die verschiedene Ausprägungsgrade
haben können, in dichotome Variable umgewandelt werden, indem man
ihnen bestimmte Trennungspunkte zuteilt, so daß die Frage nicht länger
lautet: „weist der Patient das X auf? " oder auch „wieviel X weist er auf?
sondern „weist er soviel X auf? ". Zweitens muß das traditionelle
polythetische Kriterium in ein monothetisches umgewandelt werden. Dies
läßt sich ganz einfach durchführen. Anstatt zu sagen, die
typischen Merkmale der Krankheit S seien A, B, C, D und E, und die Mehrzahl
von ihnen müßte vorhanden sein, bevor die Diagnose gestellt
werden kann, müssen A, B, C, D und E algebraisch kombiniert werden,
sodaß eindeutig festgelegt ist, welche Kombinationen dem Kriterium
O genügen und welche nicht.
Man könnte z.B. die Übereinkunft treffen,
daß beliebige drei oder vier der fünf Merkmale dem Kriterium
0 genügen, aber andere, komplexere Kriterien wären ebenfalls
zu akzeptieren unter der Voraussetzung, daß sich jede mögliche
Kombination damit abdecken ließe."
__
Rosenhanversuch
"Rosenhan (1973) ließ zwölf freiwillige Versuchspersonen
ohne jegliche psychische Störungen in verschiedene psychiatrische
Kliniken einweisen. Bei der Aufnahme sollten die Pseudopatienten lediglich
ein Symptom berichten, ansonsten jedoch völlig zutreffende Angaben
über sich und ihre Lebensumstände machen. Als Symptom wählte
der Autor ein Verhalten aus, das noch nie in der Fachliteratur beschrieben
worden war: Die Versuchspersonen sollten angeben, sie hörten Stimmen,
die (in deutscher Übersetzung) "leer", "hohl" und "bums" sagten. Unmittelbar
nach der Aufnahme berichteten die "Patienten" nicht mehr von diesem Symptom
und verhielten sich auch ansonsten völlig normal. Trotzdem wurden
alle Patienten als psychotisch diagnostiziert (elfmal als schizophren,
einmal als manisch-depressiv). Es lag also ein außerordentlich hohes
Ausmaß an diagnostischer Übereinstimmung vor. Dennoch waren
alle Diagnosen falsch, sie besaßen also keine Validität."
Quelle (S. 7): Margraf, J. (1994)
Mini-DIPS. Diagnostisches Kurz-Interview bei psychischen Störungen.
Berlin: Springer.
Inzwischen sind Zweifel an der Studie geäußert
geworden (22.6.2018, updated 2.11.2019 New York Post). Cahalan, Susannah
(2019) The Great Pretender: The Undercover Mission That Changed Our Understanding
of Madness. Hachette Nashville: Grand Central Publishing.
__
Roskams
Datentheorie
Aus dem Inhaltsverzeichnis (zwei der sechs Abschnitte):"
1. Kapitel: Allgemeine Datentheorie. Von Edward
E. Roskam
1. Die Datentheorie — ihre Definition
und eine allgemeine Taxonomie.
1.1 Die Definition
der Datentheorie l
1.1.1 Der Unterschied zwischen Datentheorie
und Statistik 2
1.1.2 Probabilistische vs. deterministische
Theorien 3
1.1.3 Datentheorie vs. Datenanalyse
4
1.1.4 Datentheorie und Meßtheorie
5
1.2 Eine Taxonomie von Daten
auf Beobachtungsebene 5
1.2.1 Präferenzwahldaten
6
1.2.2 Einzelreiz-Dominanzdaten. 7
1.2.3 Einzelreize, Nähedaten
8
1.2.4 Reizvergleichsdaten 10
1.2.5 Ähnlichkeitsdaten
11
1.2.6 Zusammenfassung 13
Die Datenmatrix 14
Einige Zusammenhänge.
16
2. Wahl- und Reizvergleichsdaten
16
2.1 Allgemeine Grundlagen und Modelle
16
2.1.1 Grundlegende Eigenschaften der einfachen
Wahl und der Rangbildung 16
2.1.2 Theorien des zufälligen Nutzens
vs. Theorien der zufälligen Antworten 19
2.2 Das Treffen von Wahlen und das Bilden
von Rängen 20
2.2.1 Zur Umkehrbarkeit von Rangordnungen
und das Unmöglichkeitstheorem 23
2.2.2 Das Gewinnen von Rangreihen aus Paarvergleichsdaten.
24
2.3 Einfache Wahlmodelle 26
2.3. l Das Wahlaxiom und das BTL-Modell
26
...
...
6.2
Die Bedeutung der Datentheorie für die Psychologie als Wissenschaft
122 (fett-kursiv RS)"
Roskams Schlussbetrachtung beginnt gleich mit
einer falschen Voraussetzung, wenn er nämlich schreibt:
"Als Verhaltenswissenschaft muß die Psychologie
Theorien über die Struktur von Verhalten und über die Rolle interner
und externer Determinanten des Verhaltens aufstellen"
Denn hier wird der ganz entscheidende Erlebensbereich
ausgeklammert, schließlich ist die Psychologie als die Wissenschaft
vom Erleben und Verhalten definiert. Es fehlt bei Roskam also die
gesamte psychologische Erlebens-Basis für eine Datentheorie. Und daher
kann dieser Ansatz auch nichts werden, weil ihm das Fundament fehlt. Roskam
beginnt im ersten Stock, sein Haus hängt in der Luft.
Roskam fährt fort:
"Dies erfordert die Einführung und sinnvolle
Definition [>123] von theoretischen Konzepten, z.B. von Konzepten, die
sich auf Eigenschaften beziehen, die das Verhalten gesetzmäßig
bestimmen und die es erlauben, darüber valide theoretische Aussagen
zu machen. Theoretische Konzepte beziehen sich einmal auf „Dimensionen",
„Merkmale", „Eigenschaften", „Strukturen" und dergleichen. Darüber
hinaus beziehen sie sich aber auch auf die Beziehungen zwischen ihnen.
Damit diese Konzepte sinnvoll sind, müssen sie in ein logisch konsistentes
System, das zu den beobachteten Daten in Beziehung gesetzt werden kann,
eingebettet werden. Die Datentheorie (oder besser, die Datentheorien) ist
an der Aufdeckung ihrer Struktur beteiligt. Zwar auf einem allgemeinen
(und insofern abstrakten) Niveau, jedoch nichtsdestoweniger schon so weit
ausformuliert, daß eine Fundierung der Definition (der Messung oder
der Schätzung) psychologischer Konzepte gegeben ist. Die Datentheorie
sollte das gesamte Verhalten umfassen. Dies tut sie mit ihrem heutigen
Entwicklungsstand nicht. Sie scheint jedoch breit genug angelegt zu sein,
um ihre Aufgabe in vielen Bereichen der Erforschung des Verhaltens zu erfüllen.
Und sie ist in der Lage, den Psychologen bei der Argumentation, daß
seine theoretischen Konzepte sinnvoll sind, zu unterstützen.
Zwischen der „Beobachtung"
und den „Daten" klafft eine unvorteilhafte Lücke. Oft ist es schwierig,
unter Benutzung der in diesem Kapitel umrissenen Taxonomie, den Schritt
von der Beobachtung des Verhaltens einer Person zur Aufzeichnung mit Hilfe
von Antworten auf Reize zu gehen. Dies verlangt wahrscheinlich Erfahrung
und Übung. Es ist eine schwerwiegende Benachteiligung unserer Wissenschaft,
daß es kein allgemein verbindliches definitorisches System zur Beschreibung
des Beobachteten gibt. Im Gegensatz dazu kann man feststellen, daß
die Physik aufblühte, nachdem sie sich zur Definition physikalischer
Phänomene strikt an das Raum-Zeit-Koordinatensystem hielt und mit
dieser Hilfe die Daten physikalischer Beobachtungen aufzeichnete. Dies
gestattete eine eindeutige und allgemeinverbindliche Abbildung von Beobachtungen
in Daten. [FN32].
Unglücklicherweise verfügt
die Psychologie über kein vergleichbares, allgemeinverbindliches definitorisches
System, das eine Umformung von Beobachtungen in Daten gestatten würde.
Wir hoffen jedoch, daß die Datentheorie Richtlinien für die
Entwicklung eines solchen Systems liefern kann. ... ..."
Nun das kann die Datentheorie
in der Tradition Coombs und Roskams gerade nicht. Verbindliche, standardisierte,
wiederholbare Begriffsnormierungen für den Einzelfall sind bislang
nicht in Sicht. In meinem in Arbeit befindlichen Vermächtniswerk "Psychologie
des Erlebens" werde ich hierzu Vorschläge machen.
__
Schwarmintelligenz
in der forensischen Psychiatrie
Die Idee der Schwarmintelligenz besagt, dass
die Mitglieder eines Schwarms sich, von außen betrachtet, so verhalten,
als würden sie zentral gesteuert, obwohl es keine zentrale Steuerung
gibt. Jedes Mitglied schaut etwa nur auf seinen Nachbarn und macht das,
was dieser macht.
Die Idee der Schwarmintelligenz
macht "Verschwörungstheorien" an vielen Stellen überflüssig.
Kartelle müssen sich nicht auf Geheimkonferenzen, in dunklen Hinterzimmern,
Toiletten oder noblen Bordellen absprechen. Einer erhöht die Preise
und die andern ziehen einfach mit ohne jede Absprache. So einfach ist das.
Ordnungskräfte, Behörden, Polizei, Staatsanwaltschaften und RichterInnen
zeigen, wie viele andere Interessenverbände, einen schwarmintelligenten
Chorgeist, der in seiner Wirkung auch ohne jede Verschwörung genau
so schädlich ist, wie mit Verschwörung. Man hält zusammen,
man deckt und unterstützt sich. Besonders stark scheint dieses Phänomen
in der forensischen Psychiatrie ausgebildet zu sein, sonst wäre nicht
verstehbar, wie sich eine solch mächtige Schlechtachterindustrie
entwickeln und immer mehr verbreiten konnte. Der Fall Mollath liefert ein
Paradebeispiel für die Schwarmintelligenz der "Unterbringer". Mit
Wissenschaft, Recht, Humanität, Anstand, unabhängiger Sachverständigentätigkeit
hat das wenig zu tun.
Man sollte aber auch nicht
außer acht lassen, dass es trotz aller Schwarmintelligenz, die manchmal
auch als Schwarmdummheit erscheint, natürlich auch Absprachen und
Komplotte gibt. Die Kompletthypothese im Falle Mollath ist völlig
legitim und kann nicht einfach mit dem populistischen Kampfbegriff
"Verschwörungstheorie" abgetan werden. Nicht minder legitim ist die
Hypothese, dass die forensische Psychiatrie in ihrem Geschäftsmodell
Willfährig- und Bütteldienstbarkeit übermäßig
implementiert hat. Hier wirken dann womöglich die beiden Komponenten
zusammen: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus und Wes
Brot ich ess, des Lied ich sing.
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Subsumtionsfehler
Falsche Zuweisung oder Einordnung in eine Klasse oder Kategorie.
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Tatsachenproblem
Im Familienrecht spielen z.B. viele subjektive Tatsachen (für
eine Partei) eine Rolle, die sich für die andere Partei oder auch
von einem neutral Außenstehenden betrachtet, nicht so oder sogar
ganz anders darstellen. Es wäre daher vielfach sinnvoller, von bedeutsamen
Sachverhalten zu sprechen anstatt von Tatsachen.
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unterscheidbar
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Wahn.
Der Psychiatrie ist es in den letzten Jahrhunderten nicht gelungen,
eine verbindliche Wahndefinition vorzulegen. Ich habe nach meinen Wahnstudien
eine mir angemessen und schlüssig erscheinende Wahndefinition entwickelt:
Definition: Wahn liegt vor, wenn mit rational unkorrigierbarer
(Logik,
Erfahrung) Gewissheit ein falsches Modell der Wirklichkeit
oder ein falscher Erkenntnisweg zu einem richtigen oder falschen
Modell der Wirklichkeit vertreten wird.
Beispiel falsches Modell der Wirklichkeit: Ein Passant
gähnt und das deutet ein fränkischer Proband als Zeichen Dr.
Merks, worauf er in die Knie geht und laut ruft: „Allmächd, Allmächd“.
Muss man so jemanden einsperren? Natürlich nicht.
Beispiel falscher Erkenntnisweg eines richtigen
Modells der Wirklichkeit: Ein Passant gähnt und ein Proband zieht
daraus den Schluss, dass Banken in hohen Maße an Steuerbetrugsdelikten
beteiligt sind. Passantengähnen ist keine in unserer Kultur und Wissenschaft
anerkannte Erkenntnisquelle für Schwarzgeldschiebereien, die natürlich
ein völlig reales Modell der Wirklichkeit sind.
Gustl F. Mollath hat seine Erkenntnisse nicht aus
dem Gähnen eines Passanten wahnhaft erschlossen, sondern seine Erkenntnisquellen
entsprechen genau denen unserer Kultur und Wissenschaft. Es gibt auch keine
Progredienz (Ausdehnung, Erweiterung, Fortschreitung), wenn man mit gesundem
Menschenverstand hinschaut, was der forensisch-psychiatrischen Schlechtachterindustrie
offenbar zu schwierig erscheint. Es ist ja völlig logisch und verständlich,
dass, je mehr Menschen sein Anliegen und seine Erkenntnisse ablehnen, er
entsprechend mehr AblehnerInnen sieht. Daher ist das vermeintliche Progredienzzeichen
für einen angeblich sich ausdehnenden Wahn (wohin hat er sich denn
in den letzten 10 Jahren ausgedehnt?) auch keines, sondern es erklärt
sich ganz einfach aus der Natur des Sachverhalts.
Infos zum Wahn in der IP-GIPT:
-
Wissenschaftliches
Wahnsystem am Beispiel Mollath.
-
Wahn in verschiedenen
Störungen und Krankheiten (Diagnostik).
-
Einige
Wahnbegriffe im AMDP-System.
-
Wahnformen.
-
Wahnfälle.
-
Zur Etymologie von WAHN gegenüber
WahnSINN (nach Scharfetter).
-
"Normal",
"Anders", "Fehler", "Gestört", "Krank", "Verrückt".
-
Unterscheiden Wahn und Glauben.
-
Mehr zum Wahn > Überblick
Wahn.
___
Wahnhaft im Urteil
vom 26.8.2006
(S. 25): "Auch in der Hauptverhandlung hat sich - wie bereits in den
von den Zeugen geschilderten Vorfällen - die wahnhafte Gedankenwelt
des Angeklagten vor allem in Bezug auf den Schwarzgeldverschiebungen der
Hypovereinsbank bestätigt. Mag sein, dass es Schwarzgeldverschiebungen
von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat bzw. noch gibt, wahnhaft
ist, dass der Angeklagte fast alle Personen, die mit ihm zu tun haben,
z.B. den Gutachter Dr. Wörthmüller völlig undifferenziert
mit diesem Skandal in Verbindung bringt und alle erdenklichen Beschuldigungen
gegen diese Personen äußert."
___
Zur Bedeutung des Wahns für
die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach den §§ 20 und 21
StGB.
Dölling, Dieter (2010) Zur Bedeutung des Wahns
für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach den §§
20 und 21 StGB. Forens Psychiatr Psychol Kriminol (2010) 4:166–169 [DOI
10.1007/s11757-010-0057-4]
"Zusammenfassung Für die Beurteilung
der Schuldfähigkeit eines Täters mit Wahnsymptomatik ist zunächst
zu prüfen, ob ein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 des Strafgesetzbuches
(StGB) vorliegt. Hierzu ist eine gründliche Diagnose von Art und Intensität
des Wahns sowie der ihm zugrunde liegenden psychischen Erkrankung erforderlich.
Ist ein Eingangsmerkmal gegeben, ist zu erörtern, wie sich
der Wahn im jeweiligen Einzelfall auf die Fähigkeit des Täters
zur Unrechtseinsicht und seine Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat.
Hierfür kann ein Blick auf das von Winfried Brugger entwickelte anthropologische
Kreuz der Entscheidung hilfreich sein."
Diese Beurteilungkriterien des Mitherausgebers des
Handbuches
der Forensischen Psychiatrie wurden im Fall Mollath nicht beachtet,
angewendet und eingehalten.
__
wohlunterscheidbar
gut, klar oder einfach unterscheidbar.
Der Begriff spielt historisch in der Mengendefinition Cantors eine Rolle:
"Unter einer Menge verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten
wohlunterschiedenen Objekten (m) unserer Anschauung oder unseres Denkens
(welche die Elemente von M genannt werden) zu einem Ganzen." Eine schöne
und klare Definition - aus der keineswegs hervorgeht, dass man den Unsinn
die
Menge aller Mengen bilden muss.
___
Querverweise
Standort: Katalog: Daten-Fehler (DatF).
*
Überblick: Potentielle
Fehler in forensisch-psychopathologischen Gutachten, Beschlüssen und
Urteilen der Maßregeljustiz.
Was ist ein wissenschaftliches
forensisches Gutachten?
* Befund-Fehler * Explorations-Fehler
* Untersuchungsfehler *
Überblick Forensische
Psychologie.
*
*
Dienstleistungs-Info.
*
Zitierung
Rudolf Sponsel (DAS). Katalog:
Daten-Fehler (DatF) zu Potentielle
Fehler in forensisch psychiatrischen Gutachten, Beschlüssen und Urteilen
der Maßregeljustiz. Eine methodenkritische Untersuchung illustriert
an einigen Fällen u. a. am Fall Gustl F. Mollath mit einem Katalog
der potentiellen forensischen Gutachtenfehler sowie einiger Richter-Fehler.
Erlangen IP-GIPT: https://www.sgipt.org/forpsy/NFPMRG/DatF.htm
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Änderungen Kleinere
Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet
und ergänzt.
07.12.19 Zweifel
am Rosenhanversuch vermerkt.
04.02.15 Linkfehler
geprüft und korrigiert.
22.04.14 Bridgmans
operationale Definition kurz und bündig nach Hayakawa.
28.09.13 Fehlerkorrektur:
Das falsch Kröber zugeordnete Strukturmodell ist richtig von Steller.
06.09.13 Glossar:
Operationaliserung,
Geschichte
des Operationalisierungsbegriffs in der Psychopathologie.
03.08.13 Eigener
wissenschaftlicher Standort * Wahn *
26.04.13 Fuchs
(1965) zur Bedeutung der Auswahl.