Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=29.08.2008 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 31.01.15
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
    Stubenlohstr. 20     D-91052 Erlangen * Mail: sekretariat@sgipt.org_Zitierung  &  Copyright

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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Kunst, Bereich Galerie, und hier speziell Porträts von R. Sponsel aus dem Katalog Der Charakter und sein Preis,

    Abteilung II:
    Wissenschaftsrevolutionäre, Aufklärer, Staatstheoretiker, Nationalökonomen,
    Utopische- und Frühsozialisten, Materialisten

    27  Bacon, Francis; 28  Bentham, Jeremy; 29  Campanella, Thomas; 30  Feuerbach, Ludwig; 31  Fourier, Charles; 32  Galilei, Galileo; 33 Kepler, Johannes; 34  Kopernikus, Nikolaus; 35  La Mettrie, Julien Offroy de; 36  Locke, John; 37 {39} Meslier, Jean Abbé;  38 {37} Montesquieu; 39 {38}  Morus, Thomas; 40 Owen, Robert; 41  Ricardo, David; 42ab Rousseau, Jean-Jacques; 43 Saint-Simon; 44  Smith, Adam; 45  Voltaire.

    von Rudolf Sponsel, Erlangen

       
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      Lit.: Ziegenfuß, W., Philosophenlexikon 
      Bd. 1  Berlin 1949

      BACON, Francis 1561-1626 [Nr.27]
      Zwielichtiger Staatsmann, revolutionäre empirische Denkweise für die damalige Zeit, Sozialutopist ("Neu-Atlantis"). Sohn des Großsiegelbewah- rers der Königin Elisabeth, glänzende Startbedingungen für Karriere an Hof und Parlament. Wettert jedoch gegen die Steuerforderungen der Regierung, war skrupellos in der Ausschaltung von Gegnern, zieht sich so die Mißgunst seiner einstigen Förderer zu. Setzt sich 1607 für die Einigung England / Schottland ein, wird zum obersten beratenden Anwalt der Krone. 1613 Generalstaatsanwalt, bringt es noch bis zum Lordkanzler und fällt dann steil ab, weil er Bestechungsgelder annahm. Revolutionär war er gewiß nicht in der Politik, aber in der Wissenschaft, wo er sich in seinem 'Novum Organum' ausdrücklich für die Erfahrung als Quelle der Erkenntnis einsetzt und Experimente, sowie induktives Vorgehen fordert, was zur Emanzipation der Naturwissenschaft nicht unwesentlich war und damit gleichzeitig die reaktionäre Denkweise der Kirche angriff. In Neu-Atlantis, nicht unbeeinflußt von Thomas Morus, entwirft er eine Sozialutopie, in der ein weiser Wissenschaftler regiert; durch die Entwicklung der Wissenschaf- ten soll Wohlstand für alle erreicht werden.
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      Lit.: Nationalbiography 

       

      BENTHAM, Jeremy 1748-1832  [Nr.28]
      Englischer radikaler Philosoph, Advokat und Privatgelehrter. Seine Be-
      deutung liegt in seinem berühmten Spruch, mit dem er die Aufgabe von Staat und Regierung  f o r m a l  bestimmt: das größte Glück der größten Anzahl. Aus dieser Definition lassen sich mit dem nötigen technischen Wissen jederzeit sozialistische Forderungen ableiten und gleichzeitig diejenigen kritisieren, die bestimmte Forderungen auf gesellschaftlichem Gebiet um ihrer selbst willen aufstellen und auch offenbar so begreifen. Dieser Standpunkt wird in der Philosophie Utilitarismus (Nützlichkeit) genannt. B. ist Sohn eines irischen Anwalts und studierte Rechtswissen- schaft. 1776 kritisiert er die englische Verfassung (Fragments of Govern- ment); er sympathisiert mit der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung. In der Wirtschaftspolitik stützt er sich auf Smith, entsprechend dem dama- ligen Wissen. Nach B. könne jeder sein eigenes Interesse selbst am besten beurteilen, nicht ein Staat oder sonstwer (anarchistischer Grundgedanke). Er vertrat die Auffassung, daß die gesamte Staatsverwaltung und Justiz nach dem Prinzip der Nützlichkeit revidiert werden müsse und erregte damit weltweites Aufsehen. Einziger Maßstab für Moral und Gesetzgebung sollte das menschliche Glück sein. Als er stirbt, hinterläßt er der Universität London sein Vermögen unter der Bedingung, daß seine Gebeine bei allen Ratssitzungen dabei sein müßten.

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      Lit.: Fetscher "Der Sozialismus"
      München 1968, S. 46, 415.
      H. Swoboda "Der Traum vom besten Staat". München 1972, S. 99 ff
       

      CAMPANELLA, Thomas 1568-1639 [Nr. 29]
      Revolutionär-utopistischer Mönch. In Kalabrien geboren, Studium der zeitgenössischen Philosophie, Philologie, Naturwissenschaft und Astrologie. Tritt mit 14 Jahren in den Dominikanerorden ein. Um den Weltfrieden zu garantieren, fordert er (der damaligen politischen Situation aus seiner Sicht entsprechend) eine Weltmonarchie unter päpstlicher Oberhoheit. Für das Jahr 1600 erwartete er nach einer Prophezeiung des Fiore die Weltrevolution und den Anbruch des 'goldenen Zeitalters' . Ein Aufstand der Kalabreser gegen die Spanier sollte die Wende einleiten. Er nimmt an dieser Verschwörung teil, doch wird der Plan verraten. Vor Gericht entgeht er nur knapp der Todesstrafe, bringt es aber auf immerhin 30 Jahre Kerker, bis ihm um 1634 die Flucht ins französische Exil gelingt. Während der Haft schreibt er seinen berühmten 'Sonnenstaat', der man- ches von Plato und von Morus entlehnte. Das Manuskript wurde aus dem Gefängnis geschmuggelt und 1623 in Frankfurt veröffentlicht. Er beschreibt in seiner Utopie einen christlich-kommunistischen Staat, in dem völlige Gütergemeinschaft herrschte, der im Gegensatz zu Morus nicht freiheitlich, sondern hierarchisch gegliedert war. Württembergische Protestanten planten die Errichtung einer solchen Gemeinde, werden aber durch den Dreißigjährigen Krieg daran gehindert. Doch wurde der Jesuitenstaat in Paraguay (bis 1767) nach Methoden verwaltet und aufgebaut, die offenbar auf Campanellas 'Sonnenstaat' zurückgingen.

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      Lit.: J. Hoeppner "Ludwig Feuerbach" in Große Materialisten Leipzig 1965, S. 147 ff

      Querverweis: Ludwig Feuerbach.











       

      FEUERBACH, Ludwig 1804-1872  [Nr.30] 
      Materialistischer Philosoph, Religionskritiker, Radikaler, der erst gar nicht in den öffentlichen Dienst aufgenommen wurde. Wurde in Landshut / Bay- ern als Sohn eines bekannten liberalen Juristen geboren. 1823 Beginn des Studiums der Theologie in Heidelberg, doch ein Jahr später bereits zieht es ihn zu Hegel nach Berlin, dort wandte er sich der Philosophie zu. 1828 promoviert er in Erlangen und habilitiert sich noch im gleichen Jahr. 1830 veröffentlicht er anonym seine 'Gedanken über Tod und Unsterblichkeit', wo er den Glauben an die Unsterblichkeit als vernunftwidrig angreift. Diese Schrift, als deren Verfasser er nicht verborgen blieb, sollte ihn zeitlebens von der Universitätslaufbahn ausschließen. 1837 zieht er sich nach Bruckberg bei Ansbach zurück, wo seine Frau etwas Vermögen und ein Heim ihr eigen nannte. Zwei Jahre später hat er sich endgültig zu dem gewandelt, als der er in die Geschichte eingehen sollte: zu einem geschliffe- nen Materialisten, der Hegel's Seiltänze zur Wirklichkeit zurückführen sollte, dabei ein unerbittlicher Kritiker der Religion, der er nachweist, daß nicht Gott die Welt, die Menschen, sondern die Menschen Gott nach ihren verborgenen Projektionen erfunden hätten, was sie von den eigentlichen Lebensaufgaben nur ablenke. Ähnlich räumt er auch mit der Moral auf: gut zu sein ist nicht an sich gut - wozu auch - sondern nützt, da man die ande- ren braucht und nicht alleine lebt auf der Welt; das ist der Kernsatz der materialistischen Ethik, daran ändert die Marxsche Kritik gar nichts, sofern die Marxisten überhaupt eine Ethik hervorgebracht haben, die es verdiente, eine solche genannt zu werden (mir jedenfalls ist keine bekannt). Mit dieser Entwicklung wird Feuerbach gleichzeitig zu einem scharfen Kritiker der Dunst- und Nebelphilosophen des deutschen Idealismus. Die Revolution von 1848 begrüßte er, doch beteiligt er sich nicht an den Kämpfen, ledig- lich einen Vortrag hält er vor Heidelberger Studenten und Arbeitern. 1870 Eintritt in die SPD, 1872 Tod. 20 000 Nürnberger Arbeiter sollen seinen Sarg mit roten Fahnen begleitet haben.

       
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      Lit.: F. Kool / W. Krause "Die frühen Sozialisten" Bd. 1 München 1972





      Währendessen hat er verschiedene Werke herausgegeben, doch bis 1830 kennt ihn fast niemand, bis die Schule Saint Simons zugrunde geht, zwischen 1830 und 1850 sollen rund 300 fourieri- stische Autoren hervorgetreten sein, die seine Ideen verbreiteten. Der Junggeselle und Prediger der freien Liebe, anma- ßend und selbstgefällig in der Theorie, selbstlos und sympathisch in der Le- benspraxis, stirbt 1837 in Paris. 

      FOURIER, Charles 1772-1837 [Nr.31]
      Frühsozialist, beißender Kritiker mit satirischen Zügen (nach Engels). Eu- gen Dühring (der von Engels theoretisch verprügelt wurde) meinte dage- gen, am Fourierismus sei nur die erste Silbe wahr (four = frz. = u.a. 'Miß- erfolg'). Wird als Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns in Besançon gebo- ren, 9 Jahre später stirbt der Vater. Das nicht unbeträchtliche Vermögen geht teils durch Wirren der Revolution, teils durch Spekulationen verloren. Bei der Niederschlagung des aufständischen Lyon (1793) wird F. gefangen genommen und entgeht durch Flucht nur knapp dem Tod. Ausgedehnte Reisen nach Holland, Belgien, Deutschland. 1795 arbeitet er als Hand- lungsgehilfe, um über die Runden zu kommen. Nacheinander schlägt er sich als Buchhalter, Handelsreisender, Kassier, Korrespondent und Spediteur durch. Zeitlebens bleibt er in dem durch Not aufgezwungenem Kaufmanns- beruf, den er so hassen lernen sollte ('das edle Handwerk der Lüge'). Sei- ne Bildung besorgt er selber in den Nächten - Physik, Chemie, Astrono- mie, Naturgeschichte und Philosophie - bis ihn sein Haß gegen den Handel, das 'Schmarotzergewerbe' zu gesellschaftlichen Studien treibt. Er entdeckt im Kapitalismus eine Welt, die für ihn auf dem Kopf steht, in der ganzen Wirtschaft empfindet er eine fundamentale Unordnung der Verteilung. Durch ein kleines Legat seiner Mutter, die 1812 starb, kommt er 1816 in die Lage, sich ohne Arbeit eine Weile auf das Land zurückziehen zu kön- nen und widmet sich 5 Jahre gänzlich seinen Studien. 1826 geht er nach Paris zu seiner Schwester und wird von anderen finanziell abhängig. Heine schreibt: 'auch Fourier mußte zu den Almosen seiner Freunde Zuflucht nehmen, und wie oft sah ich ihn in seinem grauen, abgeschabten Rocke längs den Pfeilern des Palais Royal hastig dahinschreiten, die beiden Rocktaschen schwer belastet, so daß aus der einen der Hals einer Flasche und aus der anderen ein langes Brot hervorguckten',  10 Jahre wartet er jeden Mittag auf einen Mäzen, der ihm seine ideale Gesellschaft finanzieren sollte, doch es kam keiner und ein Versuch eines seiner Anhänger (Ram- boullet) scheiterte. 

       
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      Lit.: Joh. Hemleben: "Galilei" Hamburg 1969

      GALILEI, Galileo 1564-1642   [Nr.32] 
      Sorgenfreie Jugend in Pisa und Florenz. 1581 Studium in Pisa, Geometrie und erste Beobachtungen der Pendelbewegungen. 1586 Erfindung einer Waage für spezifisches Gewicht. 1589 Berufung als Professor für Mathe- matik in Pisa. Zahlreiche weitere Arbeiten auf dem Gebiet der Mechanik, u.a. militärisch bedeutende Werke, was vielleicht besonders das Augen- merk und die Förderung seiner Fürsten und Gönner erweckte. 1615 erste Schwierigkeiten nach Denunziation des Dominikaners Lorini. Verteidigung
      des kopernikanischen Systems. 1616 wird G. von den Inquisitoren ermahnt. Weitere Angriffe der Kleriker. 1631/32: Verbreitung und Druck der 'Dialogo', wird untersagt, 1632 vor die Inquisition geladen. Unter Androhung der Folter schwört Galilei seinem 'Irrtum' ab und wird Ende 1633 nach diesem Meineid nur auf seine Villa verbannt. 1638 Lockerung des Banns, gelegentlich darf er die Stadt besuchen, an bestimmten Festtagen die Kirche. Epilog: 1835 wird der 'Dialog' vom Index gestrichen!

       
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      Lit.: Joh. Hemleben: "Kepler" (romono) 1959
       
      KEPLER, Johannes 1571-1630   [Nr.33]
      Deutscher Astronom und Mathematiker. Schwächliches kränkliches Kind, Sehfehler (!) und schwacher Schüler (für die dreiklassige Lateinschule benötigte er fünf Jahre). In der Jugendzeit erholt er sich etwas, kommt ins Stift zu Tübingen, geht später nach Graz, muß dort im Zuge der Gegenre- formation 1598 nach Ungarn fliehen, erhielt aber die Erlaubnis zurückzu- kehren. Tycho de Brahe lädt ihn nach Prag ein, K. nimmt an, nachdem er 1600 endgültig aus Graz ausgewiesen wird, unter Verlust seiner ganzen Habe. Konnte sich nach dem Tode Brahes in Prag nicht halten und ging nach Linz, nachdem ihn die Tübinger als zu liberal befanden. In Linz Schwierigkeiten mit den Protestanten, denen er zu liberal war, obgleich überzeugter Protestant. Weigerte sich, die Konkordienformel zu unter- zeichnen, wurde exkommuniziert, 1619 Ausschluß vom Abendmahl lega- lisiert, lehnte Ruf nach Bologna wegen Verfahren gegen Galilei ab. 1617 / 1621 wurde seine Mutter in Württemberg wegen Hexerei angeklagt, er widerlegt die Anklage. 1626 wird seine Bibliothek in Linz wegen ketzeri- schen Inhalts beschlagnahmt; er verläßt Linz und führt ein unstetes Wan- derleben. Der Kaiser verweigert sein Gehalt, auch Wallenstein bleibt später die Zahlung schuldig. 1630 Reise nach Regensburg, um vor dem Reichstag sein Gehalt vom Kaiser einzufordern. K. stirbt jedoch kurz nach der Ankunft.

       
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      Lit.: H. Bluinenberg "Die kopernikanische Wende" Frankfurt 1965

      KOPERNIKUS, Nikolaus 1473-1543   [Nr.34]
      Wissenschaftsrevolutionär, deutsch-polnischer Astronom. Sohn einer deutschstämmigen Kaufmannsfamilie. 1483-1494 Universitätsausbildung in Krakau, 1494-1500 Weiterstudium in Bologna / Italien. Wird 1499 'magister artium'. 1501 zum Domherren ernannt, setzt er sein Studium der Medizin und des Kirchenrechts in Padua fort und promoviert 1503 zum Doktor des kanonischen Rechtes. Rückkehr nach Polen, dort Sekretär und Leibarzt seines Onkels, der ihm seine Ausbildung ermöglicht hatte. 1510 tritt er die Domherrenstelle in Frauenburg an (kein geistliches Amt, sondern Verwaltungsstelle mit juristischer, politischer und medizinischer Tätigkeit). Bereits zu dieser Zeit gilt er als angesehener Astronom. Die Ab- handlung seiner astronomischen Ideen, der sog. 'Commentariolus' fand we- gen der Kalenderreform große Beachtung. 1533 interessierte sich auch der Papst für die Grundzüge des neuen Systems. Die Ausarbeitung seiner skiz- zierten Ideen im 'Commentariolus' unternahm K. jedoch erst auf Drängen anderer, so daß er das endgültige Erscheinen seines Hauptwerkes gar nicht mehr erlebte. Dieses Werk sollte nicht nur die Astronomie revolutionieren, sondern gleichzeitig die Stellung der von blutiger Dogmatik verblendeten katholischen Kirche erschüttern helfen.

       
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      Lit.: G. Gurst "La Mettrie, J. O. de" in
      Große Materialisten Leipzig 1965

      LA METTRIE, Julien Offroy de 1709-1751   [Nr.35]
      Rabiater Materialist, gefürchteter Aufklärer, entlassener Radikaler aus dem öffentlichen Dienst. Am l. Weihnachtsfeiertag als Sohn eines reichen Kauf- manns in Saint-Malo geboren, gründliche Ausbildung; vielseitig begabt ent- scheidet er sich schließlich für die Medizin, die er bei dem berühmtesten Mediziner seiner Zeit, bei Boerhaave in Leiden studiert. Danach französi- scher Armeearzt, wo er  - so die Geschichte -  von einem heftigen Fieber befallen, seine psychische Abhängigkeit vom physischen Zustand bemerkt haben soll. Diese Beobachtung sollte ihn zeitlebens beschäftigen. 1745 veröffentlicht er seine 'Naturgeschichte der Seele', dafür wanderte er ins Exil nach Holland. Dort schrieb er anonym 'der Mensch - eine Maschine' (1747), das einen Sturm der Entrüstung und zahlreiche Gegenschriften her- vorrief. Das war denn auch den Holländern, die seinerzeit so liberal waren, wie das London des 19. Jahrhunderts, zuviel und er mußte abermals das Exil wechseln; so emigrierte er (ausgerechnet) nach Preußen (Friedrich II, der Voltaire Asyl gewährte). Dort rundete er seine materialistische-atheisti- sche Weltanschauung ab und demonstrierte durch sein Leben, durch seine Bereitschaft für die Wahrheit, die er als solche erkannte, mehrmals das Exil auf sich zu nehmen, daß er mehr Charakter hatte, als seine kleinbürgerli- chen Kritiker zusammenbrachten. So jubelte denn auch die feudal-klerikale Reaktion, als der große Materialist Lammetrie an dem Genuß einer Pastete stirbt - das entsprach dem Bilde jener elenden Kreaturen von einem Mate- rialisten.

       
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      Lit.: Cranston, M.  "John Locke, A Biography"  London 1957
       
       

      Querverweis: 
      Ein Brief über Toleranz.








      Als Gag sei noch vermerkt, daß er einen Botschafterposten bei den Preußen wegen mangelnder Trinkfestigkeit ablehnte!

      LOCKE, John 1632-1704   [Nr.36]
      Revolutionärer Republikaner, Radikaler im öffentlichen Dienst, Staatstheo- retiker, Arzt, Diplomat, Philosoph, ethischer Sozialist. Locke kann nicht nur als wichtiger Vorläufer der Befreiungsbewegungen gedeutet werden, sondern darüber hinaus auch als Vorläufer des Sozialismus. In seinen Staatstheorien (Two Treatises of Government, 1690) analysiert er die Ei- gentumsfrage und kommt zu dem Ergebnis, daß zwar jeder ein Recht auf Eigentum habe, insbesondere auf das Werk der eigenen Hände ( II, §§ 27, 44), doch ergeben sich hieraus auch die Grenzen: keiner darf sich mehr an- eignen als er zu seiner eigenen Erhaltung notwendig braucht. (II, § 31); das gilt auch für den Grundbesitz: 'Soviel Land ein Mensch pflügt, bepflanzt, bebaut, kultiviert und soviel von dem Ertrag verwerten kann, soviel ist sein Eigentum. Durch seine Arbeit hebt er es gleichsam vom Gemeingut ab' (II, § 32). - Damit wird Locke zum Begründer des ethischen Sozialismus  - was nicht in den Geschichtsbüchern steht. Locke wurde als Sohn eines kleinen Landbesitzers und Anwalts in der Nähe von Bristol geboren, stand im Bürgerkrieg auf der Seite der Parlamentsparteien und gehört damit zu der kleinen Gruppe von Philososophen, die nicht bloß hinter dem Schreibtisch mutig werden, wenn sie es überhaupt werden. Er war Leibarzt Shaftesburys und muß im Zuge dessen politischer Manöver 1672 zum erstenmal flüchten. Er geht nach Frankreich und bleibt dort bis 1675. Die Flucht sollte sich 1683 wiederholen, als Shaftesbury endgültig verliert; L. ist bis 1689 im 'damaligen London', der Exilstadt Amsterdam. Mit der "Glorreichen Revolution' (unblutig verlaufen), die den katholischen Jakob II endgültig nach Frankreich verschwinden läßt, kann Locke zurückkehren. Sein Einfluß sollte gewaltig werden, in der amerikanischen Unabhängig- keitserklärung sollten seine Ideen deutlichen Niederschlag finden: Trennung der Gewalten, Trennung von Staat und Kirche, die Unverletzlichkeit der Menschenrechte, das Widerstandsrecht (mißbraucht das gesetzgebende Organ seine Gewalt, so kann das Volk es abberufen). Diese Ideen Locke's haben mit den heutigen Parlamentarischen Entartungsformen (diplomatische Immunität, Beamtenheere im Parlament, Aushöhlung der Grundrechte, Kompetenzmißbrauch der VerfassungsrichterInnen, keine eigentliche Volkssouveränität) nichts mehr zu tun. 

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      Lit.: Deprun / Beshe / Soboul (Hrsg.) "Mémoires et pensées de Jean Meslier" 
      3 Bde.  Paris 1970-72

      MESLIER, Jean Abbé 1644-1729   [Nr.37 {39] 
      Landpfarrer, radikaler Sozialist, Atheist und Materialist. Sohn eines armen Wollwebers, mit 28 Pfarrer in einer armen Bauerngegend nahe der belgi- schen Grenze. Eigentümliche Persönlichkeit - obwohl Geistlicher, ist er im Innern (ohne daß dies jemals einer merkt) radikaler Atheist und Kommu- nist. Erst nach seinem Tode werden seine Schriften ("Mein Testament') erstmals durch Voltaire veröffentlicht (1761). 1864 besorgte der Holländer Rudolf Charles eine vollständige Ausgabe und erst 1969 ist in Frankreich eine kritische Ausgabe erschienen. M. hat das Elend der Bauern unmittel- bar miterlebt (Hungerperioden: 1693/94, 1698, 1709, 1725) und daraus die durchaus richtigen Schlüsse gezogen: 'Der Teufel, mit welchem die Priester euch drohen, ist nicht der von ihnen in häßlicher Gestalt geschil- derte; jene schönen, duftenden, juwelenglänzenden Herren und Damen, die am Hofe das dem Volke ausgepreßte Geld verprassen, das sind die wah- ren Teufel!' Sein Werk ist eine ungeheure, drastisch geschriebene Anklage gegen die mörderische Blutsaugerei und Verkommenheit des Adels und der Kirche.
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      Lit.: A. Sorel "Montesquieu"  dt. 1896

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      1725 verkauft er sein Amt als Parla- mentspräsident, wird Mitglied der Aca- démie Française; er bereist ganz Europa, studiert die Staatsformen, die Geschichte der Völker. 1734: M. wird einer der Mitbegründer, der französischen Frei- mauerei. Nach Erscheinen des 'Geist der Gesetze' in Genf 1748 greift ihn die Kirche an. Er stirbt 1755 in Paris. 34 Jahre später sollten sich nicht wenige auf ihn berufen.

      MONTESQUIEU 1689-1755   [Nr. 38 {37}]
      Französischer Staatsphilosoph, Freimaurer. In der Tradition John Locke's setzt er den Gedanken der Gewaltentrennung fort und baut ihn aus, um den Machtmißbrauch einzuschränken. Denn Macht, so M., verführt immer zum Versuch des Mißbrauches. Er analysiert einzelne Staatsformen, wie z.B. die Demokratie ('sobald in der Republik das Volk als Körperschaft die souveräne Macht besitzt, haben wir eine Demokratie vor uns. Sobald die souveräne Macht in den Händen eines Teils des Volkes liegt, heißt sie Aristokratie'. Vom Geist der Gesetze, zweites Buch, zweites Kapitel). Es gibt wohl keinen zweiten Staatsdenker, der der gesetzlichen Sicherung des gesellschaftlichen Lebens soviel Bedeutung beimaß. Wie diese allerdings zu gewährleisten ist, erfährt man nur vage. Der Gedanke der sich gegenseitig kontrollierenden Gewalten ist sehr allgemein (auch die BRD-Verfassung spricht in Artikel 20,2 von der Gewaltenteilung, was diesen Staat nicht daran hindert, die Parlamente mit Beamten zu überschwemmen, zumal die sog. Gewissensfreiheit der Volksvertreter dazu in krassem Widerspruch steht, denn sie erlaubt jedem Volksvertreter sofort nach der Wahl, nicht die Interessen des Volkes sondern seine Gewissenlosigkeit zu vertreten - sie erlaubt!). Charles Louis de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu ' wurde als Sohn einer standesbewußten Aristokratenfamilie in der Nähe von Bordeaux geboren. Zippelius (Geschichte der Staatside- en, S. 112) weiß zu berichten, daß M.'s Vater einen gerade vorbeikom- menden Bettler zum Paten bestellte, um seinen Sohn stets daran zu erin- nern, daß die Armen seine Brüder seien. M. studiert die Rechte in Borde- aux und Paris, wird Parlamentsmitglied in Bordeaux und bald schon Präsi- dent. Als junger Mann betätigt er sich in der Geheimgesellschaft  'Club de l' Entresol' in Paris, in dem sich Gegner des Absolutismus und des politischen Radikalismus zusammenfanden. Zeit seines Lebens wird er als unbestech- licher und rücksichtsloser Kritiker des Systems beschrieben. 

       
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      Lit.: Thomas Morus "Utopia" (Biografisches Nachwort) Reclam Stuttgart 1973



       
       
       
       
       
       
       
       
       

      MORUS, Thomas 1478-1535   [Nr.38]
      Englischer Staatsmann. Aus Familientradition und auf väterlichen Befehl Jurist in London, später angesehener Friedensrichter. Entsetzt von der herrschenden Klassenjustiz wandte er sich den spezifischen Bestrebungen des englischen Humanismus zu. War ideeller Mitherausgeber des erasmi- schen Manifests 'Lob der Torheit'. Tiefer als bei Gleichgesinnten ging sein politisches Interesse gegen die Tyrannis und unbefangen kritisierte er die kirchlichen Zustände, obwohl er bis 1504 den Eintritt ins Kloster erwog.
      1510 zum Untersheriff von London ernannt. 1516 formuliert er 'Utopia' - es wurde das namengebende Vorbild aller künftigen Staatsromane. In dem Werk werden in stark verschlüsselter Form die Mißstände in England leidenschaftlich angeklagt. Karl Kautsky hat die historische Rolle Thomas Morus' kurz und bündig so gerühmt: 'Mit der 'Utopia' Morus' beginnt der moderne 'Sozialismus'. 1517 kehrt M. in die praktische Politik zurück, vom König begünstigt und in verschiedenen Funktionen im königlichen Rat tätig. Seit 1529 Lordkanzler konnte er 13 Jahre lang den äußeren Frieden Englands sichern. Die Entscheidungen Heinrichs VIII für die Trennung seiner Ehe mit Katharina von Aragon sowie für königliche Suprematie (Allgewalt) widersprachen M.'s Gewissen. Am Tage nach der Kapitulation der englischen Kirche vor dem Herrn trat M. am 15.5.1532 von seinem Amt zurück. Jede parlamentarische Thronfolgeregelung zu akzeptieren bereit, verlangte er nur, Ehescheidung und Suprematie des Königs nicht
      öffentlich gutheißen zu müssen, dazu schweigen zu dürfen. Jedoch selbst dieser bescheidene Rechtsanspruch Morus' erschien derart anmaßend, daß ein langwieriges Prozeßverfahren mit billigster Scheinlegalität auf Hochver- rat entschied. Königliche 'Gnade' verwandelte die gesetzliche Strafe des Bauchaufschlitzens in Hinrichtung. Morus starb am 6.7.1535 und wurde 19355 heiliggesprochen.

       
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      Lit.: R. O.  "The life of Robert Owen written by himself" Bd. 1 London 1857
      Querverweis: New Harmony.

      'Neue Harmonie' scheitert in drei Jahren (1825-28). 1829 kehrt er nach England zurück Er setzt sich unermüdlich gegen Kirche und Privateigentum ein und opfert dabei viel an Vermögen. Verein- samt stirbt er 1858.

      OWEN, Robert 1771-1858  [Nr.40] 
      Bekanntester englischer Sozialist zu Beginn des 19. Jhds.; utopistischer Praktiker sozialistischer Gesellschaften innerhalb des Kapitalismus. Sohn eines (kurzfristig) wohlhabenden Sattlers, Eisenhändlers und Posthalters; in Newton (Nordwales) geboren. Außerordentlich wißbegierig und begabt (als siebenjähriges Kind soll er schon den Lehrer vertreten haben dürfen), beschäftigt sich früh mit den Religionen und ihren Kriegen, was ihn bald schon am Christentum zweifeln läßt. Mit 9 Jahren Kaufmannslehrling, dann Verkäufer in London und Manchester, mit 19 (!) Direktor einer großen  Baumwollspinnerei. 1800 Kompagnon seines Schwiegervaters, eines Großindustriellen aus Schottland. Er wird Geschäftsführer in dessen Spinnerei in New Lanark. Dort versucht er eine Musterfabrik, gegen das Mißtrauen der Arbeiter und des Dorfpfaffen, einzurichten. Besonders kümmert er sich um die Erziehung der Arbeiterkinder und gründet hierzu sogar eine Schule, die bald die Aufmerksamkeit der ganzen Weit erregt. Um 1812 entwickelt er seine Gedanken weitergehender und legt sie in seiner Schrift  'A new view of society' nieder; diese Schrift schickt er an alle europäischen Regierungen und Universitäten. Er erkennt offenbar nicht, daß der schönste Gedanke nichts nutzt, wenn ihn nicht eine Faust führt. Theoretisch ist er ein absoluter Milieutheoretiker. Es gibt keinen freien Willen, da Charakter und Handlungen der Menschen durch ihre Umwelt hervorgerufen werden. Daß diese Gesellschaftsordnung falsch ist, geht aus den zu beobachtenden Lastern, Verbrechen, Elend hervor, das diese Ge- sellschaft produziert. Das individuelle Glück, Triebfeder allen Handelns, anzustreben, muß bedeuten, die Gesamtheit zu sehen, das Glück des ande- ren zu fördern. Er setzt sich das Verbot der Kinderarbeit und für kürzere Arbeitszeiten ein und erweist sich damit als Sozialpolitiker ersten Ranges. Seine Bemühungen, 'Genossenschaftsdörfer' zu gründen, stoßen auf kein Echo und er geht nach Amerika. 

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       Lit.: D. Ricardo "Grundsätze der politischen Ökonomie"  übersetzt und eingeleitet (mit biografischen Daten) von Gerhard Bondi, Berlin 1959

      Querverweis: Wertlehre.

      RICARDO, David 1772-1823   [Nr.41]
      Bedeutender Nationalökonom, Wegbereiter Marxens (aus diesem Grund finden sich in dieser Abteilung Smith und Ricardo, denn ob Marxens  na- tionalökonomische Werke ohne die Vorarbeiten dieser beiden britischen Denker möglich gewesen wäre, ist zu bezweifeln). Als Sohn begü- terter Eltern in London geboren und frühzeitig von seinem Vater für den Beruf des Börsenmaklers vorgesehen; bereits mit 14 Jahren war er an der Londoner Börse tätig. 1793 Konflikt mit seiner Familie, nachdem er durch Heirat zum Christentum konvertierte. Obgleich nun vom Vater  wirtschaft- lich getrennt, hatte er doch soviele Kenntnisse erworben, daß er bei seinem Talent bereits mit 25 Jahren ein schwerreicher Mann war. Die nun gewon- nene materielle Sicherheit nutzte er, um wissenschaftlichen Studien nachzu- gehen. Zunächst beschäftigte er sich mit Mathematik, Mineralogie und Chemie, um sich dann der Nationalökonomie zuzuwenden. 1809 erste Veröffentlichungen zu ökonomischen, gold- und geldwirtschaftlichen Pro- blemen. Umfangreicher Briefwechsel mit Gelehrten der Gegenwart. 1814 vollständiger Rückzug auf seinen Landsitz, um ausschliesslich Wissenschaft zu betreiben. 1817 erscheint sein Hauptwerk 'Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und Besteuerung'. 1819 wird er ins Unterhaus ge- wählt, wo er sich vor allem wirtschaftspolitisch engagiert. 1823 stirbt er frühzeitig an einem Ohrenleiden, das schließlich auf das Gehirn übergriff. Marx hielt Ricardo für den wissenschaftlichen Höhepunkt der 'bürgerlichen Ökonomie'. 
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      42a

      42b

      Lit.: Georg Holmsten "Jean-Jacques Rousseau" romono Hamburg 1972

      ROUSSEAU, Jean-Jacques 1712-1778   [Nr.42ab]
      Französischer Staatsdenker, Gesellschaftskritiker, als Radikaldemokrat deutbar durch seinen vieldeutigen ' Gesellschaftsvertrag', auf den sich die widersprüchlichsten Richtungen beriefen und berufen. Als Sohn eines Uhr- machers in Genf geboren. Zuerst Lehrling bei einem Gerichtsschreiber, dann bei einem Graviermeister. 1728 setzt er sich aus Genf ab und gelangt nach Turin, konvertiert zur katholischen Kirche und arbeitet als Lakai in Adelshäusern. Erfolgloser Besuch eines Priesterseminars, sodann Chorist und Musikschüler. 1730 wandert er als Landstreicher, Musikant und Mu- siklehrer durch Frankreich und die Schweiz. Beziehungen zu Madame de Warens (1734); Unfall bei chemischen Experimenten (1737); Studien, 1740 Hauslehrer in Lyon, 1742 Übersiedlung nach Paris, Abhandlung über moderne Musik, wird Sekretär eines französischen Botschafters in Vene- dig, nach Streit zurück nach Paris, dort Umgang mit Diderot und Condillac. Beginn des Verhältnisses mit Th. Levasseur. Seine Gefährtin schenkt ihm fünf Kinder, die er dem Findelhaus übergibt. 1749 Abfassung von Musik- artikeln für die Enzyklopädie. 1750 Preisschrift, anschließend tätig als No- tenkopist, 1764 konvertiert er in die calvinistische Kirche; 1759 nachdem er mit früheren Bekannten gebrochen hatte, Einladung des Herzogs von Luxembourg, Arbeit an 'Emile' und am 'Gesellschaftsvertrag'. 'Emile' ruft Stürme der Entrüstung hervor und wird durch das Parlament konfisziert und verdammt, gegen R. wird Haftbefehl erlassen. Ebenso ergeht es seinen Werken in Genf. Er geht nach Neuchatel (gehört zu Preußen) und wird Bürger dieses Fürstentums. 1764 Entwurf einer Verfassung für Korsika. Beginn der 'Bekenntnisse', 1765 Wörterbuch der Musik. 6.9.1765 Flucht vor der Bevölkerung, Ausweisung durch Berner Regierung, 1766 Reise nach England in Begleitung Humes. Beginn von Verfolgungsideen, Entfrem- dung von Hume, zurück nach Frankreich, lebt dort teils unter falschen Na- men zusammen mit Thérèse. 1770 Paris, Arbeit als Notenkopist, Abschluß der 'Bekenntnisse', in denen er oft gegen sich selbst rücksichtslos vorgeht, sein Leben, sein Wollen, seine Laster beschreibt. Die Polizei verbietet sei- ne Vorlesungen aus den 'Bekenntnissen'. 1772 häufiger Wahnzustände und Depressionen, Beschäftigung mit Pflanzenkunde, botanische Exkursionen. 1778 plötzlicher Tod. Rousseau's Werk übte gewaltigen Einfluß aus nicht zuletzt auf die 1789er Revolutionäre, 

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      Lit.: F. Kool & W. Krause  "Die frühen Sozialisten" Bd. 1 München 1972

      1814 geht es ihm durch glückliche Spe- kulationen finanziell wieder besser, so daß er sich einen Sekretär leisten kann, A. Thierry, der ein berühmter Historiker werden sollte, sich jedoch mit S. 1817 verkracht. Seine Stelle wurde bis 1824 von Auguste Comte, berühmter Positi- vist und Soziologe, eingenommen. S. stirbt  fröhlich plaudernd und seine Freunde unterhaltend in Paris 1825.

      SAINT-SIMON   1760-1825   [Nr.43]
      Französischer Frühsozialist, Veteran im amerikanischen Unabhängigkeits- krieg, Graf, Börsenspekulant. Stammt aus einem Adelsgeschlecht aus dem 14. Jhd. Über seine Jugend konnte ich nicht viel in Erfahrung bringen, je- denfalls nahm er am amerikanischen Unabhängigkeitskrieg teil und ver- zichtete 1790 auf seinen Titel. Aus der Revolution hält er sich raus, ver- sucht sich in Börsenspekulationen, wobei er sein gesamtes Vermögen ver- liert. 1793 unterzieht er sich feierlich einer 'republikanischen Taufe' und nimmt den bürgerlichen Namen Claude-Henri Bonhomme (guter Mensch) an, einen Monat später wird er verhaftet und sitzt bis August 1794, sechs Wochen nach Robespierres Sturz. Der 'gute Mensch' hat offenbar Sinn für revolutionären Humor er entwickelt nämlich ein 'republikanisches  Karten- spiel', in dem Könige, Damen, Buben durch Gleichheit, Freiheit und Genius ersetzt werden, die As wird das Gesetz und ist erhaben über alle. Bevor er jedoch bankerott geht, genießt er erst das Leben. Die Abfindung, die ihm sein Kompagnon von Redern (Botschafter in London), in Höhe von 144000 Pfund bezahlt benutzte er nach eigenen Worten dafür, um 'Wissen zu erwerben; eine vorzügliche Tafel, guter Wein, viele Gefälligkeiten gegen- über Professoren, denen ich meine Börse öffnete', eine kurze Ehe meinte er zur wissenschaftlichen Ausbildung zählen zu müssen. Seine Schriften sind durchtränkt von Phantastereien, enzyklopädischem Wissen, Fortschritts- gläubigkeit durch Wissenschaft. Hinzu kommt rasender Ehrgeiz, Angst, verkannt zu werden, was ihn zu arroganten Wutausbrüchen provozierte. Nachdem er 1805 sein Vermögen durchgebracht hatte, bekommt er mit Mühe und Not einen Job als Pfandhausschreiber und sein ehemaliger Die- ner gewährt ihm Unterkunft. Schlecht geht es ihm wieder als dieser stirbt (1810). Infolge einer ernsthaften Depression muß er 1812 eine Nervenheil- anstalt aufsuchen. 

       
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      Lit.: A. Smith "Der Reichtum der Nationen" 1776 (dt. Kröner Taschenbücher mit Kommentar von F. Bülow)

      Querverweis: Wertlehre.

       

      SMITH, Adam 1723-1790  [Nr.44] 
      Englischer Philosoph, Nationalökonom, mit Ricardo der bedeutendste Vorbereiter der politischen Ökonomie, damit Wegbereiter Marxscher
      Analysen. Sohn eines schottischen Zollbeamten, studierte ursprünglich Theologie, dann Philosophie in Glasgow und Oxford. 1751 wird er Prof. für Logik, 1752 Professor für Moralphilosophie. Als Reisebegleiter des  Herzogs von Buccleuch lernt er in Italien und Frankreich (1763 bis 66), vor allem in Frankreich, die Ideen der Physiokraten (= französische Rich- tung der Nationalökonomie, die den Boden und seine Bewirtschaftung als Quell des Reichtums betrachten) und Enzyklopädisten kennen. Nach die- ser Reise lebt er sehr zurückgezogen und widmet sich 10 Jahre seinen wissenschaftlichen Studien, aus denen sein berühmtes Hauptwerk 'Der Reichtum der Nationen' hervorgeht, in dem er darlegt, daß der Wert der Güter nicht durch den Gebrauchswert (das ist der individuelle Nutzen, den ein Mensch in irgendeinem Ding sieht), sondern durch den Tauschwert (das ist bei S. der Wert der Ware, der sich bei freiem Wettbewerb dem Kostenpreis annähert) zustandekommt. Das Wesen des Reichtums kommt durch die Arbeit zustande. Aufgrund seiner Wettbewerbstheorie lehnt er jeglichen staatlichen Eingriff ab (ist damit auch gegen Einfuhr- und Ausfuhr- verbote, Zölle etc.), da auf diese Weise der Markt, die Konkurrenz den gerechtesten und günstigsten Preis erzeugt. Obgleich Begründer der Natio- nalökonomie und Verteidiger des Kapitalismus, kritisiert er den englischen Imperialismus, er gewinnt großen Einfluß auf die Handels- und Wirtschafts- politik.
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      Lit.: G. Holmsten "Voltaire" romono Hamburg 1971
       Querverweis: Aufklärung. 







      1814 rauben königstreue Gegner der Französischen Revolution die Überreste von Voltaire und Rousseau aus dem Pantheon und verscharren sie an einem unbekannten Platz an der Seine.

      VOLTAIRE 1694-1778   [Nr.45]
      Gesellschaftskritiker und Französischer Philosoph, beißender Freigeist.
      Sohn eines wohlhabenden Pariser Notars, kommt mit 10 Jahren ins Jesui- tenkolleg und beginnt 1711 Rechtswissenschaft zu studieren. Schreibt be- reits frühzeitig, 1714 gibt er das Studium auf und wird Advokatsgehilfe. 1716 wird er das erste Mal verbannt wegen eines satirischen Gedichtes. 1717 erste Haft in der Bastille wegen einer Satire gegen den Regenten, 1718 Entlassung, erfolgreiche Premiere einer Tragödie, die Francois-Marie Arrout erstmals unter dem Pseudonym Voltaire erscheinen läßt. Verschie- dene Aufenthalte bei Adeligen und Gönnern, Reisen nach Holland und Belgien, schwere Pockenerkrankung 1723. 1725 erhält er Jahresgelder von König und Königin (zu ihrer Hochzeit wurden drei seiner Stücke aufgeführt). Streit mit Chevalier de Rohan. V. wird von dessen Dienern verprügelt. Wieder Bastille, dann England. 1729 Rückkehr nach Frank- reich. Literarische Erfolge. 1734 entzieht er sich der Verhaftung durch Flucht auf das Schloß der Marquise du Chatelet, welches 15 Jahre lang sein Hauptwohnsitz bleiben sollte. 1736 Beginn des Briefwechsels mit Friedrich von Preußen. Freundschaft mit dem Preußenkönig, Reisen nach Deutschland. 1746 Mitglied der Akademie Française, sowie der Peters- burger Akademie. 1750 Gast bei Friedrich II., Streit mit ihm wegen einer Streitschrift, verläßt 1753 Berlin. Da er nach Paris nicht kann, geht er nach Genf. 1755 Beginn der langjährigen Mitarbeit an der 'Enzyklopädie'. 1759 wird der 'Candide' veröffentlicht, eine unglaublich beißende Satire auf die gesellschaftlichen Verhältnisse, nicht zuletzt auf die Kirche; dieser Roman hat Dostojewski ein dreiviertel Jahrhundert später noch so beeindruckt, daß er einen russischen 'Candide' schreiben wollte. 1760 Höhepunkt des Streites und Bruch mit Rousseau, zahlreiche weitere kritische und aufklä- rerische Veröffentlichungen. 1770 Beginn des letzten großen Werkes (Enzyklopädische Fragen). 1773 schwere Blasenerkrankung, 1778 Rückkehr nach Paris - nach 28-jähriger Abwesenheit. Blutsturz und Fieber, kurze Genesung, dann endgültiger Zusammenbruch und Tod.



    Literatur (Auswahl)



    Links (Auswahl: beachte)

    Francis Bacon
    https://www.zeno.org/Philosophie/M/Bacon,+Francis/Gro%C3%9Fe+Erneuerung+der+Wissenschaften
    https://www.soemz.uni-sofia.bg/gast/interkulturell2/main/lern6/lern6.htm



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
     
    "Ein zu Unrecht geneigter Kaiser sagt zornig und hochmütig zu einem seiner Beamten: Verschwinde, für mich bist du nicht länger Beamter. Der Beamte erwidert unerschrocken: Und für mich bist du nicht mehr Kaiser."           Matthäus von Paris
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf (DAS). Wissenschaftsrevolutionäre, Aufklärer, Staatstheoretiker, Nationalökonomen, Utopische- und Frühsozialisten, Materialisten. Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/galerie/rs/DCUSP/Aufkl/Aufkl0.htm
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