Internet Publikation
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
(ISSN 1430-6972)
IP-GIPT DAS=27.08.2010
Internet-Erstausgabe,
letzte Änderung: 27.01.20
Impressum:
Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr.
20 D-91052 Erlangen
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Hinweise Links u. Heilmittel
Willkommen in unserer Internet-Publikation
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Heilmittel-Lehre
& Heilmittel-Monographien, und hier speziell:
Das Heilmittel J-Katharsis
und die Geschichte der Katharsishypothesen
(Gegensatz, das Heilmittel J-Beherrschung)
Übersicht Heilmittellehre und
Heilmittel-Monographien *
Literaturhinweis
Symbolik
Heilmittelgraphik *
Terminologie
und Kennzeichnungen.
von Rudolf Sponsel, Erlangen
_
_
Einführung
Die übliche Bedeutung von Katharsis ist Reinigung, Erleichterung,
Lösung durch Abreagieren. Der Begriff der Katharsis erlangte zunächst
über Aristoteles' Poetik (und Politik)
Bedeutung, in der er die Vermutung äußerte, dass bei einer Theatervorführung
ausgelöste Affekte zu einer Reinigung der Seele führen sollten.
Mehr als zwei Jahrtausende später wurde diese Vorstellung von einigen
Psychotherapieschulen und der psychologisch-psychotherapeutischen Forschung
aufgegriffen. Das Zeitalter der Hypnose ("Hypnotismus"),
Ausdruck von James Braid (1795-1860), begann 1774 mit Mesmers Entdeckung
seiner "Magnetismus" genannten Heilkraft und dem sich daraus entwickelten
sog. "Hypnotismus". Aber auch in den Allltags- und subjektiv psychologischen
Theorien spielt die Katharsisvorstellung eine oft wichtige Rolle, z.B.
in Form der Theorie, dass unterdrücktes, verdrängtes, abgespaltenes
Erleben Schaden anrichten kann. Wenn der Druck zu groß wird, dann
platzt man. Wenn das Fäßchen zum Überlaufen kommt, geht
man hoch, explodiert. Viele Menschen kennen dies auch aus eigenem Erleben.
So und so oft werden sie genervt, geärgert, frustriert, schlucken
es hinunter, nehmen sich zusammen, beherrschen sich und unterdrücken
ihre negativen Affekte. Doch eines Tages passiert eine Kleinigkeit und
"das Faß läuft über" und es platzt aus ihnen nur so heraus.
So betrachtet, gibt es für dieses Modell stichhaltige und vielfältige
Belege (aber es gibt auch Gegenbelege, z.B. Dann 1971, Nolting 2012). Und
die meisten können sich über Konfrontation mit, Hineinversetzen
in und Identifizieren mit Geschichten gefangen nehmen und berühren
lassen. Das, was mit Katharsis gemeint ist, hat vielfältige Bedeutungen
und vielfältige Bezüge im Alltag, in der Kultur und auch in der
Heilkunde. Obwohl Katharsis - Minderung von Erregung und Spannung durch
Abreaktion - fast jedermann aus eigenem Erleben kennt, ist die sog. "Katharsishypothese"
wissenschaftlich umstritten und wird mehr oder minder regelmäßig
"widerlegt" (Beispiel,
Nolting
2012). Es fragt sich nur, was da genau untersucht, beobachtet, gedeutet
und widerlegt wurde. Und genau das ist das Kernproblem nicht nur der Katharsishypothese,
sondern fast der ganzen modernen Psychologie mit ihren allzu naiven und
oberflächlichen Operationalisierungen. Deshalb muss die erste wissenschaftliche
Aufgabe sein, eine genaue, sowohl alltagstaugliche, als auch wissenschaftlichen
Anforderungen genügende Begriffsanalyse durchzuführen, innerhalb
derer die vielen widersprüchlichen Befunde eingeordnet und kritisch
erörtert werden können.
Psychopathologisch geht es um
eine ganze Reihe von Phänomenen: Abwehrmechanismen, Verdrängung,
insbesondere der Abwehrmechanismus der Abspaltung oder Dissoziation, die
in vielen Störungen vorkommen können: Bewusstseinsstörungen,
Dissoziativen Störungen, nicht bewusst motivierten Amnesien, "Hysterien",
Phobien, Psychosomatisierung bzw. früher Konversion, [multiplen] Persönlichkeitsstörungen,
Traumaverarbeitung, Zwängen, Psychosen, Anpassungs- und Bewältigungsstörungen.
Abspalten, wegschieben, unterdrücken, nicht beachten gehört aber
auch zum normalpsychologischen Bereich und gesunden Repertoire. Wieder
einmal zeigt sich der Doppelcharakter der Phänomene, wie es im Heilmittelemblem
der Allgemeinen und Integrativen Psychotherapie zum Ausdruck gebracht wird
(> Erklärung, Relativitätsaxiom).
Katharsis hat wahrscheinlich nicht nur eine gesunde (reinigende, lösende,
erleichternde), sondern kann vielleicht auch als eine - grundsätzlich
verständliche - kranke
Funktion (fortgesetzte Intrusionen, Abfuhr überflutender, negativer
Emotionen) verstanden werden: die Erlebnisverarbeitung kommt nicht zum
Ende, kann nicht so verarbeitet werden, dass die damit verbundenen negativen
Emotionen verblassen.
Katharsis-Hypothesen
und ihre Geschichte (Auswahl)
Die für und mit Kindern so wichtige Spieltherapie
ist in der folgenden Tabelle noch nicht berücksichtigt.
Zeit, Jahr, Epoche
Ereignis
|
Urheber
Entdecker, Kreator
|
Idee, Fantasie, Modell, Hypothesen, Heilmittel (HM)
|
Befunde, Erfahrungen, Beobachtungen, Experimente
|
Antike, Griechen- land. Poetik. |
Aristoteles. (Zitate aus der Poetik und Politik) |
Durch Mitfühlen der Tragödienhandlung kommt es zu Furcht
und Trauer. |
Lebenserfahrung, Beobachtung und ihre geistige Verarbeitung. |
Ab 1774 Mesmer
1814 Wolfart
_ |
Mesmer (1734-1815)
K. C. Wolfart
_ |
"Magnetische Kur". "Mesmerismus oder System der Wechselwirkungen" nach
Befragung von Mesmer. HM: Krisenhafte Ab-Reaktionen durch Suggestion und
in Hypnose. |
Heilerfolge in mehreren Fällen (teils spektakulär).
_ |
1803 Rhapsodieen ...
_ |
Reil, Johann Christian
(1759-1813)
_ |
Kreative Ideen
und Illusionstherapie mit Theatermitteln.
_
_ |
Therapeutische Erfahrung, Anwendung und theoretische Verarbeitung. |
1857
Katharsisbegriff
_
_
_
_ |
Bernays, Jacob
(1824-1881)
_
_
_
_ |
Katharsis heißt für Bernays »eine von Körperlichem
auf Gemüthliches übertragene Bezeichnung für solche Be-
handlung eines Beklommenen, welche das ihn beklem- mende Element nicht
zu verwandeln oder zurückzudrän- gen versucht, sondern es aufregen,
hervortreiben und da- durch Erleichterung des Beklommenen bewirken will.« |
Studien zum Katharsisbegriff. Zitiert nach Hirschmüller (1978),
S. 207.
_
_
__ |
1859 Hysterie
_ |
Briquet, P(?) (1796-1881) |
Beschrieb hysterische Symptome, die er mit traumatischen Erlebnissen
in Verbindung brachte. |
Therapeutische Erfahrung, Beobachtung und Analyse. |
1872 Der Aus- druck der Ge- mütsbewegungen beim Menschen und Tieren.
_
_ |
Darwin, Charles
(1809-1882)
|
Erleichterung und Befriedigung. Ökonomie durch Ge- wohnheit (S.
28). Gegensatzprinzip (Antagonisten-
bahnung, (S. 29). Expression (S. 29). Bahnung durch Häufigkeit
(Übung, S. 29). Vererbung (S. 30). Motivbil- dend und handlungsbahnend.
Prägung (S. 30f). Assoziation (S. 31). Reflexe (S. 32). Nachahmung
(S.35). Paradoxe Intention (S. 38) |
Es geht Darwin im wesentlichen darum, den Sinn und die Ent- wicklung
des Ausdrucks von Gemütsbewegungen beim Menschen und den Tieren zu
verstehen.
_ |
1881 Entdeckung Katharsis |
Breuer (1842-1924) im Frühjahr 1881 |
In der Behandlung Anna O. entdeckt Breuer im Früjahr 1881 den
Mechanismus der Katharsis |
Nach Hirschmüller 1978, S. 149
_ |
1889 L' Automa- tisme psychologi- que. |
Janet, Pierre
(1859-1947)
_ |
Analyse der Verarbeitungsprozesse von traumatischen Erfahrungen. HM:
Abspaltung (Dissoziation) kann auch als Selbstheilungsmechanismus angesehen
werden. |
Intensive Fallarbeit mit Hypnose, sorgfältige Beobachtung, detail-
lierte Protokolle und Analyse. |
Juli 1892 Intern.
Kongreß für Exp. Psychologie in
London |
Janet (1859-1947)
|
Vortrag seiner Forschungsergebnisse über
den Zusam- menhang zwischen Amnesie (Erinnerungsverlust) und unbewußten
fixen Ideen.
_ |
Therapeutische Erfahrungen, eigene Untersuchungen und theoretische
Aufarbeitung.
_ |
11.1.1893
_ |
Breuer (1842-1924) Freud (1856-1938) |
Vorläufige Mitteilungen 1/2 Jahr nach Janet, wobei Breuer &
Freud die Priorität Janets bereits für 1889
anerkennen. |
Therapie Anna O. Therapeutische Erfahrungen |
1895 Studien über Hysterie |
Breuer & Freud
_ |
Affektstau, eingeklemmte Affekte. HM: Abreaktion, ausleben, bewusst
werden |
Entladung, Befreiung durch Hypnose |
1909 Improvisier- tes Theaterspiel |
Iljine (1890-1974)
_ |
Theaterspiel als Heilfaktor für Leib u. Seele.
_ |
Lebens-, Studien- und Erprobungserfahrungen._ |
1920 Aktive Technik
_
_ |
Ferenczi, Sandor
(1873-1933)
_
_ |
Aktive Technik (Anregung zum Agieren). Szenisches Spiel, Konfrontationstherapie
u. Aufgaben (motiviert mit Förderung analytischen Materials
und Therapiebeschleu- nigung). |
Therapeutische Erfahrungen, Anwendung und theoretische Verarbeitung.
_ |
1923 Stegreif- theat.
1946 Psycho- drama
_ |
Moreno (1889-1974) und später seine Gefährten und Schüler.
(Entstehungsgeschichte)
_ |
Stegreiftheater, Psychodrama. Verhaltensänderungen durch Übernahme
und Ausdruck anderer Rollen und Aspekten der eigenen Persönlichkeit.
HM: Ausdruck, Szenisches Rollenspiel, unterdrückte Aspekte symbolisch
ausleben |
Erfahrung mit einer Schauspie- lerin und ihrem Ehemann und Katharsisberichte
von Zu- schauern.
_ |
1927 Zeigarnik-
Effekt.
_
_
_ |
Zeigarnik, Bluma
(1900-1988)
_
_
_ |
In der berühmten Arbeit "Das Behalten erledigter und unerledigter
Handlungen" zeigt die Psychologin, dass unerledigte Handlungen länger
behalten werden, also eine gewisse Spannung hinterlassen und geistige Supervisions-
energie erfordern. |
Experimentelle Forschungsstudie aus dem gestaltpsychologischen
Umfeld Kurt Lewins.
_
_ |
1929 Neokartharsis |
Ferenczi, Sandor
(1873-1933) |
Neues Konzept für leichte kathartische Abfuhren unter Entspannung
bis hin zu Trance. Vortrag. |
Erfahrungen und Beobachtungen in Psychoanalysen. Vortrag. |
1941
_ |
Barker, Dembo, Lewin
_ |
Experiment zur Frustrations-Aggressions-Hypothese
_ |
Frust bei Kindern rief Aggressionen hervor [W] |
1942 Die nicht- direktive Bera- tung.
_ |
Rogers (1902-1987)
> Grundlegende Hypothese.
_ |
Gesprächspsychotherapie. Authentisches Erleben der Gefühle
zentrale Bedeutung. HM: Erlebnisförderung, Authentizität, Kongruenz.
Unbedingte Akzeptanz des subjektiven Erlebens. Einfühlung. Wertschätzung. |
Therapeutische Erfahrungen, Aufarbeitung und eigene Untersuchungen.
_ |
1951
_
|
Ehepaar Perls, Paul Goodman, Ehepaar Polster und Schüler.
_ |
Gestalttherapie. Primat des Hier und Jetzt. HM: Bedeu- tung der Gefühle,
Erlebnisaktivierung, Aktion. GT steht kathartischer Zentrierung kritisch
gegenüber. Emotions- aktivierung erfordert reflektierte Einbettung
ins Ganze. |
Therapeutische Erfahrungen und deren Aufarbeitung.
_
_ |
1954 KB
_ |
Leuner, Hans Carl
(1919-1996) |
Katathymes Bilderleben oder Symboldrama.
_ |
Therapeutische Erfahrung.
_ |
1961 Heiler
_ |
Frank, Jerome D.
(1909-2005) |
Gefühlserregung und ihre Abfuhr als allgemeiner Heilfaktor in
allen Psychotherapien. |
Systematische Studie, was in allen Therapien
vorkommt. |
1962 Experiencing |
Gendlin, Eugene T.
(1926-) |
Erfinder der Focusing-Methode.
_ |
Therapeutische Erfahrungen und eigene Forschungen. |
1965 Psycho- synthese. |
Assagioli, Roberto (1888-1974) |
Beschreibt vier Methoden: Wiedererleben, Verbaler Ausdruck, Schreiben
und Tagebuch. |
Handbuch der Methoden und Techniken (Psychosynthese) |
1970 Urschrei
1971 Neurose
1972 Revolution
1973 Befreites K.
1975 Bewussts.
1991 Neuer U. |
Janov, Arthur
(1924-)
_
_
_
_ |
Primärtherapie. Schmerz und negative Gefühle werden unterdrückt,
verdrängt und führen zu Spannungen und Symptomen. HM: Emotionsaktivierung,
Urschrei
(in Sponsel 1984, Gefühlstheorien,
besprochen)
_
_ |
Therapeutische Erfahrungen und eigene Forschungen.
_
_
_
_ |
1971 |
Dann, Hanns-Dietrich |
Müssen Aggressionen aufgelebt werden? |
Sammelreferat |
1972 Angewand- tes Psychodrama
2. A. 1978 |
Petzold, Hilarion
Herausgeber
_ |
Sammelband der verschiedenen Konzepte, Anwendungen und Lebensbereiche.
_ |
Überblick Angewandtes Psycho- drama in Therapie, Pädagogik,
Theater und Wirtschaft. |
1972 Wieder- entdeckung des Gefühls. |
Casriel;
Daniel
(1924-1983)
_ |
Verschüttete Emotionen verursachen Störungen oder mindern
Wohlbefinden. HM: Schreitherapie.
_ |
Therapeutische Erfahrungen und ihre theoretische Verarbeitung.
_ |
70-80 Familien
Skulpturen_ |
Smum, Duhl, Satir u. a.
_. |
Psychodramatische Darstellung von Familienbeziehungen. HM: Bewusstheit
durch Darstellung. |
Praxis, Analyse, Veröffentlichung
_ |
1974
(> 2005)
_ |
Hilgard, Ernest R.
(1904-2001)
_ |
Neodissoziationstheorie: geteiltes Bewusstsein: wahrnehmen und emotionales
Erleben zwei getrennte Systeme. 2005 von Kulkarni über PET belegt. |
Zahlreiche experimentelle und klinische Hypnosen, Analyse und theoretische
Verarbeitung. |
1975 Zeitschrift
Integrative The-
rapie |
Petzold et al.
(1944-)
_ |
Das Konzept der Integrativen umfasst den ganzen Menschen, einschließlich
seiner leiblichen Basis und Umwelt. |
Katharsis als zentriertes und besonders ausgewiesenes Heilmittel oft
nicht genannt. |
1977 Rollenspiel |
Hartung, Johanna (?) |
Verhaltensänderung durch Rollenspiel |
Lehrbuch mit Fallbeispielen. |
1978 Breuer
Biographie |
Hirschmüller. Albrecht () |
Geschichte des Katharsisbegriffs und seiner Bedeutungen, insbesodere
auch bei Breuer. |
Gründliche Biographie; Geschichte der Psychoanalyse |
1979 (dt. 1983)
Explosion der Gefühle |
Scheff, Thomas J.
(1929-)
_ |
Systematische Untersuchung zum Phänomen der Katharsis und den
Katharsis-Hypothesen (s.o.)
_ |
Über die kulturelle und therapeutische Bedeutung kathartischen
Erlebens. |
1980 PTBS
_
_ |
DSM-III
_
_ |
Offizielle Anerkennung der posttraumatischen Belastungsstörung
(PTBS).
_ |
Kriegs-, Katastrophen-, Ter- ror-, Gewalt- & Missbrauchs- opfer. |
1981 |
Fliegel, Steffen (?) |
Rollenspiel als verhaltenstherapeutische Standardmethode |
Lehrbuch VT. |
1984 Katharsis-
effekt im "ZUF"
_
_ |
Sponsel, Rudolf
(1944-)
_
_ |
Testentwicklung zur Evaluation, Therapieerfolgskontrolle, Behandlungsplanung
und Qualitätssicherung. Psychologi- sche Behandlungsforschung.
_ |
Bei der Bearbeitung der Zufriedenheitsskalen zeigten sich Effekte,
die als Katharsis gedeutet werden konnten. |
1987 Entdeckung
1988 Dissertation |
Shapiro, Francine
(1948-) |
Entdeckung der affektberuhigenden Augenbewegungen: Eye Movement
Desentization and Reprocessing (EMDR) |
Ausarbeitung, Untersuchungen, Lehrbücher, Ausbildung. |
1990
_
_ |
Stettbacher, Konrad J.
(1930-)
_ |
Vier Schritte Primärtherapie. Die heilende Begegnung mit der eigenen
Geschichte. HM: Wahrnehmung, Gefühle, Verstehen, Anspruch. |
Erfahrungen als Psychotherapeut und ihre theoretische Verarbei- tung. |
1992 |
Kornadt, H.-J. (Hrsg) |
Ergebnisse Aggression-Frustration, 2. Bd.: Katharsis |
Forschungs-Überblicksstudie. |
1993
_ |
Petzold (Hrsg.)
(1944-) |
Angewandtes Psychodrama in Therapie, Pädagogik und Theater. Paderborn:
Junfermann. |
Therapeutische und andere Erfahrungen mit Psychodrama. |
20 Jhd.- Neuro- biologie, Neuro-
wissenschaft,
Medizin,
Psychochirurgie_ |
Cannon, Morruzzi, Lindsley, Magoun, French, Papez, Maclean u.v.a.
_ |
Die These unterschiedlicher funktioneller Gedächtnis- systeme
für kognitive (Hippocampus) und emotionale (Amygdala) Verarbeitung
wird zunehmend erhärtet.
_
_ |
Neurobiologische und medizini- sche Forschungen. Fortgesetzte Analyse
des Falles H. M.
_
_ |
1992- |
Computer-Spiele |
Debatte um Pro und Contra der sog. Killerspiele beginnt |
Zusammenhänge Amokläufer? |
1995 IPPT
Handbuch Inte-
grativer Psycho-
logischer Psycho-
therapie
_ |
Sponsel, Rudolf
(1944-)
_
_
_
_ |
Schwerpunkt des allgemeinen und integrativen Buches ist die komplexe
psychologische Heilmittellehre; im Lexikon
der Heilwirkfaktoren werden abreagieren und Katharsis erörtert.
Lehre vom Doppelcharakter aller potentiellen Heilmittel (> Relativitätsaxiom,
Symbolik
& Erklärung).
_ |
Inzwischen Einsicht, dass nur eine gründliche und sehr diffe-
renzierte Analyse und darauf gegründete Modelle und Experi- mente
das Katharsishypothesen- problem entwirren können. |
1999 Dissoziative
Störungen und. Konversion |
Fiedler, Peter
(1945-)
_ |
Systematisches Lehrbuch, das den Forschungsstand aus Sicht des Autors
berichtet, zusammenfasst und problematisiert. |
Akademisch wissenschaftliche Arbeit.
_ |
2005 Schmerz-
verarbeitung
_ |
Kulkarni et al.
(2005)
_ |
Belege für die Existenz zweier getrennter neuronaler Sy- steme
für sensorisch-diskriminative Schmerzverarbeitung und die affektive
Schmerzreaktion andererseits zu finden. |
Experimentell-empirische Untersuchung mit dem PET.
_ |
2009 Neurobio- logie Psychother. |
Schiepek G. (Hrsg.)
(1958-) |
Neurobiologie der Psychotherapie.
_ |
Systematischer Überblick zur empirisch-experim. Befundlage. |
2012 Gegenbelege |
Nolting, H.P. (2012) |
Kap. 9.5 "Durch diesen Sport kann man gut Aggressionen abreagieren".
Einige
experimentelle Gegenbelege. |
Widerspricht der Abfuhrhypo- these durch Ausleben |
2014 Ärger,Wut |
taz
21.09.2014 |
Wissenschaft des Ärgerns. Die Wut im Bauch rauslassen |
Überblick
neuere Befunde |
Die
Breuer-Freud Theorie der Katharsis
In den Vorläufigen Mitteilungen, geschrieben im Dezember 1892
- nicht erst 1895, wie Kornadt (1992, Bd. 2, S. 161) meint, - ein gutes
halbes Jahr nach Janets Dissertation im Juli 1892 zum Thema, veröffentlichen
Breuer & Freud ihre Variante der Katharsishypothese:
"Unsere Erfahrungen haben uns aber gezeigt, daß die verschiedensten
Symptome, welche für spontane, sozusagen idiopathische Leistungen
der Hysterie gelten, in ebenso stringentem Zusammenhange mit dem veranlassenden
Trauma stehen wie die oben genannten, in dieser Beziehung durchsichtigen
Phänomene. Wir haben Neuralgien wie Anästhesien der verschiedensten
Art und von oft jahrelanger Dauer, Kontrakturen und Lähmungen, hysterische
Anfälle und epileptoide Konvulsionen, die alle Beobachter für
echte Epilepsie gehalten hatten, Petit mal und ticartige Affektionen, dauerndes
Erbrechen und Anorexie bis zur Nahrungsverweigerung, die verschiedensten
Sehstörungen, immer wiederkehrende Gesichtshalluzinationen u. dgl.
mehr auf solche veranlassende Momente zurückführen können.
Das Mißverhältnis zwischen dem jahrelang dauernden hysterischen
Symptome und der einmaligen Veranlassung ist dasselbe, wie wir es bei der
traumatischen Neurose regelmäßig zu sehen gewohnt sind; ganz
häufig sind es Ereignisse aus der Kinderzeit, die für alle folgenden
Jahre ein mehr [oder] minder schweres Krankheitsphänomen hergestellt
haben.
Oft ist der Zusammenhang so klar, daß es vollständig
ersichtlich ist, wieso der veranlassende Vorfall eben dieses und kein anderes
Phänomen erzeugt hat. Dieses ist dann durch die Veranlassung in völlig
klarer Weise determiniert. So, um das banalste Beispiel zu nehmen, wenn
ein schmerzlicher Affekt, der während des Essens entsteht, aber unterdrückt
wird, dann Übelkeit und Erbrechen erzeugt und dieses als hysterisches
Erbrechen monatelang andauert. Ein Mädchen, das in qualvoller Angst
an einem Krankenbette wacht, verfällt in einen Dämmerzustand
und hat eine schreckhafte Halluzination, während ihr der rechte Arm,
über der Sessellehne hängend, einschläft; es entwickelt
sich daraus eine Parese dieses Armes mit Kontraktur und Anästhesie.
Sie will beten und findet keine Worte; endlich gelingt es ihr, ein englisches
Kindergebet zu sprechen. Als sich später eine schwere, höchst
komplizierte Hysterie entwickelt, spricht, schreibt und versteht sie nur
Englisch, während ihr die [>29] Muttersprache durch l 1/2 Jahre unverständlich
ist. - Ein schwerkrankes Kind ist endlich eingeschlafen, die Mutter spannt
alle Willenskraft an, um sich ruhig zu verhalten und es nicht zu wecken;
gerade infolge dieses Vorsatzes macht sie (»hysterischer Gegenwille«!)
ein schnalzendes Geräusch mit der Zunge. Dieses wiederholt sich später
bei einer andern Gelegenheit, wobei sie sich gleichfalls absolut ruhig
verhalten will, und es entwickelt sich daraus ein Tic, der als Zungenschnalzen
durch viele Jahre jede Aufregung begleitet. - Ein hochintelligenter Mann
assistiert, während seinem Bruder das ankylosierte Hüftgelenk
in der Narkose gestreckt wird. Im Augenblicke, wo das Gelenk krachend nachgibt,
empfindet er heftigen Schmerz im eigenen Hüftgelenke, der fast l Jahr
andauert, u. dgl. mehr.
In anderen Fällen ist der Zusammenhang nicht
so einfach; es besteht nur eine sozusagen symbolische Beziehung zwischen
der Veranlassung und dem pathologischen Phänomen, wie der Gesunde
sie wohl auch im Traume bildet, wenn etwa zu seelischem Schmerze sich eine
Neuralgie gesellt oder Erbrechen zu dem Affekte moralischen Ekels. Wir
haben Kranke studiert, welche von einer solchen Symbolisierung den ausgiebigsten
Gebrauch zu machen pflegten. - In noch anderen Fällen ist eine derartige
Determination zunächst nicht dem Verständnis offen; hierher gehören
gerade die typischen hysterischen Symptome, wie Hemianästhesie und
Gesichtsfeldeinengung, epileptiforme Konvulsionen u. dgl. m. Die Darlegung
unserer Anschauungen über diese Gruppe müssen wir der ausführlicheren
Besprechung des Gegenstandes vorbehalten.
Solche Beobachtungen scheinen uns die pathogene
Analogie der gewöhnlichen Hysterie mit der traumatischen Neurose nachzuweisen
und eine Ausdehnung des Begriffes der »traumatischen Hysterie«
zu rechtfertigen. Bei der traumatischen Neurose ist ja nicht die geringfügige
körperliche Verletzung die wirksame Krankheitsursache, sondern der
Schreckaffekt, das psychische Trauma. In analoger Weise ergeben
sich aus unseren Nachforschungen für viele, wenn nicht für die
meisten hysterischen Symptome Anlässe, die man als psychische Traumen
bezeichnen muß. Als solches kann jedes Erlebnis wirken, welches die
peinlichen Affekte des Schreckens, der Angst, der Scham, des psychischen
Schmerzes hervorruft, und es [>30] hängt begreiflicherweise von der
Empfindlichkeit des betroffenen Menschen (sowie von einer später zu
erwähnenden Bedingung) ab, ob das Erlebnis als Trauma zur Geltung
kommt. Nicht selten finden sich anstatt des einen großen Traumas
bei der gewöhnlichen Hysterie mehrere Partialtraumen, gruppierte Anlässe,
die erst in ihrer Summierung traumatische Wirkung äußern konnten
und die insofern zusammengehören, als sie zum Teil Stücke einer
Leidensgeschichte bilden. In noch anderen Fällen sind es an sich scheinbar
gleichgiltige Umstände, die durch ihr Zusammentreffen mit dem eigentlich
wirksamen Ereignis oder mit einem Zeitpunkte besonderer Reizbarkeit eine
Dignität als Traumen gewonnen haben, die ihnen sonst nicht zuzumuten
wäre, die sie aber von da an behalten.
Aber der kausale Zusammenhang des veranlassenden
psychischen Traumas mit dem hysterischen Phänomen ist nicht etwa von
der Art, daß das Trauma als Agent provocateur das Symptom auslösen
würde, welches dann, selbständig geworden, weiter bestände.
Wir müssen vielmehr behaupten, daß das psychische Trauma, respektive
die Erinnerung an dasselbe, nach Art eines Fremdkörpers wirkt, welcher
noch lange Zeit nach seinem Eindringen als gegenwärtig wirkendes Agens
gelten muß, und wir sehen den Beweis hierfür in einem höchst
merkwürdigen Phänomen, welches zugleich unseren Befunden ein
bedeutendes praktisches Interesse verschafft.
Wir fanden nämlich, anfangs zu unserer größten
Überraschung, daß die einzelnen hysterischen Symptome sogleich
und ohne Wiederkehr verschwanden, wenn es gelungen war, die Erinnerung
an den veranlassenden Vorgang zu voller Helligkeit zu erwecken, damit auch
den begleitenden Affekt wachzurufen, und wenn dann der Kranke den Vorgang
in möglichst ausführlicher Weise schilderte und dem Affekte Worte
gab. Affektloses Erinnern ist fast immer völlig wirkungslos; der
psychische Prozeß, der ursprünglich abgelaufen war, muß
so lebhaft als möglich wiederholt, in statum nascendi gebracht und
dann »ausgesprochen« werden. Dabei treten, wenn es sich um
Reizerscheinungen handelt, diese: Krämpfe, Neuralgien, Halluzinationen
- noch einmal in voller Intensität auf und schwinden dann für
immer. Funktionsausfälle, Lähmungen und Anästhe- [>31]sien
schwinden ebenso, natürlich ohne daß ihre momentane Steigerung
deutlich wäre. [FN1]
Der Verdacht liegt nahe, es handle sich dabei um
eine unbeabsichtigte Suggestion; der Kranke erwarte, durch die Prozedur
von seinem Leiden befreit zu werden, und diese Erwartung, nicht das Aussprechen
selbst, sei der wirkende Faktor. Allein dem ist nicht so: die erste Beobachtung
dieser Art, bei welcher ein höchst verwickelter Fall von Hysterie
auf solche Weise analysiert und die gesondert verursachten Symptome auch
gesondert behoben wurden, stammt aus dem Jahre 1881, also aus »vorsuggestiver«
Zeit, wurde durch spontane Autohypnosen der Kranken ermöglicht und
bereitete dem Beobachter die größte Überraschung. In Umkehrung
des Satzes: cessante causa cessat effectus dürfen wir wohl aus diesen
Beobachtungen schließen, der veranlassende Vorgang wirke in irgendeiner
Weise noch nach Jahren fort, nicht indirekt durch Vermittlung einer Kette
von kausalen Zwischengliedern, sondern unmittelbar als auslösende
Ursache, wie etwa ein im wachen Bewußtsein erinnerter psychischer
Schmerz noch in später Zeit die Tränensekretion hervorruft: der
Hysterische leide größtenteils an Reminiszenzen. [FN2]
BF-FN1: Die Möglichkeit einer
solchen Therapie haben Delbœuf und Binet klar erkannt, wie die beifolgenden
Zitate zeigen : Delbœuf, Le magnétisme animal. Paris 1889: »On
s'expliquerait dès-lors comment le magnétiseur aide à
la guérison. Il remet le sujet dans l'état où le mal
s'est manifesté et combat par la parole le même mal, mais
renaissant.«
— Binet, Les altérations de la personnalité. 1892, S. 243:
»...peut-être verra-t-on qu'en reportant le malade par un artifice
mental, au moment même où le symptôme a apparu pour
la première fois, on rend ce malade plus docile à une suggestion
curative.« — In dem interessanten Buche von P. Janet: L'automatisme
psychologique, Paris 1889, findet sich die Beschreibung einer Heilung,
welche bei einem hysterischen Mädchen durch Anwendung eines dem unsrigen
analogen Verfahrens erzielt wurde.
BF-FN2: Wir können im Texte
dieser vorläufigen Mitteilung nicht sondern, was am Inhalte derselben
neu ist und was sich bei anderen Autoren wie Möbius und Strümpell
findet, die ähnliche Anschauungen für die Hysterie vertreten
haben. Die größte Annäherung an unsere theoretischen und
therapeutischen Ausführungen fanden wir in einigen gelegentlich publizierten
Bemerkungen Benedikts, mit denen wir uns an anderer Stelle beschäftigen
werden."
Im letzten Teil, V, S. 40f, wird die "dargelegte Methode" zusammengefasst:
"Es ist nun verständlich, wieso die hier von uns dargelegte Methode
der Psychotherapie heilend wirkt. Sie hebt die Wirksamkeit der ursprünglich
nicht abreagierten Vorstellung dadurch auf, daß sie dem eingeklemmten
Affekte derselben den Ablauf durch die Rede gestattet, und bringt sie zur
assoziativen Korrektur, indem sie dieselbe ins normale Bewußtsein
zieht (in leichterer Hypnose) oder durch ärzt-[>40] liche Suggestion
aufhebt, wie es im Somnambulismus mit Amnesie geschieht."
Etwas unverständlich bleibt, weshalb eine so spektakulär
erfolgreiche "kathartische Methode" nicht beibehalten wurde. Nun, es stellte
sich vermutlich wie so oft heraus, dass ein Verschwinden der Symptome
während der Erinnerung und des Aussprechens unter Hypnose nicht von
Dauer sein muss. Eine gewisse Fortsetzung fand die Katharsisidee wohl im
weit fantastischeren Konzept der Übertragungsneurose.
Die
Katharsistheorie von Thomas Scheff (dt. 1983, engl. 1979)
Thomas Scheff verlangt, das scharf zwischen dem Aufbau und dem Abbau
einer Emotion unterschieden wird. Scheff spricht genau genommen vom Prozess
der Spannungsbildung und der Entladung.
"Die empirische Grundlage dieser Liste von Entladungsprozessen und der
dazugehörigen Spannungszustände ist die Beobachtung von Klienten
in der Therapie. Ich habe bei meinen Klienten beobachtet, daß diejenigen,
die in der Therapie weinen, lachen, zittern usw., schnelle Fortschritte
machen, während die, die es nicht tun, nur langsam oder überhaupt
nicht weiterkommen. Ich nehme an, daß Jackins ursprünglich in
der gleichen Weise zu seiner Liste kam, indem er die Begleiterscheinungen
der therapeutischen Veränderung beobachtete.
Diese Liste soll alle Prozesse emotionaler Abfuhr enthalten, nicht
jedoch alle vorstellbaren Spannungszustände. Die hier genannten Spannungszustände
sind lediglich die einfachsten. Viele komplexe Gefühle können
Kombinationen von zwei oder mehreren dieser Spannungen sein. Depressionen
zum Beispiel können als eine Mischung von Ärger und Trauer verstanden
werden. ... ...
Die Theorie spezifiziert ferner, daß, wenn
keine Interferenz auftritt, diese Spannungszustände spontan durch
konvulsive, unwillkürliche Körperprozesse entladen werden, deren
äußerliche Erscheinungen in Weinen (bei Trauer), Zittern und
kalter Transpiration (bei Angst), spontanem Lachen (bei Beschämung
oder Ärger) und „Toben" (rapide, kräftige Bewegung und Vokalisation)
mit heißem Schweißausbruch (bei Zorn) bestehen. Diese Theorie
liefert daher eine detaillierte und explizite Definition der Katharsis.
Die Abfuhr der negativen Gefühle (Katharsis) wird definiert als größtenteils
innerlicher, unwillkürlicher Prozeß mit eindeutigen äußerlichen
Indikatoren wie Weinen, Zittern, kaltem Schweiß usw. Eine ähnliche
Aussage über die Beziehung zwischen negativen Gefühlen und Spannung
findet sich bei Plutchik (1954).
Besonders hingewiesen werden muß auf die Tatsache,
daß die Theorie klar zwischen dem negativen Gefühl als Spannung
und dem Gefühl als Entladung unterscheidet. Diese Unterscheidung wird
gewöhnlich nicht gemacht. Wir sind es gewohnt, zum Beispiel die Blässe,
das Frösteln und Keuchen bei dem Gefühl der Angst mit dem Zittern
und kalten Schweißausbruch der Entladung von Angst zu vermischen.
Unsere Theorie besteht dagegen darauf, daß emotionale Spannung und
Entladung zwei unterschiedliche und tatsächlich entgegengesetzte Prozesse
sind. Die Anzeichen negativer Gefühle sind symptomatisch für
ansteigende muskuläre und viszerale Spannung, wie die Anzeichen emotionaler
Entladung Indikatoren für die Lösung einer Spannung sind. Unsere
eigene Sprache erscheint in dieser Hinsicht als unzulänglich, da die
Substantive, die wir zur Bezeichnung von Gefühlen benutzen, uns dazu
bringen, eher an Zustände als an Prozesse zu denken. Wir besitzen
keine angemessenen Begriffe, um zwischen den Gefühlen Trauer, Angst,
Beschämung und Zorn und ihrer Abfuhr differenzieren zu können.
Vielleicht ist eine neue Gruppe von Begriffen nötig, die nur aus Verben
besteht: trauern, fürchten, sich schämen, zürnen für
die Spannungsseite dieser Gefühle, und enttrauern, entfürchten,
sich entschämen, entzürnen für die Abfuhrseite.
Wenn es keine Störung gibt, wird der Entladungsprozeß
anhalten, bis die Spannung gelöst ist."
Scheff gelangt zu drei wichtigen Hypothesen (RS: Konsequenz gefettet):
"Auf Grund der fast ständigen Behinderung der
Entladung, sowohl durch andere wie durch die eigenen gelernten Reflexe,
akkumulieren die meisten Individuen beträchtliche Mengen an verdrängten
Gefühlen und körperlicher Spannung, die immer vorhanden ist,
aber normalerweise nicht erkannt wird. Der Gedanke, daß Gefühle
„akkumuliert" werden können, ist offensichtlich nur eine Metapher,
da, wie oben erwähnt, Gefühle Prozesse sind. Nichtsdestoweniger
behaupte ich hier, daß es doch eine sehr nützliche Metapher
ist. Eine wichtige Konsequenz dieses akkumulierten Gefühls
besteht darin, daß es sich dazu eignet, auf andere übertragen
zu werden, und daher die Verdrängung von Gefühlen in der gesamten
Gesellschaft perpetuiert. Je mehr verdrängte Gefühle jemand akkumuliert
hat, desto weniger kann er eine Entladung bei anderen tolerieren, da es
das eigene Gleichgewicht stört. Eine Mutter, die ihre Trauer verdrängt
hat, wird ständig mit dem Weinen ihres Kindes interferieren und so
das Kind dazu bringen, wiederum verdrängte Trauer zu akkumulieren.
So setzt sich das durch die Generationenfolge fort.
Eine zweite Konsequenz des verdrängten
Gefühls ist der Theorie zufolge die Verminderung der Klarheit im Denken
und Wahrnehmen. Eine Person, die einem starken Gefühl unterliegt,
ist nicht in der Lage, [>57] klar zu denken, und nimmt ihre Umgebung nicht
mehr richtig wahr. (Zu der Verbindung von negativer Emotion und Verdrängung
siehe die Studie von Lowenfeld, 1961.) Diese Konsequenz wird in Ausdrücken
reflektiert wie: „Ich war gelähmt vor Angst" und „Ich war blind vor
Wut". Unbewußte Gefühle scheinen Denken und Wahrnehmung in der
gleichen Weise zu beeinflussen, nur daß der Person die Ursache des
Problems nicht bewußt ist, wie wenn eine Frau sagt: „Ich weiß
nicht, warum ich so komisch bin, was Männer angeht", oder ein Student:
„Mein Gehirn scheint sich bei Algebra auszuschalten".
Eine dritte Konsequenz der Akkumulation
verdrängter Gefühle ist die Behinderung von freundschaftlichen
Gefühlen und Kooperation und daher die Isolierung der Individuen voneinander.
Dies kann teilweise von der negativen emotionalen Stimmung, die durch das
akkumulierte Gefühl selbst erzeugt wird, wie Apathie, Leere und Entfremdung,
verursacht werden, sowie teilweise durch den Prozeß der punitiven
Sozialisation von Gefühlen, die in Verdrängung resultiert. Wie
Tomkins (1963, Bd. 2) erklärt, hat die Person, deren Gefühle
bestraft wurden, gelernt, ihre innersten Absichten vor anderen zu verstecken,
da sie herausgefunden hat, daß Offenbarung weiteres Leiden verursacht.
Da solch eine Person unfähig ist, viel von ihrem Innenleben mit anderen
zu teilen, ist sie wahrscheinlich launisch und distanziert. Auf der anderen
Seite hat die Person, deren Gefühle mit Belohnungen sozialisiert wurden,
gelernt, daß ihre negativen Gefühle sie nicht von anderen abgrenzen
müssen, sondern eine „Gelegenheit tiefster Intimität und Bestätigung
von Liebe und Sorge" sein können (S. 106).
Der Theorie zufolge werden diese unterschiedlichen
Konsequenzen vermieden, wenn die vollständige Abfuhr stattfindet.
Die Person wird toleranter der Entladung anderer gegenüber und hält
damit die Weiterführung des Verdrängungsmusters auf. Die Klarheit
des Denkens und der Wahrnehmung (auf dem Gebiet der Verdrängung) wird
wiederhergestellt wie auch Kameradschaftsgefühl und Kooperationsbereitschaft.
Aus diesem Grund hat die kollektive Abfuhr in einem sozialen Rahmen wie
dem Theater oder Ritual gewaltige soziale und psychologische Effekte. Die
Gefühle der Entspannung, verstärkter Klarheit im Denken
und Wahrnehmen und gesteigertes Kameradschaftsgefühl, die auf eine
kollektive Katharsis folgen, erzeugen gewaltige Kohäsionskräfte
und Gruppensolidarität.
Unsere Theorie hat ihren Namen von dem Prozeß
der Reevaluation, von dem angenommen wird, daß er stattfindet, wenn
die Abfuhr in einem speziellen Bereich der Verdrängung vollständig
ist. Die schmerzlichen Erlebnisse, die das verdrängte Gefühl
produziert haben, werden [>58] erinnert und neubewertet, in dem Sinne,
daß die Aura des Unbehagens verschwindet. Sie werden zu Erlebnissen
wie alle anderen und können in die bewußte Erfahrung aufgenommen
werden.
Emotion und Kontext
Die Theorie impliziert eine Reihe von Hypothesen, die jedes negative
Gefühl mit einem bestimmten Kontext verbindet. Es wird angenommen,
daß bestimmte unausweichliche Bedingungen Teil der menschlichen Existenz
sind: Bindung und Verlust, Sicherheit und Gefahr, Erfüllung und Frustration,
Stimulation und Langeweile. Die Bindung an eine andere Person oder an ein
Objekt schließt die Möglichkeit des Verlusts ein. Offensichtlich
kann es keinen Verlust geben, wenn es nicht zuvor eine Bindung gab. Weniger
offensichtlich, aber genauso wichtig, ist es die Möglichkeit des Verlusts,
die der Bindung Bedeutung und Inhalt gibt.
Der fundamentale Kontext für Trauer ist der
Verlust. Trauer ist damit ein unausweichliches Merkmal der frühen
Kindheit, als Resultat intensiver und inkommunizierbarer Gefühle der
Trennung und des Verlusts."
Katharsiseffekte
bei Zufriedenheitstestbearbeitungen (Sponsel 1984, S. 254)
Katharsismodelle wurden im CST-System im Rahmen der Gefühlstheorien
erörtert. Es kam jedoch auch zu einer empirisch-quantitativen Untersuchung:
Analyse
des Katharsisbegriffs
Der Katharsisbegriff ist ein vieldeutiges
Homonym und bedeutet bei verschiedenen AutorInnen, Heilfachkundigen
und ForscherInnen ganz unterschiedliches. Schon von daher gesehen, ist
es verständlich, dass viele, teils widersprüchliche Beobachtungen
und Forschungsergebnisse für Verwirrung sorgen. Deshalb ist es notwendig,
einige wichtige unterschiedliche Bedeutungen des Katharsisbegriffs genau
zu bestimmen und auseinanderzuhalten.
Die normale und natürliche Katharsis zeigt
sich im bewussten Erleben durch eben das Erleben;
man nimmt wahr, fühlt, empfindet, erinnert, fantasiert, wünscht,
denkt, ... Dieses innere Erleben kann auch äußerlich
in Erscheinung treten: man weitet oder verengt die Pupillen, man atmet
mehr, schneller oder langsamer, flacher oder gepresst; man wird bleich
oder rot, man schwitzt, man nimmt diesen oder jenen Ausdruck an, zeigt
eine solche oder andere Haltung, man flucht oder schimpft, wenn man auf
Behinderungen stößt. Man stöhnt, wenn man sich anstrengt.
Man lacht (oder / und weint), wenn man sich (sehr) freut.
-
Katharsis-1: Erleben. Als normale
und natürliche Grundbedeutung wollen wir mit dem Begriff Katharsis
(vorläufig) das Erleben selbst bezeichnen. Ein Geschehen kann erlebt
werden, kann im Bewusstsein "fließen". Erleben ist nicht selbstverständlich.
Wir können auch nicht bewusst wahrnehmen (einfachstes Alltagsbeispiel:
das Klingeln des Weckers, wenn wir morgens durch ihn erwachen). Mit dem
normalen und natürlichen Erleben geht eine gewisse Erregung einher,
die gewöhnlich mehr oder weniger schnell abklingt oder abebbt. Je
nachdem kann es mit dem Erleben auch zum Aufbau von Spannung durch Motivanregungen
und der mit ihnen verbundenen Emotionen kommen. Ungebremstes, freies Erleben
kann daher als natürliche und normale Katharsis angesehen werden.
Sozusagen die Katharsis des Alltagserlebens. Die normale und natürliche
Katharsisstörung bestünde also darin, dass nicht frei und ungebremst
erlebt werden kann - wofür es viele, individuell unterschiedliche
Gründe geben kann. Und es können unterschiedliche psychische
Funktionen daran beteiligt sein.
-
Katharsis-2: Ausdruck: Ich
bringe mein Erleben zum Ausdruck und durch das Ausdrücken kommt es
zu weiterer Katharsis (Erregungs- oder Spannungsabfuhr). Ein natürlicher
und gewöhnlicher Ausdruck ist das Aussprechen (Breuer
1895/1991, S. 229). Andere Beispiele: Lachen bei Freude, Lust oder
Vergnügen. Fluchen oder schimpfen bei Frust oder Verärgerung.
Eine entsprechende Miene, Gestik oder Haltung einnehmen. Auch das kann
mehr oder minder bewusst oder nicht bewusst geschehen und angemessen gelingen
oder auch nicht.
-
Katharsis-3: Befriedigung. Durch das
Erleben werden bestimmte Wünsche oder Bedürfnisse aktiviert,
die durch entsprechende Aktivitäten, Handlungen oder Verhaltensweisen
so oder so befriedigt werden können, gleich oder nach und nach.
An diese (vorläufigen) Begriffsbestimmungen schließen
sich nun einige Fragen an. Zum Beispiel: wie kann, wie soll man sich vorstellen,
dass Elemente des Erlebens im wachen Bewusstsein nicht zum Erleben kommen?
So mancher erinnert sich vielleicht nicht mehr an das eine oder andere
Klingeln des Weckers und verschläft so. Das betrifft aber die Wahrnehmung
im Bewusstseinszustand Schlaf. Wir haben
aber Wachsein unterstellt. Das hieße z.B. es kommt eine Erinnerung
an, die Angst mit sich führt oder aktiviert, aber ich fühle sie
nicht. Warum ist das so? Was bedeutet das - oder bedeutet es nichts Besonderes?
Ein anderes Beispiel. Ich werde gekränkt und
bloßgestellt, aber ich beherrsche mich und zeige kaum eine Regung,
obwohl ich innerlich stinksauer bin und am liebsten losbrüllen möchte.
Was passiert mit diesem nicht ausgedrückten sauer sein, mit der nicht
ausgedrückten Wut? Kann sich da was ansammeln? Wie entwickle ich mich,
wenn ich immer wieder meine Gefühle und Bedürfnisse beherrsche,
mich selbst am Ausdrücken oder Ausleben hindere? Kann man davon Magengeschwüre,
Angstzustände, Herzrasen, Depressionen oder Zwänge bekommen?
Lebt gesünder und zufriedener, wer seine Gefühle, Wünsche
und Bedürfnissen ausdrückt und ihnen nachgeht?
Schließlich sollten wir noch berücksichtigen:
Es ist etwas anderes, ob sich Katharsis im Hier und Jetzt abspielen soll,
oder ob angenommene eingeklemmte Affekte befreit und die Befreiung auf
ihre Wirkung hin untersucht werden soll. Oder, wie man mit einer augenblickserlebten
Verärgerung katharsisförderlich oder sonstwie angemessen umgehen
soll. Freud sprach von "eingeklemmten Affekten", die es durch die Psychoanalyse
zu befreien gälte. Die Theorie der eingeklemmten Affekte setzt wie
ihr Name schon verkündet, voraus, dass Affekte überhaupt "eingeklemmt"
und "befreit" werden können. Doch woher wissen wir das? Wie kommt
es denn zu "eingeklemmten" Affekten? Wie kann man diese Hypothese prüfen.
Die klassische Antwort von Breuer & Freud war: Verdrängte Erlebnisse
können unter Hypnose aktiviert und unter starker emotionaler Beteiligung
ausgedrückt werden, wobei nach dieser Befreiung auch die Symptome
verschwinden. Dies gilt als klassisches Beispiel für ein heilendes,
kathartisches Erleben. In diesem Sinne könnte man auch das Träumen
als kathartischen Vorgang beschreiben. Unterbindet man nämlich schlafen
und damit träumen, so kommt es zu psychischen Störungen. Auch
das ließe sich als eine Begründung für den heilenden Wert
kathartischen Erlebens anführen.
Stehen Menschen unter großer Spannung, so
kann die Auflösung zu großer Erleichterung und Wohlbehagen führen.
Auch das kennen die meisten Menschen aus ihrem eigenen Er-Leben z.B. vor
Prüfungen, in Beweis- und Selbstbehauptungssituationen.
Viele kennen aus eigenem Erleben, dass man sich
von Ereignissen anrühren oder berühren lässt. Man identifiziert
sich mit Helden, Schurken und Figuren im Tagesgeschehen, den Medien, in
Literatur oder im Film. Man liebt, leidet, lebt mit seinen Figuren, ist
erleichtert, traurig, gespannt, verärgert, erregt oder freut sich.
Spiel, Sport, Freizeiten, Hobbies, Vergnügen
entspannen, ermöglichen Abschalten, werden meist als Erholung erfahren.
So etwas gibt es für viele täglich, ein paar Minuten Pause, Zurückziehen,
innehalten, für sich sein. Oder die richtige Frühstücks-,
Kaffe- oder Mittagspause. Dann der große Feierabend, das Wochenende
und schließlich der richtige Urlaub, vielleicht ein paar Wochen am
Stück nichts als erholen, entspannen, genießen, faulenzen, interessante,
schöne und angenehme Dinge tun, es sich gut gehen, vielleicht ein
wenig verwöhnen lassen.
Insgesamt könnten folgende Funktionen eine
Rolle spielen:
-
ausdrücken, abreagieren, ausleben, reinigen, lösen, loslassen,
zulassen, rauslassen, lassen, offen sein und die Gegenbegriffe abspalten,
beherrschen, unterdrücken, verdrängen, wegschieben.
-
miterleben, mitempfinden, mitfühlen, mitleiden, mitschwingen, mitmachen
gegenüber kalt, kühl, distanziert, nicht einfühlsam, nicht
miterleben, nicht mitleiden, nicht mitfühlen oder mitschwingen können.
-
identifizieren, sich in die Lage eines anderen versetzen, emotional und
geistig Perspektive eines anderen einnehmen können ... oder nicht.
-
und dadurch angemessen verstehen, begreifen, erfassen können bzw.
nicht, wenn Identifikation und Perspektivenübernahme nicht erfolgt.
In den meisten Psychotherapien spielt die Idee einer angemessenen Affektverarbeitung
eine wichtige Rolle (> Tabelle Katharsis-Hypothesen
und ihre Geschichte)
Katharsis
im allgemeinen und integrativen Modell psychischer Funktionsstörungen
Katharsis in seiner allgemeinen Bestimmung kann auf vielerlei Weisen
eintreten, behindert werden oder gestört sein. Es gibt viele psychische
Funktionen, die unter gesunden oder Normalbedingungen zusammen oder nicht
zusammen auftreten. Rein theoretisch können wir also annehmen, dass
es die Möglichkeit gibt, dass es einerseits Störungen gibt, wo
Funktionen getrennt sind, die zusammengehören und dass Funktionen
mit anderen auftreten, die nicht zusammengehören (hier zeigt sich
der Doppelcharakter (>Relativitätsaxiom)
der psychischen Erscheinungen in einer anderen Perspektive). Das entspricht
in der allgemeinen Denkpsychologie
den kognitiven Grundfunktionen verbinden
oder trennen. Wobei die ganze Palette der Quantoren
zum Tragen kommen kann. Zu den einfachsten Modellen gehört, daß
eine Ausprägung zu stark oder zu schwach ist. Im Alltagsverhalten
zeigt sich dies durch übertreiben oder herunterspielen.
Praktisches
Modell psychischer Funktionen für die Psychotherapie
Allgemeine Funktionshypothese:
Aus diesem Modell lassen sich beliebige Funktionen verknüpfen, die
unter "gesunden Normalbedingungen" zusammengehören und im Erleben
bzw. Verhalten eines Menschen dissoziiert, d.h. getrennt werden, z.B. eine
Erfahrung und der damit verbundene Affekt. Oder ein Konflikt wird ausgeblendet,
ein Wunsch oder Bedürfnis nicht zugegeben.
Oder es werden Funktionen miteinander verknüpft,
die bei normaler Betrachtung gar nichts miteinander zu tun haben, z.B.
beim Irrtum, bei Halluzinationen, im Wahn, oder bei der Projektion, wenn
man in einen anderen etwas hineinprojiziert, was so bei dem gar nicht da
ist. Im Einzelfall kann manchmal auch Eigenes anderen unterschoben werden.
Man muss sich in der Wissenschaftsentwicklung davor hüten und davon
lösen, nach einer und nur einer Erklärung oder Theorie zu suchen.
Möglicherweise haben die meisten der vielen unterschiedlichen und
sich dem Anschein nach teilweise widersprechenden Befunde bei genauerer
und sorgfältiger Analyse ihre Berechtigung und tragen allesamt etwas
für unser Wissen bei.
Ein anderer Grund ist wahrscheinlich, dass viele Hypothesen, Theoreme
und Modelle doch sehr metaphorisch und formal wenig streng und klar formuliert
wurden. Eine allgemeine und integrative Theorie strebt an, all diese vielfältigen
Phänomene - Dissoziation, Konversion, Verschiebung, Ersatzhandlung,
angemessene oder unangemessene Erlebnisverarbeitung - zu erklären.
Dazu gehört die strenge und formale Ausarbeitung funktionaler Modelle.
Einige können, zumindest deskriptiv, aus den bisherigen Beobachtungen,
Erfahrungen und Untersuchungen schon jetzt sehr einfach und genau ausgeführt
werden, z.B. die Dissoziation oder die Konversion.
Forschungsansatz zum
Beweis der Katharsishypothese
Die Hypothese besagt: 1a Bedürfnisse, die nicht angemessen oder
ausreichend befriedigt werden, führen zu einem Stau mit anhaltender
Spannung, der nach einer Lösung (=Katharsis) drängt. 1b Hierbei
können auch Ersatzbefriedigungen wirksam sein. Rein theoretisch erscheint
der Fall - wie so oft in der Psychologie - einfach, wenn wir Bedürfnisspannungen
oder Affektstaus messen könnten. Davon scheinen wir immer noch weit
entfernt zu sein, jedenfalls was eine exakte Messung betrifft. Meine Zufriedenheits-
und Therapieerfolgskontrollskalen (Sponsel 1982-84) zeigen zwar einen deutlichen
Bedürfnisstau, der sich hier aber meist in Symptomproduktion äußert.
Das ließe sich damit ganz gut erklären, dass es auch keine hinreichend
ausgeprägten Ersatzlösungen gibt.
Zusammenfassung
der Zufriedenheitsmittelwerte der verschiedenen Norm- und Kontroll- sowie
der Behandlungsgruppen
> Lesebeispiele.
Lesebeispiele: Die Normgruppe Alle
(letzte Zeile) erreicht im Mittel (Bereich 0-100%) einen Zufriedenheitswert
von 59,9%, die Auffälligen ohne nähere Spezifikation von 53,4%,
die unbehandelten Auffälligen von 52,4%. Die Unauffälligen ("relativ
glücklich und Zufriedenen") erreichen einen Zufriedenheitsmittelwert
vom 66,9%. Man sieht auch die Behandelten von 46,6% in der Anfangsphase
auf 50,0% in der ersten und auf 54,9% in der zweiten Zwischenphase steigen.
Die Nachuntersuchungsgruppe erreicht 64,1%, während die beiden Abbrechergruppen
57,0% (o. n. Spez.) bzw. 54,5% (weiterhin unbehandelt) erreichen. Interpretiert
man den Zufriedenheitswert als umgekehrten Spannungswert - je höher
die Zufriedenheit, desto geringer die Spannung durch Bedürfnisfrustration
- lässt sich hier die Katharsishypothese gut begründen und nachvollziehen:
Therapiebedürftigkeit bzw. Therapieerfolg als Lösen von Bedürfnisversagungen.
Literatur (Auswahl)
Literaturhinweis:
In Sponsel, R. (1995) werden S. 193 - 200 die meisten potentiellen psychologischen
Heilmittel (neudeutsch: Heilwirkfaktoren) gelistet und ca. 180 - das sind
längst nicht alle - in der Literatur beschriebenen Heilmittel S. 387
- 404 dokumentiert. Überblick
Sponsel 1995.
Siehe bitte auch Literaturverzeichnis
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Psychosomatische-Belastungs-Skala, GVS: Gefühls-Verhältnis-Skala,
SKS: Selbstkritik-Skala, LZS: Lebens-Zufriedenheits-Skala, SZS: Selbst-Zufriedenheits-Skala;
zusammengefaßt zur Therapieerfolgskontrolle: BA: Befindlichkeitsanalyse
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Links (Auswahl: beachte)
Glossar,
Anmerkungen und Endnoten:
GIPT= General and Integrative
Psychotherapy,
internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
___
Stichworte: Aristoteles *
Beispiel
für eine "Widerlegung" der Katharsishypothese * Breuer
1895 Theoretisches * Eisler * Entstehung
des Psychodramas nach J. L. Moreno * Focusing
* Hypnose * Integrative
Therapie Petzolds * Iljine * Lexikon
der Heilwirkfaktoren * Neokatharsis
Ferenczis * Primärtherapie * Prioritätsstreit
Freud-Janet * Psychosynthese * Reils
Illusionstherapie mit Theatermitteln * Rogers
grundlegende Hypothese für Gesprächspsychotherapie * Terminologie.
___
Aristoteles.
Der Katharsisbegriff bei Aristoteles bezieht sich in seiner nicht vollständig
überlieferten Poetik nur auf die Tragödie: "Jetzt sei von der
Tragödie gesprochen. Aus dem bisher Gesagten entnehmen wir die Bestimmung
ihres Wesens. Die Tragödie ist die Nachahmung einer edlen und abgeschlossenen
Handlung von einer bestimmten Größe in gewählter Rede,
derart, daß jede Form solcher Rede in gesonderten Teilen erscheint
und daß gehandelt und nicht berichtet wird und daß mit Hilfe
von Mitleid und Furcht eine Reinigung von eben derartigen Affekten bewerkstelligt
wird." Reclamausgabe 1961, S. 33. Und in der Politik, 8. Buch, führt
Aristoteles zur Katharsis der Musik aus: "Wir behaupten ferner, daß
die Musik nicht nur zu einem einzigen nützlichen Zweck, sondern zu
mehreren zu brauchen ist, nämlich zur Bildung (paideia), zur
Reinigung (kátharsis) — was wir unter Reinigung verstehen,
wollen wir hier einfach andeuten, dann aber in der Poetik genauer ausführen
[FN2] — und drittens zur höchsten Lebensgestaltung (diagogé),
zur Entspannung und Erholung von der Anstrengung. Hieraus erhellt nun,
daß man zwar alle Tonarten anwenden muß, aber nicht alle auf
die gleiche Weise, sondern zur Bildung die am meisten ethischen, zum Anhören
fremden Spiels aber auch die praktischen und enthusiastischen. Der Affekt
nämlich tritt zwar in einigen Seelen mit besonderer Stärke auf,
aber vorhanden ist er in allen, und der Unterschied besteht nur in dem
Mehr und Minder. So gilt dies z. B. von Furcht und Mitleid und ebenso auch
von der Begeisterung (enthusiasmós), denn auch von dieser
(inneren} Bewegung lassen sich manche ergreifen. An den heiligen Melodien
aber sehen wir, daß diese Leute, wenn sie Melodien in sich aufnehmen,
welche die [>283] Seele berauschen (exorgiázein), wieder
zu sich gebracht werden, wie wenn sie eine Heilung und Reinigung (kátharsis)
erfahren hätten." (Rowohlt Klassiker. S. 282).
___
Beispiel für
eine "Widerlegung" der Katharsishypothese. > Nolting.
-
In der Welt Online fand sich am 27.9.1999
folgender Artikel: "Wer seiner Wut mit Fäusten Luft macht, wird noch
aggressiver. Wenn Billy Crystal im Kinofilm "Reine Nervensache" Robert
DeNiro den Rat gibt, er solle in ein Kissen schlagen, um seinem Zorn Luft
zu machen, verrät er sich als Psychologe, der nicht auf dem letzten
Stand des Wissens ist. Sein Rat beruht auf der Katharsis-Hypothese (Wut
lässt sich an unbelebten Objekten abreagieren), eine uralte Idee,
die auf Aristoteles zurückgeht, aber schon seit Jahren als widerlegt
gilt. Was für den Film-Psychologen noch peinlicher ist: Wer sich am
Sandsack austobt, ist anschließend aggressiver als zuvor. Dies bestätigen
Versuche von US-Psychologen der Iowa State University in Ames.
Die Studie zeigt, dass Medien-Botschaften
den falschen Glauben an die positive Wirkung des "Dampfablassens" in der
Öffentlichkeit aufrechterhält und fördert. In Versuchen
ärgerten die Forscher Studenten durch einen (fiktiven) Studienkollegen,
der einen von ihnen verfassten Aufsatz heruntermachte. Hatten die erzürnten
jungen Leute zuvor in einem gefälschten Zeitungsbericht gelesen, die
Katharsis-Hypothese sei bewiesen, so war ihr Bedürfnis, einen Sandsack
zu schlagen, stärker als das derjenigen, die einen "Anti-Katharsis"-Artikel
gelesen hatten.
Einige der Studenten durften sich
dann am Sandsack austoben. Der Katharsis-Hypothese zufolge hätten
sie sich danach weniger aggressiv verhalten sollen, als Kollegen, die nicht
ihre Fäuste einsetzen konnten. Fakt ist jedoch, die Sandsackfraktion
zeigte im anschließenden Test stärkere Aggressionen als
jene, die ihren Zorn hatten schlucken müssen - und zwar unabhängig
davon, ob sie auf einen unschuldigen Dritten stießen oder auf den
angeblichen Kritiker ihres Aufsatzes. Zusätzlich stellten die Forscher
fest, dass die Leser des "Pro-Katharsis"-Artikels aggressiver auftraten
als die "Anti-Katharsis"-Gruppe. Die Ergebnisse zeigten, dass die Unterstützung
der Katharsis-Idee in den Medien nicht nur nutzlos sei, so die Psychologen.
Die Pro-Katharsis-Botschaft verführe dazu, seinem Zorn aggressiv Luft
zu machen, was die Aggression gegenüber anderen Personen noch erhöhe.
Die Forscher befürchten, dass die Verbreitung der Katharsis-Hypothese
die Akzeptanz von Gewalt in der Gesellschaft fördern könnte."
Kritik: Die Studie ist, wie so oft, sehr oberflächlich
angelegt und man weiß eigentlich gar nicht, welche Hypothese genau
geprüft werden soll. Es wird auch nicht problematisiert, ob Operationalisierung
und Design überhaupt angemessen sind. Es wurde dem Bericht nach weder
kontrolliert, ob die Aggressionsabfuhr und wie sie erlebt wurde. Wo wurden
denn Affekte "eingeklemmt" oder abgespalten und anschließend befreit?
___
Breuer 1895/1991, S. 229
(Abschnitt "Theoretisches"):
"Die Erregung, welche durch sehr lebhafte und durch unvereinbare Vorstellungen
erzeugt wird, hat eine normale, adäquate Reaktion: die Mitteilung
durch die Rede. Wir finden den Drang danach in komischer Übertreibung
in der Geschichte vom Barbier des Midas, der sein Geheimnis ins Schilf
hineinruft; wir finden ihn als eine der Grundlagen einer großartigen
historischen Institution in der katholischen Ohrenbeichte. Die Mitteilung
erleichtert, sie entladet die Spannung auch dann, wenn sie nicht gegen
den Priester geschieht und nicht von der Absolution gefolgt ist. Wird der
Erregung dieser Ausweg versperrt, so konvertiert sie sich manchmal in ein
somatisches Phänomen ebenso wie die Erregung traumatischer Affekte,
und wir können die ganze Gruppe hysterischer Erscheinungen, welche
diesen Ursprung haben, mit Freud als hysterische Retentionsphänomene
bezeichnen."
___
Eisler. Kritische Vorbemerkung: Im gewöhnlich
recht zuverlässigen und sehr informativen "Eisler" (Wörterbuch
der philosophischen Begriffe) wird Aristoteles
Meinung zur Tragödie unbelegt und nicht problematisiert generalisiert.
"Katharsis (katharsis): Reinigung, Läuterung (besond. in der Mystik).
Nach den Pythagoreern ist die Seele (s. d.) im Leben an einen Körper
gefesselt, der Tod bedeutet eine Befreiung von demselben. In diesem Sinne
faßt PLATO den Tod als Läuterung, katharsis, der Seele, als
Trennung vom Leibe (chôrizein), als Befreiung von dessen Fesseln
(Phaed. 67 C, D, 114 C; Rep. 10, 613 A). Plato spricht auch von einer Befreiung
der Seele von sinnlichen Leidenschaften (Phaed. 67 A; Sophist. 130 C),
von einer katharsis tôn hêdonôn (l.c. 69 C); hêdonê
kathara: Phaedr. 268 C). Nach PLOTIN ist die Loslösung des Menschen
vom Sinnlichen, die Emporhebung des Geistes zum Wissen und zur Tugend eine
katharsis (Enn. I, 2, 3). Vom monôthênai tên psychên
spricht GREGOR VON NYSSA (De an. et resurr. p. 202).
Den Begriff der ästhetischen Katharsis begründet
ARISTOTELES, wohl in Anlehnung an ältere medizinische Lehren (HIPPOKRATES).
Er versteht unter katharsis die »Reinigung« von Affekten durch
die Kunst. Es ist nicht sicher, ob er meint: entweder die Reinigung, Läuterung
der Affekte selbst, d.h. deren Herabstimmung auf das rechte Maß,
Befreiung vom Überwältigenden und »Interessierten«
des praktischen Lebens (- was jedenfalls bei den ästhetischen Affekten
Tatsache ist -), oder aber die Reinigung der Seele von den Affekten durch
deren Ablauf, die (momentane) Befreiung des Gemütes von zu starken
Affektdispositionen, von bestimmten (schädlichen und starken) Affekten
selbst. Nach LESSING besteht die tragische Katharsis in einer Umwandlung
der Affekte in »tugendhafte Fertigkeiten« (Hamburg. Dramat.
74 ff.). GOETHE verlegt die Katharsis in den Helden, nicht in den Zuschauer
(WW. XXIX, 490). MAASS bemerkt: »Das Drama, und das Trauerspiel insbesondere,
soll... die Leidenschaften reinigen, d. i. sie auf eine der Vernunft angemessene
Art üben. Es soll einige erwecken, andere unterdrücken, einige
vermindern, andere vermehren« (Vers. üb. d. Einbild. S. 249).
Nach J. BERNAYS besteht die katharsis in einer »erleichternden Entladung«
von Gefühlsdispositionen (Zwei Abhandl. üb. d. Aristotel. Theor.
d. Drama 1880). ÜBERWEG betrachtet die Funktion der Katharsis als
zeitweilige Ausscheidung, Wegschaffung von Affecten (Furcht, Mitleid) (Zeitschr.
f. Philos. Bd. 36 u. 50; vgl. A. DÖRING, Kunstlehre d. Aristot. 1876,
S. 263 ff.); »durch den Verlauf der an die tragischen Ereignisse
geknüpften Affekte leben diese sich selbst aus, und wird zugleich
der Drang, solche Affekte... zu hegen, befriedigt und gestillt« (ÜBERWEG-
HEINZE, Gr. d. Gesch. d. Philos. I9, 276). Ähnlich PAULSEN (Syst.
d. Eth. 15, 247). - H. SIEBECK betont: »Das Wesen der tragischen
Katharsis liegt für Aristoteles nicht in der Ausscheidung (Kenosis)
jener beiden Affekte [Furcht und Mitleid], sondern in ihrer durch die ästhetische
Wirkung des Geschauten bedingten Ermäßigung« (Aristot
S. 88). Die Affekte verwandeln sich in Lustgefühle, werden in einen
»wohltuenden Einfluß« aufgelöst, werden frei vom
Drückenden des Affekts (l.c. S. 89, 112; vgl. Jahrb. f. Philol. 1882,
S. 225 ff.). H. LEHR erklärt: »Das rechte Verhältnis im
Gemüt, die rechte Gemütsart in ihrer Reinheit wiederherstellen,
den Einfluß der Sinne und des Verstandes auf das rechte Maß
sei es herabdrücken, sei es steigern, so daß das Licht der Vernunft
hell strahlen und das Ziel des Schönen klar erleuchten kann, das soll
die Tragödie, das soll die enthusiastische Musik leisten, und diese
Leistung heißt Reinigung« (Die Wirk. d. Tragöd. nach Aristot.
S. 77). Nach JODL besteht die Katharsis in der Ablösung der ästhetisch
erregten Gefühle von Affekt und Begehren (Lehrb. d. Psychol. S. 710).
Ähnlich HERZOG (Was ist ästhet.?). K. LANGE meint: »Der
Aristotelischen Theorie liegt... nur eine richtige Ahnung zugrunde, nämlich
die, daß die von der Tragödie erzeugten Gefühle gar keine
wirklichen, sondern gereinigte, abgeblaßte, ihres emotionellen Elements
entkleidete Gefühle sind« (Wes. d. Kunst II, 129). - ARISTOTELES
erklärt, die Musik habe zum Zweck nicht nur paideia, diagôgê,
anesis, syntonia, sondern auch katharsis (Polit. VIII 7, 1341 b 36). Er
sagt ferner über die kathartische Wirkung der Kunst (Musik): ek de
tôn hierôn melôn horômen toutous, hotan chrêsontai
tois exorgiazousi tên psychên melesi, kathistamenous, hôsper
iatreias tychontas kai katharseôs, tauto dê touto dê
anankaion paschein kai tous eleêmonas kai tous phobêtikous
kai tous holôs pathêtikous, tous de allos kath' hoson epiballei
tôn toioutôn hekastô kai pasi ginesthai tina katharsin
kai kouphizesthai meth' hêdonês. homoiôs de kai ta melê
ta kathartika parechei charan ablabê tois anthrôpois (Polit.
VIII 7, 1342a 8; vgl. VIII 6, 1341 a 21). Die Tragödie (s. d.) bewirkt
di' eleou kai phobou... tên toioutôn pathêmatôn
katharsin (Poët. 1449b 23 squ.). - Über religiöse Läuterung
vgl. E. ROHDE, Psych. II2, 1808, S. 48." Digitale Bibliothek, auch hier.
___
Entstehung
des Psychodramas nach J. L. Moreno (1889-1974). Aus dem Reader des
Handbuchs der Allgemeinen und Integrativen Psychotherapie (Sponsel
1995, S. 562-563):
"Als junger Arzt gründete ich das Stegreiftheater
(1921) [FN] in der Maysedergasse, nahe der Wiener Oper. Dort wurde mir
wieder klar, welche therapeutischen Möglichkeiten, im Ausspielen,
im aktiven und strukturierten Ausleben von seelischen Konfliktsituationen
liegen. [FN] Der Anlaß zu dieser Erkenntnis war folgender: Wir hatten
eine junge Schauspielerin, die besonders erfolgreich in der Darstellung
von Heiligen, Heldinnen und romantischen, zarten Geschöpfen war. Einer
ihrer Verehrer war ein junger Bühnendichter, der keine ihrer Aufführungen
versäumte. Sie verliebte sich ebenfalls in ihn und sie heirateten.
Doch blieb sie weiterhin unsere Hauptdarstellerin und er sozusagen unser
Hauptzuschauer. Eines Tages kam er sehr bedrückt zu mir und erklärte,
daß seine Ehe unerträglich sei. Seine Frau, die alle für
einen Engel hielten, sei allein mit ihm wie verwandelt. Sie ließe
sich in jeder Weise gehen, sei streitsüchtig, gebrauche die gewöhnlichsten
Ausdrücke, und wenn er sie ärgerlich zurechtwiese, werde sie
sogar tätlich. Ich forderte ihn auf, am gleichen Abend wie gewöhnlich
mit ihr ins Theater zu kommen, ich hätte einen Gedanken, wie man versuchen
könnte, ihm und ihr zu helfen. Als die Schauspielerin erschien, sagte
ich ihr, daß ich den Eindruck hätte, daß sie dem Publikum
einmal etwas Neues bieten müsse, sie dürfe sich nicht zu einseitig
auf die Rollen verehrungswürdiger Frauen gestalten festlegen. Sie
griff den Vorschlag begeistert auf und improvisierte mit einem Kollegen
eine Szene, in der sie ein Straßenmädchen spielte. Sie spielte
die Rolle mit einer so echten Ordinärheit, daß sie nicht wiederzuerkennen
war. Das Publikum war fasziniert, der Erfolg groß. Überglücklich
ging sie mit ihrem Mann nach Hause. Von da an trat sie vorzugsweise in
ähnlichen Rollen auf. Ihr Mann begriff sofort, daß dies Therapie
war. Er suchte mich täglich auf, um mir Bericht zu erstatten.
Es ist eine Wandlung eingetreten, sagte er nach einigen Tagen zu mir, sie
bekommt zwar noch immer ihre Zornausbrüche, aber sie haben an Intensität
verloren. Sie sind auch von kürzerer Dauer, und manchmal beginnt sie
plötzlich zu lächeln, weil sie sich selbst an die Szenen ähnlicher
Art erinnert, die sie auf der Bühne spielt. Und ich lache mit ihr
aus dem gleichen Grund. Es ist, als ob wir einander in einem psychologischen
Spiegel sähen. Manchmal beginnt sie sogar schon zu lachen, bevor sie
ihren Anfall bekommt weil sie genau weiß, wie er sich abspielen wird.
Sie steigert sich zwar unter Umständen doch noch hinein, aber in viel
schwächerer Form als früher.
Es war wie eine Katharsis, die aus Lachen und Humor entsprang.
Ich setzte die Behandlung fort indem ich ihr Rollen übertrug,
die ihrer persönlichen Konfliktsituation sorgfältig angepaßt
waren. Ihr Mann berichtete mir, daß er durch die Szenen, die ich
sie spielen ließ, besseres Verständnis für sie gewonnen
habe und ihr gegenüber geduldiger geworden sei. Ich fragte die beiden
dann eines Abends ob sie nicht zusammen auftreten wollten und begann eine
Art zwischenmenschlicher Therapie. [FN] Sie erklärten sich einverstanden,
und ihre improvisierten Dialoge, die mehr und mehr ihren privaten häuslichen
Szenen ähnelten, wurden zum festen Bestandteil des Programms. Ihre
und seine Familie, Szenen aus ihrer Kindheit, ihre Träume und Pläne
für die Zukunft wurden portraitiert. Nach jeder Vorstellung suchten
mich einige Zuschauer auf und bekannten, daß die Darbietungen dieses
Paares sie tiefer ergriffen als alle anderen Vorführungen. Es war
eine Katharsis des Publikums. Einige Wochen später saß ich mit
den beiden allein in unserem Stegreiftheater. Sie hatten zueinander gefunden.
Ich analysierte die Entwicklung ihres Psychodramas an Hand der Szenen,
die sie gespielt hatten, und erklärte, warum ihre Konflikte nun überwunden
waren." (S. 14 f)"
Aus: MORENO, J. L. (1973) Gruppenpsychotherapie
und Psychodrama. Stuttgart: Thieme. Aus: S. 14-15. Wir danken für
die freundliche Abdruckgenehmigung des Copyrightinhabers: GEORG THIEME
VERLAG.
___
Focusing. Aus (Sponsel
1995, S. 413 - 419)
"Bei der Analyse von Tausenden von Tonbandprotokollen, weshalb die
Psychotherapie nicht öfter gelingt und womit Gelingen zusammenhängt,
machte GENDLIN seine bahnbrechenden Entdeckungen. "Als erstes entdeckten
wir, daß der erfolgreiche Patient derjenige, der bei psychologischen
Tests und im Leben eine wirkliche, greifbare Veränderung zeigt, auf
den auf Band aufgenommenen Therapiesitzungen sehr leicht zu erkennen ist.
Solche Patienten verhalten sich in ihren Therapiestunden anders als die
andern. ... Der Unterschied liegt darin, wie sie sprechen. Und das ist
nur ein äußeres Zeichen des tatsächlichen Unterschieds:
was im Innern des erfolgreichen Patienten vorgeht." (GENDLIN dt. 1981,
S. 15). Dieser innere Veränderungsprozeß heißt FOCUSING.
Sollte GENDLIN recht haben mit seiner Behauptung, daß
Focusing - wir sind etwas vorsichtiger - für die Lösung einer
bestimmten psychischen Problemklasse (alle Störungen vom Typ
Werten_primär) eine notwendige Bedingung repräsentiert, so ist
Focusing in der Tat ein sehr bedeutsames Verfahren, das wir nicht ignorieren
dürfen. Deshalb wollen wir uns mit diesem Verfahren auch gründlich
beschäftigen." Aus: Sponsel 1995, S. 413. Überblick der GIPT-Auseinandersetzung
mit Focusing:
"6.6.1 Beispiel: Detail-Analyse des Focusing mit einer Einführung
in die GIPT-Introspektion 413.
(1) Einführung. 413.
(2) Die Praktische Durchführung des FOCUSING ... 414.
(3) IPPT-Heilmittelanalyse des Focusing ... 416.
(4) IPPT-Diskussion ... 418.
(5) IPPT-Focusing: Erweiterung und didaktische Vereinfachung des Focusing
Konzepts: Transformation in das GIPT-Heilmittel J
WERTEN_primär.
... 419"
___
Gefühlstheorien. [Überblick
Gefühle in der IP-GIPT]
Sie sind von großer Bedeutung für Katharsis-Modelle. Im
Handbuch zum CST-System wird im Rahmen der Entwicklung, Evaluation und
Bedeutungsanalyse der Gefühlsverhältnisskala - aber auch für
die Zufriedenheitsskalen - den Gefühlstheorien, wie sich mir 1984
darstellten, einiger Raum gewährt:
-
12 Fragen an die Emotionspsychologie
(02-05-00-01)
-
Psychologische Theorie des Gefühlsverhältnisses: Grundlagen Gefühlsverhältnisskala
(02-05-01-01)
-
Bedeutung der Gefühle in Leben und Krankheit (02-05-01-03)
-
Allgemeines Verhaltensmodell mit spezifischer Betrachtung der Emotions-Funktionen
(02-05-01-04)
-
Allgemeines Verhaltensmodell unter Einbeziehung der Konzeption des Unbewussten
(02-05-05)
-
Staudammprinzip als Modell für Störungen der seelisch-geistigen
Einheit (02-05-01-06)
-
Gestalttherapeutische Emotionstheorie (02-05-10-01)
-
Neuropsychologie der Emotionen nach Guttman (02-05-10-01)
-
Primärtherapeutische Gefühlstheorie (02-05-10-01)
-
Die Gefühlstheorie Wilhelm Wundts (02-05-10-01)
___
Hypnose. Aus dem Handbuch der Allgemeinen
und Integrativen Psychotherapie (Sponsel
1995, S. 184-187):
"3.4.2. Exkurs SUGGESTION & HYPNOSE
Die Suggestion gehört als species zur Heilmittelklasse
Beeinflussung. Wir vermuten, daß in vielen Psychotherapien
suggestive Beeinflussungen und unbeabsichtigte Trancezustände eine
große und derzeit weitgehend unbekannte Rolle spielen. Beeinflussung
ist nun das Ziel jeder Psychotherapie [FN]. Und jede wirksame Psychotherapie
bedient sich mehr oder minder vielfältig dieser oder jener Beeinflussungsmethoden.
Die allgemeinste Psychotherapiewirkfaktorenfrage lautet daher: Wie kann
man Einfluß nehmen? Und wie unterscheiden wir die Beeinflussung mittels
Suggestion von anderen Beeinflussungsmethoden?
3.4.2. Exkurs.1 IPPT NORMIERUNG: SUGGESTION
Eine Suggestion ist eine klare Aufforderung, eine psychische
Funktion (z. B. Erinnern, Denken, Meinen, Wollen, Handeln, Empfinden, Fühlen,
Körpervorgänge) bedingt oder unbedingt anzunehmen oder auszuführen.
Suggestionen werden im allgemeinen im Indikativ und ohne Verneinungen formuliert.
Die Annahme oder Ausführung kann an eine Bedingung geknüpft
sein, wie z. B. beim posthypnotischen Befehl, dieses oder jenes zu tun,
wenn diese oder jene Bedingung erfüllt ist. Sätze können
Fragen, Ausrufe, Wünsche, Möglichkeit, Wirklichkeit, Aufforderungen
beinhalten. Auch Fragen können suggestiven Charakter haben. Eine Frage
heißt in der forensischen Aussagepsychologie eine Suggestivfrage,
wenn man sie mit JA oder mit NEIN beantworten kann; sie gilt dort als Kunstfehler
der Exploration, wenn nicht gerade die Suggestibilität damit getestet
wird. Ein analytisch anmutender Kommentar der Art: (1) "Sie hassen Ihren
Vater?" ist ein suggestiver Kommentar, selbst als deutliche Tonfall Frage.
Nicht suggestiv wäre: (2) "Sie hassen Ihren Vater oder wie ist das?"
Während (1) klar mit JA oder NEIN beantwortbar ist und damit suggestiven
Charakter hat, kann (2) nicht sinnvoll mit JA oder NEIN beantwortet werden.
Analog zur Suggestibilität der Frage können wir definieren,
daß ein Satz, der wahr oder falsch sein kann, also eine Aussage,
dann suggestiven Charakter hat, wenn der Satz mit den empirischen Wahrheitswerten
RICHTIG oder FALSCH bewertet werden kann. RICHTIG und FALSCH sind Tatsachenurteile
oder Sachverhaltsbewertungen. Der Wahrheitswert eines Sachverhalts ist
RICHTIG bzw. WAHR oder FALSCH. Solche Für Wahr oder Für Falsch
Wertungen sind wichtige Heilmittel bzw. Heilmittel-Komponenten im Bereich
des SELBST-, MENSCHEN- oder WELTBILDes, für alle ORIENTIERUNGsfragen
der Metaphysik und Religion und speziell in der Psychopathologie beim WAHN.
Und für alle Aufforderungen, etwas zu TUN oder zu LASSEN,
kann gesagt werden, da sie dann suggestiven Charakter haben, wenn
man sie BEFOLGEN kann oder NICHT, d. h. alle Aufforderungen haben
suggestiven Charakter.
3.4.2. Exkurs.2 Der Bewußtseinszustand
in Hypnose
HYPNOSE bewirkt einen bestimmten BEWUßTSEINszustand, der für
SUGGESTIONen besonders EMPFÄNGLICH macht und den wir TRANCE
nennen. In Trance kann die BEWUSSTE KONTROLLE GANZ oder TEILWEISE
AUSGESCHALTET sein. ERINNERUNGen an im bewussten Zustand VERGESSENe oder
ABgeWEHRte Ereignisse sind möglich. Der Trancezustand kann auch als
Zustand besonderer ENTSPANNUNG beabsichtigt sein und dieser dienen.
[FN]
3.4.2. Exkurs.3 "Ist" Hypnose ein Verhalten?
[FN]
Zunächst müssen wir feststellen, daß wir die Frage
falsch gestellt haben. Wir können entweder normativ fragen, wie der
Begriff der Hypnose sinnvoll verwendet werden sollte oder - sprachempirisch
- wie (verschieden) er verwendet wird.
3.4.2. Exkurs.4 HISTORISCHER EXKURS: FREUD UND
DIE HYPNOSE
Die Geschichte der Psychoanalyse begann mit der Hypnose, niedergelegt
in dem Buch von FREUD und BREUER "Studien über Hysterie". Wir haben
uns immer gefragt, weshalb FREUD die Hypnose aufgegeben hat, da sie uns
als der viel direktere "Königsweg", wenn es denn einen geben sollte,
zum Unbewußten scheint als die langwierige Psychoanalyse. Eine Antwort
gibt VON GEBSATTEL (1964, S. 125 - 126) [FN]. Demnach gab es sechs
Gründe: (1) Nur eine kleine Gruppe der Behandlungsbedürftigen
konnte hypnotisiert werden (möglicherweise hat es FREUD auch nicht
richtig gekonnt [FN]); (2) was die Hypnose leistete, war auch auf
anderem Wege erreichbar; (3) die Auseinandersetzung mit den pathogenen
Elementen erfolge besser im Wachbewußtsein; (4) in der Hypnose auftauchende
"traumatische Situationen" seien oftmals Phantasieprodukte (möglicherweise
hat FREUD die Inhalte, insbesondere wenn sexueller Mißbrauch im Spiel
war, selbst abgewehrt und damit fehlgedeutet); (5) die Analyse der Übertragung
verlange Wachbewußtsein; (6) die den Symptombildungen zugrundeliegende
Noxen waren meist keine drastischen Einzelvorkommnisse, sondern eher Folgen
von anhaltenden Dauerschäden.
3.4.2. Exkurs.5 DIE RENAISSANCE DER HYPNO-THERAPIEN
[FN]
Durch den Erfolg und den Mythos, der sich um den Arzt und Hypno-Psychotherapeuten
Milton H. ERICKSON (HAMMOND 1986 berichtet so manchen geradezu hanebüchenen
Unsinn [FN]), Promotor der indirekten Methode, gebildet hat, hat die Hypnose
nach Jahrzehnten der Stagnation international einen bedeutsamen und anhaltenden
Aufschwung genommen. Das sieht man auch an der neueren Literatur. Eine
gigantische Monographie ist von medizinischer Seite von IVANOVIC (1988),
und von psychologischer Seite ist ein beeindruckendes Lehrbuch durch KOSSAK
(1989), einen verhaltenstherapeutisch orientierten Praktiker, vorgelegt
worden. Woran man auch sehen kann, wie schnell sich die Verhaltenstherapie
die Hypnotherapie einverleibt hat, was ihren modernen Charakter einer allgemeinen
und integrativen Psychotherapie unterstreicht (PETER, B. 1991, Hg.).
3.4.2. Exkurs.6 Der Hypno-Streit
Den Streit zwischen "Indirekten" und "Direkten" halten wir für
überflüssig. Hypnose, ob direkt oder indirekt, ist in jedem Fall
der schärfste denkbare psychologische Eingriff in die Seele und Persönlichkeit
eines Menschen und damit immer problematisch, was bestimmte Vorsichtsmaßnahmen
unumgänglich machen sollte. Die Suggestionen unter Trance müssen
unserer Ansicht nach explizit schriftlich exakt dokumentiert werden und
am besten gibt es von allen bedeutsamen Eingriffen Dokumente oder ZeugInnen.
Die Kontrollierbarkeit scheint uns übrigens bei der direkten Methode
einfacher zu sein und bei ERICKSONs Methode kaum greifbar. Nirgendwo in
der Psychotherapie dürfte das geflügelte Wort "Vertrauen ist
gut, Kontrolle ist besser" wichtiger sein als in der Hypno-Therapie. Denn
wie in allen heilkundlichen Grauzonen ist das Heer der Scharlatane, GauklerInnen,
ProfiteurInnen, SpekulantInnen, der DünnbrettbohrerInnen
und der Problempersönlichkeiten unübersehbar. Über Gefahren
und Risiken berichtet eine historische Monographie von J. H. SCHULTZ (1954)
und Kap. 22 in KOSSAK (1989)."
___
Integrative Therapie (Petzold).
Obwohl kreative Verfahren, Methoden und Techniken in der Integrativen Therapie
Petzolds und seiner MitarbeiterInnen eine große Rolle spielt, findet
man den Begriff "Katharsis" in einigen Hauptwerken (z.B. Petzold 1993;
Rahm et al. 1993) nicht in den Sachregistern.
___
Iljine (1890-1974). Wird von Petzold als
Erfinder bzw. Begründer des therapeutischen Theater angeführt,
wobei es mir zunächst nicht gelang, herauszufinden, was der nun genau
erfunden oder begründet hat - im Gegensatz zu Morenos sehr erhellendem
Bericht zur Entstehung
des Psychodramas. Petzolds (1978, Hrsg.) sehr informative Arbeit über
Iljine, besonders S. 230f klärte dann einiges auf:
"ILJINE sieht das Wesen der psychischen Erkrankung als 'eine tiefgreifende
Störung in der Grundqualität der menschlichen Existenz: der Fähigkeit
zu spielen. Das Lebensspiel selbst zu spielen und nicht zum Spielball der
eigenen Lebensumstände zu werden, die der Übersicht, der Steuerung
entglitten sind, dies ist die Grundlage einer gesunden Existenz. Nur im
meisterlichen Spiel des Lebens liegt die Chance zum Gewinn von Freiheit,
Verwirklichung der eigenen Person, zum Erreichen von Zielen, aber auch
zur Fähigkeit des Sich-Bescheidens oder des Verzichts. Dem Gemütskranken
ist das Steuer entglitten, es ist ihm entrissen worden und er hat es sich
entreißen lassen. Nun wird er vom Strom der eigenen unkontrollierten
Gefühle und der Umweltereignisse fortgerissen. Ihn zu heilen, heißt,
ihn wieder spielen zu lehren, nicht nur das heitere, unbefangene Spiel
der Kinder, sondern auch das geschickte, beherrschte, meisterliche Spiel
... des Bootsführers, der unter Einsatz aller seiner Fähigkeiten,
der körperlichen, emotionalen und Verstandeskräfte sein Schiff
mit spielerischer Leichtigkeit ins Ziel führt.' (ILJINE, 1909).
Mit diesen Ausführungen sind die Zielsetzungen
des „therapeutischen Theaters" schon klar gekennzeichnet. 1916 schreibt
ILJINE an STANISLAVSKIJ: „Meine Methode hat zwei Grundpfeiler: Dionysius
und Apollon, die kathartische Befreiung und die Freiheit, die wir als Frucht
ernster Arbeit und Disziplinierung gewinnen, das improvisierte Spiel und
die vollkommene Übung. Ist schon beim Schauspieler das eine ohne das
andere nicht möglich, wie erst beim seelisch Kranken, dessen Fähigkeiten,
wahrzunehmen, sich auszudrücken, sich zu bewegen, eingeschränkt
oder gänzlich verlorengegangen sind?" [FN5]
Zwei Grundpfeiler, das konflikt- oder erlebniszentrierte Improvisationsspiel
und das übungszentrierte Improvisationstraining, bestimmen also das
Vorgehen in ILJINEs Methode. Die Therapie verläuft immer zweigleisig,
in parallelen Sitzungen.
Das Improvisationstraining zielt darauf ab, durch
Wahrnehmungsübungen die Sensibilität des Patienten für sich
und für andere zu erhöhen, durch Ausdruckstraining ihm die Fähigkeit
zu vermitteln, sich mitzuteilen, Gefühlen und Gedanken in Wort, Stimme,
Mimik und Gestik Ausdruck zu verleihen. Durch Entspannungsübungen
wird dem Patienten ermöglicht, sich zu lösen, funktionales Atem-,
Stimm- und Bewegungstraining führt zu einer Restitution körperlicher
Kräfte und korrigiert durch physische und psychische Traumatisierung
entstandene Fehlhaltungen bzw. Fehlfunktionen. Das Improvisationstraining
mit einem Repertoire von vielen hundert Übungen bietet ein elaboriertes
System psycho-physischen Trainings, das den ganzen Menschen in seiner körperlichen,
seelischen und geistigen Dimension zu erreichen sucht. In seiner heutigen,
von mir weiterentwickelten 'Form finden sich folgende Trainingsbereiche:
1. Entspannungstraining, 2. Bewegungstraining, 3.
Atemschulung, 4. Arbeit mit der Stimme, 5. Orientierungstraining,
6. Sensibilisierungstraining, 7. Expressivitätstraining,
8. Flexibilitätstraining, 9. Kommunikations- und Interaktionstraining,
10. Phantasietraining, 11. Kreatives Bewegungsgestalten (unter
Verwendung von freier Tanzimprovisation und Musik), 12. Meditative
Techniken (vgl. PETZOLD 1974 b; PETZOLD, BERGER, 1974). Das Improvisationsspiel
wird vielfach erst durch das Improvisationstraining möglich - besonders
bei schwer gestörten Patienten - oder gewinnt zumindest an Tiefe und
Intensität. Es ist darauf zentriert, im Rahmen von vorgegebenen literarischen
Texten, eigens für den Klienten geschriebenen Szenarien (= knappe
Handlungsgerüste) oder in Improvisationen ohne Vorgabe dem Klienten
über den freien spontanen Ausdruck seiner Gefühle Zugang zu konfliktbesetzten
Bereichen seiner Vergangenheit oder Gegenwart zu eröffnen, damit er
sie im überschaubaren Raum der therapeutischen Bühne erleben,
erkennen und daraufhin einordnen kann. Das Erleben der Wirklichkeit ,aus
dem Gefühl' heraus, die Einsicht in die Gegebenheiten des Lebens durch
die Kraft der Vernunft, das sind die Grundlagen für die Integration
der Person nach Körper, Seele und Geist. Für den Patienten, der
immer zugleich an Leib, Seele und Geist erkrankt ist, kann Integration
im therapeutischen Theater geleistet werden, das als Sonderfall des Welttheaters
die beängstigende und verwirrende Komplexität des Lebens überschaubar
macht, festen Grund schafft, von dem ausgehend wieder mehr Vielfalt zugelassen
werden kann und neue Bereiche zugänglich werden' (ILJINE, 1924)."
___
Lexikon der Heilwirkfaktoren.
In Sponsel 1995, S. 387 - 404. Stichworte:
Abreagieren > Katharsis > Ausdruck, emotionaler: (1) In allen
Methoden als allgemeiner Wirkfaktor enthalten, selbst in Tests nachweisbar
(Sponsel 1984, S. 205). (2) Besonders in allen Ausdruckstherapien: Musik,
Kunst, Gestaltung, Psychodrama, Primärtherapie, Schreitherapie. (3)
Auch Ziel der Psychoanalyse durch Hinarbeiten auf die Übertragungsneurose.
(4) Von der Gesprächspsychotherapie durch Akzeptanz und emotionale
Klärungsarbeit angeregt. Wahrscheinlich notwendiges Heilmittel für
eine Reihe von Störungen, z. B.: (a) Affektstau (Öffnen der Schleusen);
(b) Affektabspaltung (Verbinden des Getrennten); (c) Alexithymie ( Empfinden_Fühlen_Spüren;
Focusing); (d) mangelndes Fühlen ist möglicherweise bei einer
Reihe von psychosomatischen Störungen ein Bedingungsfaktor. (S. 388)
Katharsis (Entladung, Abfuhr, Reinigung): Trivialer, aber bedeutender,
seit Urzeiten bekannter Heilfaktor in Alltag, Kultur und in der Psychotherapie.
YALOM-Gruppen-HWF. NICHOLS, M. P., ZAX, M. (1977). SCHEFF,
T. J. (dt. 1983, orig. 1979): Monographie.
> Abreagieren. (S. 397).
___
Neokatharsis Ferenczis.
Ferenczi hielt im August 1929 in Oxford auf dem XI. internationalen
Psychoanalytischen Kongreß einen Vortrag mit dem Titel "Fortschritte
der Psychoanalytischen Technik", der in der Internationalen Zeitschrift
für Psychoanalyse XVI 1930 unter dem Titel "Relaxationsprinzip und
Neokatharsis" veröffentlicht wurde (es ist zugleich der berühmte
Abschnitt, der Freuds Widerruf
widerruft). Er führt aus (S.481 ff, gesperrt bei F. hier fett): "...
... Nachdem es aber in etwas gründlicherer Weise gelungen ist,
zwischen Arzt und Patienten die Atmosphäre des Vertrauens und das
Gefühl vollkommener Freiheit zu schaffen, meldeten sich plötzlich,
und zwar oft erstmalig in einer seit Jahren laufenden Analyse, hysterische
Körpersymptome: Parästhesien und Krämpfe in ganz
bestimmten Körperpartien, heftige Ausdrucksbewegungen, die kleinen
hysterischen Anfällen ähnelten, plötzliche Änderungen
der Bewusstseinslage, leichter Schwindel, auch Bewusstseinstrübung
oft mit nachfolgender Amnesie fürs Vorgefallene. Einige Patienten
drängten mich förmlich dazu, ihnen doch zu erzählen, wie
sie sich in diesen Zuständen benommen hätten. Es war dann nicht
schwer, diese Symptome als weiteres Stützmittel der bisherigen Rekonstruktionen,
sozusagen als körperliche Erinnerungssymbole zu verwerten, jedoch
mit dem Unterschied, dass diesmal die rekonstruierte Vergangenheit viel
mehr als bisher mit dem Gefühle der Wirklichkeit und Dinghaftigkeit
behaftet blieb, sich der Natur einer wirklichen Erinnerung viel
mehr näherte, während bis dahin der Patient nur von Möglichkeiten,
höchstens von Graden der Wahrscheinlichkeit sprach und vergeblich
nach Erinnerungen lechzte. In einzelnen Fällen steigerten sich nun
diese hysterischen Anwandlungen zu einem förmlichen Trancezustand,
in dem Stücke der Vergangenheit wiedererlebt wurden und die Person
des Arztes als einzige Brücke zwischen den Patienten und der Realität
erhalten blieb; es wurde mir möglich, an die Patienten Fragen zu stellen
und von abgespaltenen Teilen der Persönlichkeit wichtige Auskünfte
zu erlangen. Ohne meine Absicht und [> 482] ohne die geringste diesbezügliche
Massnahme meinerseits kam es also zu beinahe autohypnotisch zu nennenden
Ausnahmezuständen, die man nolens-volens mit den Äusserungsformen
der Breuer-Freudschen Katharsis vergleichen musste. Ich muss bekennen,
dass mich dieses Ergebnis zunächst unliebsam überrascht, fast
möchte ich sagen, erschüttert hat. War es denn der Mühe
wert, den ungeheuren Umweg zu gehen über die Assoziations- und Widerstandsanalyse,
über das schwierige Rätselspiel mit den Elementen der Ichpsychologie,
ja, über die ganze Metapsychologie, um schliesslich bei der guten
alten „Freundlichkeit" zum Patienten und bei der längst abgetan geglaubten
Katharsis zu landen? {RS: Hier merkt man überdeutlich, wie unzufrieden
Ferenczi mit der Technik und den Möglichkeiten der Freudschen Psychoanalyse
war} Es brauchte aber keiner langen Überlegung, um mich diesbezüglich
vollauf zu beruhigen. Es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen diesem
kathartischen Abschluss einer langwierigen Psychoanalyse und jenen nur
passager wirksamen, fragmentarischen Emotions- und Erinnerungsdurchbrüchen,
wie sie die primitive Katharsis provozieren konnte. Die Katharsis, von
der ich rede, ist sozusagen nur wie mancher Traum eine Bestätigung
aus dem Unbewussten, ein Zeichen dessen, dass es unserer mühseligen
analytischen Konstruktionsarbeit, unserer Widerstands- und Übertragungstechnik
schliesslich gelungen ist, nahe an die ätiologische Wirklichkeit heranzukommen.
Die Paläokatharsis hat also mit
dieser Neokatharsis nur weniges gemeinsam. Immerhin lässt es
sich nicht leugnen, dass sich hier wieder ein Kreis geschlossen hat. Die
Psychoanalyse begann als kathartische Gegenmassnahme gegen unerledigte
traumatische Erschütterungen und gegen eingeklemmte Affekte, sie wandte
sich dann dem vertieften Studium der neurotischen Phantasien und ihrer
verschiedenen Abwehrmechanismen zu. Dann konzentrierte sie sich mehr auf
die Untersuchung des persönlichen Affektverhältnisse zwischen
dem Analytiker und seinem Pflegebefohlenen, wobei sie sich in den ersten
zwei Dekaden mehr mit den instinktiven Äuße[>483]rungstendenzen,
später mehr mit den Reaktionen des Ichs beschäftigte. Das plötzliche
Auftauchen von Stücken einer alten Technik und Theorie in der modernen
Psychoanalyse sollte uns also nicht erschrecken; es gemahnt uns nur daran,
dass bisher kein einziger Schritt, den die Analyse in ihrem Fortschritte
machte, als nutzlos vollkommen aufzugeben war, und dass wir immer wieder
darauf gefasst sein müssen, neue Goldadern in den vorläufig verlassenen
Stollen zu finden.
IV Was ich nun mitteilen muss, ist gleichsam
die logische Folge des soeben Gesagten. Das Erinnerungsmaterial, das durch
die Neokatharsis zutage gefördert oder bestätigt wurde, hob das
ursprünglich Traumatische in der ätiologischen Gleichung der
Neurosen wieder zu erhöhter Bedeutung. Mögen die Vorsichtsmassnahmen
der Hysterie und die Vermeidungen der Zwangsneurotiker in rein psychischen
Phantasiegebilden ihre Erklärung finden: den ersten Anstoss zur Schaffung
abnormer Entwicklungsrichtungen gaben immer traumatische, schockartig wirkende
reale
Erschütterungen und Konflikte mit der Umwelt, die der Formierung
neurosogener psychischer Mächte, so z. B. auch der des Gewissens,
immer vorausgehen. Dem entprechend kann man, wenigstens theoretisch, keine
Analyse als beendigt betrachten, wo es nicht gelang, bis zum traumatischen
Erinnerungsmaterial vorzudringen. Insoferne aber diese Behauptung, die
sich, wie gesagt, auf die Erfahrungen bei der Relaxationstherapie stützt,
bewahrheitet, erhöht sie den heuristischen Wert der so modifizierten
Technik auch in theoretischer Hinsicht nicht unwesentlich. Nach gebührender
Beachtung der Phantasietätigkeit als pathogenen Faktors musste ich
mich, in der Tat in der letzteren Zeit schliesslich immer häufiger
mit dem pathogenen Trauma selbst beschäftigen. Es
fand sich, dass das Trauma weit seltener [>484] die Folge angeborener erhöhter
Sensibilität der Kinder ist, die auch auf banale und unvermeidliche
Unluststeigerung neurotisch agieren, sondern zumeist einer wirklich ungebührlichen,
unverständigen, launenhaften, taktlosen, ja grausamen Behandlung.
Die hysterischen Phantasien lügen nicht, wenn sie uns erzählen,
dass Eltern und Erwachsene in ihrer erotischen Leidenschaftlichkeit Kindern
gegenüber in der Tat ungeheuer weit gehen, andererseits geneigt sind,
wenn das Kind auf dieses unbewusste Spiel der Erwachsenen eingeht, die
sicherlich unschuldigen Kinder mit harten, dem Kinde ganz unverständlich
es schockartig erschütternden Strafen und Drohungen zu bedenken. Ich
bin heute wieder geneigt, nebst dem Ödipuskomplex der Kinder die
verdrängte und als Zärtlichkeit maskierte Inzestneigung der Erwachsenen
in ihrer Bedeutsamkeit höher einzuschätzen. ..."
Anmerkung: Mit Ferenczis Erweiterung
des psychoanalytischen Technik aus integrativ-Petzold'scher Sicht setzt
sich Waldemar Schuch auseinander [PDF],
dem ich den Hinweis auf die Neokatharsis Ferenczis auch verdanke.
__
Noltings Einwände >
Beispiel
...
Aus Abschied von der Küchenpsychologie, S.217f: "Kraftsport,
Rausschreien und andere «Ventile»
Kann das funktionieren? Lässt sich aggressives Verhalten vermindern,
indem man auf Ersatzwegen «seine Aggressionen auslebt»?
Hierzu gibt es zahlreiche empirische Untersuchungen. In ihnen werden
meistens zwei Gruppen von Versuchspersonen verglichen. Eine hat Gelegenheit
zum «Abreagieren», zur sog. Katharsis, die andere übt
eine «neutrale» Aktivität aus - wie in dem folgenden Experiment
von Dieter Peper: 15-jährige Schüler wurden in einer Stunde von
einer Hilfskraft unfair behandelt und auf diese Weise in akuten Ärger
versetzt. Ein Teil von ihnen hatte im weiteren Stundenverlauf einen elastischen
Medizinball so heftig gegen die Wand zu schleudern, dass er möglichst
weit zurückprallte — dies war Kraftsport zum «Abreagieren»
gedacht. In der Vergleichsgruppe [> 218] folgte stattdessen eine sanfte
Geschicklichkeitsübung: auf einem Balken balancieren und dabei Keulen
einsammeln. Waren die Jugendlichen, die den Ball schleuderten, anschließend
wenig ärgert und weniger aggressiv in ihrem Verhalten als die Gruppe
mit dem Schwebebalken? Nein, es gab keinen Unterschied.
Weil kraftvoller Sport oder überhaupt Sport
oder auch quasi-aggressive Aktivitäten wie z.B. Holzhacken besonders
gerne zum «Aggressionsabbau» empfohlen werden,
wurde de-ren Wirkung in vielen weiteren Experimenten untersucht (Näheres
in meinen blick in «Lernfall Aggression»). Ein «Ableiten
von Aggressionen ließ sich nie feststellen. Einige Beispiele in Kurzform:
-
Kräftiges Treten auf einem Heimtrainer verglichen mit Tätigkeit.
Ergebnis: Das Treten steigerte aggressives Verhalten.
-
Skigymnastik im Vergleich zu gleich langem Warten oder zu einer Konzentrationsaufgabe.
Ergebnis: Die Gymnastik wirkte nicht besser als bloßes Warten; die
Konzentrationsaufgabe verminderte ärgerliche Stimmung am besten.
-
Kräftiges Dreinschlagen an einer Art Hau-den-Lukas verglichen mit
stillem Sitzen auf dem Stuhl: Ergebnis: Kein Unterschied.
-
Auf einen Punching-Sack schlagen verglichen mit bloßem Warten.
Das Ergebnis hier: Das Schlagen machte eher aggressiver."
__
Primärtherapie.
Janov (dt. 1991, S.387): "Primärtherapie ist nicht »Urschrei«-Therapie.
Primärtherapie besteht nicht einfach darin, Leute schreien zu lassen.
Das war der Titel eines Buches. Es war niemals eine »Urschrei-Therapie«
Wer das Buch gelesen hat, weiß, daß Schreien das ist, was Menschen
tun, wenn sie leiden. Andere schluchzen oder weinen einfach. Es war der
Schmerz, hinter dem wir her waren, keine mechanischen Übungen wie
das Schlagen gegen Wände und das Brüllen von »Mama«.
Diese Therapie hat das, was eigentlich eine Kunstform war, in eine Wissenschaft
verwandelt.
Es gibt viele hundert Ausübende, die etwas praktizieren, was sie
Primärtherapie nennen, ohne einen Tag Ausbildung gemacht zu haben.
Viele arglose Patienten sind schwer geschädigt worden, als sie dachten,
sie erhielten die richtige Primärtherapie. Ich muß betonen,
daß diese Therapie in ungeübten Händen gefährlich
ist. Vergewissern Sie sich also vorher, indem Sie mit uns Kontakt
aufnehmen.
Bei den vielen hundert Klinikern auf der Welt, die meinen Namen benutzen
und fälschlich behaupten, von mir ausgebildet worden zu sein, habe
ich nie gesehen, daß die Therapie korrekt praktiziert worden wäre.
Wir verbringen etwa ein Drittel unserer Zeit damit, Patienten zu behandeln,
die von Möchtegern-Primärtherapeuten kommen. Jahrelang ging ein
großer Teil unseres Budgets in die Forschung. Ich hoffte, andere
klinische Zentren würden die Primärforschung fortsetzen, aber
das war nicht der Fall.
Ich kann im Augenblick aufrichtig kein einziges Zentrum mehr empfehlen,
das Primärtherapie praktiziert, da ich mit keinem mehr assoziiert
bin. Ergänzt wurde das Problem dadurch, daß einige Therapeuten
Bruchstücke von Training bei mir absolviert und dann eine Praxis eröffnet
haben.
Ich möchte die Primärtherapie der Welt anbieten. In jeder
Klinik, die wir irgendwo auf der Welt eingerichtet haben, wurden wir von
Therapienachfragen überschwemmt. Die Therapie wirkt. Die Patienten
wissen es. Und ich hoffe, das durch dieses Buch den leidenden Menschen
bekanntzumachen."
Anmerkung: Im CST-Handbuch (Sponsel
1984, 02-05-10(Janov)-01..06 ) finden Sie eine ausführliche und kritische
Auseinandersetzung mit dem .Janovschen Primäransatz.
___
Prioritätsstreit
Freud-Janet.
Nach meinen Kenntnissen kann es keinen Prioritätsstreit zwischen
Freud und Janet geben, weil das Verdienst die kathartische Methode entdeckt
zu haben keinem von beiden, sondern ziemlich sicher Josef Breuer gebührt,
der - nach Hirschmüller 1978, S. 149 - den Mechanismus der Katharsis
(Erinnerung und Aussprechen eines traumatischen Ereignisses unter starker
Affektbeteiligung) im Frühjahr 1881 in der Behandlung Anna O.s entdeckte.
Was die Publizität betrifft, war Janet ungefähr ein halbes Jahr
früher dran, wobei ich nicht genau weiß, was er im Juli
1892 auf dem Internationalen Kongreß für Experimentelle Psychologie
in London, seine Forschungsergebnisse über den Zusammenhang zwischen
Amnesie (Erinnerungsverlust) und unbewußten fixen Ideen betreffend,
vorgetragen hat. Mir scheint aber auch sicher, dass Janets Vorwurf, Freud
habe ihn übergangen, falsch ist. In der Fußnote
1 der Vorläufigen Mitteilungen wird ausgeführt: "In
dem interessanten Buche von P. Janet: L'automatisme psychologique,
Paris 1889, findet sich die Beschreibung einer Heilung, welche bei einem
hysterischen Mädchen durch Anwendung eines dem unsrigen analogen Verfahrens
erzielt wurde."
Auch ein Prioritätsanspruch für die große
Bedeutung des Unbewussten wäre von beiden falsch. Denn während
bei den Vorgängern (z.B. Descartes, Kant, Reil) von Carus die Einsicht
in die Existenz des Unbewussten auf relativ kurzen Einlassungen beruht,
wird in Carl Gustav Carus’ ”Psyche.
Zur Entwicklungsgeschichte der Seele” von 1846, 10 Jahre vor Freuds Geburt,
eine umfassende Theorie zum Unbewussten im ersten Abschnitt seines Buches
auf 93 Seiten abgehandelt. Zum Vergleich: Freuds (1912)
Das
Unbewusste hatte einen Umfang von 43 Seiten (Fischer Studienausgabe
1975, Bd. III., 119 - 162). Die Erkenntnis des Unbewußten ist zweifellos
eine wesentliche Leistung der deutschen Romantik und nicht der Psychoanalyse.
Das stellt auch ELLENBERGER (dt. 1973, I. S. 292), der Historiker des Unbewußten,
fest, wenn er über CARUS' Buch Psyche schreibt: "das der erste Versuch
war, eine wirklich vollständige und objektive Theorie über das
unbewußte Seelenleben aufzustellen." Nur Freud, der große Ignorant
hatte es nicht nötig, seine Vorgänger zur Kenntnis zu nehmen,
falls er sie denn hinreichend kannte. Die Entdeckung des Unbewußten
ist gewiss keine Leistung Freuds, allenfalls seine wahnhaften Phantasien
(z.B. Ödipuskomplex, Penisneid, Kastrationskomplex, Vergöttlichung
der Sexualität).
Anmerkungen: Irrtümer und Irrwege
Freuds aus allgemein-integrativer Sicht. Version des Artikels aus
Integrative Therapie, Vol. 33, 1-2 (April 2007), 171-191, hier mit Inhaltsverzeichnis:
[PDF]
* Überblick Psychoanalyse Kritik
in der IP-GIPT *
___
Psychosynthese.
Die beschriebenen Methoden sind schon älter, wie Assagioli im Vorwort
(dt. 1993, S.9 ) zur 2. englischen Auflage schreibt, wurden im Handbuch
aber zusammenfassend dargestellt. Ich habe deshalb das Jahr 1965 als Jahr
der englischen Erstauflage gewählt. Die Methode Breuers wird m. E.
von Assagioli nicht richtig erkannt und wiedergegeben. Das Wesentliche
an der Methode Breuers im Fall der Anna O. war, dass diese eben im bewussten
Zustand nicht erinnern und erleben konnte, sondern erst in Hypnose versetzt
werden musste. Erst unter Ausschaltung bewusster Kontrolle, im hypnotischen
Zustand, konnte sie wieder - mit heftiger Gefühlsbeteiligung - erinnern.
Daher wird die Methode, wie Assagioli sie vorschlägt, "einfach" wiederzuerleben,
in ähnlichen Fällen scheitern. Ich belege durch Zitat (dt., S.
102):
"1. Katharsis
Wir wenden uns jetzt einer Reihe von Techniken zu, mit deren Hilfe
wir übermäßige Energien, die durch die Erforschung des
Unbewußten freigesetzt wurden, in den Griff bekommen, und die dazu
helfen, mit einem Übermaß an Emotionen umzugehen, über
das viele Menschen verfügen oder das von einem äußeren
Stimulus (einer Situation oder Person) hervorgerufen wird. Der Katharsis
wurde auch in der psychoanalytischen Behandlung viel Bedeutung beigemessen,
und sie wurde viel eingesetzt. Ein berühmtes Beispiel ist der Fall
der Anna O., der von Breuer und Freud in den klassischen «Studien
über Hysterie» beschrieben wurde. Dieser Fall zeigt eine wichtige
Tatsache: Nicht die bloße Bewußtmachung von unbewußten
Inhalten führte die Heilung herbei, das heißt ein Verschwinden
der Symptome, sondern die gleichzeitige emotionale Entladung.
Wiedererleben. Diese grundlegende Technik ist sehr
einfach. Der Patient wird aufgefordert, die Szene oder Situation, die die
emotionale Störung hervorbrachte, so realistisch wie möglich
nochmals zu erleben, wobei die Gefühle eine freie psychosomatische
Entladung finden. Dieser Prozeß kann mehrmals wiederholt werden,
bis die Intensität des emotionalen Ausbruchs allmählich nachläßt
und sich schließlich erschöpft.
Anwendbarkeit und Grenzen dieser Technik sind leicht zu verstehen.
Äußerst nützlich ist sie in Fällen eines traumatischen
Erlebnisses oder wenn die Situation des Patienten durch nicht ausgelebte
emotionale Spannung gekennzeichnet ist. Sie schafft wohl Erleichterung,
die gewisse Symptome beseitigen kann, darf jedoch nicht schon als Heilung
betrachtet werden. Sie beseitigt nicht die Ursachen, welche die Symptome
hervorbrachten und zur Steigerung emotionaler Spannung führten.
Die beste Voraussetzung für die Anwendung dieser
Technik ist, wenn der Patient entspannt und mit geschlossenen Augen auf
der Couch liegt. Nun wird er aufgefordert, sich an das Ereignis zu erin-[>103]nern,
jedoch nicht als Zuschauer, sondern als Teilnehmender oder Agierender.
Es ist wichtig, die Erfahrung nochmals emotional zu erleben; sich genauestens
zu erinnern und dabei den freien Fluß der Gefühle zuzulassen,
anstatt zu versuchen, sie zu kontrollieren, wie es der Patient vielleicht
in der damaligen Situation tat.
Dieser Prozeß kann - technisch gesehen - sehr komplex sein. Es
handelt sich um einen Identifikationsprozeß, ein Wiedererleben einer
Begebenheit, zusammengesetzt aus Empfindungen, Worten und Bildern. Deshalb
schlagen wir dem Patienten nichts Bestimmtes vor wie etwa, sich die Szene
bildhaft vorzustellen oder die Worte wieder zu hören usw. Wir sagen
ihm nur: «Stellen Sie sich vor, daß Sie wirklich wieder in
der Situation sind - daß Sie diese Erfahrung erneut durchleben.»"
___
Reils
Illusionstherapie mit Theatermitteln.
„Den Beschluß dieses Abschnitts mache
ich mit O b j e k t e n f ü r d e n S i n
n d e s G e s i c h t s, der der Seele am nächsten liegt
und auf die Erregung ihrer Vermögen am kräftigsten einwirkt.
Eindrücke auf diesen Sinn wirken selten direct aufs Gefühl, sondern
vorzüglich aufs Vorstellungsvermögen, durch dasselbe auf die
Einbildungskraft, wecken den Vorrath von Ideen und gehn auf diesem Wege
zum Gefühls- und Begehrungsvermögen über. Hier liegt noch
ein großes Feld zur Bearbeitung für die psychische Heilmittellehre
offen. Allein da die Objekte für diesen Sinn so mannichfaltig und
ihr Gebrauch von den verschiedenen Zuständen des Kranken ganz abhängig
ist, so kann ich mich auf ihr Detail nicht einlassen. Ich bemerke bloß
im Allgemeinen, daß jedes Tollhaus zum Behuf ihrer imposanten Anwendung
und zweckmäßigen Zusammenstellung ein für diese Zwecke
besonders eingerichtetes, durchaus praktikabeles Theater haben könnte,
das mit allen nöthigen Apparaten, Masquen, Maschinerien und Decorationen
versehen wäre. Auf demselben müßten die Hausofficianten
hinlänglich eingespielt seyn, damit sie jede Rolle [>210] eines Richters,
Scharfrichters, Arztes, vom Himmel kommender Engel, und aus den Gräbern
wiederkehrender Todten, nach den jedesmaligen Bedürfnissen des Kranken,
bis zum höchsten Grad der Täuschung vorstellen könnten.
Ein solches Theater könnte zu Gefängnissen und Löwengruben,
zu Richtplätzen und Operationssälen formirt werden. Auf demselben
würden Donquichotte zu Rittern geschlagen, eingebildete Schwangere
ihrer Bürde entladen, Narren trepanirt, reuige Sünder von ihren
Verbrechen auf eine feierliche Art losgesprochen. Kurz der Arzt würde
von demselben und dessen Apparat nach den individuellen Fällen den
mannichfaltigsten Gebrauch machen, die Phantasie mit Nachdruck und dem
jedesmaligen Zwecke gemäß erregen, die Besonnenheit wecken,
entgegengesetzte Leidenschaften hervorrufen, Furcht, Schreck, Staunen,
Angst, Seelenruhe u. s. w. erregen und der fixen Idee des Wahnsinns begegnen
können.
Nur ein Paar Beispiele von der Benutzung dieses
Sinns zur psychischen Cur der Irrenden. C h i a r u g i *) erzählt,
daß man einen Tobsüchtigen an einem Stricke in die Höhe
gezogen, ihn dadurch schnell zahm gemacht und bald ganz geheilt habe. Man
legt zu diesem Behuf dem Kranken bequeme Leibriemen an, bringt diese durch
Stricke und Flaschenzüge mit einem hohen Ge- [>211] wölbe oder
mit einem ungeheuren Mastbaum in Verbindung, und zieht ihn in die Höhe,
daß er wie ein Himmelsbote in den Lüften schwebt. Der Eindruck
wird um desto grausender seyn, je höher der Kranke, oder wenn er über
Feuerbrände, über eine tobende See, aufgezogen wird. Zum Feste
des heiligen Schweißtuchs zu Besançon, erzählt
P i n el * *), wurden viele Verrückte hergebracht, die man für
Besessene hielt. Eine unzählige Menge Zuschauer stellte sich auf einer
erhöhten Bühne, in Gestalt eines Amphitheaters. Die angeblich
Besessenen wurden von Soldaten gehalten und machten rasende Bewegungen.
Priester gingen in ihren Ceremonien-Kleidern ernsthaft umher und schickten
sich zur Beschwörung des Teufels an. Außerhalb dieses Kreises
und in dem Innern der Kirche hörte man melodische Töne, und eine
kriegerische Musik. Auf ein gegebenes Zeichen erschien in der Luft zu drey
verschiedenen Malen, unter dem Donner der Kanonen von der Citatelle eine
Art von Fahne, die das h e i l i g e S c h w e i
ß t u c h vorstellte. Und durch dies prachtvolle, feierliche
und religiöse Schauspiel wurden wirklich manche Wahnsinnige geheilt.
*) 1. c. 384 S.
**) 1. c. 263 S.
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Rogers grundlegende
Hypothese für Gesprächspsychotherapie: "DIE GRUNDLEGENDE
HYPOTHESE. Zum Abschluß dieses einführenden
Kapitels soll in wenigen Worten die grundlegende Hypothese dargelegt
werden, die in den nachfolgenden Kapiteln erläutert, definiert, erweitert
und erhellt werden wird. Diese Hypothese lautet: Wirksame Beratung besteht
aus einer eindeutig strukturierten, gewährenden Beziehung, die es
dem Klienten ermöglicht, zu einem Verständnis seiner selbst in
einem Ausmaß zu gelangen, das ihn befähigt, aufgrund dieser
neuen Orientierung positive Schritte zu unternehmen. Aus dieser Hypothese
folgt zwangsläufig, daß alle Techniken auf die Entwicklung dieser
freien und gewährenden Beziehung, dieses Verständnisses den eigenen
Selbst in der beratenden und in anderen Beziehungen, und dieser Tendenz
zur positiven, selbstinitiierten Handlung abzielen sollten." [Aus: Rogers
1942, dt. 1972, S. 28]
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Terminologie.
Mit dem griechischen Buchstaben
Theta J
(nach Jerapeia
(therapeia): Heilung) kennzeichnen wir Psychische Funktionen, wenn sie
Heilmittel oder Heilwirkfaktoren Qualität (Funktion) annehmen,
z. B. J
einsehen, J
zulassen unterdrückter Erinnerungen, J
stellen (konfrontieren), J
sich überwinden und
J
mutig sein,
J
differenzieren, J
entspannen, J
lernen, J
loslassen, J
beherrschen ... Und um deutlich zu machen, daß wir ein Wort
nicht alltagssprachlich, sondern im Rahmen einer psychologisch-psychotherapeutischen
Fachsprache verwenden, kennzeichnen wir das Wort mit dem griechischen Buchstaben
y
(Psi, mit dem das griechische Wort für Seele = yuch,
sprich: psyche, beginnt). Störungs-Funktor. Begriffe, die eine
Störung repräsentieren sollen, kennzeichnen wir mit dem Anfangsbuchstaben
Tau (t) des griechischen Wortes für Störung
tarach
(tarach).
Viel
Verwirrung gibt es in und um die Psychologie, weil viele ihrer Begriffe
zugleich Begriffe des Alltags und anderer Wissenschaften sind. Um diese
babylonische Sprachverwirrung, die unökonomisch, unkommunikativ und
entwicklungsfeindlich ist, zu überwinden, ist u. a. das Programm der
Erlanger Konstruktivistischen Philosophie und Wissenschaftstheorie entwickelt
worden: Kamlah & Lorenzen(1967). Zu einigen psychologischen Grundfunktionen
siehe bitte: vorstellen.
Ausführlich
zur Terminologie.
Querverweise
(Links) zum Terminologie-Problem in der Psychologie, Psychopathologie,
Psychodiagnostik und Psychotherapie: