Politischer Wochen
Kommentar PWK 2002-31
Hinweis: PWK-Sommerpause 4.8.-21
.9.2002
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Die PropagandistInnen der Globalisierung
und New Economy - besonders bekannt Lothar
Späth aus dem sog. Kompetenzteam Stoiber - haben, wie sich inzwischen
herausstellt, auf der ganzen Linie versagt. Statt Wohlstand und Arbeit
für alle zu schaffen, bahnt sich inzwischen eine Weltwirtschaftskrise
an. Halb Südamerika
erzittert unter der Drohung der Zahlungsunfähigkeit. Der Dritten Welt
ging es noch nie so schlecht. Und die USA
haben noch nie so schamlos, brutal und offen ihr grenzenlos ego-häßliches
Gesicht gezeigt. Die jüngsten Wirtschaftsdaten aus den USA, die diese
Woche (31.) 2002 bekannt gegeben wurden, sprechen keineswegs für einen
nahen Konjunkturaufschwung, sondern eher für eine neue Rezession.
Die deutsche Börse hat inzwischen bald 60 % ihres Wertes verloren.
Korruption, Bestechung, Vorteilsnahme, Bilanzfälschungen und eine
gigantische Wirtschaftskriminalität bestimmen das Bild. Hinzu kommt
eine grenzenlose Chuzpe in den Vorständen gepaart mit unvorstellbarer
Inkompetenz in den Aufsichtsunräten,
was zu völlig offener Plünderung und Ausschlachtung von soliden
Unternehmen und deutschen Traditionsfirmen führt. Die ZockerInnen,
SpekulantInnen und Weiße- Kragen- Kriminellen haben das Ruder in
die Hand genommen. In Deutschland kommt die Verarbeitung der Wiedervereinigung
hinzu, die Billion um Billion frißt, und das angesichts einer gigantischen
Staatsverschuldung, von den führenden schwarz- rot- gelb-
grünen Parteien seit 35 Jahren in unverantwortlicher und geradezu
geistesgestörter Weise auf immer neue Allzeithochs getrieben. Jetzt,
wo alle Kassen leer sind und Geld allerorts dringender denn je gebraucht
wird, ist keines da. Dank der Kohls, der Schröders, Späths und
Stoibers, der Gewerkschaften und sozialen Institutionen, deren gesamtes
Wirken darauf aufgebaut ist, daß andere bezahlen und immer neue Schulden
gemacht werden können. Leben auf Pump.
Und damit oben ja nichts schief geht: Wer Mist macht, muß belohnt
und abgefunden werden und doppelt und dreifach profitieren. Eine solche
Führungselite und Politik kann man nur noch als partiell geistesgestört
bezeichnen. Doch während Ludwig
II., der nur seine königliche Cabinettskasse in den Ruin
trieb - und nicht den Staatshaushalt - für unmündig erklärt
wurde, laufen Abertausende von BürgermeisterInnen, Abgeordnete, Regierungsmitglieder
und MinisterInnen und RegierungschefInnen hier frei herum - voll unterstützt
durch Wirtschaftsmedien, die offensichtlich ihrer kritischen Aufgabe überhaupt
nicht gewachsen sind oder sie längst vergessen haben und ebenso Teil
des Systems sind wie die Justiz.
Der Bund der SteuerzahlerInnen hat schon 1997 aufmerksam gemacht und frühzeitig gewarnt. Aber es wurde abgewiegelt, bagatellisiert, nicht-verstehen gespielt und ähnliche unwürdige sachfremde Manöver aufgelegt wie nun auch jetzt wieder durch den Bundestagspräsidenten höchstpersönlich. Es geht hier auch nicht um eine Bagatelle. Es geht um etwas sehr Grundsätzliches, nämlich um die relativ hemmungslose und selbstverständliche Selbstbedienungsmentalität, die in Politkreisen allenthalben herrscht. Aneignen, verschenken und ausgeben, was einem nicht gehört, was man nicht selbst verdient hat und wofür man nicht gerade stehen muß, ist eine Grundunsitte und schleichende Charakterfäule wirtschafts-oligarcher Hollywooddemokratien. Wieder einmal zeigte sich, daß Bundestagspräsident Thierse seinen Aufgaben hinten und vorne nicht gewachsen ist. Zuletzt fiel er durch die geradezu lächerliche Strafe - geradezu eine Ermunterung zur Fortsetzung - für den SPD-Parteispendenskandal in Köln auf. Klar, daß er nicht zurücktritt. Denn hierzulande gilt: Wer Mist macht, bleibt in Amt und Würden oder wird gnadenlos belohnt und abgefunden. Ein Deutscher gibt nie auf, vor allem dann nicht, wenn es um Vermeiden von Charakter, Verantwortung und das Tragen von Konsequenzen geht.
Letzte Woche zeigte ein Anatole Charakter, diese Woche ein Linker: Gregor Gysis Rücktritt ist glaubwürdig und respektheischend. Daß die große Mehrzahl des Volkes meint, wie eine Forsa- Umfrage ergab, daß dieser Schritt überzogen und unnötig sei, zeigt nur, wo dieses Land inzwischen steht. Klar, daß die Abgeordneten unsisono einstimmen in diesen Chor. So schlimm sei das nun auch nicht. Auf der symptomatischen Ebene ist das zwar richtig. Doch so manche schwere und schlimme Krankheit kündigt sich durch sehr harmlose und unbedeutend - anmutende Symptome an. Sie nicht angemessen zu beachten bedeutet nicht selten, den Tod zu riskieren. Das Krebsgeschwür Selbstbedienungsmentalität und persönliche Raffgier ist sehr weit fortgeschritten in diesem Land. Und der jüngste Umgang zeigt eindringlich, daß diese tödliche Autoimmunkrankheit Selbstbedienungsmentalität völlig falsch eingeschätzt wird.
Quververweise:
https://www.steuerzahler.de/
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,207845,00.html
"In guten Gesellschaften paßt daher am besten jeder auf jeden auf; dies umso mehr, je mehr Macht jemand hat, denn die Macht ist gefährlich und wir alle sind anfällig." [Quelle]
Die Selbstbedienungsmentalität ist seit über 30 Jahren schon durch die Bücher - die leider ohne durchschlagende Wirkung zu bleiben scheinen - von Armins bekannt. PolitikerInnen werden im Laufe ihres Politlebens natürlich weit mehr korrumpiert als einfache Leute. So betrachtet kommt es entscheidend darauf an, zu begreifen, daß das Problem nicht dadurch lösbar ist, daß man man bessere Menschen fordert, sondern wir brauchen richtige Transparenz und damit die Möglichkeit der Kontrolle. Wir alle sind anfällig. Am sinnvollsten und effektivsten ist die Abschaffung des Geldtabus, die Schaffung gläserner Mächtiger. Je mehr Macht oder Bedeutung einer hat, desto mehr Transparenz und Kontrolle ist notwendig.
Nicht vergessen: Amerika ist im Krieg:
Geheimdienste (CIA 1- 2 - 3 - 4 - 5 ), Regierung und ihre AgentInnen lügen daher wie gedruckt. Fallen Sie also bitte nicht auf die geschniegelt- seriös wirkenden Nachrichtenfrisuren der Medien herein.
Die Demokratie ist nicht unbedingt die zweitbeste Staatsform, wobei es, wie Churchill anmerkte, die beste nicht gibt. Schaut man sich die Machtverhältnisse, Brot und Spiele der Gegenwart an, ist kein großer Unterschied zu Adel und Aristokratie festzustellen: der Adel der modernen Mediendemokratie heißt nur Geldadel und Geldadeliger ist, wer genügend davon hat. Der Schein ist alles. |
Man vergegenwärtige sich: PolitikerInnen sind im Grunde, wenn sie sich auf den Weg machen, Menschen wir Du und ich, vermutlich auch nicht besser oder schlechter als wir alle - bis sie das System einholt. Sie sind daher vor allem auch ein Opfer der strukturellen Bedingungen. Es hat also keinen Sinn, nach besseren Menschen zu suchen, man muß die strukturellen Bedingungen so verbessern, daß das Gute in uns allen mehr zum Vorschein kommt, gefördert wird und das Böse, das in uns allen steckt, besser kontrolliert wird. Wir können unseren Egoismus nicht abschaffen, wir können ihn nur besser kontrollieren. Hierzu brauchen wir grundlegend andere Transparenz- Bedingungen als dieser Staat, sein Rechts- und Kontrollsystem bisher zur Verfügung stellt, erlaubt und fördert.
Am wichtigsten und nötigsten ist eine Staats- und Grundgesetzreform
Das Grundgesetz ist schlecht und
dringend revisionsbedürftig. Wie schlecht es eigentlich ist, hat sich
erst die letzten 35 Jahre herausgestellt, seit die Republik zunehmend unaufhaltsam
abwirtschaftet, Staatsverschuldung, Filz, Korruption, Mißmanagement,
Inkompetenz und Versagen ein gigantisches Ausmaß erreicht haben.
PolitikerInnen
müssen an die Wahlen denken und daran, wie sie an der Macht bleiben.
Entschieden wird vom großen Haufen und den ihn manipulierenden Interessengruppen,
wobei der große Haufen bekanntlich nur kurzfristig und oberflächlich
denken mag oder kann. Dies nennt man dann plebiszitäre Demokratie.
Damit sind die strukturellen Bedingungen so gewählt, daß das
geschieht, was der große Haufen hören will oder wozu er sich
manipulieren läßt. Damit ist klar, daß sparen, umsichtig
wirtschaften, vorsorgen sehr unwahrscheinlich werden. Konstruktive Veränderungen
innerhalb des Systems sind unwahrscheinlich. Hier kann nur eine Staats-
und Verfassungsreform helfen, die bessere Rahmenbedingungen für
alle politischen Parteien und PolitikerInnen, unabhängig von ihren
Charakteren über die Wahlperioden hinaus dauerhaft und sicher zur
Verfügung stellt:
Ein neues Grundgesetz muß her unter dem Primat von Transparenz und Kontrolle, das den Erkenntnissen der Wissenschaften vom Menschen Rechnung trägt, das die idealistische Verlogenheit und vielfältige Widersprüchlichkeit zugunsten des Realitätsprinzips aufgibt. |
Hierzu auch: Roman
Herzog fordert Staatsreform
Deutschlands Hauptproblem ist nicht die Armen ärmer zu machen, sondern eine Erneuerung der maroden Führungsstrukturen
Die Politik braucht zur Entwicklung der Demokratie vor allem - und wenigstens - fünf neue strukturelle Impulse: (1) Transparenz: Abschaffung des Geldtabus (Bankgeheimnis, Steuergeheimnis) und keine falsche Vorschiebung und Zweckentfremdung von Datenschutz; (2) Verantwortung: Abschaffung des Idiotenprinzips: Wer Mist macht wird belohnt; (3) eine Reform des Grundgesetzes zur Staatsverschuldung; (4) eine Zurückführung der Blockademöglichkeiten der Bundesländer sowie (5) Schaffung wirkungsvoller Kontrollsysteme.
Einführung und Neufassung des Verantwortungsprinzips
Schluß mit dem Idiotenprinzip:
Wer Mist macht wird belohnt. Es müssen dringend die gesetzlichen
Voraussetzungen dafür geschaffen bzw. erleichtert werden, daß
diejengien, die in verantwortlicher Stellung (PolitikerInnen, MinisterInnen,
Abgeordnete, BeamtInnen u.a. VerantwortungsträgerInnen) Mist machen,
nicht durch Abfindungen, vorzeitigen Ruhestand (Pension) und neue Möglichkeiten
des Doppelt- und Dreifachverdienens belohnt werden. Wer Mist macht, muß
es spüren, Mist machen darf sich nicht länger lohnen.
Jede Oma, jede PädagogIn, jede PsychologIn, jeder, der bis drei zählen kann und gesunden Menschenverstand hat, weiß: werden Fehlverhaltensweisen belohnt, verfestigen und vertiefen sie sich. Jeder weiß das. Nur die Politik und ihre potemkinschen "Kontrollsysteme" scheren sich nicht darum, wissen es offenbar nicht oder wollen es nicht wissen. Wer Mist macht, darf nicht länger mit Abfindungen, Frühpensionen, Doppeleinkünften und anderem Geldsegen belohnt werden. |
Nicht minder wichtig ist es, dem
Wirtschafts- und Geldadel die Möglichkeiten zum hemmungslosen Ausbeuten
- wie es beispielweise zu allen Ferienzeiten vom Benzinkartell demonstriert
wird - empfindlich zu beschneiden:
Das Bundeskartellamt kann Firmen verpflichten, gewünschte Preiserhöhungen anzumelden. Das Bundeskartellamt kann gewünschte Preiserhöhungen untersagen, wenn es von den Begründungen nicht überzeugt ist. |
Querverweis: https://www.attac.de/ * |