Katalog der potentiellen forensischen Gutachtenfehler
Untersuchungs-Fehler (UntF)
Zu:
Potentielle Fehler in
forensisch psychopathologischen Gutachten, Beschlüssen und Urteilen
der Maßregeljustiz
Eine methodenkritische Untersuchung illustriert
an einigen Fällen u.a. am Fall Gustl
F. Mollath
mit einem Katalog
der potentiellen forensischen Gutachtenfehler sowie einiger Richter-Fehler.
von Rudolf
Sponsel, Erlangen
_
Fazit des wissenschaftlichen, forensisch-psychopathologischen
und gesunden Menschenverstandes zur forensisch-psychopathologischen Untersuchung.
Ein Gutachten muss Befunde zu Beweisfragen kausal in Beziehung setzen. Rechtlich gilt, dass der Sachverständige die Begutachtung persönlich durchzu- führen und zu verantworten hat. Als fachliche Generalregel gilt, dass eine forensisch-psychopathologische Untersuchung die Daten so erhebt, auswertet, befundet und erörtert, dass die Beweisfragen (z.B. Schuldfähigkeit, Gefährlichkeit, Unterbringung) im jeweiligen Einzelfall angemessen beantwortet werden können. D.h. der Untersuchungsplan (> allgemeiner wissenschaftlicher Plan) orientiert sich an der Datenerhebung zu den Beweisfragen im jeweiligen Einzelfall. Zu den allerersten Aufgaben gehört festzustellen, ob eine entsprechende Vertrauensbeziehung für die Begutachtung vorliegt oder aufgebaut werden kann. Dazu muss die ProbandIn zuerst über die Begutachtung aufgeklärt werden, d.h. 1) über ihre Rechte, 2) über ihre Risiken, wenn sie sich auf eine Begutachtung (2a) einlässt oder (2b) nicht einlässt, und 3) über die Aufgabe und Rolle der Sachverständigen vor Gericht. Eine schriftliche Bestätigung über Form und Inhalt der Aufklärung ist wünschenswert und sicher die sauberste Lösung. In Sonderfällen wie z.B. bei Analphabeten ist eine analoge, z.B. Audiodokumentation zu fordern. Die Untersuchung ist im einzelnen zu dokumentieren und im Gutachten übersichtlich darzustellen (>Darstellungsfehler), so dass Ablauf, angewandte Methoden und Ergebnisse für psychopathologische Laien (Richter- und SchöffInnen, Staatsanwält- und AnwältInnen) nachvollzogen und verstanden werden können. Zentrales Herz- und Kernstück (Erkenntnisquelle) der forensisch-psycho- pathologischen (psychiatrischen) Untersuchung ist die psychopathologische (psychiatrische) Exploration. Bis auf wenige theoretische Ausnahmen ist sie z.B. für Beweisfragen zu den §§ 20, 21, 63 StGB unverzichtbar. Die Hauptaufgaben können nach dem Zeitbezug unterschieden werden: (1) Verfassung, Befinden und Verhalten in der Vergangenheit, typisch z.B. für Schuldfähigkeitsfragen (§§ 20, 21, 63 StGB, (2) Verfassung, Befinden und Verhalten in der Gegenwart, typisch z.B. für die Frage der Unterbringung (§ 63 StGB) und Gefährlichkeitsbeurteilung und die Zukunft, typisch z.B. das Prognosegutachten (§ 67 StGB) und Fragen der Sicherungsverwahrung. |
Allgemeine Untersuchungs- und Gutachtengliederung
Erfassen der Beweisfragen. Prüfen der eigenen Zuständigkeit (Kompetenz). Aktenorientierung. Untersuchung der Voraussetzungen zur Begutachtung. Voruntersuchung: Information und Aufklärung der ProbandIn. Exploration der grundsätzlichen Mitwirkungsbereitschaft. Exploration und Prüfen einer ausreichenden Vor-Vertrauensbasis. Möglichkeiten des Aufbaus einer Vertrauensbasis und schaffen. Entscheidung zur Begutachtung (oder Rückgabe). Aufstellen der Hypothesen zu den Beweisfragen und hierzu orientierende Aktenanalyse. Aktenanalyse (beweisfragenrelevant gründlich). Gerichtlich vorgegebene Anknüpfungstatsachen klären. Untersuchungsplan: was muss wozu untersucht werden? Durchführung der Untersuchung. Daten und Gang der Untersuchung (Zeit, Datum, Situation). Psychosoziale Untersuchung. Allgemeine Anamnese. Exploration zur Vorgeschichte (Delinquenzgeschichte). Exploration zu den Beweisfragen. Körperliche Untersuchung, Technik und Labor. Auswertung der Untersuchung. Befunde zu den Beweisfragen. Erörterung der Befunde zu den Beweisfragen. Herleitung der Ergebnisse aus den Befunden zu den Beweisfragen. Mitteilung und Erörterung von Problemen. Beantwortung der Beweisfragen mit Gültigkeit, Sicherheit und Reichweite. Allgemein gilt, dass ein Gutachten für Laien verständlich und nach- vollziehbar aufgebaut, gegliedert und dargelegt werden muss, so dass insbesondere das Gericht der Pflicht seiner Leitungs- Über- wachungs- und Kontrollfunktion nachkommen kann. |
Grundsätzliches
zur forensisch-psychopathologischen Untersuchung
Kein Mensch muss an einer forensisch-psychiatrischen Untersuchung mitwirken,
jeder hat das Recht eine solche Untersuchung zu verweigern. Dem widersprach
lange Zeit die Einweisungspraxis nach § 81 StPO, selbst als das BVerfG
am 9. Oktober 2001 ein für alle bindendes Machtwort gesprochen hatte.
Allerdings hielt man sich nicht daran, insbesondere die forensische Psychiatrie
hat diesen Beschluss souverän ignoriert und ihn in ihren Fachveröffentlichungen
und Standardwerken verschwiegen - obwohl natürlich völlig offensichtlich
ist, dass fast jede forensisch-psychologische Untersuchung auf die Mitwirkungsbereitschaft
der ProbandIn angewiesen ist (> theoretische
Ausnahmen). Offenbar will man "gut"achten, egal was das Recht, der
gesunde Menschenverstand oder gar die ProbandInnen wollen. Damit zeigt
die forensische Psychiatrie überdeutlich, wes Geistes Kind sie wirklich
ist. Das war aber nur möglich, weil es von den RichterInnen nicht
nur gedeckt oder gebilligt sondern oft wohl auch so gewünscht wurde.
Das heißt in der Konsequenz und im Klartext: der Rechtsstaat funktioniert
hier nicht.
Der Bundesverfassungsgerichtsbeschluss vom 9. Oktober 2001 2 BvR 1523/01
Ich beschränke mich auf die Wiedergabe der entscheidenden Passage
(Rn 1, 20, 21,
22, 23, 24, 25): "
Rn 1
"Die Verfassungsbeschwerde betrifft Fragen der Verhältnismäßig- keit einer Unterbringung nach § 81 StPO in einem Fall, in dem der Angeklagte die Zusammenarbeit mit dem psychiatrischen Sach- verständigen verweigert." Rn 20
|
Die Passage (Rn 20) des Beschlusses ist in klarem, unmissver-
ständlichem Deutsch, das jede BürgerIn ab einem IQ von 90 verstehen
kann. Hier wird völlig klar und eindeutig gesagt, worauf es bei der
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 81 StPO
zur Beobachtung ankommt, nämlich auf die Mitwirkungsbereitschaft des
Beschuldigten, wenn eine Exploration erforderlich ist.
Ich merke an: Eine Exploration ist fast immer notwendig (> theoretische Ausnahmen), wenn es um die Beurteilung der §§ 20, 21, 63 StGB zum Zeitpunkt t2 geht, denn hier sind Verfassung, Befinden und Verhalten zu den Tatzeiten t1, die im Regelfall Monate oder Jahre zurückliegen, zu ergründen. Solche Erkenntnis- se sind aber nur über die forensisch-psychopathologische Exploration zu gewinnen und durch keine - wie auch immer geartete - Beobachtung Monate oder Jahre später. Leider hat die forensische Psychiatrie bis jetzt keine wissen- schaftlich begründete und praktische Methodik vorgelegt, wie die Eingangsmerkmale im Hinblick auf die Einsichts- oder Steue- rungsfähigkeit für die Tatzeitpunkte beurteilt werden können. Ihre Methoden erschöpfen sich bislang meist im Meinen, Mutmaßen, Phantasieren, Spekulieren. |
In: Burhoff (2012) Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Auflage, abrufbar in Jurion, werden Unzulässigkeitsgründe für die Einweisung zur Beobachtung nach § 81 StPO übersichtlich dargestellt. Ein Grund liegt n.a. vor "wenn der Beschuldigte sich weigert, die Beobachtung zuzulassen bzw. bei ihr mitzuwirken, und die Untersuchung die freiwillige Mitwirkung des Beschuldigten voraussetzt (BVerfG NJW 2002, 283 [BVerfG 09.10.2001 - 2 BvR 1523/01]; BGH NStZ 1994, 95; OLG Düsseldorf StV 2005, 490; OLG Oldenburg StV 2008, 128; OLG Stuttgart StV 2004, 582; LG Hagen StraFo 2008, 157 [LG Hagen 11.02.2008 - 44 Qs 25/07]), also z.B., wenn eine Exploration erforderlich ist (OLG Celle StV 1985, 224; 1991, 248; ähnlich OLG Oldenburg, a.a.O.)."
Mittlerweile habe ich in beck-online einen Kammergerichtsbeschluss vom
30.10.2012 gefunden, der den BVerfG Beschluss aus 2001 ernst nimmt und
anwendet:
KG, Beschluss vom 30.10.2012
-
4 Ws 117/12 - 141 AR 555/12, Normenkette: StPO § 81: Zur Anhörung
des Sachverständigen und Verhältnismäßigkeit einer
Unterbringung bei endgültiger Weigerung des Beschuldigten zur Mitwirkung
an einer erforderlichen Exploration. Leitsätze:
1. Die vor Anordnung einer Maßnahme nach § STPO § 81
Abs. STPO § 81 Absatz 1 StPO erforderliche Anhörung eines Sachverständigen
erfüllt die Anforderungen nur dann, wenn der Sachverständige
grundsätzlich nach persönlicher Untersuchung des Beschuldigten
ein schriftliches Gutachten erstattet, in dem er zur Unerlässlichkeit
der stationären Einweisung und deren voraussichtlicher Dauer Stellung
nimmt sowie das konkrete Untersuchungskonzept wie auch dessen Geeignetheit
zur Erlangung von Erkenntnissen über die im Raum stehende psychiatrische
Erkrankung darlegt. (amtlicher Leitsatz)
2. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist von
einer Unterbringung nach § STPO § 81 StPO abzusehen, wenn von
ihr im Hinblick auf die Weigerung des Beschuldigten zur erforderlichen
Mitwirkung brauchbare Ergebnisse nicht zu erwarten sind, was insbesondere
dann gegeben ist, wenn eine Exploration erforderlich wäre, diese aber
vom Betroffenen endgültig verweigert wird. Die bloße Möglichkeit,
aus der (längeren) Beobachtung des Beschuldigten im Rahmen des Klinikaufenthalts
Rückschlüsse auf dessen psychischen Zustand und Persönlichkeit
zu ziehen, reicht nicht aus. (amtlicher Leitsatz)
Böllinger, Lorenz & Pollähne, Helmut (2010) StGB
§ 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Kommentar
Strafgesetzbuch, hrsg. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, 3. Auflage 2010,
Rn 120-127. [beck-online, UB-Campus]
Randnummer 125 Verweigert der Angeklagte die Begutachtung, darf
der Tatrichter sich nicht mit den Befunden eines Sachverständigen
aus der Beobachtung der Hauptverhandlung begnügen (BGH StV 1997, 468).
Die forensisch-psychopathologische Untersuchung in Rechtsprechung und Kommentaren
BeckOK StGB §
20 Eschelbach Beck'scher Online-Kommentar StGB. Hrsg: von Heintschel-Heinegg
Stand: 01.12.2012, Edition: 21"
Randnummer 119 Das Gericht, das sich
zur Prüfung der tatsächlichen Voraussetzungen der § 20 StGB,
§ 21 StGB der Hilfe eines Sachverständigen bedient, muss dessen
Tätigkeit gemäß § 78 StPO überwachen und leiten
(Barton, 27 f; Dippel, 106 f; Schnoor, 128 ff; Streng Rn 764). Denn das
Verhältnis ist so gestaltet, dass der Richter die Verfahrensleitung
und Entscheidungskompetenz hat und der Sachverständige ihm „nur“ das
nötige Fachwissen aus seinem Gebiet zur eigenverantwortlichen Beurteilung
des Falles einschließlich der darin auftretenden psychiatrischen
Fachfragen vermitteln und gegebenenfalls auch einzelne Tatsachenfeststellungen
ermöglichen soll. Der Richter trägt selbst einen Teil der Verantwortung
an dem Gutachten, die er durch eine umfassende Lenkung und Leitung des
Sachverständigen ausüben muss (Dippel, 107).
Randnummer 120 Zur Leitung gehört
die Auftragserteilung mit genauer Fragestellung (Schnoor, 129 ff), die
Mitteilung der erforderlichen Anknüpfungstatsachen
(Schnoor, 131), der Hinweis auf die Rechtslage im formellen und materiellen
Sinn und die Klarstellung des Ziels des Gutachtenauftrages (Schnoor, 135
ff). Die schlichte Aktenübersendung mit der generellen Frage, ob die
Voraussetzungen von § 20 StGB, § 21 StGB vorliegen, ist ungenügend
(Schnoor, 132 f). Der Richter hat zu überwachen, dass der Sachverständige
sich an den Gutachtenauftrag hält, seine Kompetenzgrenzen nicht überschreitet
und das Gutachten in angemessener Zeit erstattet. Zur Leitungsaufgabe gehört
die richterliche Prüfung, ob Grundlagen, Methodik und Inhalt des Gutachtens
den anerkannten Anforderungen genügen (BGHSt 49, 347, 353 ff mAnm
Nedopil JR 2005, 216 f). Das Gutachten muss – soweit dies möglich
ist - eine eigene Anamnese und Exploration des Probanden einschließen,
deren zentralen Aspekte möglichst genau wiedergegeben und nachvollziehbar
bewertet werden müssen. Aber auch externe Befunde, die nicht vernachlässigt
werden dürfen, sind vom Sachverständigen auszuwerten, soweit
sie für ihn verwendbar und aussagekräftig sind (Schnoor, 133
f). Ergänzende Beweiserhebungen außerhalb der Exploration hat
der Sachverständige dazu nach § 80 StPO durch seinen Auftraggeber
herbeiführen zu lassen (Dippel, 121). Sonstige Anknüpfungstatsachen
hat also bei einem gerichtlichen Gutachtenauftrag das Gericht dem Sachverständigen
zur Verfügung zu stellen (Schreiber/Rosenau in Venzlaff/Foerster Psychiatrische
Begutachtung, 160). Der Sachverständige darf demnach nicht von sich
aus Zeugenbefragungen durchführen, um Befundtatsachen selbst festzustellen.
Nur die Exploration des Probanden ist das dem forensisch tätigen Psychiater
üblicherweise gestattete und im Rahmen des Erreichbaren erforderliche
Untersuchungsmittel; im Einzelfall können apparative Untersuchungen
hinzukommen, mit Blutbild, EEG, MRT usw. Auch insoweit ist aber eine vorherige
Belehrung des Beschuldigten durch den Richter über Art und Ziel der
Begutachtung und darüber, dass er zur aktiven Mitwirkung an der Begutachtung,
insbesondere zur Auskunftserteilung im Rahmen der Exploration, nicht gezwungen
ist, erforderlich (Schnoor, 140 ff; sa Haller, 13 ff). ...
Randnummer 121 Ein Sachverständigengutachten
über die Ursache einer Verhaltensstörung ist auch dann kein ungeeignetes
Beweismittel, wenn der Beschuldigte die Einwilligung in eine Untersuchung
durch den Sachverständigen verweigert hat, aber dem Sachverständigen
Erkenntnisse über frühere Behandlungen zugänglich gemacht
oder durch Befragung von Zeugen externe Erkenntnisse vermittelt werden
können, die Schlussfolgerungen ermöglichen (BGH StV 1990, 246,
247). Die verwerteten Befundgrundlagen des Gutachtens müssen vom Sachverständigen
in solchen Fällen allerdings besonders klargestellt werden. Wenn das
Gericht zu einer abweichenden Tatsachengrundlage bei den Feststellungen
über die Tat gelangt, als sie dem Gutachten des Sachverständigen
zugrunde liegen, dann muss dem Sachverständigen wiederum Gelegenheit
gegeben werden, sich mit den vom Gericht festgestellten Tatsachen auseinanderzusetzen
(BGH StV 1986, 138 f mAnm Deckers)."
Anmerkung: Vom BVerfG
Beschluss scheint Eschelbach nichts mitbekommen zu haben.
Streng
im Münchner Kommentar (2012): "1. Die zwei „Stockwerke” von §
20
Randnummer 12 Der Struktur von § 20 entsprechend geht es
im sog. „biologischen Stockwerk” um die Frage, ob zum Zeitpunkt der Tat
eines der vier „Eingangsmerkmale”, nämlich eine krankhafte seelische
Störung, eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Schwachsinn
oder eine schwere andere seelische Abartigkeit, vorlag. Nach der st. Rspr.
des BGH darf nicht offenbleiben, welche der Eingangsvoraussetzungen des
§ 20 vorliegt, zur Fussnote [1] was bei Störungskumulationen
(Komorbidität) dazu führt, dass man entweder den gewichtigsten
Defekt in den Vordergrund stellt oder mehrere Eingangsmerkmale zugleich
benennt. zur Fussnote [2] Auf der Erfüllung der Voraussetzungen des
ersten Stockwerks aufbauend soll dann im sogenannten „psychologischen Stockwerk”
geklärt werden, ob der vorliegende psychopathologische Zustand der
bezeichneten Art(en) dazu geführt hat, dass der zu Begutachtende zum
Tatzeitpunkt unfähig gewesen ist, „das Unrecht der Tat einzusehen
oder nach dieser Einsicht zu handeln”, dass maW Einsichtsfähigkeit
oder Steuerungsfähigkeit fehlte. Prämisse dieser Zweistufigkeit
ist, dass auch beim Vorliegen einer relevanten „biologischen” Basisstörung
im Tatzeitpunkt die Beurteilung auf der darauf aufbauenden Ebene der normativ
relevanten Fähigkeiten des Täters im „psychologischen” Stockwerk
das Vorliegen voller Schuldfähigkeit ergeben kann."
Eisenberg, StPO Vierter Teil.
(7.A. 2011) Sachverständiger Zweites Kapitel. Untersuchungen (überwiegend)
personenbezogener Art III. Untersuchung der Schuldfähigkeit 1. Psychische
Krankheiten und Störungen mit Relevanz für die Schuldfähigkeit
(§§ 20, 21 StGB) a) Strafrechtliche Voraussetzungen bb) [Einsichts-
und Steuerungsfähigkeit]
1716(1) Als zweite Voraussetzung verlangt
§ 20 StGB eine tatsächliche Beeinträchtigung idS, dass kognitiv
die Einsichts- oder voluntativ die Steuerungsfähigkeit[1] des Täters
wegen eines der vorbezeichneten Merkmale zZt der Tat aufgehoben war [2].
Dabei ist (unbeschadet empirischer Abgrenzungsschwierigkeiten) die Frage
der Steuerungsfähigkeit erst zu prüfen, wenn Einsichtsfähigkeit
festgestellt wurde, dh die Anwendung des § 20 StGB darf grundsätzlich
nicht auf beide Alternativen zugleich gestützt werden (BGH 21 27;
NStZ 82 201; v 4. 2. 99 [4 StR 16/99] und v 16. 3. 99 [3 StR 64/99] – jeweils
betr § 21 StGB – NStZ 99 495 bei Detter; VRS 71 21; bei Holtz MDR
87 93; NStZ 91 529; offen gelassen in BGH NStZ 95 226; zu ausnahmsweise
alternativer bzw gleichzeitiger Bejahung BGH NStZ-RR 98 294 mNachw bzw
06 168; s zu teilweise abw Praxis Verrel MKrim 94 281).
1719(c) Die Einsichts- und die Steuerungsfähigkeit
müssen sich auf eine konkrete Tat beziehen. Daher ist die Feststellung
einer einschlägigen psychischen Krankheit oder Störung nur relevant,
wenn sie sich in der Tat ausgewirkt hat (BGH NStZ 98 397). Die Einsichts-
und die Steuerungsfähigkeit können ggf für die eine Tat
bejaht, für eine andere verneint werden, sofern dies widerspruchsfrei
ist (vgl BGH v 10. 7. 08 [5 StR 253/08], hier vern); ebenso können
sie für verschiedene (subj) Tatbestandsmerkmale verschieden beurteilt
werden.[5]
1715(2) Stets ist die Frage der Verlässlichkeit
der (tatzeitbezogenen) Diagnose einer (oder mehrerer) seelischer Krankheiten
oder Störungen sowie der Zuordnung zu einem (oder mehreren) der in
§ 20 StGB genannten Rechtsbegriffe von der Frage nach den Auswirkungen
auf die in §§ 20, 21 StGB bezeichneten Fähigkeiten (vgl
1716?ff) zu trennen. Demgemäß ist die generelle Annahme verfehlt,
zB psychopathische oder neurotische Verhaltensstörungen wiesen eine
geringere Intensität auf als psychotische (vgl näher 1796).[9]
Auch ist weder theoretisch noch in der Praxis die Auffassung belegbar,
psychotische Störungen erfüllten von vornherein mit großer
Wahrscheinlichkeit,[10] psychopathische oder neurotische Störungen
jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen die Voraussetzungen der §§
20, 21 StGB[11].
Bloße
psychopathologische Diagnosen genügen nicht - Der häufigste forensisch-psychopathologische
Fehler bei der Schuldfähigkeitsprüfung
Früher war es üblich, wenn PsychiaterInnen feststellten,
jemand habe eine Schizophrenie, sei manisch oder leide an einem psychoorganischen
Syndrom mit Wahnvorstellungen, dann auch zu sagen, der Proband sei schuldunfähig
bzw. geschäftsunfähig. D.h. die bloße Diagnose genügte
seinerzeit, um auf Schuldunfähigkeit (oder, im Zivilrecht, auf Geschäftsunfähigkeit)
zu schließen. Das hätte zwar nicht sein dürfen, weil der
§ 20 StGB in seinen Anforderungen - Ohne
Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften
... - völlig klar ist,
aber es hatte sich eben eingebürgert.
Diese für die PsychiaterInnen angenehm-bequemen
Zeiten sind vorbei. Die Rechtsprechung hat inzwischen eine klare wissenschaftliche
Position eingenommen und verlangt nun die echte Erfüllung des §
20 StGB, nämlich dass die forensischen PsychopathologInnen nachvollziehbar
und schlüssig aufzeigen müssen, dass zwischen der Diagnose
und der Tathandlung eine kausale Beziehung besteht. Das sehen auch seit
2005 die Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten vor:
1.13,
1.17,
1.18,
1.21.
Und in den meisten juristischen Kommentaren ((z.B.
Streng,
Eisenberg)
zu den §§ 20, 21 StGB wird klipp und klar ausgeführt, dass
der Zusammenhang zwischen Störung und Auswirkung bei der Tat aufzuzeigen
ist, wie es das Gesetz ja auch formuliert: „Ohne Schuld handelt, wer
bei
Begehung der Tat wegen einer krankhaften ...“.
Kurzcharakteristiken
der durchgesehenen BGH-Beschlüsse zu Schuldfähigkeitsfragen und
Gutachten
Durchgesehen wurden 19 BGH-Beschlüsse von 2000 bis 2009 nach dem
Suchbegriff "Schuldfähigkeit". Aus 10 der 19 Beschlüsse wurden
für das forensisch-psychopathologische Gutachten Leitlinien entnommen.
Der erste Beschluss stammt aus 1991 zur Frage der Geschäftsfähigkeit
(die zivilrechtliche Entsprechung zur strafrechtlichen Schuldfähigkeit).
Abstract
- Zusammenfassung - Summary BGH Beschlüsse (2000-2009)
Diagnosen oder Feststellungen von psychischen Störungen genügen
nicht, um die Voraussetzungen für Schuldunfähigkeit zu
begründen. Es müssen konkrete, nachvollziehbare und
ausführliche Darlegungen erfolgen, zu welchen Eingangsmerkmalen
des § 20 StGB die einzelnen Störungen gehören und wie sie
sich auf die einzelnen Handlungen bei Begehung der Tat(en) auswirken (wie
es der § 20 auch treffend formuliert: "Ohne
Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften
...
"). Dies ist auch schon deshalb notwendig, damit sich das Gericht ein eigenes
Bild und Urteil bilden kann, wozu es auch verpflichtet
ist. Daher darf das Gericht ein Sachverständigengutachten nicht einfach
übernehmen, vielmehr muss es das Gutachten kritisch prüfen und
kontrollieren. Das geht natürlich nur, wenn das Gutachten in klarem
Deutsch vorliegt und sein Vorgehen übersichtlich deutlich
macht und angemessen begründet. Die Diagnosen, die den
Eingangsmerkmalen zugeordnet werden, müssen sicher sein
und dürfen nicht als Vermutungen, Möglichkeiten, hypothetische
Erwägungen bzw. durch oder verknüpfte Alternativen formuliert
sein. Bei Persönlichkeitsstörungen ist zudem eine Gesamtschau
und umfassende Betrachtung (Lebensverlauf, Persönlichkeit,
Verhalten vor der Tat, bei der Tat und nach der Tat) erforderlich. Die
näheren
Umstände der Tat sind stets beachtlich, aufzuklären und
ausreichend zu erörtern.
Ergänzungen BGH und andere höhere Gerichtsbeschlüsse:
C. Maßnahme und Ziel der Beobachtungsunterbringung (§
284 Abs 1 S 1 FamFG)
Randnummer 3 Die Beobachtungsunterbringung ist stationäre
Aufnahme des Betroffenen gegen oder ohne dessen Willen in ein geschlossenes
psychiatrisches Krankenhaus oder in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen
Krankenhauses. Ist der Betroffene bereit, sich ambulant oder stationär
untersuchen zu lassen, ist sie ausgeschlossen. Ist der Betroffene grds
willig, Fragen zu beantworten, lehnt er aber körperliche Diagnoseeingriffe
ab und sind solche unumgänglich, um eine wissenschaftliche stichhaltige
Diagnose zu fällen, kommt eine Unterbringung nur in Betracht, wenn
sich aus der Befragung und einer körperlich nicht eingreifenden Untersuchung
nicht hinreichende Gesichtspunkte für eine Betreuung rechtfertigende
Krankheitssymptome ermitteln lassen. Diagnoseeingriffe sind auch dann nur
möglich, wenn der Patient einwilligungsunfähig ist und die Einwilligung
durch einen Bevollmächtigten oder in Folgeverfahren durch den Betreuer
erteilt wird. Zwangsbefugnisse werden dadurch nicht eröffnet." Quelle:
BeckOK FamFG § 284 Rn 3 - 6 Autor: Günter Beck'scher Online-Kommentar
FamFG Hrsg: Hahne/Munzig Stand: 01.01.2013, Edition: 7
Als
Einstieg zum Vergleich die "gewöhnliche" Psychiatrische Untersuchung
& Befunderhebung.
Stieglitz
& Fryberger (1999) Psychiatrische Untersuchung und Befunderhebung.
Allgemeine
Ausführungen zur psychopathologischen Untersuchung (chronologisch)
Persönliche
Untersuchung des sachverständigen Arztes nach Laufs & Kern (2010).
Exakte
Angabe und getrennte Wiedergabe der Erkenntnisquellen sowie eine klare
und
übersichtliche
Gliederung nach Kröber (2010).
Foerster
& Winckler Forensisch-psychiatrische Untersuchung. (2009).
Nowara
zur forensisch-psychologischen Begutachtung im Münchener Anwaltshandbuch
(2006).
Foerster
im Münchener Anwaltshandbuch (2006).
Die
forensisch-psychiatrische Untersuchung bei Beweisfragen zur Gefährlichkeit
und Prognose
nach
Nedopil (2005).
Die
forensisch-psychiatrische Untersuchung nach Foerster & Winckler (2004).
Der
Aufbau des Gutachtens nach Rasch & Konrad (2004).
Gang
und Gesichtspunkte der kriminalprognostischen psychiatrischen Begutachtung
nach
Kröber (1999).
Die
forensisch-psychiatrische Untersuchung nach Nedopil (1996).
Besondere
Probleme der psychopathologischen Untersuchung.
Zur
Handhabung und Bedeutung der Verweigerung einer persönlichen Untersuchung.
Handhabung
der Verweigerung der Untersuchung nach Foerster & Dreßing in
Venzlaff &
Förster
(2009). * Verweigerung
der Untersuchung.
Zwangsuntersuchung
nach Foerster & Winckler in Venzlaff & Förster (2004).
Rasch
und Konrad (2004) zum Thema Vorführung, Weigerung und Zwangsbehandlung.
Kritischer
Kommentar: Persönliche Untersuchung nicht möglich.
Verneinen
der Tatvorwürfe.
Leugnen
der Tat in der prognostischen Begutachtung nach Kröber (2010).
Bedeutung
Leugnung der Tat für die Prognose nach Kröber (2006).
Als
Einstieg zum Vergleich die "gewöhnliche" Psychiatrische Untersuchung
und Befunderhebung
Die forensisch-psychiatrische Untersuchung unterscheidet sich inhaltlich
von der gewöhnlichen psychiatrischen Untersuchung im wesentlichen
nur durch Hinzunahme der Themen, die sich aus den Beweisfragen ergeben,
und dass für den Sachverständigen die ärztliche Schweigepflicht
nicht gilt.
Stieglitz
& Fryberger (1999) Psychiatrische Untersuchung und Befunderhebung
l Das psychiatrisch-psychotherapeutische
Gespräch
1.1 Arzt-Patient-Beziehung 1.2 Strukturierung des Gesprächs 1.3 Grundlagen der Gesprächsführung 1.4 Spezielle Aspekte der Gesprächsführung 1.4.1 Äußere Bedingungen 1.4.2 Schwierige Situationen 1.4.3 Schweigepflicht 2 Psychiatrische Befunderhebung
3 Untersuchungsebenen
|
3.1.2 Orientierungsstörungen
3.1.3 Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen 3.1.4 Denkstörungen 3.1.5 Wahrnehmungsstörungen 3.1.6 Ich-Störungen 3.1.7 Zwangs- und Angststörungen 3.1.8 Störungen der Affektivität 3.1.9 Psychomotorische Störungen und Antriebsstörungen 3.1.10 Zirkadiane Besonderheiten 3.1.11 Sozial- und Krankheitsverhalten .. 3.1.12 Aggressive Erlebens- und Verhaltensmuster 3.1.13 Dissoziative Störungen 3.1.14 Somatische Störungen 3.1.15 Intelligenzstörungen 3.2 Syndromebene , 4 Erhebungsinstrumente
5 Dokumentation
6 Anhang: Selbst- und Fremdbeurteilungs-
|
Persönliche
Untersuchung des sachverständigen Arztes.
Laufs/Kern,
Handbuch des Arztrechts 4. Auflage 2010. 21. Kapitel. Der Arzt als Sachverständiger
und Gutachter, V. Eigenverantwortliche Erstellung und Erstattung des Gutachtens
(fett-kursiv RS):
Schon von einer Zeitung verlangt man die saubere Trennung von Nachricht und Kommentar und die Offenlegung der Erkenntnisquellen. Umso mehr gilt dies für Gutachten, die sich wissenschaftlicher Methodik und Erkenntnisse bedienen sollen. Üblicherweise ist ein Gutachten also in mehrere Kapitel gegliedert:
(a) Zunächst werden meistens die für die
Begutachtung relevanten Akteninformationen zusammenfassend referiert. Der
Verzicht hierauf – wenn z. B. die vorgeworfene Straftat nicht nach Zeit,
Ort, Opfer und Tatablauf skizziert wird, relevante Zeugenaussagen und Einlassungen
zur Person und psychischen Verfassung des Beschuldigten „als bekannt vorausgesetzt“
werden – weckt den meist zutreffenden Verdacht auf nur flüchtiges
Aktenstudium und beeinträchtigt Transparenz und Nachvollziehbarkeit
der Schlussfolgerungen des Gutachtens. Allerdings ist die komprimierte
Wiedergabe der gutachterlich relevanten Akteninformationen harte Arbeit;
wörtliche Zitate sind nur ausnahmsweise und wegen charakteristischer
Formulieren erlaubt, abzulehnen sind seitenlange Zitate und eine wahllose
Wiedergabe, deren argumentativer Sinn unverständlich bleibt.
In die Darstellung der Aktenlage gehören also:
Die Mindeststandards verlangen hier das Kenntlichmachen der interpretierenden
und kommentierenden Äußerungen und deren Trennung von der Wiedergabe
der Informationen und Befunde. Es kann aus Gründen der Lesbarkeit
und zur raschen Erledigung randständiger Probleme allerdings sinnvoll
sein, dass man bei der Darstellung früherer Dokumente, z. B. früherer
Urteile und Gutachten, sogleich darauf hinweist, dass sich inzwischen bestimmte
Annahmen als unzutreffend herausgestellt haben. Solche Kommentare müssen
natürlich als solche erkennbar und belegt sein. Manchmal kann es auch
sinnvoll sein, darauf hinzuweisen, dass sich bestimmte frühere Theorien
(z. B. über Tathintergründe) nicht auf belegte Fakten stützen
konnten. All dies gilt besonders dann, wenn sehr umfangreiches Aktenmaterial
zu verarbeiten ist.
(b) In einem eigenen Abschnitt werden die Angaben
des Probanden referiert; auch hier sind bisweilen Zwischenüberschriften
sinnvoll, welche die nun verhandelten Themenbereiche benennen (gegenwärtiges
Befinden, medizinische Vorgeschichte, Suchtprobleme, Angaben zur Lebensgeschichte,
sexuelle Entwicklung, Vorgeschichte der Tat, Stellungnahme zum Tatvorwurf).
(c) Die fachkundige Beobachtung und Untersuchung
des Probanden in den Begegnungen mit dem Sachverständigen findet ihren
Niederschlag in einer ausführlichen Verhaltensbeschreibung im Rahmen
des psychischen Befundes. Dieser psychische Befund bezieht sich keineswegs
nur auf grobe psychopathologische Ausfälle, sondern zielt auf eine
differenzierte Beschreibung der Persönlichkeit unter Berücksichtigung
ihrer Eingebundenheit in ein soziales Umfeld und eine bestimmte Situation.
Soweit der Sachverständige mitteilt, was alles an psychopathologischen
Symptomen nicht der Fall ist, soll er dies kurz und bündig
tun. Hinsichtlich dessen, was der Fall ist, soll er ausführlich und
anschaulich sein, unter aufmerksamer Meidung von Fachbegriffen (es gibt
eine Vielzahl treffender deutscher Worte zur Beschreibung von Gestimmtheit
und Auftreten; „mürrisch“ und „missmutig“ ist nachprüfbarer und
verständlicher als „dysphorisch“); das Gutachten geht an medizinische
Laien, nicht an Psychiater. Wo Fachbegriffe unbedingt erforderlich sind,
weil sie allein diagnostisches Gewicht verdeutlichen (wie „Wahnwahrnehmung“,
„Neologismen“, „Gedankenlautwerden“, „akustische Halluzination“), sind
sie natürlich geboten und ggf. zu erläutern. Ist der psychische
Befund kürzer als eine Seite, ist er sehr kurz. Er folgt beispielsweise
einer etwa dreiteiligen Gliederung: äußerer Eindruck und Verhalten
in der Begutachtungssituation – spezieller psychiatrischer Befund – Persönlichkeitsbild.
Der psychische Befund ist ein Spiegel der Aufmerksamkeit und psychiatrischen
Wahrnehmungsfähigkeit des Sachverständigen. Es ist dies wie jede
eine subjektive Wahrnehmung (es gibt keine „objektive“ Wahrnehmung von
Stimmungen, Verhalten und Persönlichkeitsartung), aber eine beruflich
geschulte, die schriftlich dokumentiert wird, um sie intersubjektiv überprüfbar
zu machen. Von diesem psychischen Befund – als einer differenzierten Zustandserfassung
– profitiert man als Jahre später befasster Gutachter bisweilen mehr
als von den gutachterlichen Schlussfolgerungen.
(d) Zusätzlich durchgeführte Untersuchungen
(z. B. bildgebende Verfahren, testpsychologische Befunderhebung, Fremdanamnese)
sind gesondert zu dokumentieren, natürlich auch hinsichtlich der Personen,
die die Untersuchung oder Befundung durchführen. Der Sachverständige
hat es zu begründen, wenn die Erschließung weiterer Informationsquellen
notwendig ist. Zusätzlich zu medizinischen und psychologischen Untersuchungsver-[>170]
fahren kann z. B. die Einholung fremdanamnestischer Angaben von signifikanten
Dritten (z. B. Eltern, Partnerinnen) zur Gewinnung von Informationen über
die psychiatrische und soziale Vorgeschichte und die aktuelle Lebenssituation
des Probanden hilfreich sein; in der klinischen Psychiatrie sind solche
Fremdanamnesen durchaus gebräuchlich. Im Strafverfahren ist es allerdings
problematisch, wenn der Sachverständige eigenständig ermittelt.
Während medizinische und psychologische Untersuchungsverfahren von
ihm selbst durchgeführt oder veranlasst werden können, sind Zeugenvernehmungen
(sog. Fremdanamnese) durch den Sachverständigen angreifbar; es ist
hier allemal in enger Absprache mit dem Auftraggeber vorzugehen. Allemal
müssen solche Fremdanamnesen unter Verweis auf Schweigerechte durchgeführt
und sorgfältig dokumentiert werden. Fragwürdig sind sicherlich
reine Telefoninterviews, zumal wenn selektiv nur einige passende Sequenzen
schriftlich dokumentiert werden.
(e) Als weitere Kapitel folgen dann die Diagnose,
ggf. mit der Diskussion der differentialdiagnostischen Aspekte, und schließlich
das abschließende Kapitel Zusammenfassung (der relevanten Anknüpfungstatsachen)
und
Beurteilung (Beantwortung der Beweisfragen). Bis einschließlich
zur Diagnose ähnelt ein Gutachten weitgehend einer psychiatrischen
Eingangsuntersuchung. Nun aber wird kein Behandlungsvorschlag erwartet,
sondern der Abgleich mit einer rechtlichen Fragestellung. Wie findet man
den Zugang zu dieser Antwort? Es ist manchmal nützlich, zu Beginn
der Zusammenfassung kurz den Tatvorwurf zu skizzieren und zu erklären,
man solle zur Schuldfähigkeit des Beschuldigten oder Angeklagten Stellung
nehmen. Sodann kann man zusammenfassend die für die psychiatrische
Beurteilung wichtigen biographischen und sonstigen Sachverhalte referieren,
psychiatrisch bewerten und damit auch die Diagnose begründen. Gegebenenfalls
erfolgt hier eine Auseinandersetzung mit Befunden und Diagnosen von Vorgutachten.
Jetzt fängt
das spezifisch Gutachterliche an. Ausgehend von dem Befund könnte
man so vorgehen, dass man zunächst klärt, was alles man nun aussortieren
kann: Welche der 4 Rechtsbegriffe des § 20 StGB kommen anhand des
Befundes sicherlich nicht in Betracht? Wenn gar keiner übrig bleibt,
kann gleichwohl eine Erörterung der Persönlichkeit, der Tatmotive
und möglicher Interventionsformen dem Gericht eine treffende Urteilsfindung
erleichtern; eine verminderte Schuldfähigkeit kommt dann aber nicht
mehr in Betracht, auch keine psychiatrische Maßregel gemäß
§ 63 StGB. Aber auch wenn eine psychiatrische Diagnose zu stellen
ist und diese Störung nach Qualität und Intensität eine
der vier Eingangsvoraussetzungen erfüllt – z. B. „schwere andere seelische
Abartigkeit“ –, so hat nun eine Diskussion der psychologischen und psychodynamischen
Tathintergründe zu erfolgen. Dabei muss die vorgeworfene Tat genauer
gemustert werden: was die Tat ihrerseits über den Täter, seine
Motive und seine Leistungsfähigkeit aussagen könnte. Dies ist
wiederum abzugleichen mit den Hypothesen über Leistungsfähigkeit
und Beeinträchtigungsgrad des Beschuldigten. (Der Sachverständige
darf auch bei dem nicht geständigen Angeklag-[>170] ten hypothetisch
davon ausgehen, dass dieser der Täter ist; nur dann stellt sich überhaupt
die Frage der Schuldfähigkeit. Er muss natürlich kenntlich machen,
dass dies für ihn eine Arbeitshypothese und keineswegs eine Überzeugung
ist.)
All dies mündet in die gutachterliche Beurteilung,
ob die psychische Besonderheit des Probanden von Bedeutung allgemein für
Delinquenz und speziell den Tatvorwurf ist, und ob sie zum Tatzeitpunkt
überhaupt vorlag. Dies ist eng verknüpft mit der Beurteilung,
ob durch die vorliegende Eingangsvoraussetzung der §§ 20,21 StGB
die Einsichtsfähigkeit oder die Steuerungsfähigkeit erheblich
beeinträchtigt oder aufgehoben war oder nicht. Letztlich
erfordert dies einen Rückgriff auf klinisches Wissen darüber,
wie konkret bestimmte Störungen bestimmte Fähigkeiten, nicht
zuletzt hinsichtlich der motivationalen und exekutiven Handlungskontrolle,
beeinflussen. Zudem erfordert es kriminologisches, z.T. kriminalistisches
Wissen darüber, welche Anforderungen bestimmte Tatformen (von der
Körperverletzung bis zum Subventionsbetrug) stellen. Auch hier hat
nun ggf. eine Auseinandersetzung mit der (identischen oder abweichenden)
Einschätzung von Vorgutachten zu erfolgen. Nachdem dann abschließend
zu den psychiatrischen Voraussetzungen verminderter oder aufgehobener Schuldfähigkeit
Stellung genommen wurde, erfolgt – falls gefordert – die Auseinandersetzung
mit prognostischen Fragen (§§ 63, 64, 66 StGB). Will man den
juristischen Leser nicht enttäuschen, endet man mit einer knappen,
partiell auch formelhaften, abschließenden Zusammenfassung des Inhalts,
ob der Proband zum Tatzeitpunkt an einer definierten psychischen Störung
gelitten hat, die z. B. dem Rechtsbegriff der krankhaften seelischen Störung
zugeordnet werden kann, und die zwar nicht seine Einsicht in das Verbotene
seiner Tat aufgehoben habe, wohl aber zu einer Aufhebung seiner Steuerungsfähigkeit
geführt habe. Mithin halte man hier – bei gegenwärtigem vorläufigem
Kenntnisstand – die psychiatrischen Voraussetzungen der Schuldunfähigkeit
für gegeben.
In den Mindeststandards wird gefordert: Trennung
von gesichertem medizinischem (psychiatrischem, psychopathologischem) sowie
psychologischem und kriminologischem Wissen und subjektiver Meinung oder
Vermutungen des Gutachters. Das ist sicher richtig; allerdings liegt
das Problem oft darin, dass manche Psychiater und Psychologen gar nicht
merken, dass sie in der Ausbildung Sichtweisen und Deutungsmuster erworben
haben, die kein gesichertes Wissen darstellen, sondern höchst spekulativ
und wahrscheinlich gar falsch sind. Dies hindert sie in gewissen Regionen
keineswegs daran, gefragte Gutachter zu sein, die stets wissen, warum der
Proband so geworden ist, wie er ist, und warum er die Straftaten begehen
musste. Man sollte Gutachtern misstrauen, die das immer wissen.
Ebenso gefordert wird: Offenlegung von Unklarheiten
und Schwierigkeiten und den daraus abzuleitenden Konsequenzen, ggf. rechtzeitige
Mitteilung an den Auftraggeber über weiteren Aufklärungsbedarf.
Dies knüpft an den letzten Satz an: Verfährt der Sachverständige
so wie hier gefordert, erwirbt er sich Achtung. [>172]
Bei Verwendung wissenschaftlicher Literatur
soll die übliche Zitierpraxis beachtet werden, so dass dem Leser des
Gutachtens die Nachprüfung der Referenz möglich ist. Völlig
unnötig ist das Auflisten von gängigen Lehrbüchern oder
Diagnosemanualen am Schluss eines Gutachtens. Mit Fundstelle belegt werden
sollte spezielle Literatur, aus der im Gutachten zitiert wird, um bestimmte
wissenschaftliche Sachverhalte zu verdeutlichen. Dies dürfte nur ausnahmsweise
erforderlich sein. Dass das Gutachten ein wissenschaftliches ist, ergibt
sich aus seiner Methodik und der Sachkenntnis des Verfassers, nicht aus
dem Verweis auf einige jedermann bekannte Lehrbücher der forensischen
Psychiatrie.
(f) Das mündliche Gutachten in der Hauptverhandlung
ist letztlich das juristisch allein relevante und darf mit guten Gründen
vom vorläufigen schriftlichen Gutachten abweichen. ..."
S. 20f: "Aus all diesen Gründen sollte der erste Gesprächstermin
immer damit beginnen, dass der Sachverständige bestrebt ist, eine
Atmosphäre zu schaffen, die es dem Probanden erlaubt, sich dem ihm
unbekannten Untersucher gegenüber ohne Ängste und Misstrauen
zu öffnen. Im Rahmen eines Vorgesprächs ist der Proband
zunächst über die Fragestellung, den Ablauf sowie die Position
und die Stellung des Gutachters zu informieren. Viele Probanden haben entweder
gar keine oder nur eine sehr unklare Vorstellung von der Rolle des psychiatrischen
Sachverständigen. In diesem Vorgespräch muss dem Probanden deutlich
gemacht werden, dass der Sachverständige sein Gutachten unparteiisch,
nach bestem Wissen und Gewissen erstattet (§ 79 StPO, § 410
ZPO). Gelegentlich sind sich Probanden unsicher, ob sie an der Begutachtung
mitwirken sollen. In diesen Fällen empfiehlt es sich, nach dem Vorgespräch
eine zeitliche Zäsur vorzunehmen und dem Probanden Gelegenheit zur
Überlegung bzw. Rücksprache mit seinem Rechtsvertreter zu geben.
Gestaltung der Untersuchungssituation:
Das
Kernstück der psychiatrischen Begutachtung ist der psychische Befund:
S. 23f "Die Erhebung des psychischen bzw. psychopathologischen
Befundes ist das Kernstück der psychiatrischen Begutachtung. Ein Gutachten,
in dem ein eigenständiger Abschnitt „psychischer Befund“ fehlt, ist
unbrauchbar. Der psychische Befund beschreibt das Querschnittsbild
der seelischen Verfassung des Probanden zum Untersuchungszeitpunkt: das
Verhalten
des Probanden, das der Sachverständige beobachtet, und das Erleben,
von dem der Proband berichtet. Damit sind die beiden Dimensionen der Befunderhebung
benannt: die Beobachtung des Verhaltens und der Aussagen des Probanden
durch den Untersucher und die subjektive Schilderung eigenen Erlebens durch
den Probanden. Die Aufgabe des Untersuchers ist es, die Fremd- und Selbstbeurteilung
miteinander in Bezug zu setzen, Übereinstimmungen zu schildern bzw.
Widersprüche zu erwähnen und zu diskutieren. Dabei hat der Sachverständige
streng darauf zu achten, dass der von ihm geschilderte Befund tatsächlich
sein Befund ist und dass es nicht zu einer Vermischung von anamnestischen
Angaben mit der Einschätzung des Sachverständigen kommt – bedauerlicherweise
ein immer noch vorkommender, sehr häufiger Fehler (s. Kap. 5). Selbstverständlich
genügt allein die Beschwerdeschilderung eines Probanden niemals, um
hieraus eine Diagnose abzuleiten, sondern entscheidend ist der vom Sachverständigen
erhobene Befund (Stevens und Foerster 2000). Ein prinzipielles, allerdings
nicht ausräumbares methodisches Problem darf nicht außer Acht
gelassen werden: Bei der Erhebung des psychischen Befundes handelt es sich
um den Befund zum Untersuchungszeitpunkt. Bei der Begutachtung geht
es jedoch meist nicht um den Untersuchungszeitpunkt – abgesehen von der
Einschätzung akuter Fremd- und Selbstgefährlichkeit bei der Beurteilung
der Unterbringungsbedürftigkeit (s. Kap. 41) –, sondern um die retrospektive
Beurteilung eines psychischen Zustands zu einem zurückliegenden Zeitpunkt
(z.B. Beurteilung der Schuldfähigkeit; Beurteilung der Geschäftsfähigkeit)
oder um die Beurteilung eines zukünftig zu erwartenden Zustands (z.B.
Begutachtung der Prognose; Begutachtung der Betreuungsbedürftigkeit).
Hieraus folgt, dass sich die psychiatrische Begutachtung in all diesen
Fällen nicht allein auf den zum Untersuchungszeitpunkt erhobenen Befund
beziehen kann, sondern in einer retrospektiven bzw. prospektiven Analyse
muss der zum Untersuchungszeitpunkt erhobene Befund auf den mutmaßlichen
Befund des rechtsrelevanten Zeitpunkts bezogen werden. Geht es um die Feststellung
überdauernder psychopathologischer Merkmale oder überdauernder
Persönlichkeitseigenschaften, so ist dies nicht schwierig. Geht es
dagegen um die Erfassung vorübergehender psychopathologischer Phänomene,
beispielsweise im Rahmen von affektiven Ausnahmezuständen, bei Intoxikationen
und bei impulsiven Tathandlungen, so können hieraus ganz erhebliche
Probleme entstehen (s. Kap. 12,13, 15). Das Gleiche gilt für die Beurteilung
vorübergehender psychopathologischer Auffälligkeiten bei Geschäftsabschlüssen,
sofern diese nicht präzise dokumentiert sind (s. Kap. 27). Die Probleme
bei der prospektiven Einschätzung im Rahmen der Prognosebegutachtung
sind in Kapitel 25 dargestellt."
Foerster setzt sich auch mit dem Thema "Simulation
und ähnliche Phänomene" auseinander. (> Inhaltsverzeichnis
Foerster & Winckler).
Rn22 "Nach Wegener [FN23] besteht ein Grundproblem der Begutachtung darin, dass wissenschaftlich gut abgesicherte Erkenntnisse aus verschiedenen psychologischen Grundlagendisziplinen über Wahrnehmungsvorgänge, Gedächtnistätigkeit und Entscheidungsprozesse etc. auf den konkreten Einzelfall zu übertragen sind. Außerdem sind die Positionen von Richtern und den übrigen Prozessbeteiligten sowie den Sachverständigen unterschiedlich und ihre Sprache weist unterschiedliche Akzentuierungen auf, was durchaus zu Kommunikationsproblemen führen kann. Diesen ist nur dadurch zu begegnen, dass Psychologen die einschlägigen Rechtsbestimmungen kennen und zu unterscheiden wissen, was in ihren Bereich fällt und was in den normativen, also allein dem Juristen vorbehaltenen. Die Aufgabe des Psychologen ist es, Informationen und Befunde zu erheben und diese in Bezug auf die Gutachtenfragestellung zu interpretieren, während dem Gericht die endgültige Wertung derselben vorbehalten ist."
Rn23 "Nach einem gründlichen Aktenstudium, das darauf abzielt, die für die Fragestellung wichtigen Informationen herauszufiltern und Hypothesen für die Begutachtung zu entwickeln, erfolgt die eigentliche Untersuchung, [FN24] die der dreistufigen klinisch-psychologischen Diagnostik nach Ätiologie (Entstehungsgeschichte), Symptomatik (Erscheinungsbild) und Prognose (Vorhersage) formal gleicht. Die Aufnahme der verschiedenen anamnestischen Bereiche erfolgt mithilfe des psychologisch-diagnostischen Interviews.[FN25] Dabei werden systematisch Informationen und Ereignisse zum gesamten bisherigen Leben des zu Begutachtenden mit dem Ziel der Gewinnung eines Persönlichkeitsbildes und von individuellen Verhaltensmustern erhoben.[FN26]"
Rn24 "Im nächsten Schritt erfolgt die spezielle Exploration zur Vorgeschichte des Tatgeschehens, zum Tatvorwurf selbst sowie dem weiteren Verhalten. Dabei ist zunächst wichtig, die Schilderung des Beschuldigten so aufzunehmen, wie er sie darstellt. In einem zweiten Schritt sollten eventuelle Widersprüche zu den Informationen aus den Aktenunterlagen oder zusätzliche Details besprochen werden. Hierbei ist entscheidend, dass der Gutachter deutlich macht, dass er kein eigenes tatermittelndes Interesse hat und dass es auch nicht seine Aufgabe ist, die Tat zu bewerten oder festzustellen, welche Aspekte zutreffend sind und welche nicht."
Rn25 "Bei diesem Teil der Exploration ist ganz besonders darauf zu achten, dass der Gutachter sich jeder eigenen Bewertung des Geschilderten – sei es verbal oder non-verbal – enthält. (Dies sollte im Übrigen eine Selbstverständlichkeit in Bezug auf die gesamte Gutachtensituation sein.) Die entsprechenden Aufzeichnungen über die Gesprächsinhalte müssen sehr penibel gemacht werden, da der Gutachter im späteren Verfahren auch damit rechnen muss, eventuell als Zeuge zu den ihm gegenüber geschilderten Sachverhalten vernommen zu werden. Für die spätere psychologische Gesamteinschätzung ist es entscheidend, dass folgende Aspekte erhoben werden:
Rn26 "Auch wenn es nicht die Aufgabe des Gutachters
ist, eine Tat aufzuklären, ist es doch häufig so, dass bei diesem
Teil der Exploration vonseiten des Untersuchten Ergänzungen vorgenommen
werden oder sich dessen Einschätzungen gegenüber Aussagen vor
anderen Personen verändern. In einigen Fällen lassen sich Angeklagte
– in Absprache mit ihren Verteidigern – auch erst gegenüber dem Gutachter
zur Sache ein. Neben der allgemeinen freundlich, neutralen Haltung des
Gutachters ist vor allem die Form der Gesprächsführung wichtig,
um ungewollte Suggestionseffekte zu vermeiden und eine weit gehend freie
Einlassung des Untersuchten zu erhalten."
Rn27 "Die Exploration zum Tatgeschehen erübrigt sich dann, wenn der Beschuldigte nicht geständig ist oder eine Absprache mit seinem Verteidiger besteht, sich zu dem Tatvorwurf nicht einzulassen. Auf das Recht der Verweigerung von Aussagen allgemein bzw. zu bestimmten Themenbereichen ist bereits vor Beginn der eigentlichen Untersuchung durch den Untersucher ausdrücklich hinzuweisen ebenso wie darauf, dass der Gutachter nicht unter Schweigepflicht steht, in wessen Auftrag er tätig ist und welche Auswirkungen das Gutachten haben kann."
Rn28 "Entwickelt sich die Untersuchungsatmosphäre vertrauensvoll, kommt es jedoch nicht selten vor, dass sich der zu Begutachtende entgegen den Absprachen mit seinem Verteidiger doch zu den Tatvorwürfen äußern möchte. In einem solchen Fall sollte aus Gründen der Fairness nochmals auf die vorher mit dem Verteidiger getroffene Vereinbarung hingewiesen und dem zu Begutachtenden geraten werden, dies mit seinem Verteidiger zu besprechen. Der Sachverständige hat auch die Möglichkeit, den Verteidiger davon in Kenntnis zu setzen, ohne dass dies Auswirkungen auf sein zu erstellendes Gutachten haben sollte. Ohnehin kommt es nicht selten im Vorfeld oder im Verlauf der Begutachtung zu Kontakten zwischen Verteidigern und Gutachtern.[FN27] Dagegen bestehen dann keine Einwände, wenn diese Kontakte nicht zu manipulativen Zwecken in Bezug auf das Ergebnis des späteren Gutachtens benutzt werden. Außerdem wirken im Vorfeld der Bestellung von Gutachtern bereits viele Verteidiger aktiv mit, was an sich zu begrüßen ist."
Im weiteren Verlauf geht Nowara noch auf das große Gebiet der Begutachtung der Schuldfähigkeit und der Legalprognose ein.
Foerster
zur
forensisch-psychiatrischen Untersuchung im Münchener Anwaltshandbuch
(2006)
Im folgenden habe ich für wichtig befundene Ausführungen
ausgewählt. Ab Rn40 wird eine schematische Übersicht - wobei
Aufklärung und Information, Vorerkundung und Vertrauensbasis fehlen
- über einen typischen Untersuchungsablauf am Beispiel der Schuldfähigkeitsbeweisfrage
dargestellt:
Nedopil (2005) hat wie Dahle (2006) einen idiographisch-fortschrittlichen Ansatz für Prognosefragen entwickelt, der bei konsequenter Anwendung die dubiosen Checklisten-Risikobewertungen überflüssig machen. Ich beschränke mich hier auf die Kernproblematik der Prognoseverfahren. S. 58ff führt Nedopil zu den Verfahren aus:
""4.3 Einzelfallbezogene Anwendung von Prognoseverfahren
Alle statistischen Überlegungen und die daraus abgeleiteten Bewertungsmaßstäbe,
deren Kenntnis für die Interpretation prognostischer Verfahren sicher
erforderlich ist - ebenso wie alle Wahrscheinlichkeitsangaben -, beziehen
sich auf Gruppen- oder Stichprobenuntersuchungen und auf Aussagen über
Gruppen oder Stichproben, nicht jedoch auf den Einzelfall. Dies gilt für
Vorsorgeuntersuchungen mit der Frage, ob der Untersuchte an Krebs erkranken
wird, ebenso wie für die Frage, ob ein Rechtsbrecher rückfällig
werden wird. Die Entwicklung von Prognosemethoden und deren richtige Anwendung
im Einzelfall sind naturwissenschaftliche und humanwissenschaftliche Aufgaben
und keine juristischen. Die juristische Aufgabe ist es zu definieren, ab
welchen Kennwerten eingegriffen werden soll. Die Übertragung der jeweiligen
statistischen Überlegungen auf den Einzelfall ist von verschiedenen
Theoretikern und Methodikern versucht und an Beispielen veranschaulicht
worden (Eddy, 1982; Kahneman & Tversky, 1973; Kürzl, 2004) (Zusammenfassung
bei Gigerenzer (2000)). Schon 1763 hat Bayes versucht, diese Frage anhand
einer mathematischen Formel zu lösen: ... ... [>S.60]
Die differenzierte Fragestellung hat auch eine differenzierte Methodik der Begutachtung zur Folge. Bei einer solchen Methodik kann zwischen drei verschiedenen Konzepten unterschieden werden:
l. ein idiographisches Konzept,
bei welchem eingeschliffene individuelle Verhaltensmuster, die ein
Wiederauftreten des Verhaltens wahrscheinlich machen, zur Grundlage der
Beurteilung gemacht werden. Derartige eingeschliffene Verhal-[>60] tensweisen,
die zu oft wiederkehrendem Fehlverhalten führen, sind allerdings selten.
Häufig wird deswegen
2. ein nomothetisches Konzept
verfolgt, bei dem empirische Erkenntnisse aus einer Vielzahl von Untersuchungen
auf den Einzelfall angewandt werden. Dieses Konzept ist die Grundlage der
heute gängigen empirisch begründeten Prognoseinstrumente. Dieses
Konzept allein reicht jedoch häufig auch nicht aus und ermöglicht
kaum eine Individualprognose. Hierzu kann
3. ein hypothesengeleitetes Konzept,
dienen, das auf der Entwicklung einer individuellen Hypothese zur Delinquenzgenese
beruht. Dabei müssen die spezifischen Risikofaktoren, die der Hypothese
zugrunde liegen, identifiziert werden. Hierzu bieten die Prognoseinstrumente
eine wertvolle Hilfe. Anschließend muss das Fortbestehen der Risikofaktoren
im Einzelfall, ihre aktuelle Relevanz und ggf. ihre Kompensation durch
protektive Faktoren überprüft werden. Damit wird die Prognoseerarbeitung
zu einem Prozess, der auch die Anwendung empirischen Wissens für den
Einzelfall möglich macht. Dieser Prozess wird in Kapitel 9 näher
erläutert.
Von vielen Fachleuten wird immer wieder beklagt,
dass auch heute noch die von Klinikern abgegebenen Einzelfallprognosen
eher deren Gefühl oder Privatvorstellungen widerspiegeln und weniger
auf wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen beruhen (Eucker, 1998; Green
& Baglioni, 1997). Die Frage, warum klinische Praktiker sich so wenig
um das in der Forschung angesammelte Wissen bemühen, bleibt bislang
unbeantwortet, hat aber dazu geführt, dass die Forschung immer wieder
versucht hat, plausiblere und handhabbarere Entscheidungsmodelle zu entwickeln.
Die Reduzierung der Merkmale auf 20 Risikokriterien im HCR-20 (Webster
et al., 1997) ist ein solcher Versuch, dem Kliniker akzeptable Handlungsanweisungen
zu geben, die gleichwohl auf die empirischen Grundlagen zurückgehen.
Ein anderer Versuch wurde von Steadman et al. (2000) unternommen, die ebenfalls
nur wenige Kriterien für klinische Gefährlichkeitsprognosen aufführten.
Die meisten Prognosegutachten, welche sich irgendwelcher Prognoseinstrumente
bedienen, addieren die in den jeweiligen Instrumenten aufgeführten
Risikofaktoren, die sie im Einzelfall vorfinden, unter der Vorstellung,
dass die Rückfallgefahr umso höher ist, je mehr Risikofaktoren
auf den Untersuchten zutreffen. Ein solches Vorgehen wird in den wenigsten
Manualen der Prognoseinstrumente vorgegeben, obwohl es auf den ersten Blick
plausibel erschiene. Eine Addition der Einzelmerkmale ist lediglich beim
[>61] dem auch wegen des in einer solchen Methode enthaltenen Schematismus
nicht durchgesetzt hat.
Ob bei der individuellen Prognose die schematische
Anwendung von Prognoseinstrumenten im Sinne eines nomothetischen Konzeptes
oder die differenzielle Gewichtung einzelner Risikofaktoren anhand eines
vorgegebenen Schemas oder die klinische Erfahrung eine höhere Treffsicherheit
bringen, ist noch nicht endgültig entschieden. Vom Autor wird den
computergestützten Individualentscheidungen einige Skepsis entgegengebracht.
Derartige Entscheidungen, die erhebliche rechtliche Konsequenzen nach Sich
ziehen, sollten für die Entscheidungsträger und die Betroffenen
transparent und hinterfragbar sein. Erst wenn erwiesen ist, dass derartige
- nicht mehr durchschaubare - Entscheidungen aufgrund eines in der Computer-Software
enthaltenen Algorithmus fehlerfrei sind und somit keine oder wenige falsch
Negative und falsch Positive erzeugen, oder wenn erwiesen ist, dass sie
der methodisch sorgfältig erarbeiteten fachmännischen individuellen
Rückfallprognose überlegen sind, erscheinen derartige Prognoseentscheidungen
im forensischen Bereich von Bedeutung. Aus Sicht des Autors ist nach dem
derzeitigen Wissensstand ein systematisches hypothesengeleitetes Vorgehen
am ehesten geeignet, die empirischen Erkenntnisse transparent und nachvollziehbar
auf den Einzelfall anzuwenden (Siehe Kapitel 9)."
Folgender Aufbau des Gutachtens wird vorgeschlagen:
(1) Auftragserteilung und Fragestellung
|
Kritische Anmerkungen: Hier fehlen wichtige Bereiche, nämlich: Information und Aufklärung, Mitwirkungsbereitschaft nach Information und Aufklärung, Aufbau einer Vertrauensbeziehung. Die eigentliche Kernaufgabe des Gutachters, aus den beweis- fragenrelevanten Befunden die Herleitung der Antworten auf die Beweisfragen darzustellen, verschwindet in (10) Zusammen- fassung und Beurteilung. Aus (2) Aktenlage geht auch nicht klar hervor, welche Anknüpfungstatsachen durch Staatsanwaltschaft oder Gericht zugrundegelegt werden. Und schon gar nicht genügt es, wenn gesagt wird: "Auch die Darstellung der Aktenlage braucht nicht mehr zu enthalten als den Hinweis, dass man sich mit der Materie vertraut gemacht hat." |
Kompetenzprüfung (R&K2004)
S. 331: "Neben der Vorausklärung eventueller äußerer
Behinderungen sollte sich der beauftragte Sachverständige aber auch
fragen, ob er für die Erstellung des Gutachtens die notwendige Kompetenz
mitbringt. Zuzugeben ist, dass das Eingeständnis der eigenen Inkompetenz
bereits so viel Distanz zu sich und so viel Selbstkritik erfordert, dass
die eingestandene Inkompetenz bereits wieder fraglich wird."
Aktenkenntnis (R&K2004)
S. 331: "Die Durchführung einer Begutachtung sollte nicht ohne
Kenntnis der Akten erfolgen. Von juristischer Seite werden mitunter Bedenken
gegen die Übersendung der Akten an den Sachverständigen vorgebracht."
Kenntnis
vorliegender Ermittlungsergebnisse (R&K2004)
S. 331: "Der Sachverständige sollte über den Inhalt der bis
zum Zeitpunkt der Begutachtung vorliegenden Ermittlungsergebnisse voll
informiert werden, da sich aus Zeugenaussagen oder polizeilichen Berichten
wertvolle Hinweise für die psychologisch-psychiatrische Beurteilung
ergeben können."
Aufklärung (R&K2004)
S. 333: "Zu Beginn der Begutachtung sollte der Untersuchte darauf hingewiesen
werden, dass es ihm freisteht, sich zu äußern und bei der
Begutachtung mitzuwirken." Das sicher viel zu wenig Aufklärung.
S. 335: "Es ist nicht falsch, den Probanden beiläufig darauf hinzuweisen,
dass die Erhebungen im Gutachten nicht der Verschwiegenheitspflicht unterliegen."
Es ist sicher falsch, den Probanden "beiläufig"
auf einen so gravierenden Sachverhalt hinzuweisen. Es genügt auch
keineswegs, nur darauf hinzuweisen. Das gesamte Risiko ist
dem Probanden vor der Untersuchung zu eröffnen, insbesondere für
lange Zeit in der Psychiatrie,
dem dunklen Ort des Rechts, zu verschwinden.
Fragen (R&K2004)
S. 333: "Dem Untersuchten sollte auch angeboten werden, von sich
aus Fragen an den Gutachter zu richten."
Exploration (R&K2004)
S. 335: "Zentrale Bedeutung hat bei jeder psychiatrischen bzw. medizinisch-psychologischen
Untersuchung die Exploration. Die Exploration, für die auch der Begriff
des Interviews gebraucht wird, dient nicht nur dazu, durch Befragung von
dem Probanden die notwendigen Informationen zu erhalten, sie ist selbst
diagnostisches Instrument, da sowohl das durch sie geförderte Material
wie der bei der Exploration gewonnene Eindruck Schlüsse auf die psychische
Verfassung des Untersuchten erlauben. Die Exploration sollte damit eingeleitet
werden, dass sich der Gutachter vorstellt, seinen Auftrag erläutert
und - wie bereits dargestellt - sich erkundigt, ob grundsätzliche
Bereitschaft zur Mitarbeit besteht."
S. 336: "Die Gestaltung des Interviews richtet sich nach den Besonderheiten
des Falls. Man sollte wie in der nichtforensischen Untersuchungssituation
bemüht sein, eine möglichst entspannte Atmosphäre zu schaffen.
Die Exploration ist kein Verhör. Andererseits sollte der Untersucher
durch Beibehaltung einer distanziert-neutralen Haltung bemüht sein,
das Gespräch nicht zu sehr in Richtung einer therapeutischen Begegnung
abdriften zu lassen. Es ist schwierig, dies ganz zu vermeiden. Wie man
die Befragung im Einzelnen durchführt, richtet sich nicht zuletzt
nach den wissenschaftlichen Vorstellungen, die man über die Genese
menschlichen Verhaltens hat. Schon von der Begutachtungsökonomie her
ist unvermeidbar, dass man die Exploration entsprechend einem bestimmten
Schema vornimmt, wenngleich es sich bei einem Probanden, der hohes Aussprachebedürfnis
signalisiert, empfiehlt, ihn zunächst frei reden zu lassen. Die meisten
Menschen wissen erstaunlich gut Bescheid über sich und ihre Probleme.
Sie vermögen sie allerdings nur selten dann präzis zu äußern,
wenn man sie direkt fragt. Wichtige Informationen werden beiläufig
gemacht, im Nebensatz. Man verliert wichtige Informationen, wenn man in
solchen Augenblicken stur einem Befragungsschema folgt, statt dem Probanden
aufmerksam zuzuhören. Der Gutachter sollte bedenken, was das Strafverfahren
und die Begutachtung, die für den Untersucher Routine sind, für
den Probanden bedeuten. Der Untersuchte ist die Hauptperson in dem Drama;
er sollte zumindest die Exploration mit dem Gefühl verlassen, dass
man ihm zugehört hat und bemüht war, ihn zu verstehen. Oft genug
klagen Straffällige, die eine Exploration erlebt haben, über
die Ungeduld des Sachverständigen und den geringen für sie aufgebrachten
Zeitaufwand. Ein psychologisch-psychiatrischer Sachverständiger beweist
seine Qualifikation nicht zuletzt durch das Maß, wie er neben der
Erfüllung seines Gutachtenauftrags auch den Bedürfnissen des
Probanden Rechnung trägt."
Ermittlungen (R&K2004)
S. 336: "Nur selten dürfte es nötig sein, dass der Sachverständige
vor der Hauptverhandlung zusätzliche Informationen einholt, die die
Ermittlungsergebnisse betreffen. Ist dies in einem besonderen Fall notwendig,
sollte der Sachverständige auf keinen Fall eigene Ermittlungen betreiben,
sondern sich mit der auftraggebenden Stelle in Verbindung setzen."
Angehörige befragen
(R&K2004)
S. 336f: Ein heikles Problem stellt in diesem Zusammenhang die Befragung
von Angehörigen dar. Meint der Sachverständige, im Einzelfall
nicht ohne sie auskommen zu können, sollte er die Angehörigen
vor seiner Befragung auf ihr gesetzlich garantiertes Zeugnisverweigerungsrecht
aufmerksam machen. Um das Vertrauensverhältnis zwischen dem Untersuchten
und seinen Angehörigen nicht zu belasten, sollte man im Allgemeinen
auch nur dann mit ihnen Kontakt aufnehmen, [>337] wenn der Untersuchte
damit einverstanden ist. Verweigern die Angehörigen in der Hauptverhandlung
die Aussage, dürfen die vom Sachverständigen erfahrenen Tatsachen
nicht für sein Gutachten verwendet werden."
Krankenakten (R&K2004)
S. 337: "Eine andere wichtige zusätzliche Quelle sind Krankenakten
über den Untersuchten oder die Auskünfte behandelnder Ärzte.
Die Informationen über früher durchgemachte Erkrankungen oder
erlittene Verletzungen lassen u.U. das Ausmaß einer verbliebenen
Schädigung besser abschätzen. Mitunter befand sich der Täter
in der Zeit vor der Tat in ärztlicher Behandlung. Die Ärzte sind
- unabhängig von der Schwere des Anklagevorwurfs - nur dann berechtigt,
Auskunft zu geben, wenn sie ihr früherer Patient von der Verschwiegenheitspflicht
entbindet."
Zusatzuntersuchungen
(R&K2004)
S. 337: "Ergibt sich die Notwendigkeit, umfangreiche zusätzliche
Untersuchungen durchführen zu lassen, empfiehlt es sich, zuvor die
Genehmigung des Auftraggebers einzuholen. Von den Fachkenntnissen des Hauptgutachters
hängt ab, ob er selbst die zusätzlichen Untersuchungsergebnisse
in das Gutachten einführt und erläutert; anderenfalls ist es
notwendig, die anderen Untersucher ebenfalls zu Sachverständigen zu
ernennen."
Interessenkollisionen
(R&K2004)
S. 337: "Um Interessenkollisionen zu vermeiden, sollten weder Mitangeklagte
noch Opfer (bei der Glaubwürdigkeitsbeurteilung} vom gleichen Sachverständigen
begutachtet werden."
Information
des Untersuchten über die erhobenen Befunde (R&K2004)
S. 337: "Grundsätzliche Bedenken gegen die Information des Untersuchten
über die bei ihm gewonnenen medizinischen und psychologischen Befunde
sind nicht zu erheben. Die Entscheidung, was er mitteilt, ist dem Sachverständigen
vorbehalten. Im Allgemeinen ist der Untersuchte nicht an der Kenntnisnahme
einzelner Befunde interessiert, deren Relevanz er nicht würdigen kann,
sondern an deren abschließender Bewertung. Diese wird jedoch vom
Gericht vorgenommen, und der Gutachter sollte sich hierzu keinesfalls äußern.
Ein Hindernis besteht für die Information des Untersuchten auch darin,
dass die Labor- und Testergebnisse in der Regel erst nach Beendigung der
persönlichen Begutachtungsgespräche vorliegen. »Erhebliche
Nachteile« i. S. von § 247 StPO für die Gesundheit des
Untersuchten, die seine Information verbieten, dürften nur zu erwarten
sein, wenn bei der Begutachtung Befunde erhoben wurden, die ihn in eine
existentielle Krise stürzen könnten. Gemeint sind damit gravierende
Befunde wie das Vorliegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung oder einer
abweichenden Geschlechtsidentität. Es empfiehlt sich, derartige Untersuchungsergebnisse
nur innerhalb eines »therapeutischen Settings« zu besprechen,
das bei der Begutachtung zumindest nicht angestrebt werden sollte."
Kröber, Hans-Ludwig (1999) Gang und Gesichtspunkte der kriminalprognostischen psychiatrischen Begutachtung NStZ 1999, 593. Hierin heißt es:
Von erheblicher Bedeutung ist schließlich auch, daß
der Sachverständige seine eigenen psychischen und körperlichen
Reaktionen im Gesprächsverlauf sorgsam registriert und nachforscht,
was diese Reaktionen ausgelöst hat."
Zur
Handhabung und Bedeutung der Verweigerung einer persönlichen Untersuchung
Die meisten Arbeiten zur forensisch-psychopathologischen Untersuchung
vermeiden eine Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Problem. Und sie
vermeiden auch einen Hinweis auf den wichtigen Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2001 zu den Voraussetzungen
einer Einweisung zur Beobachtung nach § 81 StPO:
Handhabung
der Verweigerung der Untersuchung nach Foerster & Dreßing in
Venzlaff & Förster (2009), S. 30
"2.11 Besondere Untersuchungssituationen
2.11.2 Verweigerung
der Untersuchung
|
Zwangsuntersuchung
nach Foerster & Winckler in Venzlaff & Förster (2004),
S. 19
"2.1.3 „Zwangsuntersuchung"?
*** _ |
Rasch und Konrad (2004) zum Thema Vorführung, Weigerung und Zwangsbehandlung
Weigerung der Mitwirkung
(R&K2004)
S. 333f: "Weigert sich der Proband, bei der Begutachtung mitzuarbeiten,
ergibt sich für den Sachverständigen eine schwierige Situation.
Eine erschöpfende psychologisch-psychiatrische Untersuchung ist selbstverständlich
nur dann möglich, wenn der Untersuchte zur Mitarbeit bereit ist. Der
Gutachter kann keine Anamnese erheben, wenn der Proband auf seine Fragen
nicht antwortet; die Durchführung psychologischer Tests erfordert
in hohem Maße Kooperation. Sprach sich ein Angeklagter gegen die
Begutachtung aus, kann dies vielfältige Motive haben, über die
sich der Sachverständige Klarheit verschaffen sollte. Ist die Abwehr
gegen die Begutachtung Ausdruck einer Wahnkrankheit, könnte sich aus
dem Verzicht auf die Begutachtung die Möglichkeit einer ungerechtfertigten
Bestrafung ergeben bzw. das Versäumnis, sichernde Maßregeln
anzuordnen. Im Einzelfall kann es durchaus unvermeidlich und angebracht
sein, das Gutachten lediglich auf die Beobachtung des Angeklagten in der
Hauptverhandlung und die Ergebnisse von Zeugenbefragungen zu stützen.
Zur Begutachtung eines nichtgeständigen Beschuldigten führt Leygraf
(1993) aus, die klarste Lösung sei sicher die Einführung eines
Tatinterlokut,
das sich im deutschen Strafrecht allerdings bislang nicht durchsetzen ließ.
Die Alternative wäre derzeit, in diesen Fällen die Durchführung
einer Begutachtung zur Schuldfähigkeit überhaupt abzulehnen,
womit, wie Leygraf ausführt, auch Falle ausgeklammert würden,
bei denen die Taten aus einer speziellen psychischen Störung abzuleiten
sind. Die andere wäre, sich von den Prozess beteiligten Varianten
des Tatgeschehens vorlegen zu lassen und entsprechend unterschiedlich die
psychiatrisch-psychologische Sicht einzubringen.
Eine dritte Möglichkeit wäre, die nach kriminologischer Erfahrung
wahrscheinlichste Version des Tatgeschehens bzw. der Tatabläufe einzubringen.
Das kann sowohl zur Belastung wie zur Entlastung des Beschuldigten führen.
Dies liegt jedoch eigent-[>334] lich nicht im Aufgabenkreis des psychiatrisch-psychologischen
Gutachters und berührt das vieldiskutierte Problem der Kompetenzüberschreitung
oder Kompetenzabgrenzung."
Einladung und Vorführung
(R&K2004) > BVerfG
2001.
S. 334: "Es wird zunächst ein höflich gehaltenes Einbestellungsschreiben
abgesandt, z.B. Sehr geehrter Herr/Frau X,
im Auftrag des Amts-/Landgerichts XY soll ich in Ihrer Angelegenheit
ein Gutachten erstatten. Ich bitte Sie,
am _______ um _____ Uhr in die Klinik/ in das Institut _________________
zu kommen. Sollte Ihnen der angegebene Zeitpunkt nicht passen, bitte
ich um Ihren Anruf, damit wir einen anderen Termin vereinbaren können.
Hochachtungsvoll
Wird diesem Schreiben keine Folge geleistet und wird es auch nicht
beantwortet, ist es abgewandelt zu wiederholen. Beim dritten Mal wird der
Satz hinzugefügt:
Sollten Sie dieser Einbestellung wiederum keine Folge leisten, werde
ich die Akten dem Gericht zurücksenden. Sie haben dann mit der Möglichkeit
Ihrer Vorführung zur Untersuchung zu rechnen.
Lässt der Untersuchte wiederum nichts von sich hören, sendet
man dem Gericht die Akten mit einem entsprechenden Bericht zurück
und regt einen Termin zur polizeilichen Vorführung an. Es bleibt dem
Gericht bzw. der Staatsanwaltschaft überlassen, dieser Anregung zu
folgen oder nicht. Die Vorführung ist nicht zwangsläufig eine
gegen den zu Untersuchenden gerichtete Maßnahme, sie eröffnet
gewissermaßen auch die Chance zu einer Begutachtung. Im Allgemeinen
sind die polizeilich vorgeführten Probanden bei der Untersuchung durchaus
kooperativ und führen eine Palette nicht gewichtiger Gründe für
ihr Nichterscheinen bei den vorangegangenen Untersuchungsterminen an."
Worin die "Chance zu einer Begutachtung" liegen
soll, erklären Rasch & Konrad nicht. Auf die Gefahr, auf Dauer
in der
Psychiatrie,
dem dunklen Ort des Rechts, zu verschwinden, wird nicht hingewiesen.
Warum der Gutachter, eine polizeiliche Vorführung "anregen" soll,
bleibt ebenfalls dunkel.
S. 335: "Sofern ein Beschuldigter zu einer psychiatrisch-neurologischen Untersuchung nicht bereit ist, lässt sich die Untersuchung ohnehin nicht durchführen. Überdies würde, darin ist Barbey beizupflichten, eine Zwangsbegutachtung nur in seltenen Ausnahmefällen mit dem ärztlichen Ethos zu vereinbaren sein." |
Kritischer
Kommentar: Persönliche Untersuchung nicht möglich
Hier zeigt sich sehr klar, wie sich viele ForensikerInnen vom Recht ohne jede Not hat korrumpieren lassen. Das Recht will eine Entscheidung, es akzeptiert die Realität nicht ("Nicht feststellbar"), dass eine wissenschaftliche Entscheidung nur unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Will man die Schuldfähigkeit zu den Tatzeiten prüfen, wie es Gesetz und Recht verlangen, braucht man absolut zwingend Informationen und Daten zu Befinden und Verfassung des Probanden zu den Tatzeiten (Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen ...) Solche kann man in aller Regeln nur dann erhalten, wenn der Proband bereit und fähig ist, ehrlich zu seinem Befinden und zu seiner Verfassung zu den Tatzeiten Auskunft zu erteilen (> theoretische Ausnahmen). Das ist psychologische oder psychopathologische Knochenarbeit, die außerdem noch auch Vertrauen in die wohlwollende Kompetenz der UntersucherIn voraussetzt. Vielfach wird gar nicht begriffen, dass eine solche Vertrauensbeziehung erst aufgebaut werden muss, was gewöhnlich auch Zeit braucht. Damit geraten Recht und ForensikerInnen in ein Dilemma, das sie rechts- und wissenschafts- widrig lösen: sie urteilen und diagnostizieren aufgrund mangelhafter Informationen und Daten, etwa nach "Aktenlage" oder Beobachtung auf einer Station. Und wenn eine Beobachtung noch so gut ist und lange dauert, es ergibt sich aus keiner noch so guten Beobachtung auch nur die geringste Information, wie die ProbandIn zu den - meist länger zurückliegenden Tatzeiten beieinander war. Recht und Gesetz sollen selbst die Verantwortung übernehmen, wie rechtlich zu entscheiden ist - da wollen sie sich ja ohnehin nicht hineinreden lassen - wenn die Informationsbasis nicht reicht, also Schuld-, Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht mit der wissenschaftlich gebotenen Sorgfalt und Verantwortung festgestellt werden kann. Was unter gar keinen Umständen hingenommen werden darf, dass forensische PsychopathologInnen Meinungen, Spekulationen, Vermutungen, Fern- und Phantasiebewertungen als wissenschaftliche Gutachten ausgeben. Wenn Gesetzgeber und Recht das Meinungsgutachten wollen, dann sollen sie entsprechende Gesetze machen oder Recht sprechen. |
Verneinen der
Tatvorwürfe
Abstreiten, verneinen oder leugnen der Tatvorwürfe komplizieren
je nach Verfahrensverlauf und -fortschritt die Beurteilung. Schon deshalb,
weil unklar ist, ob bzw. in welcher Weise die Tatvorwürfe der Anklage
oder in noch nicht rechtskräftigen Urteilen als Anknüpfungstatsachen
verwendet werden dürfen, sollen, müssen oder nicht. Solche Unklarheiten
sind mit einem menschenrechtsverpflichteten Recht nicht vereinbar (> Schuld-
bzw. Tatinterlokut).
Zu dem Problemkreis verneinen der Tatvorwürfe und ihrer Bedeutung äußert sich Kröber 2006 und 2010:
Leugnen
der Tat in der prognostischen Begutachtung nach Kröber,
H-L (2010).
S.32: „Zusammenfassung Der Auseinandersetzung eines Verurteilten mit
der eigenen Straftat wird seitens der Justiz und vieler Gutachter ein großes
kriminalprognostisches Gewicht beigemessen. Dabei haben vermutlich andere
Einflussfaktoren wie allgemeine Dissozialität, die Struktur des sozialen
Empfangsraumes, aber auch personale Kernkompetenzen des Verurteilten eine
größere Bedeutung für die Legalbewährung. Die eigene
Stellungnahme zur Tat kann allerdings ein wichtiger Knotenpunkt sein, aus
der sich die Einstellungen und Lebensanschauungen eines Verurteilten erkennen
lassen. Insofern kann sie ein wichtiges Lernfeld sein zur kognitiven Umstrukturierung.
Allerdings ist die Tatbearbeitung nicht die einzige Möglichkeit, und
auch Tatleugnung muss kein zwingendes Hindernis für Lockerungen und
Entlassung sein. Es kommt darauf an, ob die Tatleugnung verdeutlicht, dass
der Insasse Straftaten als seine Privatangelegenheit verhandelt und einer
normativen Erörterung entzieht, oder ob in der Verleugnung primär
Scham und ein letztlich prosoziales Konzept deutlich werden.“
Bedeutung
Leugnung der Tat für die Prognose nach Kröber
(2006) im HBFP3 zur
S. 119f: "Leugnen der Tat kann aber nicht von vorneherein als absolutes
Hindernis für Lockerungen, bedingte Entlassung und günstige Kriminalprognose
angesehen werden. Zum einen kann es für Probanden unabhängig
von der Tatbearbeitung gute Gründe geben, nicht mehr straffällig
zu werden: Wenn es sich einfach nicht mehr rechnet, weil der Ertrag zu
gering und das Entdeckungsrisiko zu groß geworden ist (z. B. Räuber,
Betrüger). Zum anderen kann das Leugnen in Einzelfällen eben
auch Ausdruck einer massiven Scham sein, die impliziert, dass der Täter
künftighin alles meiden will, was ihn wieder in die Nähe einer
Tatsituation bringen könnte. Es sind dies oft Täter, die andere,
weniger beschämende Taten zu gestehen stets bereit waren, die sich
aber dieses spezielle Versagen nicht verzeihen können und es nach
außen nicht eingestehen können. Wenn allerdings bei dieser Form
des Leugnens ein ganzer Bereich, z.B. eine deviante Sexualität, global
der therapeutischen Bearbeitung oder zumindest der diagnostischen Überprüfung
entzogen wird, wenn also z. B. alle Gewaltdelikte mit sexueller Motivation
verleugnet werden, muss festgehalten werden, dass ein virulenter Risikobereich
offenbar unbearbeitet geblieben ist und vor einer Auseinandersetzung bewahrt
wird; dies ist prognostisch ungut. Der Gutachter soll allerdings
nicht beurteilen, ob aus dem Gefangenen nun ein anständiger, gar sympathischer
Mensch geworden ist. Auch ein unsympathischer und in seiner Persönlichkeitsartung
weiterhin problematischer Mensch mag strafrechtlich eine gute Prognose
haben."
Vorbemerkung: Das Einzelfallprinzip gebietet sicherheitshalber nur von
potentiellen Fehlern zu sprechen. Der Katalog enthält also überwiegend
nur potentielle Fehler. Ob ein potentieller Fehler im spezifischen
Einzelfall wirklich ein Gutachten-Fehler ist, sollte nicht absolut-allgemein,
sondern im Realitätsrahmen und Situationskontext des Einzelfalles
untersucht und entschieden werden. Und natürlich hängt die Fehler-Diagnose
und das Gewicht, das ihr zukommt, auch sehr davon ab, aus welcher wissenschaftlichen
Perspektive oder Basis die Betrachtung erfolgt. PsychoanalytikerInnen haben
z.B. ein sehr lockeres Verhältnis zu Phantasie und Vermutungen und
verwechseln diese oft mit Wissenschaft, Empirie oder Objektivität.
Wichtig ist vielleicht auch, dass man sich eingesteht:
fehlerlose Gutachten gibt es nicht. Aber: die Problemlösung beginnt
bekanntlich mit der Problemwahrnehmung. Deshalb ist es sinnvoll, sich seinen
möglichen Fehlern grundsätzlich zu öffnen. Manche Fehler
mögen auch keine ernste Bedeutung haben, andere aber im jeweiligen
Einzelfall vielleicht schon. Und es gibt fatale Fehler, die ein Gutachten
nicht verwertbar machen (z.B. Oder-Diagnosen, Verfassung und Befinden zu
den Tatzeiten nicht exploriert oder, bei keinem Ergebnis hierzu, die Beweisfrage
als nicht beantwortbar erklärt, nicht persönlich untersucht,
unzulängliche Mittel und Methoden angewendet, ... ... ...)
Kleine Fehlertaxonomie: (1) Fatale, nicht mehr reparierbare
Fehler. (2) Fatale Fehler ohne nähere Spezifikation. (3) Fatale, aber
grundsätzlich noch reparierbare Fehler ("Nachbesserung", weiteres
Ergänzungsgutachten). (4) Fehler ohne bedeutsame Auswirkung
auf die Beantwortung der Beweisfrage. (5) Sonstiger in seiner Bedeutsamkeit
nicht richtig oder zuverlässig einschätzbarer Fehler.
Sonderfall: Fehlerhaftes Gutachten, aber im Ergebnis
nachvollziehbar und - wenn auch mit anderem Vorgehen - zum gleichen Ergebnis
gelangend.
Prototypische Fehlerstruktur
UntF01
Der Fehler erklärt sich bereits durch seinen
Titel hinreichend: Ort, Zeit, Dauer, Situation der Untersuchung bzw. Untersuchungsabschnitte
werden nicht klar und eindeutig ausgewiesen.
Beleg
UntF01-01-01 Schuldfähigkeitsgutachten Landgerichtsarzt Nürnberg-Fürth
Az.: 902 Js 141654/10 vom 14.10.2010. Im schriftlichen
Gutachten wird S.1 ausgeführt: "Das Gutachten stützt sich in
seiner Beurteilung auf die übersandte Akte der Staatsanwaltschaft
Nürnberg-Fürth, eine ambulante Untersuchung des Betroffenen am
Mittwoch, den 06.10.2010 in der Landgerichtsärztlichen Dienststelle
Nürnberg und Einsichtnahme in ärztliche Unterlagen."
Es werden nicht Beginn, Ende,
Dauer und die einzelnen Untersuchungsmethoden dargelegt. Nach Erinnerung
des Probanden soll die ganze Untersuchung / Exploration ca. 1/2 Stunde
gedauert haben.
Prototypische Fehlerstruktur
UntF02
Sind mehrere Personen an einer Untersuchung beteiligt, so muss natürlich
ausgewiesen werden, wer, was, warum, wann gemacht hat.
Prototypische Fehlerstruktur
UntF03
Grob fehlerhafte Anwendung der forensischen Psychiatrie durch fehlende
persönliche Untersuchung und Exploration, sei es durch Unterlassung,
Delegation oder Weigerung der ProbandIn.
Dies hat in Bayern eine lange Tradition. Mindestens
seit dem 8.6.1886, also inzwischen über 125 Jahre (Referenzjahr 2012),
seit man König Ludwig II. nach Aktenlage für verrückt erklärte:
Beleg
UntF03-01-01 Ludwig II., König von Bayern
Ludwig II, ist wohl
der spektakulärste Fall eines Patienten, der ohne
jede persönliche Exploration und Untersuchung, nur nach Aktenlage
für verrückt und geschäftsunfähig erklärt wurde.
Und dies, obwohl bereits zu seiner Zeit der Mindeststandard
persönliche Untersuchung in der forensischen Psychiatrie allgemein
bekannt und "anerkannt" war.
Beleg
UntF03-02-01 Nürnberger Gutachter Schuldfähigkeitsgutachten Mollath
Der Nürnberger Gutachter kann Gustl F. Mollath nicht persönlich
untersuchen und explorieren, weil dieser sich weigert. Das hindert ihn
nicht, in der Hauptverhandlung am 5.5.2004, eine Vermutungsdiagnose - nach
dem
BGH-Beschluss
vom 12.11.2004 wird Diagnosesicherheit und eindeutige Zuordnung gefordert
- auszusprechen, statt den Auftrag wissenschaftlich als nicht erfüllbar
zurückzugeben. Und es hindert auch den Richter nicht, eine völlig
widersprüchliche und unbegründet positive Bewertung des mündlichen
Gutachtens in der Hauptverhandlung (ohne Anwaltsschutz) abzugeben.
Quelle: https://www.gustl-for-help.de/download/2004-05-05-Mollath-Amtsgericht-Einweisungsbeschluss.pdf
Beleg
UntF03-02-02 Bayreuther Schuldfähigkeitsgutachten Mollath
Nachdem sich ein Psychiater des BKH Erlangen
für befangen erklärt, wird der Fall an das BKH Bayreuth abgegeben,
das am 25.7.2005 sein schriftliches Gutachten zu den Beweisfragen "Zu klären
ist die Schuldfähigkeit bezüglich der unterstellten, nicht näher
beschriebenen oder benannten Vorfälle am 12.8.2001, 31.05.2002 und
am 23.11.2002." erstattet. Hier führt der Sachverständige aus:
Der Sachverständige erkannte nicht oder missachtete, dass er
bei Weigerung des Probanden, sich explorieren und untersuchen zu lassen,
die Beweisfragen gar nicht angemessen beantworten und infolgedessen den
Gutachtenauftrag wissenschaftlich nicht korrekt erledigen konnte. Hier
ist anscheinend die falsche Annahme verinnerlicht, dass immer gegutachtet
werden kann, auch wenn man gar nichts Beweisfragenrelevantes untersuchen
oder explorieren konnte. Meinen, spekulieren, phantasieren, mutmaßen,
frei assoziieren kann man natürlich immer. Aber das hat mit einem
wissenschaftlichen
Gutachten nichts zu tun und bedeutet, dass die GutachterIn sich okkulte
parapsychopathologische Fähigkeiten zuschreibt, was selbst im höchsten
Maßen wahnverdächtig ist (> Wissenschaftswahn).
Beleg
UntF03-02-03 Mollath Prognosegutachten des Berliner Gutachters
Mollath hat sich vom Berliner Gutachter nicht untersuchen und nicht
explorieren lassen. Das hinderte die Koryphäe (crème de la
crème O-Ton Dr. Merk) nicht,
ein amorphes
Papier, ohne Gliederung und Inhaltsverzeichnis, - weitgehend übernommen
- abzugeben, was er und die Gerichte "Gutachten" nannten.
Prototypische Fehlerstruktur
UntF04
Hier wird zwar persönlich untersucht, aber zu wenig (beweisfragenrelevante
Themen). Meist besteht eine enge Korrelation zwischen zu kurzem Zeitaufwand
und zu wenig persönlich untersucht. Es kann aber auch ausreichend
Zeit zur Verfügung gestanden haben und trotzdem wurde zu wenig persönlich
(beweisfragenrelevantes) untersucht. Man kann auch fast das ganze Gutachten
lang zitieren. So konnte Konrad (2010)
zeigen, dass ein Gutachten zwar die Mindestanforderungen erfüllte
und trotzdem viel zu wenig persönlichen Untersuchungsstoff enthielt.
Beleg
UntF04-01-01 Schuldfähigkeitsgutachten eines Landgerichtsarztes aus
Nürnberg-Fürth
Az.: 902 Js 141654/10 vom 14.10.2010. Es werden
zu wenige Themen differenziert aufgegriffen, was sich schon durch die Kürze
der Zeit andeutet (Beleg
UntF05-01-01).
Beleg UntF04-02-01
Nürnberger, Bayreuther, Ulmer Gutachter im Fall Mollath
Das trifft z.B. im Falle Mollath für den Nürnberger, die
Bayreuther, den Berliner und den Ulmer Gutachter zu. Die ersten drei waren
noch nicht einmal imstande, eine Arbeitsbeziehung aufzubauen, die eine
persönliche Exploration und Untersuchung ermöglicht hätte,
wobei hier sowohl belastend als auch entlastend angeführt werden muss,
dass die forensische Psychiatrie das Thema, eine Vertrauensbeziehung
aufzubauen,
nicht kennt bzw. nicht angemessen würdigt. Fehlende Mitwirkungsbereitschaft
interessierte die Gutachter auch gar nicht, weil sie offenbar den Grundsatz
verinnerlicht haben, gegutachtet wird immer, ob die ProbandIn mitmacht
oder nicht, spielt keine Rolle. Und auch nicht, was das Bundesverfassungsgericht
hierzu sagt. Hier hat sich offenbar eine okkulte parapsychopathologische
Überzeugung gebildet, die man selbst als wahnhaft
interpretieren kann, wenn sie mit unkorrigierbarer Gewissheit vertreten
wird.
Beleg
UntF04-02-02 Mollaths Duraplexordner als "Spinnerprodukt" verkannt
Staatsanwaltschaft, Richter und Sachverständige
haben die 161
Seiten des Duraplexschnellhefters nur sehr oberflächlich, nicht
gründlich, wie es erforderlich gewesen wäre, angeschaut
und in vielerlei Hinsicht vorurteilsvoll und falsch bewertet, meist in
summarischen, generalisierenden Zusammenfassungen, so dass gar nicht überprüft
werden kann, worauf sich die Fehlbeurteilungen nun eigentlich gründen.
Manche scheinen aus der Tatsache, dass Mollath sich an bedeutende Persönlichkeiten
der Zeitgeschichte wandte (z.B. Papst, Dalai Lama), ohne jede nähere
Prüfung der Sachverhalte zu schliessen, das müsse ein Verrückter
sein. Auf diesen Zug der Entgleisung sind später noch zahlreiche bis
dorthin renommierte MedienvertreterInnen (z.B. Spiegel,
Zeit, Tagesspiegel) aufgesprungen - und glücklicherweise gescheitert.
Beleg
UntF04-02-03 Fremde Texte 77%, eigener Text 23%
Im engeren Sinne repräsentieren die folgenden Ausführungen
einen Darstellungsfehler. Man kann diesen Fehler aber auch als Beleg für
zu wenig persönlich untersucht heranziehen. Analysiert man das Bayreuther
Gutachten zur Schuldfähigkeit und Unterbringung Mollaths, ergibt sich:
Der Datendarstellungsteil geht bis S. 24. Auf dieser beginnt der Teil „Zusammenfassung
und Beurteilung“. Weitere Differenzierungen wurden durch entsprechende
Überschriften oder Metabemerkungen nicht ausgewiesen. Der Aktenreferenzteil
bis S. 24, Mitte, enthält 53.320 (77.30%) Worte mit Leerzeichen (Word:
Wörter zählen), der Teil „Zusammenfassung und Beurteilung“ (24-31)
enthält 15.661 (22.70%) Wörter mit Leerzeichen. Insgesamt
hat das Gutachten gerade 31 Seiten mit 68.981 Wörtern mit Leerzeichen.
Bedenkt man, um was für einen komplizierten und schwierigen Fall es
geht, erscheint das Missverhältnis zwischen Daten abschreiben
(77.30%) und Datenverarbeitung, kritische Erörterung, Befundung, Ableitung
und Begründung der Beweisfragen (22.70%) extrem, zumal sich im Teil
"Zusammenfassung und Beurteilung" noch Wiederholungen finden (> Textmontage).
Das erinnert schon fast an den Fall, den Norbert Konrad
(2010) attackierte.
Prototypische Fehlerstruktur
UntF05
Relativ zu den Beweisfragen und den Untersuchungserfordernissen wird
zu wenig persönlich untersucht. In extremen Fällen im Rahmen
von Betreuungsfragen
wird manchmal nur eine kurze, gelegentlich sogar wortlose, Begegnung mit
einem bloßen Eindruck als gutachterliche Stellungnahme oder gar Gutachten
ausgegeben (im gutachterlichen Betreuungsbereich herrschen teilweise unglaubliche
Zustände).
Beleg
UntF05-01-01 Schuldfähigkeitsgutachten eines Landgerichtsarztes aus
Nürnberg-Fürth
Az.: 902 Js 141654/10 vom 14.10.2010. Im schriftlichen
Gutachten wird S.1 ausgeführt: "Das Gutachten stützt sich in
seiner Beurteilung auf die übersandte Akte der Staatsanwaltschaft
Nürnberg-Fürth, eine ambulante Untersuchung des Betroffenen am
Mittwoch, den 06.10.2010 in der Landgerichtsärztlichen Dienststelle
Nürnberg und Einsichtnahme in ärztliche Unterlagen."
Es werden nicht Beginn, Ende,
Dauer und nicht die einzelnen Untersuchungsmethoden dargelegt. Nach Angabe
des Betroffenen soll die ganze Untersuchung / Exploration nur eine halbe
Stunde gedauert haben.
Prototypische Fehlerstruktur
UntF06
Hier werden beweisfragenrelevante Themen und Sachverhalte nur in eine
Richtung untersucht, was meist auf Vorurteile, Befangenheit, einseitige
Hypothesenbildung oder manchmal sogar auf ein grundsätzliches Missverständnis,
was die Aufgabe (> absolute Fehler)
der GutachterIn ist, hindeutet. Der elementarste Grundsatz forensischer
Sachverhaltserforschung - der ja auch für Staatsanwaltschaft gilt,
wenn er auch oft nicht konsequent angewendet wird - muss sowohl bestätigende
(belastende) als auch nicht bestätigende(entlastende) Möglichkeiten
berücksichtigen.
Beleg
UntF06-01-01 Ulvi Kulac (Peggy)
Auch der derzeit für Wiederaufnahme vorbereitete
Fall Ulvi Kulac (Peggy)
ist ein Kandidat für einseitige persönliche Untersuchung (und
viele andere forensisch-psychiatrische Gutachterfehler). [W]
Beleg
UntF06-02-01 Mollath
Der Fall Mollath zeigt in unglaublicher Weise
eine Häufung von Einseitigkeiten von Anfang an bei der Ermittlung,
Anklage, Gutachten, Beschlüssen und Urteilen - also durch Polizei,
Staatsanwaltschaft, Sachverständige, Richter - dass sich mit Fug und
Recht die Komplott-, neben der Schwarmdummheits- oder der Vorurteilshypothese,
... stellt und keineswegs als "Verschwörungstheorie" einfach so abgetan
werden kann. Wenn Hunderte von Fehlern alle zu Lasten eines Betroffenen
festzustellen sind, dann sind hier Unwahrscheinlichkeiten mit zig-Nullen
(0.000000000000000....) hinter dem Komma passiert, die praktisch nicht
mit Zufall zu erklären sind.
Prototypische Fehlerstruktur
UntF07
Jeder Sachverhalt S kann - je nach Komplexität mehr oder minder
- wahr oder falsch sein. Die einfachste Hypothese lautet daher formal:
S ist eine Tatsache. Und die Alternativhypothese heißt dann: S ist
keine Tatsache. Bei komplexen Sachverhalten können auch Teile Tatsachen
und andere Teile keine Tatsachen sein. Ein Hypothesenfehler liegt vor,
wenn Alternativhypothesen weder ausdrücklich genannt, noch untersucht
werden, z.B. was spricht für und was spricht gegen einen Wahn? Könnte
es nicht auch nur eine überwertige Idee, eine Wahrnehmungsillusion
oder eine bloße Meinung sein? Wie genau ist die Unkorrigierbarkeit
geprüft worden? Woraus genau soll sich die Progredienz ergeben?
Beleg
UntF07-01-01 Schuldfähigkeitsgutachten Landgerichtsarzt Nürnberg-Fürth
Az.: 902 Js 141654/10 vom 14,10.2010. Im schriftlichen
Gutachten wird S.1 ausgeführt: "Das Gutachten stützt sich in
seiner Beurteilung auf die übersandte Akte der Staatsanwaltschaft
Nürnberg-Fürth, eine ambulante Untersuchung des Betroffenen am
Mittwoch, den 06.10.2010 in der Landgerichtsärztlichen Dienststelle
Nürnberg und Einsichtnahme in ärztliche Unterlagen."
Es werden keine
differenzierten Hypothesen aufgestellt, das Für und Wider nicht
ausführlich erörtert und keine Alternativhypothese
nach der anderen so und so begründet ausgeschlossen.
Beleg
UntF07-02-01 Spinnerbezichtigung Mollaths
Mollath wurde frühzeitig als "Spinner" (SZ
3.3.13) disqualifiziert mit gravierenden Folgewirkungen, weil alle
seine Äußerungen und Argumente nur noch unter dieser entwertenden
Merkmalszuordnung, die es jedem erlaubte, Mollath nicht mehr ernst zu nehmen,
betrachtet wurden.
Vor dem Gesetz sollten alle gleich sein: Also Behinderte,
Kranke, Gauner, Außenseiter, Obdachlose, Penner, Spinner, Gestörte,
Milieugeschädigte, Prostituierte sind vor dem Gesetz ebenso, also
gleich, zu behandeln wie MinisterpräsidentInnen, JustizministerInnen,
RichterInnen, StaatsanwältInnen, PolizistInnen, NotarInnen, Sachverständige,
Wirtschaftsführer, ...
Beleg
UntF07-02-02 Schwarzgeldhypothese Mollaths
Obwohl jeder Depp zu der Zeit ,als Mollath seine Schwarzgeldvorwürfe
aufbrachte, wusste und heute erst recht weiss, dass im großen Stil
von nahezu allen Geldinstituten Steuerhinterziehungen gefördert worden
waren, wurden und werden, wurden seine fundierten und überprüfbaren
Informationen erst als Spinnerei und später sogar als Wahnsystem abgetan
und als Hypothese nie ernst genommen. Das war ein schwerer und unverzeihlicher
Hypothesen-Fehler der Staatsanwaltschaft, der Richter und der Sachverständigen.
Nachdem wir wissen, dass Angehörige dieser drei Gruppen oft blitzgescheite
und gebildete Menschen sind, kann es also an ihrer Blödheit nicht
gelegen haben. Vorurteile, persönliche oder sachliche Befangenheit,
direkte oder indirekte Verstrickung, Handeln auf höhere Weisung, u.a.
mögen hier eine Rolle gespielt haben.
Beleg
UntF07-02-03 Tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Fall Mollath
Obwohl eine Bezichtigung der Ehegattin eine hochgradige
Erregung Mollaths beschreibt, ist von sämtlichen vom Gericht bestellten
Gutachtern (Nürnberger, Bayreuther, Berliner, Ulmer) die dadurch außerordentlich
naheliegende Hypothese einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung als
zweites Eingangsmerkmal für § 20 StGB nicht einmal erwogen,
geschweige denn erörtert oder gar angenommen worden.
Beleg
UntF07-02-04 Unglaubwürdigkeit der Ehefrau im Fall Mollath
Obwohl die Psychiatrisierung ganz eindeutig auf
dem Hintergrund eines ehelichen Rosenkrieges von der Ehegattin auf den
Weg gebracht wurde, mit Hilfe einer Ärztin aus dem BZK Erlangen und
später einer Arztpraxis in Nürnberg, hat niemand die Motivation
der Ehegattin kritisch in Frage gestellt. Jeder Depp lernt in der Forensik,
dass in solchen Fällen höchste Vorsicht und strenge Quellensicherung
geboten ist, nicht so die Nürnberger Staatsanwaltschaft, die Mollath-Richter
und die von ihnen berufenen Sachverständigen.
Beleg
UntF07-02-05 Wahndiagnose - Fehlende Alternativhypothesen im Fall Mollath
Die Wahndiagnose erscheint bei kritischer Betrachtung
völlig aus der Luft gegriffen, sie wird nirgendwo ordentlich abgeleitet
und belegt, es sei denn mit falschen
Textmontagen durch den Bayreuther Gutachter.
Beleg
UntF07-02-06 Duraplexschnellhefter - Fehlende Alternativhypothesen zu seiner
Bedeutung im Fall Mollath
Hier gilt, was unter Beleg UntF04-02-02
schon erwähnt wurde, hier aber mit dem Schwerpunkt, andere und alternative
Hypothesen nicht einmal erwogen zu haben. Vermutlich wurde der Duraplex-Schnellhefter
Mollaths, den er wahrscheinlich einen Tag vor der ersten Hauptverhandlung
eilends zusammengestellt hatte, nie in Gänze, mit Verständnismotivation
und Einfühlungsvermögen gelesen.
Beleg
UntF07-02-07 Gemeingefährlichkeitsannahme nie mit Alternativhypothese
in Frage gestellt
Nicht nur, dass die Annahme der Gemeingefährlichkeit
nie einer Alternativhypothese (er ist nicht gemeingefährlich, weil)
gegenübergestellt wurde, die Annahme ist auch durch das Verhalten
der Behörden selbst völlig unglaubwürdig, weil man Mollath
bald ein Jahr lang frei herumlaufen ließ, was gegen die Annahme der
Gemeingefährlichkeit sprach. Man entließ den "Gemeingefährlichen"
nach der verfassungswidrigen Zwangseinweisung auch in Bayreuth ohne jede
Begleitung. Zwischen den ihm vorgeworfenen Gewalttaten und der Gemeingefährlichkeitsfeststellung
liegen Jahre.
Prototypische Fehlerstruktur
UntF08
Das Thema Vertrauen. Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis wird gar
nicht genannt.
UntF08-02-01
Nürnberger Gutachter Mollaths
Thema Vertrauen. Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis wird nicht genannt
und nicht problematisiert.
UntF08-02-02
Bayreuther Gutachter Mollaths
Thema Vertrauen. Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis wird nicht genannt
und nicht problematisiert.
UntF08-02-03
Berliner Gutachter Mollaths
Thema Vertrauen. Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis wird nicht genannt
und nicht problematisiert.
Prototypische Fehlerstruktur
UntF09
Es wird ein Sachverhalt S mit einem Verfahren V untersucht, wobei unklar
bleibt, weshalb diese Untersuchung vorgenommen wurde.
Beleg UntF09-02-01 SKID II bei Mollath am 30.11.2010 durch Prof. P., Ulm
Prototypische Fehlerstruktur
UntF10
Es wird ein Sachverhalt S mit einem Verfahren V nicht
untersucht, wobei unklar bleibt, weshalb diese Untersuchung nicht
vorgenommen wurde.
Beleg UntF10-02-01 SKID
I bei Mollath am 30.11.2010 durch Prof. P., Ulm
Prototypische Fehlerstruktur
UntF11 bei Gutachtenaufträgen und Erstattungen
Zu berücksichtigende Anknüpfungs"tatsachen" AT1,
AT2, AT3, .... ATi, .... ATn
werden
nicht ausdrücklich vor- oder angegeben.
Für die alljährlichen psychiatrischen Stellungnahmen nach § 67d sind z.B. die Anknüpfungstatsachen durch das rechtskräftige Urteil gegeben. Als Problem ergibt sich, wie Zweifel an diesem Urteil oder zweifelhafte Vorbegutachtungen zu handhaben sind. Hier muss von den Strafvollstreckungskammern gefordert werden, dass sie die Anknüpfungstatsachen klar benennen, von denen der Sachverständige ausgehen soll. Falls die Sachverständige begründete Zweifel an den von der Strafvollstreckungskammer vorgegebenen Anknüpfungstatsachen hat, kann sie in eine schwierige Konfliktsituation geraten, die sie zur Auf- und Rückgabe des Auftrages bringen kann.
UntF11-01-01
Az.: 902 Js 141654/10 LG Nürnberg-Fürth
Die Staatsanwaltschaft gibt ein Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit
in Auftrag. Schon die Formulierung zeigt, dass hier der Sachverständige
zum Richter gemacht wird. Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt.
UntF11-02-01
Nürnberger Gutachter Mollaths
Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt.
UntF11-02-02
Bayreuther Gutachter Mollaths
Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt.
UntF11-02-03
Berliner Gutachter Mollaths
Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt.
UntF12-01-01
Az.:
902 Js 141654/10 LG Nürnberg-Fürth
Die Staatsanwaltschaft gibt ein Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit
(Rechtsbegriff!) in Auftrag. Schon diese Formulierung
zeigt, dass hier der Sachverständige zum Richter gemacht wird. Anknüpfungstatsachen
werden nicht erwähnt, daher ist ihre Bedeutung weder klar noch unklar,
sondern nicht beurteilbar.
UntF12-02-01
Nürnberger Gutachter Mollaths
Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt, daher ist ihre
Bedeutung weder klar noch unklar, sondern nicht beurteilbar.
UntF12-02-02
Bayreuther Gutachter Mollaths
Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt, daher ist ihre
Bedeutung weder klar noch unklar, sondern nicht beurteilbar.
UntF12-02-03
Berliner Gutachter Mollaths
Anknüpfungstatsachen werden nicht erwähnt, daher ist ihre
Bedeutung weder klar noch unklar, sondern nicht beurteilbar.
Arbeiten aus dem Recht
zum Thema psychopathologische Untersuchung
> Auswertung von
BGH-Beschlüssen 2000-2009.
. | einheitswissenschaftliche
Sicht. Ich vertrete neben den Ideen des Operationalismus, der Logischen
Propädeutik und einem gemäßigten Konstruktivismus
auch die ursprüngliche einheitswissenschaftliche Idee des Wiener
Kreises, auch wenn sein Projekt als vorläufig gescheitert angesehen
wird und ich mich selbst nicht als 'Jünger' betrachte. Ich meine dennoch
und diesbezüglich im Ein- klang mit dem Wiener
Kreis, daß es letztlich und im Grunde nur eine
Wis- senschaftlichkeit gibt, gleichgültig, welcher spezifischen
Fachwissenschaft man angehört. Wissenschaftliches Arbeiten folgt einer
einheitlichen und für alle Wissenschaften typischen Struktur, angelehnt
an die allgemeine
formale Beweisstruktur.
Schulte, Joachim & McGuinness, Brian (1992, Hrsg.). Einheitswissenschaft - Das positive Paradigma des Logischen Empirismus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Geier, Manfred (1992). Der Wiener Kreis. Reinbek: Rowohlt (romono). Kamlah, W. & Lorenzen, P. (1967). Logische Propädeutik. Mannheim: BI. |
Wissenschaft [IL] schafft Wissen und dieses hat sie zu beweisen, damit es ein wissenschaftliches Wissen ist, wozu ich aber auch den Alltag und alle Lebensvorgänge rechne. Wissenschaft in diesem Sinne ist nichts Abgehobenes, Fernes, Unverständliches. Wirkliches Wissen sollte einem Laien vermittelbar sein (PUK - "Putzfrauenkriterium"). Siehe hierzu bitte das Hilbertsche gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann verständlichen Sprache wiedergeben." |
Allgemeine
wissenschaftliche
Beweisstruktur
und beweisartige Begründungsregel
Sie ist einfach - wenn auch nicht einfach durchzuführen - und lautet: Wähle einen Anfang und begründe Schritt für Schritt, wie man vom Anfang (Ende) zur nächsten Stelle bis zum Ende (Anfang) gelangt. Ein Beweis oder eine beweisartige Begründung ist eine Folge von Schritten: A0 => A1 => A2 => .... => Ai .... => An, Zwischen Vorgänger und Nachfolger darf es keine Lücken geben. Es kommt nicht auf die Formalisierung an, sie ist nur eine Erleichterung für die Prüfung. Entscheidend ist, dass jeder Schritt prüfbar nachvollzogen werden kann und dass es keine Lücken gibt. |
Die Einträge 623-689 gehören zu einem von AussagepsychologInnen
verfassten Kapitel: "Das Glaubhaftigkeitsgutachten" von R. Volbert, M.
Steller, A. Galow und repräsentieren nicht die forensische Psychiatrie.
Der Eintrag S. 205f klingt vielversprechend. Der
Beitrag ist von Kröber (Steuerungsfähigkeit und Willensfreiheit
aus psychiatrischer Sicht), von dem wir schon wissen, dass Theorie
und Praxis bei ihm zumindest im Fall Mollath ein riesengroßer Unterschied
ist (fett RS):
Fußnoten: Vorzügliche Beispiele einer Unterhaltung
mit Schizophrenen bei Kläsi: Über die Bedeutung und Entstehung
der Stereotypien. Berlin: Karger 1922. Hier sind Explorationen — mit den
Hilfen, der Wahl des Augenblicks, den Beeinflussungsmethoden — wörtlich
wiedergegeben. Durch solche konkrete Beispiele lernt man mehr als durch
allgemeine Vorschriften. Für gutes Explorieren ist vor allem Tradition
an einer Klinik, persönliches Vorbild nötig. Hier gilt Newtons
Satz: In addiscendis scientiis exempla plus prosunt quam praecepta.
Gute Kritik der „Methode des freien Einfalls" bei Richter, A.:
Z. Neur. 146, 620.
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Jaspers zu Diagnose
und Menschenwürde
"Einen Psychopathen durch die 'Diagnose' eines Typus festzulegen,
ist gewaltsam und immer falsch. Menschlich aber bedeutet die Klassifikation
und Festlegung des Wesen's eines Menschen eine Erledigung, die bei näherer
{>366}Besinnung beleidigend ist und die Kommunikation abbricht. Das darf
in aller erleuchtenden Begrifflichkeit charakterologischer Menschenauffassung
nie vergessen werden." Karl Jaspers, Allgemeine Psychopathologie,
5. A. 1948, S. 365f.
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z.B. Forensische Psychologie site: www.sgipt.org. |