Politischer Wochen Kommentar
PWK 2002-09
Neue Achsen des Bösen (Vatikan,
Hilfsorganisationen, USA, inkompetente PolitikerInnen) und Lichtblicke
der Woche (Ingrid Meier, Bundesverfassungsgericht, Bundesrechnungshof,
Roman Herzog)
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Erstausgabe 2.3.2002, Letztes Update TT.MM.JJ
Motto: Am schlimmsten sind die Wölfe im Schafspelz
Übersicht
Quelle: Nürnberger (Erlanger)
Nachrichten vom: 26.2.2 (und viele Artikel davor).
Der Text als RTF-Datei unter: https://www.swr.de/report
Unbegrenztes
Lügen, Tricksen, Fälschen, Frisieren: Desinformation als USA-Regierungsprinzip
Eines muß man ihnen lassen: sie hätten ihn
erfinden können, den wunderschönen Begriff der Chuzpe, wenn es
ihn nicht schon gäbe. Daß sie lügen wie gedruckt, wenn
es um ihren Egoismus und um ihre Interessen geht, ist bekannt. Und im Grunde
gibt es mit den Presseämtern, den regierungsnahen Medien selbst und
besonders mit den zahlreichen Geheimdiensten
Typ CIA genügend institutionalisierte Einrichtungen, die Lügen,
Tricksen, Fälschen, Destruieren, Unterminieren, Denunzieren professionell
betreiben. Wozu also noch ein offizielles Amt? Eine Demonstration
von grenzenloser Chuzpe made in USA.
Quellen und Hintergrundinformationen:
https://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,184501,00.html
February 19, 2002: Pentagon Readies Efforts to Sway Sentiment
Abroad By JAMES DAO and ERIC SCHMITT: https://www.nytimes.com/2002/02/19/international/19PENT.html
Bio-Staats-Terroristen
USA
Nach den weltweit aufsehenerregenden Milzbrandfällen
und der damit einhergehenden Angst vor den B- und C-
Waffen wurde es seltsam still nachdem bekannt wurde, daß der
Milzbrandterror sehr wahrscheinlich von US-WissenschaftlerInnen selbst
ausging. Warum wird hier niemand angeklagt, obschon doch längst Hochverdächtige
(US-Bürger) bekannt sind? Sollte es stimmen, daß ein Deal mit
den Milzbrandterroristen amerikanischer Forschungszentren erfolgte, damit
nicht herauskommt, wie die USA internationale Vereinbarungen zu den ABC-Waffen
mißachten? Nun, der Staats-Terrorismus der USA hat mit der CIA
und ihren "Geschwistern" Tradition. Unzählige Krisen, Konflikte, Kriege
und Verbrechen haben sie angezettelt. Hemmungslos, skrupellos und ethisch
völlig verwahrlost vertreten sie mit allen Mitteln, was sie für
amerikanische Interssen halten, ohne jede Moral, ohne jede Kontinuität,
ohne jede Berechenbarkeit, so daß wir eigentlich nur noch frei nach
Aristoteles
sagen können: Was ist die USA-Politik? Eine Beute des Augenblicks,
ein Spielball des Zufalls, ein Denkmal der Schwäche, der Rest ist
Schleim und Galle.
Topflop
der Woche:
SFOR triumphiert über ihre
Fähigkeit, leere Lagerhäuser zu erobern
Auf der Suche nach Karadzic triumphierte die SFOR über
ihre militärischen Fähigkeiten, konzertiert in leere Lagerhäuser
einzudringen, um festzustellen, daß Karadzic sich dort nicht (mehr)
befindet. SFOR- Militärs werteten dies als Beweis für die Schlagkraft
und Tüchtigkeit der Truppe. Die Aktion zeige, daß man es Ernst
meine, den seit 1996 gesuchten Kriegsverbrecher und Völkermörder
Karadzic aufzuspüren. Welcher Geheimdienst die narrenden Informationen
gab, wurde zwar nicht bekannt gegeben, dürfte aber nicht allzu schwer
zu erraten sein.
Roman
Herzog fordert Staatsreform: «Der Staat wird immer fetter»
Ein Hoch auf den Alt-Bundespräsidenten
Das Interview mit Bundespräsident a.D. Prof. Roman
Herzog in der "Berliner Morgenpost" vom 18.02.2002 https://morgenpost.berlin1.de/archiv2002/020218/politik/story498988.html
Leseprobe aus: Bundespräsident a.D. Roman Herzog
über Bürokratie, die Notwendigkeit zur Verfassungsänderung
und eine verbreitete Vollkasko-Mentalität. "Vor fünf Jahren forderte
der damalige Bundespräsident Roman Herzog in seiner Berliner Rede,
dass ein «Ruck» durch die Gesellschaft gehen müsse. Politisch
Verantwortliche wie die Bevölkerung sollten für mehr Aufbruchstimmung
sorgen. ... Roman Herzog: Die Ideen von Ludwig Erhard sind unverändert
richtig. Aber leider hat sich die deutsche Wirklichkeit sehr weit davon
entfernt: Der Staat wird immer fetter, die Unternehmen zunehmend gegängelt
und die Bürger weiter entmündigt. Deshalb brauchen wir dringend
eine Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft. Eigeninitiative und Eigenverantwortung
müssen wieder im Mittelpunkt von Wirtschaft und Sozialsystem stehen.
... Bei jeder großen Reform stößt die Politik sofort auf
den organisierten Widerstand von zahlreichen Interessengruppen. Da ist
dann jeder grundsätzlich für eine Vereinfachung oder die Streichung
von Privilegien - aber nur solange er nicht selbst betroffen ist. Gegen
dieses Sankt- Florians- Prinzip hilft nur eine allgemeine Reformstimmung.
In Deutschland kommt erschwerend hinzu, dass unser politisches System zu
Selbstblockaden neigt. Wollen
Sie die Verfassung ändern? Ja, das halte ich inzwischen
für nötig. Insbesondere müssen wir die Rolle des Bundesrates
neu definieren. Wenn die Mehrheitsverhältnisse in Bundestag und Bundesrat
gegensätzlich sind, herrscht bei vielen Reformen Stillstand. Und das
war in den letzten 20 Jahren eher die Regel als die Ausnahme. Die einfachste
Lösung sehe ich darin, die Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze
deutlich zu reduzieren.
Sie fordern auch, der Staat solle sich beschränken
und weniger ausgeben. Wo wollen Sie sparen? Das meiste Geld lässt
sich bei Steuersubventionen und den Sozialsystemen sparen. Das geht aber
nur dann, wenn wir uns von der Vollkasko- Mentalität verabschieden."
Weitere engagierte Stellungnahmen des Bundespräsidenten.a.D.:
Roman Herzogs Bildungsrede 1997: https://www.sowifo.fu-berlin.de/osi/fsi/ap/ap5-herzog.htm
Der grollende Präsident: Roman Herzog sagt, was Sache ist: https://www.leverkusen.com/politeia/171/editoria.htm
Bundesverfassungsgericht
anerkennt Haushalts- und Erziehungsarbeit
Man mag es zwar kaum glauben, daß vom Bundesverfassungsgericht
mal ein verständlicher und richtig konstruktiver Impuls ausgeht, aber
die Anerkennung der Haus- und Erziehungsarbeit als echte Arbeit ist für
die konservative und meist sehr abgehobene Justiz sicher als bahnbrechender
Erfolg auf dem Wege zu Realität, Gerechtigkeit und Gleichberechtigung
zu sehen. Der wirkliche Gott der Moderne heißt Geld. Alle Macht definiert
sich letztlich über das Geld. Gleichberechtigung kann es daher erst
geben, wenn alle, die arbeiten, einen angemessenen und regelrechten Erwerbslohn
für ihre Arbeit erhalten. Wer daheim ist, Haus- und Erziehungsarbeit
verrichtet, der arbeitet. Wer die Gleichberechtigung wirklich will, muß
auch wollen, daß diese Arbeit mit allem, was dazu gehört, durch
Lohn- oder Gehaltszahlung anerkannt wird. Hierzu ist dieses Urteil (Az.:
1 BvR 105/95 u.a.) ein wichtiger Schritt.
Bundesrechnungshof
fordert Einsatz von Open Source
https://www.heise.de/newsticker/data/anw-25.02.02-004/
Leseprobe: "Der Bundesrechnungshof macht sich in einer
an das Bundesinnenministerium gerichteten Prüfungsmitteilung mit ungewohnt
deutlichen Worten für den Einsatz von Open-Source-Software in
der Bundesverwaltung stark. Linux und andere im offenen Quellcode verfügbare
Applikationen sind dem heise online vorliegenden Bericht zufolge ohne Wenn
und Aber reif für die Verwendung in den Büros der Verwaltungsmitarbeiter.
In der Zusammenfassung der Prüfungsergebnisse heißt es: "Open
Source Software bzw. damit vergleichbare Software hat ein Niveau an Benutzerfreundlichkeit
und Leistungsfähigkeit erreicht, das mit bisher im Office-Bereich
eingesetzter Software vergleichbar ist. Alle wichtigen Anwendungsgebiete
in der Bundesverwaltung werden abgedeckt." In der über 40-seitigen
Studie führt der Rechnungshof weiter aus, dass im Büro-Alltag
keine gravierenden Probleme beim Datenaustausch mit den bislang eingesetzten
Office-Paketen von Microsoft oder bei der Konvertierung von Makros zu erwarten
seien. Auch der Schulungs-, Einführungs- und Migrationsaufwand
sei "annähernd gleich mit demjenigen bei der bisher eingesetzten Software".
Dazu komme der Vorteil, dass eine Umrüstung auf Open Source "Herstellerabhängigkeiten
und damit die im Bundesbereich vorhandene 'Monokultur' an Bürokommunikations-
Softwareprodukten verringern" könne. Ein weiteres Plus von Linux und
Co. sehen die Experten des Bundesrechnungshofs in den im Vergleich zu Microsoft-Produkten
niedrigeren Anforderungen an die Hardware."
Investigativer
Journalismus Report Mainz:
Pannenrepublik
- Hat die Politik den Überblick verloren?
Eines der größten Übel moderner Demokratie
ist die Macht der Medien. Nicht zu Unrecht spricht man von Mediokratie
oder Mediendemokratie. Es heißt:
Wer die Bildzeitung gegen sich hat, kann nicht Kanzler werden. Wenn die
Verhältnisse so weit sind, müssen solche Fehlentwicklungen wie
der Springerkonzern rechtlich begründet zerschlagen werden können,
sonst wird es niemals eine Entwicklung wirklicher Demokratie geben. Glücklicherweise
sind Private wie z.B. CNN, N24, Springer und ähnliche seichte Propagandamedien
nicht die einzigen in diesem Lande. Es gibt auch Lichtblicke wie heise,
Monitor
oder Report Mainz, der sich in dieser
Woche die Pannenrepublik vorgenommen hat:
"Moderation Bernhard Nellessen: Fehlerhafte BSE-Tests, falsche Zahlen bei der Arbeitsvermittlung, immer neue V-Männer beim NPD-Verbotsverfahren. Nur ein paar Pannen aus der Politik der letzten Monate. Ob Rot, ob Grün, ob Schwarz, ob Gelb, die Farbe ist da ganz egal. Beteiligt waren viele, aber verantwortlich war keiner. In welchem Lande leben wir eigentlich? Was läuft falsch in der Pannenrepublik Deutschland? Fragen zur Geschäftsordnung von Sebastian Bösel und Jürgen Flettner. Drei Affären - Zufall? Wahlkampfgetöse? Und: Wer hat Schuld, allein überforderte Minister? Nein, dahinter steckt eine Strukturkrise des Staates, sagen uns führende Politikbeobachter: der Verfassungsrechtler und Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim, der Politikwissenschaftler und Systemforscher Rudolf Korte und der Topmanager und Firmensanierer Kajo Neukirchen. O-Ton, Prof. Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler: »Fast alle dieser Mängel waren auch Jahre vorher schon angelegt. Es handelt sich um Systemmängel, um Mängel der Struktur der politischen Willensbildung.«"
Kritik der
Mediendemokratie
Thomas Leif: Macht ohne Verantwortung. Der wuchernde
Einfluss der Medien und das Desinteresse der Gesellschaft: https://www.das-parlament.de/41-42-2001/beilage/b-a-3.html
Leseprobe: "Politik ist nur das, was
prominent vor allem in den elektronischen Medien stattfindet. Diesen Leitsatz
der Berliner Republik lernt jeder Minister, Oppositionspolitiker, Parlamentarier
oder Lobbyist - freiwillig oder unfreiwillig. Denn die Medienpräsenz
entscheidet über den Marktwert eines Politikers und damit indirekt
über künftige Listenplätze, Vorstandsposten oder mehr. Selbst
ein brillanter, anerkannter Fachmann bleibt chancenlos, wenn er nicht in
der Lage ist, die Essenz eines Leitz-Ordners in zwölf Sekunden zu
präsentieren. Medienwirksamkeit - gemeint ist damit vor allem Fernsehtauglichkeit
- wird zunehmend zum entscheidenden Auswahlkriterium, selbst für Kanzlerkandidaten.
Die verdeckten, heimlichen Gesetze der Mediendemokratie werden wichtiger
als die Regeln des Parteiengesetzes oder die Geschäftsordnung des
Bundestages. Auf diese Entwicklung reagieren nur wenige prominente Politiker
mit Mahnungen: die Talkshow dürfe Bundestags-Debatten nicht ersetzen.
Ein Gespür für Fehlentwicklungen
der "Mediendemokratie" hatten in Deutschland ausgerechnet die Bundespräsidenten.
Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und Johannes Rau setzten in ihren
großen Reden zum Thema immer wieder jeweils eigene Akzente. Im Grundtenor
waren ihre Warnungen eigentlich unüberhörbar. Aber die Botschaft
versickerte im Dschungel der rund 2000 Agenturmeldungen, die täglich
auf dem Bildschirm der Journalisten landen. Wichtiges und Unwichtiges,
Aufgesetztes und Inszeniertes, Ernsthaftes und Belangloses - alles hängt
hier zusammen und bildet gemeinsam eine zerstreute Öffentlichkeit,
die jedoch nach einem Kompass, nach Orientierung für Wichtiges und
Relevantes sucht." ...
"Der Trend zur Inszenierung
Auch die Vermittlungswege von Informationen haben sich
gravierend verändert. (Inszenierte) Bilder, gut gestylte Stimmungen
und überlegt eingesetzte Emotionen verdrängen immer mehr die
Argumente oder den redlichen intellektuellen Austausch. Ist es ein Zufall,
dass die Frisur der CDU-Vorsitzenden so viele Leitartikler inspiriert und
hinter diesen "Feuilletons" politische Ideen verschwinden? Schon Mao predigte:
"Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte." Für die Berliner Praxis heißt
das heute: Der Politiker, der gute Laune zum bösen Spiel verbreiten
kann, steht ganz vorne. Die Wohlfühlbilder überstrahlen die Mängelliste
der verdrängten oder ungelösten Probleme. " ...
Die Politik braucht zur Entwicklung der Demokratie vor allem - und wenigstens - vier neue strukturelle Impulse: Transparenz (Abschaffung der Geldgeheimnisse) und Verantwortung (Abschaffung des Idiotenprinzips: Wer Mist macht wird belohnt) und eine Reform des Grundgesetzes zur Staatsverschuldung und eine Zurückführung der Blockademöglichkeiten der Bundesländer.
Abschaffung
der Geldgeheimnisse
Völlige Transparenz und
Öffentlichkeit der Finanzen und Einkünfte für alle
Geld, Macht, Korruption und Verbrechen
hängen bekanntlich sehr eng zusammen. Von daher besteht natürlich
für potentielle Amigos das größte Interesse daran, die
Kanäle und Quellen der Geldflüsse geheim zu halten. Dieses Interesse
führte zu den sog. Geldgeheimnisgesetzen (Bankgeheimnis, Steuergeheimnis).
Ein wichtiger Schritt zur Entwicklung der Demokratie wird daher sein, die
Verschleierungsgesetze zum Bank- und Steuergeheimnis abzuschaffen. Sie
dienen lediglich dazu, Korruption, Macht und Einflußnahmen zu verschleiern
und die nötige Transparenz, die für demokratische Prozesse unverzichtbar
ist, zu verunmöglichen. Das Grundgesetz gehört ohnehin schon
wegen der bislang extrem zulässigen Staatsverschuldungsmöglichkeiten
und den überholten förderalen Veto-Machtstrukturen geändert,
so daß die Abschaffung der Geldgeheimnisse und die grundgesetzlich
verankerte Transparenz ein Aufwasch wäre.
Einführung
und Neufassung des Verantwortungsprinzips
Schluß mit dem Idiotenprinzip: Wer Mist macht
wird belohnt
Es müssen dringend die gesetzlichen Voraussetzungen
dafür geschaffen bzw. erleichtert werden, daß diejengien, die
in verantwortlicher Stellung (PolitikerInnen, MinisterInnen, Abgeordnete,
BeamtInnen u.a. VerantwortungsträgerInnen) Mist machen, nicht durch
Abfindungen, vorzeitigen Ruhestand (Pension) und neue Möglichkeiten
des Doppelt- und Dreifachverdienens belohnt werden. Wer Mist macht, muß
es spüren, Mist machen darf sich nicht länger lohnen.
end-korrigiert irs 2.3.2