Politischer Wochen Kommentar PWK 2002-30
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Der Verzicht Cem Özdemirs auf sein Mandat ist konsequent und richtig. Daß man diese - bei Lichte betrachtet - Selbstverständlichkeit teilweise so feiert zeigt, in welchem Zustand Deutschland ist. Charakter, Haltung, Konsequenz, Verantwortung und Verzicht sind Fremdworte in diesem Land. Selbstverständlich hingegen scheint zu sein, daß man sich hemmungslos selber bedient, Firmen, Sozial- und SteuerzahlerInnenkassen plündert, wo es nur geht, doch wenn es um Verantwortung geht, dann kann nie einer was dafür, dann wird immer die Schuld bei anderen gesucht (Globalisierung, Wirtschaftsflaute und Konjunkturzyklus, die bösen und unfähigen Anderen), ja oftmals sogar bei den Schwächsten und Ärmsten der Gesellschaft. Genau solche Führungskräfte braucht das Land. Der Staat, die Parlamentarier und seine Bediensteten, haben sich zu einem gigantischen und unersättlichen Finanzkraken entwickelt. Schulden, Schulden über alles, war das Wohlstandsmotto. Nach uns die Sintflut. Das einzige, was diese Bande von politischen VersagerInnen wirklich kann, ist Schulden machen. Leben auf Pump, bezahlt wird später oder nie, denn der Gott der Globalisierung und Hollywooddemokratien heißt Money, More Money, Most Money (MMMMM) als ob Deutschland schon von Scientology unterwandert wäre. Und wenn gar nichts mehr geht, dann machen wir halt eine Währungsreform, wenn die Geldaristokratie ihr Vermögen ins sichere Ausland gebracht hat. Als Erhard vor 35 Jahren vom Maßhalten sprach, wurde er abgewählt. Doch sein aktueller Nachfolger in der Kanzlerkandidatur hat davon nie was gehört. Auch unter seiner Regentschaft wird Deutschland sicher ein neues Allzeithoch in der Staatsverschuldung und eine Abmahnung aus Brüssel erreichen.
Düsseldorfer Staatsanwaltschaft untersucht den Fall der Plünderung des Mannesmann- Vermögens durch seinen Vorstand. Es ist üblich und eine echte Tradition geworden in Deutschland, Firmen, Sozial- und SteuerzahlerInnenkassen durch Führungskräfte und ManagerInnen zu plündern. Wer Mist wird, lautet unserer kruppstählernes Führungsprinzip, der muß obendrein belohnt werden. Dann erst macht es dem anscheinend perversen Führungskader so richtig Spaß. Dagegen mag selbst die Hofhaltung Ludwig XIV in Bedrängnis kommen. Das alles hat mit Demokratie nicht mehr das Geringste zu tun. Das ist eine Finanzkraken-Oligarchie allerschlimmsten Ausmaßes. [Querverweis: Justiz-Kritik in der IP-GIPT]
Nach
Aristoteles'
Staatslehre sind Bill Gates und Finanzkraken- Typen zu verbannen, denn
Aristoteles erkannte frühzeitig, daß zu große Macht, die
nicht nur im Kapitalismus, immer mit viel Geld verbunden ist, eine Gefahr
für den Staat, den sozialen und den Weltfrieden ist. Für allzu
Mächtige schlug Aristoteles daher die Verbannung
vor.
Gewerkschaftliches Trauerspiel der Woche: Der Fall Zwickel
Wenn der Mann eine echte sozialpolitische Tradition und entsprechenden Anstand hätte, wäre er längst zurückgetreten. Doch wie wir leider sehen und kritisieren müssen: Auch die Gewerkschaft ist voller Filz, wie nicht erst die Aktieninsidergeschäfte des einstigen IG-Metall Bosses Franz Steinkühler vor rund 10 Jahren zeigten. Die Gewerkschaft ist über weite Strecken genauso marode und moralisch angefault wie die gesamte Republik und hier besonders die sog. Führungsschicht. Wie ein führender deutscher Gewerkschaftsfunktionär sich zum Komplizen von Vorstandsplünderern und Finanzraubrittern machen kann, wenn ein deutsches Traditionsunternehmen von internationalen Finanzvampiren geschlachtet wird, ist nicht nachvollziehbar. Und damit paßt Zwickels Verhalten als eines einfältigen und willfährigen Kapitalknechtes ohne Substanz, ohne Haltung, voll in das Bild der gesamten Republik. Wie blöde müssen Deutschlands Arbeitnehmer sein, daß sie solche Figuren zu ihren Repräsentanten wählen. Die 60 Millionen für Esser hätten der gebeutelten und verunsicherten Belegschaft ausgeschüttet werden müssen. Nicht einmal dazu ist ein führender deutscher Gewerkschaftsfunktionär fähig. Mein Gott, was soll nur aus Deutschland werden.
Wir brauchen nicht ein bißchen
mehr Transparenz, sondern eine radikale Neuorientierung und das heißt
absolute
Transparenz und Abschaffung des Geldtabus,
sonst wird das nichts mehr. Die verarmten und dümmlichen Nachbesserungsphantasien,
wie sie derzeit die Politik anstellt, bringen überhaupt nichts. Wer
etwas leistet, soll verdienen, er soll auch gut verdienen, aber nicht grenzenlos.
Und es muß sichergestellt sein, daß auch tatsächlich etwas
geleistet wurde und wird. Es darf nicht mehr genügen, im Vorstand
oder Aufsichtsrat zu sitzen, um zu kassieren, wenn auch das Unternehmen
in den Ruin gefahren oder von globalen Finanzkraken geplündert und
ausgeschlachtet werden soll. Meinwohl muß wieder Gemeinwohl
werden.
Der deutsche Aktienindex hat von seinem Hoch inzwischen rund 60 % eingebüßt. Gigantische Staatsverschuldung, gigantische Arbeitslosigkeit, gigantische Firmenpleiten, gigantische Probleme im sozialen Sicherungssystem, gigantische Fehler und Falscheinschätzungen durch ManagerInnen, gigantische Plünderungen deutscher Unternehmen, Staats- und Sozialkassen durch eine hemmungslose Führungsclique. Da halten sie alle zusammen: Politik, Wirtschaft, Medien und Justiz.
Wirtschaftskritik in der IP-GIPT
Geheimdienste (CIA 1- 2 - 3 - 4 - 5 ), Regierung und ihre AgentInnen lügen daher wie gedruckt. Fallen Sie also bitte nicht auf die geschniegelt- seriös wirkenden Nachrichtenfrisuren der Medien herein.
Die Demokratie ist nicht unbedingt die zweitbeste Staatsform, wobei es, wie Churchill anmerkte, die beste nicht gibt. Schaut man sich die Machtverhältnisse, Brot und Spiele der Gegenwart an, ist kein großer Unterschied zu Adel und Aristokratie festzustellen: der Adel der modernen Mediendemokratie heißt nur Geldadel und Geldadeliger ist, wer genügend davon hat. Der Schein ist alles. |
Man vergegenwärtige sich: PolitikerInnen sind im Grunde, wenn sie sich auf den Weg machen, Menschen wir Du und ich, vermutlich auch nicht besser oder schlechter als wir alle - bis sie das System einholt. Sie sind daher vor allem auch ein Opfer der strukturellen Bedingungen. Es hat also keinen Sinn, nach besseren Menschen zu suchen, man muß die strukturellen Bedingungen so verbessern, daß das Gute in uns allen mehr zum Vorschein kommt, gefördert wird und das Böse, das in uns allen steckt, besser kontrolliert wird. Wir können unseren Egoismus nicht abschaffen, wir können ihn nur besser kontrollieren. Hierzu brauchen wir grundlegend andere Transparenz- Bedingungen als dieser Staat, sein Rechts- und Kontrollsystem bisher zur Verfügung stellt, erlaubt und fördert.
Am wichtigsten und nötigsten ist eine Staats- und Grundgesetzreform
Das Grundgesetz ist schlecht und
dringend revisionsbedürftig. Wie schlecht es eigentlich ist, hat sich
erst die letzten 35 Jahre herausgestellt, seit die Republik zunehmend unaufhaltsam
abwirtschaftet, Staatsverschuldung, Filz, Korruption, Mißmanagement,
Inkompetenz und Versagen ein gigantisches Ausmaß erreicht haben.
PolitikerInnen
müssen an die Wahlen denken und daran, wie sie an der Macht bleiben.
Entschieden wird vom großen Haufen und den ihn manipulierenden Interessengruppen,
wobei der große Haufen bekanntlich nur kurzfristig und oberflächlich
denken mag oder kann. Dies nennt man dann plebiszitäre Demokratie.
Damit sind die strukturellen Bedingungen so gewählt, daß das
geschieht, was der große Haufen hören will oder wozu er sich
manipulieren läßt. Damit ist klar, daß sparen, umsichtig
wirtschaften, vorsorgen sehr unwahrscheinlich werden. Konstruktive Veränderungen
innerhalb des Systems sind unwahrscheinlich. Hier kann nur eine Staats-
und Verfassungsreform helfen, die bessere Rahmenbedingungen für
alle politischen Parteien und PolitikerInnen, unabhängig von ihren
Charakteren über die Wahlperioden hinaus dauerhaft und sicher zur
Verfügung stellt:
Ein neues Grundgesetz muß her unter dem Primat von Transparenz und Kontrolle, das den Erkenntnissen der Wissenschaften vom Menschen Rechnung trägt, das die idealistische Verlogenheit und vielfältige Widersprüchlichkeit zugunsten des Realitätsprinzips aufgibt. |
Hierzu auch: Roman
Herzog fordert Staatsreform
Deutschlands Hauptproblem ist nicht die Armen ärmer zu machen, sondern eine Erneuerung der maroden Führungsstrukturen
Die Politik braucht zur Entwicklung der Demokratie vor allem - und wenigstens - fünf neue strukturelle Impulse: (1) Transparenz: Abschaffung des Geldtabus (Bankgeheimnis, Steuergeheimnis) und keine falsche Vorschiebung und Zweckentfremdung von Datenschutz; (2) Verantwortung: Abschaffung des Idiotenprinzips: Wer Mist macht wird belohnt; (3) eine Reform des Grundgesetzes zur Staatsverschuldung; (4) eine Zurückführung der Blockademöglichkeiten der Bundesländer sowie (5) Schaffung wirkungsvoller Kontrollsysteme.
Einführung und Neufassung des Verantwortungsprinzips
Schluß mit dem Idiotenprinzip:
Wer Mist macht wird belohnt. Es müssen dringend die gesetzlichen
Voraussetzungen dafür geschaffen bzw. erleichtert werden, daß
diejengien, die in verantwortlicher Stellung (PolitikerInnen, MinisterInnen,
Abgeordnete, BeamtInnen u.a. VerantwortungsträgerInnen) Mist machen,
nicht durch Abfindungen, vorzeitigen Ruhestand (Pension) und neue Möglichkeiten
des Doppelt- und Dreifachverdienens belohnt werden. Wer Mist macht, muß
es spüren, Mist machen darf sich nicht länger lohnen.
Jede Oma, jede PädagogIn, jede PsychologIn, jeder, der bis drei zählen kann und gesunden Menschenverstand hat, weiß: werden Fehlverhaltensweisen belohnt, verfestigen und vertiefen sie sich. Jeder weiß das. Nur die Politik und ihre potemkinschen "Kontrollsysteme" scheren sich nicht darum, wissen es offenbar nicht oder wollen es nicht wissen. Wer Mist macht, darf nicht länger mit Abfindungen, Frühpensionen, Doppeleinkünften und anderem Geldsegen belohnt werden. |
Nicht minder wichtig ist es, dem
Wirtschafts- und Geldadel die Möglichkeiten zum hemmungslosen Ausbeuten
- wie es beispielweise zu allen Ferienzeiten vom Benzinkartell demonstriert
wird - empfindlich zu beschneiden:
Das Bundeskartellamt kann Firmen verpflichten, gewünschte Preiserhöhungen anzumelden. Das Bundeskartellamt kann gewünschte Preiserhöhungen untersagen, wenn es von den Begründungen nicht überzeugt ist. |
Querverweis: https://www.attac.de/ * |