Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT
    (ISSN 1430-6972)
    DAS=24.08.2017 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 20.09.17
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel_ Stubenlohstr. 20 _D-91052 Erlangen
    Mail:_sekretariat@sgipt.org_ Zitierung  &  Copyright

    Anfang_Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs Teil 6: Lebens- und Wissenschaftsbereiche und Phantasie_Überblick_Rel. Aktuelles _Rel. Beständiges_Titelblatt_Konzept_Archiv_ Region__ Service-iec-verlag_ _Wichtige Hinweise zu Links und Empfehlungen_

      Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Allgemeine Psychologie,
      Bereich Phantasie, und hier speziell zum Thema:

      Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs Teil 6:
      Lebens- und Wissenschaftsbereiche und Phantasie:
      Ein Ansatz und Entwurf aus integrativer Perspektive zur Weiterentwicklung

    Originalarbeit (1. Version) von Rudolf Sponsel, Erlangen
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    Gesamt-Inhaltsverzeichnis Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs.
    Literaturbelege in Teil 8 Anhang: Literatur.



    6  Lebens- und Wissenschaftsbereiche und Phantasie:
    • Alltagsleben und Phantasie.
    • Arbeitswelt und Phantasie.
    • Beziehungen und Phantasie.
    • Deprivation und Phantasie.
    • Erotik und Phantasie.
    • Film und Phantasie.
    • Kriminalität und Phantasie.
      • Krimi-Beliebtheit und Phantasie.
      • Füllgrabe zur Phantasie in seiner Kriminalitätspsychologie.
      • Suggestiveffekte der Kriminalitäts- und Gewaltpräsentation real und in den Medien.
      • False memory Syndrom.
      • Für und Wider die Katharsishypothese.
      • Gefängnis und Phantasie.
      • Straftaten und Phantasie.
      • Kriminalität ist normal.
      • Gewaltspiele und Phantasie.
      • Grenzenlose kriminelle Phantasie.
      • Versicherungsbetrug.
      • Forensisch psychiatrische Gutachten.
    • Kunst und Phantasie.
    • Liebe und Phantasie.
    • Literatur und Phantasie.
    • Mathematik und Phantasie.
    • Metaphysik und Phantasie.
    • Musik Fantasien.
    • Pädagogik und Phantasie.
    • Psychopathologie und Phantasie.
      • Angst und Phantasie.
      • Halluzination und Phantasie.
      • Hypochondrie und Phantasie.
      • Psychose und Phantasie.
      • Selbstmordphantasien.
      • Sexuelle Abweichung und Phantasie.
      • Wahn und Phantasie.
      • Zwang und Phantasie.
    • Psychotherapie und Phantasie.
    • Rechtsbegriffe und Phantasie.
    • Technik und Phantasie.
    • Theater und Phantasie.
    • Utopie und Phantasie.
    • Wissenschaft und Phantasie.


    Lebens- und Wissenschaftsbereiche und Phantasie  {}
    Phantasien kommen in vielen Lebens- und Wissenschaftsbereichen vor. Lebensfelder. Im Teil 6 werden einige "angearbeitet" und im Laufe der Zeit ergänzt, vertieft, vervollständigt. Wenn Sie Wünsche, Anregungen oder Kritik haben: rudolf-sponsel@sgipt.org.
     

    Alltagsleben und Phantasie {}
    Das Alltagserleben ist voller Phantasie, wobei sie oft nicht ausdrücklich bemerkt wird. In fast allen Bewusstseinsströmen dürften Phantasieanteile enthalten sein.



    Arbeitswelt und Phantasie > arbeiten und phantasieren.
    Ist die Arbeit langweilig oder monoton, dürfte sie vielfach mit Phantasien angereichert werden. Manche Arbeitsfelder sind direkt Phantasieprodukte wie z.B. die Werbung, Kunst und Literatur, Theater, Filme.



    Beziehungen und Phantasie {}
    Beziehungen, besondere erotisch-sexuelle und Liebesbeziehungen, sind gewöhnlich reich an Phantasien. Von unseren Mitmenschen machen wir uns Bilder und in diesen Bildern ist allerlei Phantasie enthalten.



    Deprivation und Phantasie {}
    Suchbegriffe: Deprivation, sensorische Deprivation, Deprivationsexperimente, Ganzfeldexperimente, Folter.
    Mit dem Entzug von Reizen und Bedürfnisbefriedigungen steigt die Bereitschaft zu Phantasien. Kann neben der Selbsterfahrung als Standardbeweis für den Zusammenhang zwischen Bedürfnissen und Phantasie angesehen werden.
     
    • "Psychologisches Phänomen Wenn das Hirn sich auf einen Trip macht. Was passiert, wenn man Menschen aller äußeren Sinneseindrücke beraubt? Die Nervenzellen langweilen sich, und das Gehirn gaukelt Bilder und Geräusche vor. Der Neuropsychologe Erich Kasten beschreibt, wie völlig gesunde Menschen plötzlich Tiere aus der Urzeit sehen - oder Eichhörnchen mit Schuhen. ...[Spiegel Online 06.11.2011]
    • Die irreale Welt in unserem Kopf.




    Erotik und Phantasie {}
    Phantasie spielt in der Erotik wie in der  Sexualität  und Liebe, besonders in der Verliebtheit eine große Rolle. Allerdings scheinen nicht wenige Menschen pornographischer Anregungen zu bedürfen, was man auch so interpretieren kann, dass ihre Phantasie nicht ausreicht.



    Film und Phantasie {}
    Jeder Film stellt eine virtuelle Welt dar und ist damit ein Phantasieprodukt, auch wenn man nur ein Stück reale Wirklichkeit abbilden will wie z.B. im Dokumentarfilm, in Berichten und Reporten oder den Nachrichten.
    1. Immer werden Auswahlen an Themen oder Sachverhalten getroffen,
    2. immer werden bestimmten Anordnungen und Reihenfolgen entschieden und
    3. immer werden bestimmte Perspektiven eingenommen.
    4. Hinzu kommt die Wahl der Sprache, die Formulierung und die begleitenden nonverbalen Signale, Bilder oder Filmsequenzen (Film im Film).
    5. Die vermeintliche "Objektivität" ist eine Illusion, wenn sie auch mehr oder minder verletzt sein kann.
        Nur rein theoretisch ist es möglich, dass ein Film tatsächlich die reale Wirklichkeit weitgehend abbildet. Bislang bleibt er dabei aber auf die zwei Sinneskanäle Sehen und Hören beschränkt und er nimmt immer notwendigerweise eine Perspektive ein. Auch ein Abbild enthält durch die Perspektive, aus der heraus es erstellt wurde, eine Unzulänglichkeitskomponente. Eine getreues Abbild, könnte man im Sinne Kants und etwas fundamentalistisch fixiert sagen , gibt es nicht, weil es das Ding an sich nicht gibt. Erkanntes ist immer von Erkennungssystem Erkanntes. Filme können aber viele Elemente der realen Wirklichkeit als Vorlage enthalten.



    Kriminalität und Phantasie {}
    Kriminelle Phantasien dürften sehr verbreitet sein - und eine hohe Dunkelziffer haben. Sind kriminelle Phantasien befreiend, lösend, dienen sie der Selbstreinigung der Seele? Hat die  Katharsishypothese  etwa Recht? Sich, wenn auch nur gelegentlich, ausmalen, wie man Gegnern oder Feinden die Fresse poliert oder gar "wegputzt" dürfte weit verbreitet sind.
       
      Krimi-Beliebtheit und Phantasie
      Extreme Beliebtheit der Krimis, angeheizt durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit immer schlechteren Drehbüchern und zunehmend hochneurotisch-psychopathologischen Polizei-Typen, die selbst dauernd Recht und Gesetz brechen, weitgehend beziehungsgestört zu sein scheinen, u.a. weil sie ihre Arbeit über alles stellen, vor allem über Partner, Ehegatten und Kinder.

      Füllgrabe zur Phantasie in seiner Kriminalitätspsychologie {} [Spezifikationen]
      Sachregistereinträge: "Phantasie 22 [Lazarus Basic ID], 25f [Lazarus Basic ID I=Images], 28 [Phantasie Serienmörder Peter Kürten], 30ff [Lazarus Basic ID I=Images], 36 [Machtphantasie bei Vergewaltigung], 64 [Lazarus Basic ID I=Images], 81 [sexueller Missbrauch als Phantasieprodukt missdeutet], 87 [Hypnose enthemmt die Phantasie], 89 [Falsche Hypothese Freuds: Verführungstheorie], 97 [Hypnose, Spanoa 1994: "Erfahrungen von früheren Leben sind Phantasiekonstruktionen], 99 [Phantasieprodukte durch Suggestion], 101f  [therapeutische Macht der Phantasie] Phantasien; aggressive / Gewaltphantasien 272, 298, 320; sadistische 295, 299, 302.

      Suggestiveffekte der Kriminalitäts- und Gewaltpräsentation real und in den Medien
      Es gibt keine eindringlichere Suggestion als die ständige Präsentation von Gewalt, Folter, Krieg, Terror und Kriminalität.

      False memory Syndrom
      Füllgrabe (1997) berichtet, S. 87: "Gemäß einigen Richtungen der Psychotherapie, besonders der Psychoanalyse, sind manche Erlebnisse so schockierend, daß sie ins Unterbewußte abgeschoben werden und dort für Jahre, Jahrzehnte oder sogar für immer schlummern - völlig isoliert vom bewußten Erleben. In manchen Fällen gelangen sie jedoch eines Tages ins Bewußtsein. (Dies sind allerdings, wissenschaftlich gesehen, lediglich unbewiesene Hypothesen!) Zum Beispiel „entdecken" Klienten während einer Therapie, daß sie in ihrer Kindheit sexuell mißbraucht worden waren und die Erinnerung an dieses Erlebnis jahrzehntelang unterdrückt hatten. Berichte dieser Art gelten als Beweis dafür, daß Klienten in der Lage sind, sich an lange unzulängliche schmerzhafte Erlebnisse zu erinnern (Loftus, 1992, S. 26).
          Loftus konnte dagegen nachweisen, daß es leicht ist, Menschen falsche Erinnerungen einzureden.
          Ihre Versuchspersonen, zwischen acht und 42 Jahren alt, wurden davon überzeugt, daß sie im Alter von fünf Jahren verlorengegangen waren. In allen Fällen entsprach diese Geschichte nicht der Wahrheit. Alle Versuchspersonen konnten sich aber dennoch an Einzelheiten dieses erfundenen Ereignisses „erinnern" und zweifelten nicht daran, daß es stattgefunden hatte (Loftus, 1992, S. 25)."
          Querverweise:

      • Spezielle Literaturhinweise zum sog. "False Memory Syndrom".
      • Die Suggestions-Experimente von Loftus.


      Für und Wider die Katharsishypothese
      "Die Vertreter der Katharsishypothese argumentieren folgendermaßen: Der Zuschauer projiziert seine eigenen, ja sogar unbewußten Probleme in den Fernsehinhalt; ihm wird auf diese Weise ein Mittel geboten, seine Konflikte auszudrücken und zu Übersetzen. Aggressive Phantasien sind Ersatzmittel für das Verletzen von Menschen, wenn solches Verhalten durch die Furcht vor äußerer oder innerer Vergeltung unterbunden wird. Kindern und Jugendlichen mit niedriger Intelligenz mangelt es an Phantasiefähigkeit. Fernsehen, Comic-Bücher und Filme versorgen solche Kinder und Jugendlichen mit kriminellen Phantasien, die sie selbst nicht hervorzubringen vermögen. Die Vertreter der Katharsishypothese berufen sich auf das klassische psychoanalytische Konzept der triebreduzierenden Funktion der Phantasietätigkeit: Phantasien sind wunscherfüllende Ersatzmittel für Handlungen oder unerfüllbare Ziele, und sie bewirken eine Ersatzbefriedigung und eine Verminderung aggressiver Triebimpulse. Die Fernsehzuschauer erfahren eine Triebreduktion dadurch, daß sie sich ansehen, wie jemand vorsätzlich schwer verletzt wird. Die Darstellung von Gewalt im Fernsehen gibt aggressiven Kindern und Jugendlichen Gelegenheit, ihre aggressiven Triebimpulse psychisch durchzuarbeiten und sie in sozial annehmbaren Phantasien auszuleben. Die Verfechter der Inhibitionshypothese bringen folgende Argumente vor: Gewaltdarstellungen im Fernsehen führen zu einer Verminderung aggressiven Verhaltens aufgrund von psychischen Hemmungen, die durch diese Gewaltdarstellungen erzeugt werden. Bei den Fernsehzuschauern werden durch die Gewaltdarstellungen Phantasien darüber hervorgerufen, wie sie jemanden verletzen, hauptsächlich Personen, durch die sie selbst physisch oder psychisch verletzt worden sind. Diese Phantasien verursachen Angst, Schuldgefühle und Furcht vor möglicher Vergeltung. Durch solche Gefühle der Schuld und der Furcht hemmen die Fernsehzuschauer ihre feindseligen Gedanken, und sie unterdrücken ihre aggressiven Triebimpulse." Quelle: Sieverts & Schneider (1979, Hrsg.) Handwörterbuch der Kriminologie. Ergänzungsband. Abschnitt Massenmedien S. 344 [GB].

      Gefängnis und Phantasie

      Kunz (1946) in 4. Das Wachträumen, S. 54:
      Zunächst ist das Tagträumen vorwiegend eine Angelegenheit des kindlichen und vor allem des jugendlichen Alters, dem die Fähigkeit, die formalen Erlebnismerkmale zu erfassen, trotz aller Neigung zur grüblerischen Selbstzergliederung noch weitgehend mangelt. Es kommt das vordringliche Interesse an den Inhalten der Wachträume hinzu, an die sich auch die Forschung fast ausschließlich gehalten hat. Tritt es bei Erwachsenen mit auffälliger Intensität auf, dann muß man mit der Möglichkeit abnormer oder pathologischer Varianten rechnen, die das Wesen des Phänomens verstellen könnten — abgesehen davon, daß sowohl die in der Regel intimen Inhalte der Tagträume wie die Eigenart der erwachsenen wachträumenden Individuen eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Zuverlässigkeit der einschlägigen Aussagen nahe legen. Allein alle diese Bedenken sollen uns von der Frage nach dem spezifischen Was des Phänomens nicht abhalten. Wir vergegenwärtigen uns einige neuere Bestimmungen des Begriffes. Jaspers hat statt einer Definition eine Situationsschilderung gegeben: «Ein Mensch im Gefängnis phantasiert sich in die Situation, daß er fabelhaft viel Geld hat, Schlösser baut, Städte anlegt usw. Er phantasiert in dem Maße, daß er sich der Realität oder Irrealität gar nicht mehr recht bewußt ist. Er zeichnet große Pläne auf Packpapier und erlebt aufs anschaulichste, wie er in dieser neuen Situation sich benimmt, handelt, Menschen beglückt. Solches Phantasieren kann plötzlich mit einem zufälligen Einfall beginnen und dann in der Wirklichkeit durchgeführt werden, mit dem Bewußtsein, es sei auch volle Wirklichkeit. ... Bei Hysterischen kann im Laufe solchen wachen Phantasierens leicht eine gewisse Bewußtseinsveränderung eintreten. Die Kranken leben dann in imaginären Situationen, die ihnen halluzinatorisch deutlich vor die Sinne treten (eine sorgfältige phänomenologische Analyse solcher Fälle gibt es bisher nicht)» [FN121]. Es sei noch angemerkt, daß Jaspers eine «Phantasiewirklichkeit» gegen die «realen Verhältnisse» abgrenzt. ..."
       

      Straftaten und Phantasie
      Die Begehung hat wie fast alles eine Geschichte. Erste Ideen oder Phantasien kreisen um eine Straftat. Sie nehmen im Laufe der Zeit konkretere Formen an, es kommt zur Planung, vielleicht zum mentalen oder tatsächlichen Rollenspiel, zur Tatvorbereitung. Komplikationen und Risiken werden erwogen, Eventualpläne entwickelt. Und schließlich ist es so weit: die Straftat wird ausgeführt.

      Kriminalität ist normal
      So heißt ein bekanntes Buch der Kriminologie der 1970er Jahre (Haferkamp, 1972). Hier aus dem Vorwort, S. V:
       

        "Man sagt heute, die Gesellschaft muß vor der Kriminalität geschützt werden. Man unterstellt, Kriminalität sei etwas wie eine Aggression, getragen von Wesen, die, außerhalb der Gesellschaft stehend, persönlichen, ungezügelten Leidenschaften nachgehen, und denen das Gesellschaftsleben mit seiner Ruhe, Ordnung und Ausgeglichenheit fremd ist. Die Gesellschaft ist so konstruiert, daß sie eigentlich nur gesetzestreue Bürger produziert. Mit der Kriminalität hat sie nichts zu tun, allenfalls mit der Wiedereingliederung der Kriminellen auf die eine oder andere Weise, bleibt die Gesellschaft nur wie sie ist. Kriminalität ist weder für die Gesellschaft noch für ihre einzelnen Mitglieder normal, normal ist nur die Gesetzestreue.
        An dieser Fiktion wird festgehalten, obwohl es schon für Emile Dürkheim keine Erscheinung gab, die unwiderleglicher als die Kriminalität alle Symptome der Normalität aufwies, da sie mit den Gesamtbedingungen eines jeden Gesellschaftslebens auf das engste verknüpft ist. Das war immerhin schon 1895 [FN1].
        1938 gelang es Robert K. Merton, die gesellschaftliche Struktur zu entdecken, die auf einige Leute in der Gesellschaft einen unzweideutigen Druck ausübt, kriminell statt gesetzestreu zu handeln. Er fand, diese Leute handeln in ihrer Situation völlig normal [FN2]. Auch die „neue" Kriminalsoziologie Fritz Sacks findet 1968, daß jemand, der in bestimmten gesellschaftlichen Situationen lebt, damit rechnen muß, daß sein Verhalten eine große Wahrscheinlichkeit in sich trägt, als kriminell bezeichnet zu werden [FN3].
        So gibt es in der Kriminalsoziologie keinen Streit mehr darüber: Kriminalität ist für diese Personen normal, läßt ihnen ihre Soziallage doch kaum einen Ausweg. Kriminalität ist dann auch für die Gesellschaft normal, produziert sie doch selbst die „Kriminellen", die sie so heftig bekämpft."


      Kriminalität ist normal ist auch die Botschaft der täglichen Nachrichten in den Medien. Und die Kriminalitäts-Statistiken liefern überwältigende Belege für die extreme Verbreitung von Straftaten, erst Recht, wenn man die Dunkelziffer hinzunimmt. Auch die "Eliten" (Politiker, Regierungschefs, Minister, hohe Beamte, Richter, Staatsanwälte, Konzerne, Banker, Steuerprüfer, Manager, Bischöfe, Pfarrer, ...) sind betroffen, wenn sie auch gewöhnlich schwierig zu überführen sind, so gut wie nie die Regierungskriminalität (z.B. unkontrollierte Öffnung der Grenzen, Bankenrettung, Autokartell und Dieselskandal).

      Gewaltspiele und Phantasie
      Hier identifiziert man sich regelrecht mit Gewalt - wenn auch im Spiel. Psychologisch kann es keinen Zweifel geben, dass dies reale Gewalthandlungen durch mental-virtuelles Einüben fördert.

         
      Grenzenlose kriminelle Phantasie
      "Die kriminelle Phantasie ist grenzenlos Nördlingen (heja) - Was geht einer Museumsleiterin durch den Kopf, wenn sie in den Rieser Nachrichten vom "größten Kunstraub in Europa" lesen muss? Vom Raub der Kunstwerke von Cézanne, Dégas, van Gogh und Claude Monet, im Wert von 113 Millionen Euro, aus einer Schweizer Sammlung? "Der kriminellen Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wir denken zwar, wir haben unsere Museumsschätze gut gesichert, aber können uns gar nicht vorstellen, auf welche Ideen jemand kommen kann", seufzt die Leiterin des Nördlinger Stadtmuseums, Andrea Kugler. ..." (Augsburger Allgemeine 12.02.2008).

      Versicherungsbetrug
      Niemeier (1990), S. 95: "Die versicherten Phantome
      Lebensversicherungen, die über Versandhäuser, per Post oder Telefon angeboten und verkauft werden, beflügeln offenbar bei einigen Menschen die kriminelle Fantasie, denn im Regelfall geht es doch bei Lebensversicherungen um recht hohe Beträge, Summen, für die man sich schon einmal etwas einfallen lassen kann. So witterte vor Jahren auch der Ulmer Chirurg Dr. Martin W. ein schnelles und interessantes Geschäft. W. hatte sich einen „todsicheren" Plan zurechtgelegt, um speziell Lebensversicherer, die ohne persönlichen Kundenkontakt arbeiten, aufs Kreuz zu legen. ... "

      Forensisch psychiatrische Gutachten.
      Die meisten forensisch psychiatrischen Gutachten sind überwiegend Phantasie-Gutachten (> Meinungsachten)




    Kunst und Phantasie {}
    Kunst gilt als die natürlichste Domäne der Phantasiebetätigung. Hier wird oft die handwerklich-technische Leistung und Disziplin übersehen oder weitgehend ausgeblendet. Intuitiv meine ich, das Verhältnis ist bestenfalls 10:90.
        Querverweis: Kunst in der IP-GIPT.



    Liebe und Phantasie {}
    Der Liebende liebt gewöhnlich nicht das geliebte Gegenüber, sondern das Bild, das er sich vom geliebten Objekt macht. Und in diesem Bild ist gewöhnlich viel Phantasie enthalten, am stärksten in der Phase der Verliebtheit, die man auch als psychopathologischen Ausnahmezustand verstehen kann.
        Querverweis: Verliebtheit und Liebe. Kunz (1946), S. 244, bestätigt diese Interpretation mit Goethe:
     
      "Das Bild des geliebten Menschen
      Goethe hat gelegentlich zu Riemer gesagt: «Die wenigsten Menschen lieben an dem andern das was er ist, nur das was sie ihm leihen, sich, ihre Vorstellung von ihm, lieben sie» [FN1]. Der erläuternde Nachsatz läßt keinen Zweifel darüber aufkommen, wie Goethe seine Feststellung verstanden wissen wollte. Die «geliebten» Andern bilden danach zumeist lediglich das Gefäß der gleichsam entfremdeten, in die Mitwelt projizierten «Eigenliebe» — jener Macht also, der vor allem La Rochefoucauld das entscheidende Gewicht unter den mehr oder weniger verborgenen Antrieben des menschlichen Verhaltens zuschrieb. ..."




    Literatur und Phantasie {}
    Gedichte, Erzählungen, Romane brauchen während der Erzeugung einige Phantasie und meist enthalten sie auch viel Phantasie und bestehen sogar im Wesentlichen aus Phantasie, auch wenn sie - wie viele Romane - virtuelle Wirklichkeiten beschreiben: Als-ob-Welten.
        Meid (1999) führt im Sachwörterbuch zur deutschen Literatur S. 391f aus: "Phantasie oder Einbildungskraft, im 18. Jh. entwickelte poetologische Kategorie. Dabei kommt den Schweizern Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger eine [>392] besondere Bedeutung zu. Sie erweiterten im Verlauf der ästhetischen Diskussionen - auch mit Johann Christoph Gottsched - das Nachahmungsprinzip auf die »möglichen Welten«, erhöhten die nur reproduzierende »Imagination«, von der ihre Discourse der Mahlern (1721-23) sprechen, in ihren späteren Schriften zu einer produzierenden, schöpferischen Einbildungskraft und stellten mit den Begriffen des »Neuen«, »Wunderbaren« und »Erhabenen« »Köpfen von einer feuerreichen Einbildungskraft« neue Aufgaben. Damit schufen Bodmer und Breitinger die Voraussetzungen für eine Subjektivierung der Dichtkunst und ihre Befreiung von den Weisungen der normativen > Poetik in der 2. Hälfte des 18. Jh.s.
        Während dann einerseits in der Romantik die Leistung der Einbildungskraft gleichsam absolut gesetzt wird (Novalis: »Die Einbildungskraft der
    wunderbare Sinn, der uns alle Sinne ersetzen kann [...]«), werden andererseits die »Leiden der Einbildungskraft« (Karl Philipp Moritz, Anton Reiser, 1785-90) bzw. die Gefahren einer rauschhaften Phantasie (Wilhelm Heinrich Wackenroder) thematisiert. ..."
        In einem weiteren Stichwort, S. 392: "Phantastische Literatur, Texte, in denen Phänomene auftreten, die jenseits der (historisch und kulturell unterschiedlich definierten) Erfahrungswirklichkeit liegen. Diese so geschaffene Welt des Phantastischen muss als (wenigstens potentiell) mögliche dargestellt werden, verlangt also angesichts der in ihr vorkommenden >unmöglichen<, phantastischen Gestalten und Ereignisse nach Erklärung. Diese Erklärung kann darin liegen, dass das Phantastische rational aufgeklärt oder als Erscheinung einer anderen Wirklichkeit - wie auch immer begründet - bestätigt wird.
        Das Aufkommen des Phantastischen in der Literatur im späten 18. Jh. hängt eng mit der > Aufklärung und den gegen sie gerichteten okkulten Gegenströmungen zusammen. Die Geheimbundromane der Zeit wie Schillers Geisterseher (1787-89) oder Karl Grosses Genius (1791-94) vertreten kritisch-aufklärerische Tendenzen und sehen hinter dem Unheimlichen rational erklärbare finstere Machenschaften klerikaler und feudaler Kreise und Geheimgesellschaften. Eine andere, beim Publikum erfolgreiche Richtung des > Schauerromans knüpft v. a. an die engl. Gothic novel an und geht von der Wirklichkeit des Übernatürlichen aus. Hier setzt dann auch die phantastische Literatur der > Romantik ein, in der das Unterbewusste der Psyche gleichsam als phantastische Wirklichkeit nach außen projiziert wird (Ludwig Tieck, E. T. A. Hoffmann, Achim v. Arnim u. a.). Diese Tendenzen finden ihre Fortsetzung in der > schwarzen Romantik der europäischen und amerikanischen Literatur. In der Literatur der Moderne seit etwa 1900 spielt die geheimnisvolle Gegenwelt des Phantastischen als das »mit fremdem Blick gesehene Reale« (Jean-Paul Sartre) erneut eine wesentliche Rolle (Hanns Heinz Ewers, Franz Kafka, Alfred Kubin, Gustav Meyrink u. a.). > Utopie, > Fantasy."



    Mathematik und Phantasie {}
    Für die psychologische Analyse brauchbare Befunde und Beschreibungen wie MathematikerInnen phantasieren, habe ich nicht gefunden. Intuitiv habe ich keinen Zweifel, dass es in der Mathematik viel mehr Phantasie und Probieren gibt als man es den fertigen Arbeiten ansieht. Die Wege mathematischen Denkens und Phantasierens werden sehr gut verborgen.
        Hilbert wird die kleine Bosheit zugeschrieben: "Ein Mathematikstudent besuchte nicht mehr die Vorlesungen - er schriebe jetzt einen Roman. Man fragte sich daraufhin in Göttingen, wieso ausgerechnet ein ehemaliger Mathematiker Dichter würde. «Aber das ist doch ganz einfach,» sagte HILBERT: «Er hatte nicht genug Phantasie für die Mathematik, aber für Romane reicht's.»" (Ehlers 1994, S. 31). Eines kann dieses bon mot jedenfalls sehr deutlich machen: Im Selbstverständnis großer Mathematik ist mathematisieren eine Denktätigkeit, die sehr viel Phantasie erfordert - auch wenn die meisten SchülerInnen aus ihrem Mathe-Erleben in der Schule da einen ganz anderen Eindruck haben. Phantasie und Kreativität braucht man wahrscheinlich zum Erkennen von Zusammenhängen, Möglichkeiten, Hypothesenbildung, insbesondere Lösungs- und Beweismöglichkeiten. Die Phantasien der MathematikerInnen beim Mathematisieren liegen nach meinen Kenntnissen - obwohl ich reichlich recherchiert habe - weitgehend im Dunkeln.
    • Piaget, Jean (1975) Die Entwicklung des Erkennens I Das mathematische Denken. Stuttgart: Klett.
        Nebenbei aufgefallen: In dem Buch von Walter R. Fuchs (1976) Formel und Fantasie gibt es weder einen Abschnitt noch einen Sachregistereintrag zum Thema Fantasie, so dass ich bedauerte und mich ärgerte, auf diesen Titel zum Ausleihen hereingefallen zu sein.



    Metaphysik und Phantasie {}
    Metaphysik, eine Domäne der Philosophen und Theologen, heißt wörtlich hinter der Natur. Gemeint sind die Sachverhalte, die hinter den fassbaren Erscheinungen stecken. Damit ist Metaphysik auch eine Domäne für Phantasien, aus denen sie im wesentlichen bestehen, wobei der Konstruktivismus inzwischen eine Wende brachte, die das allgemeine drauflos Schwafeln (Prototyp >Hegel) erschwert: bevor man über seine Gegenstände reden kann, muss man sie verständlich und nachvollziehbar prädizieren, definieren oder charakterisieren. Nichts braucht so sehr  referentielle, operationale  Anbindung, wie Abstrakta und Allgemeinbegriffe.



    Musik Fantasien
     


    Pädagogik und Phantasie
    Erziehung, Pädagogik, Kita, Kindergarten und Schule kommt für die Entwicklung und Nutzung der Phantasie naturgemäß größte Bedeutung zu.
     
      "Literatur statt Lektüre. Wie sich an Originaltexten die Phantasie der Schüler entzündet Was alles im Text steckt Ein Text sollte über Inhalte und Bilder verfügen, die die Phantasie des Lesenden beflügeln, ihn seelisch berühren, sein Interesse für das Dargestellte, die Sprache, die fremde Epoche und Kultur wecken. Die Schüler sollen lernen, Texte nicht nur nach ihrem Inhalt, sondern auch nach den impliziten und expliziten Intentionen des Autors zu untersuchen. Da sich die Welt im geschriebenen Text durch das Wort offenbart, bezieht sich der Weg, der mit den Oberstufenschülern gegangen wird, auf die Notwendigkeit, die Welt des Textes fühlend und denkend in sich aufleben zu lassen." Von Gilberte Dietzel, Februar 2013, in Erziehungskunst (Online, Abruf 22.08.17)




    Psychopathologie und Phantasie {}
    Die Psychopathologie ist voller Phantasien: Angstphantasien, Depression (Mangel an Phantasie), Drogen erzeugte Phantasien, Dysmorphophobie, Eifersucht(swahn), Größenphantasien, Hypochondrie, [selbst erzeugte] Katastrophenphantasien, negative Phantasie, Wahn, Zwangsgedanken.
        Eine informative Quelle ist Jaspers Allgemeine Psychopathologie, hier die 5. Auflage aus 1948,  mit den Sachregistereinträgen: "Phantasie, phantastisch, ph. Gesichtserscheinungen 57 f.; Formen ph. Erlebniszusammenhänge 123 ff.; Flucht aus der Wirklichkeit in Ph. 273; Pseudologia phantastica 126, 184, 274, 3531, 575. Phantomglied 75."
        Querverweis: Die irreale Welt in unserem Kopf.
     
      Angst und Phantasie  {}
      Angst ist ein Gefühl, das uns vor Gefahren warnt und sich bei Gefahren einstellt. Angst ist also ein lebenswichtiges Gefühl, das uns auf Gefahren aufmerksam macht. In Behauptungs- und Beweissituationen, wo es um etwas geht, wie z.B. bei Prüfungen, ist eine gewisse Primär-Angst natürlich, normal und sogar nützlich (>Beweis-, Behauptungsangst und Lampenfieber). Werden Gefahren erlebt (>Erlkönig), vorgestellt oder phantasiert ("katastrophieren"), stellt sich Angst ein. Es gibt aber auch Angstzustände, die sehr plötzlich auftreten, wie aus heiterem Himmel, wo sich die Erlebenden an keine Bedrohung oder kognitive "Arbeit" mit Bedrohungen erinnern können. Das urplötzliche Hereinbrechen solcher Angst- oder Panikzustände lässt sich dann nur aus nicht-bewussten Vorgängen erklären. {K01h, K02h, Q04, Q06}
      Halluzination und Phantasie  {}
      Halluzinationen heißen Wahrnehmungserlebnisse ohne äußere Wahrnehmungsquelle. Der Halluzinierende hält diese Wahrnehmung für reale Wirklichkeit. Hingegen wissen Menschen mit eidetischer Vorstellungsgabe, dass ihre perfekt echten Wahrnehmungsbilder nur Vorstellungen sind. Während beim Halluzinierenden die Realitätskontrolle nicht mehr funktioniert, tut sie das bei EidetikerInnen. {K02h, K08, Q04}

      Hypochondrie und Phantasie  {}
      Hypochonder widmen ihren Körperreaktionen, auch kleinsten, ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Da meist nicht klar ist, woher sie rühren und was sie bedeuten, sind sie ein idealer Anknüpfungspunkt für allerlei negative, destruktive und Katastrophenphantasien {K02h}. Es könnte ja etwas sein, etwas Schlimmes. Man könnte die Hypochondrie daher auch als Phantasiekrankheit bezeichnen. {Q04}
       

      Psychose und Phantasie   {}
       
        Beringer, K. & Mayer-Groß, W. (1925) Der Fall Hahnenfuß. Ein Beitrag zur Psychopathologie des akuten schizophrenen Schubs. Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, 209-250, hieraus S. 223f:
        "Ein Gedanken- und Erlebniskonnex ist es daher ganz besonders, der es verdient, für alle Zeiten der Erinnerung festgehalten zu werden; ich meine das Erlebnis zu Hause, das ich mit den Worten bezeichnen möchte: Einzug im Himmel {K2h, Q04}. Es ist dies nicht mit einfachen Worten abzutun, als sei es ein Spiel der bloßen Phantasie gewesen, vielmehr war es die realste Wirklichkeit: in deren Mittelpunkt [>224] strahlte ein Juwel ewiger Glorie [„Es war für mich die Gottheit, eher gesehen als gefühlt" {K02h, Q04}] von unvergänglicher, unauslöschlicher Geisteshöhe und -tiefe [„Ein Erleben in Größe instinktmäßig. Der Maßstab versagt"]. Kein Erlebnis meiner Seele ist für mich je so bedeutsam gewesen, wie dieses Bewußtsein, im Paradiese zu leben {K02h, Q04}: Im Lande der Sphärenharmonie, von einem Stern zum anderen wandernd {K02h, Q04}, immer neue Seelen im Glänze der Himmelsgebilde erkennend {K02h, Q04}, dabei die tiefsten, im Leben nie geahnten Zeitdimensionen durchmessend, im Lande der ewigen Schönheit, des tiefsten und reinsten Friedens, der vollsten wahrsten Harmonie, von Musik und Engelgesang {K02h, Q04} umflutet, dabei in allem frei und völlig unbehindert im Raum der Unendlichkeit schwebend {K02h, Q04} — so tat sich meinem innern Auge diese neue Welt der Herrlichkeit auf, — nie geahnt, nie auch nur leise erträumt: Überall Liebe erschauend, Harmonie ergründend, in der Tat alles darin enthalten, was man nur auch überhaupt in das Wort Himmel oder Paradies hineindenken kann, und das man um jeden Preis ewig so festzuhalten wünscht. {K02h, K04h, Q04}"
         
        Eyrich, Max (1925) Zur Klinik und Psychopathologie der pyknischen Schizophrenen. Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, 682-723, hieraus S. 694: {}
        "So kam Frau B. vor 3 Jahren in die Klinik, wo sie nun seither auf der ruhigen Wachabteilung lebt. Ganz kurze, nie über Stunden dauernde Erregungszustände machten zuweilen schon die Verbringung auf eine andere Station notwendig. So schrie sie einmal in einem solchen eine halbe Stunde lang gellend hinaus und gab die Begründung, es sei ihr ein Schweinehals eingesetzt worden {K02h, Q04}. Im Bad beruhigte sie sich dann sehr rasch.
            Sonst treffen wir sie untätig im Bett liegend an. Sie reicht uns in freundlicher Art die Hand, ein aufgeschlossenes Lächeln geht über ihr Gesicht, ihre Worte geben der Freude Ausdruck, daß wir an sie gedacht haben. Die äußeren Formen des Verkehrs werden vollkommen eingehalten. Wir bemerken an der leicht koketten Art, sich zu kleiden, daß ihr weiblicher Sinn für Eitelkeit nicht erstorben ist.
        Wenn wir Glück haben, so folgt sie unserer Aufforderung, von ihrem Denken und ihren Erlebnissen zu erzählen. Sie wird aufgeschlossen, gesprächig, lebhaft. Bald mit heiterer Redseligkeit, bald mit angehaltener leiser Stimme, als ob das niemand hören dürfte, spricht sie und wir erfahren, daß sie den ganzen Tag erlebt. Es hat mit Tagträumereien {Q02} Ähnlichkeit — manchmal hören wir sie selbst lachend sagen: es sind lauter Phantasien {K01h, Q02, Q03}.
            „Sie spüre alles, was im Haus vorgeht, auf eine Art magnetische Weise sei sie mit allem verbunden {K02h, Q04}. Wenn jemand neu auf die Abteilung kommt — es sei ihr nicht angenehm — dann wisse sie durch ihre Verbundenheit schon beim Betreten des Hauses, was diesem fehle {K02h, Q04}. — Manchmal bei Nacht lösen sich die Zöpfe ihrer Mitpatientinnen los und legen sich ihr auf den Bauch, ganz lang. — Dann stirbt wieder eines, ein anderes wird gesund, und „das Leben" dieser Menschen fliegt auf das Dach und kreist da {K02h, Q04}. — Heute Nacht, da sei sie als Eva auf die Straße gegangen, ohne Kleider, das müsse sie seit ihren Jugendjahren tun und jetzt immer wieder." „Die Natur kehrt wieder, wenn man solange allein ist"... „Sie könnte uns noch lange erzählen, aber wir glauben es ihr ja doch nicht, wir halten das für unwahr oder für verrückt, aber das ist es nicht, wir verstehen sie nur nicht."
            Viele Wortneubildungen {K03h} fließen in ihrer Rede, vieles erscheint völlig unverständlich und zerfahren, affektiv ist Frau B. in den letzten Jahren deutlich verflacht und sie ist auf keine Weise zu einer Tätigkeit zu bringen. Und doch fühlen wir uns stets aufs neue überrascht, wenn wir zu ihr hintreten, wie lebhaft und geordnet sie ein oberflächliches Gespräch zu führen vermag."
       

      Selbstmordphantasien  {}
      Zur Problematik des Begriffes "Selbstmord".
       

        Ringel (1983) schreibt S. 583: "Wer hätte nicht schon einmal in seinem Leben mit der Möglichkeit, Selbstmord zu begehen, gedanklich gespielt {K01h}? Bürger-Prinz meint, daß wir alle tot wären, wenn wir an unserem Körper eine Vorrichtung besäßen, die wir, ähnlich einem Lichtschalter, auf »Aus« stellen könnten. Dennoch führen solche gelegentlichen Ideen nicht zum Selbstmord, sind an sich noch nicht als krankhaft zu bewerten. Grundsätzlich andersartig ist jene intensive Beschäftigung mit dem Selbstmord, welche den präsuizidalen Status kennzeichnet. Die Rolle der Phantasie an und für sich, als einer weltbewegenden Kraft, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, handelt es sich doch bei ihr um ein »neuformendes Denken« {K03h}: Es gibt kaum ein menschliches Ziel, das nicht in der Phantasie vorweggenommen worden wäre {K01h}.
            In diesem Zusammenhang darf auf die präsuizidale Einengung des Denkvorganges in die Richtung negativer, düsterer, pessimistischer Gedanken verwiesen werden, die im Rahmen der bereits früher erwähnten dynamischen Einengung auftritt; solche Gedanken werden bald auch von entsprechenden Selbstmordphantasien {K01h} begleitet. Dabei muß man unterscheiden zwischen anfänglichen aktiven, d. h. willentlich intendierten Vorstellungen, und späteren passiven, die sich ohne Absicht, ja gegen den Willen, oft in Form von Zwangsgedanken {K01h, Q04} aufdrängen und immer beherrschender werden: Vom Standpunkt der Selbstmordgefahr sind die letzteren besonders alarmierend. In diesem Sinne gibt es Verläufe, bei denen die präsuizidalen Phantasien scheinbar harmlos anfangen, etwa mit der Vorstellung, daß man »es ja tun könne«, wenn einem dieses oder jenes mißlänge. So meint Nietzsche, daß einem der Gedanke, Selbstmord begehen zu können, über manche schwere Nacht hinweghelfen kann, und Hesse läßt im »Steppenwolf« seinen Helden Kraft zur Überstehung kritischer Jahre dadurch gewinnen, daß sich dieser immer wieder vorstellt, er habe ja die Möglichkeit, sich an seinem fünfzigsten Geburtstag umzubringen.
            Was aber im Anfang fast wie ein Entlastungsmechanismus aussieht, kann später eine schwere Bedrohung des Lebens werden, dann nämlich, wenn sich solche Phantasien {K01h} gleichsam selbständig machen: Dieser Vorgang ist fatal dem im »Zauberlehrling« geschilderten vergleichbar, wo man die Geister, die man rief, nicht mehr loswerden kann {Q04, Q05}. Jede wunscherfüllende Phantasie, auch die Vorstellung, tot zu sein, ist eine Flucht aus der Wirklichkeit. Je mehr man sich etwas vorstellt, was zur Realität konträr {K01h, K02h} ist, desto schwerer fällt dann die Rückkehr in die bittere Wirklichkeit und desto mehr bleibt man dementsprechend von der Phantasie abhängig. Diese Abhängigkeit provoziert nicht zuletzt den Umschlag von aktiven zu passiven Selbstmordphantasien {K01h}."
            Kriteriendiskussion: Die Unterscheidung von aktiven (willentlichen) und passiven (widerfahrenden) Phantasien ist in meinen Kriterien bislang nicht erfasst.
      Sexuelle Abweichung  {}
        Donath, Julius  (1905) Zur Psychopathologie der sexuellen Perversionen. Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, 435-444, hieraus S. 443f:
        "Wir sehen also bei diesem jungen Manne, in dessen Seitenverwandtschaft Irrsinn vorgekommen ist, dass im 10. Lebensjahre gelegentlich des Anblickes einer Züchtigung ein unbekanntes, dunkles Gefühl wollüstiger Erregung entstellt. Mit dieser mächtigen, wenn auch noch unklaren Empfindung {Q06} vergesellschaftet sich so innig das Bild der robusten Bäuerin mit den hochgeschürzten Röcken und schmutzigen Waden, dass der Anblick solcher Bäuerinnen ihn geschlechtlich hochgradig erregt und in allen seinen späteren erotischen Phantasien diese Gestalten stets wiederkehren {K01h, Q04, Q06}, und er sich an der Stelle des geprügelten Knaben sieht Diese Scene des Schmerzerduldens wird noch mit der der Erniedrigung erweitert, welche durch die Auslieferung an die Bauern erfolgt {K01h, Q06}. Die Vorstellung {K08m} der Schläge ist mit Erectionen und Ejaculationen verbunden. Es handelt sich also um einen in der Vorstellung sich abspielenden (ideellem) Masochismus, oder wie Schrenck-Notzing es nennt, um passive Algolagnie. Diese besondere Form psychischer Onanie {K01h, Q06} war bis zu seinem 18. Jahre die alleinige Art der Geschlechtsbefriedigung. Aber auch von da ab, wo er den sexuellen Verkehr aufsuchte und wobei der Coitus stets in natürlicher Weise vollzogen wurde, traten in 3 bis 5tägigen Anfällen, jetzt schon wöchentlich, diese unbezwingbaren, pervers-erotischen Vorstellungen auf {K01h, K08m, Q06}. Ihr pathologischer {Q04} Charakter zeigte sich auch darin, dass sie mit seelischer Pein einherging, die Ejaculation keine Befriedigung brachte, vielmehr die erotischen Bilder {K08m} mit dem Schlusseffect wieder von Neuem begannen und nach dem Aufhören des Anfalles allgemeine Körperschwäche, Verstimmung und Lebensüberdruss sich einstellten, die bald wieder mit Reizzuständen (Wolfshunger, Kopf- [>444] reissen) wechselten {Q04}. ..."


      Wahn und Phantasie  {}
      Jeder Wahn ist auch eine Phantasie, aber nicht jede Phantasie ist ein Wahn. Die allermeisten Phantasien erfüllen die Wahnkriterien nicht, sind also kein Wahn.

        Reil (1803), S. 271: {}
        "... Eine Jungfer verfiel nach einem Nervenfieber in den Wahn {Q04}, ihr Kopf, als die Quelle ihrer Schmerzen müsse abgeschnitten werden {K01h, K02h, K04h, Q04}. Zufällig war man genöthiget, ihr dickes und langes Haupthaar wegzuschneiden, weil es durch die Krankheit in Verwirrung gerathen war. Schon während dieser Operation fand sie sich erleichtert. Endlich, rief sie voller Freuden aus, schneidet ihr mir den Kopf ab {K01h, K02, K04h}, nun werde ich gewiss gerettet! {K01h, K02, K04h} Und in der That verlohr sich von diesem Augenblick an ihr Wahnsinn und kehrte nie wieder zurück. ..."
            Das ist ein sehr interessanter Bericht von Reil, weil er eine Heilung durch Einbildungskraft bzw. Phantasie zeigt.
        Bürger, Hans  (1926) Beiträge zur Psychopathologie schizophrener Endzustände. II. Mitteilung. Über die Entstehung paraphrener Wahnbildungen und über Erinnerungstäuschungen.  Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, 719-747, hieraus S. 721f: {}
            "... Auf Drängen der Mutter nahm er wieder Arbeit in einer Möbelfabrik, wo er bis zur Aufnahme in die Klinik am 19.1.1925 arbeitete. Ab und zu äußerte er zu Hause merkwürdige Dinge; von feurigen Gestalten sprach er, die er gesehen habe. Der ihn auf Anraten eines Arztes einliefernde Bruder gab uns weiter an: Oe. habe einmal behauptet: ein Steinbruch habe geschrien {K01h, K02h, Q04}. Die Moabiter gingen um. {K01h, K02h} Er habe Über viel Kopfschmerzen geklagt, und daß er sich verändere. Allerlei Beschwerden: Müdigkeit, Schwindelgefühl habe er zu Hause vorgebracht. Schlaffheit und Unlust zur Arbeit habe man ihm deutlich angemerkt.
            Bei der Aufnahme (19.1.1925) sahen wir einen frischen, kräftig gebauten Menschen vor uns, rund und beweglich im Gestus, mit lebhaften Augen, der sich ganz unauffällig benahm, mit dem man gleich guten Rapport hatte. Er gab ohne jeden Rückhalt an: mit ihm müsse etwas nicht richtig sein. Er müsse etwas im Kopf haben. Anfälle kämen oft über ihn, klagte er, dann weite sich das Herz, die Atmung gehe rascher, die Adern würden ganz dick. Manchmal sei er ganz verändert. Er spreche dann mit einer Baß- oder Fistelstimme. Sein Körper sei oft schwarz und fühle sich wie rußig an {K01h, K02h, Q04}. Mit seinen wahnhaften Inhalten hielt er zunächst zurück, sprach nur unbestimmt von etwas Geheimnisvollem, brachte dann aber sprudelnd und ganz unbeirrt durch alle Anzweiflungen und selbst durch Spott in unerhörter Fülle phantastische Erlebnisse vor, die er gehabt haben wollte {K01h, K02h, Q04}. Unbekümmert gab Oe. Antwort auf Fragen nach seinem sonstigen Lebenslauf. Freundlich, zugänglich saß der kräftige, untersetzte Mensch da, sprach von seiner Arbeitszeit, um dann immer wieder bei jeder sich bietenden Pause seine psychotischen Inhalte vorzubringen; „Ja, Herr Doktor, das Stück ist mir passiert, da bin ich unter Wasser einem Mann begegnet, und wir konnten sprechen miteinander. {K02h, Q04}" Unbeirrt durch die Frage „wovon denn?" „Ja, Herr Doktor, das war so, ganz blau war alles. Und ein Fisch ist da geschwommen, dem sah man an, daß er aus der Unterwelt kam. {K02h}" Unterbrach man Oe., „das ist doch Unsinn, erzählen Sie lieber, ob Sie früher viel geträumt haben", sprach er ruhig weiter: [>722] „Nein, Herr Doktor, geträumt habe ich nicht. Aber mit 7 Jahren ist mir das schon passiert, daß mir ein Mann gesagt hat: „Wenn deine Schwestern verschmelzen, gibts einen Fischleib {K02h, K03h}. Da ist mir auch Gott begegnet {K02h, Q04}, Sauber sah er aus in grünem Zivilmantel {K02h, Q04}. Als ich ein Bub war, kam ein Mann mit einer weißen Segeltuchtasche und war plötzlich verschwunden." Das Fegfeuerschiff {K02h, K03h, Q04} hat ihn — den Patienten — mitgenommen. Ein Drache mit feurigem Schlund kam auf einmal auf ihn zu {K02h, Q04}. Engel waren ihm auf der Straße entgegengekommen {K02h, Q04}. Ein schöner Jüngling, der Gott war {K02h, Q04}, hat ihm zugelächelt. Kosmologische und dämonologische Vorstellungen unter allerlei szenischen Zutaten spielten eine Hauptrolle. Die Tore zu den Totenreichen seien geöffnet {K02h, Q04}. Die Moabiter und die anderen feindlichen Männer versuchten die Herrschaft zu gewinnen {K02h, Q04}. Das Fegfeuerschiff sei durch die Luft gesaust {K02h, Q04}. Ihn selbst habe es mitgenommen, und die Höllenpforte habe er vom Schiff aus gesehen {K02h, Q04}."

        Religiöser Größenwahn   {}
        Daffner, Hugo (1922) Zur Psychopathologie der Königsberger Mucker. Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie 151-, hieraus S. 153f:
        "Die Ideenwelt der Königsberger Muckerkreises FN2) ging aus von dem Theosophen Johann Heinrich Schönherr, der 1770 in Memel als Sohn eines Unteroffiziers geboren war. Schönherr hatte nie etwas Richtiges gelernt. Er rühmte sich geradezu, nie ein Buch zu Ende gelesen zu haben. „Als Schüler, so erzählt er selber, forschte ich mehr als ich lernte. Schon beinahe zwei Jahre vor meiner Entlassung von der Schule zur Universität huben meine Zweifel an einer göttlichen Offenbarung {K02h, Q04} sich so zu mehren, daß ich selbst Gründe, sie zu verteidigen, fand." Er läßt sich in Königsberg als Jurist immatrikulieren und gelangt im Herbst 1792 auf einer Reise zu seinem „System". Er schreibt darüber selber: „Stoff der Körper, Wesen des Geistes, Zusammenhang zwischen beiden waren die ersten Wahrheiten, welche ich der Untersuchung zugrunde legen mußte ... Nur einer höheren göttlichen Fügung darf ich es danken — denn wie viele mögen dasselbe und vergeblich gesucht haben —, wenn ich bei Öfteren einsamen Gängen in die Natur im Sommer des Jahres 1802 FN3), als ich, die Pflanzen betrachtend, meinen Gedanken nachging {K01h}, woraus sie doch werden möchten, durch die in meiner Seele nachtönende Antwort überrascht ward: Wasser ist's . . . Die Pflanze hatte also ihren Zuwachs bloß aus dem Wasser gezogen — was, fragte ich, nun ist das Etwas, das das Wasser in den zarten Keim der Pflanzen treibt . ..? Da wandelte und lag ich dann nun wieder oft einsam unter den Wohlgerüchen der Gewächse, diesen Gedanken nachhängend {K01h} ... Der Geruch der mit Tau getränkten Pflanzen, eines Morgens mir frischer denn sonst entgegenduftend, gab mir die erste Mutmaßung. Ich fragte nämlich: Was treibt diesen Geruch aus den Pflanzen aus? Mein Blick erhob sich zur Sonne: Die Antwort war: „Nur Wärme, Feuer, Licht, Sonnenstrahl!" Wärme entbindet sich aus dem Feuer oder Licht. Licht muß bildendes Prinzip in der Schöpfung sein {K01h, K02, Q04}. Je mehr ich forschte, je mehr bestätigte es sich. Ein Stoff für die Körper, ein Etwas für den Geist war gefunden." Das Jahr darauf kehrt Schönherr von Rinteln, wo er seine Entdeckung gemacht hatte, über Leipzig, wo er wegen seines eigenartigen Auftretens als Geisteskranker interniert wird, nach Königsberg zurück. Hier lebt er bescheiden als Privatmann von den milden Gaben seiner Freunde, eifrig für seine Lehre und deren Ausbreitung wirkend. Er hatte stets einen oft größeren, oft kleineren Kreis von Anhängern um sich. Ein Student, der religiöse Zweifel hatte, wird an Schönherr gewiesen und macht darüber folgende Aufzeichnungen: „Sein Äußeres frappierte mich; denn er geht mit einem Barte und unverschorenem Haupthaar, welches er seiner Gesundheit wegen tut, da das Beschneiden der Haare ihm Übelbefinden verursacht. Noch mehr frappierten mich seine Reden, welche mir ganz neu waren. Denn er sprach von Gott [>154] in der Art-, daß das Licht Gott sei, alte Eigenschaften, welche wir Gott beilegten, dem Lichte beizulegen seien {K02h, Q04} ..."

        FN2) Mucker, vom germanischem muk (heimlich tun), bedeutet ungefähr heimtückische Frömmler; zuerst für die Anhänger des Jenenser Theologen Buddeus (1663—1729), dann vor allem für die Anhänger der hier behandelten Sekte gebraucht,
        FN3) Diese Jahreszahl ist irrtümlich.

       
      Zwang und Phantasie  {}
      Kontrollzwänge ranken sich meist um die Frage und fesseln das Bewusstsein, ob ein Vorgang richtig abgeschlossen wurde (Fenster zu, Tür zu, Herd aus, abgeschlossen, ...).




    Psychotherapie und Phantasie  {}
    In der Psychotherapie (Psychodiagnostik, Beratung, Coaching) spielen Phantasien eine kaum zu überschätzende Rolle, als  (Mit-) Grund  von Störungen, bei der Psychodiagnostik und vor allem als Heilmethode, z.B. Aktive Imagination (Jung),  Bewusstseinslenkung (Sponsel), Desensibilisierung, freies Assoziieren, gelenkter Tagtraum, Imaginationsverfahren, katatyhmes Bilderleben, Mentales Training, Psychodrama, Rollenspiel, Theatertherapie,  ...

        In Kirn et al (2009), S. 7 wird ausgeführt:

      "1.1.1 Vorstellungen sind relevant für die Erklärung und Behandlung psychischer Störungen
      In fast allen psychotherapeutischen Ansätzen besteht Übereinstimmung darüber, dass »Vorstellungen «, die ganz allgemein bei der Entstehung, Aufrechterhaltung und Veränderung von Verhalten und Erleben eine wichtige Rolle spielen, auch für die Erklärung und Behandlung psychischer Störungen relevant sind. Die Wirksamkeit therapeutischer Veränderungsarbeit mittels imaginativer Methoden konnte in zahlreichen Untersuchungen für eine Vielzahl psychischer Störungsbereiche aufgezeigt werden (vgl. Singer u. Pope 1999):
      • Angst (Wolpe 1958; Lang et al. 1970; Weerts u. Lang 1978)
      • Sexuelle Funktionsstörungen (Kaplan 1974)
      • Essprobleme (Vanderlinden u. Vandereycken 1995)
      • Affektive Störungen (Schultz 1999)
      • Soziale Ängste (Kazdin 1999; Kossak 2004, S. 401ff , 621ff )
      • Schmerz (Basler et al. 1999)
      • Sprech- und Sprachstörungen, Stottern (Kossak 2004, S. 488ff )
      • Krebsbehandlung (Simonton u. Simonton 1975; Simonton et al. 2001)"
        Inhaltsverzeichnis von Singer & Pope (dt. 1986, Hrsg.) Imaginative Verfahren in der Psychotherapie.


    Rechtsbegriffe  und Phantasie  {}
    Rechtsbegriffe sind Konstruktionen des menschlichen Geistes. Sie führen deshalb eine besondere Existenz. Das besondere Problem der Rechtsbegriffe besteht darin, dass sie meist einen mehr oder weniger unbestimmten und unklaren Begriffsanteil haben. Ein Rechtsbegriff besteht sozusagen aus zwei Teilen: einem bestimmten Teil (B) und einem offenen, unbestimmten Teil (U): RB := B + U. Der offene und unbestimmte Teil U ist damit ein Phantasiebegriff, in den jeder seine eigenen Bedeutungsinterpretationen hineinprojiziert {K05h} je nach Interessen und Sachlage. Streng genommen sind Rechtsbegriffe zumindest teilweise Phantasiebegriffe {K01h}.


    Technik und Phantasie  {}
    Die Aufgabe der Technik ist die Optimierung von Leistungen. Es ist die Domäne der Tüftler und Erfinder, die Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit, Erfahrung, Wissen, Experimentierfreude, Kreativität und Phantasie brauchen. Das kann auch auf absurde Spitzen getrieben werden, wie uns das die großen Inter-Giganten derzeit eindringlich vorführen.



    Theater und Phantasie  {}
    Theateraufführungen regen das Erleben und die Phantasie der Zuschauer an. Aristoteles formulierte gar einen  Katharsiseffekt.



    Utopie und Phantasie  {}
    Utopien (Nirgend-Ort) sind schon vom Namen her nicht existent, also Phantasien {K01h}, genauer Wunschphantasien {K04h}. Im Grunde braucht man nicht viel Phantasie, um eine Utopie zu beschreiben. Man verneint das, was einem nicht gefällt, und schon hat man eine Utopie. Aber schwierig würde es, wenn man angeben sollte, wie man die Realisation herbeiführen kann. Vieles, was früheren Menschen, vor zig-Jahren als Utopie erschien, ist heute keine mehr. Viele Utopien sind daher als relativ anzusehen
        In Condreau (1982) Kindlers Psychologie des 20., Jhds., Psychologie der Kultur Bd. 2: Imagination, Kunst und Kreativität, finden sich einige Artikel zum Thema Utopie:
    • Hans Heinz Holz "Erscheinungsform der Utopie" (258-265)
    • Hans Heinz Holz Denkform und Bewusstsein der Utopie (266-275)
    • Bruno Frei Krise der Utopie und des Fortschritts (276-286). Hieraus, S.279: "»UTOPIA«

    • Die Utopie ist älter als das Wort, das sie bezeichnet. Platons »Politeia«, eine hierarchisch-autoritäre Utopie, ist mehr als tausend Jahre früher entstanden als Begriff und Bezeichnung. »Utopia« (1516) (Nirgendsland) nennt  Thomas Morus,  englischer Kanzler, seinen Roman vom besten Staat, wo allen alles gehört und, obwohl keiner etwas sein eigen nennt, dennoch alle reich sind.
          Insofern sie Hoffnung, wenn auch nur traumhaft, materialisierten, waren die Utopisten Wegbereiter des Fortschritts; sie kämpften mit den Mitteln, die ihnen ihre Zeit bot; sie versuchten mit ihren Konstruktionen das Wunschbild der Sphäre des Möglichen anzunähern, es in Fortschritt umzuwandeln.
          Als im siebzehnten Jahrhundert die Spekulation über die Gesellschaft (selbst noch bei Spinoza) dem Wissen von der Gesellschaft weichen mußte - Beispiel:  Francis Bacons »Novum Organon« (1620): »The lack of hope is the greatest obstacle to the progress of science« (»Das Fehlen von Hoffnung ist das größte Hindernis für den Fortschritt der Wissenschaft« [Bacon 1620, dt. Ausg., Bd. I, 92]) -, begann die Blütezeit der Utopie, Zeichen der gesellschaftlichen Unrast, hervorgerufen durch das Drängen des Bürgers, die feudalen Bindungen abzustreifen. Alle jene gesellschaftsverändernden Vorschläge im achtzehnten Jahrhundert von Turgot (1754) zu  Rousseaus »Der Gesellschaftsvertrag« (1762), von den Physiokraten zu den Enzyklopädisten, bezeugen den Aufschwung der Utopie. Die neuen Ideen erzeugten eine gesellschaftliche Gärung; in der Französischen Revolution kam sie zum Ausbruch."


    Wissenschaft und Phantasie
    Die Wissenschaft braucht für ihre Entwicklung und Weiterentwicklung auch viel Phantasie, aber auch viel Denkvermögen, Wissen, Erfahrung, Probier- und Experimentierfreude, Gründlichkeit, Ausdauer, Kontrolle und Falsifikationsbereitschaft. Phantasien führen zu Vermutungen und Hypothesen, die dann kritischen Bewährungsproben unterzogen werden müssen.
        Querverweis: Wissenschaft in der IP-GIPT. * Wissenschaftsbegriff.
    • Vant'Hoff  (1878) Die Rolle der Phantasie in der Wissenschaft.




    Literaturbelege in Teil 8 Anhang: Literatur.
    Gesamt-Inhaltsverzeichnis Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs.

    Querverweise
    Standort: Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs Teil 6: Lebens- und Wissenschaftsbereiche und Phantasie.
    *
      • Definieren und Definition. * ist * Nicht * Alle & Jeder * Paradoxien * Was ist Fragen * Welten *
      • Überblick Forensische Psychologie in der IP-GIPT  *  Aussagepsychologie.
      • Beweis und beweisen in Wissenschaft und Leben.
      • Definitionen, Nominal- und Realdefinitionen (Abschnitt aus der Testtheorie).
      • Definition aus Eisler Wörterbuch der philosophischen Begriffe (1927-1930).
      • Einführung in die Definitionsproblematik am Beispiel Trauma.
      • Zum Universalienstreit am Beispiel der Schneeflocke.
      • Gleichheit und gleichen im alltäglichen Leben und in der Wissenschaft. Näherungen, Ideen, Ansätze, Modelle und Hypothesen.
      • Aufbau einer Wissenschaftssprache in Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie.
      • Allgemeine Theorie und Praxis des Vergleichens und der Vergleichbarkeit. Grundlagen einer psychologischen Meßtheorie.
      • Überblick Wissenschaft in der GIPT.
    *
       
      Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site: www.sgipt.org
      z.B. Definition definieren site: www.sgipt.org.
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    Dienstleistungs-Info.
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Psychologische Analyse des Phantasiebegriffs Teil 6: Lebens- und Wissenschaftsbereiche und Phantasie: Ein Ansatz und Entwurf aus integrativer Perspektive zur Weiterentwicklung. Internet Publikation - General and Integrative Psychotherapy IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/allpsy/phantas/APBFP6.htm
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    korrigiert: 28.08.2017 irs



    Änderungen Kleinere Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet und ergänzt.
    20.09.17     Musik Fantasien.
    29.08.17     Korrektur irs
    24.08.17    1. Version ans Netz.
    23.08.17    rs Rechtschreibprüfung.
    07.08.17     Nach Vorarbeiten angelegt.
     



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