Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=26.03.2013 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung  06.10.14
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20  D-91052 Erlangen *
    Mail: sekretariat@sgipt.org_ Zitierung  & .Copyright

    Anfang_Katalog: Untersuchungs-Fehler  (UntF)_ Überblick_ Rel. Aktuelles_ Rel. Beständiges _  Titelblatt_ Konzeption_ Archiv_ Region_ Service_iec-verlag _ _Wichtige Hinweise zu Links und Empfehlungen

    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Forensische Psychologie, Kriminologie, Recht und Strafe, Bereich forensische Gutachten, und hier speziell zum Thema:

    Katalog der potentiellen forensischen Gutachtenfehler

    Untersuchungs-Fehler  (UntF)

    Zu:
    Potentielle Fehler in forensisch psychopathologischen Gutachten, Beschlüssen und Urteilen der Maßregeljustiz
    Eine methodenkritische Untersuchung illustriert an einigen Fällen u.a. am Fall Gustl F. Mollath
    mit einem Katalog der potentiellen forensischen Gutachtenfehler sowie einiger Richter-Fehler.

    von Rudolf Sponsel, Erlangen
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    Inhaltsübersicht
    Abstract - Zusammenfassung - Summary.
        Fazit des wissenschaftlichen, forensisch-psychopathologischen und gesunden 
             Menschenverstandes zur forensisch-psychopathologischen Untersuchung. 
       Allgemeine Untersuchungs- und Gutachtengliederung.

    Rechtliche Vorgaben zur forensisch-psychopathologischen Untersuchung.
       Grundsätzliches zur forensisch-psychopathologischen Untersuchung.
           Der Bundesverfassungsgerichtsbeschluss zu den Voraussetzungen einer Einweisung zur 
               Beobachtung nach § 81 StPO. 
           Kammergericht Beschluss vom 30.10.2012 zur Mitwirkung.
       Die forensisch-psychopathologische Untersuchung in Rechtsprechung und Kommentaren.

    Zur forensisch-psychopathologischen Untersuchung in den Fachveröffentlichungen. 
         Als Einstieg zum Vergleich die "gewöhnliche" Psychiatrische Untersuchung & Befunderhebung.
              Stieglitz & Fryberger (1999) Psychiatrische Untersuchung und Befunderhebung. 

       Allgemeine Ausführungen zur psychopathologischen Untersuchung (chronologisch)
          Persönliche Untersuchung des sachverständigen Arztes nach Laufs & Kern (2010).
          Exakte Angabe und getrennte Wiedergabe der Erkenntnisquellen sowie eine klare und 
              übersichtliche Gliederung nach Kröber (2010).
          Foerster & Winckler Forensisch-psychiatrische Untersuchung. (2009).
          Nowara zur forensisch-psychologischen Begutachtung im Münchener Anwaltshandbuch 
               (2006).
          Foerster im Münchener Anwaltshandbuch (2006).
          Die forensisch-psychiatrische Untersuchung bei Beweisfragen zur Gefährlichkeit und Prognose
              nach Nedopil (2005). 
          Die forensisch-psychiatrische Untersuchung nach Foerster & Winckler (2004). 
          Der Aufbau des Gutachtens nach Rasch & Konrad (2004).
          Gang und Gesichtspunkte der kriminalprognostischen psychiatrischen Begutachtung 
             nach Kröber (1999).
          Die forensisch-psychiatrische Untersuchung nach Nedopil (1996). 

       Besondere Probleme der psychopathologischen Untersuchung.
          Zur Handhabung und Bedeutung der Verweigerung einer persönlichen Untersuchung.
              Handhabung der Verweigerung der Untersuchung nach Foerster & Dreßing in Venzlaff & 
              Förster (2009). * Verweigerung der Untersuchung.
              Zwangsuntersuchung nach Foerster & Winckler in Venzlaff & Förster (2004).
              Rasch und Konrad (2004) zum Thema Vorführung, Weigerung und Zwangsbehandlung.
              Kritischer Kommentar: Persönliche Untersuchung nicht möglich.
         Verneinen der Tatvorwürfe.
              Leugnen der Tat in der prognostischen Begutachtung nach Kröber (2010). 
              Bedeutung Leugnung der Tat für die Prognose nach Kröber (2006).

    Katalog der potentiellen forensischen Gutachtenfehler. 
    Untersuchungs-Fehler (UntF).
       UntF01  Ort, Zeit, Dauer, Situation der Untersuchung bzw. Untersuchungsabschnitte 
                     werden nicht klar und eindeutig ausgewiesen.
       UntF02  Die Untersucher werden nicht nach ihren Untersuchungsaufgaben genau aufgeführt.
       UntF03  Nicht persönlich untersucht
       UntF04  Zu wenig persönlich untersucht
       UntF05  Zu kurz persönlich untersucht
       UntF06 Zu einseitig persönlich untersucht
       UntF07  Zu wenig hypothesenorientiert untersucht
       UntF08  Es wird keine hinreichend vertrauensvolle und tragfähige Beziehung 
                     angebahnt und aufgebaut
       UntF09  Es bleibt unklar, warum ein Untersuchungssegment durchgeführt wurde 
       UntF10  Es bleibt unklar, warum erforderlich erscheinendes Untersuchungssegment nicht
                     durch durchgeführt wurde
       UntF11  Die Anknüpfungstatsachen werden nicht ausdrücklich oder klar genannt.
       UntF12  Die Bedeutung der Anknüpfungstatsachen bleibt unklar.
       UntF-X: Sonstiger, bislang nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Planung zuzuordnen ist

    Literatur: Recht, historische Psypath, neuere PsyPath * Links. 
    Glossar, Anmerkungen, Endnoten: 
       Akten, Aktenlage, Aktenanalyse * Anknüpfungstatsachen und Befundtatsachen * 
       Anmerkung Kröber * BGH zu Parteiengutachten * Die Psychiatrie, der dunkle Ort des Rechts
       Einweisung zur Beobachtung: Der BVerfG Beschluss und einige Standardwerke Forensischer 
       Psychiatrie * Eigener wissenschaftlicher Standort * Forensische Datentheorie * 
       Gesetzestexte *  GOÄ-Ratgeber: Eingehende psychiatrische Untersuchung * 
       Häufigkeiten persönlicher Explorationen und Untersuchungen * 
       Hypothesendenken in der forensichen Psychiatrie völlig unterentwickelt * 
       Inhaltsverzeichnis Foerster & Winckler (2009) * Psychiatrische Untersuchung ("normale", 
       "übliche", "gewöhnlich", nicht-forensische): Jaspers (1948), Allgemeine Psychopathologie, 
       Jaspers zu Diagnose und Menschenwürde *
       Neurologen und Psychiater im Netz  Untersuchungsmethoden /  Psychiatrische  Untersuchungen,
       Rechtsbegriff * Schuldinterlokut * Tatinterlokut *
       Venzlaff: Fehler und Irrtümer in psychiatrischen Gutachten * 
       Vertrauen, Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis * Wahn *

    Zitierung & Copyright * Änderungen.



    Abstract - Zusammenfassung - Summary
    Die wichtigste Erkenntnisquelle zum Erleben ist das psychiatrische Gespräch: die Exploration.
     
    Fazit des wissenschaftlichen, forensisch-psychopathologischen und gesunden Menschenverstandes zur forensisch-psychopathologischen Untersuchung. 
    Ein Gutachten muss Befunde zu Beweisfragen kausal in Beziehung setzen.
    Rechtlich gilt, dass der Sachverständige die Begutachtung persönlich durchzu- führen und zu verantworten hat. Als fachliche Generalregel gilt, dass eine forensisch-psychopathologische Untersuchung die Daten so erhebt, auswertet, befundet und erörtert, dass die Beweisfragen (z.B. Schuldfähigkeit, Gefährlichkeit, Unterbringung) im jeweiligen Einzelfall angemessen beantwortet werden können. D.h. der Untersuchungsplan (> allgemeiner wissenschaftlicher Plan) orientiert sich an der Datenerhebung zu den Beweisfragen im jeweiligen Einzelfall. Zu den allerersten Aufgaben gehört festzustellen, ob eine entsprechende Vertrauensbeziehung für die Begutachtung vorliegt oder aufgebaut werden kann. Dazu muss die ProbandIn zuerst über die Begutachtung aufgeklärt werden, d.h. 1) über ihre Rechte, 2) über ihre Risiken, wenn sie sich auf eine Begutachtung (2a) einlässt oder (2b) nicht einlässt, und 3) über die Aufgabe und Rolle der Sachverständigen vor Gericht. Eine schriftliche Bestätigung über Form und Inhalt der Aufklärung ist wünschenswert und sicher die sauberste Lösung. In Sonderfällen wie z.B. bei Analphabeten ist eine analoge, z.B. Audiodokumentation zu fordern. Die Untersuchung ist im einzelnen zu dokumentieren und im Gutachten übersichtlich darzustellen (>Darstellungsfehler), so dass Ablauf, angewandte Methoden und Ergebnisse für psychopathologische Laien (Richter- und SchöffInnen,  Staatsanwält- und AnwältInnen) nachvollzogen und verstanden werden können.
       Zentrales Herz- und Kernstück (Erkenntnisquelle) der forensisch-psycho- pathologischen (psychiatrischen) Untersuchung  ist die psychopathologische (psychiatrische) Exploration. Bis auf wenige theoretische Ausnahmen ist sie z.B. für Beweisfragen zu den §§ 20, 21, 63 StGB unverzichtbar.
       Die Hauptaufgaben können nach dem Zeitbezug unterschieden werden: (1) Verfassung, Befinden und Verhalten in der Vergangenheit, typisch z.B. für Schuldfähigkeitsfragen (§§ 20, 21, 63 StGB, (2) Verfassung, Befinden und Verhalten in der Gegenwart, typisch z.B. für die Frage der Unterbringung (§ 63 StGB) und Gefährlichkeitsbeurteilung und die Zukunft, typisch z.B. das Prognosegutachten (§ 67 StGB) und Fragen der Sicherungsverwahrung. 
    Allgemeine Untersuchungs- und Gutachtengliederung 
    Erfassen der Beweisfragen.
    Prüfen der eigenen Zuständigkeit (Kompetenz).
    Aktenorientierung.
    Untersuchung der Voraussetzungen zur Begutachtung.
       Voruntersuchung: Information und Aufklärung der ProbandIn.
       Exploration der grundsätzlichen Mitwirkungsbereitschaft. 
       Exploration und Prüfen einer ausreichenden Vor-Vertrauensbasis.
       Möglichkeiten des Aufbaus einer Vertrauensbasis und schaffen. 
    Entscheidung zur Begutachtung (oder Rückgabe).
    Aufstellen der Hypothesen zu den Beweisfragen und hierzu 
        orientierende Aktenanalyse.
    Aktenanalyse (beweisfragenrelevant gründlich).
    Gerichtlich vorgegebene Anknüpfungstatsachen klären.
    Untersuchungsplan: was muss wozu untersucht werden? 
    Durchführung der Untersuchung.
      Daten und Gang der Untersuchung (Zeit, Datum, Situation). 
      Psychosoziale Untersuchung.
         Allgemeine Anamnese.
         Exploration zur Vorgeschichte (Delinquenzgeschichte).
         Exploration zu den Beweisfragen. 
      Körperliche Untersuchung, Technik und Labor.
    Auswertung der Untersuchung.
      Befunde zu den Beweisfragen.
      Erörterung der Befunde zu den Beweisfragen.
      Herleitung der Ergebnisse aus den Befunden zu den Beweisfragen.
      Mitteilung und Erörterung von Problemen.
    Beantwortung der Beweisfragen mit Gültigkeit, Sicherheit und 
       Reichweite.

    Allgemein gilt, dass ein Gutachten für Laien verständlich und nach- vollziehbar aufgebaut, gegliedert und dargelegt werden muss, so dass insbesondere das Gericht der Pflicht seiner Leitungs- Über- wachungs- und Kontrollfunktion nachkommen kann. 



    Rechtliche Vorgaben zur forensisch-psychopathologischen Untersuchung

    Grundsätzliches zur forensisch-psychopathologischen Untersuchung
    Kein Mensch muss an einer forensisch-psychiatrischen Untersuchung mitwirken, jeder hat das Recht eine solche Untersuchung zu verweigern. Dem widersprach lange Zeit die Einweisungspraxis nach § 81 StPO, selbst als das BVerfG am 9. Oktober 2001 ein für alle bindendes Machtwort gesprochen hatte. Allerdings hielt man sich nicht daran, insbesondere die forensische Psychiatrie hat diesen Beschluss souverän ignoriert und ihn in ihren Fachveröffentlichungen und Standardwerken verschwiegen - obwohl natürlich völlig offensichtlich ist, dass fast jede forensisch-psychologische Untersuchung auf die Mitwirkungsbereitschaft der ProbandIn angewiesen ist (> theoretische Ausnahmen). Offenbar will man "gut"achten, egal was das Recht, der gesunde Menschenverstand oder gar die ProbandInnen wollen. Damit zeigt die forensische Psychiatrie überdeutlich, wes Geistes Kind sie wirklich ist. Das war aber nur möglich, weil es von den RichterInnen nicht nur gedeckt oder gebilligt sondern oft wohl auch so gewünscht wurde. Das heißt in der Konsequenz und im Klartext: der Rechtsstaat funktioniert hier nicht.

    Der Bundesverfassungsgerichtsbeschluss vom 9. Oktober 2001 2 BvR 1523/01

    Ich beschränke mich auf die Wiedergabe der entscheidenden Passage (Rn 1, 20, 21, 22, 23, 24, 25): "
     
       Rn 1
    "Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen der Verhältnismäßig- keit einer Unterbringung nach § 81 StPO in einem Fall, in dem der Angeklagte die Zusammenarbeit mit dem psychiatrischen Sach- verständigen verweigert."
     

       Rn 20
    Eine Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Beobachtung kann danach nicht erfolgen, wenn der Beschuldigte sich weigert, sie zuzulassen bzw. bei ihr mitzuwirken, soweit die Untersuchung nach ihrer Art die freiwillige Mitwirkung des Beschuldigten voraussetzt (vgl. BGH, StV 1994, S. 231 f.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Exploration erforderlich wäre, diese aber vom Beschuldigten verweigert wird und ein Erkenntnisgewinn deshalb nur bei Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden (§ 136 a StPO) oder einer sonstigen Einflussnahme auf die Aussagefreiheit des Beschuldigten zu erwarten ist (vgl. OLG Celle, StV 1985, S. 224; StV 1991, S. 248)." 
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    Die Passage (Rn 20) des Beschlusses ist in klarem, unmissver- ständlichem Deutsch, das jede BürgerIn ab einem IQ von 90 verstehen kann. Hier wird völlig klar und eindeutig gesagt, worauf es bei der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 81 StPO zur Beobachtung ankommt, nämlich auf die Mitwirkungsbereitschaft des Beschuldigten, wenn eine Exploration erforderlich ist. 
       Ich merke an: Eine Exploration ist fast immer notwendig (> theoretische Ausnahmen), wenn es um die Beurteilung der §§ 20, 21, 63 StGB zum Zeitpunkt t2 geht, denn hier sind Verfassung, Befinden und Verhalten zu den Tatzeiten t1, die im Regelfall Monate oder Jahre zurückliegen, zu ergründen. Solche Erkenntnis- se sind aber nur über die forensisch-psychopathologische Exploration zu gewinnen und durch keine - wie auch immer geartete - Beobachtung Monate oder Jahre später. 
       Leider hat die forensische Psychiatrie bis jetzt keine wissen- schaftlich begründete und praktische Methodik vorgelegt, wie die Eingangsmerkmale im Hinblick auf die Einsichts- oder Steue- rungsfähigkeit für die Tatzeitpunkte beurteilt werden können. Ihre Methoden erschöpfen sich bislang meist im Meinen, Mutmaßen, Phantasieren, Spekulieren.

    In: Burhoff (2012) Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Auflage, abrufbar in Jurion, werden Unzulässigkeitsgründe für die Einweisung zur Beobachtung nach § 81 StPO übersichtlich dargestellt. Ein Grund liegt n.a. vor "wenn der Beschuldigte sich weigert, die Beobachtung zuzulassen bzw. bei ihr mitzuwirken, und die Untersuchung die freiwillige Mitwirkung des Beschuldigten voraussetzt (BVerfG NJW 2002, 283 [BVerfG 09.10.2001 - 2 BvR 1523/01]; BGH NStZ 1994, 95; OLG Düsseldorf StV 2005, 490; OLG Oldenburg StV 2008, 128; OLG Stuttgart StV 2004, 582; LG Hagen StraFo 2008, 157 [LG Hagen 11.02.2008 - 44 Qs 25/07]), also z.B., wenn eine Exploration erforderlich ist (OLG Celle StV 1985, 224; 1991, 248; ähnlich OLG Oldenburg, a.a.O.)."

    Mittlerweile habe ich in beck-online einen Kammergerichtsbeschluss vom 30.10.2012 gefunden, der den BVerfG Beschluss aus 2001 ernst nimmt und anwendet:
    KG, Beschluss vom 30.10.2012 - 4 Ws 117/12 - 141 AR 555/12, Normenkette: StPO § 81: Zur Anhörung des Sachverständigen und Verhältnismäßigkeit einer Unterbringung bei endgültiger Weigerung des Beschuldigten zur Mitwirkung an einer erforderlichen Exploration. Leitsätze:
    1. Die vor Anordnung einer Maßnahme nach § STPO § 81 Abs. STPO § 81 Absatz 1 StPO erforderliche Anhörung eines Sachverständigen erfüllt die Anforderungen nur dann, wenn der Sachverständige grundsätzlich nach persönlicher Untersuchung des Beschuldigten ein schriftliches Gutachten erstattet, in dem er zur Unerlässlichkeit der stationären Einweisung und deren voraussichtlicher Dauer Stellung nimmt sowie das konkrete Untersuchungskonzept wie auch dessen Geeignetheit zur Erlangung von Erkenntnissen über die im Raum stehende psychiatrische Erkrankung darlegt. (amtlicher Leitsatz)
    2. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist von einer Unterbringung nach § STPO § 81 StPO abzusehen, wenn von ihr im Hinblick auf die Weigerung des Beschuldigten zur erforderlichen Mitwirkung brauchbare Ergebnisse nicht zu erwarten sind, was insbesondere dann gegeben ist, wenn eine Exploration erforderlich wäre, diese aber vom Betroffenen endgültig verweigert wird. Die bloße Möglichkeit, aus der (längeren) Beobachtung des Beschuldigten im Rahmen des Klinikaufenthalts Rückschlüsse auf dessen psychischen Zustand und Persönlichkeit zu ziehen, reicht nicht aus. (amtlicher Leitsatz)

    Böllinger, Lorenz  & Pollähne, Helmut (2010) StGB § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Kommentar  Strafgesetzbuch, hrsg. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, 3. Auflage 2010, Rn 120-127. [beck-online, UB-Campus]
    Randnummer 125 Verweigert der Angeklagte die Begutachtung, darf der Tatrichter sich nicht mit den Befunden eines Sachverständigen aus der Beobachtung der Hauptverhandlung begnügen (BGH StV 1997, 468).

    Die forensisch-psychopathologische Untersuchung in Rechtsprechung und Kommentaren

    BeckOK StGB § 20  Eschelbach Beck'scher Online-Kommentar StGB. Hrsg: von Heintschel-Heinegg Stand: 01.12.2012, Edition: 21"
        Randnummer 119 Das Gericht, das sich zur Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen der § 20 StGB, § 21 StGB der Hilfe eines Sachverständigen bedient, muss dessen Tätigkeit gemäß § 78 StPO überwachen und leiten (Barton, 27 f; Dippel, 106 f; Schnoor, 128 ff; Streng Rn 764). Denn das Verhältnis ist so gestaltet, dass der Richter die Verfahrensleitung und Entscheidungskompetenz hat und der Sachverständige ihm „nur“ das nötige Fachwissen aus seinem Gebiet zur eigenverantwortlichen Beurteilung des Falles einschließlich der darin auftretenden psychiatrischen Fachfragen vermitteln und gegebenenfalls auch einzelne Tatsachenfeststellungen ermöglichen soll. Der Richter trägt selbst einen Teil der Verantwortung an dem Gutachten, die er durch eine umfassende Lenkung und Leitung des Sachverständigen ausüben muss (Dippel, 107).
        Randnummer 120 Zur Leitung gehört die Auftragserteilung mit genauer Fragestellung (Schnoor, 129 ff), die Mitteilung der erforderlichen Anknüpfungstatsachen (Schnoor, 131), der Hinweis auf die Rechtslage im formellen und materiellen Sinn und die Klarstellung des Ziels des Gutachtenauftrages (Schnoor, 135 ff). Die schlichte Aktenübersendung mit der generellen Frage, ob die Voraussetzungen von § 20 StGB, § 21 StGB vorliegen, ist ungenügend (Schnoor, 132 f). Der Richter hat zu überwachen, dass der Sachverständige sich an den Gutachtenauftrag hält, seine Kompetenzgrenzen nicht überschreitet und das Gutachten in angemessener Zeit erstattet. Zur Leitungsaufgabe gehört die richterliche Prüfung, ob Grundlagen, Methodik und Inhalt des Gutachtens den anerkannten Anforderungen genügen (BGHSt 49, 347, 353 ff mAnm Nedopil JR 2005, 216 f). Das Gutachten muss – soweit dies möglich ist - eine eigene Anamnese und Exploration des Probanden einschließen, deren zentralen Aspekte möglichst genau wiedergegeben und nachvollziehbar bewertet werden müssen. Aber auch externe Befunde, die nicht vernachlässigt werden dürfen, sind vom Sachverständigen auszuwerten, soweit sie für ihn verwendbar und aussagekräftig sind (Schnoor, 133 f). Ergänzende Beweiserhebungen außerhalb der Exploration hat der Sachverständige dazu nach § 80 StPO durch seinen Auftraggeber herbeiführen zu lassen (Dippel, 121). Sonstige Anknüpfungstatsachen hat also bei einem gerichtlichen Gutachtenauftrag das Gericht dem Sachverständigen zur Verfügung zu stellen (Schreiber/Rosenau in Venzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung, 160). Der Sachverständige darf demnach nicht von sich aus Zeugenbefragungen durchführen, um Befundtatsachen selbst festzustellen. Nur die Exploration des Probanden ist das dem forensisch tätigen Psychiater üblicherweise gestattete und im Rahmen des Erreichbaren erforderliche Untersuchungsmittel; im Einzelfall können apparative Untersuchungen hinzukommen, mit Blutbild, EEG, MRT usw. Auch insoweit ist aber eine vorherige Belehrung des Beschuldigten durch den Richter über Art und Ziel der Begutachtung und darüber, dass er zur aktiven Mitwirkung an der Begutachtung, insbesondere zur Auskunftserteilung im Rahmen der Exploration, nicht gezwungen ist, erforderlich (Schnoor, 140 ff; sa Haller, 13 ff). ...
        Randnummer 121 Ein Sachverständigengutachten über die Ursache einer Verhaltensstörung ist auch dann kein ungeeignetes Beweismittel, wenn der Beschuldigte die Einwilligung in eine Untersuchung durch den Sachverständigen verweigert hat, aber dem Sachverständigen Erkenntnisse über frühere Behandlungen zugänglich gemacht oder durch Befragung von Zeugen externe Erkenntnisse vermittelt werden können, die Schlussfolgerungen ermöglichen (BGH StV 1990, 246, 247). Die verwerteten Befundgrundlagen des Gutachtens müssen vom Sachverständigen in solchen Fällen allerdings besonders klargestellt werden. Wenn das Gericht zu einer abweichenden Tatsachengrundlage bei den Feststellungen über die Tat gelangt, als sie dem Gutachten des Sachverständigen zugrunde liegen, dann muss dem Sachverständigen wiederum Gelegenheit gegeben werden, sich mit den vom Gericht festgestellten Tatsachen auseinanderzusetzen (BGH StV 1986, 138 f mAnm Deckers)."
        Anmerkung: Vom BVerfG Beschluss scheint Eschelbach nichts mitbekommen zu haben.

    Streng im Münchner Kommentar (2012): "1. Die zwei „Stockwerke” von § 20
    Randnummer 12 Der Struktur von § 20 entsprechend geht es im sog. „biologischen Stockwerk” um die Frage, ob zum Zeitpunkt der Tat eines der vier „Eingangsmerkmale”, nämlich eine krankhafte seelische Störung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Schwachsinn oder eine schwere andere seelische Abartigkeit, vorlag. Nach der st. Rspr. des BGH darf nicht offenbleiben, welche der Eingangsvoraussetzungen des § 20 vorliegt, zur Fussnote [1] was bei Störungskumulationen (Komorbidität) dazu führt, dass man entweder den gewichtigsten Defekt in den Vordergrund stellt oder mehrere Eingangsmerkmale zugleich benennt. zur Fussnote [2] Auf der Erfüllung der Voraussetzungen des ersten Stockwerks aufbauend soll dann im sogenannten „psychologischen Stockwerk” geklärt werden, ob der vorliegende psychopathologische Zustand der bezeichneten Art(en) dazu geführt hat, dass der zu Begutachtende zum Tatzeitpunkt unfähig gewesen ist, „das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln”, dass maW Einsichtsfähigkeit oder Steuerungsfähigkeit fehlte. Prämisse dieser Zweistufigkeit ist, dass auch beim Vorliegen einer relevanten „biologischen” Basisstörung im Tatzeitpunkt die Beurteilung auf der darauf aufbauenden Ebene der normativ relevanten Fähigkeiten des Täters im „psychologischen” Stockwerk das Vorliegen voller Schuldfähigkeit ergeben kann."

    Eisenberg, StPO Vierter Teil. (7.A. 2011) Sachverständiger Zweites Kapitel. Untersuchungen (überwiegend) personenbezogener Art III. Untersuchung der Schuldfähigkeit 1. Psychische Krankheiten und Störungen mit Relevanz für die Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) a) Strafrechtliche Voraussetzungen bb) [Einsichts- und Steuerungsfähigkeit]
        1716(1) Als zweite Voraussetzung verlangt § 20 StGB eine tatsächliche Beeinträchtigung idS, dass kognitiv die Einsichts- oder voluntativ die Steuerungsfähigkeit[1] des Täters wegen eines der vorbezeichneten Merkmale zZt der Tat aufgehoben war [2]. Dabei ist (unbeschadet empirischer Abgrenzungsschwierigkeiten) die Frage der Steuerungsfähigkeit erst zu prüfen, wenn Einsichtsfähigkeit festgestellt wurde, dh die Anwendung des § 20 StGB darf grundsätzlich nicht auf beide Alternativen zugleich gestützt werden (BGH 21 27; NStZ 82 201; v 4. 2. 99 [4 StR 16/99] und v 16. 3. 99 [3 StR 64/99] – jeweils betr § 21 StGB – NStZ 99 495 bei Detter; VRS 71 21; bei Holtz MDR 87 93; NStZ 91 529; offen gelassen in BGH NStZ 95 226; zu ausnahmsweise alternativer bzw gleichzeitiger Bejahung BGH NStZ-RR 98 294 mNachw bzw 06 168; s zu teilweise abw Praxis Verrel MKrim 94 281).
        1719(c) Die Einsichts- und die Steuerungsfähigkeit müssen sich auf eine konkrete Tat beziehen. Daher ist die Feststellung einer einschlägigen psychischen Krankheit oder Störung nur relevant, wenn sie sich in der Tat ausgewirkt hat (BGH NStZ 98 397). Die Einsichts- und die Steuerungsfähigkeit können ggf für die eine Tat bejaht, für eine andere verneint werden, sofern dies widerspruchsfrei ist (vgl BGH v 10. 7. 08 [5 StR 253/08], hier vern); ebenso können sie für verschiedene (subj) Tatbestandsmerkmale verschieden beurteilt werden.[5]
        1715(2) Stets ist die Frage der Verlässlichkeit der (tatzeitbezogenen) Diagnose einer (oder mehrerer) seelischer Krankheiten oder Störungen sowie der Zuordnung zu einem (oder mehreren) der in § 20 StGB genannten Rechtsbegriffe von der Frage nach den Auswirkungen auf die in §§ 20, 21 StGB bezeichneten Fähigkeiten (vgl 1716?ff) zu trennen. Demgemäß ist die generelle Annahme verfehlt, zB psychopathische oder neurotische Verhaltensstörungen wiesen eine geringere Intensität auf als psychotische (vgl näher 1796).[9] Auch ist weder theoretisch noch in der Praxis die Auffassung belegbar, psychotische Störungen erfüllten von vornherein mit großer Wahrscheinlichkeit,[10] psychopathische oder neurotische Störungen jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB[11].

    Bloße psychopathologische Diagnosen genügen nicht - Der häufigste forensisch-psychopathologische Fehler bei der Schuldfähigkeitsprüfung
    Früher war es üblich, wenn PsychiaterInnen feststellten, jemand habe eine Schizophrenie, sei manisch oder leide an einem psychoorganischen Syndrom mit Wahnvorstellungen, dann auch zu sagen, der Proband sei schuldunfähig bzw. geschäftsunfähig. D.h. die bloße Diagnose genügte seinerzeit, um auf Schuldunfähigkeit (oder, im Zivilrecht, auf Geschäftsunfähigkeit) zu schließen. Das hätte zwar nicht sein dürfen, weil der § 20 StGB in seinen Anforderungen - Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften ... -  völlig klar ist, aber es hatte sich eben eingebürgert.
        Diese für die PsychiaterInnen angenehm-bequemen Zeiten sind vorbei. Die Rechtsprechung hat inzwischen eine klare wissenschaftliche Position eingenommen und verlangt nun die echte Erfüllung des § 20 StGB, nämlich dass die forensischen PsychopathologInnen nachvollziehbar und schlüssig aufzeigen  müssen, dass zwischen der Diagnose und der Tathandlung eine kausale Beziehung besteht. Das sehen auch seit 2005 die Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten vor: 1.13, 1.17, 1.18, 1.21. Und in den meisten juristischen Kommentaren ((z.B. Streng, Eisenberg) zu den §§ 20, 21 StGB wird klipp und klar ausgeführt, dass der Zusammenhang zwischen Störung und Auswirkung bei der Tat aufzuzeigen ist, wie es das Gesetz ja auch formuliert: „Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften ...“.

    Kurzcharakteristiken der durchgesehenen BGH-Beschlüsse zu Schuldfähigkeitsfragen und Gutachten
    Durchgesehen wurden 19 BGH-Beschlüsse von 2000 bis 2009 nach dem Suchbegriff "Schuldfähigkeit". Aus 10 der 19 Beschlüsse wurden für das forensisch-psychopathologische Gutachten Leitlinien entnommen. Der erste Beschluss stammt aus 1991 zur Frage der Geschäftsfähigkeit (die zivilrechtliche Entsprechung zur strafrechtlichen Schuldfähigkeit).

    1. BGH  Darlegen wie sich eine Störung auf die Willensbildung auswirkt.
    2. BGH  Einfluss der Störung auf die Tat konkret und sicher feststellen.
    3. BGH  Diagnose nicht hinreichend, Auswirkungen auf Tat und Leben zeigen.
    4. BGH  Nähere Umstände der Taten beachten.
    5. BGH  Ganzheitsbetrachtung und eingehende Prüfung und Erörterung.
    6. BGH  Gründliche Auseinandersetzung mit allen Motiven und der Persönlichkeitsstörung erforderlich.
    7. BGH  Tatrichter muss Gutachten überprüfen.
    8. BGH  Gründliche Auseinandersetzung mit der Störung und Gesamtschau erforderlich.
    9. BGH  Anforderungen an psychiatrische Gutachten: es hat näher darzulegen, in welcher konkreten Weise sich die festgestellten psychischen Auffälligkeiten bei der Tat auf das Einsichts- oder Hemmungsvermögen ausgewirkt haben.
    10. BGH  Diagnose Persönlichkeitsstörung hat für sich genommen keine Folgen für die Schuldfähigkeit.
    11. BGH  Gericht muss Gutachten prüfen und Gutachten muss Auswirkungen der Störungen auf Einsichts- und Hemmungsvermögen darlegen.


    Abstract - Zusammenfassung - Summary BGH Beschlüsse  (2000-2009)
    Diagnosen oder Feststellungen von psychischen Störungen genügen nicht, um die Voraussetzungen für Schuldunfähigkeit zu begründen. Es müssen konkrete, nachvollziehbare und ausführliche Darlegungen erfolgen, zu welchen Eingangsmerkmalen des § 20 StGB die einzelnen Störungen gehören und wie sie sich auf die einzelnen Handlungen bei Begehung der Tat(en) auswirken (wie es der § 20 auch treffend formuliert: "Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften ... "). Dies ist auch schon deshalb notwendig, damit sich das Gericht ein eigenes Bild und Urteil bilden kann, wozu es auch verpflichtet ist. Daher darf das Gericht ein Sachverständigengutachten nicht einfach übernehmen, vielmehr muss es das Gutachten kritisch prüfen und kontrollieren. Das geht natürlich nur, wenn das Gutachten in klarem Deutsch vorliegt und sein Vorgehen übersichtlich deutlich macht und angemessen begründet. Die Diagnosen, die den Eingangsmerkmalen zugeordnet werden, müssen sicher sein und dürfen nicht als Vermutungen, Möglichkeiten, hypothetische Erwägungen bzw. durch oder verknüpfte Alternativen formuliert sein. Bei Persönlichkeitsstörungen ist zudem eine Gesamtschau und umfassende Betrachtung (Lebensverlauf, Persönlichkeit, Verhalten vor der Tat, bei der Tat und nach der Tat) erforderlich. Die näheren Umstände der Tat sind stets beachtlich, aufzuklären und ausreichend zu erörtern.

    Ergänzungen BGH und andere höhere Gerichtsbeschlüsse:

    • OLG Naumburg Ergebnisoffene Fragestellung geboten

    • Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus – externe Begutachtung. StPO § STPO § 463 STPO § 463 Absatz IV
      Bei der Beauftragung eines externen Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens nach § STPO § 463 STPO § 463 Absatz IV StPO hat die Strafvollstreckungskammer eine ergebnisoffene Begutachtung sicherzustellen. Dem widerspricht die Bezugnahme auf eine als vorhanden vorausgesetzte psychische Erkrankung des Untergebrachten im Gutachtenauftrag. OLG Naumburg, Beschluss vom 24. 10. 2012 - 1 Ws 442/12
    • BGH: Beschluss vom 25.05.2011 - 2 StR 585/10. Leitsatz: Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger hat die Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung. Es besteht daher ein Delegationsverbot, soweit durch Heranziehung anderer Personen die Verantwortung des Sachverständigen für das Gutachten in Frage gestellt wird. (Leitsatz der LSK -Redaktion)

    • OLG Hamm Anforderungen an eine psychiatrische Untersuchung durch einen Sachverständigen
      FGG §§ FGG § 12, FGG § 70e; BGB § BGB § 1906 BGB § 1906 Absatz I Nr. 2
      1. Es bestehen keine allgemeingültigen Anforderung an die Art und Weise der persönlichen Untersuchung des Betroffenen durch den Sachverständigen. Ausreichend ist eine persönliche Kommunikation, die dem Sachverständigen unter medizinisch-fachlichen Gesichtspunkten nach Lage des Einzelfalls insgesamt eine fundierte Aussage ermöglicht.
      2. Die Unterbringung nach § BGB § 1906 BGB § 1906 Absatz I Nr. 2 BGB setzt eine Beurteilung voraus, die gestützt auf die sachverständige Beurteilung mit konkreten Feststellungen die Beeinträchtigungen des Betroffenen sowie zu erwartende weitere Schäden gegen die Erfolgsaussichten der beabsichtigten medizinischen Behandlung abwägen muss. OLG Hamm, Beschluss vom 9. 12. 2008 - I-15 Wx 283/08
    • BGH Anforderungen an ein psychiatrisches Sachverständigengutachten BGH, Beschluß vom 12. 11. 2004 - 2 StR 367/04. 1. Das gemäß § FAMFG § 280 FamFG im Betreuungsverfahren einzuholende Sachverständigengutachten muss so gefasst sein, dass das Gericht es auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin überprüfen kann (im Anschluss an den Senatsbeschl. v. 19. 1. 2011 – BGH 19.01.2011 Aktenzeichen XII ZB 256/10 – FamRZ 2011, FAMRZ Jahr 2011 Seite 637 = FGPrax 2011, FGPRAX Jahr 2011 Seite 156 Rn. FGPRAX Seite 156 Randnummer 12 mwN).
    • OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.7.2004, 20 W 299/04, OLGR 2004; 416 = FamRZ 2005, 303 = FGPrax 2005, 23: Eine ärztliche Stellungnahme, die ein mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragter Sachverständiger ohne zeitnahe persönliche Untersuchung oder Befragung des Betroffenen nur aufgrund eines telefonischen Gespräches mit diesem zur Vereinbarung eines Untersuchungs-termins abgibt, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an ein ärztliches Attest im Verfahren zur vorläufigen Bestellung eines Betreuers. Quelle: https://wiki.btprax.de/Sachverst%C3%A4ndigengutachten]


    C. Maßnahme und Ziel der Beobachtungsunterbringung (§ 284 Abs 1 S 1 FamFG)
    Randnummer 3 Die Beobachtungsunterbringung ist stationäre Aufnahme des Betroffenen gegen oder ohne dessen Willen in ein geschlossenes psychiatrisches Krankenhaus oder in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses. Ist der Betroffene bereit, sich ambulant oder stationär untersuchen zu lassen, ist sie ausgeschlossen. Ist der Betroffene grds willig, Fragen zu beantworten, lehnt er aber körperliche Diagnoseeingriffe ab und sind solche unumgänglich, um eine wissenschaftliche stichhaltige Diagnose zu fällen, kommt eine Unterbringung nur in Betracht, wenn sich aus der Befragung und einer körperlich nicht eingreifenden Untersuchung nicht hinreichende Gesichtspunkte für eine Betreuung rechtfertigende Krankheitssymptome ermitteln lassen. Diagnoseeingriffe sind auch dann nur möglich, wenn der Patient einwilligungsunfähig ist und die Einwilligung durch einen Bevollmächtigten oder in Folgeverfahren durch den Betreuer erteilt wird. Zwangsbefugnisse werden dadurch nicht eröffnet." Quelle: BeckOK FamFG § 284 Rn 3 - 6 Autor: Günter Beck'scher Online-Kommentar FamFG Hrsg: Hahne/Munzig Stand: 01.01.2013, Edition: 7
     



    Zur forensisch-psychopathologischen Untersuchung in den Fachveröffentlichungen
    Es gibt allgemeine Grundsätze der psychopathologischen, psychiatrischen und der forensisch-psychopathologischen Untersuchung, die sich aus den jeweiligen formulierten Mindestanforderungen und Standards ergeben. Im einzelnen hängen Inhalt und Gang der forensisch-psychopathologischen Untersuchung von den Beweisfragen ab. Hier lassen sich typische Fragestellungen der Gerichte unterscheiden: Betreuungsfragen, Delikthaftung, Gefährlichkeit und Prognose, Geschäftsfähigkeit, Glaubhaftigkeit, Kindeswohl, Prozeßfähigkeit, Reife, Schuldfähigkeit, Testierfähigkeit, ...

        Als Einstieg zum Vergleich die "gewöhnliche" Psychiatrische Untersuchung & Befunderhebung.
             Stieglitz & Fryberger (1999) Psychiatrische Untersuchung und Befunderhebung.
       Allgemeine Ausführungen zur psychopathologischen Untersuchung (chronologisch)
          Persönliche Untersuchung des sachverständigen Arztes nach Laufs & Kern (2010).
          Exakte Angabe und getrennte Wiedergabe der Erkenntnisquellen sowie eine klare und
              übersichtliche Gliederung nach Kröber (2010).
          Foerster & Winckler Forensisch-psychiatrische Untersuchung. (2009).
          Nowara zur forensisch-psychologischen Begutachtung im Münchener Anwaltshandbuch (2006).
          Foerster  im Münchener Anwaltshandbuch (2006).
          Die forensisch-psychiatrische Untersuchung bei Beweisfragen zur Gefährlichkeit und Prognose
              nach Nedopil (2005).
          Die forensisch-psychiatrische Untersuchung nach Foerster & Winckler (2004).
          Der Aufbau des Gutachtens nach Rasch & Konrad (2004).
          Gang und Gesichtspunkte der kriminalprognostischen psychiatrischen Begutachtung
             nach Kröber (1999).
          Die forensisch-psychiatrische Untersuchung nach Nedopil (1996).
       Besondere Probleme der psychopathologischen Untersuchung.
          Zur Handhabung und Bedeutung der Verweigerung einer persönlichen Untersuchung.
              Handhabung der Verweigerung der Untersuchung nach Foerster & Dreßing in Venzlaff &
              Förster (2009). * Verweigerung der Untersuchung.
              Zwangsuntersuchung nach Foerster & Winckler in Venzlaff & Förster (2004).
              Rasch und Konrad (2004) zum Thema Vorführung, Weigerung und Zwangsbehandlung.
              Kritischer Kommentar: Persönliche Untersuchung nicht möglich.
         Verneinen der Tatvorwürfe.
              Leugnen der Tat in der prognostischen Begutachtung nach Kröber (2010).
              Bedeutung Leugnung der Tat für die Prognose nach Kröber (2006).
     

    Als Einstieg zum Vergleich die "gewöhnliche" Psychiatrische Untersuchung und Befunderhebung
    Die forensisch-psychiatrische Untersuchung unterscheidet sich inhaltlich von der gewöhnlichen psychiatrischen Untersuchung im wesentlichen nur durch Hinzunahme der Themen, die sich aus den Beweisfragen ergeben, und dass für den Sachverständigen die ärztliche Schweigepflicht nicht gilt.

    Stieglitz & Fryberger (1999) Psychiatrische Untersuchung und Befunderhebung
     
    l   Das psychiatrisch-psychotherapeutische Gespräch 
    1.1  Arzt-Patient-Beziehung 
    1.2  Strukturierung des Gesprächs 
    1.3  Grundlagen der Gesprächsführung 
    1.4  Spezielle Aspekte der Gesprächsführung
    1.4.1  Äußere Bedingungen 
    1.4.2  Schwierige Situationen 
    1.4.3  Schweigepflicht 

    2  Psychiatrische Befunderhebung 
    2.1   Überblick
    2.2   Soziodemographische Angaben 
    2:3   Krankheitsanamnese ;
    2.3.1  Aktuelle Krankheitsanamnese
    2.3.2  Vorgeschichte 
    2.4   Familienanamnese 
    2.5   Biographie 
    2.6   Somatischer Befund 
    2.7   Persönlichkeit 
    2.7.1 Persönlichkeitsstruktur
    2.7.2 Prämorbide Persönlichkeit 
    2.8 Psychopathologischer Befund 
    2.9 Diagnostische Überlegungen
    2.10 Behandlungsplanung 

    3   Untersuchungsebenen 
    3.1    Symptomebene 
    3.1.1 Bewußtseinsstörungen 

    3.1.2 Orientierungsstörungen 
    3.1.3 Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen 
    3.1.4 Denkstörungen 3.1.5 Wahrnehmungsstörungen 
    3.1.6 Ich-Störungen 
    3.1.7 Zwangs- und Angststörungen 
    3.1.8 Störungen der Affektivität 
    3.1.9 Psychomotorische Störungen und Antriebsstörungen 
    3.1.10 Zirkadiane Besonderheiten 
    3.1.11 Sozial- und Krankheitsverhalten ..
    3.1.12 Aggressive Erlebens- und Verhaltensmuster 
    3.1.13 Dissoziative Störungen 
    3.1.14 Somatische Störungen 
    3.1.15 Intelligenzstörungen 
    3.2      Syndromebene ,

    4   Erhebungsinstrumente
    4.1   Überblick 
    4.2   Klinische Beurteilungsverfahren

    5   Dokumentation 
    5.1  Befunddokumentation
    5.2  Krankengeschichte ..
    5.3  Basisdokumentation .

    6   Anhang: Selbst- und Fremdbeurteilungs-
    verfahren zur Objektivierung und Quantifizie-
    rung psychopathologischer Befunde
    _


    _
    Allgemeine Ausführungen zur psychopathologischen Untersuchung
    Die Aufgabe eines Gutachtens besteht kurz gesagt darin, psychopathologische Befunde des Erlebens und Verhaltens zu Beweisfragen kausal zu begründen.

    Persönliche Untersuchung des sachverständigen Arztes.
    Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts 4. Auflage 2010. 21. Kapitel. Der Arzt als Sachverständiger und Gutachter, V. Eigenverantwortliche Erstellung und Erstattung des Gutachtens (fett-kursiv RS):

      „Randnummer 19 Hier erhebt sich die Frage, was nach diesen höchstrichterlichen Grundsätzen noch unter Einschaltung von Hilfspersonen bei der Gutachtenanfertigung erlaubt ist. Der SV muss auf alle Fälle in jeder Phase der Vorbereitung am Gutachten die Organisationsgewalt eigenverantwortlich innehaben und sie auch tatsächlich ausüben. Er muss aber auch bei der anschließenden Formulierung der Endfassung seines Gutachtens das Heft stets in der Hand behalten und die fachliche Leitung wahren. Der SV darf den Gegenstand seiner gutachtlichen Meinung also nicht unmittelbar durch die bloße Übernahme von Erkenntnissen Dritter, der Mitarbeiter, bilden. In der begutachtenden Medizin heißt dies: Der SV muss den Patient selbst untersuchen und im Gutachten exakt kenntlich machen, welche Vorarbeiten von seiner Hilfskraft, seinem Oberarzt oder Assistenzarzt, durchgeführt wurden und in welchem Umfang diese im Einzelnen tätig geworden sind. Wer dies als SV negiert und missachtet, versündigt sich an der Institution des gerichtlich beauftragten oder – für andere Fachrichtungen gesprochen – öffentlich bestellten und vereidigten SV.“
    ___
    Exakte Angabe und getrennte Wiedergabe der Erkenntnisquellen sowie eine klare und übersichtliche Gliederung nach Kröber (2010).
    Kröbers Arbeiten sind  mit Vorsicht zu genießen, weil seine theoretischen Verkündungen in einigen Fällen nicht mit seiner Praxis übereinstimmen (extrem etwa im Fall Mollath), so dass man sich auch fragen muss, welchen Stellenwert seine Verkündigungen haben, wenn er sie selbst in der Praxis so missachtet.. Im Lichte des von der forensischen Psychiatrie ignorierten BVerfG-Beschlusses zur Einweisung nach § 81 StPO stellt sich diese Frage verschärft an die ganze Zunft.
    Kröber (2010, S. 168ff) fordert (theoretisch) für die Gliederung des Gutachtens:
     
      "Exakte Angabe und getrennte Wiedergabe der Erkenntnisquellen
      sowie eine klare und übersichtliche Gliederung

      Schon von einer Zeitung verlangt man die saubere Trennung von Nachricht und Kommentar und die Offenlegung der Erkenntnisquellen. Umso mehr gilt dies für Gutachten, die sich wissenschaftlicher Methodik und Erkenntnisse bedienen sollen. Üblicherweise ist ein Gutachten also in mehrere Kapitel gegliedert:

      (a) Zunächst werden meistens die für die Begutachtung relevanten Akteninformationen zusammenfassend referiert. Der Verzicht hierauf – wenn z. B. die vorgeworfene Straftat nicht nach Zeit, Ort, Opfer und Tatablauf skizziert wird, relevante Zeugenaussagen und Einlassungen zur Person und psychischen Verfassung des Beschuldigten „als bekannt vorausgesetzt“ werden – weckt den meist zutreffenden Verdacht auf nur flüchtiges Aktenstudium und beeinträchtigt Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Schlussfolgerungen des Gutachtens. Allerdings ist die komprimierte Wiedergabe der gutachterlich relevanten Akteninformationen harte Arbeit; wörtliche Zitate sind nur ausnahmsweise und wegen charakteristischer Formulieren erlaubt, abzulehnen sind seitenlange Zitate und eine wahllose Wiedergabe, deren argumentativer Sinn unverständlich bleibt.
          In die Darstellung der Aktenlage gehören also:

      • Tatvorwurf (Anklageschrift oder Haftbefehl oder Strafanzeige),
      • Tatablauf (laut Anklage etc. und/oder Zeugenangaben),
      • Einlassung des Beschuldigten/Angeklagten zur Tat,
      • Blutentnahmeprotokoll, Ergebnis der Untersuchung einer Blutalkoholkonzentration
      • frühere Angaben des Beschuldigten zu seiner psychischen Verfassung zur Tatzeit,
      • Zeugenangaben, die auf die psychische Verfassung schließen lassen,
      • Bundeszentralregister-Auszug, frühere Urteile, Beiakten: Vorstrafen, delinquente Vorgeschichte (einschlägige frühere Taten, frühere Tatmuster, frühere Straftaten, Ähnlichkeit der Hintergründe früherer Taten (z. B. Alkoholisierung), Alter bei erster Verurteilung, Häufung oder Seltenerwerden von Straftaten in welchen Lebensaltern,
      • frühere Urteile, (Jugend-)Gerichtshilfebericht, Zeugen: Angaben zur Biographie, soweit von Belang und nicht besser in der eigenen Exploration enthalten,
      • frühere Begutachtungen – Befunde, Diagnosen, rechtliche Beurteilungen.


      Die Mindeststandards verlangen hier das Kenntlichmachen der interpretierenden und kommentierenden Äußerungen und deren Trennung von der Wiedergabe der Informationen und Befunde. Es kann aus Gründen der Lesbarkeit und zur raschen Erledigung randständiger Probleme allerdings sinnvoll sein, dass man bei der Darstellung früherer Dokumente, z. B. früherer Urteile und Gutachten, sogleich darauf hinweist, dass sich inzwischen bestimmte Annahmen als unzutreffend herausgestellt haben. Solche Kommentare müssen natürlich als solche erkennbar und belegt sein. Manchmal kann es auch sinnvoll sein, darauf hinzuweisen, dass sich bestimmte frühere Theorien (z. B. über Tathintergründe) nicht auf belegte Fakten stützen konnten. All dies gilt besonders dann, wenn sehr umfangreiches Aktenmaterial zu verarbeiten ist.
      (b) In einem eigenen Abschnitt werden die Angaben des Probanden referiert; auch hier sind bisweilen Zwischenüberschriften sinnvoll, welche die nun verhandelten Themenbereiche benennen (gegenwärtiges Befinden, medizinische Vorgeschichte, Suchtprobleme, Angaben zur Lebensgeschichte, sexuelle Entwicklung, Vorgeschichte der Tat, Stellungnahme zum Tatvorwurf).
          (c) Die fachkundige Beobachtung und Untersuchung des Probanden in den Begegnungen mit dem Sachverständigen findet ihren Niederschlag in einer ausführlichen Verhaltensbeschreibung im Rahmen des psychischen Befundes. Dieser psychische Befund bezieht sich keineswegs nur auf grobe psychopathologische Ausfälle, sondern zielt auf eine differenzierte Beschreibung der Persönlichkeit unter Berücksichtigung ihrer Eingebundenheit in ein soziales Umfeld und eine bestimmte Situation. Soweit der Sachverständige mitteilt, was alles an psychopathologischen Symptomen nicht der Fall ist, soll er dies kurz und bündig tun. Hinsichtlich dessen, was der Fall ist, soll er ausführlich und anschaulich sein, unter aufmerksamer Meidung von Fachbegriffen (es gibt eine Vielzahl treffender deutscher Worte zur Beschreibung von Gestimmtheit und Auftreten; „mürrisch“ und „missmutig“ ist nachprüfbarer und verständlicher als „dysphorisch“); das Gutachten geht an medizinische Laien, nicht an Psychiater. Wo Fachbegriffe unbedingt erforderlich sind, weil sie allein diagnostisches Gewicht verdeutlichen (wie „Wahnwahrnehmung“, „Neologismen“, „Gedankenlautwerden“, „akustische Halluzination“), sind sie natürlich geboten und ggf. zu erläutern. Ist der psychische Befund kürzer als eine Seite, ist er sehr kurz. Er folgt beispielsweise einer etwa dreiteiligen Gliederung: äußerer Eindruck und Verhalten in der Begutachtungssituation – spezieller psychiatrischer Befund – Persönlichkeitsbild. Der psychische Befund ist ein Spiegel der Aufmerksamkeit und psychiatrischen Wahrnehmungsfähigkeit des Sachverständigen. Es ist dies wie jede eine subjektive Wahrnehmung (es gibt keine „objektive“ Wahrnehmung von Stimmungen, Verhalten und Persönlichkeitsartung), aber eine beruflich geschulte, die schriftlich dokumentiert wird, um sie intersubjektiv überprüfbar zu machen. Von diesem psychischen Befund – als einer differenzierten Zustandserfassung – profitiert man als Jahre später befasster Gutachter bisweilen mehr als von den gutachterlichen Schlussfolgerungen.
      (d) Zusätzlich durchgeführte Untersuchungen (z. B. bildgebende Verfahren, testpsychologische Befunderhebung, Fremdanamnese) sind gesondert zu dokumentieren, natürlich auch hinsichtlich der Personen, die die Untersuchung oder Befundung durchführen. Der Sachverständige hat es zu begründen, wenn die Erschließung weiterer Informationsquellen notwendig ist. Zusätzlich zu medizinischen und psychologischen Untersuchungsver-[>170] fahren kann z. B. die Einholung fremdanamnestischer Angaben von signifikanten Dritten (z. B. Eltern, Partnerinnen) zur Gewinnung von Informationen über die psychiatrische und soziale Vorgeschichte und die aktuelle Lebenssituation des Probanden hilfreich sein; in der klinischen Psychiatrie sind solche Fremdanamnesen durchaus gebräuchlich. Im Strafverfahren ist es allerdings problematisch, wenn der Sachverständige eigenständig ermittelt. Während medizinische und psychologische Untersuchungsverfahren von ihm selbst durchgeführt oder veranlasst werden können, sind Zeugenvernehmungen (sog. Fremdanamnese) durch den Sachverständigen angreifbar; es ist hier allemal in enger Absprache mit dem Auftraggeber vorzugehen. Allemal müssen solche Fremdanamnesen unter Verweis auf Schweigerechte durchgeführt und sorgfältig dokumentiert werden. Fragwürdig sind sicherlich reine Telefoninterviews, zumal wenn selektiv nur einige passende Sequenzen schriftlich dokumentiert werden.
          (e) Als weitere Kapitel folgen dann die Diagnose, ggf. mit der Diskussion der differentialdiagnostischen Aspekte, und schließlich das abschließende Kapitel Zusammenfassung (der relevanten Anknüpfungstatsachen) und
      Beurteilung (Beantwortung der Beweisfragen). Bis einschließlich zur Diagnose ähnelt ein Gutachten weitgehend einer psychiatrischen Eingangsuntersuchung. Nun aber wird kein Behandlungsvorschlag erwartet, sondern der Abgleich mit einer rechtlichen Fragestellung. Wie findet man den Zugang zu dieser Antwort? Es ist manchmal nützlich, zu Beginn der Zusammenfassung kurz den Tatvorwurf zu skizzieren und zu erklären, man solle zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten oder Angeklagten Stellung nehmen. Sodann kann man zusammenfassend die für die psychiatrische Beurteilung wichtigen biographischen und sonstigen Sachverhalte referieren, psychiatrisch bewerten und damit auch die Diagnose begründen. Gegebenenfalls erfolgt hier eine Auseinandersetzung mit Befunden und Diagnosen von Vorgutachten.
      Jetzt fängt das spezifisch Gutachterliche an. Ausgehend von dem Befund könnte man so vorgehen, dass man zunächst klärt, was alles man nun aussortieren kann: Welche der 4 Rechtsbegriffe des § 20 StGB kommen anhand des Befundes sicherlich nicht in Betracht? Wenn gar keiner übrig bleibt, kann gleichwohl eine Erörterung der Persönlichkeit, der Tatmotive und möglicher Interventionsformen dem Gericht eine treffende Urteilsfindung erleichtern; eine verminderte Schuldfähigkeit kommt dann aber nicht mehr in Betracht, auch keine psychiatrische Maßregel gemäß § 63 StGB. Aber auch wenn eine psychiatrische Diagnose zu stellen ist und diese Störung nach Qualität und Intensität eine der vier Eingangsvoraussetzungen erfüllt – z. B. „schwere andere seelische Abartigkeit“ –, so hat nun eine Diskussion der psychologischen und psychodynamischen Tathintergründe zu erfolgen. Dabei muss die vorgeworfene Tat genauer gemustert werden: was die Tat ihrerseits über den Täter, seine Motive und seine Leistungsfähigkeit aussagen könnte. Dies ist wiederum abzugleichen mit den Hypothesen über Leistungsfähigkeit und Beeinträchtigungsgrad des Beschuldigten. (Der Sachverständige darf auch bei dem nicht geständigen Angeklag-[>170] ten hypothetisch davon ausgehen, dass dieser der Täter ist; nur dann stellt sich überhaupt die Frage der Schuldfähigkeit. Er muss natürlich kenntlich machen, dass dies für ihn eine Arbeitshypothese und keineswegs eine Überzeugung ist.)
          All dies mündet in die gutachterliche Beurteilung, ob die psychische Besonderheit des Probanden von Bedeutung allgemein für Delinquenz und speziell den Tatvorwurf ist, und ob sie zum Tatzeitpunkt überhaupt vorlag. Dies ist eng verknüpft mit der Beurteilung, ob durch die vorliegende Eingangsvoraussetzung der §§ 20,21 StGB die Einsichtsfähigkeit oder die Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt oder aufgehoben war oder nicht. Letztlich erfordert dies einen Rückgriff auf klinisches Wissen darüber, wie konkret bestimmte Störungen bestimmte Fähigkeiten, nicht zuletzt hinsichtlich der motivationalen und exekutiven Handlungskontrolle, beeinflussen. Zudem erfordert es kriminologisches, z.T. kriminalistisches Wissen darüber, welche Anforderungen bestimmte Tatformen (von der Körperverletzung bis zum Subventionsbetrug) stellen. Auch hier hat nun ggf. eine Auseinandersetzung mit der (identischen oder abweichenden) Einschätzung von Vorgutachten zu erfolgen. Nachdem dann abschließend zu den psychiatrischen Voraussetzungen verminderter oder aufgehobener Schuldfähigkeit Stellung genommen wurde, erfolgt – falls gefordert – die Auseinandersetzung mit prognostischen Fragen (§§ 63, 64, 66 StGB). Will man den juristischen Leser nicht enttäuschen, endet man mit einer knappen, partiell auch formelhaften, abschließenden Zusammenfassung des Inhalts, ob der Proband zum Tatzeitpunkt an einer definierten psychischen Störung gelitten hat, die z. B. dem Rechtsbegriff der krankhaften seelischen Störung zugeordnet werden kann, und die zwar nicht seine Einsicht in das Verbotene seiner Tat aufgehoben habe, wohl aber zu einer Aufhebung seiner Steuerungsfähigkeit geführt habe. Mithin halte man hier – bei gegenwärtigem vorläufigem Kenntnisstand – die psychiatrischen Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit für gegeben.
          In den Mindeststandards wird gefordert: Trennung von gesichertem medizinischem (psychiatrischem, psychopathologischem) sowie psychologischem und kriminologischem Wissen und subjektiver Meinung oder Vermutungen des Gutachters. Das ist sicher richtig; allerdings liegt das Problem oft darin, dass manche Psychiater und Psychologen gar nicht merken, dass sie in der Ausbildung Sichtweisen und Deutungsmuster erworben haben, die kein gesichertes Wissen darstellen, sondern höchst spekulativ und wahrscheinlich gar falsch sind. Dies hindert sie in gewissen Regionen keineswegs daran, gefragte Gutachter zu sein, die stets wissen, warum der Proband so geworden ist, wie er ist, und warum er die Straftaten begehen musste. Man sollte Gutachtern misstrauen, die das immer wissen.
          Ebenso gefordert wird: Offenlegung von Unklarheiten und Schwierigkeiten und den daraus abzuleitenden Konsequenzen, ggf. rechtzeitige Mitteilung an den Auftraggeber über weiteren Aufklärungsbedarf. Dies knüpft an den letzten Satz an: Verfährt der Sachverständige so wie hier gefordert, erwirbt er sich Achtung. [>172]
          Bei Verwendung wissenschaftlicher Literatur soll die übliche Zitierpraxis beachtet werden, so dass dem Leser des Gutachtens die Nachprüfung der Referenz möglich ist. Völlig unnötig ist das Auflisten von gängigen Lehrbüchern oder Diagnosemanualen am Schluss eines Gutachtens. Mit Fundstelle belegt werden sollte spezielle Literatur, aus der im Gutachten zitiert wird, um bestimmte wissenschaftliche Sachverhalte zu verdeutlichen. Dies dürfte nur ausnahmsweise erforderlich sein. Dass das Gutachten ein wissenschaftliches ist, ergibt sich aus seiner Methodik und der Sachkenntnis des Verfassers, nicht aus dem Verweis auf einige jedermann bekannte Lehrbücher der forensischen Psychiatrie.
      (f) Das mündliche Gutachten in der Hauptverhandlung ist letztlich das juristisch allein relevante und darf mit guten Gründen vom vorläufigen schriftlichen Gutachten abweichen. ..."
       



    Foerster & Winckler Forensisch-psychiatrische Untersuchung. (2009)
    In (17-33) Foerster, Klaus & Dreßing, Harald (2009, Hrsg.) Venzlaff & Foerster  Psychiatrische Begutachtung. Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen. 5. Auflage. München: Elsevier (Urban & Fischer). Ich gebe aus dem 17seitigen 2. Kapitel einen Ausschnitt einiger mir wichtig erscheinender Ausführungen wieder (> Inhaltsverzeichnis Foerster & Winckler).

    S. 20f: "Aus all diesen Gründen sollte der erste Gesprächstermin immer damit beginnen, dass der Sachverständige bestrebt ist, eine Atmosphäre zu schaffen, die es dem Probanden erlaubt, sich dem ihm unbekannten Untersucher gegenüber ohne Ängste und Misstrauen zu öffnen. Im Rahmen eines Vorgesprächs ist der Proband zunächst über die Fragestellung, den Ablauf sowie die Position und die Stellung des Gutachters zu informieren. Viele Probanden haben entweder gar keine oder nur eine sehr unklare Vorstellung von der Rolle des psychiatrischen Sachverständigen. In diesem Vorgespräch muss dem Probanden deutlich gemacht werden, dass der Sachverständige sein Gutachten unparteiisch, nach bestem Wissen und Gewissen erstattet (§ 79 StPO, § 410 ZPO). Gelegentlich sind sich Probanden unsicher, ob sie an der Begutachtung mitwirken sollen. In diesen Fällen empfiehlt es sich, nach dem Vorgespräch eine zeitliche Zäsur vorzunehmen und dem Probanden Gelegenheit zur Überlegung bzw. Rücksprache mit seinem Rechtsvertreter zu geben.
    Gestaltung der Untersuchungssituation:

    • Als Erstes ist der Proband über die Untersuchungssituation, die gutachtlichen Fragestellungen und seine Rechte zu informieren (s. Kap. 2.2.2).
    • Als Einstieg in das Untersuchungsgespräch empfiehlt sich zunächst eine unstrukturierte Gesprächsführung ...
    •  ... Der Spontaneität der Darstellung des Probanden ist der Vorzug vor einer rigiden Strukturierung durch den Untersuchenden zu geben".
    • Auch die biographischen Daten und der Lebenslauf sollten spontan berichtet werden ...
      • Familienanamnese mit psychosozialer Situation der Familie, Geschwisterzahl, Familienatmosphäre und gegebenenfalls familiäre Belastung mit psychischen und somatischen Erkrankungen
      • Schwangerschafts- und Geburtsumstände
      • Frühkindliche Entwicklung
      • Vorschulische und schulische Entwicklung
      • Pubertät und frühes Erwachsenenalter
      • Sexualanamnese
      • Berufliche Entwicklung
      • Partnerschaften, Ehe, Familie, Kinder
      • Biografische Konfliktsituationen
      • Gegebenenfalls Vorstrafen
      • Sozioökonomische Verhältnisse
      • Frühere psychische und körperliche Erkrankungen
      • Jetzige Erkrankungen bzw. Störungen
      • Konsum psychotroper Substanzen
      • Freizeitgestaltung
      • Tagesablauf
      • Selbsteinschätzung.
    Die vorstehende Liste ist je nach Fragestellung zu variieren; so ist beispielsweise eine detaillierte Sexualanamnese erforderlich bei Sexualdelinquenz oder bei der Beurteilung von Folgen sexuell belastender Erlebnisse. Dabei sollte über die Aufzählung äußerer objektiver Daten hinaus auch das innere Erleben des Probanden in seinen jeweiligen Lebenssituationen erfasst werden. [>21]
    • An die Erhebung der biographischen Anamnese schließt sich die ausführliche Diskussion der konkreten gutachtlichen Fragen an. Ist der Proband bei der strafrechtlichen Begutachtung bereit, Angaben zu der ihm vorgeworfenen Tat zu machen, so ist diese Erörterung der Kernbereich der gutachtlichen Untersuchung, wobei es neben der Exploration der äußeren Tatabläufe stets um die Schilderung der konkreten psychischen, emotionalen und affektiven Befindlichkeit des Probanden geht. ...
    • Zum Schluss der Untersuchung hat es sich bewährt, den Probanden ausdrücklich zu fragen, ob aus seiner Sicht weitere Gesichtspunkte erörtert werden sollten oder ob alles ihm Wichtige und Wesentliche angesprochen wurde. ..."
    Weiter sind zu berücksichtigen:
    • Frühere Behandlungsunterlagen
    • Fremdanamnestische Informationen [nur mit entsprechender Erlaubnis]
    • Der ausländische Proband


    Das Kernstück der psychiatrischen Begutachtung ist der psychische Befund:
    S. 23f  "Die Erhebung des psychischen bzw. psychopathologischen Befundes ist das Kernstück der psychiatrischen Begutachtung. Ein Gutachten, in dem ein eigenständiger Abschnitt „psychischer Befund“ fehlt, ist unbrauchbar. Der psychische Befund beschreibt das Querschnittsbild der seelischen Verfassung des Probanden zum Untersuchungszeitpunkt: das Verhalten des Probanden, das der Sachverständige beobachtet, und das Erleben, von dem der Proband berichtet. Damit sind die beiden Dimensionen der Befunderhebung benannt: die Beobachtung des Verhaltens und der Aussagen des Probanden durch den Untersucher und die subjektive Schilderung eigenen Erlebens durch den Probanden. Die Aufgabe des Untersuchers ist es, die Fremd- und Selbstbeurteilung miteinander in Bezug zu setzen, Übereinstimmungen zu schildern bzw. Widersprüche zu erwähnen und zu diskutieren. Dabei hat der Sachverständige streng darauf zu achten, dass der von ihm geschilderte Befund tatsächlich sein Befund ist und dass es nicht zu einer Vermischung von anamnestischen Angaben mit der Einschätzung des Sachverständigen kommt – bedauerlicherweise ein immer noch vorkommender, sehr häufiger Fehler (s. Kap. 5). Selbstverständlich genügt allein die Beschwerdeschilderung eines Probanden niemals, um hieraus eine Diagnose abzuleiten, sondern entscheidend ist der vom Sachverständigen erhobene Befund (Stevens und Foerster 2000). Ein prinzipielles, allerdings nicht ausräumbares methodisches Problem darf nicht außer Acht gelassen werden: Bei der Erhebung des psychischen Befundes handelt es sich um den Befund zum Untersuchungszeitpunkt. Bei der Begutachtung geht es jedoch meist nicht um den Untersuchungszeitpunkt – abgesehen von der Einschätzung akuter Fremd- und Selbstgefährlichkeit bei der Beurteilung der Unterbringungsbedürftigkeit (s. Kap. 41) –, sondern um die retrospektive Beurteilung eines psychischen Zustands zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (z.B. Beurteilung der Schuldfähigkeit; Beurteilung der Geschäftsfähigkeit) oder um die Beurteilung eines zukünftig zu erwartenden Zustands (z.B. Begutachtung der Prognose; Begutachtung der Betreuungsbedürftigkeit). Hieraus folgt, dass sich die psychiatrische Begutachtung in all diesen Fällen nicht allein auf den zum Untersuchungszeitpunkt erhobenen Befund beziehen kann, sondern in einer retrospektiven bzw. prospektiven Analyse muss der zum Untersuchungszeitpunkt erhobene Befund auf den mutmaßlichen Befund des rechtsrelevanten Zeitpunkts bezogen werden. Geht es um die Feststellung überdauernder psychopathologischer Merkmale oder überdauernder Persönlichkeitseigenschaften, so ist dies nicht schwierig. Geht es dagegen um die Erfassung vorübergehender psychopathologischer Phänomene, beispielsweise im Rahmen von affektiven Ausnahmezuständen, bei Intoxikationen und bei impulsiven Tathandlungen, so können hieraus ganz erhebliche Probleme entstehen (s. Kap. 12,13, 15). Das Gleiche gilt für die Beurteilung vorübergehender psychopathologischer Auffälligkeiten bei Geschäftsabschlüssen, sofern diese nicht präzise dokumentiert sind (s. Kap. 27). Die Probleme bei der prospektiven Einschätzung im Rahmen der Prognosebegutachtung sind in Kapitel 25 dargestellt."
        Foerster setzt sich auch mit dem Thema "Simulation und ähnliche Phänomene" auseinander. (> Inhaltsverzeichnis Foerster & Winckler).


    Nowara zur forensisch-psychologischen Begutachtung im Münchener Anwaltshandbuch (2006).
    Nowara geht im Gegensatz zu psychiatrischen Autoren ausdrücklich auf die Hypothesenbildung (Rn 23) ein.

    Rn22 "Nach Wegener [FN23] besteht ein Grundproblem der Begutachtung darin, dass wissenschaftlich gut abgesicherte Erkenntnisse aus verschiedenen psychologischen Grundlagendisziplinen über Wahrnehmungsvorgänge, Gedächtnistätigkeit und Entscheidungsprozesse etc. auf den konkreten Einzelfall zu übertragen sind. Außerdem sind die Positionen von Richtern und den übrigen Prozessbeteiligten sowie den Sachverständigen unterschiedlich und ihre Sprache weist unterschiedliche Akzentuierungen auf, was durchaus zu Kommunikationsproblemen führen kann. Diesen ist nur dadurch zu begegnen, dass Psychologen die einschlägigen Rechtsbestimmungen kennen und zu unterscheiden wissen, was in ihren Bereich fällt und was in den normativen, also allein dem Juristen vorbehaltenen. Die Aufgabe des Psychologen ist es, Informationen und Befunde zu erheben und diese in Bezug auf die Gutachtenfragestellung zu interpretieren, während dem Gericht die endgültige Wertung derselben vorbehalten ist."

    Rn23 "Nach einem gründlichen Aktenstudium, das darauf abzielt, die für die Fragestellung wichtigen Informationen herauszufiltern und Hypothesen für die Begutachtung zu entwickeln, erfolgt die eigentliche Untersuchung, [FN24] die der dreistufigen klinisch-psychologischen Diagnostik nach Ätiologie (Entstehungsgeschichte), Symptomatik (Erscheinungsbild) und Prognose (Vorhersage) formal gleicht. Die Aufnahme der verschiedenen anamnestischen Bereiche erfolgt mithilfe des psychologisch-diagnostischen Interviews.[FN25] Dabei werden systematisch Informationen und Ereignisse zum gesamten bisherigen Leben des zu Begutachtenden mit dem Ziel der Gewinnung eines Persönlichkeitsbildes und von individuellen Verhaltensmustern erhoben.[FN26]"

    Rn24 "Im nächsten Schritt erfolgt die spezielle Exploration zur Vorgeschichte des Tatgeschehens, zum Tatvorwurf selbst sowie dem weiteren Verhalten. Dabei ist zunächst wichtig, die Schilderung des Beschuldigten so aufzunehmen, wie er sie darstellt. In einem zweiten Schritt sollten eventuelle Widersprüche zu den Informationen aus den Aktenunterlagen oder zusätzliche Details besprochen werden. Hierbei ist entscheidend, dass der Gutachter deutlich macht, dass er kein eigenes tatermittelndes Interesse hat und dass es auch nicht seine Aufgabe ist, die Tat zu bewerten oder festzustellen, welche Aspekte zutreffend sind und welche nicht."

    Rn25 "Bei diesem Teil der Exploration ist ganz besonders darauf zu achten, dass der Gutachter sich jeder eigenen Bewertung des Geschilderten – sei es verbal oder non-verbal – enthält. (Dies sollte im Übrigen eine Selbstverständlichkeit in Bezug auf die gesamte Gutachtensituation sein.) Die entsprechenden Aufzeichnungen über die Gesprächsinhalte müssen sehr penibel gemacht werden, da der Gutachter im späteren Verfahren auch damit rechnen muss, eventuell als Zeuge zu den ihm gegenüber geschilderten Sachverhalten vernommen zu werden. Für die spätere psychologische Gesamteinschätzung ist es entscheidend, dass folgende Aspekte erhoben werden:

    • die Vorgeschichte der Tat bzw. die Entwicklung hin zum Tatgeschehen,
    • eine möglichst detaillierte Schilderung des Tatablaufs sowohl auf der emotionalen, als auch der kognitiven und der motivationalen wie der Verhaltensebene des Täters
    • sowie seines Verhaltens nach der Tat."


    Rn26  "Auch wenn es nicht die Aufgabe des Gutachters ist, eine Tat aufzuklären, ist es doch häufig so, dass bei diesem Teil der Exploration vonseiten des Untersuchten Ergänzungen vorgenommen werden oder sich dessen Einschätzungen gegenüber Aussagen vor anderen Personen verändern. In einigen Fällen lassen sich Angeklagte – in Absprache mit ihren Verteidigern – auch erst gegenüber dem Gutachter zur Sache ein. Neben der allgemeinen freundlich, neutralen Haltung des Gutachters ist vor allem die Form der Gesprächsführung wichtig, um ungewollte Suggestionseffekte zu vermeiden und eine weit gehend freie Einlassung des Untersuchten zu erhalten."

    Rn27 "Die Exploration zum Tatgeschehen erübrigt sich dann, wenn der Beschuldigte nicht geständig ist oder eine Absprache mit seinem Verteidiger besteht, sich zu dem Tatvorwurf nicht einzulassen. Auf das Recht der Verweigerung von Aussagen allgemein bzw. zu bestimmten Themenbereichen ist bereits vor Beginn der eigentlichen Untersuchung durch den Untersucher ausdrücklich hinzuweisen ebenso wie darauf, dass der Gutachter nicht unter Schweigepflicht steht, in wessen Auftrag er tätig ist und welche Auswirkungen das Gutachten haben kann."

    Rn28  "Entwickelt sich die Untersuchungsatmosphäre vertrauensvoll, kommt es jedoch nicht selten vor, dass sich der zu Begutachtende entgegen den Absprachen mit seinem Verteidiger doch zu den Tatvorwürfen äußern möchte. In einem solchen Fall sollte aus Gründen der Fairness nochmals auf die vorher mit dem Verteidiger getroffene Vereinbarung hingewiesen und dem zu Begutachtenden geraten werden, dies mit seinem Verteidiger zu besprechen. Der Sachverständige hat auch die Möglichkeit, den Verteidiger davon in Kenntnis zu setzen, ohne dass dies Auswirkungen auf sein zu erstellendes Gutachten haben sollte. Ohnehin kommt es nicht selten im Vorfeld oder im Verlauf der Begutachtung zu Kontakten zwischen Verteidigern und Gutachtern.[FN27] Dagegen bestehen dann keine Einwände, wenn diese Kontakte nicht zu manipulativen Zwecken in Bezug auf das Ergebnis des späteren Gutachtens benutzt werden. Außerdem wirken im Vorfeld der Bestellung von Gutachtern bereits viele Verteidiger aktiv mit, was an sich zu begrüßen ist."

    Im weiteren Verlauf geht Nowara noch auf das große Gebiet der Begutachtung der Schuldfähigkeit und der Legalprognose ein.


    Foerster zur forensisch-psychiatrischen Untersuchung im Münchener Anwaltshandbuch (2006)
    Im folgenden habe ich für wichtig befundene Ausführungen ausgewählt. Ab Rn40 wird eine schematische Übersicht - wobei Aufklärung und Information, Vorerkundung und Vertrauensbasis fehlen - über einen typischen Untersuchungsablauf am Beispiel der Schuldfähigkeitsbeweisfrage dargestellt:
     

      Rn40: "Schematische Übersicht: Ablauf der psychiatrischen Begutachtung
      Beauftragung durch Gericht oder Staatsanwaltschaft
      Studium der Akten
      Psychiatrische Exploration des Probanden
      • zur aktuellen Befindlichkeit
      • zur Krankheitsvorgeschichte (Eigen- und Fremdanamnese)
      • zur biographischen Entwicklung
      • unabdingbar bei Sexualdelikten: ausführliche Sexualanamnese
      • zum subjektiven Erleben des Tathergangs einschließlich Vor- und Nachtatphase
      • Versuch einer Rekonstruktion des psychosozialen Funktionsniveaus im Tatzeitraum (Beziehungen, Arbeit, soziale und gesundheitliche Situation, besondere Belastungen)
      Eventuell Einholung fremdanamnestischer Informationen
      • Exploration von Angehörigen (nach Rücksprache mit Auftraggeber)
      • Anforderung von ärztlichen Vorunterlagen (Einverständnis des Probanden erforderlich)
      • Einsicht in die Gesundheitsakte der JVA (Einverständnis des Probanden erforderlich)
      Befunderhebung
      • Psychischer Befund
      • In der Regel auch orientierende allgemein-körperliche und neurologische Untersuchung
      Gegebenenfalls Veranlassung von Zusatzuntersuchungen, z. B.
      • Testpsychologisches Zusatzgutachten
      • Hirnelektrisches Zusatzgutachten (EEG)
      • Bildgebende Verfahren, z. B. Schädel-Computertomographie (CTD) oder Kernspintomographie (NMR)
      • Untersuchungen anderer Fachdisziplinen
      Rn41 Diagnosestellung:
      Klassifikation nach ICD-10 oder DSM-IV bzw. DSM-IV-TR
      Diskussion des Schweregrads der diagnostizierten Erkrankung und der damit verbundenen Beeinträchtigungen
      Zuordnung der Diagnose zu den Merkmalskategorien des StGB
      Diskussion der Voraussetzungen der §§ 20/21 StGB
      Die Entscheidung über die Anwendung der §§ 20/21 StGB liegt ausschließlich in der Kompetenz des Gerichtes.
      Falls im Gutachtenauftrag enthalten: Prognostische Beurteilung."


    Die forensich-psychiatrische Untersuchung bei Beweisfragen zur Gefährlichkeit und Prognose nach Nedopil (2005). Siehe bitte auch >  Mindestanforderungen für Prognosegutachten.

    Nedopil (2005) hat wie Dahle (2006) einen idiographisch-fortschrittlichen Ansatz für Prognosefragen entwickelt, der bei konsequenter Anwendung die dubiosen Checklisten-Risikobewertungen überflüssig machen. Ich beschränke mich hier auf die Kernproblematik der Prognoseverfahren. S. 58ff führt Nedopil zu den Verfahren aus:

    ""4.3    Einzelfallbezogene Anwendung von Prognoseverfahren
    Alle statistischen Überlegungen und die daraus abgeleiteten Bewertungsmaßstäbe, deren Kenntnis für die Interpretation prognostischer Verfahren sicher erforderlich ist - ebenso wie alle Wahrscheinlichkeitsangaben -, beziehen sich auf Gruppen- oder Stichprobenuntersuchungen und auf Aussagen über Gruppen oder Stichproben, nicht jedoch auf den Einzelfall. Dies gilt für Vorsorgeuntersuchungen mit der Frage, ob der Untersuchte an Krebs erkranken wird, ebenso wie für die Frage, ob ein Rechtsbrecher rückfällig werden wird. Die Entwicklung von Prognosemethoden und deren richtige Anwendung im Einzelfall sind naturwissenschaftliche und humanwissenschaftliche Aufgaben und keine juristischen. Die juristische Aufgabe ist es zu definieren, ab welchen Kennwerten eingegriffen werden soll. Die Übertragung der jeweiligen statistischen Überlegungen auf den Einzelfall ist von verschiedenen Theoretikern und Methodikern versucht und an Beispielen veranschaulicht worden (Eddy, 1982; Kahneman & Tversky, 1973; Kürzl, 2004) (Zusammenfassung bei Gigerenzer (2000)). Schon 1763 hat Bayes versucht, diese Frage anhand einer mathematischen Formel zu lösen: ...  ... [>S.60]

        Die differenzierte Fragestellung hat auch eine differenzierte Methodik der Begutachtung zur Folge. Bei einer solchen Methodik kann zwischen drei verschiedenen Konzepten unterschieden werden:

    l.    ein idiographisches Konzept,
    bei welchem eingeschliffene individuelle Verhaltensmuster, die ein Wiederauftreten des Verhaltens wahrscheinlich machen, zur Grundlage der Beurteilung gemacht werden. Derartige eingeschliffene Verhal-[>60] tensweisen, die zu oft wiederkehrendem Fehlverhalten führen, sind allerdings selten. Häufig wird deswegen

    2.    ein nomothetisches Konzept
    verfolgt, bei dem empirische Erkenntnisse aus einer Vielzahl von Untersuchungen auf den Einzelfall angewandt werden. Dieses Konzept ist die Grundlage der heute gängigen empirisch begründeten Prognoseinstrumente. Dieses Konzept allein reicht jedoch häufig auch nicht aus und ermöglicht kaum eine Individualprognose. Hierzu kann

    3.    ein hypothesengeleitetes Konzept,
    dienen, das auf der Entwicklung einer individuellen Hypothese zur Delinquenzgenese beruht. Dabei müssen die spezifischen Risikofaktoren, die der Hypothese zugrunde liegen, identifiziert werden. Hierzu bieten die Prognoseinstrumente eine wertvolle Hilfe. Anschließend muss das Fortbestehen der Risikofaktoren im Einzelfall, ihre aktuelle Relevanz und ggf. ihre Kompensation durch protektive Faktoren überprüft werden. Damit wird die Prognoseerarbeitung zu einem Prozess, der auch die Anwendung empirischen Wissens für den Einzelfall möglich macht. Dieser Prozess wird in Kapitel 9 näher erläutert.
        Von vielen Fachleuten wird immer wieder beklagt, dass auch heute noch die von Klinikern abgegebenen Einzelfallprognosen eher deren Gefühl oder Privatvorstellungen widerspiegeln und weniger auf wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen beruhen (Eucker, 1998; Green & Baglioni, 1997). Die Frage, warum klinische Praktiker sich so wenig um das in der Forschung angesammelte Wissen bemühen, bleibt bislang unbeantwortet, hat aber dazu geführt, dass die Forschung immer wieder versucht hat, plausiblere und handhabbarere Entscheidungsmodelle zu entwickeln. Die Reduzierung der Merkmale auf 20 Risikokriterien im HCR-20 (Webster et al., 1997) ist ein solcher Versuch, dem Kliniker akzeptable Handlungsanweisungen zu geben, die gleichwohl auf die empirischen Grundlagen zurückgehen. Ein anderer Versuch wurde von Steadman et al. (2000) unternommen, die ebenfalls nur wenige Kriterien für klinische Gefährlichkeitsprognosen aufführten. Die meisten Prognosegutachten, welche sich irgendwelcher Prognoseinstrumente bedienen, addieren die in den jeweiligen Instrumenten aufgeführten Risikofaktoren, die sie im Einzelfall vorfinden, unter der Vorstellung, dass die Rückfallgefahr umso höher ist, je mehr Risikofaktoren auf den Untersuchten zutreffen. Ein solches Vorgehen wird in den wenigsten Manualen der Prognoseinstrumente vorgegeben, obwohl es auf den ersten Blick plausibel erschiene. Eine Addition der Einzelmerkmale ist lediglich beim [>61] dem auch wegen des in einer solchen Methode enthaltenen Schematismus nicht durchgesetzt hat.
        Ob bei der individuellen Prognose die schematische Anwendung von Prognoseinstrumenten im Sinne eines nomothetischen Konzeptes oder die differenzielle Gewichtung einzelner Risikofaktoren anhand eines vorgegebenen Schemas oder die klinische Erfahrung eine höhere Treffsicherheit bringen, ist noch nicht endgültig entschieden. Vom Autor wird den computergestützten Individualentscheidungen einige Skepsis entgegengebracht. Derartige Entscheidungen, die erhebliche rechtliche Konsequenzen nach Sich ziehen, sollten für die Entscheidungsträger und die Betroffenen transparent und hinterfragbar sein. Erst wenn erwiesen ist, dass derartige - nicht mehr durchschaubare - Entscheidungen aufgrund eines in der Computer-Software enthaltenen Algorithmus fehlerfrei sind und somit keine oder wenige falsch Negative und falsch Positive erzeugen, oder wenn erwiesen ist, dass sie der methodisch sorgfältig erarbeiteten fachmännischen individuellen Rückfallprognose überlegen sind, erscheinen derartige Prognoseentscheidungen im forensischen Bereich von Bedeutung. Aus Sicht des Autors ist nach dem derzeitigen Wissensstand ein systematisches hypothesengeleitetes Vorgehen am ehesten geeignet, die empirischen Erkenntnisse transparent und nachvollziehbar auf den Einzelfall anzuwenden (Siehe Kapitel 9)."
     


    Die forensisch-psychiatrische Untersuchung nach Foerster & Winckler (2004)
    Die 4. Auflage umfasst 836 Seiten (die 5. Auflage hat 968 Seiten). Der Kern des Untersuchungsteils (17-30) der  4. Auflage unterscheidet sich nicht wesentlich von der 5. Auflage 2009 und soll hier daher nicht ausführlicher dargelegt werden. Die Unterschiede bei Weigerung der ProbandIn sich untersuchen und explorieren zu lassen sind hier dargestellt.



    Die Durchführung der Begutachtung nach Rasch & Konrad (2004)
    Was alles zu beachten ist und was man falsch machen kann, haben Rasch & Konrad in ihrer Mängelliste dargelegt. S. 331-337. Einen Schnellüberblick gewinnt man durch Betrachtung der Übersicht S. 338
     
    Folgender Aufbau des Gutachtens wird vorgeschlagen: 

    (1)  Auftragserteilung und Fragestellung
    (2)  Aktenlage
    (3)  Familienanamnese
    (4)  Eigene Anamnese
    (5)  Lebenslauf und Selbstschilderung
    (6)  Tatschilderung
    (7)  Körperlicher Befund
    (8)  Zusätzliche Befunde (Laborbefunde)
    (9)  Psychischer Befund
    (10) Zusammenfassung und Beurteilung.

    Kritische Anmerkungen: Hier fehlen wichtige Bereiche, nämlich: Information und Aufklärung, Mitwirkungsbereitschaft nach Information und Aufklärung, Aufbau einer Vertrauensbeziehung. Die eigentliche Kernaufgabe des Gutachters, aus den beweis- fragenrelevanten Befunden die Herleitung der Antworten auf die Beweisfragen darzustellen, verschwindet in (10) Zusammen- fassung und Beurteilung. Aus (2) Aktenlage geht auch nicht klar hervor, welche Anknüpfungstatsachen durch Staatsanwaltschaft oder Gericht zugrundegelegt werden. Und schon gar nicht genügt es, wenn gesagt wird: "Auch die Darstellung der Aktenlage braucht nicht mehr zu enthalten als den Hinweis, dass man sich mit der Materie vertraut gemacht hat."

    Kompetenzprüfung (R&K2004)
    S. 331: "Neben der Vorausklärung eventueller äußerer Behinderungen sollte sich der beauftragte Sachverständige aber auch fragen, ob er für die Erstellung des Gutachtens die notwendige Kompetenz mitbringt. Zuzugeben ist, dass das Eingeständnis der eigenen Inkompetenz bereits so viel Distanz zu sich und so viel Selbstkritik erfordert, dass die eingestandene Inkompetenz bereits wieder fraglich wird."

    Aktenkenntnis (R&K2004)
    S. 331: "Die Durchführung einer Begutachtung sollte nicht ohne Kenntnis der Akten erfolgen. Von juristischer Seite werden mitunter Bedenken gegen die Übersendung der Akten an den Sachverständigen vorgebracht."

    Kenntnis vorliegender Ermittlungsergebnisse (R&K2004)
    S. 331: "Der Sachverständige sollte über den Inhalt der bis zum Zeitpunkt der Begutachtung vorliegenden Ermittlungsergebnisse voll informiert werden, da sich aus Zeugenaussagen oder polizeilichen Berichten wertvolle Hinweise für die psychologisch-psychiatrische Beurteilung ergeben können."

    Aufklärung (R&K2004)
    S. 333: "Zu Beginn der Begutachtung sollte der Untersuchte darauf hingewiesen werden, dass es ihm freisteht, sich zu äußern und bei der Begutachtung mitzuwirken." Das sicher viel zu wenig Aufklärung.
    S. 335: "Es ist nicht falsch, den Probanden beiläufig darauf hinzuweisen, dass die Erhebungen im Gutachten nicht der Verschwiegenheitspflicht unterliegen."
        Es ist sicher falsch, den Probanden "beiläufig" auf einen so gravierenden Sachverhalt hinzuweisen. Es genügt auch keineswegs, nur darauf hinzuweisen. Das gesamte Risiko ist dem Probanden vor der Untersuchung zu eröffnen, insbesondere für lange Zeit in der Psychiatrie, dem dunklen Ort des Rechts, zu verschwinden.

    Fragen (R&K2004)
    S. 333:  "Dem Untersuchten sollte auch angeboten werden, von sich aus Fragen an den Gutachter zu richten."

    Exploration (R&K2004)
    S. 335: "Zentrale Bedeutung hat bei jeder psychiatrischen bzw. medizinisch-psychologischen Untersuchung die Exploration. Die Exploration, für die auch der Begriff des Interviews gebraucht wird, dient nicht nur dazu, durch Befragung von dem Probanden die notwendigen Informationen zu erhalten, sie ist selbst diagnostisches Instrument, da sowohl das durch sie geförderte Material wie der bei der Exploration gewonnene Eindruck Schlüsse auf die psychische Verfassung des Untersuchten erlauben. Die Exploration sollte damit eingeleitet werden, dass sich der Gutachter vorstellt, seinen Auftrag erläutert und - wie bereits dargestellt - sich erkundigt, ob grundsätzliche Bereitschaft zur Mitarbeit besteht."
    S. 336: "Die Gestaltung des Interviews richtet sich nach den Besonderheiten des Falls. Man sollte wie in der nichtforensischen Untersuchungssituation bemüht sein, eine möglichst entspannte Atmosphäre zu schaffen. Die Exploration ist kein Verhör. Andererseits sollte der Untersucher durch Beibehaltung einer distanziert-neutralen Haltung bemüht sein, das Gespräch nicht zu sehr in Richtung einer therapeutischen Begegnung abdriften zu lassen. Es ist schwierig, dies ganz zu vermeiden. Wie man die Befragung im Einzelnen durchführt, richtet sich nicht zuletzt nach den wissenschaftlichen Vorstellungen, die man über die Genese menschlichen Verhaltens hat. Schon von der Begutachtungsökonomie her ist unvermeidbar, dass man die Exploration entsprechend einem bestimmten Schema vornimmt, wenngleich es sich bei einem Probanden, der hohes Aussprachebedürfnis signalisiert, empfiehlt, ihn zunächst frei reden zu lassen. Die meisten Menschen wissen erstaunlich gut Bescheid über sich und ihre Probleme. Sie vermögen sie allerdings nur selten dann präzis zu äußern, wenn man sie direkt fragt. Wichtige Informationen werden beiläufig gemacht, im Nebensatz. Man verliert wichtige Informationen, wenn man in solchen Augenblicken stur einem Befragungsschema folgt, statt dem Probanden aufmerksam zuzuhören. Der Gutachter sollte bedenken, was das Strafverfahren und die Begutachtung, die für den Untersucher Routine sind, für den Probanden bedeuten. Der Untersuchte ist die Hauptperson in dem Drama; er sollte zumindest die Exploration mit dem Gefühl verlassen, dass man ihm zugehört hat und bemüht war, ihn zu verstehen. Oft genug klagen Straffällige, die eine Exploration erlebt haben, über die Ungeduld des Sachverständigen und den geringen für sie aufgebrachten Zeitaufwand. Ein psychologisch-psychiatrischer Sachverständiger beweist seine Qualifikation nicht zuletzt durch das Maß, wie er neben der Erfüllung seines Gutachtenauftrags auch den Bedürfnissen des Probanden Rechnung trägt."

    Ermittlungen  (R&K2004)
    S. 336: "Nur selten dürfte es nötig sein, dass der Sachverständige vor der Hauptverhandlung zusätzliche Informationen einholt, die die Ermittlungsergebnisse betreffen. Ist dies in einem besonderen Fall notwendig, sollte der Sachverständige auf keinen Fall eigene Ermittlungen betreiben, sondern sich mit der auftraggebenden Stelle in Verbindung setzen."

    Angehörige befragen  (R&K2004)
    S. 336f: Ein heikles Problem stellt in diesem Zusammenhang die Befragung von Angehörigen dar. Meint der Sachverständige, im Einzelfall nicht ohne sie auskommen zu können, sollte er die Angehörigen vor seiner Befragung auf ihr gesetzlich garantiertes Zeugnisverweigerungsrecht aufmerksam machen. Um das Vertrauensverhältnis zwischen dem Untersuchten und seinen Angehörigen nicht zu belasten, sollte man im Allgemeinen auch nur dann mit ihnen Kontakt aufnehmen, [>337] wenn der Untersuchte damit einverstanden ist. Verweigern die Angehörigen in der Hauptverhandlung die Aussage, dürfen die vom Sachverständigen erfahrenen Tatsachen nicht für sein Gutachten verwendet werden."

    Krankenakten  (R&K2004)
    S. 337: "Eine andere wichtige zusätzliche Quelle sind Krankenakten über den Untersuchten oder die Auskünfte behandelnder Ärzte. Die Informationen über früher durchgemachte Erkrankungen oder erlittene Verletzungen lassen u.U. das Ausmaß einer verbliebenen Schädigung besser abschätzen. Mitunter befand sich der Täter in der Zeit vor der Tat in ärztlicher Behandlung. Die Ärzte sind - unabhängig von der Schwere des Anklagevorwurfs - nur dann berechtigt, Auskunft zu geben, wenn sie ihr früherer Patient von der Verschwiegenheitspflicht entbindet."

    Zusatzuntersuchungen  (R&K2004)
    S. 337: "Ergibt sich die Notwendigkeit, umfangreiche zusätzliche Untersuchungen durchführen zu lassen, empfiehlt es sich, zuvor die Genehmigung des Auftraggebers einzuholen. Von den Fachkenntnissen des Hauptgutachters hängt ab, ob er selbst die zusätzlichen Untersuchungsergebnisse in das Gutachten einführt und erläutert; anderenfalls ist es notwendig, die anderen Untersucher ebenfalls zu Sachverständigen zu ernennen."

    Interessenkollisionen (R&K2004)
    S. 337: "Um Interessenkollisionen zu vermeiden, sollten weder Mitangeklagte noch Opfer (bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung} vom gleichen Sachverständigen begutachtet werden."

    Information des Untersuchten über die erhobenen Befunde (R&K2004)
    S. 337: "Grundsätzliche Bedenken gegen die Information des Untersuchten über die bei ihm gewonnenen medizinischen und psychologischen Befunde sind nicht zu erheben. Die Entscheidung, was er mitteilt, ist dem Sachverständigen vorbehalten. Im Allgemeinen ist der Untersuchte nicht an der Kenntnisnahme einzelner Befunde interessiert, deren Relevanz er nicht würdigen kann, sondern an deren abschließender Bewertung. Diese wird jedoch vom Gericht vorgenommen, und der Gutachter sollte sich hierzu keinesfalls äußern. Ein Hindernis besteht für die Information des Untersuchten auch darin, dass die Labor- und Testergebnisse in der Regel erst nach Beendigung der persönlichen Begutachtungsgespräche vorliegen. »Erhebliche Nachteile« i. S. von § 247 StPO für die Gesundheit des Untersuchten, die seine Information verbieten, dürften nur zu erwarten sein, wenn bei der Begutachtung Befunde erhoben wurden, die ihn in eine existentielle Krise stürzen könnten. Gemeint sind damit gravierende Befunde wie das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung oder einer abweichenden Geschlechtsidentität. Es empfiehlt sich, derartige Untersuchungsergebnisse nur innerhalb eines »therapeutischen Settings« zu besprechen, das bei der Begutachtung zumindest nicht angestrebt werden sollte."



    Gang und Gesichtspunkte der kriminalprognostischen psychiatrischen Begutachtung nach Kröber (1999).
    Kröbers Arbeiten sind  mit Vorsicht zu genießen, weil seine theoretischen Verkündungen in einigen Fällen nicht mit seiner Praxis übereinstimmen (extrem etwa im Fall Mollath), so dass man sich auch fragen muss, welchen Stellenwert seine Verkündigungen haben, wenn er sie selbst in der Praxis so missachtet. Im Lichte des von der forensischen Psychiatrie ignorierten BVerfG-Beschlusses zur Einweisung nach § 81 StPO stellt sich diese Frage verschärft an die ganze Zunft.

    Kröber, Hans-Ludwig (1999)  Gang und Gesichtspunkte der kriminalprognostischen psychiatrischen Begutachtung NStZ 1999, 593. Hierin heißt es:

      "2. Untersuchung des Verurteilten–Untergebrachten
      Die Untersuchung des Probanden erfolgt vorangekündigt an mindestens 2 Terminen, je nach Schwierigkeitsgrad der Fragestellung mit einer Dauer ca. 5-7 Stunden, bisweilen auch länger, kaum einmal kürzer. Spätestens bis zum zweiten Gespräch muß der Sachverständige alles Aktenmaterial durchgearbeitet und geistig präsent haben. Ich selbst schätze das Vorgehen, 2 Tage lang von morgens bis spätabends in Aktenstudium und Untersuchungsgespräch ausschließlich mit diesem Probanden beschäftigt zu sein.
      Im Untersuchungsgespräch ist dem Probanden obligatorisch Gelegenheit zu geben, seine gegenwärtige Lebenssituation sowie den Haft-Unterbringungsverlauf darzustellen, seine Lebensgeschichte, seine Delinquenzgeschichte und seine Taten sowie seine Zukunftserwartungen. Jeder einigermaßen sozial angepaßte Proband präsentiert sich selbstredend so, wie er es für geschickt und tunlich hält, wobei diese präsentierte Oberfläche mehr oder weniger geschönt sein kann. Daß jemand voll guter Einsichten und Vorsätze ist, ist wünschenswert, erlaubt aber noch keine Beurteilung. Der Sachverständige tut gut daran, diese Selbstdarstellung möglichst umfangreich, ohne Einwände, Vorhalte und Korrekturen anzuhören, er soll keine Ahnungslosigkeit vortäuschen, muß andererseits sein exakteres Wissen nicht sogleich offenbaren. In der zweiten Etappe der Exploration jedoch soll er unter Offenbarung eigenen Wissens gezielt nachfragen, in durchaus freundlicher und verbindlicher Form mit anderen Darstellungen der Realität oder anderen früheren Einlassungen konfrontieren, Korrekturen ermöglichen. Nach der systematischen, themengebundenen Befragung sollte schließlich unbedingt auch Raum bleiben für einen „freien Teil“ des unstrukturierten, konfrontativen, kreativen Gesprächs, in dem zu prüfen ist, inwieweit und mit welchen Resultaten der Proband sich im wirklichen Dialog zum Nachdenken über die eigene Person stimulieren lassen kann.
          Das Untersuchungsgespräch soll herausfinden, auf welchem Entwicklungsstand der Untersuchte sich jetzt befindet. Dazu muß man hinter die präsentierte Oberfläche gelangen, jede Begutachtung verlangt nach „Diskrepanzdiagnostik“ FN3  [> 596] zur Fussnote 3 , nach Erhellung der Verwerfungen zwischen Selbstdarstellung und Realität. Das Gespräch über die Lebensgeschichte und die Delinquenzgeschichte ist dazu ein geeignetes Mittel, auch wenn beide schon mehrfach Thema in früheren Begutachtungen waren. Es geht dabei nicht primär darum herauszufinden, ob der Proband den Hauptschulabschluß hat oder wann die Mutter das zweite Mal geheiratet hat (auch wenn Exaktheit in den Fakten wünschenswert ist), sondern darum, wie der Proband heute die wichtigen Menschen und Erfahrungen seiner Lebensgeschichte sieht und bewertet. Diese Bewertungen ändern sich mit den Wertmaßstäben und der Differenziertheit der Persönlichkeit. Gesichtspunkte im Untersuchungsgespräch, auf die der Sachverständige achtet, sind:
       
      • Authentizität und emotionale Konturierung der Äußerungen
      • Anbiederung, Unterwerfung, Theatralik im Umgang mit dem Sachverständigen
      • Reaktion auf diesbezügliche Änderungsbemühungen des Sachverständigen
      • Wahrnehmung und Einbeziehung des Gesprächspartners durch den Probanden
      • Aktuelles Nachdenken statt Abspulen von Erlerntem, Offenheit oder starre Zielgerichtetheit
      • Übereinstimmung oder Abweichung von früheren Aussagen
      • festgefahrene Aussagemuster, wiederkehrende Floskeln oder Redemuster
      • Externalisieren, Internalisieren oder Differenzieren hinsichtlich Ereignisursachen und Verantwortung
      • Beschreibung der bedeutsamen Bezugspersonen im Lebensverlauf
      • Wahrnehmung typischer eigener Verhaltensmuster
      • Wahrnehmung eigener Gefühle und körperlicher Sensationen, Möglichkeiten konstruktiver Verbalisierung
      • Selbstvertrauen, Optimismus, Verantwortungsübernahme, Frustrationstoleranz.


      Von erheblicher Bedeutung ist schließlich auch, daß der Sachverständige seine eigenen psychischen und körperlichen Reaktionen im Gesprächsverlauf sorgsam registriert und nachforscht, was diese Reaktionen ausgelöst hat."
       



    Die forensisch-psychiatrische Untersuchung nach Nedopil (1996)  Praktische Durchführung des Gutachtensauftrags (Nedopil 1996, S. )
    • Aktenstudium
    • Exploration und Untersuchung
      • 2.1    Aufklärung des Untersuchten
      • 2.2    Untersuchungsablauf.
        • 2.2.1    Exploration
        • 2.2.2    Körperliche und neurologische Untersuchung
        • 2.2.3    Zusatzuntersuchungen




    Besondere Probleme der psychopathologischen Untersuchung
    • Rechtmäßigkeit der forensisch-psychiatrischen Untersuchung > Grundsätzliches zur Untersuchung (VerfG Beschluss vom 9.10.2001 zur Voraussetzung der Mitwirkungsbereitschaft; Kammergericht 30.10.2012)
    • Verweigern der Untersuchung.
    • Verneinen der Tatvorwürfe.
      • Leugnen der Tat in der prognostischen Begutachtung nach Kröber (2010).
      • Bedeutung Leugnung der Tat für die Prognose nach Kröber (2006).


    Zur Handhabung und Bedeutung der Verweigerung einer persönlichen Untersuchung
    Die meisten Arbeiten zur forensisch-psychopathologischen Untersuchung vermeiden eine Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Problem. Und sie vermeiden auch einen Hinweis auf den wichtigen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 zu den Voraussetzungen einer Einweisung zur Beobachtung nach § 81 StPO:
     
    Handhabung der Verweigerung der Untersuchung nach Foerster & Dreßing in Venzlaff & Förster (2009), S. 30

    "2.11 Besondere Untersuchungssituationen
    2.11.1  Untersuchung gegen den Willen des Probanden?
    Eine psychiatrische Untersuchung gegen den ausdrücklichen Willen eines Betroffenen ist nur sehr eingeschränkt möglich. Liegen massive psychopathologische Symptome vor, etwa ein psychotisches Verhalten, das durch Sinnestäuschungen, Wahninhalte oder Realitätsverlust determiniert ist, so ist dies häufig einer Verhaltensbeobachtung zugänglich, was auch bei der Einschätzung eines demenziellen Syndroms der Fall sein kann. Bei der forensisch-psychiatrischen Untersuchung geht es jedoch in der Regel nicht um die Beurteilung derartiger akuter [>30] psychopathologischer Auffälligkeiten, sondern um die Klärung länger zurückliegender Symptome, die Beurteilung von Persönlichkeitsauffälligkeiten oder prognostische Einschätzungen. All dies ist nur im eingehenden Gespräch möglich. Ist ein Proband zu einem solchen Gespräch nicht bereit, so kann die Begutachtung entweder gar nicht oder nur auf der Basis rudimentärer Informationen durchgeführt werden. Hierbei handelt es sich neben der Verhaltensbeobachtung um die Kenntnis der Akten, die Verwertung von Fremdinformationen und gegebenenfalls den Eindruck und die Angaben des Probanden in der Hauptverhandlung, sofern eine solche stattfindet. Schlussfolgerungen aus einem unauffälligen Verhalten eines Probanden in der Hauptverhandlung sind dabei nur begrenzt möglich, da es sich auch um die Dissimulation möglicherweise vorhandener psychopathologischer Phänomene handeln könnte (s. Kap. 2.10).
        Immer wieder ergibt sich die Frage, ob es zweckmäßig ist, einen Probanden zur gutachtlichen Untersuchung im strafrechtlichen oder zivilrechtlichen Rahmen vorführen zu lassen. Durch eine solche Vorführung kann die Begutachtung von vornherein so erheblich belastet sein, dass die Untersuchung nicht durchgeführt werden kann, zumal auch in diesen Fällen der Proband selbstverständlich über seine Rechte, insbesondere das Schweigerecht zu informieren und zu belehren ist. Stehen hinter der Weigerung des Probanden jedoch mangelnde Informationen oder Ängste vor der Untersuchung, so kann eine entsprechende Aufklärung dazu führen, dass der Proband trotz der Vorführung zur Untersuchung bereit ist.

    2.11.2 Verweigerung der Untersuchung 
    Verweigert ein Proband seine Mitarbeit grundsätzlich, so ist eine gutachtliche Aussage nur in sehr engen Grenzen möglich; zum Vorgehen bei der Untersuchung gegen den Willen des Probanden siehe Kapitel 2.11.1.
        Eine subtile Art der Verweigerung kann bei der strafrechtlichen Begutachtung auch das Schweigen des Probanden zum Tatvorwurf bedeuten. Die in solchen Fällen gelegentlich zu hörende Argumentation, auch bei schweigenden Probanden müsse der psychiatrische Sachverständige ein Gutachten abgeben, ist differenziert zu betrachten. Selbstverständlich hat der Proband das Recht, keine Angaben zu machen. Insoweit kann sich eine sachverständige Äußerung nur auf andere Datenquellen beziehen, beispielsweise auf Zeugenaussagen zum Zustand eines Probanden zum Tatzeitpunkt oder auf Befunde, die bei einer tatzeitnahen Untersuchung oder stationären Aufnahme erhoben wurden. In einem solchen Fall ist es denkbar, dass ein Gutachten nach Aktenlage erstattet oder eine solche gutachtliche Stellungnahme abgegeben wird.
        Der Proband hat auch das Recht, im Verlauf einer begonnenen Untersuchung diese abzubrechen und weitere Angaben zu verweigern. Eine solche Verweigerung kann auf Kalkül beruhen, sie kann Resultat eines Missverständnisses sein, kann aus der Interaktion zwischen Sachverständigem und Proband entstehen und sie kann auch einmal Ausdruck einer gravierenden psychischen Störung sein. In solchen Fällen sollte der Sachverständige die Untersuchung erst dann beenden, wenn eindeutig klar ist, dass eine weitere Mitarbeit des Probanden nicht zu erwarten ist (Nedopil 2007).
        Insgesamt ist festzuhalten, dass bei zum Tatvorwurf schweigenden Probanden die Möglichkeiten eingeschränkt sind, eindeutige gutachtliche Aussagen zu treffen.
        Nimmt ein Proband ambulante gutachtliche Termine nicht wahr, so kann eine stationäre Begutachtung erwogen werden. [RS: Nein, denn] Diese darf maximal 6 Wochen dauern (§81 StPO, § 68b FGG). Dabei ist die Frage der Verhältnismäßigkeit einer solchen stationären Begutachtung zu beachten und diese gegebenenfalls mit dem Auftraggeber zu erörtern."

    Zwangsuntersuchung nach Foerster & Winckler in Venzlaff & Förster (2004), S. 19

    "2.1.3    „Zwangsuntersuchung"?
    Eine psychiatrische Untersuchung gegen den ausdrücklichen Willen eines Probanden ist nur sehr eingeschränkt möglich. Geht es um massive psychopathologische Symptome, etwa um ein durch Sinnestäuschungen, Wahninhalte oder Realitätsverlust determiniertes psychotisches Verhalten, so ist dieses oft auch einer Verhaltensbeobachtung auf einer psychiatrischen Station zugänglich. Dagegen ist die Klärung von neurotischen Konflikten, Beziehungsaspekten oder einer schwierigen persönlichkeitsstrukturellen Auffälligkeit nur im eingehenden Gespräch möglich. Verweigert in solchen Fällen der Proband seine Mitarbeit, kann die Begutachtung entweder gar nicht oder nur auf der Basis sehr reduzierter Informationen durchgeführt werden. Zu nennen sind hier neben der Verhaltensbeobachtung die Kenntnis der Aktenlage (s. Kap. 2.1.4), die Verwertung von Fremdinformationen und ggf. der Eindruck des Probanden in der Hauptverhandlung. In solchen Fällen können aller-
    dings nur Auffälligkeiten in der Hauptverhandlung berücksichtigt werden, während Schlussfolgerungen aus einem unauffälligen Verhalten nicht möglich sind, da es sich hier auch um Dissimulation (s. Kap. 2.8) etwa vorhandener psychopathologischer Phänomene handeln könnte.
         Die Frage, ob es sinnvoll ist, einen Probanden zur gutachtlichen Untersuchung vorführen zu lassen, sei es im strafrechtlichen oder im zivilrechtlichen Rahmen, ist nicht generell zu beantworten. Durch eine solche Vorführung kann die psychiatrische Begutachtung von vornherein erheblich belastet sein, was zur praktischen Unmöglichkeit einer Untersuchung führen kann, zumal auch in diesen Fällen der Proband selbstverständlich über seine Rechte, insbesondere das Recht zu schweigen, zu informieren ist. Stehen hinter der Weigerung des Probanden jedoch mangelnde Informationen oder Ängste vor der Untersuchung, so kann eine entsprechende Information auch dazu führen, dass der Proband trotz Zwangsvorführung zu einer Untersuchung bereit ist. Hilfreich kann in solchen Fällen ein Vorgespräch mit dem Verteidiger bzw. Rechtsvertreter sein oder auch die Möglichkeit, eine Teilexploration durchzuführen, beispielsweise die Biographie zu erörtern, aber über den Tatvorwurf nicht zu sprechen."

    ***

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    Rasch und Konrad (2004) zum Thema Vorführung, Weigerung und Zwangsbehandlung

    Weigerung der Mitwirkung (R&K2004)
    S. 333f: "Weigert sich der Proband, bei der Begutachtung mitzuarbeiten, ergibt sich für den Sachverständigen eine schwierige Situation. Eine erschöpfende psychologisch-psychiatrische Untersuchung ist selbstverständlich nur dann möglich, wenn der Untersuchte zur Mitarbeit bereit ist. Der Gutachter kann keine Anamnese erheben, wenn der Proband auf seine Fragen nicht antwortet; die Durchführung psychologischer Tests erfordert in hohem Maße Kooperation. Sprach sich ein Angeklagter gegen die Begutachtung aus, kann dies vielfältige Motive haben, über die sich der Sachverständige Klarheit verschaffen sollte. Ist die Abwehr gegen die Begutachtung Ausdruck einer Wahnkrankheit, könnte sich aus dem Verzicht auf die Begutachtung die Möglichkeit einer ungerechtfertigten Bestrafung ergeben bzw. das Versäumnis, sichernde Maßregeln anzuordnen. Im Einzelfall kann es durchaus unvermeidlich und angebracht sein, das Gutachten lediglich auf die Beobachtung des Angeklagten in der Hauptverhandlung und die Ergebnisse von Zeugenbefragungen zu stützen. Zur Begutachtung eines nichtgeständigen Beschuldigten führt Leygraf (1993) aus, die klarste Lösung sei sicher die Einführung eines Tatinterlokut, das sich im deutschen Strafrecht allerdings bislang nicht durchsetzen ließ. Die Alternative wäre derzeit, in diesen Fällen die Durchführung einer Begutachtung zur Schuldfähigkeit überhaupt abzulehnen, womit, wie Leygraf ausführt, auch Falle ausgeklammert würden, bei denen die Taten aus einer speziellen psychischen Störung abzuleiten sind. Die andere wäre, sich von den Prozess beteiligten Varianten des Tatgeschehens vorlegen zu lassen und entsprechend unterschiedlich die psychiatrisch-psychologische Sicht einzubringen.
    Eine dritte Möglichkeit wäre, die nach kriminologischer Erfahrung wahrscheinlichste Version des Tatgeschehens bzw. der Tatabläufe einzubringen. Das kann sowohl zur Belastung wie zur Entlastung des Beschuldigten führen. Dies liegt jedoch eigent-[>334] lich nicht im Aufgabenkreis des psychiatrisch-psychologischen Gutachters und berührt das vieldiskutierte Problem der Kompetenzüberschreitung oder Kompetenzabgrenzung."

    Einladung und Vorführung (R&K2004)  > BVerfG 2001.
    S. 334: "Es wird zunächst ein höflich gehaltenes Einbestellungsschreiben abgesandt, z.B. Sehr geehrter Herr/Frau X,
    im Auftrag des Amts-/Landgerichts XY soll ich in Ihrer Angelegenheit ein Gutachten erstatten. Ich bitte Sie,
    am _______  um _____ Uhr in die Klinik/ in das Institut _________________
    zu kommen. Sollte Ihnen der angegebene Zeitpunkt nicht passen, bitte ich um Ihren Anruf, damit wir einen anderen Termin vereinbaren können.
    Hochachtungsvoll
    Wird diesem Schreiben keine Folge geleistet und wird es auch nicht beantwortet, ist es abgewandelt zu wiederholen. Beim dritten Mal wird der Satz hinzugefügt:
    Sollten Sie dieser Einbestellung wiederum keine Folge leisten, werde ich die Akten dem Gericht zurücksenden. Sie haben dann mit der Möglichkeit Ihrer Vorführung zur Untersuchung zu rechnen.
    Lässt der Untersuchte wiederum nichts von sich hören, sendet man dem Gericht die Akten mit einem entsprechenden Bericht zurück und regt einen Termin zur polizeilichen Vorführung an. Es bleibt dem Gericht bzw. der Staatsanwaltschaft überlassen, dieser Anregung zu folgen oder nicht. Die Vorführung ist nicht zwangsläufig eine gegen den zu Untersuchenden gerichtete Maßnahme, sie eröffnet gewissermaßen auch die Chance zu einer Begutachtung. Im Allgemeinen sind die polizeilich vorgeführten Probanden bei der Untersuchung durchaus kooperativ und führen eine Palette nicht gewichtiger Gründe für ihr Nichterscheinen bei den vorangegangenen Untersuchungsterminen an."
        Worin die "Chance zu einer Begutachtung" liegen soll, erklären Rasch & Konrad nicht. Auf die Gefahr, auf Dauer in der Psychiatrie, dem dunklen Ort des Rechts, zu verschwinden, wird nicht hingewiesen. Warum der Gutachter, eine polizeiliche Vorführung "anregen" soll, bleibt ebenfalls dunkel.

    Zwangsbegutachtung  (R&K2004)
    S. 335: "Sofern ein Beschuldigter zu einer psychiatrisch-neurologischen Untersuchung nicht bereit ist, lässt sich die Untersuchung ohnehin nicht durchführen. Überdies würde, darin ist Barbey beizupflichten, eine Zwangsbegutachtung nur in seltenen Ausnahmefällen mit dem ärztlichen Ethos zu vereinbaren sein."

     
    Kritischer Kommentar: Persönliche Untersuchung nicht möglich
    Hier zeigt sich sehr klar, wie sich viele ForensikerInnen vom Recht ohne jede Not hat korrumpieren lassen. Das Recht will eine Entscheidung, es akzeptiert die Realität nicht ("Nicht feststellbar"), dass eine wissenschaftliche Entscheidung nur unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Will man die Schuldfähigkeit zu den Tatzeiten prüfen, wie es Gesetz und Recht verlangen, braucht man absolut zwingend Informationen und Daten zu Befinden und Verfassung des Probanden zu den Tatzeiten (Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen ...)  Solche kann man in aller Regeln nur dann erhalten, wenn der Proband bereit und fähig ist, ehrlich zu seinem Befinden und zu seiner Verfassung zu den Tatzeiten Auskunft zu erteilen (> theoretische Ausnahmen). Das ist psychologische oder psychopathologische Knochenarbeit, die außerdem noch auch Vertrauen in die wohlwollende Kompetenz der UntersucherIn voraussetzt. Vielfach wird gar nicht begriffen, dass eine solche Vertrauensbeziehung erst aufgebaut werden muss, was gewöhnlich auch Zeit braucht. Damit geraten Recht und ForensikerInnen in ein Dilemma, das sie rechts- und wissenschafts- widrig lösen: sie urteilen und diagnostizieren aufgrund mangelhafter Informationen und Daten, etwa nach "Aktenlage" oder Beobachtung auf einer Station. Und wenn eine Beobachtung noch so gut ist und lange dauert, es ergibt sich aus keiner noch so guten Beobachtung auch nur die geringste Information, wie die ProbandIn zu den - meist länger zurückliegenden Tatzeiten beieinander war. Recht und Gesetz sollen selbst die Verantwortung übernehmen, wie rechtlich zu entscheiden ist - da wollen sie sich ja ohnehin nicht hineinreden lassen - wenn die Informationsbasis nicht reicht, also Schuld-, Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht mit der wissenschaftlich gebotenen Sorgfalt und Verantwortung festgestellt werden kann. Was unter gar keinen Umständen hingenommen werden darf, dass forensische PsychopathologInnen Meinungen, Spekulationen, Vermutungen, Fern- und Phantasiebewertungen als wissenschaftliche Gutachten ausgeben. Wenn Gesetzgeber und Recht das Meinungsgutachten wollen, dann sollen sie entsprechende Gesetze machen oder Recht sprechen. 

    Verneinen der Tatvorwürfe
    Abstreiten, verneinen oder leugnen der Tatvorwürfe komplizieren je nach Verfahrensverlauf und -fortschritt die Beurteilung. Schon deshalb, weil unklar ist, ob bzw. in welcher Weise die Tatvorwürfe der Anklage oder in noch nicht rechtskräftigen Urteilen als Anknüpfungstatsachen verwendet werden dürfen, sollen, müssen oder nicht. Solche Unklarheiten sind mit einem menschenrechtsverpflichteten Recht nicht vereinbar (> Schuld- bzw. Tatinterlokut).

        Zu dem Problemkreis verneinen der Tatvorwürfe und ihrer Bedeutung äußert sich Kröber 2006 und 2010:

    Leugnen der Tat in der prognostischen Begutachtung nach Kröber, H-L (2010).
    S.32: „Zusammenfassung Der Auseinandersetzung eines Verurteilten mit der eigenen Straftat wird seitens der Justiz und vieler Gutachter ein großes kriminalprognostisches Gewicht beigemessen. Dabei haben vermutlich andere Einflussfaktoren wie allgemeine Dissozialität, die Struktur des sozialen Empfangsraumes, aber auch personale Kernkompetenzen des Verurteilten eine größere Bedeutung für die Legalbewährung. Die eigene Stellungnahme zur Tat kann allerdings ein wichtiger Knotenpunkt sein, aus der sich die Einstellungen und Lebensanschauungen eines Verurteilten erkennen lassen. Insofern kann sie ein wichtiges Lernfeld sein zur kognitiven Umstrukturierung. Allerdings ist die Tatbearbeitung nicht die einzige Möglichkeit, und auch Tatleugnung muss kein zwingendes Hindernis für Lockerungen und Entlassung sein. Es kommt darauf an, ob die Tatleugnung verdeutlicht, dass der Insasse Straftaten als seine Privatangelegenheit verhandelt und einer normativen Erörterung entzieht, oder ob in der Verleugnung primär Scham und ein letztlich prosoziales Konzept deutlich werden.“

    Bedeutung Leugnung der Tat für die Prognose nach Kröber (2006) im HBFP3 zur
    S. 119f: "Leugnen der Tat kann aber nicht von vorneherein als absolutes Hindernis für Lockerungen, bedingte Entlassung und günstige Kriminalprognose angesehen werden. Zum einen kann es für Probanden unabhängig von der Tatbearbeitung gute Gründe geben, nicht mehr straffällig zu werden: Wenn es sich einfach nicht mehr rechnet, weil der Ertrag zu gering und das Entdeckungsrisiko zu groß geworden ist (z. B. Räuber, Betrüger). Zum anderen kann das Leugnen in Einzelfällen eben auch Ausdruck einer massiven Scham sein, die impliziert, dass der Täter künftighin alles meiden will, was ihn wieder in die Nähe einer Tatsituation bringen könnte. Es sind dies oft Täter, die andere, weniger beschämende Taten zu gestehen stets bereit waren, die sich aber dieses spezielle Versagen nicht verzeihen können und es nach außen nicht eingestehen können. Wenn allerdings bei dieser Form des Leugnens ein ganzer Bereich, z.B. eine deviante Sexualität, global der therapeutischen Bearbeitung oder zumindest der diagnostischen Überprüfung entzogen wird, wenn also z. B. alle Gewaltdelikte mit sexueller Motivation verleugnet werden, muss festgehalten werden, dass ein virulenter Risikobereich offenbar unbearbeitet geblieben ist und vor einer Auseinandersetzung bewahrt wird; dies ist prognostisch  ungut. Der Gutachter soll allerdings nicht beurteilen, ob aus dem Gefangenen nun ein anständiger, gar sympathischer Mensch geworden ist. Auch ein unsympathischer und in seiner Persönlichkeitsartung weiterhin problematischer Mensch mag strafrechtlich eine gute Prognose haben."
     



    Katalog der potentiellen forensischen Gutachtenfehler
    Fehler in forensisch-psychologischen, forensisch-psychopathologischen, forensisch-psychiatrischen Gutachten.

    Vorbemerkung: Das Einzelfallprinzip gebietet sicherheitshalber nur von potentiellen Fehlern zu sprechen. Der Katalog enthält also überwiegend nur potentielle Fehler. Ob ein potentieller Fehler im spezifischen Einzelfall wirklich ein Gutachten-Fehler ist, sollte nicht absolut-allgemein, sondern im Realitätsrahmen und Situationskontext des Einzelfalles untersucht und entschieden werden. Und natürlich hängt die Fehler-Diagnose und das Gewicht, das ihr zukommt, auch sehr davon ab, aus welcher wissenschaftlichen Perspektive oder Basis die Betrachtung erfolgt. PsychoanalytikerInnen haben z.B. ein sehr lockeres Verhältnis zu Phantasie und Vermutungen und verwechseln diese oft mit Wissenschaft, Empirie oder Objektivität.
        Wichtig ist vielleicht auch, dass man sich eingesteht: fehlerlose Gutachten gibt es nicht. Aber: die Problemlösung beginnt bekanntlich mit der Problemwahrnehmung. Deshalb ist es sinnvoll, sich seinen möglichen Fehlern grundsätzlich zu öffnen. Manche Fehler mögen auch keine ernste Bedeutung haben, andere aber im jeweiligen Einzelfall vielleicht schon. Und es gibt fatale Fehler, die ein Gutachten nicht verwertbar machen (z.B. Oder-Diagnosen, Verfassung und Befinden zu den Tatzeiten nicht exploriert oder, bei keinem Ergebnis hierzu, die Beweisfrage als nicht beantwortbar erklärt, nicht persönlich untersucht, unzulängliche Mittel und Methoden angewendet, ... ... ...)
        Kleine Fehlertaxonomie: (1) Fatale, nicht mehr reparierbare Fehler. (2) Fatale Fehler ohne nähere Spezifikation. (3) Fatale, aber grundsätzlich noch reparierbare Fehler ("Nachbesserung", weiteres Ergänzungsgutachten).  (4) Fehler ohne bedeutsame Auswirkung auf die Beantwortung der Beweisfrage. (5) Sonstiger in seiner Bedeutsamkeit nicht richtig oder zuverlässig einschätzbarer Fehler.
        Sonderfall: Fehlerhaftes Gutachten, aber im Ergebnis nachvollziehbar und - wenn auch mit anderem Vorgehen - zum gleichen Ergebnis gelangend.

    Untersuchungs-Fehler (UntF)

    1. UntF01  Ort, Zeit, Dauer, Situation der Untersuchung bzw. Untersuchungsabschnitte werden nicht klar und eindeutig ausgewiesen.
    2. UntF02  Die Untersucher werden nicht nach ihren Untersuchungsaufgaben genau aufgeführt.
    3. UntF03  Nicht persönlich untersucht.
    4. UntF04  Zu wenig persönlich untersucht.
    5. UntF05  Zu kurz persönlich untersucht.
    6. UntF06  Zu einseitig persönlich untersucht.
    7. UntF07  Zu wenig hypothesenorientiert untersucht.
    8. UntF08  Es wird keine hinreichend vertrauensvolle und tragfähige Beziehung angebahnt und aufgebaut.
    9. UntF09  Es bleibt unklar, warum ein Untersuchungssegment durch geführt wurde,
    10. UntF10  Es bleibt unklar, warum ein erforderlich erscheinendes Untersuchungssegment nicht durchgeführt wurde.
    11. UntF11  Die Anknüpfungstatsachen werden nicht ausdrücklich oder klar genannt.
    12. UntF12  Die Bedeutung der Anknüpfungstatsachen bleibt unklar.
    13. UntF-X  Sonstiger, bislang nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Untersuchung zuzuordnen ist.




    UntF01 Ort, Zeit, Dauer, Situation der Untersuchung bzw. Untersuchungsabschnitte werden nicht klar und eindeutig ausgewiesen.

    Prototypische Fehlerstruktur UntF01
    Der Fehler erklärt sich bereits durch seinen Titel hinreichend: Ort, Zeit, Dauer, Situation der Untersuchung bzw. Untersuchungsabschnitte werden nicht klar und eindeutig ausgewiesen.

    Beleg UntF01-01-01 Schuldfähigkeitsgutachten Landgerichtsarzt Nürnberg-Fürth
    Az.: 902 Js 141654/10 vom 14.10.2010. Im schriftlichen Gutachten wird S.1 ausgeführt: "Das Gutachten stützt sich in seiner Beurteilung auf die übersandte Akte der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, eine ambulante Untersuchung des Betroffenen am Mittwoch, den 06.10.2010 in der Landgerichtsärztlichen Dienststelle Nürnberg und Einsichtnahme in ärztliche Unterlagen."
        Es werden nicht Beginn, Ende, Dauer und die einzelnen Untersuchungsmethoden dargelegt. Nach Erinnerung des Probanden soll die ganze Untersuchung / Exploration ca. 1/2 Stunde gedauert haben.



    UntF02 Die Untersucher werden nicht nach ihren Untersuchungsaufgaben genau aufgeführt.

    Prototypische Fehlerstruktur UntF02
    Sind mehrere Personen an einer Untersuchung beteiligt, so muss natürlich ausgewiesen werden, wer, was, warum, wann gemacht hat.



    UntF03 Nicht persönlich untersucht
    Die allermeisten psychopathologischen Fragestellungen können gar nicht angemessen bearbeitet und beantwortet, wenn eine persönliche Untersuchung und Exploration nicht durchgeführt wird oder, bei Weigerung der ProbandIn, auch nicht durchgeführt werden kann. Es gibt nur wenige theoretische Ausnahmen, die eine Begutachtung auch ohne Mitwirkung in der Sache rechtfertigen könnten, wobei hier offen bleibt, ob es überhaupt mit der Menschenwürde zu vereinbaren ist, ohne Zustimmung "begutachtet" zu werden (> Jaspers). Das BVerfG hat sich zur Anwendung des § 81 StPO bereits im Jahre 2001 klar und deutlich geäußert und sie verworfen, wenn die erforderliche Mitwirkungsbereitschaft nicht vorliegt.
        Als besondere forensische Kuriosität sei auf die extrem sophistischen Entgleisungen der Augsburger Staatsanwaltschaft zu den Willenserklärungen Mollaths, nicht psychiatrisch untersucht und exploriert werden zu wollen, hingewiesen. Solche Fehlleistungen stärken die Kritik seit dem berüchtigten 24. April 1961 an einer politischen Willkürjustiz in Bayern, wenn mächtige CSU-Interessen betroffen sind.

    Prototypische Fehlerstruktur UntF03
    Grob fehlerhafte Anwendung der forensischen Psychiatrie durch fehlende persönliche Untersuchung und Exploration, sei es durch Unterlassung, Delegation oder Weigerung der ProbandIn.
        Dies hat in Bayern eine lange Tradition. Mindestens seit dem 8.6.1886, also inzwischen über 125 Jahre (Referenzjahr 2012), seit man König Ludwig II. nach Aktenlage für verrückt erklärte:

    Beleg UntF03-01-01 Ludwig II., König von Bayern
    Ludwig II, ist wohl der spektakulärste Fall eines Patienten, der ohne jede persönliche Exploration und Untersuchung, nur nach Aktenlage für verrückt und geschäftsunfähig erklärt wurde. Und dies, obwohl bereits zu seiner Zeit der Mindeststandard persönliche Untersuchung in der forensischen Psychiatrie allgemein bekannt und "anerkannt" war.

    Beleg UntF03-02-01 Nürnberger Gutachter Schuldfähigkeitsgutachten Mollath
    Der Nürnberger Gutachter kann Gustl F. Mollath nicht persönlich untersuchen und explorieren, weil dieser sich weigert. Das hindert ihn nicht, in der Hauptverhandlung am 5.5.2004, eine Vermutungsdiagnose - nach dem BGH-Beschluss vom 12.11.2004 wird Diagnosesicherheit und eindeutige Zuordnung gefordert - auszusprechen, statt den Auftrag wissenschaftlich als nicht erfüllbar zurückzugeben. Und es hindert auch den Richter nicht, eine völlig widersprüchliche und unbegründet positive Bewertung des mündlichen Gutachtens in der Hauptverhandlung (ohne Anwaltsschutz) abzugeben.


    Quelle: https://www.gustl-for-help.de/download/2004-05-05-Mollath-Amtsgericht-Einweisungsbeschluss.pdf

    Beleg UntF03-02-02 Bayreuther Schuldfähigkeitsgutachten Mollath
    Nachdem sich ein Psychiater des BKH Erlangen für befangen erklärt, wird der Fall an das BKH Bayreuth abgegeben, das am 25.7.2005 sein schriftliches Gutachten zu den Beweisfragen "Zu klären ist die Schuldfähigkeit bezüglich der unterstellten, nicht näher beschriebenen oder benannten Vorfälle am 12.8.2001, 31.05.2002 und am 23.11.2002." erstattet. Hier führt der Sachverständige aus:
     

      „Wie im Vorfeld der durch das Amtsgericht Nürnberg für den Angeklagten angeordneten Unterbringung zur Beobachtung gemäß § 81 StPO bereits anlässlich anstehender Begutachtungen gezeigt, war der Angeklagte auch im Rahmen der stationären Beobachtung und Untersuchung vom 14.02.2005 bis zum 21.03.2005 nicht bereit, an Untersuchungen oder explorativen Gesprächen im Engeren mitzuwirken.
      Von daher muss die Begutachtung im Wesentlichen sich auf die Bewertung des vom Akteninhaltes und der vom Angeklagten verfasstem Schreiben sowie auf die Erkenntnisse der Beobachtung während der stationären Begutachtung vom 14.02.2005 bis zum  21.03.2005 stützen.“


    Der Sachverständige erkannte nicht oder missachtete, dass er bei Weigerung des Probanden, sich explorieren und untersuchen zu lassen, die Beweisfragen gar nicht angemessen beantworten und infolgedessen den Gutachtenauftrag wissenschaftlich nicht korrekt erledigen konnte. Hier ist anscheinend die falsche Annahme verinnerlicht, dass immer gegutachtet werden kann, auch wenn man gar nichts Beweisfragenrelevantes untersuchen oder explorieren konnte. Meinen, spekulieren, phantasieren, mutmaßen, frei assoziieren kann man natürlich immer. Aber das hat mit einem wissenschaftlichen Gutachten nichts zu tun und bedeutet, dass die GutachterIn sich okkulte parapsychopathologische Fähigkeiten zuschreibt, was selbst im höchsten Maßen wahnverdächtig ist (> Wissenschaftswahn).

    Beleg UntF03-02-03 Mollath Prognosegutachten des Berliner Gutachters
    Mollath hat sich vom Berliner Gutachter nicht untersuchen und nicht explorieren lassen. Das hinderte die Koryphäe (crème de la crème O-Ton Dr. Merk) nicht, ein amorphes Papier, ohne Gliederung und Inhaltsverzeichnis, - weitgehend übernommen - abzugeben, was er und die Gerichte "Gutachten" nannten.



    UntF04 Zu wenig persönlich untersucht

    Prototypische Fehlerstruktur UntF04
    Hier wird zwar persönlich untersucht, aber zu wenig (beweisfragenrelevante Themen). Meist besteht eine enge Korrelation zwischen zu kurzem Zeitaufwand und zu wenig persönlich untersucht. Es kann aber auch ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden haben und trotzdem wurde zu wenig persönlich (beweisfragenrelevantes) untersucht. Man kann auch fast das ganze Gutachten lang zitieren. So konnte Konrad (2010) zeigen, dass ein Gutachten zwar die Mindestanforderungen erfüllte und trotzdem viel zu wenig persönlichen Untersuchungsstoff enthielt.

    Beleg UntF04-01-01 Schuldfähigkeitsgutachten eines Landgerichtsarztes aus Nürnberg-Fürth
    Az.: 902 Js 141654/10 vom 14.10.2010. Es werden zu wenige Themen differenziert aufgegriffen, was sich schon durch die Kürze der Zeit andeutet (Beleg UntF05-01-01).

    Beleg UntF04-02-01 Nürnberger, Bayreuther, Ulmer Gutachter im Fall Mollath
    Das trifft z.B. im Falle Mollath für den Nürnberger, die Bayreuther, den Berliner und den Ulmer Gutachter zu. Die ersten drei waren noch nicht einmal imstande, eine Arbeitsbeziehung aufzubauen, die eine persönliche Exploration und Untersuchung ermöglicht hätte, wobei hier sowohl belastend als auch entlastend angeführt werden muss, dass die forensische Psychiatrie das Thema, eine Vertrauensbeziehung aufzubauen, nicht kennt bzw. nicht angemessen würdigt. Fehlende Mitwirkungsbereitschaft interessierte die Gutachter auch gar nicht, weil sie offenbar den Grundsatz verinnerlicht haben, gegutachtet wird immer, ob die ProbandIn mitmacht oder nicht, spielt keine Rolle. Und auch nicht, was das Bundesverfassungsgericht hierzu sagt. Hier hat sich offenbar eine okkulte parapsychopathologische Überzeugung gebildet, die man selbst als wahnhaft interpretieren kann, wenn sie mit unkorrigierbarer Gewissheit vertreten wird.

    Beleg UntF04-02-02 Mollaths Duraplexordner als "Spinnerprodukt" verkannt
    Staatsanwaltschaft, Richter und Sachverständige haben die 161 Seiten des Duraplexschnellhefters nur sehr oberflächlich, nicht gründlich,  wie es erforderlich gewesen wäre, angeschaut und in vielerlei Hinsicht vorurteilsvoll und falsch bewertet, meist in summarischen, generalisierenden Zusammenfassungen, so dass gar nicht überprüft werden kann, worauf sich die Fehlbeurteilungen nun eigentlich gründen. Manche scheinen aus der Tatsache, dass Mollath sich an bedeutende Persönlichkeiten der Zeitgeschichte wandte (z.B. Papst, Dalai Lama), ohne jede nähere Prüfung der Sachverhalte zu schliessen, das müsse ein Verrückter sein. Auf diesen Zug der Entgleisung sind später noch zahlreiche bis dorthin renommierte MedienvertreterInnen (z.B. Spiegel, Zeit, Tagesspiegel) aufgesprungen - und glücklicherweise gescheitert.

    Beleg UntF04-02-03  Fremde Texte 77%, eigener Text 23%
    Im engeren Sinne repräsentieren die folgenden Ausführungen einen Darstellungsfehler. Man kann diesen Fehler aber auch als Beleg für zu wenig persönlich untersucht heranziehen. Analysiert man das Bayreuther Gutachten zur Schuldfähigkeit und Unterbringung Mollaths, ergibt sich: Der Datendarstellungsteil geht bis S. 24. Auf dieser beginnt der Teil „Zusammenfassung und Beurteilung“. Weitere Differenzierungen wurden durch entsprechende Überschriften oder Metabemerkungen nicht ausgewiesen. Der Aktenreferenzteil bis S. 24, Mitte, enthält 53.320 (77.30%) Worte mit Leerzeichen (Word: Wörter zählen), der Teil „Zusammenfassung und Beurteilung“ (24-31) enthält  15.661 (22.70%) Wörter mit Leerzeichen. Insgesamt hat das Gutachten gerade 31 Seiten mit 68.981 Wörtern mit Leerzeichen. Bedenkt man, um was für einen komplizierten und schwierigen Fall es geht,  erscheint das Missverhältnis zwischen Daten abschreiben (77.30%) und Datenverarbeitung, kritische Erörterung, Befundung, Ableitung und Begründung der Beweisfragen (22.70%) extrem, zumal sich im Teil "Zusammenfassung und Beurteilung" noch Wiederholungen finden (> Textmontage). Das erinnert schon fast an den Fall, den Norbert Konrad (2010) attackierte.



    UntF05 Zu kurz persönlich untersucht

    Prototypische Fehlerstruktur UntF05
    Relativ zu den Beweisfragen und den Untersuchungserfordernissen wird zu wenig persönlich untersucht. In extremen Fällen im Rahmen von Betreuungsfragen wird manchmal nur eine kurze, gelegentlich sogar wortlose, Begegnung mit einem bloßen Eindruck als gutachterliche Stellungnahme oder gar Gutachten ausgegeben (im gutachterlichen Betreuungsbereich herrschen teilweise unglaubliche Zustände).

    Beleg UntF05-01-01 Schuldfähigkeitsgutachten eines Landgerichtsarztes aus Nürnberg-Fürth
    Az.: 902 Js 141654/10 vom 14.10.2010. Im schriftlichen Gutachten wird S.1 ausgeführt: "Das Gutachten stützt sich in seiner Beurteilung auf die übersandte Akte der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, eine ambulante Untersuchung des Betroffenen am Mittwoch, den 06.10.2010 in der Landgerichtsärztlichen Dienststelle Nürnberg und Einsichtnahme in ärztliche Unterlagen."
        Es werden nicht Beginn, Ende, Dauer und nicht die einzelnen Untersuchungsmethoden dargelegt. Nach Angabe des Betroffenen soll die ganze Untersuchung / Exploration nur eine halbe Stunde gedauert haben.



    UntF06 Zu einseitig persönlich untersucht
    In diesem Fall kommt es zwar zu einer persönlichen Untersuchung, aber es wird einseitig, in Richtung auf eine ganz bestimmte Hypothese hin untersucht und Alternativhypothesen werden ignoriert. Ein klarer Verstoß gegen das Aufklärungs-, Neutralitäts- und Unbefangenheitsgebot, die Wissenschaft aber auch gegen die hypothesenorientierte Rechtsprechung und den gesunden Menschenverstand.

    Prototypische Fehlerstruktur UntF06
    Hier werden beweisfragenrelevante Themen und Sachverhalte nur in eine Richtung untersucht, was meist auf Vorurteile, Befangenheit, einseitige Hypothesenbildung oder manchmal sogar auf ein grundsätzliches Missverständnis, was die Aufgabe (> absolute Fehler) der GutachterIn ist, hindeutet. Der elementarste Grundsatz forensischer Sachverhaltserforschung - der ja auch für Staatsanwaltschaft gilt, wenn er auch oft nicht konsequent angewendet wird - muss sowohl bestätigende (belastende) als auch nicht bestätigende(entlastende) Möglichkeiten berücksichtigen.

    Beleg UntF06-01-01 Ulvi Kulac (Peggy)
    Auch der derzeit für Wiederaufnahme vorbereitete Fall Ulvi Kulac (Peggy) ist ein Kandidat für einseitige persönliche Untersuchung (und viele andere forensisch-psychiatrische Gutachterfehler). [W]

    Beleg UntF06-02-01 Mollath
    Der Fall Mollath zeigt in unglaublicher Weise eine Häufung von Einseitigkeiten von Anfang an bei der Ermittlung, Anklage, Gutachten, Beschlüssen und Urteilen - also durch Polizei, Staatsanwaltschaft, Sachverständige, Richter - dass sich mit Fug und Recht die Komplott-, neben der Schwarmdummheits- oder der Vorurteilshypothese, ... stellt und keineswegs als "Verschwörungstheorie" einfach so abgetan werden kann. Wenn Hunderte von Fehlern alle zu Lasten eines Betroffenen festzustellen sind, dann sind hier Unwahrscheinlichkeiten mit zig-Nullen (0.000000000000000....) hinter dem Komma passiert, die praktisch nicht mit Zufall zu erklären sind.



    UntF07 Zu wenig hypothesenorientiert untersucht
    > Hypothesengeleitete Untersuchung zwingend erforderlich (1999). Das Denken in Hypothesen, die zu bestätigen oder zu widerlegen sind, kennzeichnet das wissenschaftliche Denken und damit ein wissenschaftliches Gutachten. Was spricht dafür, was spricht dagegen? Wie kann Hypothese X gestützt, wie kann sie entkräftet werden? Dieses Denken ist auch typisch für gute Ermittlungen und gute Rechtsprechung. Und dieses Denken ist bei den forensischen PsychologInnen - vor allem auch durch das bahnbrechende aussagepsychologische BGH Urt. vom 30. Juli 1999 (I StR 618/98) - gut verinnerlicht, bei den forensischen PsychiaterInnen ist es völlig unterentwickelt, vermutlich sind sie bei den RichterInnen deshalb auch so beliebt. Sie sind einfach, pflegeleicht und machen mit wie gewünscht.

    Prototypische Fehlerstruktur UntF07
    Jeder Sachverhalt S kann - je nach Komplexität mehr oder minder - wahr oder falsch sein. Die einfachste Hypothese lautet daher formal: S ist eine Tatsache. Und die Alternativhypothese heißt dann: S ist keine Tatsache. Bei komplexen Sachverhalten können auch Teile Tatsachen und andere Teile keine Tatsachen sein. Ein Hypothesenfehler liegt vor, wenn Alternativhypothesen weder ausdrücklich genannt, noch untersucht werden, z.B. was spricht für und was spricht gegen einen Wahn? Könnte es nicht auch nur eine überwertige Idee, eine Wahrnehmungsillusion oder eine bloße Meinung sein? Wie genau ist die Unkorrigierbarkeit geprüft worden? Woraus genau soll sich die Progredienz ergeben?

    Beleg UntF07-01-01 Schuldfähigkeitsgutachten Landgerichtsarzt Nürnberg-Fürth
    Az.: 902 Js 141654/10 vom 14,10.2010. Im schriftlichen Gutachten wird S.1 ausgeführt: "Das Gutachten stützt sich in seiner Beurteilung auf die übersandte Akte der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, eine ambulante Untersuchung des Betroffenen am Mittwoch, den 06.10.2010 in der Landgerichtsärztlichen Dienststelle Nürnberg und Einsichtnahme in ärztliche Unterlagen."
        Es werden keine differenzierten Hypothesen aufgestellt, das Für und Wider nicht ausführlich erörtert und keine Alternativhypothese nach der anderen so und so begründet ausgeschlossen.

    Beleg UntF07-02-01 Spinnerbezichtigung Mollaths
    Mollath wurde frühzeitig als "Spinner" (SZ 3.3.13) disqualifiziert mit gravierenden Folgewirkungen, weil alle seine Äußerungen und Argumente nur noch unter dieser entwertenden Merkmalszuordnung, die es jedem erlaubte, Mollath nicht mehr ernst zu nehmen, betrachtet wurden.
        Vor dem Gesetz sollten alle gleich sein: Also Behinderte, Kranke, Gauner, Außenseiter, Obdachlose, Penner, Spinner, Gestörte, Milieugeschädigte, Prostituierte sind vor dem Gesetz ebenso, also gleich, zu behandeln wie MinisterpräsidentInnen, JustizministerInnen, RichterInnen, StaatsanwältInnen, PolizistInnen, NotarInnen, Sachverständige, Wirtschaftsführer, ...

    Beleg UntF07-02-02 Schwarzgeldhypothese Mollaths
    Obwohl jeder Depp zu der Zeit ,als Mollath seine Schwarzgeldvorwürfe aufbrachte, wusste und heute erst recht weiss, dass im großen Stil von nahezu allen Geldinstituten Steuerhinterziehungen gefördert worden waren, wurden und werden, wurden seine fundierten und überprüfbaren Informationen erst als Spinnerei und später sogar als Wahnsystem abgetan und als Hypothese nie ernst genommen. Das war ein schwerer und unverzeihlicher Hypothesen-Fehler der Staatsanwaltschaft, der Richter und der Sachverständigen. Nachdem wir wissen, dass Angehörige dieser drei Gruppen oft blitzgescheite und gebildete Menschen sind, kann es also an ihrer Blödheit nicht gelegen haben. Vorurteile, persönliche oder sachliche Befangenheit, direkte oder indirekte Verstrickung, Handeln auf höhere Weisung, u.a. mögen hier eine Rolle gespielt haben.

    Beleg UntF07-02-03 Tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Fall Mollath
    Obwohl eine Bezichtigung der Ehegattin eine hochgradige Erregung Mollaths beschreibt, ist von sämtlichen vom Gericht bestellten Gutachtern (Nürnberger, Bayreuther, Berliner, Ulmer) die dadurch außerordentlich naheliegende Hypothese einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung als zweites Eingangsmerkmal für § 20 StGB nicht einmal erwogen, geschweige denn erörtert oder gar angenommen worden.

    Beleg UntF07-02-04 Unglaubwürdigkeit der Ehefrau  im Fall Mollath
    Obwohl die Psychiatrisierung ganz eindeutig auf dem Hintergrund eines ehelichen Rosenkrieges von der Ehegattin auf den Weg gebracht wurde, mit Hilfe einer Ärztin aus dem BZK Erlangen und später einer Arztpraxis in Nürnberg, hat niemand die Motivation der Ehegattin kritisch in Frage gestellt. Jeder Depp lernt in der Forensik, dass in solchen Fällen höchste Vorsicht und strenge Quellensicherung geboten ist, nicht so die Nürnberger Staatsanwaltschaft, die Mollath-Richter und die von ihnen berufenen Sachverständigen.

    Beleg UntF07-02-05 Wahndiagnose - Fehlende Alternativhypothesen im Fall Mollath
    Die Wahndiagnose erscheint bei kritischer Betrachtung völlig aus der Luft gegriffen, sie wird nirgendwo ordentlich abgeleitet und belegt, es sei denn mit falschen Textmontagen durch den Bayreuther Gutachter.

      Wahnhaft im Urteil vom 26.8.2006
      (S. 25): "Auch in der Hauptverhandlung hat sich - wie bereits in den von den Zeugen geschilderten Vorfällen - die wahnhafte Gedankenwelt des Angeklagten vor allem in Bezug auf den Schwarzgeldverschiebungen der Hypovereinsbank bestätigt. Mag sein, dass es Schwarzgeldverschiebungen von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat bzw. noch gibt, wahnhaft ist, dass der Angeklagte fast alle Personen, die mit ihm zu tun haben, z.B. den Gutachter Dr. Wörthmüller völlig undifferenziert mit diesem Skandal in Verbindung bringt und alle erdenklichen Beschuldigungen gegen diese Personen äußert."
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      Zur Bedeutung des Wahns für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach den §§ 20 und 21 StGB.
      Dölling, Dieter  (2010) Zur Bedeutung des Wahns für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach den §§ 20 und 21 StGB. Forens Psychiatr Psychol Kriminol (2010) 4: 166–169
         "Zusammenfassung Für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eines Täters mit Wahnsymptomatik ist zunächst zu prüfen, ob ein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 des Strafgesetzbuches (StGB) vorliegt. Hierzu ist eine gründliche Diagnose von Art und Intensität des Wahns sowie der ihm zugrunde liegenden psychischen Erkrankung erforderlich. Ist ein Eingangsmerkmal gegeben, ist zu erörtern, wie sich der Wahn im jeweiligen Einzelfall auf die Fähigkeit des Täters zur Unrechtseinsicht und seine Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat. Hierfür kann ein Blick auf das von Winfried Brugger entwickelte anthropologische Kreuz der Entscheidung hilfreich sein."
          Diese Beurteilungkriterien des Mitherausgebers des Handbuches der Forensischen Psychiatrie wurden im Fall Mollath nicht beachtet, angewendet und eingehalten.


    Beleg UntF07-02-06 Duraplexschnellhefter - Fehlende Alternativhypothesen zu seiner Bedeutung im Fall Mollath
    Hier gilt, was unter Beleg UntF04-02-02 schon erwähnt wurde, hier aber mit dem Schwerpunkt, andere und alternative Hypothesen nicht einmal erwogen zu haben. Vermutlich wurde der Duraplex-Schnellhefter Mollaths, den er wahrscheinlich einen Tag vor der ersten Hauptverhandlung eilends zusammengestellt hatte, nie in Gänze, mit Verständnismotivation und Einfühlungsvermögen gelesen.

    Beleg UntF07-02-07 Gemeingefährlichkeitsannahme nie mit Alternativhypothese in Frage gestellt
    Nicht nur, dass die Annahme der Gemeingefährlichkeit nie einer Alternativhypothese (er ist nicht gemeingefährlich, weil) gegenübergestellt wurde, die Annahme ist auch durch das Verhalten der Behörden selbst völlig unglaubwürdig, weil man Mollath bald ein Jahr lang frei herumlaufen ließ, was gegen die Annahme der Gemeingefährlichkeit sprach. Man entließ den "Gemeingefährlichen" nach der verfassungswidrigen Zwangseinweisung auch in Bayreuth ohne jede Begleitung. Zwischen den ihm vorgeworfenen Gewalttaten und der Gemeingefährlichkeitsfeststellung liegen Jahre.



    UntF08  Es wird keine hinreichend vertrauensvolle und tragfähige Beziehung angebahnt und aufgebaut
    Das ist der Standardfall in der forensischen Psychiatrie. Vertrauen, Vertrauensbeziehung, Schaffen einer Vertrauensbasis sind hier Fremdworte. Es existiert noch nicht einmal ein Problembewusstsein. Und für die Schlechtachterindustrie ist es für schnelle Arbeit und Erledigung auch wichtig, dass dies so bleibt.

    Prototypische Fehlerstruktur UntF08
    Das Thema Vertrauen. Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis wird gar nicht genannt.

    UntF08-02-01 Nürnberger Gutachter Mollaths
    Thema Vertrauen. Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis wird nicht genannt und nicht problematisiert.

    UntF08-02-02 Bayreuther Gutachter Mollaths
    Thema Vertrauen. Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis wird nicht genannt und nicht problematisiert.

    UntF08-02-03 Berliner Gutachter Mollaths
    Thema Vertrauen. Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis wird nicht genannt und nicht problematisiert.
     



    UntF09  Es bleibt unklar, warum ein Untersuchungssegment durchgeführt wurde

    Prototypische Fehlerstruktur UntF09
    Es wird ein Sachverhalt S mit einem Verfahren V untersucht, wobei unklar bleibt, weshalb diese Untersuchung vorgenommen wurde.

    Beleg UntF09-02-01 SKID II bei Mollath am 30.11.2010 durch Prof. P., Ulm



    UntF10  Es bleibt unklar, warum ein erforderlich erscheinendes Untersuchungssegment nicht durchgeführt wurde

    Prototypische Fehlerstruktur UntF10
    Es wird ein Sachverhalt S mit einem Verfahren V nicht untersucht, wobei unklar bleibt, weshalb diese Untersuchung nicht vorgenommen wurde.

    Beleg UntF10-02-01 SKID I bei Mollath am 30.11.2010 durch Prof. P., Ulm
     



    UntF11  Die Anknüpfungstatsachen werden nicht ausdrücklich oder klar genannt.
    Der Sachverständige weiß nicht - und wird auch nicht entsprechend durch den Auftraggeber informiert -, von welchen Anknüpfungstatsachen er auszugehen hat oder ausgehen darf. In nicht abgeschlossenen Verfahren sind viele Sachverhalte hinsichtlich ihrer Tatsächlichkeit unklar und eben durch das Verfahren erst festzustellen. Obwohl hypothesenorientiertes Vorgehen (UntF07) grundsätzlich wissenschaftlich geboten ist, auch wenn es die meisten PsychiaterInnen (Stand 26.3.2013) nicht tun, ist es in schwebenden, nicht abgeschlossenen Verfahren ein absolutes Gebot, noch dazu dann, wenn Beschuldigte oder Angeklagte die Tatvorwürfe abstreiten. Werden Anknüpfungstatsachen nicht ausdrücklich erwähnt, ist in der Regel von einem breiten Hypothesenspektrum auszugehen.

    Prototypische Fehlerstruktur UntF11 bei Gutachtenaufträgen und Erstattungen
    Zu berücksichtigende Anknüpfungs"tatsachen" AT1, AT2, AT3, .... ATi,  .... ATn werden nicht ausdrücklich vor- oder angegeben.

    Für die alljährlichen psychiatrischen Stellungnahmen nach § 67d sind z.B. die Anknüpfungstatsachen durch das rechtskräftige Urteil gegeben. Als Problem ergibt sich, wie Zweifel an diesem Urteil oder zweifelhafte Vorbegutachtungen zu handhaben sind. Hier muss von den Strafvollstreckungskammern gefordert werden, dass sie die Anknüpfungstatsachen klar benennen, von denen der Sachverständige ausgehen soll. Falls die Sachverständige begründete Zweifel an den von der Strafvollstreckungskammer vorgegebenen Anknüpfungstatsachen hat, kann sie in eine schwierige Konfliktsituation geraten, die sie zur Auf- und Rückgabe des Auftrages bringen kann.

    UntF11-01-01 Az.: 902 Js 141654/10 LG Nürnberg-Fürth
    Die Staatsanwaltschaft gibt ein Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit in Auftrag. Schon die Formulierung zeigt, dass hier der Sachverständige zum Richter gemacht wird. Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt.

    UntF11-02-01 Nürnberger Gutachter Mollaths
    Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt.

    UntF11-02-02 Bayreuther Gutachter Mollaths
    Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt.

    UntF11-02-03 Berliner Gutachter Mollaths
    Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt.
     



    UntF12  Die Bedeutung der Anknüpfungstatsachen bleibt unklar.
    Das ist rein sachlich durch ein ungenügend entwickeltes Recht (Stand 26.3.2013 > Schuld-, Tatinterlokut) notwendigerweise dann der Fall, wenn Gutachtenaufträge in einem nicht mit rechtskräftigem Urteil abgeschlossenen Verfahren erteilt werden und die Anknüpfungstatsachen vom Auftraggeber, Staatsanwaltschaften oder Gerichten, nicht klar und ausdrücklich ausgewiesen werden, was oft der Fall ist. Es gibt "nur" Beschuldigungen, (vorläufige) Ermittlungsergebnisse, Anklagen oder ein (angefochtenes) Urteil. Wovon also hat die Sachverständige auszugehen?

    UntF12-01-01 Az.: 902 Js 141654/10 LG Nürnberg-Fürth
    Die Staatsanwaltschaft gibt ein Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit (Rechtsbegriff!) in Auftrag. Schon diese Formulierung zeigt, dass hier der Sachverständige zum Richter gemacht wird. Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt, daher ist ihre Bedeutung weder klar noch unklar, sondern nicht beurteilbar.

    UntF12-02-01 Nürnberger Gutachter Mollaths
    Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt, daher ist ihre Bedeutung weder klar noch unklar, sondern nicht beurteilbar.

    UntF12-02-02 Bayreuther Gutachter Mollaths
    Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt, daher ist ihre Bedeutung weder klar noch unklar, sondern nicht beurteilbar.

    UntF12-02-03 Berliner Gutachter Mollaths
    Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt, daher ist ihre Bedeutung weder klar noch unklar, sondern nicht beurteilbar.



    UntF-X: Sonstiger, bislang nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Untersuchung zuzuordnen ist
    Es ist meistens sinnvoll, eine Rest- und Auffangkategorie vorzusehen. Zwar kann die Fehlerklassifikation nach dem hier entwickelten Schema einfach weitergezählt werden, aber für seltene und außergewöhnliche Fehler muss vielleicht keine eigene Zählkategorie geschaffen werden.



    Literatur (Auswahl)

    Arbeiten aus dem Recht zum Thema psychopathologische Untersuchung
    > Auswertung von BGH-Beschlüssen 2000-2009.

    • Bienwald (2006): 4. Untersuchung durch den Sachverständigen
    • Böllinger, Lorenz  & Pollähne, Helmut (2010) StGB § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Kommentar  Strafgesetzbuch, hrsg. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, 3. Auflage 2010, Rn 120-127. [beck-online, UB-Campus]
    • Eisenberg (2011) StPO   Vierter Teil. Sachverständiger   Zweites Kapitel. Untersuchungen (überwiegend) personenbezogener Art  III. Untersuchung der Schuldfähigkeit  1. Psychische Krankheiten und Störungen mit Relevanz für die Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB)  a) Strafrechtliche Voraussetzungen  cc) [Verhältnis der Befunde zu §§ 20, 21 StGB], 7. Auflage 2011 Rn 1721-1722.
    • Schmidt-Recla Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung 3. Auflage 2010 , Rn 11 Persönliche Untersuchung.
    • Schwab Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Rn 70: Sachverständige.
    • Streng, Franz (2001). StGB § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen, Münchener Kommentar zum StGB 2. Auflage 2011.
    • Widmaier (2006).  Teil L. Verteidigung und Sachverständigenbeweis. Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, [IQ]
    • Widmaier (2006). 3. Abschnitt. Verteidigung und Sachverständiger. Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, [IQ]
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    Historische psychiatrische Literatur zur Frage der persönlichen Exploration, Gesprächsführung und Untersuchung
    • Bleuler, Eugen (1923). Gutachtentätigkeit. In (525ff): Lehrbuch der Psychiatrie. Berlin: Springer.
    • Hübner, Arthur Hermann  (1914) Lehrbuch der forensischen Psychiatrie. Bonn: Marcus & Webers. [GB]
    • Jaspers, Karl (1948). Allgemeine Psychopathologie. Berlin: Springer.
    • Krafft-Ebing, Richard von (1882, 2.A.). Grundzüge der Criminalpsychologie auf Grundlage der deutschen und österreichischen Strafgesetzgebung für Juristen. Stuttgart: Enke.
    • Krafft-Ebing, Richard von (1875). Lehrbuch der gerichtlichen Psychopathologie. Stuttgart: Enke.
    • Krafft-Ebing, Richard von (1881, 2. umgearb. A.). Lehrbuch der gerichtlichen Psychopathologie. Stuttgart: Enke.
    • Krafft-Ebing, Richard von (1900, 3. A.). Lehrbuch der gerichtlichen Psychopathologie. Mit einem Nachtrag: Die zweifelhaften Geisteszustände vor dem Civilrichter des deutschen Reiches nach Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches. Stuttgart: Enke.
    • Schlager ; Emminghaus ;  Kirn; Gauster & Krafft-Ebing (1882).  Die gerichtliche Psychopathologie. In: Maschka (1882, Hg.). Handbuch der gerichtlichen Medicin Bd. IV.

    • Sommer, Robert (1904). Kriminalpsychologie und strafrechtliche Psychopathologie auf naturwissenschaftlicher Grundlage. Leipzig: Barth.
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    Neuere psychiatrische Literatur zur Frage der persönlichen Exploration, Gesprächsführung und Untersuchung
    • Berger, Mathias (1999, Hsrg.) .Psychiatrie und Psychotherapie. München: Urban & Schwarzenberg.
    • Bleuler, Eugen & Bleuler, Manfred (1972). Die psychiatrische Untersuchung. Grundsätzliches. In (S. 117ff): Lehrbuch der Psychiatrie. Berlin: Springer.
    • Boetticher, A.;  Nedopil, N.; Bosinski, H.A.G. &  Saß, H. (2007). Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten Forens Psychiatr. Psychol Kriminol., 1, 3–9.
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    • Foerster, Klaus & Winckler, Peter (2009). Forensisch-psychiatrische Untersuchung. In (17-33) Foerster, Klaus & Dreßing, Harald (2009, Hrsg.) Venzlaff & Foerster  Psychiatrische Be-gutachtung. Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen. 5. Auflage. München: Elsevier (Urban & Fischer).
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    • Huber, Gerd (2005). Die psychiatrische Untersuchung. In (1-22): Psychiatrie: Lehrbuch für Studium und Weiterbildung. Stuttgart: Schattauer. [GB]
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    • Kröber, Hans-Ludwig (1999). Gang und Gesichtspunkte der kriminalprognostischen psychiat-rischen Begutachtung NStZ 1999, 593.
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    • 2006: HBFP Band 3 Psychiatrische Kriminalprognose und Kriminaltherapie.
    • Kröber, H.-L. (2010), Die psychiatrische Begutachtung im Strafverfahren. In (157-212): Kröber, H.-L.; Dölling, D.; Leygraf, N.  & Saß, H. (2010, Hrsg.). Bd. 2.
    • Kröber, Hans-Ludwig (2010) Leugnen der Tat und Tatbearbeitung in der prognostischen Begutachtung- Forens Psychiatr Psychol Kriminol (2010) 4: 32–38
    • Kröber, H.-L.; Dölling, D.; Leygraf, N.  & Saß, H. (Hrsg.) Handbuch der Forensischen Psychiatrie. 5 Bde. Berlin: Steinkopff (Springer).
      • 2007: HBFP Band 1 Strafrechtliche Grundlagen der Forensischen Psychiatrie.
      • 2010: HBFP Band 2 Psychopathologische Grundlagen und Praxis der Forensischen Psychiatrie im Strafrecht.
      • 2006: HBFP Band 3 Psychiatrische Kriminalprognose und Kriminaltherapie.
      • 2009: HBFP Band 4 Kriminologie und Forensische Psychiatrie.
      • 2009: HBFP Band 5 Forensische Psychiatrie im Privatrecht und Öffentlichen Recht.
    • Lau S, Kröber H-L (2000). Kenntnis der Aktenlage als entscheidende Voraussetzung der gutachterlichen Exploration: ein Plädoyer für die Längsschnittbetrachtung. In (42-46): Marneros A (2000, Hrsg) Psychiatrie und Justiz. München: Zuckschwerdt.
    • Laufs, Adolf & Kern, Bernd-Rüdiger (2010, Hrsg.) Handbuch des Arztrechts 4. Auflage 2010. 21. Kapitel. Der Arzt als Sachverständiger und Gutachter, V. Eigenverantwortliche Erstellung und Erstattung des Gutachtens.
    • Lenz, Gerhard; Aigner, Martin; Paulitsch, Klaus & Schützenberger, Daniel (2009). Anleitung zur psychiatrischen Exploration [Spiralbindung], 60 Seiten. Verlag: facultas.wuv Universitätsverlag. [Buchpräsentation]
    • Nedopil, Norbert (1996). Exploration und Untersuchung. In (197f): Nedopil, Norbert (1996). Forensische Psychiatrie: Klinik, Begutachtung und Behandlung zwischen Psychiatrie und Recht. Stuttgart: Thieme.
    • Nedopil, N.; Groß, Gregor; Hollweg, Matthias; Stadtland, Cornelis; Stübner, Susanne & Wolf, Thomas. (2005). Prognosen in der forensischen Psychiatrie - ein Handbuch für die Praxis. Lengerich: Pabst Science Publisher.
    • Nedopil, Norbert (2007). Exploration und Untersuchung. In (337): Nedopil, Norbert (2007). Forensische Psychiatrie: Klinik, Begutachtung und Behandlung zwischen Psychiatrie und Recht.  [GB, S. 337]
    • Rasch, Wilfried & Konrad, Norbert (2004) Forensische Psychiatrie. 3. e. A. Stuttgart: Kohlhammer.
    • Rothenhäusler, Hans-Bernd & Täschner, Karl-Ludwig  (2007). Kompendium Praktische Psychiatrie. Wien: Springer.
    • Schneider, Frank; Frister, Helmut  & Olzen, Dirk (2010, Hrsg.). 1.4 Medizinische Untersuchungstechniken und -standards: Informationserhebung und Untersuchung. In (64-75): Begutachtung psychischer Störungen. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Berlin: Springer.
    • Stieglitz, Rolf-Dieter & Freyberger, Harald J. (1999). Psychiatrische Untersuchung und Befunderhebung. In (4-30): Berger, Mathias (1999, Hrsg.)
    • Undeutsch, Udo (1983). Exploration. In (321-361): Feger, H. & Bredenkamp, J. (1983, Hrsg.). Datenerhebung. Enzyklopädie der Psychologie, Themenbereich B Methodologie und Methoden, Serie 1, Forschungsmethoden der Psychologie, Bd. 2.
    • Venzlaff, Ulrich (1983). Fehler und Irrtümer in psychiatrischen Gutachten NStZ, 199
    • Venzlaff, Ulrich  & Klaus Foerster, Klaus (2009). Psychiatrische Begutachtung. Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen. Hrsg. v. Harald Dreßing u. a. München: Urban & Fischer (Elsevier).
    • Weitbrecht, Hans-Jörg (1973). Psychiatrie im Grundriss. Berlin: Springer.

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    Subjektwissenschaftliche Orientierung [Kaiser & Werbik] [W] [Kritische Psychologie]
    Hier gibt zwei Forschungsansätze, die ungefähr um die gleiche Zeit entwicvkelt wurden. Einmal der Ansatz der Gruppe um Klaus Holzkamps (Berlin) kritische Psychologie. Der andere Beratungsforschungs- und handlungspsychologische Ansatz gehört zur Forschungsgruppe um Kaiser & Werbik (Erlangen). Übergeordnet kann man den qualitativen Forschungsmethodikansatz als hierfür besonders offen hinzurechnen.
    • Bergold, Jarg, ; Thomas, Stefan (2012) Partizipative Forschungsmethoden : ein methodischer Ansatz in Bewegung. In: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, 13(1), Art. 30 (2012)
    • Holzkamp, Klaus (1983)  Der Mensch als Subjekt wissenschaftlicher Methodik. Vortrag, gehalten auf der 1. Internationalen Ferienuniversität Kritische Psychologie vom 7.-12. März 1983 in Graz.
    • Holzkamp, Klaus (1995) Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung. Campus, Frankfurt 1995 ISBN 3593353172
    • Jäger, M.; Leiser, E.; Maschewsky & Schneider, U. (1979, Hrsg.) Subjektivität als Methodenproblem. Beiträge zur Kritik der Wissenschaftstheorie und Methodolohie der bürgerlichen Psychologie. Köln: Pahl-Rugenstein.
    • Kaiser, H.J. & Seel, H.-J. (1981, Hrsg.) Sozialwissenschaft als Dialog. Methodische Grundlagen der Beratungsforschung. Weinheim: Beltz
    • Kaiser, H.J. (1981) Beratungsforschung als alternatives Forschungsprogramm. In (36-47): Kaiser, H.J. & Seel, H.-J. (1981, Hrsg.)
    • Kaiser, H.J. (1992) Grundsatz- und Methodenfragen in der Erforschung von Handlungs- und Lebensorientierungen alter Menschen. Zeitschrift f. Heilpädagogik, 43,7, 433-444
    • Kaiser, H.J. & Werbik, H. (1977) Der Telefonzellenversuch – Ein erstes Experiment zur Überprüfung einer Theorie sozialen Handelns. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 8, 115 – 129 [PDF]
    • Markard, M. (2010), Kritische Psychologie: Forschung vom Standpunkt des Subjekts, in: Mey & Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie.
    • Markard, M. & Ausbildungsprojekt subjektwissenschaftliche Berufspraxis (2000), Kritische Psychologie und studentische Praxisforschung. Wider Mainstream und Psychoboom.
    • Werbik, H. 1976. Grundlagen einer Theorie sozialen Handelns. Teil I: Aufbau der handlungstheoretischen Terminologie. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 7, 248-261 [PDF]
    • Werbik, H. 1976. Grundlagen einer Theorie sozialen Handelns. Teil II: Aufbau der handlungstheoretischen Terminologie. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 7, 310-326 [PDF]

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    Links (Auswahl: beachte)
    • Allgemeine Grundlagen der Begutachtung (Ärztekammer Berlin: PDF)
    • Unterbringungsgesetz Bayern [PDF]
    • Psychiatriemissbrauch.


    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Stichworte: Akten, Aktenlage, Aktenanalyse * Anknüpfungstatsachen und Befundtatsachen * Anmerkung Kröber * BGH zu Parteiengutachten * Die Psychiatrie, der dunkle Ort des Rechts * Eigener wissenschaftlicher Standort * Einweisung zur Beobachtung: Der BVerfG Beschluss und einige Standardwerke Forensischer Psychiatrie * Forensische Datentheorie * Gesetzestexte * GOÄ-Ratgeber: Eingehende psychiatrische Untersuchung * Häufigkeiten persönlicher Explorationen und Untersuchungen * Hypothesendenken in der forensischen Psychiatrie völlig unterentwickelt * Inhaltsverzeichnis Foerster & Winckler (2009) * Interlokut * Psychiatrische Untersuchung ("normale", "übliche", "gewöhnlich", nicht-forensische): Jaspers (1948), Allgemeine Psychopathologie, Jaspers zu Diagnose und Menschenwürde * Neurologen und Psychiater im Netz  Untersuchungsmethoden /  Psychiatrische  Untersuchungen,  * Rechtsbegriff * Schuldinterlokut * Tatinterlokut * Venzlaff: Fehler und Irrtümer in psychiatrischen Gutachten * Vertrauen, Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis * Wahn.*
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    Eigener wissenschaftlicher Standort
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    . einheitswissenschaftliche Sicht. Ich vertrete neben den Ideen des Operationalismus, der Logischen Propädeutik und einem gemäßigten Konstruktivismus auch die ursprüngliche einheitswissenschaftliche Idee des Wiener Kreises, auch wenn sein Projekt als vorläufig gescheitert angesehen wird und ich mich selbst nicht als 'Jünger' betrachte. Ich meine dennoch und diesbezüglich im Ein- klang mit dem Wiener Kreis, daß es letztlich und im Grunde nur eine Wis- senschaftlichkeit gibt, gleichgültig, welcher spezifischen Fachwissenschaft man angehört. Wissenschaftliches Arbeiten folgt einer einheitlichen und für alle Wissenschaften typischen Struktur, angelehnt an die allgemeine formale Beweisstruktur. 
       Schulte, Joachim & McGuinness, Brian (1992, Hrsg.). Einheitswissenschaft - Das positive Paradigma des Logischen Empirismus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
       Geier, Manfred (1992). Der Wiener Kreis. Reinbek: Rowohlt (romono).
    Kamlah, W. & Lorenzen, P. (1967). Logische Propädeutik. Mannheim: BI.
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    Wissenschaft [IL] schafft Wissen und dieses hat sie zu beweisen, damit es ein wissenschaftliches Wissen ist, wozu ich aber auch den Alltag und alle Lebensvorgänge rechne. Wissenschaft in diesem Sinne ist nichts Abgehobenes, Fernes, Unverständliches. Wirkliches Wissen sollte einem Laien vermittelbar sein (PUK - "Putzfrauenkriterium"). Siehe hierzu bitte das Hilbertsche gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann verständlichen Sprache wiedergeben." 
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    Allgemeine wissenschaftliche Beweisstruktur und  beweisartige Begründungsregel
    Sie ist einfach - wenn auch nicht einfach durchzuführen - und lautet: Wähle einen Anfang und begründe Schritt für Schritt, wie man vom Anfang (Ende) zur nächsten Stelle bis zum Ende (Anfang) gelangt. Ein Beweis oder eine beweisartige Begründung ist eine Folge von Schritten: A0  => A1 => A2  => .... => Ai .... => An, Zwischen Vorgänger und Nachfolger darf es keine Lücken geben. Es kommt nicht auf die Formalisierung an, sie ist nur eine Erleichterung für die Prüfung. Entscheidend ist, dass jeder Schritt prüfbar nachvollzogen werden kann und dass es keine Lücken gibt. 
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    Akten, Aktenlage, Aktenanalyse
    Der bloße Verweis auf eine Akte ist nichtssagend und daher unwissenschaftlich. "Akte", das ist eine Hülle, ein Sammelbecken. Sie enthält nicht selten sehr viel: Dokumente, Aussagen (Z1, Z2, Z3) und Vernehmungen, Atteste, Vorgutachten, Beschlüsse, Urteile, Verfügungen, Berichte, Ermittlungsergebnisse, Anträge, ...  Wer sich auf einen Akteninhalt beruft, sollte ihn daher ganz konkret benennen, belegen und ausführen, welche Funktion die Berufung haben soll. Im Allgemeinen sollte der Akteninhalt einen wichtigen Sachverhalt für die Begutachtung repräsentieren. Bloße amorphe Aneinanderreihungen von Akteninhalten (> Konrad) gehören nicht zu einem wissenschaftlichen Arbeitsstil.
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    Anknüpfungstatsachen und Befundtatsachen
    Besonders im Sachverständigenrecht spielen die Begriffe Anknüpfungstatsache(n) und Befundtatsache(n) eine wichtige Rolle. Anknüpfungstatsachen für einen Sachverständigen sind solche "Tatsachen", an die der Sachverständige anknüpfen kann, soll oder muss. Befundtatsachen sind die, die er selbst in seiner Untersuchung feststellt, z.B. eine Tatsache, ein Symptom, Syndrom oder eine Störung von Krankheitswert oder eine Diagnose, die zu den Beweisfragen in Beziehung steht. Doch genau die "Anknüpfungstatsachen", von der der Sachverständige ausgehen soll, werden eben von den Gerichten oder Staatsanwaltschaften nicht genau angegeben, sondern die können sich die forensischen PsychopathologInnen nicht ohne Risiko selbst zusammensuchen. Auch die Beweisfragen werden nicht selten falsch gestellt - z.B. ein Gutachtenauftrag zur Frage der Schuldfähigkeit (Rechtsbegriff, den das Gericht zu entscheiden hat) -  und damit Verwirrung und Missverständnissen Vorschub geleistet. Eine saubere Lösung wäre in vielen Fällen, wenn die Anknüpfungstatsachen ordentlich angegeben würden oder das diesbezüglich völlig veraltete deutsche Strafrecht ein Tat- oder Schuldinterlokut aufnehmen würde.
    • Exkurs Befundtatsachen und Anknüpfungstatsachen bei Kindeswohlfragen und Allgemeines zu Sachverhalt und Tatsache.
    Anknüpfungstatsachen und Befundtatsachen bei Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils, so muss sich der Sachverständige z.B. im Rahmen einer Überprüfung nach § 67e StGB an den sog. Tenor [W] des Urteils halten, aber nicht an die sog. Tatsachenfeststellungen oder die Gründe. Prof. Henning Ernst Müller hat hierzu am 15.7.13  im beck-blog Mollath ausgeführt:
          "Der Gutachter muss immer der Wahrheit verpflichtet bleiben. Wird er verpflichtet, Wahrheitswidriges als wahr zu unterstellen, dann muss er den Auftrag ablehnen. Ein Physiker wird wohl kaum ein Gutachten erstatten unter der Wahrunterstellung, die Erde sei eine Scheibe.
          Werden ihm tatsächliche Anknüpfungspunkte präsentiert, dann kann (und sollte) der Sachverständige diese kritisch betrachten, zumal wenn aus den Akten Gegenteiliges hervorgeht. Eine "Arbeitshypothese" ist aber noch keine Unterstellung. Der Gutachter kann durchaus sagen: Unter der Arbeitshypothese, dass  xy diese Taten begangen hat, sind auch weitere Taten zu erwarten/möglich. Wenn die Taten aber nicht von ihm begangen wurden, dann nicht. In der derzeitigen Diskussion gibt es v.a. unter den Psychiatern die Tendenz zu sagen: Der ist aufgrund der und der Symptome krank, also ist er zu Recht untergebracht. Die Gefährlichkeit ergibt sich aus den Straftaten, die wir ja unterstellen müssen. Diesen Kurzschluss halte ich für verfehlt, denn die Justiz sagt dann: Der Psychiater xy hat bestätigt, der Mann ist gefährlich. Dass die Gefährlichkeit allein auf Straftaten beruht, die noch gar nicht bewiesen sind, wird dann einfach unterschlagen.
          Eigentlich müsste der Gutachter die Einschränkung immer benennen, jedenfalls wenn noch kein rechtskräftiges Urteil besteht (Unschuldsvermutung). Liegt ein rechtskräftiges Urteil vor, darf er sich m. E. grds. darauf verlassen, dass die Taten überhaupt begangen wurden. Geht es aber um den Ablauf (oft wichtig für die Subsumtion, ob die Tat unter dem Einfluss der Erkrankung begangen wurde) oder treten Zweifel an der Täterschaft zutage, dann ist er auch hier der "Wahrheit" verpflichtet, nicht der "Rechtskraft", die sich formal nicht auf die Urteilsgründe erstreckt (ganz wichtig!), sondern nur den Tenor erfasst. Die Justiz behauptet gern das Gegenteil, insbesondere, wenn es darum geht, schlechte und falsche, aber rechtskräftige Urteile zu verteidigen."
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    Anmerkung Kröber
      Es fällt auf, das es bei Kröber zumindest im Mollath-Gutachten einen extremen Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit gibt. Kröber hält sich nicht annähernd an die Regeln, die er allgemein aufstellt und verficht und liefert im Falle Mollath für einen Professor - der crème de la crème (O-Ton Dr. Merk) - ein ziemlich einzigartiges amorphes "Gut"achten ab, das noch nicht einmal mit der Minimalstruktur eines Inhaltsverzeichnisses ausgestattet ist. Ein solches "Gut"achten kann überhaupt nicht vom Gericht kontrolliert werden.
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    BGH zu Parteiengutachten.
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    Die Psychiatrie, der dunkle Ort des Rechts
      Ein Brand-Kommentar von Heribert Prantl in der SZ vom 27.11.12: "Justizskandal in Bayern? Gustl Mollath sitzt seit Jahren in der Psychiatrie. Der SZ und der SWR-Sendung "Report Mainz" liegen Papiere vor, die die Justiz in Erklärungsnot bringen. Seit fast sieben Jahren ist Gustl Mollath in der Psychiatrie, weil die bayerische Justiz ihn für unzurechnungsfähig und gemeingefährlich hält. Der Fall zeigt: Eine Justiz, die Menschen ohne gründlichste Prüfung einen Wahn andichtet, ist selbst wahnsinnig."
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    Einweisung zur Beobachtung: Der BVerfG Beschluss und einige Standardwerke Forensischer Psychiatrie
      z.B. Venzlaff, Foerster, Kröber, Leygraf, Dölling, Saß
      Hier sind nur die Herausgeber als die Hauptverantwortlichen genannt. Ich habe sie fast alle angemailt. Prof. Kröber war der einzige, der behauptete, der Beschluss fände sich in Bd. I, S. 260. Dort steht er jedenfalls nicht unter BVerfG. Aber gut zu wissen, dass er das meint. Denn dann hat er diesen Fehler in seinen crème de la crème Gutachten (O-Ton Dr. Merk) mit Wissen und Absicht "übersehen" oder nicht für erwähnenswert gehalten. Ich werde diese Dokumentation und Auseinandersetzung an anderer Stelle noch einmal aufgreifen.
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      Nedopil & Müller (2012) Auch diese neue Werk [GB] enthält keinen Hinweis auf den Beschluss des BVerfG:
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    Forensische Datentheorie
      Sie ergibt sich zu einem großen Teil aus der juristischen Beweislehre, die bereits 1834 mit Mittermaiers Lehre vom Beweise hoch entwickelt war. Die hauptsächlichen Datenquellen für die GutachterIn können wie folgt klassifiziert werden:
      • Zeugen (Aussagen, auch mehrere A1, A2, A3, ..., An )
        • Z1 Beschuldigter, Angeklagter oder TäterIn
        • Z2 Mutmaßliche(s) Opfer
        • Z3 Andere, die zur Sachverhaltsaufklärung etwas beitragen können, z.B. Beobachter, am oder um den Tatort zur Tatzeit Anwesende
      • Spuren am Tatort oder im Zusammenhang mit der Tat mannigfaltiger Art S1, S2, S3, ..., Sn (> Beispielcheckliste sexueller Missbrauch)
      • Dokumente (Urkunden, Atteste [meist mit Vorsicht zu genießen], Zeugnisse, Fotos, Videos, Aufzeichnungen, Briefe, Tagebücher): D1, D2, D3, ...Dn
      • Daten, Untersuchungsergebnisse und Befunde der Sachverständigen, evtl. auch Vorgutachten GA1, GA2, GA3, .... GAn.
      • Andere Daten.
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    Gesetzestexte:
      Befangenheitsregelungen: § 42 ZPO Ablehnung eines Richters, § 406 ZPO Ablehnung eines Sachverständigen, § 24 StPO Ablehnung eines Richters, § 74 StPO  Ablehnung eines Sachverständigen * § 20 StGB Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen * § 21 StGB Verminderte Schuldfähigkeit * § 51 StGB Der alte Schuldfähigkeitsparagraph bis 1975 * § 63 StGB   Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, BGH zu den Voraussetzungen der Unterbringung nach § 63 StGB * § 67a StGB. Überweisung in den Vollzug einer anderen Maßregel, § 67b StGB. Aussetzung zugleich mit der Anordnung, § 67c StGB Späterer Beginn der Unterbringung, § 67d StGB Dauer der Unterbringung, § 67e StGB.  Überprüfung weitere Unterbringung * § 81 StPO. Vorbereitung eines Gutachtens, BVerfgG hierzu * § 136 StPO Beschuldigte(r) * § 126a StPO Einstweilige Unterbringung * § 160 StPO Ermittlungen der Staatsanwaltschaft *  § 454 StPO  Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen * § 56 ZPO  Prüfung von Amts wegen * § 284 FamFG Unterbringung zur Begutachtung * Konstruktion der Seele aus psychologischer Sicht * Operationalisierung, operationalisieren * Richterpflichten gegenüber dem Sachverständigen *
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    GOÄ-Ratgeber: Eingehende psychiatrische Untersuchung
      Deutsches Ärzteblatt 104, Heft 44 (02.11.2007), Seite A-3056 [Online]
         " Die Gebührenpositionen für die eingehende psychiatrische Untersuchung sind in der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) im Abschnitt G „Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie“ aufgeführt. Strittig ist hier neben dem Leistungsinhalt auch zuweilen, welche Leistungen daneben berechnet werden dürfen.
          Die Leistungslegende der Nr. 801 GOÄ „Eingehende psychiatrische Untersuchung – gegebenenfalls unter Einschaltung der Bezugs- und/oder Kontaktperson“ führt die zu erbringenden Untersuchungsbestandteile nicht detailliert auf. Deutlich wird jedoch schon aus der Formulierung „eingehende psychiatrische Untersuchung“, dass eine symptombezogene psychiatrische Untersuchung nicht nach der Nr. 801 GOÄ berechnet werden kann. Hierfür kann die originäre Nr. 5 „Symptombezogene (psychiatrische) Untersuchung“ zum Ansatz kommen.
          Eine vollständige psychiatrische Untersuchung schließt folgende Bereiche ein: Bewusstsein, Orientierung, kognitiv-mnestische Funktionen, Affekt, Antrieb, Wahrnehmung, inhaltliches und formales Denken, Ich-Störungen. Hier gilt wie bei der neurologischen Untersuchung nach Nr. 800 GOÄ, dass nicht zwingend alle Teilbereiche untersucht werden müssen, damit die Nr. 801 GOÄ angesetzt werden kann. Die Bewertung der Nr. 801 GOÄ (250 Punkte) gegenüber der Nr. 800 GOÄ (195 Punkte) zeigt jedoch, dass die meisten der Teilbereiche untersucht worden sein sollten, um die Verhältnismäßigkeit der Bewertung Nr. 801 GOÄ gegenüber anderen Untersuchungen nicht zu verletzen. Da die Beratung der Bezugs- und/ oder Kontaktperson ein fakultativer Leistungsbestandteil der Nr. 801 GOÄ ist, können weder die Nr. 4 GOÄ „Erhebung der Fremdanamnese … und/oder Unterweisung … der Bezugsperson …“ noch die Nr. 835 GOÄ „Einmalige … Fremdanamnese über einen psychisch Kranken …“ daneben berechnet werden. Die Anamnese und Beratung der erkrankten Person ist je nach Aufwand mit den üblichen Beratungsleistungen nach Nr. 1 oder 3 GOÄ berechnungsfähig. Bei Kindern und Jugendlichen könnte zu Beginn einer Behandlung auch die Nr. 807 GOÄ „Erhebung einer biografisch psychiatrischen Anamnese …“ oder bei Erwachsenen die Nr. 860 „Erhebung der biografischen Anamnese unter neurosenpsychologischen Gesichtspunkten …“ notwendig sein, die neben der Nr. 801 GOÄ berechnungsfähig sind.
          Eine Kombination der Nr. 801 GOÄ mit der Nr. 804 „Psychiatrische Behandlung durch eingehendes therapeutisches Gespräch…“ oder der Nr. 806 GOÄ „Psychiatrische Behandlung durch gezielte Exploration und eingehendes therapeutisches Gespräch…“ ist, außer zu Beginn einer Behandlung, nicht regelhaft medizinisch notwendig. Die Kombination der Nrn. 801 und 804 oder 806 GOÄ könnte im Verlauf einer Behandlung notwendig werden, wenn sich durch eine deutliche Änderung des Krankheitsbildes erneut die medizinische Indikation ergibt, eine eingehende psychiatrische Untersuchung durchzuführen, oder wenn gar eine neue psychiatrische Erkrankung auftritt. Die Exploration gradueller Änderungen der Symptomatik ist Leistungsbestandteil sowohl der Nr. 804 als auch der Nr. 806 GOÄ.
          Dr. med. Anja Pieritz (in: Deutsches Ärzteblatt 104, Heft 44 (02.11.2007), Seite A-3056)"
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    Häufigkeiten persönlicher Explorationen und Untersuchungen
      Dinger, Andrea et al. (1992, S.113) teilen zu den Häufigkeiten mit: "Eine Exploration - nach gutachtentechnischen Empfehlungen ein unabdingbarer Bestandteil jeder Begutachtung - wurde nur in 5 Fällen [RS: von 18, das sind nur 28%] durchgeführt. Zwei Gutachten scheinen ausschließlich auf der Basis von Aktenmaterialien und früheren Gutachten erstellt worden zu sein."
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    Hypothesendenken in der forensischen Psychiatrie völlig unterentwickelt
    Die einfachste Möglichkeit einer Prüfung meiner "Unterentwicklungshypothese" besteht darin, die Veröffentlichungen zu durchsuchen. Die schnellste Methode ist hierbei die Sichtung der Inhaltsverzeichnisse und Sachregister, die sichere Methode das komplette und genaue Durchlesen. Die Sachregister im 5bändigen Handbuch sind schlecht gemacht und enthalten oftmals wichtige Suchbegriffe nicht.
    Das kann man vielen psychiatrischen Standardwerken entnehmen, besonders dem fünfbändigen Handbuch der Forensischen Psychiatrie. Im Bd. I, III (!) und V  gibt es keinen Sachregistereintrag mit "hypothese". Bd. IV enthält nur den Eintrag Aggressions-Hypothese. Aber im Bd. II  finden sich 12 Sachregistereinträge, die "hypothese" enthalten:

    Die Einträge 623-689 gehören zu einem von AussagepsychologInnen verfassten Kapitel: "Das Glaubhaftigkeitsgutachten" von R. Volbert, M. Steller, A. Galow und repräsentieren nicht die forensische Psychiatrie.
        Der Eintrag S. 205f klingt vielversprechend. Der Beitrag ist von Kröber (Steuerungsfähigkeit und Willensfreiheit aus psychiatrischer Sicht), von dem wir schon wissen, dass Theorie und Praxis bei ihm zumindest im Fall Mollath ein riesengroßer Unterschied ist (fett RS):

      "Unter dieser Voraussetzung wandte sich Dilthey gegen die Hauptströmungen der damaligen Psychologie, speziell die Assoziationspsychologie, die einem Ideal naturwissenschaftlicher Methodik folge. Als „erklärende Wissenschaft“ bezeichnete er eine Methodik, idealtypisch in der Physik, bei der ein Sachverhalt kausalgesetzlich auf eine begrenzte Zahl von eindeutig bestimmten Elementen zurückgeführt werde. „Erklärende Psychologie“ wolle mithin die Erscheinungen des Seelenlebens streng kausalgesetzlich auf eine begrenzte Zahl von eindeutig bestimmten Elementen zurückführen. Diese laufe auf ein hypothesenprüfendes Verfahren hinaus und auf die Verknüpfung von Hy-[>206] pothesen, die je einzeln aber nie positiv beweisbar seien, sondern nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit beanspruchen könnten.
          Es sei aber die Frage, ob eine solche Übertragung naturwissenschaftlicher Verfahren auf das Seelenleben berechtigt sei. Eine zentrale Voraussetzung der erklärenden Psychologie sei die Lehre vom Parallelismus der Nervenvorgänge und der geistigen Vorgänge, „nach welcher auch die mächtigsten geistigen Tatsachen nur Begleiterscheinungen unseres körperlichen Lebens sind. Eine solche Hypothese ist die Zurückführung aller  Bewußtseinserscheinungen auf atomartig vorgestellte Elemente, welche in gesetzlichen Verhältnissen aufeinander wirken. Eine solche Hypothese ist die mit dem Anspruch der Kausalerklärung auftretende Konstruktion aller seelischen Erscheinungen durch die beiden Klassen der Empfindungen und der Gefühle, wodurch dann das in unserem Bewußtsein und unserer Lebensführung so mächtig auftretende Wollen zu einem sekundären Schein wird. Durch bloße Hypothesen wird aus psychischen Elementen und den Prozessen zwischen ihnen das Selbstbewußtsein abgeleitet. Nur Hypothesen besitzen wir über die verursachenden Vorgänge, durch welche der erworbene seelische Zusammenhang beständig unsere bewußten Prozesse des Schließens und Wollens so mächtig und rätselhaft beeinflußt“ (Dilthey 1894, S. 142 f.)."
          Hier wird also mit Dilthey Stimmung gegen das Hypothesendenken gemacht. Also doch nicht vielversprechend, eher vielsagend. S. 204 führt Kröber aus:
         "In der psychologischen Forschung, die ihren wesentlichen Gegenständen entsprechen will, stehen sich dann zwangsläufig zwei Sphären gegenüber: die Sphäre der Gründe als Domäne von Willensentscheidungen und die Sphäre der Ursachen als Domäne von physikalisch erfassbaren Naturereignissen. Zentrale Ansätze der kognitiven Neurowissenschaften, nämlich die Erhellung von Sachverhalten, die mit Begriffen wie Wünsche, Absichten, Pläne, Ziele, Willen bezeichnet werden, sind ohne einen direkten Rückgriff auf die Prozesse der Introspektion methodisch nicht umsetzbar. Die Vertreter des „introspektiven Physikalismus“, Jack und Shallice (2001), weisen darauf hin, dass z. B. zur Messung von Prozessen der Aufmerksamkeit keineswegs nur objektive Messverfahren benötigt werden, die dann subjektive Aussagen über Aufmerksamkeit validieren. Vielmehr sei es genau umgekehrt: Man benötige subjektive Evidenz dafür, um überhaupt entscheiden zu können, welche objektive Messung tatsächlich eine Messung der „Aufmerksamkeit“ sei. Introspektion ist daher eine notwendige Voraussetzung zur Validierung von wissenschaftlichen Aussagen. Sie erfüllt, so Köchy, nach diesem Verständnis nicht allein Funktionen bei der Hypothesenbildung, sondern ist maßgebliches Moment der Hypothesenprüfung. Letztlich aber ist es seit Jahrzehnten eine gängige Methode sowohl der psychiatrischen wie auch der psychologischen Forschung gewesen, immer wieder Verfahren naturwissenschaftlicher und physikalischer Art (z. B. bildgebende Verfahren, elektrophysiologische oder neurochemische Verfahren) mit psychologisch erfassten Phänomenen der introspektiven Ebene zu korrelieren. Dies ist z. B. das Vorgehen bei der klinischen Prüfung von Psychopharmaka, wo einerseits Labordaten gewonnen werden, andererseits über Fragebögen und psychiatrische Untersuchungen das psychische Befinden des so behandelten Patienten aus der Innenperspektive abgebildet wird. Es ist dies aber auch das Verfahren bei zahlreichen psychologischen Untersuchungen."
          Auch hier wird erkennbar, dass Kröber das Wesentliche der praktischen Hypothesenorientierung gar nicht erfasst und sich in akademischen Fernwelten bewegt - wie seine Diagnosen im Fall Mollath.
          S. 212 führt er nun vor seiner Zusammenfassung aus:
          "Das klassische Modell für den Versuch der verstehenden Objektivierung nur subjektiv erfahrbarer Phänomene bietet die Phänomenologie und speziell auch die Psychopathologie im Gefolge von Jaspers (s. 2.4.8.3). Tatsächlich gelingt es uns auf diesem Wege recht gut, das Innenleben psychotisch Kranker nachzuvollziehen und auch wiederzuerkennen. Ähnlich können wir auch in Kenntnis von Möglichkeiten und Einschränkungen eines Individuums Hypothesen über sein Innenleben generieren, bis hin zu dem Versuch sich vorzustellen, wie es wäre eine Fledermaus zu sein (Nagel 1997). Es ist dies sozusagen ein Propädeutikum zu der schwierigen Frage, wie es ist, ein Mensch zu sein. Die Begrenztheit dieser Versuche und die Unhintergehbarkeit von Subjektivität steht aber außer Frage. Wollte man auf sie verzichten, würde die Welt schlagartig eine menschenleere Wüste physikalischer Prozesse."
          Obwohl Jaspers natürlich eine erstklassige Adresse für die Psychopathologie ist, gehen auch diese Ausführungen an den elementaren Gegebenheiten, die sich für jede Psychopathologie stellen, auch für die Jaspers', vorbei."
          Es ist ganz einfach: für jeden Sachverhalt stellt sich die Frage: liegt er vor (H+) oder liegt er nicht (H-) vor? Was spricht dafür, was spricht dagegen? Was stützt die Hypothese, was entkräftet sie?
          Ein anderes Beispiel illustriert ebenfalls wie es um das Denken in Hypothesen in der forensischen Psychiatrie bestellt ist:
       

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    Inhaltsverzeichnis Foerster & Winckler (2009)
      2 Forensisch-psychiatrische Untersuchung
      2.1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . ............... . . 18
      2.2 Rahmenbedingungen der Untersuchung . . . . . . . . . ... . . . 18
      2.2.1 Raum und Zeit . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . ......  18
      2.2.2 Aufklärung des Probanden . . . . . . . . . .. . . . . .....  18
      2.2.3 Anwesenheit dritter Personen . . . . . . . . . . . .  . . .  19
      2.2.4 Aktenstudium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
      2.3 Das gutachtliche Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . .  20
      2.4 Zusätzliche Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . .  21
      2.4.1 Frühere Behandlungsunterlagen . . . . . . . . . . . . . . .  21
      2.4.2 Fremdanamnestische Informationen . . . .. . . . . . . . . .  22
      2.5 Der ausländische Proband . . . . . . . . . . .. . . . . . . .  22
      2.6 Psychischer Befund . . . . . . . . . . . . . . .  . . . . . .  23
      2.6.1 Verhaltensbeobachtung . . . . .. . . . . . . . .. … . . . .  23
      2.6.2 Psychische Funktionen . . . . . . . . . . .. . . . . . . ..  24
      2.6.3 Persönlichkeitsdiagnostik . . . ... . . . . ... . . . . . .  24
      2.7 Weitere Untersuchungen . . . . . . . . . . . .. . . . . . . .  24
      2.7.1 Körperliche Untersuchung . . . . . . . . . . .. . . . . . .  24
      2.7.2 Apparative Untersuchungen . . . . . . . . .. . .. . . . . .  25
      2.7.3 Testpsychologische Untersuchung . . . . . . .  . . .. . . .  25
      2.7.4 Aktuarische Prognoseinstrumente . . . . . . . . . . . . . .  26
      2.8 Vom psychopathologischen Symptom zur psychiatrischen Diagnose  26
      2.9 Psychiatrische Klassifikationssysteme . . . . . . . . . .  ..  27
      2.10 Simulation und ähnliche Phänomene . . . . . . . . . . . . . . 27
      2.11 Besondere Untersuchungssituationen . . . . . . . . . . . . .  29
      2.11.1 Untersuchung gegen den Willen des Probanden? . . . . . . .  29
      2.11.2 Verweigerung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . ..  30
      2.11.3 Das Amnesieproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  30
      2.11.4 Der Umgang mit Leugnung oder Geständnis . . . . . . . . ..  32
      [Literaturverzeichnis ………………………………………………… 32-33]
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    Interlokut  > Schuldinterlokut, Tatinterlokut, Anknüpfungstatsachen.
      Zwischenphase im nicht abgeschlossenes (Straf-)verfahren, der Regelfall im unzulänglichen deutschen Strafrecht. Fragen der Strafzumessung, Schuldfähigkeit oder Unterbringung setzen sinnvollerweise die Rechtsgültigkeit einer Täterschaft voraus. Sachverständige sollen aber bereits im Vorfeld oder vor Rechtskraft tätig werden, aber unter welcher Voraussetzung, was sind hier die "Anknüpfungstatsachen"?. Im engen Zusammenhang mit dem "Interlokut" steht daher das Problem, von welchen "Anknüpfungstatsachen" in nicht abgeschlossenen Verfahren der Sachverständige ausgehen kann, darf, soll, muss? Die Auftraggeber Staatsanwaltschaft oder Gericht drücken sich gewöhnlich davor und belassen die Problem in der rechtlichen Grauzone zum Schaden der Beschuldigten oder Angeklagten , der Sachverständigen und der Rechtssicherheit.
          Haddenbrock: Das Sachverständigendilemma im deutschen Strafprozeß ohne Tat- oder Schuldinterlokut NJW 1981, 1302, hieraus:
          "II. Dilemma der Sachverständigen bei nicht feststehender Täterschaft
      Hier soll demgegenüber auf ein in umgekehrter Richtung, nämlich vom Auftraggeber des Gutachtens beim Sachverständigen erzeugtes Dilemma aufmerksam gemacht werden, in das dieser sich dann gebracht sieht, wenn er sich zur Frage der Schuldfähigkeit bei Tatbegehung und zur Kriminalprognose eines Probanden äußern soll, dessen Täterschaft bei fehlendem, widerrufenem oder zweifelhaftem Geständnis noch durchaus offen ist. Diese Situation ist zwar in der Gesamtzahl psychiatrischer Gutachtenaufträge nur relativ selten gegeben. In der Regel wird ja der Gutachter erst dann eingeschaltet, wenn - trotz des formalen Prinzips der Unschuldsvermutung bis zum Urteil - die Täterschaft nicht mehr ernstlich in Frage steht. - Es gibt jedoch psychiatrische Gutachtenaufträge zur Frage der Tatverantwortlichkeit bei Fällen, in denen die Tatverdächtigen ein anfangs abgelegtes Geständnis alsbald entschieden widerrufen und diesen Widerruf auch in der Hauptverhandlung konsequent aufrechterhalten hatten. Die richterliche Anleitung nach § STPO § 78 StPO bestand nun in einem solchen Fall darin, daß in einem persönlichen Gespräch vor, d. h. außerhalb der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden aufgegeben wurde, bei dem Gutachten hypothetisch von der Richtigkeit des widerrufenen Geständnisses auszugehen, mit anderen Worten das Gutachten auf der Basis zu erstatten, als ob der Angeklagte die ihm angelastete Tat begangen hätte.
          Vor diese Aufgabe gestellt, wurde mir das Dilemma zwischen rechtsstaatlich korrektem Verfahren und psychiatrischem Untersuchungsgang deutlich. Es waren zunächst auch ohne tiefer in den Intimbereich des die Tat leugnenden Angeklagten einzudringen hinreichende Informationen über seine Biographie und seelische Entwicklung, über gewisse frühere psychische Auffälligkeiten und über die Verhaltensweisen des Probanden im weiteren zeitlichen Umfeld vor und nach dem Tatgeschehen zu erhalten. Hiermit ließ sich in Verbindung mit den bereits explorativ zu gewinnenden gröberen psychologisch-psychiatrischen Untersuchungsbefunden mit großer Sicherheit eine psychische Erkrankung oder Anomalie von solcher Schwere ausschließen, daß im Falle der Tatüberführung die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des Täters i. S. von § STGB § 20 StGB hätte völlig aufgehoben gewesen sein können.
          Problematischer dagegen war es, zur Frage des § 21, eines eventuellen Zustandes verminderter Schuldfähigkeit “bei Begehung der Tat” Stellung zu nehmen. Denn für diese, gegenüber der relativ groben qualitativen Fragestellung des § 20, wesentlich subtilere Frage des § STGB § 21 StGB, ob eine mehr oder weniger “erhebliche”, d. h. zu quantifizierende psychische Beeinträchtigung vorlag, war es unumgänglich, die bestrittene Tat fiktiv mit der Persönlichkeit des Beschuldigten und seinem konflikthaften Verhältnis zum Opfer in Beziehung zu setzen. Und danach war dann ein hypothetisches Denkmodell darüber zu entwerfen, welche Motivationen und psychodynamischen Vorgänge, in welchem “Geisteszustand” zur Tatzeit den Probanden möglicherweise, oder gar wahrscheinlich zu dem ihm angelasteten Delikt bestimmt haben könnten. Dieses Konstrukt soll ja dem Gericht wenn es in der Beratung die Tatfrage positiv entschieden hat dann bei der normativen Entscheidung helfen, ob die Tatzeitpersönlichkeit bereits im Bereich des § STGB § 21 StGB zu subsumieren ist, oder nicht. Ein solches hypothetisches Gutachten trägt aber unvermeidlich zugleich auch psychologische Indizien für eine Täterschaft des Beschuldigten vor, es macht diese psychologisch jedenfalls eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich, selbst wenn der Gutachter ausdrücklich davon spricht, daß es nur möglicherweise so gewesen sein könnte! Kann es aber Aufgabe des Sachverständigen sein, seinerseits - gleichsam als Gehilfe des Anklägers - zur Verstärkung der indiziellen Beweiskette beizutragen? Und ein Gutachten zu erstatten, welches eher ein kriminalistisches als ein forensisch-psycho(patho) logisches zu nennen wäre? Würde er es nun deswegen ablehnen, über die Feststellung oder den Ausschluß einer gröberen psychischen Störung i. S. von § STGB § 20 StGB hinaus eine tatbezogene, differenzierte Persönlichkeitsanalyse des Angeklagten zu erstellen und in der Hauptverhandlung am Ende der Beweisaufnahme, d. h. noch vor festgestellter Täterschaft vorzutragen, würden eventuell i. S. von § STGB § 21 StGB für die Strafzumessung und für spezialpräventiv hilfreiche maßregelrechtliche Entscheidungen relevante Befunde nicht in den Prozeß eingeführt werden. Das könnte wiederum nicht im Interesse des Angeklagten und seines Verteidigers liegen! Ergibt sich aber - dies wäre die dritte Möglichkeit -, daß nach dem genauer erarbeiteten Persönlichkeitsbild des Angeklagten und seines situativen Zustandes zur Tatzeit die ihm angelastete Tat hierzu nicht zu passen, mit anderen Worten persönlichkeits-, opferbeziehungs- und situationsfremd zu sein scheint, hat der Sachverständige, anders gesagt, ein Gutachten erstellt, daß dem Untersuchten die Tat eigentlich nicht zuzutrauen ist. Er wird damit gleichsam als Interessenwalter der Verteidigung tätig, indem er zusätzliche psychologische Indizien gegen die Täterschaft des Angeklagten liefert. Das aber kann ebenfalls nicht Sache eines zur Frage der Schuldfähigkeit bestellten neutraler Gutachters sein."
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    Psychiatrische Untersuchung ("normale", "übliche", "gewöhnlich", nicht-forensische)
      Jaspers (1948), Allgemeine Psychopathologie, S. 687-689:
      "§ 1. Von der Untersuchung der Kranken.
      a) Allgemeines. Bei der Untersuchung Kranker muß man Entgegengesetztes vereinigen: sich der Individualität des Kranken hingeben und ihre Eigenart zu Worte kommen lassen und auf der anderen Seite mit festen Gesichtspunkten und leitenden Zielen untersuchen. Vernachlässigt man das letztere, so gerät man in ein Chaos von Einzelheiten, vernachlässigt man das erstere, so bringt man die einzelnen Krankheitsfälle in die wenigen versteinerten Fächer, die man im Kopf hat, sieht nichts Neues mehr, tut den Fällen Gewalt an. Reichtum an festen Gesichtspunkten bei anpassungsfähiger Hingabe an den individuellen Fall, das ist das Ideal eines Untersuchers.
          Daraus ergibt sich, daß man keinen fertigen Fragebogen im Kopf haben kann, den man bloß durchfragt, obgleich für einzelne Zwecke feststehende Fragen die Untersuchung erleichtern. Fragebogen sind Hilfsmittel für Anfänger, die Krankengeschichten schreiben sollen, ohne genügende allgemeine Kenntnisse zu haben. Sie sind auch brauchbar als Gedächtnisanhalt. Aber das Beste und Wichtigste bei einem Forscher ist der Reiz, den der gegenwärtige Kranke und die vorliegenden Erscheinungen auf ihn ausüben. Man muß seine Fragen variieren. Was man für ein Individuum vor sich hat, was man bisher zufällig oder absichtlich erfahren hat, die Situation, in der man sich mit dem Kranken befindet, dessen Bewußtseinszustand und anderes verlangen bis zu einem gewissen Grade bei jeder Untersuchung eine Neuschöpfung der geeigneten Fragen. Darum soll man nicht mit einem fertigen Fragenschema an die Kranken herantreten, sondern nur wissen, über welche Punkte man auf irgendeine Weise sich klar werden muß, welche Gesichtspunkte bei der Untersuchung zu berücksichtigen sind. Diese lehrt die gesamte allgemeine Psychopathologie und im besonderen die Analyse einzelner Krankheitstypen in einer speziellen Psychiatrie. Man vermag gut zu fragen nur, wenn man im Generellen ein reiches Wissen hat; die Auffassungsschemata und das Gerüst unseres begrifflichen Wissens sind wahre Sinnesorgane in unserem fragenden Verhalten. Ist die Variierung der einzelnen Untersuchung eine Sache der Kunst, wird dabei in jedem einzelnen Fall neu geschaffen, so ist auf der anderen Seite festzuhalten, daß die Mitteilung des Gefundenen, wenn sie Geltung beansprucht, Wissenschaft ist und feststehender, immer wieder gebrauchter Begriffe bedarf. Darum ist es ein großer Fehler, sich für jeden Fall ad hoc seine naturgemäß verschwommenen psychopathologischen [>688] Begriffe zu bilden, die beim nächsten Fall wieder vergessen sind. Der Psychopathologe ist schöpferisch und immer wechselnd in der Untersuchung der einzelnen Menschen, er wird aber bei der Mitteilung des Gefundenen sich an feste Begriffe halten und neue Begriffe nur behutsam und dann mit der Absicht auf Dauer festlegen.
          b) Die Untersuchungsmethoden. Die erste und für immer wichtigste Untersuchungsmethode ist die Unterhaltung mit dem Kranken. Diese findet in sehr, mannigfaltiger Weise statt. Die Fähigkeit, sie planmäßig zu leiten und dabei in immer neuer Weise dem individuellen Fall anzupassen, macht die Gewandtheit des psychiatrischen Untersuchers aus. Ein guter Frager ist nur, wer seine eigene Stellungnahme nicht nur im sprachlichen Ausdruck, sondern auch im gesamten Habitus ausschaltet. Wer seine „Stellung", seine ärztliche Autorität „wahren" muß, wer die Geste überlegenen Wissens an sich hat, gewinnt in vielen Fällen nicht die notwendige Sympathie. Man muß Persönlichkeit genug sein, um sich völlige Hingabe, ein gewisses Mittun erlauben zu können. Man muß seinen „Standpunkt" im Reden wie im ganzen Habitus aufgeben können. Auch muß der gute Untersucher den Kranken sprechen lassen und selbst so wenig wie möglich sagen . Man achtet auf Benehmen und Gebärden während des Gespräches, auf die vielen kleinen Ausdruckserscheinungen, den Tonfall, ein Lächeln oder einen Blick, auf alles dies, was unbewußt immer unseren Eindruck bestimmt. Man nutzt den eigenen ersten Eindruck in der Begegnung mit einem Menschen, dies nie zu Erneuernde, Plötzliche, Einmalige, das uns manchmal etwas fühlen läßt, das sich erst spät bestätigt. Die Psychoanalyse sucht die Ergebnisse zu bereichern durch Erzählenlassen von Träumen und freies Assoziieren unter Beobachtung aller dabei vorkommenden Ausdruckserscheinungen .
          Der Umgang mit geistig abnormen Menschen will gelernt sein. Im Beginn einer Untersuchung wird man alles vermeiden, was Abneigung und Ablehnung von seiten des Kranken zur Folge haben könnte. Man wird von indifferenter Liebenswürdigkeit sein, aufmerksam zuhören, man wird in die Gedankengänge und Urteile des Kranken einige Schritte mittun, unabhängig von eigenen Ansichten; was der Kranke für wichtig hält, wird man nicht als bedeutungslos abweisen. Man wird eigene Wertung gänzlich zurückstellen.
          Neben der vornehmsten Untersuchungsmethode der einfachen Unterhaltung spielen eine Reihe von Hilfsmitteln eine beachtenswerte Rolle. Man sucht sich objektives Material durch eine Anamnese von den Angehörigen und von der Umgebung zu verschaffen, sucht einen zuverlässigen Lebenslauf aus Akten aller Art, aus Zeugnissen zu gewinnen. Ferner ist die Einsicht in Briefe, Selbstbiographien und andere Produkte der Kranken manchmal von großem Wert. Wenn der Kranke bereit und fähig ist, fordert man ihn zu einer schriftlichen Selbstschilderung seiner psychotischen Erlebnisse auf. ...  [>689]

        Fußnoten: Vorzügliche Beispiele einer Unterhaltung mit Schizophrenen bei Kläsi: Über die Bedeutung und Entstehung der Stereotypien. Berlin: Karger 1922. Hier sind Explorationen — mit den Hilfen, der Wahl des Augenblicks, den Beeinflussungsmethoden — wörtlich wiedergegeben. Durch solche konkrete Beispiele lernt man mehr als durch allgemeine Vorschriften. Für gutes Explorieren ist vor allem Tradition an einer Klinik, persönliches Vorbild nötig. Hier gilt Newtons Satz: In addiscendis scientiis exempla plus prosunt quam praecepta.
        Gute Kritik der „Methode des freien Einfalls" bei Richter, A.: Z. Neur. 146, 620.
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      Jaspers zu Diagnose und Menschenwürde
      "Einen  Psychopathen durch die 'Diagnose' eines Typus festzulegen, ist gewaltsam und immer falsch. Menschlich aber bedeutet die Klassifikation und Festlegung des Wesen's eines Menschen eine Erledigung, die bei näherer {>366}Besinnung beleidigend ist und die Kommunikation abbricht. Das darf in aller erleuchtenden Begrifflichkeit charakterologischer Menschenauffassung nie vergessen werden."  Karl Jaspers, Allgemeine Psychopathologie, 5. A. 1948, S. 365f.
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      Neurologen und Psychiater im Netz [Abruf 28.6.12] "Untersuchungsmethoden /  Psychiatrische  Untersuchungen
      Eine vollständige psychiatrische Untersuchung setzt sich aus dem Untersuchungs-Gespräch, der körperlichen Untersuchung und aus verschiedenen, zusätzlichen Maßnahmen (z.B. Labor, apparative Verfahren, Tests) zusammen. Das direkte Gespräch zwischen Arzt und Patient stellt das Kernstück einer psychiatrischen Untersuchung dar und ist für die Diagnosestellung unerlässlich. Gleichzeitig dient es dem Aufbau einer therapeutischen Arzt-Patienten-Beziehung, da eine Vertrauensbasis für die weitere Betreuung gewährleistet sein muss."
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    Rechtsbegriff
      Zum größten Versagen des Rechtssystems gehört es, keine klare Sprache in Bezug auf die Bedeutungsvielfalt der Begriffe geschaffen zu haben. Dabei wäre es ganz einfach, durch terminologische Kennzeichnungen deutlich zu machen, ob von Rechtsbegriffen gesprochen wird und wie die alltags-, bildungs- oder fachsprachlichen Entsprechungen hierzu gedacht oder gewünscht sind.
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    Schuldinterlokut   > Interlokut, Tatinterlokut, Anknüpfungstatsachen.
      W: "Schuldinterlokut im Strafprozess bedeutet die Teilung der Hauptverhandlung in Erkenntnisverfahren und Bestrafungsverfahren. Zunächst wird über Schuld oder Unschuld Beweis erhoben und mit Zwischenurteil („Interlokut“) entschieden. Nur im Falle der Schuld wird wiederum über Umstände Beweis erhoben, die sich auf die Höhe der Strafe auswirken. Für freigesprochene Angeklagte bringt diese Teilung den Vorteil, dass Details aus dem Privatleben mit Bedeutung für die Strafzumessung, wie eventuelle Vorstrafen, Lebenslauf, Einkommen und Kindheit, nicht an die Öffentlichkeit gelangen." [GB]
    __
    Tatinterlokut    >  Interlokut, Schuldinterlokut, Anknüpfungstatsachen.
      [GB1, GB2,]  Im deutschen Strafrecht bislang leider nicht durchgesetzt, in der fortschrittlicheren Schweiz schon. "Tatinterlokut: Zunächst wird nur die Tatfrage behandelt. In einem zweiten Teil allenfalls dann die Schuldfrage und die Sanktion." Obwohl es ist sachlicher Unsinn ist, sich mit Fragen der Schuldunfähigkeit zu beschäftigen, wenn noch gar nicht juristisch feststeht, ob die Tat überhaupt dem Angeklagten zugerechnet werden kann, geschieht das im deutschen Gerichtswesen ständig. Die Problematik ist auch typisch für den Fall Mollath. Hier sollte bereits mehrere Gutachter zur Frage der §§ 20, 21 und 63 Stellung nehmen, obwohl die Hauptverhandlung noch gar nicht zu einem entsprechenden Schuldspruch fand.
    __
    Tenor eines Urteils.
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    Venzlaff: Fehler und Irrtümer in psychiatrischen Gutachten NStZ 1983, 199 [Fett-kursiv RS]
      "Obwohl subjektive und objektive Vorgeschichte, psychiatrische Exploration und Verhaltensbeobachtung die zentrale Erfahrungsquelle für eine psychiatrische Diagnose sind, ist in sehr vielen Fällen eine zusätzliche testpsychologische Diagnostik, und zwar sowohl zur Prüfung des kognitiven Bereichs als auch zur Ergänzung der Persönlichkeitsdiagnostik unverzichtbar."
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    Vertrauen, Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis
     
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    Wahn.
      Wahn.
      Der Psychiatrie ist es in den letzten Jahrhunderten nicht gelungen, eine verbindliche Wahndefinition vorzulegen. Ich habe nach meinen Wahnstudien eine mir angemessen und schlüssig erscheinende Wahndefinition entwickelt:
          Definition: Wahn liegt vor, wenn mit rational unkorrigierbarer (Logik, Erfahrung) Gewissheit ein falsches Modell der Wirklichkeit oder ein falscher Erkenntnisweg zu einem richtigen oder falschen Modell der Wirklichkeit vertreten wird.
          Beispiel falsches Modell der Wirklichkeit: Ein Passant gähnt und das deutet ein fränkischer Proband als Zeichen Dr. Merks, worauf er in die Knie geht und laut ruft: „Allmächd, Allmächd“. Muss man so jemanden einsperren? Natürlich nicht.
          Beispiel falscher Erkenntnisweg eines richtigen Modells der Wirklichkeit: Ein Passant gähnt und ein Proband zieht daraus den Schluss, dass Banken in hohen Maße an Steuerbetrugsdelikten beteiligt sind. Passantengähnen ist keine in unserer Kultur und Wissenschaft anerkannte Erkenntnisquelle für Schwarzgeldschiebereien, die natürlich ein völlig reales Modell der Wirklichkeit sind.
          Gustl F. Mollath hat seine Erkenntnisse nicht aus dem Gähnen eines Passanten wahnhaft erschlossen, sondern seine Erkenntnisquellen entsprechen genau denen unserer Kultur und Wissenschaft. Es gibt auch keine Progredienz (Ausdehnung, Erweiterung, Fortschreitung), wenn man mit gesundem Menschenverstand hinschaut, was der forensisch-psychiatrischen Schlechtachterindustrie offenbar zu schwierig erscheint. Es ist ja völlig logisch und verständlich, dass, je mehr Menschen sein Anliegen und seine Erkenntnisse ablehnen, er entsprechend mehr AblehnerInnen sieht. Daher ist das vermeintliche Progredienzzeichen für einen angeblich sich ausdehnenden Wahn (wohin hat er sich denn in den letzten 10 Jahren ausgedehnt?) auch keines, sondern es erklärt sich ganz einfach aus der Natur des Sachverhalts.
      Infos zum Wahn in der IP-GIPT:
      • Wissenschaftliches Wahnsystem am Beispiel Mollath.
      • Wahn in verschiedenen Störungen und Krankheiten (Diagnostik).
      • Wahnformen.
      • Wahnfälle.
      • Zur Etymologie von WAHN gegenüber WahnSINN (nach Scharfetter).
      • "Normal", "Anders", "Fehler", "Gestört", "Krank", "Verrückt".
      • Unterscheiden Wahn und Glauben.
      • Mehr zum Wahn > Überblick Wahn.

      • ___
        Wahnhaft im Urteil vom 26.8.2006
        (S. 25): "Auch in der Hauptverhandlung hat sich - wie bereits in den von den Zeugen geschilderten Vorfällen - die wahnhafte Gedankenwelt des Angeklagten vor allem in Bezug auf den Schwarzgeldverschiebungen der Hypovereinsbank bestätigt. Mag sein, dass es Schwarzgeldverschiebungen von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat bzw. noch gibt, wahnhaft ist, dass der Angeklagte fast alle Personen, die mit ihm zu tun haben, z.B. den Gutachter Dr. Wörthmüller völlig undifferenziert mit diesem Skandal in Verbindung bringt und alle erdenklichen Beschuldigungen gegen diese Personen äußert."
        ___
        Zur Bedeutung des Wahns für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach den §§ 20 und 21 StGB.
        Dölling, Dieter  (2010) Zur Bedeutung des Wahns für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach den §§ 20 und 21 StGB. Forens Psychiatr Psychol Kriminol (2010) 4:166–169 [DOI 10.1007/s11757-010-0057-4]
            "Zusammenfassung Für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eines Täters mit Wahnsymptomatik ist zunächst zu prüfen, ob ein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 des Strafgesetzbuches (StGB) vorliegt. Hierzu ist eine gründliche Diagnose von Art und Intensität des Wahns sowie der ihm zugrunde liegenden psychischen Erkrankung erforderlich. Ist ein Eingangsmerkmal gegeben, ist zu erörtern, wie sich
        der Wahn im jeweiligen Einzelfall auf die Fähigkeit des Täters zur Unrechtseinsicht und seine Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat. Hierfür kann ein Blick auf das von Winfried Brugger entwickelte anthropologische Kreuz der Entscheidung hilfreich sein."
            Diese Beurteilungkriterien des Mitherausgebers des Handbuches der Forensischen Psychiatrie wurden im Fall Mollath nicht beachtet, angewendet und eingehalten.
    __

    Querverweise
    Standort: Katalog: Untersuchungs-Fehler (UntF).
    *
    Überblick Potentielle Fehler in forensisch-psychopathologischen Gutachten, Beschlüssen und Urteilen der Maßregeljustiz.
    Katalog der potentiellen Explorations-Fehler (ExpF).
    Überblick Forensische Psychologie.
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site: www.sgipt.org
    z.B. Forensische Psychologie site: www.sgipt.org. 
    *
    Dienstleistungs-Info.
    *

    Zitierung
    Rudolf Sponsel (DAS). Katalog: Untersuchungs-Fehler  (UntF) zu Potentielle Fehler in forensisch psychiatrischen Gutachten, Beschlüssen und Urteilen der Maßregeljustiz. Eine methodenkritische Untersuchung illustriert an einigen Fällen u.a. am Fall Gustl F. Mollath mit einem Katalog der potentiellen forensischen Gutachtenfehler sowie einiger Richter-Fehler. Erlangen IP-GIPT: https://www.sgipt.org/forpsy/NFPMRG/UntF.htm
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     Ende_ Katalog: Untersuchungs-Fehler  (UntF) _Überblick_Rel. Aktuelles_ Rel. Beständiges _ Titelblatt_ Konzeption_ Archiv_ Region_ Service_iec-verlag_ Mail: sekretariat@sgipt.org_ __Wichtige Hinweise zu Links und Empfehlungen


    korrigiert: 25.03.2013 irs



    Änderungen Kleinere Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet und ergänzt.
    10.12.13   Nachtrag aus Burhoff (2012) zur Unzulässigkeit der Einweisung zur Beobachtung nach § 81 StPO.
    03.08.13   Eigener wissenschaftlicher Standort.
    14.06.13   Nachtrag Konrad (1997)-
    28.03.13   OLG Hamm: Anforderungen an eine psychiatrische Untersuchung durch einen Sachverständigen.
          OLG Naumburg Ergebnisoffene Fragestellung geboten.
    27.03.13   Ergänzungen  bei Hypothesen F07 * Hypothesendenken in der forensichen Psychiatrie völlig unterentwickelt * Wahn. * Interlokut *
     
     
     



    [Interne Quellen Literaturdoku
    • Widmaier (2006).  Teil L. Verteidigung und Sachverständigenbeweis. Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, [IQ]
    • Widmaier (2006). 3. Abschnitt. Verteidigung und Sachverständiger. Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, [IQ]
    • III. Forensisch psychiatrische Untersuchung  Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, erfasst unter Untersuchungs.doc.
    • Materialien Persönliche Untersuchung UntersuchungsPersönliche.doc.
      • Kröber (1999). 2. Untersuchung des Verurteilten–Untergebrachten.
      • Eisenberg StPO 7. Auflage 2011 Rn 1699-1700.
      • Bienwald (2006): 4. Untersuchung durch den Sachverständigen
      • Schmidt-Recla Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung 3. Auflage 2010 , Rn 11 Persönliche Untersuchung.
      • Schwab Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, Rn 70: Sachverständige.
      • BGH: Beschluss vom 25.05.2011 - 2 StR 585/10. Leitsatz: Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger hat die Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung. Es besteht daher ein Delegationsverbot, soweit durch Heranziehung anderer Personen die Verantwortung des Sachverständigen für das Gutachten in Frage gestellt wird. (Leitsatz der LSK -Redaktion)
      • OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.7.2004, 20 W 299/04, OLGR 2004; 416 = FamRZ 2005, 303 = FGPrax 2005, 23:

      • Eine ärztliche Stellungnahme, die ein mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragter Sach-verständiger ohne zeitnahe persönliche Untersuchung oder Befragung des Betroffenen nur aufgrund eines telefonischen Gespräches mit diesem zur Vereinbarung eines Untersuchungs-termins abgibt, genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen an ein ärztliches Attest im Verfahren zur vorläufigen Bestellung eines Betreuers. Quelle: https://wiki.btprax.de/Sachverst%C3%A4ndigengutachten]
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