Abteilung II:
Wissenschaftsrevolutionäre, Aufklärer,
Staatstheoretiker, Nationalökonomen,
Utopische- und Frühsozialisten, Materialisten
27 Bacon, Francis; 28 Bentham, Jeremy; 29 Campanella, Thomas; 30 Feuerbach, Ludwig; 31 Fourier, Charles; 32 Galilei, Galileo; 33 Kepler, Johannes; 34 Kopernikus, Nikolaus; 35 La Mettrie, Julien Offroy de; 36 Locke, John; 37 {39} Meslier, Jean Abbé; 38 {37} Montesquieu; 39 {38} Morus, Thomas; 40 Owen, Robert; 41 Ricardo, David; 42ab Rousseau, Jean-Jacques; 43 Saint-Simon; 44 Smith, Adam; 45 Voltaire.
von Rudolf Sponsel, Erlangen
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Lit.: J. Hoeppner "Ludwig Feuerbach" in Große Materialisten Leipzig 1965, S. 147 ff Querverweis: Ludwig Feuerbach.
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FEUERBACH,
Ludwig 1804-1872 [Nr.30]
Materialistischer Philosoph, Religionskritiker, Radikaler, der erst gar nicht in den öffentlichen Dienst aufgenommen wurde. Wurde in Landshut / Bay- ern als Sohn eines bekannten liberalen Juristen geboren. 1823 Beginn des Studiums der Theologie in Heidelberg, doch ein Jahr später bereits zieht es ihn zu Hegel nach Berlin, dort wandte er sich der Philosophie zu. 1828 promoviert er in Erlangen und habilitiert sich noch im gleichen Jahr. 1830 veröffentlicht er anonym seine 'Gedanken über Tod und Unsterblichkeit', wo er den Glauben an die Unsterblichkeit als vernunftwidrig angreift. Diese Schrift, als deren Verfasser er nicht verborgen blieb, sollte ihn zeitlebens von der Universitätslaufbahn ausschließen. 1837 zieht er sich nach Bruckberg bei Ansbach zurück, wo seine Frau etwas Vermögen und ein Heim ihr eigen nannte. Zwei Jahre später hat er sich endgültig zu dem gewandelt, als der er in die Geschichte eingehen sollte: zu einem geschliffe- nen Materialisten, der Hegel's Seiltänze zur Wirklichkeit zurückführen sollte, dabei ein unerbittlicher Kritiker der Religion, der er nachweist, daß nicht Gott die Welt, die Menschen, sondern die Menschen Gott nach ihren verborgenen Projektionen erfunden hätten, was sie von den eigentlichen Lebensaufgaben nur ablenke. Ähnlich räumt er auch mit der Moral auf: gut zu sein ist nicht an sich gut - wozu auch - sondern nützt, da man die ande- ren braucht und nicht alleine lebt auf der Welt; das ist der Kernsatz der materialistischen Ethik, daran ändert die Marxsche Kritik gar nichts, sofern die Marxisten überhaupt eine Ethik hervorgebracht haben, die es verdiente, eine solche genannt zu werden (mir jedenfalls ist keine bekannt). Mit dieser Entwicklung wird Feuerbach gleichzeitig zu einem scharfen Kritiker der Dunst- und Nebelphilosophen des deutschen Idealismus. Die Revolution von 1848 begrüßte er, doch beteiligt er sich nicht an den Kämpfen, ledig- lich einen Vortrag hält er vor Heidelberger Studenten und Arbeitern. 1870 Eintritt in die SPD, 1872 Tod. 20 000 Nürnberger Arbeiter sollen seinen Sarg mit roten Fahnen begleitet haben. |
Lit.: Cranston, M. "John Locke, A Biography"
London 1957
Querverweis:
Als Gag sei noch vermerkt, daß er einen Botschafterposten bei den Preußen wegen mangelnder Trinkfestigkeit ablehnte! |
LOCKE, John 1632-1704
[Nr.36]
Revolutionärer Republikaner, Radikaler im öffentlichen Dienst, Staatstheo- retiker, Arzt, Diplomat, Philosoph, ethischer Sozialist. Locke kann nicht nur als wichtiger Vorläufer der Befreiungsbewegungen gedeutet werden, sondern darüber hinaus auch als Vorläufer des Sozialismus. In seinen Staatstheorien (Two Treatises of Government, 1690) analysiert er die Ei- gentumsfrage und kommt zu dem Ergebnis, daß zwar jeder ein Recht auf Eigentum habe, insbesondere auf das Werk der eigenen Hände ( II, §§ 27, 44), doch ergeben sich hieraus auch die Grenzen: keiner darf sich mehr an- eignen als er zu seiner eigenen Erhaltung notwendig braucht. (II, § 31); das gilt auch für den Grundbesitz: 'Soviel Land ein Mensch pflügt, bepflanzt, bebaut, kultiviert und soviel von dem Ertrag verwerten kann, soviel ist sein Eigentum. Durch seine Arbeit hebt er es gleichsam vom Gemeingut ab' (II, § 32). - Damit wird Locke zum Begründer des ethischen Sozialismus - was nicht in den Geschichtsbüchern steht. Locke wurde als Sohn eines kleinen Landbesitzers und Anwalts in der Nähe von Bristol geboren, stand im Bürgerkrieg auf der Seite der Parlamentsparteien und gehört damit zu der kleinen Gruppe von Philososophen, die nicht bloß hinter dem Schreibtisch mutig werden, wenn sie es überhaupt werden. Er war Leibarzt Shaftesburys und muß im Zuge dessen politischer Manöver 1672 zum erstenmal flüchten. Er geht nach Frankreich und bleibt dort bis 1675. Die Flucht sollte sich 1683 wiederholen, als Shaftesbury endgültig verliert; L. ist bis 1689 im 'damaligen London', der Exilstadt Amsterdam. Mit der "Glorreichen Revolution' (unblutig verlaufen), die den katholischen Jakob II endgültig nach Frankreich verschwinden läßt, kann Locke zurückkehren. Sein Einfluß sollte gewaltig werden, in der amerikanischen Unabhängig- keitserklärung sollten seine Ideen deutlichen Niederschlag finden: Trennung der Gewalten, Trennung von Staat und Kirche, die Unverletzlichkeit der Menschenrechte, das Widerstandsrecht (mißbraucht das gesetzgebende Organ seine Gewalt, so kann das Volk es abberufen). Diese Ideen Locke's haben mit den heutigen Parlamentarischen Entartungsformen (diplomatische Immunität, Beamtenheere im Parlament, Aushöhlung der Grundrechte, Kompetenzmißbrauch der VerfassungsrichterInnen, keine eigentliche Volkssouveränität) nichts mehr zu tun. |
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'Neue Harmonie' scheitert in drei Jahren (1825-28). 1829 kehrt er nach England zurück Er setzt sich unermüdlich gegen Kirche und Privateigentum ein und opfert dabei viel an Vermögen. Verein- samt stirbt er 1858. |
OWEN, Robert 1771-1858
[Nr.40]
Bekanntester englischer Sozialist zu Beginn des 19. Jhds.; utopistischer Praktiker sozialistischer Gesellschaften innerhalb des Kapitalismus. Sohn eines (kurzfristig) wohlhabenden Sattlers, Eisenhändlers und Posthalters; in Newton (Nordwales) geboren. Außerordentlich wißbegierig und begabt (als siebenjähriges Kind soll er schon den Lehrer vertreten haben dürfen), beschäftigt sich früh mit den Religionen und ihren Kriegen, was ihn bald schon am Christentum zweifeln läßt. Mit 9 Jahren Kaufmannslehrling, dann Verkäufer in London und Manchester, mit 19 (!) Direktor einer großen Baumwollspinnerei. 1800 Kompagnon seines Schwiegervaters, eines Großindustriellen aus Schottland. Er wird Geschäftsführer in dessen Spinnerei in New Lanark. Dort versucht er eine Musterfabrik, gegen das Mißtrauen der Arbeiter und des Dorfpfaffen, einzurichten. Besonders kümmert er sich um die Erziehung der Arbeiterkinder und gründet hierzu sogar eine Schule, die bald die Aufmerksamkeit der ganzen Weit erregt. Um 1812 entwickelt er seine Gedanken weitergehender und legt sie in seiner Schrift 'A new view of society' nieder; diese Schrift schickt er an alle europäischen Regierungen und Universitäten. Er erkennt offenbar nicht, daß der schönste Gedanke nichts nutzt, wenn ihn nicht eine Faust führt. Theoretisch ist er ein absoluter Milieutheoretiker. Es gibt keinen freien Willen, da Charakter und Handlungen der Menschen durch ihre Umwelt hervorgerufen werden. Daß diese Gesellschaftsordnung falsch ist, geht aus den zu beobachtenden Lastern, Verbrechen, Elend hervor, das diese Ge- sellschaft produziert. Das individuelle Glück, Triebfeder allen Handelns, anzustreben, muß bedeuten, die Gesamtheit zu sehen, das Glück des ande- ren zu fördern. Er setzt sich das Verbot der Kinderarbeit und für kürzere Arbeitszeiten ein und erweist sich damit als Sozialpolitiker ersten Ranges. Seine Bemühungen, 'Genossenschaftsdörfer' zu gründen, stoßen auf kein Echo und er geht nach Amerika. |
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Lit.: D. Ricardo "Grundsätze der politischen Ökonomie" übersetzt und eingeleitet (mit biografischen Daten) von Gerhard Bondi, Berlin 1959 |
RICARDO, David
1772-1823 [Nr.41]
Bedeutender Nationalökonom, Wegbereiter Marxens (aus diesem Grund finden sich in dieser Abteilung Smith und Ricardo, denn ob Marxens na- tionalökonomische Werke ohne die Vorarbeiten dieser beiden britischen Denker möglich gewesen wäre, ist zu bezweifeln). Als Sohn begü- terter Eltern in London geboren und frühzeitig von seinem Vater für den Beruf des Börsenmaklers vorgesehen; bereits mit 14 Jahren war er an der Londoner Börse tätig. 1793 Konflikt mit seiner Familie, nachdem er durch Heirat zum Christentum konvertierte. Obgleich nun vom Vater wirtschaft- lich getrennt, hatte er doch soviele Kenntnisse erworben, daß er bei seinem Talent bereits mit 25 Jahren ein schwerreicher Mann war. Die nun gewon- nene materielle Sicherheit nutzte er, um wissenschaftlichen Studien nachzu- gehen. Zunächst beschäftigte er sich mit Mathematik, Mineralogie und Chemie, um sich dann der Nationalökonomie zuzuwenden. 1809 erste Veröffentlichungen zu ökonomischen, gold- und geldwirtschaftlichen Pro- blemen. Umfangreicher Briefwechsel mit Gelehrten der Gegenwart. 1814 vollständiger Rückzug auf seinen Landsitz, um ausschliesslich Wissenschaft zu betreiben. 1817 erscheint sein Hauptwerk 'Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und Besteuerung'. 1819 wird er ins Unterhaus ge- wählt, wo er sich vor allem wirtschaftspolitisch engagiert. 1823 stirbt er frühzeitig an einem Ohrenleiden, das schließlich auf das Gehirn übergriff. Marx hielt Ricardo für den wissenschaftlichen Höhepunkt der 'bürgerlichen Ökonomie'. |
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Lit.: A. Smith "Der Reichtum der Nationen" 1776 (dt. Kröner Taschenbücher mit Kommentar von F. Bülow) Querverweis: Wertlehre.
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SMITH, Adam 1723-1790
[Nr.44]
Englischer Philosoph, Nationalökonom, mit Ricardo der bedeutendste Vorbereiter der politischen Ökonomie, damit Wegbereiter Marxscher Analysen. Sohn eines schottischen Zollbeamten, studierte ursprünglich Theologie, dann Philosophie in Glasgow und Oxford. 1751 wird er Prof. für Logik, 1752 Professor für Moralphilosophie. Als Reisebegleiter des Herzogs von Buccleuch lernt er in Italien und Frankreich (1763 bis 66), vor allem in Frankreich, die Ideen der Physiokraten (= französische Rich- tung der Nationalökonomie, die den Boden und seine Bewirtschaftung als Quell des Reichtums betrachten) und Enzyklopädisten kennen. Nach die- ser Reise lebt er sehr zurückgezogen und widmet sich 10 Jahre seinen wissenschaftlichen Studien, aus denen sein berühmtes Hauptwerk 'Der Reichtum der Nationen' hervorgeht, in dem er darlegt, daß der Wert der Güter nicht durch den Gebrauchswert (das ist der individuelle Nutzen, den ein Mensch in irgendeinem Ding sieht), sondern durch den Tauschwert (das ist bei S. der Wert der Ware, der sich bei freiem Wettbewerb dem Kostenpreis annähert) zustandekommt. Das Wesen des Reichtums kommt durch die Arbeit zustande. Aufgrund seiner Wettbewerbstheorie lehnt er jeglichen staatlichen Eingriff ab (ist damit auch gegen Einfuhr- und Ausfuhr- verbote, Zölle etc.), da auf diese Weise der Markt, die Konkurrenz den gerechtesten und günstigsten Preis erzeugt. Obgleich Begründer der Natio- nalökonomie und Verteidiger des Kapitalismus, kritisiert er den englischen Imperialismus, er gewinnt großen Einfluß auf die Handels- und Wirtschafts- politik. |
1814 rauben königstreue Gegner der Französischen Revolution die Überreste von Voltaire und Rousseau aus dem Pantheon und verscharren sie an einem unbekannten Platz an der Seine. |
VOLTAIRE 1694-1778
[Nr.45]
Gesellschaftskritiker und Französischer Philosoph, beißender Freigeist. Sohn eines wohlhabenden Pariser Notars, kommt mit 10 Jahren ins Jesui- tenkolleg und beginnt 1711 Rechtswissenschaft zu studieren. Schreibt be- reits frühzeitig, 1714 gibt er das Studium auf und wird Advokatsgehilfe. 1716 wird er das erste Mal verbannt wegen eines satirischen Gedichtes. 1717 erste Haft in der Bastille wegen einer Satire gegen den Regenten, 1718 Entlassung, erfolgreiche Premiere einer Tragödie, die Francois-Marie Arrout erstmals unter dem Pseudonym Voltaire erscheinen läßt. Verschie- dene Aufenthalte bei Adeligen und Gönnern, Reisen nach Holland und Belgien, schwere Pockenerkrankung 1723. 1725 erhält er Jahresgelder von König und Königin (zu ihrer Hochzeit wurden drei seiner Stücke aufgeführt). Streit mit Chevalier de Rohan. V. wird von dessen Dienern verprügelt. Wieder Bastille, dann England. 1729 Rückkehr nach Frank- reich. Literarische Erfolge. 1734 entzieht er sich der Verhaftung durch Flucht auf das Schloß der Marquise du Chatelet, welches 15 Jahre lang sein Hauptwohnsitz bleiben sollte. 1736 Beginn des Briefwechsels mit Friedrich von Preußen. Freundschaft mit dem Preußenkönig, Reisen nach Deutschland. 1746 Mitglied der Akademie Française, sowie der Peters- burger Akademie. 1750 Gast bei Friedrich II., Streit mit ihm wegen einer Streitschrift, verläßt 1753 Berlin. Da er nach Paris nicht kann, geht er nach Genf. 1755 Beginn der langjährigen Mitarbeit an der 'Enzyklopädie'. 1759 wird der 'Candide' veröffentlicht, eine unglaublich beißende Satire auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, nicht zuletzt auf die Kirche; dieser Roman hat Dostojewski ein dreiviertel Jahrhundert später noch so beeindruckt, daß er einen russischen 'Candide' schreiben wollte. 1760 Höhepunkt des Streites und Bruch mit Rousseau, zahlreiche weitere kritische und aufklä- rerische Veröffentlichungen. 1770 Beginn des letzten großen Werkes (Enzyklopädische Fragen). 1773 schwere Blasenerkrankung, 1778 Rückkehr nach Paris - nach 28-jähriger Abwesenheit. Blutsturz und Fieber, kurze Genesung, dann endgültiger Zusammenbruch und Tod. |
Francis Bacon
https://www.zeno.org/Philosophie/M/Bacon,+Francis/Gro%C3%9Fe+Erneuerung+der+Wissenschaften
https://www.soemz.uni-sofia.bg/gast/interkulturell2/main/lern6/lern6.htm
"Ein zu Unrecht geneigter Kaiser sagt zornig und hochmütig zu einem seiner Beamten: Verschwinde, für mich bist du nicht länger Beamter. Der Beamte erwidert unerschrocken: Und für mich bist du nicht mehr Kaiser." Matthäus von Paris |
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korrigiert: irs 29.08.08