Internet
Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
(ISSN 1430-6972)
IP-GIPT DAS=02.04.2013
Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 07.12.19
Impressum:
Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052
Erlangen *
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Willkommen in unserer Internet-Publikation
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Forensische
Psychologie, Kriminologie, Recht und Strafe, Bereich forensische Gutachten,
und hier speziell zum Thema:
Befund-Fehler (BefF)
Zu:
Potentielle Fehler in forensisch-psychiatrischen
Gutachten, Beschlüssen und Urteilen der Maßregeljustiz
Eine methodenkritische Untersuchung illustriert
an einigen Fällen u.a. am Fall Gustl
F. Mollath
mit einem Katalog
der potentiellen forensischen Gutachtenfehler sowie einiger Richter-Fehler.
von Rudolf
Sponsel, Erlangen
"Die Erhebung des psychischen bzw. psychopathologischen Befundes
ist das Kernstück der psychiatrischen Begutachtung."
(Foerster & Winckler
2009)
Inhaltsübersicht
Abstract - Zusammenfassung
- Summary.
Die Aufgabe.
System und Schema der Befundung.
System und Schema der Befundung.
Praktisches
Einstiegs-Beispiel.
Potentielle
Befund-Fehlermöglichkeiten.
Die 5 "Stockwerke" von den Daten
bis zur Schuld-un-fähigkeit.
Der forensisch-psychopathologische
Befund im Recht und in Kommentaren.
Diagnosen
- und damit Befunde - müssen sicher und klar den Eingangsmerkmalen
zugeordnet
werden.
Eschelbach
zur richterlichen Sachkunde bei psychopathologischen Befunden.
Eisenberg
zum Verhältnis der Befunde zu §§ 20, 21 StGB.
Bohnert
Angaben zum medizinischen Befund FamFG § 321.
Rechtsproblem
Interlokut, Schuldinterlokut, Tatinterlokut und das Problem
der
Anknüpfungstatsachen.
Zum forensisch-psychopathologischen
Befund in den Fachveröffentlichungen
Befundordnung
im AMDP-System.
Der
psychische Befund nach Foerster & Winckler (2009).
Fehlermöglichkeiten
im Befund nach Foerster & Dreßing (2009).
Fehlermöglichkeiten
im Befund nach Foerster & Leonhard (2004).
Die
Erhebung des psychopathologischen Befundes ist das Kernstück der
psychiatrischen
Diagnostik (2006).
Besondere Probleme.
Tatzeiten nicht bekannt.
Verneinung der Tatvorwürfe.
Sachverständigenproblem
Interlokut, Schuldinterlokut, Tatinterlokut und das Problem
der
Anknüpfungstatsachen.
Katalog
der potentiellen forensischen Gutachtenfehler.
Vorbemerkung.
Befundfehler (Übersicht).
Literatur, Links, Querverweise,
Zitierung
und Copyright. Änderungen.
Glossar,
Anmerkungen und Endnoten:
Ätiologie
* Befund * Datum (Daten) * Diagnose
* Eigener wissenschaftlicher
Standort *
Elementares
Datum * Epidemiologie * Komorbidität
* Krankheit *
Objektivität,
Reliabilität und Validität * Operationalisierung
*
Pathogenese
* Störung * Symptom
* Syndrom * Tests,
psychologische, psychopathologische *
Vertrauen,
Vertrauensbasis, Vertrauensbeziehung * Wahn *
|
Abstract
- Zusammenfassung - Summary
Die Aufgabe: So wie die wichtigste Erkenntnisquelle zum Erleben das
psychiatrische Gespräch, die Exploration, ist,
so
ist der Befund die entscheidende Grundlage für die Beweisfragen.
Aus dem Befund sind letztlich die Einflüsse auf Befinden, Verfassung
und Verhalten bezüglich der Beweisfragen zu erörtern, zu begründen
und herzuleiten. Forensische Gutachten, die keinen Abschnitt mit dem Titel
"Befund" zu den entsprechenden Gültigkeitszeiträumen ausweisen,
sind wertlos. So ergibt sich, was ein forensisches Gutachten zu leisten
hat, einfach und klar:
Daten => Symptome => Syndrom(e) => Krankheit=Diagnosen=Befund
=> Auswirkung auf die Tat.
Symptome fallen nicht vom Himmel. Um zu Symptomen zu gelangen braucht
man elementare Daten. Von dort aus kann
man zum Symptom oder zu Syndromen gelangen, die differentialdiagnostisch
zu Krankheiten und dem Befund führen. Sodann müssen die Auswirkungen
der Krankheit(en) bei Begehung der Taten für Beweisfragen
nach §§ 20, 21, 63ff StGB hergeleitet werden.
"Die Erhebung des psychischen bzw.
psychopathologischen Befundes ist das Kernstück der psychiatrischen
Begutachtung."
(Foerster & Winckler
2009)
Befund heißt das, was nach einer Untersuchung als relevant für
eine Fragestellung als Ergebnis herausgekommen ist.
Befunde können auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen
gemacht werden. Die kleinste, elementare, meist nicht weiter zerlegbare
Einheit, heißt elementares Datum. Mehrere elementare Daten (ED) können
nach gewissen Regeln einem elementarem Symptom (ES) zugeordnet werden,
z.B. Angst, Erregung, rasende Begierde, Haß, Wahnvorstellung xyz,
Verlust oder Einschränkung der Steuerungsfähigkeit. Verschiedene
elementare Symptome (ES) können zu einem Syndrom (SS) zusammengefasst
werden, z.B. Sozialphobie, Zwangsgedanken, Wahn. Und ein Syndrom (SS) oder
auch mehrere können einer Störung mit Krankheitswert oder einer
Erkrankung zugeordnet werden: Störungen mit Krankheitswert können
dann meist durch eine Diagnose (Diag) benannt werden.
Selten gilt ein Befund für immer oder ständig.
Ein Befund hat einen Geltungszeitraum, einen Verlauf und manchmal auch
eine Situationsgebundenheit. Wer heute einen Wahn hat, muss morgen keinen
haben. Mal hört einer Stimmen, mal hört er sie nicht. Auch Störungen
werden nicht immer gleich beschwerlich oder beeinträchtigend erlebt.
Eine Panikattacke findet gewöhnlich nicht dauernd statt, sondern vielleicht
sogar nur einmal. Dennoch kann eine Erwartungsangst (Angst vor der Angst)
ausgebildet werden.
Zu einem richtigen Befund gehören daher auch Angaben
über den Geltungszeitraum, den Verlauf und die Situationscharakteristik
(-gebundenheit). Im Allgemeinen liegt der interessierende Befundzeit- raum
bei Beweisfragen §§ 20, 21 StGB in der Vergangenheit, nämlich
bei den Tatzeitpunkten, sofern diese bekannt sind, die Beweisfrage §
63 StGB (Unterbringung wegen Gefährlichkeit) bezieht sich auf die
Gegenwart. Und Beweisfragen zu §§ 67e, 426 StGB (Prognose,
Gefährlichkeit) betreffen den Gültigkeitszeitraum der Zukunft,
über die wir nur sehr schwer etwas wissen können.
Praktisches Einstiegs-Beispiel
Daten im Zeitraum t1: EDt1.1 := Proband: "Ich hörte
eine Stimme, mit leichtem Schweizer Akzent, die mir sagte 'Gerechter,
steche die Reifen der Frevler, setze endlich ein Zeichen, das sie sich
zur Warnung dienen lassen!' Auf Nachfrage ergab sich, EDt1.2 dass
niemand sonst im Raum war. Dies kann als ESt1.1:= Halluzination
und ESt1.2 := Wahneinfall beurteilt und diagnostisch einem SSt1.1
:= paranoid-halluzinatorischen Syndrom zugeordnet werden. Nun stellt sich
die Frage der differential-diagnostischen Einordnung, nämlich z.B.
schizophrener Wahn, schizoaffektiver Wahn, maniformer Wahn, Wahn im Rahmen
einer depressiven, einer psychoorganischen Störung oder anhaltende
wahnhafte Störung, Wahn im Rahmen einer Persönlichkeitsstörung,
wahnhafte |
|
Episode, außergewöhnliche Größenidee, überwertige
Idee, falsche Angabe, ... ?
Nach dem formalen Modell oben, das die tatsächliche psychopathologische
diagnostische Praxis widerspiegelt, gibt es z.B folgende potentielle
Fehlermöglichkeiten :
-
BefF01
Elementare Daten (ED) wurden nicht erhoben.
-
BefF02
Elementare Daten (ED) werden nicht mitgeteilt, kritisch analysiert, erläutert
oder die Handhabung nachvollziehbar begründet.
-
BefF03
Daten-Symptom-Zuweisungsregeln (RED-ES) sind nicht nachvollziehbar
dargelegt oder fehlerhaft angewendet.
-
BefF04
Die Symptome sind nicht hinreichend klar oder differenziert beschrieben.
-
BefF05
Symptom-Syndrom-Zuweisungsregeln (RES-SS) sind nicht nachvollziehbar
dargelegt oder fehlerhaft angewendet.
-
BefF06
Die Syndrome werden nicht hinreichend klar oder differenziert beschrieben.
-
BefF07 Die
differentialdiagnostischen Entscheidungen werden nicht ausreichend erörtert
oder begründet.
-
BefF08 Die
Erkrankungen oder Störungen mit Krankheitswert werden nicht hinreichend
klar und differenziert beschrieben.
-
BefF09
Die differentialdiagnostischen Erörterungen decken den bekannten und
in der Fachliteratur beschriebenen Fallbereich nicht ab. Es bleiben Lücken.
Für und Wider der Entscheidung und Probleme werden nicht kritisch
erörtert oder nicht angemessen begründet.
-
BefF10 Die
Befunde werden nur allgemein mitgeteilt, aber nicht beweisfragenorientiert
ausformuliert, so dass der Bezug zu den Beweisfragen lückenhaft ist.
-
BefF11 Die Befundbasis
ist zu schmal oder zu dünn für die Beweisfragensachverhalte.
Dies wird nicht kritisch erörtert und begründet.
-
BefF12 Die Herleitungen
zu den Beweisfragensachverhalten sind lücken- oder sprunghaft oder
überhaupt nicht nachvollziehbar.
-
BefF13 Mögliche
spezifische Bedingungen (z.B. Alkohol, Drogen, Vollmond, Stress, Provokation
usw.), die für die Entstehung und Bedeutung der Befunde eine Rolle
spielen, werden nicht angegeben oder nicht kritisch erörtert.
-
BefF14 Gültigkeitszeiträume
werden nicht angegeben. Befunde gelten nicht ständig, die meisten
haben sozusagen ein "Verfallsdatum".
-
BefF15 Sicherheit
und Gültigkeit der Befunde für die Beweisfragensachverhalte werden
nicht angegeben oder nicht kritisch erörtert.
-
BefF-X Sonstiger,
bislang nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Befund zuzuordnen ist.
|
|
Erläuterung: Die Prüfung
der §§ 20, 21 StGB erfolgt in zwei Stufen oder Schritten. Man
spricht auch von zwei Stockwerken. Zunächst wird festgestellt, ob
und welche Eingangsmerkmale vorliegen. Falls welche vorliegen werden im
zweiten Schritt zunächst die Einsichtsfähigkeit, und falls diese
gegeben ist, die Steuerungsfähigkeit geprüft. Verbindet man diese
beiden "Stockwerke" mit den vier "Stockwerken" der Befundung, so sind das
letzte Glied der Befundung und das erste Glied der Schuld-un-fähigkeit
gleich, daher sind es insgesamt nicht 6, sondern 5 "Stockwerke". |
Der
forensisch-psychopathologische Befund im Recht und Kommentaren
Der psychopathologische Befund spielt in mehreren Rechtsgebieten eine
wichtige Rolle z.B. im: Familienrecht, Betreuungsrecht, Geschäftsfähigkeit,
Sozialrecht, Strafrecht: Schuldfähigkeit, Unterbringung, Gefährlichkeit
und Prognose, Sicherungsverwahrung.
Die Beziehung zwischen Sachverständigen und
JuristInnen ist oft schwierig, was hauptsächlich an der Unfähigkeit
des Rechtswesens liegt, die Kommunikations-, Sprach- und Terminologieprobleme
angemessen und vernünftig zu bearbeiten. Sämtliche Sachverhalte
dieser Welt können in der Hauptsache alltagssprachlich, bildungssprachlich,
jeweils fachwissenschaftlich (1,2,3,... ) und juristisch-begrifflich betrachtet
werden. Die Schwierigkeiten werden dann offenbar, wenn es an Kommunikation
zwischen den Entsprechungen
der verschiedenen Begriffswelten fehlt. RichterInnen wollen üblicherweise
von den Sachverständigen wissen, welche Sachverhalte für ihre
Rechtsbegriffe von Bedeutung sind. Das absurde Verwirrspiel dieses Ansinnens
besteht darin, dass sie eben diese Sachverhalte nicht klar und deutlich
formulieren. Sie kennen die Inhalte ihrer eigenen Rechtsbegriffe nicht,
jedenfalls nicht so, dass sie sie klar und deutlich formulieren könnten.
Der Sachverständige steht also vor dem Problem, ein Gutachten zu erstellen,
von dem er die entscheidenden Sachbegriffe nicht kennt, weil sie die Juristinnen
selber nicht kennen. Ein solches System mag man mit Fug und Recht als einigermaßen
idiotisch bezeichnen. Das Interlokutproblem
ist eine weitere unerträgliche Schwachstelle des Rechts und der Rechtsprechung.
Diagnosen
- und damit Befunde - müssen sicher und klar den Eingangsmerkmalen
zugeordnet werden
BGH
Beschluss 12.11.2004, 2 StR 367/04 (LG Koblenz) - [Vorläufer
dieser Rechtsidee (1992)]. Der Beschluss wird auch zitiert mit
der Charakterisierung "Anforderungen an psychiatrische Gutachten".
Übertragen auf den Befund (Befundtatsachen) heißt das: der BGH
verlangt Befundsicherheit und duldet keine Vermutungen, Spekulationen,
oder ..., vielleicht, möglicherweise, könnte, ...
Der BGH-Leitsatz lautet: "Nach der ständigen
Rechtsprechung des BGH kann für die Anwendung der §§ STGB
§ 20, STGB § 21 StGB regelmäßig nicht offen bleiben,
welche der Eingangsvoraussetzungen des § STGB § 20 StGB vorliegt."
Im näheren wird ausgeführt:
"a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
kann für die Anwendung der §§ 20, 21 StGB regelmäßig
nicht offen bleiben, welche der [> 8] Eingangsvoraussetzungen des §
20 StGB vorliegt. Das gilt gleichermaßen für die Anordnung des
§ 63 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 232; BGH StraFo 2003, 282; Beschl.
vom 21. September 2004 - 3 StR 333/04), denn dieser setzt einen länger
dauernden psychischen Defektzustand des Betroffenen voraus, auf welchem
dessen Gefährlichkeit beruht (vgl. etwa BGHSt 34, 24, 28; 42,
385, 388; BGH NStZ 1991, 528; BGH NStZ-RR 1997, 166; 2000, 298; Hanack
in LK StGB 11. Aufl. § 63 Rdn. 66; Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl.
§ 63 Rdn. 6 f., 12, jeweils m.w.N.). Selbst wenn im Einzelfall die
Grenzen zwischen diagnostischen Zuordnungen nach einem der gängigen
Klassifikationssysteme fließend und die Einordnung unter eines der
Eingangsmerkmale des § 20 StGB schwierig sein mögen, weil z.
B. mehrere Merkmale gleichzeitig vorliegen oder keines in "reiner" Form
gegeben ist, ist das Tatgericht gehalten, zum einen konkrete Feststellungen
zu den handlungsleitenden Auswirkungen der Störung zum Zeitpunkt der
Tat (vgl. § 20 StGB) zu treffen und zum anderen auf der Grundlage
einer umfassenden Würdigung von Persönlichkeit, Lebensgeschichte,
Lebensumständen und Verhalten des Angeklagten und der Anlaßtat
in nachprüfbarer Weise darzulegen, worin der "Zustand" des Beschuldigten
besteht und welche seiner Auswirkungen die Anordnung der gravierenden,
unter Umständen lebenslangen Maßregel nach § 63 StGB gebieten.
Die bloße Angabe einer Diagnose im Sinne eines der Klassifikationssysteme
ICD-10 oder DSM-IV ersetzt weder die Feststellung eines der Merkmale des
§ 20 StGB noch belegt sie für sich schon das Vorliegen eines
Zustands im Sinne des § 63 StGB (vgl. BGH, Beschl. vom 21. September
2004 - 3 StR 333/04 m.w.N.).
b) Das Gericht, das sich zur Prüfung der genannten
Voraussetzungen der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen hat (§
246 a StPO), muß dessen Tätigkeit überwachen und leiten.
Dazu gehört insbesondere auch die Prüfung, ob Grundlagen, Methodik
und Inhalt des Gutachtens den anerkannten fachwis-[>9]senschaftlichen Anforderungen
genügen (zur Sachleitungs- und Prüfungspflicht des Gerichts vgl.
Jähnke in LK 11. Aufl., § 20 Rdn. 89, 92 f.; Tröndle/Fischer
aaO § 20 Rdn. 63, 64 a ff. mit Nachweisen zur Rechtsprechung)."
Eschelbach
zur richterlichen Sachkunde bei psychopathologischen Befunden
BeckOK StGB § 20, Rn 79 - 80 Autor: Eschelbach Beck'scher Online-Kommentar
StGB, Hrsg: von Heintschel-Heinegg Stand: 15.03.2012
Edition: 18
"I. Richterliche Sachkunde bei psychopathologischen Befunden
Randnummer 79 Psychopathologische Befunde
im Sinne der Eingangsmerkmale der vorliegenden Vorschrift liegen, soweit
vorhanden, regelmäßig außerhalb des Bereichs der eigenen
Sachkunde der Strafrichter. Um sie zu erfassen und zu bewerten, muss sich
der Richter der Hilfe eines Sachverständigen bedienen. Ob die Zuziehung
eines Sachverständigen, die nur nach § 246a abstrakt-generell
vorgeschrieben ist, geboten ist, hängt im Allgemeinen davon ab, dass
der noch nicht sachverständig beratene Richter selbst Hinweise darauf
erkennt, dass überhaupt ein psychopathologischer Befund in Betracht
kommt (Fischer StGB § 20 Rn 60). Der Richter muss sich dazu als Autodidakt
Grundkenntnisse verschaffen (Schmid, 457). Er soll nämlich die psychopathologischen
Anknüpfungstatsachen von Amts wegen (§ 244 Abs 2 StPO) oder auf
einen Beweisantrag hin (§ 244 Abs 3 und 4 StPO) zumindest so weit
selbst erfassen, dass er jedenfalls einen Bedarf für eine vertiefende
Sachaufklärung mit Sachverständigenhilfe erkennen oder ausschließen
kann. Das misslingt oftmals, namentlich in Bereichen, in denen organische
Ursachen einer möglichen psychischen Störung nicht vorliegen
und sich die Symptome einer psychischen Störung aus der Laiensicht
als uncharakteristisch darstellen. Das ist besonders oft bei Persönlichkeitsstörungen
der Fall (BGH NStZ-RR 2009, 115), die in vielfältiger Gestaltung und
für Laien überraschend häufig vorkommen, die andererseits
nicht per se ein Eingangsmerkmal im Sinne von § 20 StGB begründen,
was von der Rechtsprechung wiederum meist aus normativen Überlegungen
heraus abgelehnt wird. Ein Aufklärungsansatz wird schon als solcher
oft nur erkannt, wenn sich der Beschuldigte bereits in ärztlicher
Behandlung befindet und daher zumindest eine Verdachtsdiagnose zur Verfügung
steht (vgl Schmid, 458, 464 ff). Störungen in der Sozialisation („broken
home“), eine frühere psychiatrische oder psychologischer Behandlung,
markante Delinquenz, soziale Devianz und Suchtverhalten sind von Fall zu
Fall wichtige Hinweise auf weiteren Aufklärungsbedarf mit Sachverständigenhilfe
(Rasch/Konrad, 326 f; Schmid, 471 f).
Randnummer 80 Im Hintergrund der Zurückhaltung
der Justiz gegenüber dem Sachverständigenbeweis steht ein Missempfinden
der Juristen gegenüber den Psychowissenschaften, Unsicherheit im Umgang
mit den schwer verständlichen Aussagen der Sachverständigen und
bei der Bewertung der Gutachten auch vor dem Hintergrund einer facettenreichen
Kasuistik der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Letztere wiederum
sucht aus Gründen der Praktikabilität nach operationalisierbaren
Maßstäben für Aufklärungsansätze, die der richterliche
Laie im Bereich der Psychiatrie erkennen können soll (Nedopil NStZ
1999, 433, 438). Vor allem sind die Symptomkataloge der Manuale ISD-10
und DSM-IV von Bedeutung. Für eher schematisch gehandhabte Erkennungsmuster
fehlt sonst, wie es der gut gemeinte, aber dennoch wissenschaftlich fehlerhafte
Versuch einer „Promillediagnostik“ bei der Alkoholintoxikation gezeigt
hat, ein wissenschaftliches Korrelat. Die tatrichterliche Rechtsprechung
agiert im Umgang mit potenziellen psychopathologischen Befunden, wie bei
der Beweiswürdigung überhaupt, nur intuitiv, aber unwissenschaftlich.
„Wirkliche Verteidigung“ muss sich deshalb auch hier engagieren. Tendenziell
ist das Gericht in Zweifelsfällen dazu aufgerufen, ein Gutachten einzuholen
(Schreiber/Rosenau in Venzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung, 154).
Bei etwa zwei Prozent der Straftaten wird eine Schuldfähigkeitsbegutachtung
vorgenommen (Kröber in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass Handbuch
der forensischen Psychiatrie Bd 2, 160); die Zahl der psychopathologischen
Befunde ist schon in der Normalbevölkerung größer und bei
Vorliegen von Kriminalität - also in einem für die Statistik
der psychischen Gesundheit ohnehin besonderen Bereich – noch wesentlich
mehr. Daraus wird deutlich, dass die Begutachtungspraxis hinter dem tatsächlichen
Untersuchungsbedarf offensichtlich erheblich zurückbleibt."
Eisenberg
zum Verhältnis der Befunde zu §§ 20, 21 StGB
Vierter Teil. Sachverständiger Eisenberg, StPO, 7. Auflage
2011 Rn 1721-1722
"cc) [Verhältnis der Befunde zu §§ 20, 21 StGB]
Randnummer 1721(1) Das Verhältnis psychischer
Krankheiten und Störungen zur Schuldfähigkeit lässt sich
schon deshalb nicht mechanisch nach generellen Kriterien bestimmen, weil
die strafrechtliche Beurteilung jeweils nur für einen bestimmten Zeitraum
bzw -punkt geschieht, eine zeitüberdauernde generelle Aufhebung oder
auch nur Einschränkung der Schuldfähigkeit jedoch idR nicht angenommen
werden kann. Im Übrigen sind die Voraussetzungen der §§
20, 21 StGB lediglich „Markierungspunkte“ auf einer gleitenden Skala zwischen
einem als weitestgehend frei postulierten Entschluss bis zum hilflosen
„Ausgeliefertsein“ an pathologische Impulse (Venzlaff, in: Frank/Harrer
14 f), dh die vom Sv vorgenommenen Abschätzungen lassen sich in keiner
Weise mit naturwissenschaftlich bestimmbaren Quantifizierungsmerkmalen
gleichsetzen; zur Fussnote [1] hinzu treten ggf – mit besonderer Relevanz
bei Nichtdeutschen – kulturanthropologische Faktoren (s Koenraadt FS-Rasch
235 ff). Die methodischen Schwierigkeiten sind umso größer,
je mehr schon die sachkundige Begutachtung außerhalb quantifizierbarer
körperlicher Befunde oder vergleichbarer psychopathologischer Befunde
bzw psychometrischer Ergebnisse liegt (zB bei Konfliktreaktionen, Neurosen
und Persönlichkeitsstörungen).
Auch Intentionen zur Quantifizierung von Schweregraden
schuldmindernder oder -ausschließender Umstände könnten
entsprechende Konventionen fördern, zumal – entgegen dem im Hinblick
auf die Tatzeit rekonstruierenden Wesen des Gutachtens – eine schablonenähnliche
Gewissheit verlangt und eine zusätzliche Gefahr der Reduktion von
Komplexität herbeigeführt würde zur Fussnote [2]. – Ohnehin
sind derartige Diagnosesysteme nicht geeignet, solche Merkmale zu erfassen,
die außerhalb einer individuellen Persönlichkeitsbeurteilung
liegen (zB Täter-Opfer-Verhältnis sowie etwa den Zufall, wer
letztlich Täter und wer Opfer wurde).
Immerhin erlauben Untersuchungen über etwaige
spezifische Beziehungen zwischen der psychischen Konstellation des Täters
und tatkonstellativen Faktoren eine Entscheidungshilfe. Allerdings werden
sich die Erhebungen beim Versuch einer „Rekonstruktion“ der Tatzeitpersönlichkeit
sowie der (damaligen) sozialen Bezüge anhand etwa verlässlich
feststellbarer Tatsachen zugleich auf etwaige psychopathologische Entwicklungen
im Vorfeld der Tat sowie die Entwicklung des Verhältnisses von Täter
und Opfer zu erstrecken haben.
Randnummer 1722(2) Die strafrechtliche Würdigung
ist auch nicht gleichbedeutend mit psychiatrischen oder psychologischen
Diagnosen, die vielmehr nur als Verständigungsmittel bei der Prüfung
der Anwendung der §§ 20, 21 StGB dienen.
Daher kann zB eine bestimmte (Diagnose-)Bezeichnung ausnahmsweise auch
dann, wenn sie sich in der Fachliteratur nicht findet (vgl auch 1813),
einer der rechtsbegrifflichen Voraussetzungen der genannten Vorschriften
gleichgestellt werden (BGH StV 95 405; s auch BGH NStZ 97 486), zur Fussnote
[3] und umgekehrt führt eine festgestellte psychische Erkrankung nicht
notwendigerweise dazu, den Betroffenen als vermindert schuldfähig
oder gar als schuldunfähig zu beurteilen (BGH NStZ 97 383).
Klassifikationssysteme wie dasjenige der „International Classification
of Diseases“ (ICD-10) ebenso wie das – in Lehre, Forschung und Praxis verbreitetere
zur Fussnote [4]– US-amerikanische Schema des „Diagnostic and Statistical
Manual of Mental Disorders“ (DSM-IV, s Saß ua) erlauben es, die Zuverlässigkeit
(Reliabilität) der Untersuchung zu erhöhen. zur Fussnote [5]
Erhebliche Bedenken bestehen indes dagegen, die genannten – ihrerseits
nicht frei von politischem Einfluss (s dazu Bromio SchwZStR 108 [1991]
417–440) entstandenen und kulturell eingeschränkten (vgl. auch Schmidt
StV 06 52 f) – Systeme der gutachtlichen Entscheidung zur Schuldfähigkeit
iS einer quasi-Ausschließlichkeit zugrundezulegen, zumal so weit
eine methodisch eher abträgliche Reduktion diagnostischer Gesichtspunkte
zB durch weit gehende Hintanstellung des Erlebnisbereichs (s dazu etwa
Weitbrecht 16–56) die Folge ist und somit die hinreichende Geeignetheit
als Grundlage strafrechtlicher Beurteilung der konkreten Einsichts- und
Steuerungsfähigkeit eingeschränkt ist zur Fussnote [6].
Ohnehin treffen die genannten Klassifikationen keine
Aussage über die strafrechtliche Bewertung der Schuldfähigkeit
und schon gar nicht betr den Einzelfall zur Fussnote [7], ganz abgesehen
davon, dass sie ihrerseits erheblichen Umwandlungsprozessen unterliegen
(vgl etwa die 10. ggü der 9. Fassung der ICD bzw das DSM-IV ggü
dem DSM-III). Im Einzelnen ist das DSM-IV der ICD 10 weithin ähnlicher,
als das DSM-III und die ICD 9 sich waren (vgl etwa auch Kendall JAbnPsych
91 297 ff)."
Bohnert
Angaben zum medizinischen Befund FamFG § 321
BeckOK FamFG § 321, Rn 34 - 37 Autor: Bohnert Beck'scher
Online-Kommentar FamFG, Hrsg: Hahne/Munzig Stand: 01.01.2012
Edition: 4
"I. Angaben zum medizinischen Befund
Randnummer 34 Das Gutachten und das ärztliche Zeugnis haben
-
die berücksichtigten Informationsquellen,
-
die Verständigungsmöglichkeit mit dem Patienten,
-
die Anwesenheit dritter Personen bei der Begutachtung aufzuführen.
Randnummer 35 Das Gutachten ieS hat
-
die Exploration der Vorgeschichte
-
die Angaben zur aktuellen Situation
-
den Untersuchungsanlass
-
den psychischen und somatischen Befund
-
die Diagnosen und differenzialdiagnostische Klärungen darzulegen und
die Diagnosen zu klassifizieren.
Randnummer 36 Das Gutachten muss konkrete Tatsachen benennen, aus
denen sich Art und Umfang sowie die Wahrscheinlichkeit der gesundheitlichen
Selbstschädigung ergeben (OLG München BeckRS 2005, 11854).
Randnummer 37 Die Überlegungen zu den Folgerungen umfassen
-
Einschätzung der Einwilligungsfähigkeit des Patienten (vgl OLG
München FamRZ 2008, 89 = BeckRS 2008, 02007)
-
Zielkonflikte und Risikoeinschätzung in Bezug auf die Unterbringung/das
Absehen von einer Unterbringung
-
Ausformulierung von Behandlungszielen und die Einschätzung der Erreichbarkeit
dieser Ziele."
Rechtsproblem
Interlokut, Schuldinterlokut, Tatinterlokut und das Problem der Anknüpfungstatsachen.
Das sog. Interlokut ist einerseits ein rechtliches Problem, andererseits
ein Problem für die Sachverständigen, insbesondere dann, wenn
die Auftraggeber ihrer Pflicht nicht nachkommen, die Anknüpfungstatsachen
für die Sachverständigen klar und deutlich zu benennen.
Zum
forensisch-psychopathologischen Befund in den Fachveröffentlichungen
Einstieg zur Warnung:
"Rosenhan (1973) ließ zwölf freiwillige Versuchspersonen ohne
jegliche psychische Störungen in verschiedene psychiatrische Kliniken
einweisen. Bei der Aufnahme sollten die Pseudopatienten lediglich ein Symptom
berichten, ansonsten jedoch völlig zutreffende Angaben über sich
und ihre Lebensumstände machen. Als Symptom wählte der Autor
ein Verhalten aus, das noch nie in der Fachliteratur beschrieben worden
war: Die Versuchspersonen sollten angeben, sie hörten Stimmen, die
(in deutscher Übersetzung) "leer", "hohl" und "bums" sagten. Unmittelbar
nach der Aufnahme berichteten die "Patienten" nicht mehr von diesem Symptom
und verhielten sich auch ansonsten völlig normal. Trotzdem wurden
alle Patienten als psychotisch diagnostiziert (elfmal als schizophren,
einmal als manisch-depressiv). Es lag also ein außerordentlich hohes
Ausmaß an diagnostischer Übereinstimmung vor. Dennoch waren
alle Diagnosen falsch, sie besaßen also keine Validität." [Margraf,
1994, S. 7]
Inzwischen sind Zweifel an der Studie geäußert
geworden (22.6.2018, updated 2.11.2019 New York Post). Cahalan, Susannah
(2019) The Great Pretender: The Undercover Mission That Changed Our Understanding
of Madness. Hachette Nashville: Grand Central Publishing.
Befundordnung im AMDP-System
Die 12 psychischen Befundkategorien sind in 100 Symptome aufgeteilt,
die somatischen Befundkategorien in 40 Symptome. In der Weiterentwicklung
der 5. Auflage (1995) wurde auch die Methodik weiter entwickelt und verbessert.
Die ursprüngliche Gliederung ist geblieben.
Psychischer Befund (Symptome)
|
Somatischer Befund
|
-
Bewusstseinsstörungen (1-4)
-
Orientierungsstörungen (5-8)
-
Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen (9-14)
-
Formale Denkstörungen (15-26)
-
Befürchtungen und Zwänge (27-32)
-
Wahn (33-46)
-
Sinnestäuschungen (47-52)
-
Ich-Störungen (53-58)
-
Störungen der Affektivität (59-79)
-
Antriebs- und psychomotorische Störungen (80-88)
-
Circadiane Besonderheiten (89-91)
-
Andere Störungen (92-100)
|
-
Schlaf- und Vigilanzstörungen (101-105)
-
Appetenzstörungen (106-109)
-
Gastrointestinale Störungen (110-116)
-
Kardio-respiratorische Störungen (117-120)
-
Andere vegetative Störungen (121-125)
-
Weitere Störungen (126-131)
-
Neurologische Störungen (132-140)
_
_
_
_
_ |
Der
psychische Befund nach Foerster & Winckler (2009)
Foerster, Klaus & Winckler, Peter (2009). Forensisch-psychiatrische
Untersuchung. In (17-33) Foerster, Klaus & Dreßing, Harald (2009,
Hrsg.) Venzlaff & Foerster Psychiatrische Begutachtung. Ein praktisches
Handbuch für Ärzte und Juristen. 5. Auflage. München: Elsevier
(Urban & Fischer).
S. 23: "
2.6 Psychischer Befund
Die Erhebung des psychischen bzw. psychopathologischen Befundes ist
das Kernstück der psychiatrischen Begutachtung. Ein Gutachten, in
dem ein eigenständiger Abschnitt „psychischer Befund“ fehlt, ist unbrauchbar.
Der psychische Befund beschreibt das Querschnittsbild der seelischen Verfassung
des Probanden zum Untersuchungszeitpunkt: das Verhalten des Probanden,
das der Sachverständige beobachtet, und das Erleben, von dem der Proband
berichtet. Damit sind die beiden Dimensionen der Befunderhebung benannt:
die Beobachtung des Verhaltens und der Aussagen des Probanden durch den
Untersucher und die subjektive Schilderung eigenen Erlebens durch den Probanden.
Die Aufgabe des Untersuchers ist es, die Fremd- und Selbstbeurteilung miteinander
in Bezug zu setzen, Übereinstimmungen zu schildern bzw. Widersprüche
zu erwähnen und zu diskutieren. Dabei hat der Sachverständige
streng darauf zu achten, dass der von ihm geschilderte Befund tatsächlich
sein Befund ist und dass es nicht zu einer Vermischung von anamnestischen
Angaben mit der Einschätzung des Sachverständigen kommt – bedauerlicherweise
ein immer noch vorkommender, sehr häufiger Fehler (s. Kap. 5). Selbstverständlich
genügt allein die Beschwerdeschilderung eines Probanden niemals, um
hieraus eine Diagnose abzuleiten, sondern entscheidend ist der vom Sachverständigen
erhobene Befund (Stevens und Foerster 2000). Ein prinzipielles, allerdings
nicht ausräumbares methodisches Problem darf nicht außer Acht
gelassen werden: Bei der Erhebung des psychischen Befundes handelt es sich
um den Befund zum Untersuchungszeitpunkt. Bei der Begutachtung geht es
jedoch meist nicht um den Untersuchungszeitpunkt – abgesehen von der Einschätzung
akuter Fremd- und Selbstgefährlichkeit bei der Beurteilung der Unter-bringungsbedürftigkeit
(s. Kap. 41) –, sondern um die retrospektive Beurteilung eines psychischen
Zustands zu einem zurückliegenden Zeitpunkt (z.B. Beurteilung der
Schuldfä-higkeit; Beurteilung der Geschäftsfähigkeit) oder
um die Beurteilung eines zukünftig zu erwartenden Zustands (z.B. Begutachtung
der Prognose; Begutachtung der Betreuungsbedürf-tigkeit). Hieraus
folgt, dass sich die psychiatrische Begutachtung in all diesen Fällen
nicht allein auf den zum Untersuchungszeitpunkt erhobenen Befund beziehen
kann, sondern in ei-ner retrospektiven bzw. prospektiven Analyse muss der
zum Untersuchungszeitpunkt erhobene Befund auf den mutmaßlichen Befund
des rechtsrelevanten Zeitpunkts bezogen werden. Geht es um die Feststellung
überdauernder psychopathologischer Merkmale oder überdauernder
Persönlichkeitseigenschaften, so ist dies nicht schwierig. Geht es
dagegen um die Erfassung vorübergehender psychopathologischer Phänomene,
beispielsweise im Rahmen von affektiven Ausnahmezuständen, bei Intoxikationen
und bei impulsiven Tathandlungen, so können hieraus ganz erhebliche
Probleme entstehen (s. Kap. 12,13, 15). Das Gleiche gilt für die Beurteilung
vorübergehender psychopathologischer Auffälligkeiten bei Geschäftsabschlüssen,
sofern diese nicht präzise dokumentiert sind (s. Kap. 27). Die Probleme
bei der prospektiven Einschätzung im Rahmen der Prognosebegutachtung
sind in Kapitel 25 dargestellt. ... .... "
Im weiteren werden Verhaltensbeobachtung, Psychische
Funktionen (am AMDP orientiert)
und Persönlichkeitsdiagnostik erörtert.
Foerster & Dreßing 2009, 5. Auflage, S.58:
" |
|
Foerster & Leonhard 2004, 4. Auflage, S. 46: " |
5.6 Fehlermöglichkeiten
im Befund
Der psychische Befund ist das Kernstück des psychiatrischen Gutachtens.
Fehlt dieser Befund, so ist das Gutachten unbrauchbar.
Zur Diagnosestellung ist ein psychischer Befund unabdingbar. Allein
aufgrund der Anamnese und der Beschwerdeschilderung kann allenfalls eine
Verdachtsdiagnose gestellt werden, eine korrekte Diagnosestellung ist jedoch
nicht möglich (Stevens und Foerster 2000, Römer et al. 2005).
Ein immer wieder zu beobachtender Fehler im Abschnitt „Psychischer
Befund“ ist die Vermischung des Befundes mit Beschwerdeschilderungen des
Probanden. Auch kann der Befund unvollständig oder in sich widersprüchlich
sein. Fehlerhaft ist auch ein Befund, der oberflächlich, schematisch
und allgemein, möglicherweise mit Textbausteinen formuliert wird,
so dass der konkrete Mensch durch eine solche Beschreibung überhaupt
nicht erkennbar werden kann.
Mängel bei der Befunderhebung können auch bei der körperlichen
Untersuchung und den Zusatzuntersuchungen auftreten. Wird ein Pro-
band vom psychiatrischen Sachverständigen erstmals überhaupt
ärztlich untersucht, ist eine körperliche Untersuchung obligatorisch.
Ebenso sind Alkohol- und Drogenabhängige körperlich zu untersuchen.
Das Gleiche gilt bei Verdacht auf Simulation, Aggravation und funktionelle
Körperbeschwerden. In diesen Fällen kann die Art der körperlichen
Beschwerdepräsentation bei der Untersuchung wichtige Informationen
liefern, die durch das Gespräch allein nicht gewonnen werden können
(s. Kap. 2.7.1).
Zusatzuntersuchungen werden nur durchgeführt, soweit diese indiziert
sind (s. Kap. 2.7.2). Deren Ergebnisse können – fälschlicherweise
– sowohl über- wie unterbewertet werden.
Ein gravierender Fehler ist es auch, allein aufgrund einer testpsychologischen
Untersuchung eine Diagnose zustellen oder eine Beurteilung vorzunehmen.
Die Ergebnisse einer neuropsychologischen Untersuchung müssen angemessen
interpretiert und in den jeweiligen Gesamtzusammenhang eingeordnet werden
(s. Kap. 2.7.3, Kröber 2005)."
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Anmerkung Sponsel: Bei Neuauflagen wäre es schön, wenn die
Autoren Veränderungen gegenüber den Ausführungen der
vorigen Auflage aufnehmen würden. Hat sich die Lage gebessert, verschlechtert,
ist sie gleich geblieben? Sind neue Fehlermöglichkeiten aufgekommen,
sind manche verschwunden?
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4.2.6 Fehlermöglichkeiten
im Befund
Der gravierendste Mangel ist das völlige Fehlen eines psychischen
Befundes. Man sollte meinen, dass ein derartiger Fehler nicht vorkommen
kann. Dies ist aber leider nicht so, wie sich aus der eigenen Erfahrung
und den erwähnten empirischen Untersuchungen ergibt. Der psychische
Befund ist das Kernstück des psychiatrischen Gutachtens; fehlt dieser
Befund, so ist das Gutachten unbrauchbar. Es ist unmöglich, eine medizinische
Diagnose zu stellen ohne einen Befund zu beschreiben. Aus der Anamnese
allein kann nur eine Verdachtsdiagnose gestellt werden (Stevens, Foerster
2000).
Leider hat die neuere Untersuchung von Konrad (1996) ergeben, dass
auch in den von ihm untersuchten Gutachten aus den Jahren 1980 bis 1992
der psychische Befund häufig verkürzt und unvollständig
dargestellt ist. So fehlten beispielsweise Angaben zu möglichen Orientierungsstörungen
in 46 %, Angaben zu Befürchtungen und Zwängen in 95 % und zu
Ich-Störungen in 89% der Fälle.
Neben einem fehlenden, unvollständigen oder in sich widersprüchlichen
psychischen Befund kann auch ein Fehler sein, dass der Befund oberflächlich,
schematisch und allgemein gehalten ist, so dass der konkrete Mensch durch
diese Beschreibung gar nicht erkennbar wird.
Ein weiterer Mangel liegt darin, dass statt eines psychischen Befundes
die Anamnese in gedrängter Form wiederholt wird oder - noch häufiger
-, dass Anamnese und Befund vermischt werden.
Mängel in der Befunderhebung können auch im Bereich der körperlichen
Untersuchung und im Bereich der Zusatzuntersuchungen auftreten. Der Verzicht
auf eine körperliche Untersuchung kann zu diagnostischen Irrtümern
führen, wenn ein Patient vom psychiatrischen Sachverständigen
erstmals überhaupt medizinisch untersucht wird. In diesen Fällen
ist in der Regel ein körperlicher Befund zu erheben; ebenso bei der
Untersuchung von Alkohol- oder Drogenabhängigen. Bei Verdacht auf
Simulation oder Aggravation und bei psychogenen Körperbeschwerden
sollte ebenfalls eine körperliche Untersuchung durchgeführt werden,
auch wenn bereits gründliche somatische Voruntersuchungen erfolgt
sind. Die Art der körperlichen Beschwerdepräsentation bei der
Untersuchung liefert wichtige Informationen, die durch ein Gespräch
allein nicht gewonnen werden können. Körperliche Untersuchungen
bei Verdacht auf Vorliegen eines sexuellen Missbrauchs werden nicht vom
Psychiater durchgeführt.
Die Ergebnisse von Zusatzuntersuchungen (z.B. Laboruntersuchungen,
bildgebende Verfahren) können sowohl über- wie unterbewertet
werden. Dies gilt auch für die Ergebnisse einer testpsychologischen
Untersuchung (zur Indikation s. Kap. 2.5.4), die angemessen zu interpretieren
und in
den jeweiligen Gesamtzusammenhang einzuordnen sind (Kröber 2000).
Fehlerhaft wäre es, beispielsweise die Diagnose einer psychischen
Erkrankung ausschließlich auf eine testpsychologische Untersuchung
zu stützen." |
"Die
Erhebung des psychopathologischen Befundes ist das Kernstück der psychiatrischen
Diagnostik. ...
Der schriftliche psychopathologische Befund sollte so formuliert werden,
dass der Patient ihn selbst lesen können sollte, ohne sich gekränkt
oder verletzt zu fühlen."
Quelle: Richartz-Salzburger,
Elke; Wormstall, Henning & Morawetz, Carmen (2006). Kurzleitfaden
Psychopathologie. Eine Orientierungshilfe bei Beobachtung und Dokumentation
psychischer Auffälligkeiten. Psychiatrie 2, 2006, 49-52.
[PDF]
Besondere Probleme
Tatzeiten nicht bekannt
Sind Tatzeiten nicht bekannt, kann Befinden, Verfassung und Verhalten
zu eben diesen nicht festgestellt werden. Hier ist jedes Gutachten von
vornherein Unsinn.
Verneinung der Tatvorwürfe
Spätestens dann muss die Hypothese der Nichttäterschaft bei
der Begutachtung ausdrücklich einbezogen werden. Im wesentlichen sind
zwei Gutachten zu erstellen: eines unter Annahme der Täterschaft und
eines unter der Annahme der Nichttäterschaft. Ob jemand zu einem bestimmen
Zeitpunkt z.B. einen Wahn hatte, ist grundsätzlich unabhängig
davon, ob er eine Tat - die Tat wird ja als beeinflusst vom Wahn gedacht
und nicht der Wahn durch die Tat erzeugt - begangen hat und ist grundsätzlich
auch explorierbar, wenn es gelingt, die ProbandIn hierfür zu gewinnen.
Sachverständigenproblem
Interlokut, Schuldinterlokut, Tatinterlokut und das Problem der Anknüpfungstatsachen.
Katalog
der potentiellen forensischen Gutachtenfehler
Fehler in forensisch-psychologischen, forensisch-psychopathologischen,
forensisch-psychiatrischen Gutachten.
Vorbemerkung: Das Einzelfallprinzip gebietet sicherheitshalber nur von
potentiellen Fehlern zu sprechen. Der Katalog enthält also überwiegend
nur potentielle Fehler. Ob ein potentieller Fehler im spezifischen
Einzelfall wirklich ein Gutachten-Fehler ist, sollte nicht absolut-allgemein,
sondern im Realitätsrahmen und Situationskontext des Einzelfalles
untersucht und entschieden werden. Und natürlich hängt die Fehler-Diagnose
und das Gewicht, das ihr zukommt, auch sehr davon ab, aus welcher wissenschaftlichen
Perspektive oder Basis die Betrachtung erfolgt. PsychoanalytikerInnen haben
z.B. ein sehr lockeres Verhältnis zu Phantasie und Vermutungen und
verwechseln diese oft mit Wissenschaft, Empirie oder Objektivität.
Wichtig ist vielleicht auch, dass man sich eingesteht:
fehlerlose Gutachten gibt es nicht. Aber: die Problemlösung beginnt
bekanntlich mit der Problemwahrnehmung. Deshalb ist es sinnvoll, sich seinen
möglichen Fehlern grundsätzlich zu öffnen. Manche Fehler
mögen auch keine ernste Bedeutung haben, andere aber im jeweiligen
Einzelfall vielleicht schon. Und es gibt fatale Fehler, die ein Gutachten
nicht verwertbar machen (z.B. Oder-Diagnosen, Verfassung und Befinden zu
den Tatzeiten nicht exploriert oder, bei keinem Ergebnis hierzu, die Beweisfrage
als nicht beantwortbar erklärt, nicht persönlich untersucht,
unzulängliche Mittel und Methoden angewendet, ... ... ...)
Kleine Fehlertaxonomie: (1) Fatale, nicht mehr reparierbare
Fehler. (2) Fatale Fehler ohne nähere Spezifikation. (3) Fatale, aber
grundsätzlich noch reparierbare Fehler ("Nachbesserung", weiteres
Ergänzungsgutachten). (4) Fehler ohne bedeutsame Auswirkung
auf die Beantwortung der Beweisfrage. (5) Sonstiger in seiner Bedeutsamkeit
nicht richtig oder zuverlässig einschätzbarer Fehler.
Sonderfall: Fehlerhaftes Gutachten, aber im Ergebnis
nachvollziehbar und - wenn auch mit anderem Vorgehen - zum gleichen Ergebnis
gelangend.
Befundfehler (BefF)
Der Befund bildet die Grundlage oder Basis
für die Ableitung und Beantwortung der Beweisfragen.
-
BefF01
Elementare Daten (ED) wurden nicht erhoben.
-
BefF02
Elementare Daten (ED) werden nicht mitgeteilt, kritisch analysiert, erläutert
oder die Handhabung nachvollziehbar begründet.
-
BefF03
Daten-Symptom-Zuweisungsregeln (RED-ES) sind nicht nachvollziehbar
dargelegt oder fehlerhaft angewendet.
-
BefF04
Die Symptome sind nicht hinreichend klar oder differenziert beschrieben.
-
BefF05
Symptom-Syndrom-Zuweisungsregeln (RES-SS) sind nicht nachvollziehbar
dargelegt oder fehlerhaft angewendet.
-
BefF06
Die Syndrome werden nicht hinreichend klar oder differenziert beschrieben.
-
BefF07 Die
differentialdiagnostischen Entscheidungen werden nicht ausreichend erörtert
oder begründet.
-
BefF08 Die
Erkrankungen oder Störungen mit Krankheitswert werden nicht hinreichend
klar und differenziert beschrieben.
-
BefF09
Die differentialdiagnostischen Erörterungen decken den bekannten und
in der Fachliteratur beschriebenen Fallbereich nicht ab. Es bleiben Lücken.
Für und Wider der Entscheidung und Probleme werden nicht kritisch
erörtert oder nicht angemessen begründet.
-
BefF10 Die
Befunde werden nur allgemein mitgeteilt, aber nicht beweisfragenorientiert
ausformuliert, so dass der Bezug zu den Beweisfragen lückenhaft ist.
-
BefF11 Die Befundbasis
ist zu schmal oder zu dünn für die Beweisfragensachverhalte.
Dies wird nicht kritisch erörtert und begründet.
-
BefF12 Die Herleitungen
zu den Beweisfragensachverhalten sind lücken- oder sprunghaft oder
überhaupt nicht nachvollziehbar.
-
BefF13 Mögliche
spezifische Bedingungen (z.B. Alkohol, Drogen, Vollmond, Stress, Provokation
usw.), die für die Entstehung und Bedeutung der Befunde eine Rolle
spielen, werden nicht angegeben oder nicht kritisch erörtert.
-
BefF14 Gültigkeitszeiträume
werden nicht angegeben. Befunde gelten nicht ständig, die meisten
haben sozusagen ein "Verfallsdatum".
-
BefF15 Sicherheit
und Gültigkeit der Befunde für die Beweisfragensachverhalte werden
nicht angegeben oder nicht kritisch erörtert.
BefF-X Sonstiger,
bislang nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Befund zuzuordnen ist.
BefF01
Elementare Daten (ED) wurden nicht erhoben
Vorbemerkung Daten: Die Psychiatrie im allgemeinen wie die forensische
Psychiatrie im Besonderen verfügt über keine ausdrücklich
formulierte elementare Datentheorie, obwohl
das natürlich für die gesamte Psychopathologie sehr wünschenswert
wäre. Von daher kennt die forensische Psychiatrie auch keine explizit
formulierten Regeln (RED-ES), wie Daten unter Symptome subsummiert
werden können oder sollen. Das ist bedauerlich, zeigt aber eine ganz
wichtige und zentrale Fehlerquelle der Befundung und Diagnostik. Die Merkmals-Kriterologien
von ICD und DSM helfen hier auch nur sehr bedingt, weil sie summarisch
sind, also mehr Anweisungen - weniger direkt konkrete, operationale
Daten - repräsentieren, wonach konkret zu suchen ist (zwei
Beispiele hier). Aber die Befundsysteme geben an vielen Stellen zumindest
Beispiele an, etwa das AMDP,
(Beispiel
Wahn) Es wirde also offenbar die Notwendigkeit gesehen, das Befunden
durch Beispiele, also elementare Daten abzusichern, um die Objektivität,
Reliabilität und Valdität der Befundung zu erhöhen.
Hier hat die forensische Psychopathologie noch viel zu tun, denn kein Überbau,
keine Schlußfolgerung, keine Zuordnung kann sicher sein, wenn die
Datenbasis nicht sicher ist. Aber die Basis sind nun einmal die elementaren
Daten, um die sich Wissenschaft und GutachterInnen zu wenig kümmern.
Prototypische Fehlerstruktur BefF01: Hier werden (elementare)
Daten nicht einfach nur nicht mitgeteilt, sondern sie wurden gar nicht
erhoben und können infolgedessen auch gar nicht mitgeteilt werden,
es sei denn sie werden vom Sachverständigen erfunden oder phantasiert.
Es gibt also Lücken und Löcher in der Erhebung.
Beleg BefF01-02-01 Nürnberger Gutachter
Mollath Befinden und Verfassung zu den vorgeworfenen Tatzeitpunkten
Beleg BefF01-02-02 Bayreuther Gutachter
Mollath Befinden und Verfassung zu den vorgeworfenen Tatzeitpunkten
Beleg BefF01-02-03 Berliner Gutachter
Mollath Befinden und Verfassung zu den vorgeworfenen Tatzeitpunkten
Beleg BefF01-02-04 Ulmer Gutachter Mollath
Befinden und Verfassung zu den vorgeworfenen Tatzeitpunkten
Die Hypothese Nichttäterschaft hat keinen
der Gutachter interessiert, obwohl sie natürlich durch die strikte
Verneinung der Tatvorwürfe zwingend zu berücksichtigen gewesen
wäre. Ungeachtet dessen wäre es aber gar kein grundsätzliches
Problem gewesen, Befinden, Verfassung und Verhalten zu den Tatzeitvorwürfen
zu erforschen. Nachdem Mollath die Begutachtung des Nürnberger, Bayreuther
und Berliner Gutachters verweigerte, nutzte aus unverständlichen Gründen
auch der Ulmer Gutachter seine Chance nicht, obwohl ihm Mollath eine ausführliche
Exploration gewährte. Merkwürdigerweise wandte der Ulmer Gutachter
auch ein Verfahren (SKID II)
an, das nach seinen eigenen Annahmen gar nicht sinnvoll war. Stattdessen
wandte er ein Verfahren, SKID I, das angesichts der Datennot, dringend
geboten gewesen wäre, nicht an. Keiner der Gutachter
respektierte den Gesetzestext des § 20 StGB: "Ohne Schuld handelt,
wer bei Begehung der Tat wegen einer ...".
Ein Gutachter schrieb vom andern ab und verstieß damit gegen die
elementare Pflicht, eigene Befunde zu erheben. In dem Fall, wo solches
nicht gelingt, warum auch immer, hätte der Auftrag als nicht erfüllbar
zurückgegeben werden müssen. Das taten die Gutachter nicht, so
dass angenommen werden muss, dass sie über okkulte parapsychopathologische
Fähigkeiten verfügen müssen, die es ihnen erlauben, ohne
elementare Daten-Grundlage zu "gutachten".
Die
Schuldfähigkeitsprüfungserfordernisse im Fall Mollath [Quelle]
1.18 der Mindestanforderungen für Schuldfähigkeitsgutachten
verlangt: "Überprüfung, ob und in welchem Ausmaß diese
Funktionsbeeinträchtigungen bei dem Untersuchten bei Begehung der
Tat vorlagen" Insgesamt werden vier unterschiedliche Tattypen
mit insgesamt 10 Tathandlungen zu verschiedenen Tatzeiten genannt.
Die Tatzeiten nach dem Urteil des Landgerichts vom 8.8.2006 (Blatt 10f)
-
01a Unter "Gründe I." wird ein falsches Datum angegeben, nämlich
der 12.08.2004
-
01b 12.08.2001 Schlagen, würgen, beißen
-
02 31.05.2002 Freiheitsberaubung
-
03 Reifenstechen: Zwischen dem 31.12.2004, 19.00 Uhr und 01.01.2005, 16.45
Uhr (a)
-
04 Reifenstechen: Zwischen dem 05.01.2005, 15.00 Uhr und dem 07.01.2005,
10.30 Uhr (b)
-
05 Reifenstechen: Zwischen dem 05.01.2005, 21.00 Uhr und dem 06.01.2005,
11.00 Uhr (c)
-
06 Sachbeschädigung: 14.01.2005, gegen 10.30 Uhr (d)
-
07 Reifenstechen: Zwischen dem 18.01.2005, 18.00 Uhr bis 19.01.2005, 14.30
Uhr (e)
-
08 Reifenstechen: In der Zeit vom 18.01.2005, 22.30 Uhr bis 25.01.2005,
7.40 Uhr (f)
-
09 Reifenbeschädigung: Zwischen dem 07.01.2005 und dem 20.01.2005
(g)
-
10 Reifenstechen: In der Zeit vom 31.01.2005, 18.00 Uhr bis 01.02.2005,
10.30 Uhr (h)
Im Urteil heißt es (Bl. 14): „Der Angeklagte beging alle oben genannten
Taten im Zustand der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit. Eine
aufgehobene Steuerungsfähigkeit gemäß § 20 StGB ist
nicht ausschließbar.“ Eine solche Behauptung müsste sich auf
entsprechende Untersuchungsergebnisse der Verfassung und Befindlichkeit
zu den Tatzeiten stützen. Solche liegen nicht vor. Alle strafrechtlichen
Gerichtsgutachter, Dr. Lippert, Dr. Leipziger, Prof. Dr. Kröber, Prof.
Dr. Pfäfflin haben die Tatzeiten nicht exploriert. Die ersten drei
haben noch nicht einmal persönlich untersuchen und explorieren können,
weil sie nicht in der Lage waren, eine entsprechende Vertrauensbasis
- weitgehend ein Fremdwort in der forensischen Begutachtungs-Psychiatrie
- aufzubauen. Obwohl sie also nichts zu Verfassung und Befinden der 10
Tatzeiten wissen, meinten sie "gutachten" zu können. Ein klarer Verstoß
gegen Mindestanforderung 1.13, den gesunden Menschenverstand, das fachliche
psychiatrische Wissen zur Bedeutung und Notwendigkeit persönlicher
Exploration und damit auch die forensische Berufsethik. Das wussten auch
Dr.
Leipziger 2005 und Prof. Kröber
1999,
2006a,
2006b,
2010). |
BefF02
Elementare Daten (ED) werden nicht mitgeteilt, kritisch analysiert, erläutert
oder die Handhabung nachvollziehbar begründet
Siehe bitte Vorbemerkung
BefF01.
Prototypische Fehlerstruktur BefF02: In der Darstellung fehlen
Daten, es gibt Lücken und Löcher. Symptome, Syndrome oder Diagnosen
scheinen - teilweise oder gänzlich - vom Himmel zu fallen. Symptome
hängen dann sozusagen in der Luft und wirken wie Produkte der freien
Phantasie des Sachverständigen.
Beleg BefF02-02-01 Progredienzsprung
Bayreuther Mollath GA
Beleg BefF02-02-02 Der
Leiter der Forensik BZK Erlangen erklärt nicht, weshalb er den BVerfG
Beschluss 2001 missachtet
Beleg BefF02-02-03 Der Leiter der Forensik
BZK Bayreuth erklärt nicht, weshalb er den BVerfG
Beschluss 2001 missachtet
Beleg BefF02-02-04 Der Leiter der Forensik
BZK Bayreuth erklärt nicht gründlich und sorgfältig, welchen
Inhalt der Duraplusschnellhefter (161 S.) hat. Es wird auch nicht erklärt,
weshalb er meint: "Auf die Mehrzahl, der in der Heftung „Duraplus" abgehefteten
Unterlagen des Angeklagten kann hier nicht eingegangen werden" (S. 12 GA).
Das gilt ganz allgemein: Die Datenselektion wird nicht nicht erklärt
oder begründet. Es hat den Anschein, als hätte Dr. L. Zweck und
Inhalt gar nicht richtig verstanden: Verteidigungsschrift
Was mich prägte
und hierzu einen Anhang mit Belegen.
Beleg BefF02-02-05 Der Ulmer Gutachter
erklärt nicht, weshalb er SKID I nicht, obwohl erforderlich,
aber SKID II , obwohl nicht
erforderlich, gemacht hat.
Beleg BefF02-02-06 Jährliche u.a.
Bayreuther Stellungnahmen (§ 67d,e StGB)
Der Duraplus
Schnellhefter oder das "Konvolut", das Gustl F.
Mollath am 25.09.2003 dem Gericht übergab
Mein Exemplar (PDF) umfasst 161 Seiten (zum Abgleich: Das ärztliche
Attest findet sich auf S. 80)
-
1 Deckblatt mit der Aufschrift "Wurde vom Angeklagten in der Sitzung v.
25.09.03 übergeben. AG:"
-
Blatt 2, überschrieben mit "Meine Verteidigung in der Strafsache mit
der Geschäftsnummer 41 Ds 802 Js 4743 / 03 und 41 Cs 802 Js 4726 /
03. Die Seite benennt Ort und Datum: "Nürnberg, den 24.9.2003". Sie
beginnt mit der Überschrift "Was mich prägte" Die Anordnung ist
chronologisch und beginnt mit dem Geburtstag: "1956 geboren am 7.11". Dieses
Kapitel umfasst 8 DIN A 4 Seiten, ziemlich dicht beschrieben.
-
Die Blätter 10 bis 161 sind als Anlage mit Belegen für die ersten
8 Seiten der Verteidigungsschrift und Was mich prägte
anzusehen. Die Anlage ist weitgehend absteigend chronologisch geordnet
und enthält, wie die amorphen
Gutachten Dr. Leipzigers und Prof. Kröbers, keine Inhaltsübersicht.
Die Anlage beginnt auf S. 10 mit einem Zeitungsartikel "Hypo: Noch 2000
Jobs weg" und endet auf S. 161 mit dem Zeitungsartikel "Araber drehen
den Ölhahn zu."
Ich habe eine Themenübersicht erstellt, wonach
die 153-seitige Anlage aus 101 Belegen (teils mehrseitig) besteht, die
allesamt gut erklärbar und verständlich sind, wie etwa der Brief
an den Papst oder an den Dalai Lama. Nur bei dem Brief an Heuss hatte ich
eine Anfangsschwierigkeit, bis ich die ironisch-metaphorische Absicht verstand.
Alle Themenkomplexe sind hilfreich bis wichtig, um den Menschen Gustl F.
Mollath und seine damalige Verfassung und Not zu verstehen. Die Themenkomplexe
sind: (1) Ehestreit um die Schwarzgeldschiebereien, (2) der Kampf um die
Aufdeckung und um Gehör zu finden, (3) die fundamentalen Ungerechtigkeiten
und Nöte dieser Welt (Ziegler: alle 7 Sekunden verhungert ein Kind;
Unicef). (4) Auswüchse des Kapitalismus (z.B. Seveso, Steuerhinterziehung,
Geldgier, ungehemmte Plünderung des Planeten, Abholzung des Regenwaldes)
im Kontrast zu den Ausgebeuteten und Unterdrückten, (5) das Furchtbare
des Krieges, (5a) der Vietnamkrieg, (5b) der Jugoslawienkrieg mit deutscher
Beteiligung trotz der schrecklichen Erfahrungen mit dem 2. Weltkrieg, (5c)
Landminen, (5d) Rüstungskonzerne (Bsp. Diehl), (5e) Leukämieopfer
unter den Soldaten, (5f) Probleme mit der kath. Kirche, die zum Krieg schweigt,
(5g) Situation in Nahost; (5h) Terrorismus; (5i) Bürgerkrieg in Angola,
Kambodscha, ... ... (6) Politische Themen um das Weltgeschehen, das ihn
bewegte (Apartheid, Ölkrise, Watergate, Beinahe-GAU in Harrisburg,
...).
Die Anlagen lassen ein tiefes Verständnis
des Menschen Gustav F. Mollath in seiner Entwicklung ("was mich prägte")
und in den letzten Jahren bis zu seiner Verfassung im September 2003 zu.
Um das zu verstehen, muss man auch gar kein Psychologe oder Psychotherapeut
sein. Es bedarf nur genügend Zeit, etwas politische Bildung, Einfühlung
und Verständnismotivation.
-
Aus den Datierungen lässt sich entnehmen, dass die Verteidigungsschrift
einen Tag vor der Übergabe zusammengestellt wurde. Dies macht verständlich,
dass für besondere Ordnungsstrukturen schlicht und einfach nicht genügend
Zeit war.
|
Der
Hypothesenraum der Wirr-Hypothese - oder wie kommt es zu Wirr-Bewertungen?
Der Standardfall in der Sozialpsychologie ist, dass sich jemand zum
Bezugsmaßstab macht, also eine egozentrische Position einnimmt nach
dem Motto: was ICH nicht verstehe, ist
wirr.
-
Das Paradigma: A nennt Bs Produkt wirr, wenn er Bs Produkt nicht versteht
mit den Varianten
-
wirr in der Form im Ganzen
-
wirr im Inhalt im Ganzen
-
wirr sowohl in der Form als auch im Inhalt im Ganzen
-
wirr in der Form in Teilen mit pars pro toto Fehlschluss
-
wirr im Inhalt in Teilen mit pars pro toto Fehlschluss
-
wirr sowohl in der Form als auch im Inhalt jeweils in Teilen mit pars pro
toto Fehlschluss
-
Aus dem Zustand des Produktes von B schließt A auf den Geisteszustand
Bs zurück (was natürlich zu begründen ist, weil es nicht
richtig sein muss).
-
Der Hypothesenraum der Wirr-Hypothese beim Textkonvolut kann wie folgt
aufgespannt werden:
-
H0: Der Text ist bezüglich einer spezifischen Position tatsächlich
als wirr (Form, Inhalt, Teile) zu beurteilen.
-
H1: Vorurteilsvoll (befangen) an das Textkonvolut herangegangen; Variante
a) nicht bemerkt; b) schon bemerkt, aber nicht beachtet und kontrolliert.
-
H2: Nicht gründlich eingefühlt und nach Verständnis gesucht:
in welcher Situation ist dieser Mensch, was treibt ihn,
was will er? Wie lässt sich das verstehen?
-
H3: Zu faul oder zu bequem, die Herausforderung (161 Seiten!) anzunehmen.
-
H4: Mangelnde Bildung oder mangelnde geistige oder kreative Kräfte,
um die Herausforderung zu bestehen.
-
H5: Nur Teile, die zum Vorurteil passen, ausgewählt und präsentiert.
-
H6: Absichtlich, mit Wissen und Vorsatz eine manipulative Textmontage vorgenommen,
um einen bestimmten Eindruck hervorzurufen oder zu bahnen.
-
H7: Narzißtisch eigensinnig, eine eigene, abweichende Position aufgebaut,
sich vom mainstream absetzen wollen.
-
Hx: Sonstige Gründe für die Wirr-Hypothese.
|
BefF03
Daten-Symptom-Zuweisungsregeln (RED-ES) sind nicht nachvollziehbar
dargelegt oder fehlerhaft angewendet.
Siehe bitte Vorbemerkung
BefF01.
Prototypische Fehlerstruktur BefF03: Symptombehauptungen müssen
mit überprüfbaren Datenangaben belegt werden. Hierbei sind die
Regeln (RED-ES), nach denen Daten oder Konfigurationen von Daten
Symptomen zugeordnet werden, anzugeben.
Beleg BefF03-02-01 Nürnberger Mollath
GA
Beleg BefF03-02-02 Bayreuther Mollath GA
Beleg BefF03-02-03 Berliner Mollath GA
Beleg BefF03-02-04 Ulmer Mollath GA
Beleg BefF03-02-05 Bayreuther fortgesetzte
jährliche Stellungnahmen zu Mollath
BefF04
Die Symptome sind nicht hinreichend klar oder differenziert beschrieben.
Das sollte, angesichts der seit 50 Jahren entwickelten Befundsysteme
(z.B. AMDP,
PSE),
mit Ausnahme von einigen besonders schwierig zu evaluierenden Symptomen
wie z.B. Konfabulation,
keine Schwierigkeit mehr sein.
Prototypische Fehlerstruktur BefF04: Symptome werden zwar namentlich
genannt, aber in ihrem Inhalt, nicht klar und differenziert durch Daten
belegt.
Beleg BefF04-02-01 Nürnberger Mollath
GA
Beleg BefF04-02-02 Bayreuther Mollath GA
Beleg BefF04-02-03 Berliner Mollath GA
Beleg BefF04-02-04 Ulmer Mollath GA
Beleg BefF04-02-05 Jährliche u.a. Bayreuther
Stellungnahmen (§ 67d,e StGB)
BefF05
Symptom-Syndrom-Zuweisungsregeln (RES-SS) sind nicht nachvollziehbar
dargelegt oder fehlerhaft angewendet.
Prototypische Fehlerstruktur BefF05: Symptome sind selten eindeutig,
sondern können zu mehreren und unterschiedlichen Syndromen gehören.
Im Gutachten wird nicht differenziert dargelegt, welcher Zusammenhang zwischen
den Symptomen und den Syndromen besteht.
Beleg BefF05-02-01 Nürnberger Mollath
GA
Beleg BefF05-02-02 Bayreuther Mollath GA
Beleg BefF05-02-03 Berliner Mollath GA
Beleg BefF05-02-04 Ulmer Mollath GA
Beleg BefF05-02-05 Jährliche u.a. Bayreuther
Stellungnahmen (§ 67d,e StGB)
BefF06
Die Syndrome werden nicht hinreichend klar oder differenziert beschrieben.
Das Problem ergibt sich leicht, wenn z.B. sowohl Daten, Symptome, Syndrome
als auch Krankheiten mit dem gleichen Namen belegt werden, typisch
etwa am Beispiel Angst. Angst ist ein normales Phänomen, das aber
auch Symptomwert haben, ein Angstsyndrom oder eine Angsterkrankung (ICD-F40,
F41) ausdrücken kann. Ähnlich verhält es sich z.B. mit dem
Wahn.
Prototypische Fehlerstruktur BefF06: Hier bleibt unklar, welche
Syndrome gefunden wurden.
Typisch für die vom Gericht bestellten Gutachter (Ausnahme Mainkofener
Gutachter) im Fall Mollath ist, dass unklar ist, welche Syndrome man bei
ihm gefunden haben will. Manche fehlen ganz, wenn etwa eine affektive Erregung,
die zwingend für das Eingangsmerkmal tiefgreifende Bewusstseinsstörung
des § 20 StGB hätte erforscht werden müssen, nicht weiter
beachtet wird.
Beleg BefF06-02-01 Nürnberger Mollath
GA
Beleg BefF06-02-02 Bayreuther Mollath GA
Beleg BefF06-02-03 Berliner Mollath GA
Beleg BefF06-02-04 Ulmer Mollath GA
BefF07
Die differentialdiagnostischen Entscheidungen werden nicht ausreichend
erörtert oder begründet.
Prototypische Fehlerstruktur BefF07: Syndromen können unterschiedliche
Erkrankungen oder Störungen mit Krankheitswert zugrunde liegen. Hierzu
bedarf es differentialdiagnostischer Entscheidungsregeln (RDD)
wobei der BGH-Beschluss
vom 12.11.2004 beachtet werden muss.
Beleg BefF07-02-01 Nürnberger Mollath
GA
Beleg BefF07-02-02 Bayreuther Mollath GA
Beleg BefF07-02-03 Berliner Mollath GA
Beleg BefF07-02-04 Ulmer Mollath GA
Beleg BefF07-02-05 Jährliche u.a. Bayreuther
Stellungnahmen (§ 67d,e StGB)
BefF08
Die Erkrankungen oder Störungen mit Krankheitswert werden nicht hinreichend
klar und differenziert beschrieben.
Das ist eine ganz wichtige Befundfehlerquelle, weil er hierzu höchstrichterliche
Gebote durch den BGH
Beschluss 2004 gibt, den man kurz und bündig so zusammenfassen
kann: Die Diagnosen zu den Eingangsmerkmale nach §§ 20,21, 63
StGB müssen sicher und eindeutig zugeordnet sein (nicht:
möglich, vielleicht, vermutlich, könnte, aber auch, alternativ,
...). Im Fall Mollath stellen sich die Diagnosen als ein einzigartiges
Desaster dar. Es fängt bereits mit dem Nürnberger Gutachter an,
aber der Bayreuther Gutachter,
auf den alle anderen aufbauen (Ausnahme Mainkofener Gutachter zur Betreuungsfähigkeit),
bringt es auf sage und schreibe 14 Diagnoseunsicherheiten.
Prototypische Fehlerstruktur BefF08: Diagnosen werden nicht eindeutig
und sicher gestellt.
Beleg BefF08-02-01
Der
Nürnberger Gutachter "vermutet" eine Psychose:
Quelle: https://www.gustl-for-help.de/download/2004-05-05-Mollath-Amtsgericht-Einweisungsbeschluss.pdf
_
Beleg
BefF08-02-02 Der Bayreuther Gutachter erklärt sich völlig
unsicher und weiß nichts außer Spekulationen, Vermutungen,
Erörtern von Möglichkeiten, oder ... Es können zwar
im Einklang mit der Lebens- und Rechtsrealität mehrere Eingangsvoraussetzungen
zugleich
erfüllt sein, müssten dann aber nach dem BGH
Beschluss 2004 logisch durch „und“ verknüpft werden. Es
ist danach nicht zulässig, zu sagen, es läge vielleicht E1.1
oder E1.2 oder E1.3 …, möglicherweise aber auch E2 oder E3 vor. Indikationen
für Diagnoseunsicherheiten sind auch Formulierungen wie „vermutlich“,
„alternativ“, „oder“, „käme in Frage“, in Betracht ziehen“, „könnte“,
"vielleicht", „möglich“ wie im Ergebnis der Eingangsvoraussetzungen
(S. 27f: fett-kursiv RS, dahinter die Unsicherheitssignatur) mitgeteilt
wird:
Signierungen
für Unsicherheiten diagnostischer Zuordnungen
-
U := Unsicherheit, z := Zählung, z.B. U7 siebte Unsicherheit
-
K := Konjunktiv, drückt nur eine Möglichkeit aus, z := Zählung
-
B := Bedingung, so ..., falls, wenn etwas der Fall sein sollte, z := Zählung
-
O := Offene, nicht klärbare Frage, z := Zählung.
-
M := Möglichkeit, z := Zählung
-
A := Alternative, oder ...
-
F := Fehler, fehlende Alternative, z := Zählung. Trotz massiv angenommener
Erregung wurde eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung nicht einmal
angedacht.
-
S := nicht sicher, z := Zählung
-
W := unlogisch, Widerspruch, zirkulär, z := Zählung, z.B.
wenn etwas aus einem Krankheitsbild folgen soll, obwohl das Krankheitsbild
gar nicht klar ist, oder die Steuerungsfähigkeit eingeschränkt
bewertet wird und zugleich die Einsichtsfähigkeit als aufgehoben gedacht
wird. Die Rechtsprechung verlangt, erst die Einsichtsfähigkeit zu
prüfen. Ist dies nicht gegeben, darf nach der Steuerungsfähigkeit
gar nicht mehr gefragt werden.
|
_
„Für die beim Angeklagten zu diagnostizierende
paranoide Symptomatik und seine damit verbundenen massiven affektiven Veränderungen
käme
[U1K1] differentialdiagnostisch eine wahnhafte [>28] psychische Störung
ICD 10 F 22.0 in Frage, wobei die massiven affektiven Störungen
des Angeklagten und die mehrere Bereiche umfassende paranoide Symptomatik,
sowie das evtl. vorhandene Hören von Stimmen, die sein
eigenes Tun kommentieren, in der diagnostischen Abwägung eher gegen
diese Diagnose sprechen würden.
Differentialdiagnostisch käme
[U2K2] beim Angeklagten auch die Diagnose einer paranoiden
Schizophrenie (ICD 10: F 20.0) in Betracht. Für diese
Diagnose würden neben den paranoiden Inhalten des Angeklagten dessen
affektive Störungen, seine bizarren Verhaltensmuster und vor allem
- so [U3B1] sie bei ihm mit hinreichender Sicherheit
angenommen werden können - Handeln kommentierende Stimmen
sprechen.
Als weitere Differentialdiagnose müssten
[U4K3] beim Angeklagten eine organische wahnhafte (schizophrenoforme) Störung
in
Betracht gezogen werden, für die allerdings eine organische
Erkrankung oder Schädigung des Gehirns des Angeklagten als Ursache
gefunden werden müsste.
Der Angeklagte hat sich jedoch sowohl einer laborchemischen
als auch einer gezielten neurologischen oder apparativen Untersuchungen
seines Gehirns, wie der Computertomographie des Kopfes, der Ableitung der
Hirnstromkurve (EEG) oder anderer Untersuchungsverfahren nachhaltig verweigert,
so
dass eine mögliche organische Grundlage der beim Angeklagten diagnostizierten
paranoiden Störung weder ausgeschlossen, noch belegt werden kann.
[U5O1]
Die genannten möglichen Differentialdiagnosen
[U6M1] der beim Angeklagten festgestellten komplexen wahrhaften Symptomatik
mit zumindest sicher feststellbaren massiven affektiven Veränderungen
stellen ungeachtet ihrer Ätiologie ein schweres, zwingend zu behandelndes
psychiatrisches Krankheitsbild beim Angeklagten dar.
Die beim Angeklagten vorliegende schwere psychische
Störung stellt eine krankhafte Störung im Sinne der biologischen
Eingangskriterien der §§ 20/21 StGB; dar, könnte allenfalls
[U7K4] aus eher akademischen Gründen im Falle der Diagnose der nur
"wahnhaften Störung" nach ICD 10 F 22.0 alternativ auch
[U8A1] dem biologischen Eingangskriterium der schweren anderen seelischen
Abartigkeit zugeordnet werden.
Somit stellt das beim Angeklagten sowohl zum Zeitpunkt
der Begutachtung vorliegende als auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
zu den Tatzeitpunkten vorliegende geschilderte, differentialdiagnostisch
aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des [>29] Angeklagten
nicht
sicher zuordenbares Krankheitsbild [U9S1] eindeutig eine
schwere; psychische Erkrankung dar, die am ehesten [U10S2]
dem biologischen Eingangskriterium der krankhaften seelischen Störung,
alternativ
auch [U11A2] der schweren anderen seelischen Abartigkeit
zuzuordnen ist.
Ohne Zweifel spricht das Verhalten des Angeklagten,
das durch die Zeugenaussagen geschildert wird - soweit das Gericht den
Angaben der betreffenden Zeugen Glauben schenkt - dafür, dass sich
der Angeklagte zu den gegenständlichen Tatzeitpunkten in einer aus
seinem
Krankheitsbild [U12W1] herrührenden, massiven affektiven
Erregung [U13F1] befunden hat, aufgrund deren zumindest seine
Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB erheblich beeinträchtigt
war. Unter dem Eindruck akuten wahnhaften Erlebens oder einer wahnhaft
erlebten Bedrohung kann für die Tatzeitpunkte auch eine Aufhebung
von Steuerungs- und/oder Einsichtsfähigkeit zumindest für die
Tatkomplexe nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, in
denen massive Aggressionshandlungen vom Angeklagten zu verzeichnen waren
.
Von daher liegt beim Angeklagten zu den gegenständlichen
Tatzeitpunkten mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit aus forensisch-psychiatrischer Sicht zumindest
eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit vor,
wobei eine Aufhebung von Steuerungs- und/oder Einsichtsfähigkeit beim
Angeklagte zu den Tatzeitpunkten nicht mit hinreichender Sicherheit
[U14W2] aufgrund der derzeitig vorliegenden Erkenntnisse ausgeschlossen
werden kann.“
Ergebnis
der Unsicherheitsprüfung entsprechend dem BGH Beschluss
Die Erörterungen zur Diagnostik und ihrer Zuordnung
zu den 4 Eingangsmerkmalen enthalten 14 Unsicherheiten, wovon 13 relevant
sind [außer U5O1] und nicht
die vom BGH verlangte Sicherheit erfüllen und sämtlich nicht
auf einer persönlichen Untersuchung und Exploration beruhen und sämtlich
nicht
kausal zu Daten während der Tatzeitpunkte in Beziehung gesetzt
werden.
Zu den Unsicherheiten gehören vier Konjunktive; zwei
Widersprüche (einer gegen die Logik, W1, einer gegen die rechtlichen
Gebote, W2); zwei Alternativen vom Typ "oder"; eine gebotene,
aber fehlende Alternative (tiefgreifende Bewusstseinsstörung nicht
angedacht); eine Bedingung, eine Möglichkeit und
zwei
direkt formulierte Unsicherheiten = 4+2+2+1+1+1+2 = 13. |
Beleg BefF08-02-03 Berliner Gutachter zu Mollath
Beleg BefF08-02-04 Ulmer Gutachter zu Mollath.
Beleg BefF08-02-05 Jährliche u.a. Bayreuther
Stellungnahmen (§ 67d,e)
Anmerkung:
Ergebnisse des Mainkofener Gutachtens vom 26.09.2007
Aus (fett-kursiv RS) 1.: "Ein Hinweis für eine psychotische
Erkrankung fand sich nicht.
Eine endgültige diagnostische Zuordnung ist aus Sicht des Unterzeichners
aber weiterhin strittig.
Zu 2.: Eine körperliche Behinderung besteht nicht.
Zu 3.: Der Betroffene ist aus Sicht des Unterzeichners durchaus dazu
in der Lage [- 39 -] seinen Willen frei zu bestimmen.
Insbesondere bezüglich seiner finanziellen oder rechtlichen Belange
kann er seine Angelegenheiten selbst besorgen. Eine Notwendigkeit
für die Errichtung einer Betreuung fand sich nicht.
Zu 4.: Der Betroffene ist als geschäftsfähig anzusehen.
Zu 6.: Der Betroffene befindet sich aktuell im Maßregel Vollzug.
Eine
therapeutische Option besteht derzeit allerdings eher nicht.
Zu 7.: Entfällt. [> S. 40]
Zu 8.: Der Betroffene wäre dazu in der Lage gültige Vollmachten
abzugeben.
Zu 9.: Eine sinnvolle Verständigung ist mit dem Betroffenen
problemlos möglich.
Zu den gemeinsamen Fragen:
Zu 1.: Von einer persönlichen Anhörung durch das Gericht
sind keine Nachteile für die Gesundheit des Betroffenen zu befürchten.
Zu 2.: Bei der Bekanntmachung der Entscheidungsgründe sind keine
besonderen Umstände zu beachten. [> S. 41]
Zu 3.: Mit besonderen Schwierigkeiten ist bei einer Anhörung nicht
zu rechnen.
Zu 4.: Der Betroffene wurde im Bezirkskrankenhaus Straubing untersucht.
Einer Vorladung des Gerichts könnte er keine Folge leisten."
Zusammenfassung
Mainkofener Betreuungsgutachten
Hintergrund der zivilrechtlichen Fragestellung war, die Vermögensauflösung
des verständlicherweise sperrigen Gustl F. Mollath, durch Feststellung
der Geschäftunfähigkeit und einer
Betreuung
etwas zügiger zu betreiben.
Der Mainkofener Sachverständige, der im Gegensatz dem Nürnberger
und Bayreuther Gutachter, mehrere Stunden persönlich untersucht
und exploriert hat, erkennt weder eine Psychose noch eine Geschäftsunfähigkeit
(die zivilrechtliche Zwillingsschwester der strafrechtlichen Schuldunfähigkeit).
Einem Hinweis des Regensburger Gerichts an die Nürnberger, den
Fall aufgrund dieses Ergebnisses noch einmal zu überprüfen, sollen
die Nürnberger nicht nachgekommen sein. Das Gutachten passte nicht
ins Bild der Murkser und Pfuscher, also musste es madig gemacht und neutralisiert
werden. Nun musste der "crème de la crème" Professor aus
Berlin ran. Tatsächlich findet sich auch völlig unvermittelt
aus der Luft gegriffen im Teil 2 der Beweisfrage 5
eine entsprechende Fragestellung.
Der Berliner Gutachter am 27.06.2008 zu den Beweisfragen: „über
den Untergebrachten GUSTL MOLLATH gemäß § 454 Abs. 2 StPO
insbesondere zu den Fragen,
-
ob die Voraussetzungen der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus gemäß § 63 StGB zum jetzigen Zeitpunkt aus
ärztlicher Sicht noch vorliegen;
-
ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, dass dessen durch die
Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht, d. h., ob zu erwarten
ist, dass der Verurteilte außerhalb des Maßregelvollzuges keine
erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird.
-
Weiter zu beantworten seien die Fragen,
-
ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen zur Ermöglichung oder
Vorbereitung einer bedingten Entlassung notwendig erscheinen, und
-
ob und gegebenenfalls welche Weisungen dem Verurteilten im Fall der bedingten
Entlassung zu erteilen sind, und welcher Zeitraum für die noch erforderlichen
Entlassungsvorbereitungen bei komplikationslosem Verlauf voraussichtlich
erforderlich sein wird. Es wird auch gebeten,
sich diesbezüglich mit dem Gutachten des Sachverständigen DR.
S. vom 26.09.2007 auseinanderzusetzen."
Der "crème de la crème" Gutachter (O-Ton Dr.
Merk) war übrigens nicht in der Lage, eine Vertrauensbasis
für eine persönliche Untersuchung und Exploration
herzustellen, im Widerspruch zu seinen eigenen Veröffentlichungen,
"gutachtet" er dennoch, weil er womöglich meint, über höhere,
okkulte
Erkenntnisquellen zu verfügen. Ich werde einige seiner zahlreichen
Fehler in Bälde der Öffentlichkeit vorstellen. |
BefF09
Die differentialdiagnostischen Erörterungen decken den bekannten und
in der Fachliteratur beschriebenen Fallbereich nicht ab. Es bleiben Lücken.
Für und Wider der Entscheidung und Probleme werden nicht kritisch
erörtert oder nicht angemessen begründet.
Prototypische Fehlerstruktur BefF09: Es gibt Lücken und
Löcher, wichtige Sachverhalte und Diagnosemöglichkeiten werden
nicht angedacht, erwähnt oder ausreichend erörtert.
Im Fall Mollath wurde der differentialdiagnostische Hypothesenraum auch
nicht ansatzweise entfaltet und kritisch erörtert. Man merkt es den
Gutachten regelrecht und von Anfang an, wie sehr sie völlig verblendet
(befangen) auf Wahn schizophrenen Typs fixiert waren. Das geht sogar soweit,
dass sich der entscheidende Bayreuther Gutachter nicht scheut, einen entsprechenden
Befund durch Textmontage in
seinem Gutachten vom 25.7.2005 zu fälschen. Im Prinzip kommen nach
den Beschuldigungen viele Symptome, Syndrome oder Störungen mit Krankheitswert
in Frage, z.B. affektiver Erregungszustand, schizophrener Wahn, schizoaffektiver
Wahn, maniformer Wahn, psychoorganisch bedingter Wahn, wahnhafte Störung
(ICD-10 F22), wahnhafte Episode, Stress- oder Belastungsreaktion, Größenidee,
überwertige Idee, aber auch die Möglichkeit keiner Störung,
"normale" Abwehrreaktion oder Gegenwehr. Die hochgradig affektive Erregung,
die von der Ehefrau behauptet wurde ("Würgeangriff"), hätte wenigstens
zu einer Prüfung des Eingangsmerkmals einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung
führen müssen.
Beleg BefF09-02-01 Nürnberger Mollath
GA
Beleg BefF09-02-02 Bayreuther Mollath GA
Beleg BefF09-02-03 Berliner Mollath GA
Beleg BefF09-02-04 Ulmer Mollath GA
Beleg BefF09-02-05 Jährliche u.a. Bayreuther
Stellungnahmen (§ 67d,e StGB)
BefF10
Die Befunde werden nur allgemein mitgeteilt, aber nicht beweisfragenorientiert
ausformuliert, so dass der Bezug zu den Beweisfragen lückenhaft ist.
Die bloße Feststellung eines Wahnes genügt z.B. nie. Es
muss immer die Bedeutung des Wahns für den Tatzeitraum und die Tat
selbst nachvollziehbar begründet werden.
Prototypische Fehlerstruktur BefF10: Zwischen Befund und
Tathandlungen bestehen Lücken, die Herleitung des Einflusses auf die
Taten wird nicht geleistet.
Beleg BefF10-02-01 Nürnberger Mollath
GA
Beleg BefF10-02-02 Bayreuther Mollath GA
Beleg BefF10-02-03 Berliner Mollath GA
Beleg BefF10-02-04 Ulmer Mollath GA
Beleg BefF10-02-05 Jährliche u.a. Bayreuther
Stellungnahmen (§ 67d,e StGB)
BefF11
Die Befundbasis ist zu schmal oder zu dünn für die Beweisfragensachverhalte.
Dies wird nicht kritisch erörtert und begründet.
Prototypische Fehlerstruktur BefF11: Wenige, unzureichende Befunde
im Hinblick auf die Beweisfragen, nicht kritisch erörtert, erklärt,
begründet.
Beleg BefF11-02-01 Nürnberger Mollath
GA
Beleg BefF11-02-02 Bayreuther Mollath GA
Beleg BefF11-02-03 Berliner Mollath GA
Beleg BefF11-02-04 Ulmer Mollath GA
Beleg BefF11-02-05 Jährliche u.a. Bayreuther
Stellungnahmen (§ 67d,e StGB)
BefF12 Die
Herleitungen zu den Beweisfragensachverhalten sind lücken- oder sprunghaft
oder überhaupt nicht nachvollziehbar.
Prototypische Fehlerstruktur BefF12: Die Herleitung von den Befunden
zum Befinden bei den Tatvorwürfen gelingt nicht, ist lückenhaft
oder gar nicht erst versucht worden.
Beleg BefF12-02-01 Nürnberger Mollath
GA
Beleg BefF12-02-02 Bayreuther Mollath GA Progredienzsprung,
Voraussetzungen der Unterbringung > BefF08,
Beleg BefF12-02-03 Berliner Mollath GA
Beleg BefF12-02-04 Ulmer Mollath GA
Beleg BefF12-02-05 Jährliche u.a. Bayreuther
Stellungnahmen (§ 67d,e StGB)
BefF13
Mögliche spezifische Bedingungen (z.B. Alkohol, Drogen, Vollmond,
Föhn, Stress, Provokation usw.), die für die Entstehung und Bedeutung
der Befunde eine Rolle spielen, werden nicht angegeben oder nicht kritisch
erörtert.
Prototypische Fehlerstruktur BefF13: Besonderheiten genau dieses
Einzelfalles werden nicht angemessen bearbeitet.
Im Falle Mollath sind dies z.B.: Rosenkriegshintergrund, Provokation
durch die Ehegattin, hochgradige affektive Erregung nach Schilderung der
Ehefrau beim vorgeblichen Würgeangriff für das Eingangsmerkmal
einer tiefgreifende Bewusstseinsstörung nicht einmal angedacht; die
differenziert vorliegende Tatvorwürfe wurden psychopathologisch alle
über einen Kamm geschoren.
Beleg BefF13-02-01 Nürnberger Mollath
GA
Beleg BefF13-02-02 Bayreuther Mollath GA
Beleg BefF13-02-03 Berliner Mollath GA
Beleg BefF13-02-04 Ulmer Mollath GA
Beleg BefF13-02-05 Jährliche u.a. Bayreuther
Stellungnahmen (§ 67d,e StGB)
BefF14 Gültigkeitszeiträume
werden nicht angegeben. Befunde gelten nicht ständig, die meisten
haben sozusagen ein "Verfallsdatum" oder eine eigene Verlaufsform.
Für die Schuldfähigkeit sind meist Tatzeitpunkte betroffen,
die Monate oder Jahre zurückliegen, für die Unterbringung und
aktuelle Gefährlichkeit gilt die Gegenwart und Prognosebeweisfragen
zielen auf die Zukunft.
Prototypische Fehlerstruktur BefF14: Gültigkeitszeiträume
werden nicht oder unzulänglich thematisiert.
Im Falle Mollath fällt besonders auf, dass keiner der vom Gericht
bestellten Gutachter (Ausnahme Mainkofener Gutachter) die notwendig erforderlichen
differenzierten Gültigkeitsbetrachtungen anstellt.
Beleg BefF14-02-01 Nürnberger Mollath
GA
Beleg BefF14-02-02 Bayreuther Mollath GA
Beleg BefF14-02-03 Berliner Mollath GA
Beleg BefF14-02-04 Ulmer Mollath GA
Beleg BefF14-02-05 Jährliche u.a. Bayreuther
Stellungnahmen (§ 67d,e StGB)
BefF15
Sicherheit und Gültigkeit der Befunde für die Beweisfragensachverhalte
werden nicht angegeben oder nicht kritisch erörtert.
Prototypische Fehlerstruktur BefF15: Für welchen Zeitraum
oder für welche Bedingungen gelten die Befunde, mit welcher Sicherheit
und warum?
Auch das gilt für sämtliche der vom Gericht bestellten Gutachter
mit Ausnahme des Mainkofeners. Der Bayreuther Gutachter versteigt sich
zwar zu der Feststellungmit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu den Tatzeiten (!), aber
diese Sicherheit fällt bei ihm aus dem subjektiven Himmel der Phantasie.
Begründet und hergeleitet wird da nichts.
Beleg BefF15-02-01 Nürnberger Mollath
GA
Beleg BefF15-02-02 Bayreuther Mollath GA
Beleg BefF15-02-03 Berliner Mollath GA
Beleg BefF15-02-04 Ulmer Mollath GA
Beleg BefF15-02-05 Jährliche u.a. Bayreuther
Stellungnahmen (§ 67d,e StGB)
BefF-X
Sonstiger, bislang nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Befund zuzuordnen
ist.
So umsichtig und erfahrungsbegründet ein Fehlersystem auch konstruiert
sein mag: das Leben ist immer wieder für überraschende, neue
und nicht vorhergesehene Varianten gut. Es ist daher immer sinnvoll, eine
Rest- und Auffangkategorie für bislang nicht erfasste Befundfehler
vorzusehen.
Literatur (Auswahl)
Siehe bitte auch Literaturlisten Untersuchungs-Fehler,
Explorations-Fehler,
Potentielle
Fehler, Betreuung, Geschäfts-, Schuldfähigkeit,
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Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde. Herausgegeben von der
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Links (Auswahl: beachte)
-
Duden: der Befund
("nach einer Untersuchung, Prüfung festgestelltes Ergebnis, festgestellter
Zustand")
_
Glossar,
Anmerkungen und Endnoten:
1) GIPT=
General
and Integrative
Psychotherapy, internationale Bezeichnung
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
___
Stichworte: Ätiologie
* Befund * Datum (Daten) * Diagnose
* Eigener wissenschaftlicher
Standort * Elementares Datum
* Epidemiologie * Komorbidität
* Krankheit * Objektivität,
Reliabilität und Validität * Operationalisierung
* Pathogenese * Störung
* Symptom * Syndrom
* Tests, psychologische,
psychopathologische * Vertrauen,
Vertrauensbasis, Vertrauensbeziehung * Wahn *
___
Eigener
wissenschaftlicher Standort
__
. |
einheitswissenschaftliche
Sicht. Ich vertrete neben den Ideen des Operationalismus, der Logischen
Propädeutik und einem gemäßigten Konstruktivismus
auch die ursprüngliche einheitswissenschaftliche Idee des Wiener
Kreises, auch wenn sein Projekt als vorläufig gescheitert angesehen
wird und ich mich selbst nicht als 'Jünger' betrachte. Ich meine dennoch
und diesbezüglich im Ein- klang mit dem Wiener
Kreis, daß es letztlich und im Grunde nur eine
Wis- senschaftlichkeit gibt, gleichgültig, welcher spezifischen
Fachwissenschaft man angehört. Wissenschaftliches Arbeiten folgt einer
einheitlichen und für alle Wissenschaften typischen Struktur, angelehnt
an die allgemeine
formale Beweisstruktur.
Schulte, Joachim &
McGuinness, Brian (1992, Hrsg.). Einheitswissenschaft - Das positive Paradigma
des Logischen Empirismus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Geier, Manfred (1992).
Der Wiener Kreis. Reinbek: Rowohlt (romono).
Kamlah, W. & Lorenzen, P. (1967).
Logische Propädeutik. Mannheim: BI. |
|
_
Wissenschaft
[IL] schafft
Wissen und dieses hat sie zu beweisen, damit es ein wissenschaftliches
Wissen ist, wozu ich aber auch den Alltag und alle Lebensvorgänge
rechne. Wissenschaft in diesem Sinne ist nichts Abgehobenes, Fernes, Unverständliches.
Wirkliches Wissen sollte einem Laien vermittelbar sein (PUK - "Putzfrauenkriterium").
Siehe
hierzu bitte das Hilbertsche
gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein
zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft
sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann
verständlichen Sprache wiedergeben." |
_
Allgemeine
wissenschaftliche
Beweisstruktur
und beweisartige Begründungsregel
Sie ist einfach - wenn auch nicht einfach durchzuführen - und
lautet: Wähle einen Anfang und begründe Schritt für Schritt,
wie man vom Anfang (Ende) zur nächsten Stelle bis zum Ende (Anfang)
gelangt. Ein Beweis
oder eine beweisartige Begründung ist eine Folge von Schritten: A0
=> A1 => A2 => .... => Ai .... =>
An, Zwischen Vorgänger und Nachfolger darf es keine Lücken
geben. Es kommt nicht auf die Formalisierung an, sie ist nur eine Erleichterung
für die Prüfung. Entscheidend ist, dass jeder Schritt prüfbar
nachvollzogen werden kann und dass es keine Lücken gibt. |
___
Ätiologie >
Herkunft einer Störung mit Krankheitswert oder Erkrankung > Krankheit.
__
Befund
Befund heißt das, was nach einer Untersuchung als relevant für
eine Fragestellung als Ergebnis herausgekommen ist. Das kann mehr oder
minder sicher sein und sollte sich auf einen definierten Zeitraum beziehen.
Einige Stimmen zum psychopathologischen Befund:
"Die Erhebung des psychischen bzw. psychopathologischen Befundes ist
das Kernstück der psychiatrischen Begutachtung." (Foerster
& Winckler 2009)
"Die Erhebung des psychopathologischen Befundes ist das Kernstück
der psychiatrischen Diagnostik. ... " Richartz-Salzburger
et al. (2006)
__
Datum (Daten)
Abgrenzbare Einheit eines registrierbaren Ereignisses.
Elementare
Daten heißen diejenigen, die nicht weiter zerlegbar sind. Der
psychiatrischen Befundlehre fehlt die Basis einer Datentheorie. Nach der
hier vorgenommen Analyse fehlt es nicht nur in der forensischen Psychiatrie
an den Regeln (RED-ES), wie man
von elementaren Daten zu Symptombefunden kommt.
__
Diagnose > Überblick
Diagnostik in der IP-GIPT.
Nach bestimmten Regeln vergebener Name für
eine zugrunde liegend gedachte Störung mit Krankheitswert für
eine Konfiguration von Befunden.
__
Elementares Datum
Beispiele: (1) "Ich hatte am Tag zuvor so
ein komisches Gefühl ...", (2) "Ich kann mich nicht mehr richtig erinnern,
was ich da genau gemacht habe", (3) Ich konnte gar nicht mehr überlegen,
es brach einfach aus mir heraus ....", (4) "Ich fühlte mich bedrängt,
ja unter Druck gesetzt ...", (5) "ich wollte es nicht, aber ich konnte
mich nicht dagegen wehren".
Nicht nur in der forensischen, sondern in der ganzen
Psychiatrie fehlt in der Befundlehre, eine Datentheorie. Man ist meist
ganz schnell beim Symptom und beim Befund und vergisst die Datenbasis und
die Regeln (RED-ES), die von elementaren Daten zu Symptomzuordnungen
führen. Immerhin geben die besseren Befundsysteme Beispiele. So führt
AMDP (1981, S. 62) z.B. aus: "31. Zwangsimpulse: Immer wieder zwanghaft
gegen inneren Widerstand sich aufdrängende innere Antriebe, bestimmte
Handlungen auszuführen, z. B. etwas zu kontrollieren, aus dem Fenster
zu springen, jemanden zu attackieren, obszöne Worte auszustoßen
(Koprolalie), zu zählen, zu rechnen (Arithmomanie)."
Weniger überzeugend und nicht dem psychiatrischen
Wissen entsprechend sind die Vorbemerkungen zum Wahn im AMPD-System (1981,
S. 62f): "Man kann Wahn definieren als krankhaft entstandene Fehlbeurteilungen
der Realität, die mit apriorischer Evidenz [>63] (erfahrungsunabhängiger
Gewißheit) auftreten und an denen mit subjektiver Gewißheit
festgehalten wird, auch wenn sie im Widerspruch zur Wirklichkeit und zur
Erfahrung der gesunden Mitmenschen sowie zu ihrem kollektiven Meinen und
Glauben stehen. Wahn gibt es bei verschiedenen Psychosen, er ist nicht
spezifisch für die Schizophrenie (s. S. 19 in Abbildungs-Grundlage).
Der Kranke hat im allgemeinen nicht das Bedürfnis nach einer Begründung
seiner wahnhaften Meinung, ihre Richtigkeit ist ihm unmittelbar evident."
__
Epidemiologie
__
Komorbidität
(Treffliche Medizinerweisheit: "Man kann auch Läuse und Flöhe
haben")
__
Krankheit
Allgemeines und Integratives
Bio-Psycho-Soziales
Krankheitsmodell
_
Im allgemeinen Modell wird von einem Systemstörungsmodell
ausgegangen, bei dem wir folgende Entwicklungsstadien unterscheiden: 1)
Ursachen, Bedingungen und Auslöser der Störung. 2) die Bewertung
einer Störung als Krankheit. Zum Wesen der Krankheit definiert
man zweckmäßig eine - wichtige - (Funktions-) Störung (nach
Gustav von Bergmann [1878-1955] 1932). 3) unterschiedliche Auswirkungen
(lokale, zentrale, allgemeine, spezielle) der Störung. 4) Erfassen
und Informationsverarbeitung der Störung und 5) aus Wiederherstellungsprozeduren:
der Auseinandersetzung zwischen den Kräften der Störung und der
Heilung. Störungen können exogener (ausserhalb des Systems) oder
endogener (innerhalb des Systems) Natur sein. Störungen haben im allgemeinen
Ursachen, womit sich in der allgemeinen Krankheitslehre die Ätiologie
beschäftigt. Entwickelt sich eine Störung in der Zeit, wie meistens,
heißt dieser Vorgang Pathogenese. Unklar ist meist der Symptombegriff,
der eine dreifache modelltheoretische Bedeutung haben kann:
1) es ist ein Zeichen der Störung (z. B.
bestimmte Antigene im Körper; Angst);
2) es ist ein Zeichen der Spontanreaktion auf
die Störung (z. B. bestimmte Antikörper gegen die Antigene; Vermeiden);
3) es ist ein Zeichen der Wiederherstellungsprozedur,
also Ausdruck des "Kampfes" zwischen Krankheit und Heilungsvorgängen
(z. B. Fieber; Ambivalenzkonflikt zwischen Vermeiden und Stellen).
Das Ursachenproblem
ist wissenschaftstheoretisch problematisch aus zwei prinzipiellen und aus
einem vermeidbaren Grund: (1) Im Kausalitätskonzept gibt es streng
betrachtet nur einen vielfach verzweigten Baum von Ursachen. Jede ausgemachte
Ursache kann prinzipiell wiederum auf andere Ursachen zurückgeführt
oder zumindest auf andere zurückgeführt gedacht werden. Welche
dieser vielen Ursachen soll als die besondere ausgezeichnet werden? In
der Wirklichkeit handelt es sich wohl meist um einen Ursachenkomplex, ein
Netzwerk von Bedingungen. (2) Man muß zwischen Bedingungen (Rahmen-
oder Randbedingungen), Anlässen oder Auslösern, Neben- und Begleiterscheinungen
unterscheiden, was häufig sehr schwierig ist.
Praktische Anwendung und Veranschaulichung:
Das
Buch Eva -Ticket ins Paradies.
(3) Die psychischen Ereignisse können mehrperspektivisch
betrachtet werden: z. B. physikalisch, biologisch, chemisch, physiologisch,
neurologisch, internistisch, psychopharmakologisch, immunologisch, kybernetisch,
psychologisch, sozial-ökonomisch, sozialpsychologisch, sozial-rechtlich
und kommunikativ. Hinzu kommt, daß in der Computermetapher Hardware
als körperlich und Software als psychisch die Realisation im "Betriebssystem
Mensch" vielfach miteinander verflochten und vernetzt ist. Man kann es
den biokybernetischen Ereignissen im Körper nicht unbedingt ansehen,
ob sie "Hardware" oder "Software" repräsentieren. So finden wir häufig
in den Mitteilungen und Büchern drei Ebenen durcheinander gehend:
a) Perspektive (z. B. physikalisch, chemisch, biologisch, medizinisch,
psychologisch, sozial), b) Hard- oder Software-Repräsentation, c)
Ursache, Neben- und Begleiterscheinung oder Wirkung. Unbeschadet der Probleme,
ist die konzeptionelle Vorsehung einer oder mehrerer Ursachen (Bäume
oder Zweige) natürlich sinnvoll und vernünftig. Die Neigung mancher
SystemikerInnen und VulgärkonstruktivistInnen, das Ursachenproblem
herunterzuspielen oder gänzlich für überflüssig zu
erklären, können wir in der Allgemeinen und Integrativen Psychotherapie
weder teilen noch akzeptieren. > Krankheitsbegriff.
__
Objektivität,
Reliabilität und Validität
Die drei wichtigsten testtheoretischen Kriterien, die man aber ganz
allgemein auf Datenerhebungsmethoden anwenden kann. Objektivität
heißt, dass ein Ergebnis (Befund, Diagnose) unabhängig vom Untersucher
bzw. Datenerheber gleich sein sollte. Reliabilität meint
die Genauigkeit der Erfassung. Und Validität schließlich
meint, dass das Datum für die Zuordnung richtig sein sollte. Ein Validitätsproblem
liegt vor, wenn ein Verfahren nicht das feststellt, was es feststellen
soll. Ein Reliabilitätsproblem ist gegeben, wenn die Erfassung dessen,
was festgestellt werden soll, ungenau ist. Und ein Objektivitätsproblem
liegt vor, wenn unterschiedliche Ergebnisse herauskommen, wenn unterschiedliche
Untersucher die Datenerhebung betreiben. Früher hing die psychiatrische
Diagnose oft davon ab, an welchen Psychiater oder an welche Einrichtung
man geriet, d.h. die Feststellungen war sehr vom Untersucher oder der Einrichtung
abhängig.
Exkurs: Es ist ein völlig falscher Satz der
sog. „Klassischen Testtheorie“ (KKT), wenn sich dort bereits formal aus
dem Ansatz ergibt, dass die Validität von der Reliabilität abhängt.
Genau gilt dort: Die Wurzel aus dem Reliabilitätskoeffizienten ist
eine obere Schranke für den Validitätskoeffizienten (> Rosenhan).
Die richtige Relation muss umgekehrt lauten, dass ein Test überhaupt
nur dann reliabel (genau) messen kann, wenn er überhaupt das Richtige
misst, weil es ja wohl keinen Sinn macht, zwar sehr genau, aber das Falsche
zu messen. Der zweite große Doppelfehler der KTT ist, dass die Reliabilität
(Zuverlässigkeit) offenbar als Merkmal dem Test falsch zugeordnet
wird, wobei der Einzelfall völlig untergeht.
Margraf (1994, S. 7, Mini-DIPS)
berichtet: "Rosenhan (1973) ließ zwölf freiwillige Versuchspersonen
ohne jegliche psychische Störungen in verschiedene psychiatrische
Kliniken einweisen. Bei der Aufnahme sollten die Pseudopatienten lediglich
ein Symptom berichten, ansonsten jedoch völlig zutreffende Angaben
über sich und ihre Lebensumstände machen. Als Symptom wählte
der Autor ein Verhalten aus, das noch nie in der Fachliteratur beschrieben
worden war: Die Versuchspersonen sollten angeben, sie hörten Stimmen,
die (in deutscher Übersetzung) "leer", "hohl" und "bums" sagten. Unmittelbar
nach der Aufnahme berichteten die "Patienten" nicht mehr von diesem Symptom
und verhielten sich auch ansonsten völlig normal. Trotzdem wurden
alle Patienten als psychotisch diagnostiziert (elfmal als schizophren,
einmal als manisch-depressiv). Es lag also ein außerordentlich hohes
Ausmaß an diagnostischer Übereinstimmung vor. Dennoch waren
alle Diagnosen falsch, sie besaßen also keine Validität."
Inzwischen sind Zweifel an der Studie geäußert
geworden (22.6.2018, updated 2.11.2019 New York Post). Cahalan, Susannah
(2019) The Great Pretender: The Undercover Mission That Changed Our Understanding
of Madness. Hachette Nashville: Grand Central Publishing.
__
Operationalisierung
Operationalisierung. Ein Begriff kann als operationalisiert gelten,
wenn sein Inhalt durch wahrnehm- oder zählbare
Merkmale bestimmt werden kann. Viele Begriffe in der Psychologie, Psychopathologie,
in Gesetzen und in der Rechtswissenschaft sind nicht direkt beobachtbare
Konstruktionen des menschliches Geistes und bedürften daher der Operationalisierung.
Welcher ontologischer Status
oder welche Form der Existenz ihnen zukommt, ist meist unklar.
Das Operationalisierungsproblem von Fähigkeiten.
Ob einer etwas kann oder nicht, lässt sich im Prinzip leicht prüfen
durch die Aufforderung, eine Fähigkeitsprobe abzulegen in der eine
Aufgabe bearbeitet wird, z.B. die Rechenaufgabe 12 - 7 + 1 = ? Hierbei
gibt es eine ganze Reihe richtiger Lösungen, z.B.: (1) die Hälfte
des ersten Summanden, (2) 5 + 1, 7 - 1 oder (3) die, an die die meisten
zuerst denken: 6. Will man prüfen, ob jemand rechtmäßige
von unrechtmäßigen Handlungen unterscheiden gibt kann, gibt
man z.B. 10 Aufgaben mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden vor und
lässt diese bearbeiten, etwa als einfacher Ja-Nein-Test oder als Begründungs-
oder Erörterungsaufgabe, wenn tiefere Einblicke gewünscht werden.
Doch wie will man herausbringen, ob jemand vor drei Monaten, am TT.MM.JJJJ
um 13.48 Uhr als man einen Gegenstand (z.B. einen Fotoapparat) in seiner
Tasche wiederfand, wusste, dass dieser Gegenstand nicht in seine Tasche
hätte gelangen dürfen?
> Drei Beispiele Innere Unruhe, Angst, Depression
(Quelle)
Merkmal (latente
Dimension) |
Operationalisierung(en) |
(a) Innere Unruhe |
Ich bin innerlich unruhig und nervoes. |
(b) Angst |
Ich fuehle Angst. |
(c) Depression |
Nicht selten ist alles wie grau und tot und in mir ist nur Leere. |
___
Pathogenese
Entwicklung der Störung, > Krankheit.
__
Störung > Norm,
Wert, Abweichung (Deviation), Krank (Krankheit), Diagnose. "Normal",
"Anders", "Fehler", "Gestört", "Krank", "Verrückt".
__
Symptom
__
Syndrom
Name für eine als typisch gedachte Konfiguration von Symptomen,
wobei nach dem medizinischen Krankheitsmodell einem Syndrom unterschiedliche
Störungen mit Krankheitswert oder Erkrankungen zugeordnet sein sein
können, so daß sich hier die Differentialdiagnose der Ätiologie
stellt.
Gross (1969, S. 15f) führt zur Geschichte des
Syndrombegriffs aus:
"Heute hat sich unter dem Eindruck des Standardwerkes
von LEIBER und OLBRICH [84] sowie ähnlicher ausländischer Publikationen
[33, 277] sozusagen zwischen Symptom und Krankheit das Syndrom (.......
= zusammenlaufend, übereinstimmend) geschoben. Der Ausdruck Syndrom
wurde
bereits von Hippokrates sowie von Galen als Begriff für eine Gruppe
von Krankheitszeichen benutzt. Werden Syndrome — wie das gelegentlich geschieht
— als reine Symptomkombinationen verstanden, haben sie allenfalls Bedeutung
im Sinne einer Vereinfachung. Symptomenkomplexe (oder „Syndrome" in diesem
allgemeinen Sinn) dürfen nicht mit Diagnosen verwechselt werden.
Eine Anämie oder ein Pleuraerguß sind
z. B. solche Symptomenkomplexe, die allenfalls symptomatische Maßnahmen
erlauben. Erst die Diagnosen: 'Perniciöse Anämie' bzw. 'Tuberkulöse
Pleuritis' erlauben eine kausale Behandlung.
In einigen neueren amerikanischen Arbeiten (z.B.
[37]) wird Syndrom weitgehend identifiziert mit den Clusters (Gruppen,
Haufen) der Sets einer medizinischen Taxonomie (s. dazu auch Abschnitt
4.24).
Ohne weiteres Eingehen auf die komplizierte Abgrenzung
[84, 368] sei hier zusammengefaßt, daß die meisten Kliniker
heute unter einer Krankheit eine Gruppe von Symptomen mit einheitlicher
Entstehung (Pathogenese) und einheitlicher tieferer Ursache (Ätiologie,
s. u.), unter einem Syndrom eine ähnliche Gruppe von Symptomen mit
unbekannter der verschiedener Ursache verstehen. LEIBER [84] definiert
in gleichem Sinn: „Ein symptomatologisch einheitliches Krankheitsbild,
dessen Auslösungs- und Gestaltungsfaktoren unbekannt, vieldeutig oder
plurikausal (... polyätiologisch ... polypathogenetisch ...)
sind." Auch in der treffenden Formulierung wird man ihm folgen müssen,
daß der Syndrombegriff ein erstes, großes, weit gefaßtes
nosologisches Sammelbecken, ist, gewissermaßen für die „Krankheiten
im Wartestand". Dagegen halte ich die Einbeziehung der individuellen physischen
und psychischen Reaktionen in den Syndrombegriff für verfehlt. Hier
wird die Polarität zwischen Krankheiten (in deren Vorfeld LEIBER mit
Recht auch das Syndrom verlegt) und Kranken, zwischen nosologischer Typisierung
und Berücksichtigung der individuellen Reaktion (s. Kap. 1.2) verwässert
— gewiß zum Schaden der begrifflichen Klarheit. Auch sonst hat es
nicht an Kritik des Syndrombegriffes gefehlt. So muß verlangt
werden, daß die Kombination von Symptomen eine mehr als zufällige
ist [361] — eine theoretisch einleuchtende, aber bei den oft seltenen Syndromen
schwer zu erfüllende Forderung. Verständlicherweise ist die Tendenz
zur Aufteilung von Krankheitseinheiten relativ groß, besonders wenn
die Verknüpfung mit einem Eigennamen der per-[>16]sönlichen oder
nationalen Eitelkeit entgegenkommt. Da viele Syndrome aber statt langatmiger
Aufzählung der Merkmale mit einem Namen (oft: welchem von vielen?)
ausreichend gekennzeichnet sind, werden wir wohl auch in Zukunft mit ihnen
zu tun haben.
LEIBER [368] gab neuerdings folgende Zahlen:
Sein Buch enthält 1600 Syndrome, seine Kartei 3500 (auf deren Aufführung
er zum Teil wegen ihrer Unbestimmtheit verzichtet hat). Er rechnet mit
derzeit etwa 30 000 Krankheiten und Syndromen sowie mit mindestens einer
Verdoppelung innerhalb der nächsten 10—12 Jahre. Vergleichsweise enthält
der derzeit beste klinische Diagnosenschlüssel in deutscher Sprache
von IMMICH [67] rd. 8000 nosologische und 750 topographische Begriffe,
die parallel benutzt werden sollen. Eine amerikanische Schätzung kommt
auf etwa 10 000 bekannte Krankheiten und 100 000 erfaßbare Befunde
[409]. Alle diese Zahlen sind allerdings noch um einen gewissen Prozentsatz
von Synonyma zu vermindern, die teilweise erst eine künftige taxonomische
Klassifizierung aufdecken wird (s. auch Abschnitt 4.24).
Die Diagnose als Verknüpfung von Symptomen
und Krankheiten hat von der Tatsache auszugehen, daß die meisten
Symptome bei mehreren Erkrankungen vorkommen und umgekehrt — ja, daß
die bereits genannten unspezifischen Symptome bei einer Vielzahl von Krankheiten
beobachtet werden. Ausgehend von einem Leitsymptom, wie z, B. Schwindel,
wird man also eine Anzahl von Krankheiten unterscheiden müssen. Dieses
Ziel nennt man Differentialdiagnose, den Weg dorthin Differentialdiagnostik.
Streng genommen gibt es zwei Arten von Differentialdiagnostik:
Eine allgemeine (semiologische), die von bestimmten Krankheitserscheinungen
ausgehend die möglichen Ursachen katalogisiert, und eine spezielle
(nosologische), die für die einzelnen Krankheiten aufzählt,
von welchen ähnlichen sie mit welchen Mitteln abgegrenzt werden müssen.
Tatsächlich sind die meisten Lehrbücher der Differentialdiagnostik
Kombinationen aus beiden Ansprüchen. Es wird auch wenig beachtet,
daß „Differentialdiagnose" ein schlechter Ausdruck, ein typisch lateinisch-griechischer
[griechisch] ("Sag eines mit zwei Worten") ist: Differentiare heißt
unterscheiden, [griechisch oder griechisch]
ist die Unterscheidung, zusammen also: Die Unterscheidung des Unterschiedes
oder des Unterscheidbaren. Auch der Gebrauch von "Differentialdiagnose"
ist verschieden: Man gelangt zur Differentialdiagnose, d.h. zur Feststellung
der tatsächlich vorliegenden Krankheit. Bei der systematischen Darstellung
von Krankheiten werden andererseits deren Differentaldiagnosen, d. h. gerade
die in diesem Fall nicht zutreffenden, abzugrenzenden Erkrankungen aufgezählt."
__
Tests,
psychologische, psychopathologische
> Grundlegende
Voraussetzungen psychologischer Tests.
__
Vertrauen,
Vertrauensbasis, Vertrauensbeziehung
__
Wahn.
Definition: Wahn liegt vor, wenn mit rational unkorrigierbarer
(Logik,
Erfahrung) Gewissheit ein falsches Modell der Wirklichkeit
oder ein falscher Erkenntnisweg zu einem richtigen oder falschen
Modell der Wirklichkeit vertreten wird.
Beispiel falsches Modell der Wirklichkeit: Ein Passant
gähnt und das deutet ein fränkischer Proband als Zeichen Dr.
Merks, worauf er in die Knie geht und laut ruft: „Allmächd, Allmächd“.
Muss man so jemanden einsperren? Natürlich nicht.
Beispiel falscher Erkenntnisweg eines richtigen
Modells der Wirklichkeit: Ein Passant gähnt und ein Proband zieht
daraus den Schluss, dass Banken in hohen Maße an Steuerbetrugsdelikten
beteiligt sind. Passantengähnen ist keine in unserer Kultur und Wissenschaft
anerkannte Erkenntnisquelle für Schwarzgeldschiebereien, die natürlich
ein völlig reales Modell der Wirklichkeit sind.
Gustl F. Mollath hat seine Erkenntnisse nicht aus
dem Gähnen eines Passanten wahnhaft erschlossen, sondern seine Erkenntnisquellen
entsprechen genau denen unserer Kultur und Wissenschaft. Es gibt auch keine
Progredienz
(Ausdehnung, Erweiterung, Fortschreitung), wenn man mit gesundem Menschenverstand
hinschaut, was der forensisch-psychiatrischen Schlechtachterindustrie offenbar
zu schwierig erscheint. Es ist ja völlig logisch und verständlich,
dass, je mehr Menschen sein Anliegen und seine Erkenntnisse ablehnen, er
entsprechend mehr AblehnerInnen sieht. Daher ist das vermeintliche Progredienzzeichen
für einen angeblich sich ausdehnenden Wahn (wohin hat er sich denn
in den letzten 10 Jahren ausgedehnt?) auch keines, sondern es erklärt
sich ganz einfach aus der Natur des Sachverhalts.
Infos zum Wahn in der IP-GIPT:
___
Querverweise
Standort: Befund-Fehler (BefuF).
*
Zur
Haupt- und Überblicksseite Katalog potentieller Fehler in forensischen
Gutachten.
*
Überblick Forensische
Psychologie.
*
*
Dienstleistungs-Info.
*
Zitierung
Sponsel, Rudolf (DAS). Befund-Fehler
(BefuF) zu Potentielle Fehler in forensisch
psychiatrischen Gutachten, Beschlüssen und Urteilen der Maßregeljustiz.
Eine methodenkritische Untersuchung illustriert an einigen Fällen
u.a. am Fall Gustl F. Mollath mit einem Katalog der potentiellen forensischen
Gutachtenfehler sowie einiger Richter-Fehler.
Erlangen IP-GIPT: https://www.sgipt.org/forpsy/NFPMRG/BefF.htm
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korrigiert: 02.04.2013
Änderungen Kleinere
Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet
und ergänzt.
07.12.19 Zweifel
am Rosenhan-Experiment
vermerkt.
14.09.16 URL-Adressfehler
korrigiert.
03.08.13 Eigener
wissenschaftlicher Standort