Internet
Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
(ISSN 1430-6972)
IP-GIPT DAS=13.01.2014
Internet-Erstausgabe, letzte Änderung:
09.02.16
Impressum:
Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052
Erlangen
Mail:
sekretariat@sgipt.org_
Zitierung
& Copyright
Anfang_
Katalog:
Absolute
Fehler (AbsF)_
Überblick_
Rel.
Aktuelles_ Rel.
Beständiges _ Titelblatt_
Konzeption_
Archiv_
Region_
Service_iec-verlag
_ _Wichtige
Hinweise zu Links und Empfehlungen
Willkommen in unserer Internet-Publikation
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Forensische
Psychologie, Kriminologie, Recht und Strafe, Bereich forensische Gutachten,
und hier speziell zum Thema:
Katalog der potentiellen forensischen
Gutachtenfehler
Absolute Fehler (AbsF)
Zu:
Potentielle Fehler in forensisch psychiatrischen
Gutachten, Beschlüssen und Urteilen der Maßregeljustiz
Eine methodenkritische Untersuchung illustriert
an einigen Fällen u. a. am Fall Gustl
F. Mollath
mit einem Katalog
der potentiellen forensischen Gutachtenfehler sowie einiger Richter-Fehler.
von Rudolf
Sponsel, Erlangen
_
Inhaltsübersicht
Abstract - Zusammenfassung
- Summary.
1. Teil
Die absoluten
Fehler im Recht und Kommentaren.
AbsF01r im Recht Ungeeignetheit wegen
fehlender Sachkunde (Fachkunde).
AbsF02r im Recht Falsches Verständnis
von der eigenen Aufgabe und Rolle.
AbsF03r im Recht Unzureichende Aufklärung.
AbsF04r im Recht Befangenheit, Voreingenommenheit,
Einseitigkeit.
AbsF05r im Recht Mangelnde Datenbasis.
AbsF06r im Recht Begutachtung gegen
den erklärten Willen und ohne Mitwirkungsbereitschaft.
2. Teil
Die absoluten Fehler in den
forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen.
AbsF01f Fachmeinungen Ungeeignetheit
wegen fehlender Sachkunde (Fachkunde).
AbsF02f Fachmeinungen Falsches Verständnis
von der eigenen Aufgabe und Rolle.
AbsF03f Fachmeinungen Unzureichende
Aufklärung.
AbsF04f Fachmeinungen Befangenheit,
Voreingenommenheit, Einseitigkeit.
AbsF05f Fachmeinungen Mangelnde Datenbasis.
AbsF06f Fachmeinungen Begutachtung
gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkungsbereitschaft.
3. Teil
Beispiele
für absolute Fehler in forensischen Gutachten.
AbsF01b Ungeeignet hinsichtlich
Qualifikation, Ausbildung oder Erfahrung.
AbsF02b Kein richtiges
Verständnis der sachverständigen Aufgabe und der Aufgabe der
Justizorgane.
AbsF03b Keine angemessene
Aufklärung über Rechte, Pflichten, Folgen, Risiken.
AbsF04b Befangenheit, Voreingenommenheit,
Einseitigkeit, Vorurteile.
AbsF05b Mangelhafte oder
ungenügende Datengrundlage.
AbsF06b Es wird gegen den
erklärten Willen und ohne Mitwirkung der ProbandIn gegutachtet.
AbsF-Xb Sonstiger, bislang
nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Absolut zuzuordnen ist.
4. Teil
Literatur * Links
* Zitierung * Änderungen.
Glossar,
Anmerkungen und Endnoten
Eigener
wissenschaftlicher Standort *
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Abstract
- Zusammenfassung - Summary
Mit dieser Seite wurden die potentiellen Fehler erstmals gekennzeichnet:
AbsFZZr
(rechtliche Beurteilungen), AbsFZZf
(fachliche Beurteilungen) und AbsFZZb
(Beispiele aus Gutachten). Das erleichtert in langen Seiten die Orientierung.
In dieser Arbeit geht es um "absolute Fehler" in
einem forensischen Gutachten. Darunter sind solche zu verstehen, die ein
Gutachten nicht verwertbar machen. Dazu gehören:
AbsF01: mangelnde Eignung mangels Sach- und
Fachkunde für eine angemessene Bearbeitung der Beweisfragen, d.h.
der Auftrag hätte gar nicht angenommen werden dürfen und die
Akten hätten sofort zurückgeschickt werden müssen (Beispiel
Prof. Kröber im Falle Ulvi Kulac).
Bei AbsF02 fehlt das richtige Verständnis
und die Unterscheidungsfähigkeit zwischen der sachverständigen
Aufgabe und der Aufgabe der Justizorgane (Gericht, Staatsanwaltschaft,
Anwaltschaft, Polizei), wenn etwa die Beantwortung einer Rechtsfrage nicht
dem Gericht überlassen, sondern selbst vorgenommen wird oder Arbeiten
in Angriff genommen werden, die den Ermittlungsbehörden vorbehalten
sind. Z.B. auch wenn keine strikte Unterscheidung zwischen den Rechtsbegriffen
und ihren fachlichen Entsprechungen der Voraussetzungen eingehalten wird.
Dazu kann auch gerechnet werden, wenn der Auftrag in den Hauptsachen gar
nicht persönlich ausgeführt, sondern weitergereicht wird.
AbsF03, wenn keine angemessene Aufklärung
über Rechte, Pflichten, mögliche Folgen einer Begutachtung erfolgt.
AbsF04, Befangenheit, Voreingenommenheit,
Einseitigkeit oder Vorurteile machen ein Gutachten wertlos. Befangenheit
liegt aus systemischen Gründen zwingend vor, wenn ein Gutachter zugleich
Interessenträger in gleicher Sache ist, wie es fast immer bei §
67e StGB Gutachten der Fall ist. Dies müsste bei Reform des §
63 StGB vom Gesetz und bis dorthin von der Rechtsprechung ausgeschlossen
werden.
AbsF05 bedeutet eine mangelhafte oder ungenügende
Datengrundlage, die eine angemessene wissenschaftlich fundierte Begutachtung
gar nicht ermöglicht (häufig Gutachten nach "Aktenlage").
AbsF06: Es wird gegen den erklärten
Willen und ohne Mitwirkung der ProbandIn gegutachtet, obwohl diese zur
wissenschaftlich fundierten Beantwortung der Beweisfrage(n) notwendig ist.
Die Arbeit ist - wie die anderen Ausarbeitungen
zu potentiellen Fehlern in forensischen Gutachten - in vier Teile gegliedert:
1. Teil: die absoluten Fehler im Recht
2. Teil: die absoluten Fehler in den forensisch-psychopathologischen
Fachmeinungen
3. Teil: Beispiele für absolute Fehler in forensisch-psychopathologischen
Gutachten
4. Teil: Wissenschaftlicher Apparat: Literatur, Links; Glossar, Anmerkungen
und Endnoten.
1. Teil
Die
absoluten Fehler im Recht und Kommentaren
§ 79 StPO
(2) Der Eid ist nach Erstattung des Gutachtens zu leisten; er geht
dahin, daß der Sachverständige
das Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstattet
habe.
AbsF01r im Recht Ungeeignetheit
wegen fehlender Sachkunde (Fachkunde)
> fachliche (AbsF01f) Beurteilung und Beispiele
in Gutachten (AbsF01b).
Zusammenfassung: der absolute Fehler fehlende Sachkunde
im Recht
Sach- oder Fachkunde sind so elementar, dass sie manchmal stillschweigend
vorausgesetzt und gar nicht besonders erwähnt werden. Bei genauer
Betrachtung gibt es zwei Aspekte: den allgemeinen absoluten und den - einzelfallbezogenen
- speziellen absoluten Fehler. Der allgemeine absolute Fehler ist den meisten
JuristInnen, ForensikerInnen
und NormalbürgerInnen unmittelbar einleuchtend.
Der spezielle Aspekt wird gewöhnlich
aber nicht gesehen. Man kann im Allgemeinen fachkundig sein und trotzdem
im Einzelfall wenig beitragen können, weil es z.B. an notwendigen
Informationen und Daten fehlt. Wer ohne ausreichende Datenbasis gutachtet,
begibt sich in eine selbstwidersprüchliche und paranormale Position:
er behauptet durch die Gutachtenerstattung zu wissen, obwohl er ja ohne
ausreichende Datenbasis gar nichts wissen kann. Implizit behauptet so ein
"Gut"achter daher, dass er über okkulte Erkenntnisquellen oder -methoden
verfügt. Dieses Problem konnte ich nach über 600 Stunden Analyse
inzwischen durch die Konzeption des Meinungsachtens
klären. Das hat aber mit aber echter Sach- und Fachkunde nichts zu
tun, sondern muss selbst als ernste geistige
Verirrung angesehen werden.
|
Sachgebietshinweis
im Anschreiben
Viele Gerichte übermitteln mit dem Auftrag und den Akten auch
einen Text, der einige absolute Fehler verhindern soll, etwa folgender
Art:
Der erste Absatz betrifft AbsF01, der zweite Absatz fordert die persönliche
Erledigung in den Hauptsachen, der letzte Absatz betrifft AbsF02-03 und
fordert zur entsprechenden Klärung bei Problemen mit Inhalt und Umfang
des Auftrags auf.
_
Fehlende
Sachkunde im Karlsruher Kommentar
VI. Aufklärungspflicht und Sachverständigenbeweis,
StPO § 244 Beweisaufnahme, Fischer, Karlsruher Kommentar zur StPO
6. Auflage 2008, Rn 42-58 (beck-online Abruf 5.11.13)
"Randnummer 58 Das Gutachten eines Sachverständigen,
dem die Sachkunde fehlt oder zu fehlen scheint, der sie jedenfalls dem
Gericht nicht zu vermitteln vermag, kann seinen Zweck nicht erfüllen
(BGH NStZ 2000, 437; vgl auch unten Rn 203). Es wird dann nach Abs. 2 ein
weiterer Sachverständiger angehört werden müssen. Das liegt
insb. auch nahe, wenn ein Gutachten sich mit abweichenden Ergebnissen früherer
Untersuchungen nicht auseinandersetzt, obwohl die Anknüpfungstatsachen
keine wesentliche Änderung erfahren haben (BGH MDR 1978, 109 [H.]);
wenn ein Sachverständiger seine Meinung wechselt, ohne dafür
eine einleuchtende Erklärung zu geben (BGHSt 8, 113, 116 = NJW 1955,
1642; BGH NStZ 1995, 175; 1999, 630, 631); wenn ein Sachverständiger
sich weigert, seine Methoden offenzulegen, oder wenn er Methoden anwendet,
die wissenschaftlich nicht anerkannt, nicht überprüfbar oder
unausgereift sind (vgl BGH NJW 1978, 1207; BGH NStZ 1985, 515, 516; 1993,
395, 396; 1999, 630, 631; BGH NStZ-RR 1997, 304); wenn das Testmaterial,
aus dem der Sachverständige seine Folgerungen zog, nicht zu erlangen
und deshalb eine Nachprüfung der Untersuchungsmethode und der Ergebnisse
nicht möglich ist (BGH StV 1989, 141); wenn der Sachverständige
von wissenschaftlichen Kriterien abweicht, die in seinem Fach anerkannt
sind und die Billigung der Rechtsprechung gefunden haben (BGH NStZ 1999,
630, 631; BGH StV 1989, 335 m. Anm. Schlothauer; vgl BGHSt 49, 347 = NStZ
2005, 205 m. Anm. Nedopil JR 2005, 216). Eine Abweichung von den methodischen
Regeln, die der 1. Strafsenat in BGHSt 45, 164 für Glaubhaftigkeitsgutachten
postuliert hat, begründet grds. nicht die Annahme mangelnder Sachkunde
(Einschränkungen schon in BGH NStZ 2001, 45 f [1. StS]; vgl auch BGH
3 StR 464/04; ausf. dazu Fischer in FS Widmaier [2008]). Die Aufklärungspflicht
kann es gebieten, in Fällen, die eine außergewöhnliche
Sachkunde verlangen, oder in Fällen, in denen die Beurteilung mit
einem hohen Fehlerrisiko behaftet ist oder von wissenschaftlich kontrovers
diskutierten Fragen abhängig ist, von vornherein mehrere Sachverständige
mit der Erstattung von Gutachten zu beauftragen (Alsberg/Nüse/Meyer
S. 737); freilich gibt es keinen Rechtssatz des Inhalts, dass zur Beantwortung
schwieriger fachwissenschaftlicher Fragen grundsätzlich mehrere Sachverständige
heranzuziehen sind (BGHSt 3, 169, 175 = NJW 1952, 1343; 23, 176, 187 =
NJW 1970, 523). Auch in Fällen nicht behebbarer gerichtlicher Unkenntnis
(zB bei von Laien auch nach methodischer Aufklärung nicht überprüfbaren
Fachfragen aus Naturwissenschaft, Technik oder Medizin), kann die Aufklärungspflicht
die Anhörung eines zweiten Sachverständigen fordern, um wenigstens
eine kritische Diskussion der Experten zu ermöglichen. Endet diese
kontrovers und ohne argumentative Vorteile für die eine Seite, wird
die dem Angeklagten günstigere Meinung zugrunde gelegt werden müssen
(BGH NStZ-RR 1997, 42, 43; Wasserburg aaO S. 335; vgl auch BGH NJW 1987,
442)."
Eschelbach Erforderliche
Sachkunde Rn 113 in 4. Pflichten und Pflichtverletzungen durch den
Sachverständigen. In: BeckOK StGB § 20, Rn 110 - 118, Hrsg: von
Heintschel-Heinegg Stand: 22.07.2013, Edition: 23.
"Randnummer 113 Der Sachverständige
hat nach seiner gerichtlichen Beauftragung zuerst und unverzüglich
zu prüfen, ob er die erforderliche Sachkunde besitzt, oder ob ein
Sachverständiger aus einer anderen Fachrichtung zuständig ist
(Ulrich Rn 336). Dadurch soll eine unnötige Verfahrensverzögerung
vermieden werden, die entsteht, wenn der Sachverständige die Sache
in der Bearbeitungsreihenfolge verschiedener Aufträge hintanstellt,
daher erst lange nach dem Eingang des Gutachtenauftrages feststellt, dass
die Beweisfrage nicht in seinen Kompetenzbereich gehört und dann mit
Verzögerung den Gutachtenauftrag ablehnt. Die Verzögerung der
Sachkundeprüfung ist ein Fehler. Eine Kompetenzüberschreitung
bei der Sachkundebejahung kann einen Ablehnungsgrund liefern und das Gutachten
unverwertbar machen (Dippel, 117). Ferner ist von dem Sachverständigen
nach Eingang des Gutachtenauftrages unverzüglich zu prüfen, ob
der Auftrag ohne eine Hinzuziehung weiterer Sachverständiger erledigt
werden kann. Andernfalls ist eine Rücksprache mit dem Gericht erforderlich.
Nach dem gerade in Haftsachen besonders bedeutungsvollen § 73 Abs
1 S 2 StPO soll das Gericht stets dann, wenn die Eilbedürftigkeit
nicht ohnehin klar auf der Hand liegt und die rasche Gutachtenerstellung
gesichert erscheint, mit dem Sachverständigen eine Absprache über
die Frist für die Gutachtenerstattung treffen (Dippel, 108 f; Ulrich
Rn 358). Darin liegt eine allgemeine Verpflichtung (Dippel FS Egon Müller
2008, 125, 135), die im Vorverfahren auch für die Staatsanwaltschaft
Bedeutung besitzt (OLG Bremen StV 1997, 143 f). Ist die Möglichkeit
zur raschen Gutachtenerstellung nicht gesichert, so hat der Sachverständige
das Gericht darüber unverzüglich in Kenntnis zu setzen, um ihm
die Beauftragung eines anderen Sachverständigen zu ermöglichen.
Die mangelnde Bereitschaft zur Anerkennung einer angemessenen Frist kommt
einer Weigerung im Sinne von § 77 Abs 2 S 1 StPO gleich (Dippel, 110)."
AbsF02r im Recht Falsches Verständnis
von der eigenen Aufgabe und Rolle
> fachliche (AbsF02f) Beurteilung und Beispiele
in Gutachten (AbsF02b).
Zusammenfassung: der absolute Fehler Falsches Verständnis
im Recht
Der Unterschied zwischen Rechtsbegriff und seinen fachwissenschaftlichen
Entsprechungen ist oft nicht klar. Hier versagt die Rechtswissenschaft
mehr als erträglich. Manchmal fragen die Justizorgane, insbesondere
Staatsanwaltschaften selbst falsch z.B. nach einem "Schuldfähigkeitsgutachten",
obwohl den Behörden doch klar sein sollte, was die Aufgabe des Sachverständigen
und die des Gerichts oder der Justizorgane ist. Mit dieser Unklarheit trägt
das Recht selbst massiv dazu bei, dass die Grenzen der Aufgaben des Sachverständigen
undeutlich bleiben und er seine Kompetenzen unter- oder überschreitet.
Die immer wieder diskutierte und umstrittene Grundfrage lautet: was ist
Sache des Sachverständigen und was nicht? Er soll sich auf seine Kernaufgabe
der Beantwortung der Beweisfrage beschränken und nicht ermitteln,
nicht Partei ergreifen, sich nicht über- oder unteridentifizieren
mit der Rolle oder einer Partei.
|
Das Problem der
Rechtsbegriffe und ihrer unklar-diffusen Entsprechungen am Beispiel: "Einwilligungsfähigkeit
als “schwammiger Rechtsbegriff”,
sehr wichtig auch der Begriff der Einsichtsfähigkeit.
Der Vorsitzende des Hartmannbundes Dr. Klaus Reinhardt
wird im Ärzteblatt zitiert mit: „Bei der vermeintlich so einfachen
Bestimmung der Einwilligungsfähigkeit des Patienten treten in der
täglichen Praxis Tausende Grenzfälle auf“, sagte der HB-Vorsitzende.
Es sei inkonsequent und inakzeptabel, Ärzte aufzufordern, die Einwilligungsfähigkeit
der Patienten zu bestimmen, ihnen aber als Grundlage dafür nur schwammige
Rechtsbegriffe an die Hand zu geben. [Quelle: psychiatrienogo
am 1. August 2012 in Zwang und Gewalt]
Gutachter kein
Überführungsgehilfe Streng, Franz (2001) StGB § 20 Schuldunfähigkeit
wegen seelischer Störungen, Münchener Kommentar zum StGB 2. Auflage
2011: "Randnummer 168 .... Es darf sich der Gutachter nicht in die Rolle
eines Überführungsgehilfen begeben. zur Fussnote [6]."
Eisenberg "c) [...Wahrheit...]
Randnummer 1506 Der Sv hat ebenso wie die StA (bzw die Polizei) oder
das Gericht ohne Bevorzugung irgendeiner Verfahrensseite und insbesondere
ohne inhaltliche Bindung an etwaige Ergebniserwartungen seines Auftraggebers
nach Wahrheit zu streben. Wenn auch seine Aussagen im Allgemeinen leichter
zu überprüfen sind als Zeugenaussagen, ist er ein Beweismittel
wie jedes andere auch. FN17
Jedoch darf der Sv nicht Würdigungen zu solchen Fragen vornehmen,
die von dem Auftrag unberührt in der Kompetenz der StA (bzw der Polizei)
oder des Gerichts verblieben sind (vgl auch 1604). Vielmehr sollte er zur
Wahrung der Unschuldsvermutung (und zumal bei die Tat bestreitenden Beschuldigten)
zB auf die Gefahr von Rückschlüssen bei der Strafjustiz hinsichtlich
der Frage der Täterschaft auf Grund seiner Befunde und Interpretation
zur Persönlichkeit des Beschuldigten hinweisen (vgl n Wegener FS-Rasch
180; Leygraf FS-Rasch 82 ff)."
Quelle: Eisenberg, Ulrich (2011) I. Begriff und
Stellung des Sachverständigen, in Erstes Kapitel. Voraussetzungen
und Gestaltung der Tätigkeit Ulrich Eisenberg Beweisrecht der StPO.
8. Auflage 2011, Rn 1500-1517c
Tondorf & Tondorf
(2011) Rn 274 "8. Keine Informationsgewinnung ohne Genehmigung durch den
Auftraggeber
Der Sachverständige hat keine eigenen Rechte auf Informationsgewinnung,
auf Durchführung einer Zeugenvernehmung oder Vornahme einer
Akteneinsicht, wie sich aus einem Rückschluss aus § 80 StPO ergibt.
Benötigt der Gutachter weitere Beweiserhebungen wie z.B. auch Anwesenheit
bei Vernehmungen oder Gestattung von Fragen, so sollte und muss er bei
der Staatsanwaltschaft/Gericht vorstellig werden. Kommt diese seinem Verlangen
nicht nach, kann ihm ein Mangel des Gutachtens nicht vorgeworfen werden,
da dieser auf dem Unterlassen der erbetenen Unterstützung beruht.
Möglicherweise kann aber dem Gericht vorgeworfen werden, dass es gegen
seine Aufklärungspflicht verstoßen hat FN685.
Rn 275 Vernehmungen, die der Sachverständige ohne
Auftrag vornimmt, sind Verfahrensrechtlich bedenklich. Als Zeuge vom Hörensagen
hat seine Bekundung wenig Gewicht, zumal immer hinterfragt werden muss,
ob er als „Richtergehilfe" die gem. §§ 52 ff., 136, 136a StPO
zu beachtenden Pflichten eingehalten hat FN686."
Parviz "Rechtsfragen
im Beweisbeschluss
Der „Umfang der Minderung wegen Mängeln“ ist Rechtsfrage und allein
vom Richter zu beantworten, dennoch eine in der Praxis mehr als verbreitet
anzutreffende Formulierung in Beweisbeschlüssen. Dass gerade die Beantwortung
von Rechtsfragen aber leicht zu vermeiden wäre, wenn der Blick darauf
geschärft wird, lässt sich an einigen Beispielen verdeutlichen
FN13. ... ...
IV. Zusammenfassung Der gerichtlich bestellte
Sachverständige ist in jeder Hinsicht gut beraten, wenn er Beweisbeschlüsse
aufmerksam zur Kenntnis nimmt, diese selbst prüft und nicht sklavisch
alles vom Gericht vorgegebene „abarbeitet“. Gerade im Hinblick auf denkbare
Haftungsprobleme, die im gerichtlichen Bereich zwar eine eher untergeordnete
Rolle spielen, aber gerade in Bezug auf die Gefahr, eine begründete
Ablehnung zu kassieren und damit den Vergütungsanspruch für die
eigene Tätigkeit zu verlieren, sollte es im Interesse eines jeden
Sachverständigen sein, hier aktiv mitzuarbeiten. Der sicherlich einfachste
Weg ist bei Unklarheiten und missverständlichen Formulierungen eine
Anleitung durch das Gericht einzufordern oder zumindest aus eigenem Antrieb
eine Konkretisierung des Beweisbeschlusses herbeizuführen."
Quelle: Parviz, Simon (2013) Das Spannungsfeld zwischen
Richter und Sachverständigem – Anforderungen an Beweisbeschlüsse
und Klarheit des gutachterlichen Auftrags. INGservice Januar/Februar 2013,
3-5. [PDF]
Genau an den
Beweisbeschluss halten 21. Kapitel. Der Arzt als Sachverständiger
und Gutachter. In: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage 2010.
"Randnummer 5 Beispiel: Der medizinische SV, der nach einem vom Kläger
behaupteten Behandlungsfehler des beklagten Arztes gefragt wird, darf von
sich aus nicht – ohne vorher zumindest telefonischen Kontakt zum zuständigen
Richter aufgenommen zu haben – auch noch ungefragt in seinem Gutachten
zur Problematik ärztlicher Aufklärungsmängel, oder als Internist
zudem noch zur Beurteilung des Behinderten hinsichtlich seiner Wirbelsäule
Stellung beziehen. Denn im Zivilprozess mit seinen Parteimaximen ist der
SV streng an seinen Gutachtensauftrag – dh an das Beweisbeschlussthema
und die darin enthaltenen Fragen – gebunden."
Persönliche
Erstattung des Gutachtens
Angesichts der klaren rechtlichen Bestimmungen sollte man es nicht
für möglich halten, dass es forensische GutachterInnen gibt,
die ihre Gutachten auch in wesentlichen Teilen, wie z.B. der Exploration,
von Bediensteten und HelferInnen erledigen lassen. Das ist natürlich
dann kein Problem, wenn die Gerichte dies - m.E. rechtswidrig - decken.
Besondere Kandidaten für solche rechtswidrigen Gutachtenerstattungen
sind Direktoren, Vorstände, Klinikleiter, die aufgrund ihrer beruflichen
Stellung ein elitäres Bewusstsein ("Fürst-Syndrom") ausgebildet
haben und daher für die richtige Arbeit ihre Bediensteten einsetzen.
Das erklärt mitunter auch, wenn sie selbst mal in die Pflicht genommen
werden, dass sich dann schauderhafte Inkompetenz zeigt.
BGH: Sachverständigengutachten
– Übertragung auf Hilfsperson, NStZ 2012, 103
Sachverständigengutachten – Übertragung auf Hilfsperson
StPO §§ STPO § 72ff.
Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger hat die Pflicht zur
persönlichen Gutachtenerstattung. Es besteht daher ein Delegationsverbot,
soweit durch Heranziehung anderer Personen die Verantwortung des Sachverständigen
für das Gutachten in Frage gestellt wird. (Ls d. Schriftltg.)
BGH, Beschluss vom 25. 5. 2011 - 2 StR 585/10 (LG Mainz)
Eschelbach
Persönliche Erstattung des Gutachtens Rn 111 und Rn 112 in 4.
Pflichten und Pflichtverletzungen durch den Sachverständigen. In:
BeckOK StGB § 20, Rn 110 - 118, Hrsg: von Heintschel-Heinegg Stand:
22.07.2013, Edition: 23. [fett-kursiv RS]
"Randnummer 111 Es gilt
die Pflicht des gerichtlich bestellten Sachverständigen zur persönlichen
Gutachtenerstattung (Nedopil/Müller, 31). Daraus folgt ein Delegationsverbot
für den psychiatrischen Sachverständigen (Feddern/Widder MedSach
2009, 93, 94; Schmid, 479; Schnoor, 125 ff; Streng Rn 763; Ulrich Rn 337),
wie es in § 407a Abs 2 S 1 ZPO ausdrücklich genannt ist (KG Beschl
v 10.6.2010 – 20 W 43/10; Stein/Jonas/Leipold ZPO § 407a Rn 4), aber
nach der Natur der Sache – erst recht – auch im Strafprozess zu beachten
ist. Der psychiatrische Hauptsachverständige kann zwar – von einem
durchaus angreifbaren Standpunkt in der Rechtsprechung aus – selbst testpsychologische
Zusatzgutachten einholen und diese in sein Gutachten übernehmen; er
muss sie dann aber zumindest auch verantwortlich in seine Bewertung aufnehmen.
Kann er dies nicht, dann verfehlt der (Haupt-) Sachverständige seine
Aufgabe (MünchKommStGB/Streng StGB § 20 Rn 170). Die Verantwortung
für das Gutachten im Ganzen trägt nämlich alleine der vom
Gericht beauftragte Sachverständige. Er darf also einerseits Hilfspersonen
einschalten, wobei andererseits immer gewährleistet bleiben muss,
dass dadurch nicht seine Gesamtverantwortung in Frage gestellt wird (vgl
OLG Köln Beschl v 20.7.2011 – 17 W 129/11; BeckOK Graf/Monka StPO
§ 73 Rn 2; Sass in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass Handbuch
der Forensischen Psychiatrie Bd 1, 430 f; Schnoor, 127). Der eingeschaltete
Mitarbeiter ist zudem namhaft zu machen (KG Beschl v 10.6.2010 – 20 W 43/10),
soweit nicht nur ganz untergeordnete Hilfsdienste, etwa bei der Literaturbeschaffung
oder schreibtechnischen Abfassung des Gutachtens, in Anspruch genommen
werden. Der Umfang der Einschaltung eines Gehilfen ist zu benennen (§
407a Abs 2 S 2 ZPO). Werden diese Angaben nicht gemacht, obwohl sie im
Einzelfall erforderlich sind, dann folgt schon daraus die Unverwertbarkeit
des Gutachtens (vgl KG Beschl v 10.6.2010 – 20 W 43/10; OLG Köln Beschl
v 20.7.2011 – 17 W 129/11; Stein/Jonas/Leipold ZPO § 407a Rn 6). Eine
Delegation der Exploration ist generell nicht zulässig (Feddern/Widder
MedSach 2009, 93, 94), weil es sich dabei um die zentrale Untersuchungsmethode
des gerichtlichen Sachverständigen bei der psychiatrischen Gutachtenerstellung
handelt. Erst recht darf der gerichtlich bestellte Sachverständige
niemals selbst einen anderen Sachverständigen beauftragen, dessen
Gutachten er nicht wenigstens überprüft und in seine Verantwortung
übernimmt (Meyer-Goßner StPO § 73 Rn 3, Schnoor, 126; Zuschlag,
47). Denn die Beauftragung von Gerichtssachverständigen ist in allen
Verfahrensstadien, auch im Vorverfahren, alleine die Aufgabe des Richters
(Dippel FS Egon Müller 2008, 125, 133).
Randnummer 112 Schon die Praxis der
Anfertigung des Gutachtens durch eine andere Person als den gerichtlich
beauftragten Sachverständigen, welches es sodann mit der Bemerkung
„nach eigener Prüfung einverstanden“ oder einer ähnlichen Formel
mit unterzeichnet (Sarstedt NJW 1968, 177, 180), erscheint fehlerhaft (Schnoor,
126; Schreiber/Rosenau in Venzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung,
159). Bei einem psychiatrischen Gutachten darf der gerichtliche Sachverständige
aber insbesondere die persönliche Begegnung mit dem Probanden und
das Explorationsgespräch nicht auf Mitarbeiter übertragen
(zu § 407a ZPO OLG Köln GesR 2010, 370, 371; Beschl v 20.7.2011
– 17 W 129/11). Erst recht ist eine autonome Beauftragung eines weiteren
Sachverständigen durch den gerichtlich beauftragten Sachverständigen
zu dessen eigenverantwortlicher Gutachtenerstattung ohne eigene Verantwortungsübernahme
offensichtlich unvertretbar (Dippel, 91; Schnoor, 126; willkürlich
aA OLG München Beschl v 29.9.2008 und v 20.10.2008 – 2 Ws 1122/07
– 2 Abl 2/08; vgl dazu Paeffgen/Wasserburg GA 2012, 535, 552). Auch eine
nachträgliche gerichtliche Genehmigung der Delegation des Auftrags
durch den Sachverständigen kommt nicht in Frage (BSG NJW 1965, 368;
Feddern/Widder MedSach 2009, 93, 94), weil sie eine Disqualifizierung des
gerichtlichen Sachverständigen durch die Verletzung des Delegationsverbots
unter Nichtbeachtung von Gericht und Verfahrensbeteiligten nicht kompensieren
kann. Das Akzeptieren solcher Vorgehensweisen des gerichtlich beauftragten
Sachverständigen durch das Gericht ist sogar eine eigene grobe Pflichtverletzung
des Gerichts (Schnoor, 126 f). Der Sachverständige ist also generell
nicht dazu befugt, von sich aus den Auftrag auf einen anderen zu übertragen
(Schnoor, 126; Ulrich Rn 337). Es ist ferner unzulässig, dass sich
der gerichtliche Sachverständige bei der Meinungsbildung oder bei
der Äußerung seiner Ansichten gegenüber dem Gericht vertreten
lässt (KG Beschl v 10.6.2010 – 20 W 43/10; K. Müller Rn 538)."
Pflicht
zur selbständigen Gutachtenerstattung durch den Sachverständigen
§ 1 Zivilrechtliche Arzthaftung, Terbille, Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen,
Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht 2. Auflage 2013, Rn 212-214
"f) Pflicht zur selbständigen Gutachtenerstattung durch
den Sachverständigen.
Randnummer 212 Der gerichtlich bestellte Sachverständige
darf bei der Vorbereitung und Abfassung seines schriftlichen Gutachtens
wissenschaftliche Mitarbeiter oder sonstige geeignete Hilfskräfte
gemäß § 407a Abs. 2 ZPO nur insoweit zu seiner Unterstützung
heranziehen, wie seine persönliche Verantwortung für das Gutachten
insgesamt uneingeschränkt gewahrt bleibt. Unterzeichnet der Sachverständige
das von einem seiner ärztlichen Mitarbeiter aufgrund klinischer Untersuchungen
erstellte schriftliche Gutachten nur mit dem Vermerk „einverstanden“, wird
dadurch nicht hinreichend erkennbar, dass er die ihm obliegende volle Verantwortung
für das Gutachten übernommen hat und nach seinem eigenen Kenntnisstand
dazu auch in der Lage war. Wissenschaftliche Mitarbeiter dürfen lediglich
bei der Vorbereitung und Abfassung eines schriftlichen Gutachtens unter
der Verantwortung des Sachverständigen tätig werden. Der Sachverständige
entzieht sich seiner Gesamtverantwortlichkeit für das Gutachten jedoch
dann nicht, wenn er das Gutachten nicht nur mit „einverstanden“, sondern
mit „einverstanden aufgrund eigener Untersuchung und Urteilsfindung“ unterzeichnet.
zur Fussnote 481 Muss eine Untersuchung des Patienten erfolgen, bedeutet
das, dass der Gerichtssachverständige auch an dieser Untersuchung
teilzunehmen hat. Insbesondere bei psychiatrischen Gutachten darf der benannte
Sachverständige seinem Mitarbeiter nicht die persönliche Begegnung
mit der zu explorierenden Person allein überlassen. zur Fussnote 482
Randnummer 213 Hat eine vom gerichtlich bestellten
Sachverständigen beauftrage Hilfsperson das Gutachten eigenverantwortlich
erstellt und hat der gerichtlich bestellte Sachverständige eine eigene
Untersuchung gar nicht vorgenommen, kann er die Verantwortung für
das Gutachten nicht aufgrund eigener Urteilsbildung übernehmen.
Laufs/Kern:
Pflicht zur persönlichen Gutachtenserstattung
"§ 122 Einzelne Pflichten des Sachverständigen bei der Begutachtung,
Schlund, Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage 2010, Rn 15-17,
1. Pflicht zur persönlichen Gutachtenserstattung.
Randnummer 15 Seit vielen Jahren kann es in der
Rechtsprechung zur Fussnote [1] als gesichert gelten, dass der vom Gericht
in personam auszuwählende SV in der Regel sein Gutachten auch in eigener
Person zu erstatten hat. Der Grund für diese Pflicht zur persönlichen
Erstattung des Gutachtens dürfte wohl darin zu erblicken sein, dass
gerade der ausgewählte SV und kein anderer mit der Erstellung des
Gutachtens betraut wird, weil er eine besondere Sachkunde, oder jahre-,
wenn nicht gar jahrzehntelange praktische Erfahrung oder eine besondere
persönliche Integrität besitzt, die ihn aus dem Kreis der anderen
(möglichen) SV besonders hervorhebt. Selbst wenn – fälschlicherweise
– noch immer von Gerichten zum Teil Behörden, Kliniken oder Institute
anstelle von Personen mit der Erstellung von Gutachten beauftragt werden,
so sollten diese auch in der Regel nur vom jeweiligen Direktor oder Leiter
erstellt werden.
Randnummer 16 Geschieht dies jedoch nicht und können
die Beteiligten den eigentlichen Gutachtenerstatter nicht sicher eruieren,
verwendet das Gericht aber auch noch ein solches Gutachten bei seiner Entscheidung,
dann liegt in aller Regel ein Verfahrensverstoß vor, der zur Urteilsaufhebung
führen kann. Jedes richtigerweise vom einzelnen SV angeforderte Gutachten
muss also von diesem auch in den wesentlichen Phasen und bedeutsamen Stadien
persönlich erstellt werden.
Randnummer 17 Das dürfte erwiesener- und zugegebenermaßen
bei großen Kliniken und den mit einer Gutachtenerstattung in zahlreichen
Fällen betrauten Chefs häufig problematisch sein. Man findet
hier leider auch heute noch in Gutachten von Universitätskliniken
lediglich links unten den Institutsleitervermerk: „einverstanden Prof Dr
X“ und dgl; und mehr hat dieser Chef oft auch mit der Gutachtererstellung
faktisch nicht zu tun gehabt. Eine solche Übung widerspricht jedoch
schon seit vielen Jahren der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung."
AbsF03r im Recht Unzureichende
Aufklärung
> fachliche (AbsF03f) Beurteilung und Beispiele
in Gutachten (AbsF03b).
Zusammenfassung: der absolute Fehler Unzureichende
Aufklärung im Recht
Die Aufklärungs- und Informationspflicht in forensisch-psychopathologischen
Gutachtensituationen wird gewöhnlich sehr verkürzt verstanden,
wobei noch nicht einmal eine schriftliche Dokumentation verlangt wird und
damit dass alltägliche Niveau in einer Arztpraxis weit unterboten
wird. Schon hier wird deutlich, dass eine forensisch-psychopathologische
ProbandIn als Mensch minderer Klasse behandelt wird. Andererseits kann
verständnisangemessene Aufklärung im forensisch-psychopathologischen
Bereich auch sehr schwierig, manchmal sogar unmöglich sein, wenn die
Verwirrung oder der pathologische Zustand zu ausgeprägt ist.
Im Allgemeinen werden die ProbandInnen nur informiert,
dass sie an der Begutachtung nicht mitwirken müssen und dass im Falle
einer Mitwirkung die ärztliche Schweigepflicht nicht gilt. Zu einer
umfassenden und notwendigen Aufklärung gehört aber natürlich,
über alle wichtigeren Vor- und Nachteile einer forensisch-psychopathologischen
Begutachtung zu informieren, sich unter Angabe der Methode des Verständnisses
der Information zu vergewissern und schriftlich bestätigen zu lassen.
|
Streng, Franz (2001) StGB
§ 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen, Münchener
Kommentar zum StGB 2. Auflage 2011:
"Randnummer 168 Vor der folgenden Untersuchung ist eine Aufklärung
des Probanden über die gutachterliche Funktion im Verfahren und eine
Belehrung iS von § 136 Abs. 1 S. 2 StPO über das Recht des Probanden,
die Kooperation zu verweigern bzw. zu schweigen, erforderlich; FN2 die
entgegenstehende Ansicht des BGH und in der Lit. FN3 wird der Rolle des
Gutachters als Richtergehilfe nicht gerecht. Angesichts seiner prozessualen
Rechtsstellung und aus standesrechtlichen Gründen muss der forensische
Psychogutachter über seine Funktion im Verfahren aufklären. Ein
Schweigen darüber, dass im Rahmen einer Begutachtung der Sachverständige
sich dem Gericht gegenüber nicht auf die ärztliche Schweigepflicht
und damit auch nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht iS von § 53
StPO berufen kann, FN4 evtl. bei gleichzeitiger Vorspiegelung einer
scheinbar allein dem Probanden nützlichen Therapeutenrolle, müsste
man letztlich als Verstoß gegen § 136 a StPO ansehen. FN5 Es
darf sich der Gutachter nicht in die Rolle eines Überführungsgehilfen
begeben. FN6."
Tondorf & Tondorf
"9. Umfassende Pflicht zur Aufklärung des Probanden über sein
Recht, jede aktive Mitwirkung zu verweigern
276 Der forensische Psychiater sollte sich rein vorsorglich dem Probanden
gegenüber von Beginn seiner Tätigkeit an als Gehilfe des Gerichts
zu erkennen geben und seine ärztlichen Qualifikationen lediglich als
eine dem Gericht (nicht aber dem Probanden gegenüber) dienstbare Fähigkeit
darstellen. Dadurch ist die Arztrolle, die der Ausgangspunkt für den
durch § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO gewährten Schutz ist, gleichsam
„am Entstehen gehindert."FN687 Kühne billigt dem forensischen
Psychiater entgegen der herrschenden Meinung FN688 in der Literatur hinsichtlich
aller Informationen, die er auf Grund einer prozessual nicht erzwingbaren
Mitwirkung des Beschuldigten erlangt hat, ein Zeugnisverweigerungsrecht
zu. Dieses sei durch § 203 StGB zugunsten des Probanden abgesichert.
Nach einer solchen Belehrung könne der Proband später nicht behaupten,
seine Intimsphäre im Vertrauen auf die Sonderposition des Arztes offenbart
zu haben. Gebe er in diesem Fall Geheimnisse preis, tue er dies gegenüber
einer Person, die in Bezug auf seinen Diskretionsschutz nicht anders als
ein Staatsanwalt oder Polizist zu betrachten sei. Der Sachverständige
habe seine Informationen dann nicht in seiner Eigenschaft als Arzt erlangt,
so dass kein Zeugnisverweigerungsrecht bestehe. Kühne empfiehlt
dem forensischen Gutachter, eine derartige Belehrung zur Beweissicherung
schriftlich zu fixieren. Die Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts
weise dem Gutachter einen klaren Weg aus dem berufsethischen Dilemma, welches
sich daraus ergebe, dass der Untersuchte nicht mehr Gefahr laufe, durch
Schenken von unbegründetem Vertrauen Informationen preiszugeben, die
er ohne dieses Vertrauen nicht preisgegeben hätte.FN689 Zugleich müssten
sich Justiz und forensische Psychiater nicht länger den Vorwurf gefallen
lassen, „in einer Grauzone des Rechts Informationen zu erlisten." FN689
Durch Aufklärung des Probanden über sein ausschließlich
amtliches Tätigwerden kann der ärztliche Gutachter also seine
Rolle klarstellen und die Fallen der §§ 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO
und 203 Abs. 1 StGB umgehen. Zugleich verhindert er möglichen Streit
in der Hauptverhandlung."
Aufklärungsbegriffe
im Arztrecht
Beppel, Antje (2007) Ärztliche Aufklärung in der Rechtsprechung.
Die Entwicklung der Rechtsprechung zur ärztlichen Aufklärung
in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Göttingen: Universitätsverlag.
Das Werke unterscheidet A. Eingriffsaufklärung, B. Sicherungsaufklärung
(therapeutische Aufklärung), C. Diagnoseaufklärung, D. Wirtschaftliche
Aufklärung.
Anmerkung
zu Laufs/Kern Handbuch des Arztrechts
21. Kapitel. Der Arzt als Sachverständiger und Gutachter. In:
Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage 2010
Das 21. Kapitel äußert sich nicht zur "Aufklärungspflicht"
des forensischen medizinischen Sachverständigen, lediglich "Zum Umfang
der Aufklärungspflicht bei minderjährigen Patienten" wird das
OLG Koblenz zitiert.
AbsF04r im Recht Befangenheit,
Voreingenommenheit, Einseitigkeit
> fachliche (AbsF04f) Beurteilung und Beispiele
in Gutachten (AbsF04b).
Zusammenfassung: der absolute Fehler Befangenheit
im Recht
Befangenheit oder Voreingenommenheit verletzt eine elementare Voraussetzung
für jeden Sachverständigen. Zu seinen grundsätztlichen und
selbstverständlichen Pflichten gehört, dass er unparteiisch und
neutral, ohne jede Voreingenommenheit oder Vorurteil, einzig der wahrheitsgemäßen
Sachaufklärung der Beweisfragen verpflichtet, seine Aufgabe gemäß
§ 79 StPO nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt. So weit die
Theorie. In der Praxis ergeben sich sich hier aber nicht selten erhebliche
Probleme, besonders im Strafrecht (Anmerkung: Das Zivilrecht scheint strengere
Maßstäbe anzulegen) z.B. wenn aus der Anklageschrift Tatvorwürfe
oder andere mit den Tatvorwürfen in Zusammenhang stehende Sachverhalte
als wahre "Anknüpfungstatsachen"
einfach unterstellt oder alternative, auch entlastenede Sachverhalte nicht
ausdrücklich berücksichtigt werden. Eine der bekanntesten, elementarsten,
allgemeinsten und auch vom einfachen Bürger gut nachvollziehbarer
und akzeptierter allgemeiner Rechtsgrundsatz lautet: man muss
beide Seiten hören (berücksichtigen), pro und contra, für
und wider in seine Hypothesen einbeziehen. Gutachten, die das nicht klar
erkennen lassen, sind ein guter Kandidat für Befangenheit.
Befangenheit aus
systemischen Gründen liegt zwingend vor, wenn ein Gutachter zugleich
Interessenträger in gleicher Sache ist, wie es fast immer bei §
67e StGB Gutachten der Fall ist (extrem im Fall
Gustl F. Mollath). Dies müsste bei Reform des § 63 StGB vom
Gesetz und bis dorthin von der Rechtsprechung ausgeschlossen werden.
|
Eisenbergs Distanzgebot in
Zweites Kapitel. Untersuchungen (überwiegend) personenbezogener Art,
Ulrich Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 8. Auflage 2011, Rn 1797-1813a
"a) [...Vorbereitung...]
Randnummer 1797 Im Rahmen der Vorbereitung des Gutachtens ist eine
hinreichende Distanz gegenüber den in den Akten enthaltenen (wahren
oder falschen) Tatsachenangaben wie Wertungen geboten (vgl n 1591, erg
1801), um der Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 EMRK) zu genügen und
eine Beeinflussung durch den strafrechtlichen Vorwurf (nach Möglichkeit)
zu vermeiden (vgl aber 1811). So können zB die Voraussetzungen einer
Exploration beeinträchtigt sein, wenn der Beschuldigte sich idZ wie
ein bereits Überführter und gar negativ Stigmatisierter behandelt
sieht. Zwar stellen die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB auf
den psychischen Zustand im Tatzeitpunkt ab, jedoch darf das Tatverhalten
nicht Grundlage für Rückschlüsse auf die psychische Verfassung
sein. zur Fussnote FN433"
Eisenberg zu Voreingenommenheit
in
Zweites Kapitel. Untersuchungen (überwiegend) personenbezogener Art,
Ulrich Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 8. Auflage 2011, Rn 1797-1813a
"c) [... Fehlern, ...]
Randnummer 1811 aa) Unter den besonders häufigen Fehlern, die
innerhalb einschlägiger Gutachten (vgl 1613 ff) vorkommen, sind zunächst
solche zu nennen, die auf eine mehr oder weniger ausgeprägte Form
der Voreingenommenheit des Sv (vgl allg 1616–1617) schließen lassen
(zu Einzelbeisp Böhle RuP 94 18 ff; Kobbé RuP 94 23 f; s auch
Rasch 329).
Anhaltspunkte dafür finden sich etwa bei selektiven Aktenauszügen,
in eine bestimmte Richtung hin wiedergegebenen Aussagen des Pb, verbalen
Unterstellungen bzw Verdächtigungen wie auch offenen oder verdeckten
Einschränkungen hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Angaben bzw der
persönlichen Glaubwürdigkeit des Pb einschließlich etwaiger
Vorwürfe betr "Leugnen" des Tatvorwurfs; so liegt ein Mangel regelmäßig
zumindest dann vor, wenn eine Wiedergabe der Entstehungszusammenhänge
der vorgeworfenen Tat iSd Version des Pb fehlt. Entsprechendes gilt bei
moralisierenden, den Betroffenen abwertenden Zuschreibungen oder bei Bewertungen
ohne (hinreichende) Begründung durch vorhandene diagnostische Befunde.
Indes besteht die Gefahr solcher Fehler auch dann, wenn einschlägige
Anhaltspunkte weniger greifbar sind, weil die selektive Befundsuche oftmals
unbewusst davon geleitet ist, ein favorisiertes oder gar bereits gewähltes
Ergebnis zu bestätigen (vgl auch Jonas ua ZexPsych 01 239)."
Leipold
"III. Vorliegen der Besorgnis der Befangenheit
Grundsätzlich ist das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes vom Standpunkt
des Ablehnenden aus zu beurteilen. Ob also der Abgelehnte tatsächlich
befangen ist, ist nicht entscheidend. Es muss nur die Besorgnis der Befangenheit
bestehen, also der Ablehnende bei verständiger Würdigung des
ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme haben, dass der oder die
abgelehnten Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnehmen, die
ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen
kann (BVerfGE 32, BVERFGE Jahr 32 Seite 288).
Eine solche Besorgnis besteht beispielsweise dann,
wenn der Richter schon vor der Hauptverhandlung gegenüber dem Angeklagten
erklärt, dass er für das Gericht der Typ eines Gewohnheitsverbrechers
sei (BGH, NJW 2002, NJW Jahr 2002 Seite 3484), oder wenn der wegen Drogenhandels
Angeklagte zu einem Geständnis gedrängt wird mit dem Hinweis,
dass man in Malaysia für so etwas mit 40 Jahren Gefängnis und
in den USA mit der Todesstrafe rechnen müsse (BGH, NStZ 1991, NSTZ
Jahr 1991 Seite 226). FN2"
Quelle. Leipold: Besorgnis der Befangenheit NJW-Spezial
2006, 471
Monka (BOK)
"B. Besorgnis der
Befangenheit
Randnummer 2 Ein sonstiger Ablehnungsgrund liegt vor, wenn die Besorgnis
der Befangenheit besteht, wenn also ein Grund vorliegt, der verständigerweise
ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigt
(BGHSt 8, 144, 145). Dabei kommt es auf den Standpunkt des verständigen
Ablehnenden an, nicht auf den des Gerichts (BGHSt 8, 226, 233). Es müssen
vernünftige Gründe vorgebracht werden, die jedem unbefangenen
Dritten einleuchten. Das Gericht muss dabei die Ablehnungsgründe in
ihrer Gesamtheit würdigen. Ob sich der Gutachter befangen fühlt,
spielt keine Rolle.
"Randnummer 3 Eine mögliche Befangenheit des Sachverständigen
kann sich aus Fehlern im Vorgehen, aus Eigeninteressen oder aus Kompetenzüberschreitungen
ergeben (Eisenberg NStZ 2006, 372). Eine Ablehnung kann gerechtfertigt
sein,
-
wenn der Sachverständige bereits ein Privatgutachten für den
Verletzten (BGHSt 20, 245) oder den Nebenkläger oder eine am Verfahrensausgang
interessierte Versicherungsgesellschaft (BGH NStZ 2002, 215) erstattet
hat,
-
wenn er das Tatopfer ärztlich oder als Therapeut behandelt hat (BGH
StV 1996, 130),
-
wenn er den Beschuldigten dadurch bloßstellt, dass er ihn ohne seine
Einwilligung vor Studenten exploriert (BGH MDR 80, 456 [H]),
-
wenn er am Beschuldigten unberechtigt körperliche Eingriffe vorgenommen
hat (BGHSt 8, 144),
-
wenn er durch schriftliche oder mündliche Äußerung den
Eindruck der Voreingenommenheit hervorgerufen hat (BGHSt 41, 206, 211),
-
wenn er unprofessionell und einseitig vorgegangen ist (BGH NJW 1991, 2357)
oder
-
wenn er bewusst verschweigt, für Gericht oder Staatsanwaltschaft tätig
zu sein, um so an eine Aussage zu kommen (BGH NStZ 1997, 349)."
Quelle: Monka, (2012) Beck'scher Online-Kommentar
StPO, Hrsg: Graf Stand: 01.10.2012, Edition: 15.
Blau Der
befangene Sachverständige im Strafprozeß von Blau, G. (1991)
in (10-22) Schütz et. al (1991, Hrsg.)
S. 13: "Die „Besorgnis der Befangenheit"
Eine erfolgreiche Ablehnung des Sv. wegen Besorgnis der Befangenheit
setzt wirkliche Befangenheit nicht voraus. Es genügen Verhaltensweisen
und Äußerungen, die "bei einem verständigen Angeklagten"
Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sv. hervorrufen können."
S. 15: "Einige typische Befangenheitskonstellationen sind ausdiskutiert.
So ist man sich darüber einig, daß das Verbot bestimmter Beweismethoden
(§ 136a StPO) nicht nur für die Strafverfolgungsbehörden,
sondern auch für den Sv. gilt. FN25 Verstöße gegen das
Verbot, "die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung"
zu beeinträchtigen, etwa durch bewußte Ermüdung des Probanden
bei der Exploration, durch Hypnose, Narkoanalyse etc., aber z.B. auch durch
die Drohung, eine ambulante Untersuchung unangemessen auszudehnen oder
in eine stationäre umwandeln zu lassen (§81 a StPO), würden
Befangenheitsanträgen zum Erfolg verhelfen."
S. 16: "Dem Vorwurf der Befangenheit setzen sich Sv. insbesondere dann
aus, wenn sie sich mit den Strafverfolgungsbehörden — oder auch dem
Beschuldigten oder Verletzten — überidentifizieren. Von Unparteilichkeit
kann man dann nicht mehr sprechen."
S. 17: "Unhaltbar im Sinne der Befangenheitsregelung wird die Lage des
Sv., wenn er sich nicht nur zu moralisch abwertenden Urteilen über
den Beschuldigten hinreißen läßt, sondern auch noch kriminalistischen
Jagdeifer entwickelt. Der Boden für solche Fehlleistungen sind meist
Vorurteilsstrukturen, die das Gutachten dann prägen."
S. 19f: "Nur ausnahmsweise können "falsche" Gutachten doch einmal
befangenheitsrelevant werden, wenn z. B. im Gutachten, nicht nur hypothetisch,
Tat[>20]sachen zugrunde gelegt werden, die noch nicht bewiesen sind, FN53
oder wenn — ein sehr theoretisches Beispiel von Müller FN54 - "die
inhaltliche Fehlerhaftigkeit des Gutachtens dem Zweck der Bevorzugung oder
Benachteiligung einer Partei dienen soll".
S. 20: "Schließlich ist noch eine Variante potentieller Befangenheit
psychiatrischer Sv. zu erwähnen, die bewußt oder unbewußt
Diagnosen in Gutachten beeinflussen und damit "verfälschen" kann:
jene Voreingenommenheit, die entsteht, wenn der Sv. die Folgen seines Gutachtens
selbst auszubaden hat, z. B. als Krankenhausarzt, in dessen geschlossene
psychiatrische Abteilung der Proband gemäß §63 StGB ggf.
einzuweisen ist."
S. 20: "Der in einem forensisch nicht konsensfähigen Denksystem
befangene Sachverständige
Eine kürzlich ergangene BGH-Entscheidung FN56 hat einen Meinungsstreit
wieder belebt, der sich an der "Befangenheit" von Sv. in bestimmten, mit
der strafrechtlichen Schuldfähigkeitsregelung nicht kompatiblen Denksystemen
entzündet hat. In der fraglichen Entscheidung hat der BGH dem Tatrichter
empfohlen, "einen anderen anerkannten psychiatrischen Sv. zuzuziehen",
weil der bisher gehörte — Verfasser eines strukturphänomenologischen
Lehrbuchs der forensischen PsychopathologieFN57 — "sich ersichtlich nicht
von seinen Auffassungen zu lösen vermag.
FN56 BGH, JR (1990) 1191T. mit Anm.
Blau."
AbsF05r im Recht Mangelnde
Datenbasis
> fachliche (AbsF05f) Beurteilung und Beispiele
in Gutachten (AbsF05b).
Zusammenfassung: der absolute Fehler mangelnder
Datenbasis im Recht
Im Recht wird das Problem mangelnder Datenbasis so gut wie nicht ausdrücklich
gesehen und kritisch erörtert. Hierbei sind grundsätzlich zwei
Fälle zu unterscheiden: 1) Datenmangel: es liegen überhaupt keine
oder viel zu wenig Daten und Informationen vor. 2) Nichtverwertbarkeit:
Die vorliegenden Daten und Informationen sind aufgrund des Zustandes der
ProbandIn (überdosiert, fixiert; psychotisch, übererregt, delirant,
verwirrt, desorganisiert oder ähnliches) nicht verwertbar.
Das Gericht will entscheiden und dazu (miss-) braucht
es unkritische und willfährige Sachverständige. Gefällt
ein Gutachten nicht, kann das Gericht im Prinzip so lange neue Gutachten
in Auftrag geben, bis eines dabei ist, das dem Gericht zusagt. Das wird
in der Praxis nicht oft vorkommen, weil die Gerichte ihre Gutachter entsprechend
auswählen und diese meist gut im Sinne der Erwartungen und Wünsche
der Gerichte funktionieren. Wer ausschert, wird nicht mehr beauftragt.
Der extremste mir bekannte gewordene Fall betrifft den
SS-Mann
Bikker, wo das Gericht 11 Gutachten in Auftrag gab, bis eines dabei
war, das genehm war. Besonders absurd ist hierbei der Entscheidungsspielraum
des Gerichts, wenn es z.B. gegen 10 im Kern übereinstimmende Gutachten
ein abweichendes bevorzugen darf. Das alles hat mit wohlverstandenem Recht,
Logik, Wissenschaft und gesundem Menschenverstand nichts mehr zu tun. Halten
wir fest: Gerichte interessieren sich faktisch meist nicht für
wissenschaftlich
begründete, nachvollzieh- und kontrollierbare Gutachten, sondern
gewöhnlich nur für eine forensisch- psychopathologische Meinung,
die eine richterliche Entscheidung erlaubt. Da ein inhaltliches Protokoll
der Hauptverhandlung - insbesondere eine Dokumentation der Sachverständigenbeweisaufnahme
- nicht vorgesehen ist, kann nachher auch nichts mehr kontrolliert und
korrigiert werden. Revisionen sind keine echte Kontrolle, sondern eher
ein formales Spiel, um den Schein zu wahren. Tatsächlich bringen sie
oft nichts, kosten nur Zeit und Geld. Die Entartung forensisch- psychopathologischer
Sachverständigenpraxis geht sogar so weit, dass reine Aktengutachten
ohne jede substanzielle Informationsbasis gang und gäbe sind (AbsF06).
Das ist im wesentlichen die von RichterInnen gewollte Praxis, obwohl die
Obergerichte und der BGH klare Anforderungen an wissenschaftlich begründete
Gutachten gestellt haben und es seit 2005/2006 die formulierten Mindestanforderungen
an Schuldfähigkeits-
und Prognosegutachten gibt:
Ein Gutachten, dem die informationelle Datenbasis
fehlt, ist kein Gut- sondern ein wissenschaftlich substanzloses Meinungsachten.
Denn allemal gilt: worüber man nichts weiß, darüber kann
man auch nichts sagen - und erst recht nicht gutachten. In der forensisch-psychiatrischen
Gutachtenpraxis scheint man das eher umgekehrt zu sehen: Je weniger man
weiß, desto leichter lässt sich "gut"achten, weil man sich nicht
mit lästigen Tatsachen herumplagen muss..
Obwohl eine ausreichende Datenbasis von Gesetz und
Recht nicht ausdrücklich gefordert wird, lässt sich diese Forderung
aber aus anderen grundlegenden Leitsätzen, allgemeinen Erfahrungssätzen
und dem gesunden Menschenverstand ableiten, wie aus den folgenden Belegen
hervorgeht.
|
BGH Anforderungen
an psychiatrische Gutachten nach NStZ 2005, 205 zum BGH Beschluss 2
StR 367/04 vom 12.November 2004 (datenrelevante Ausführung kursiv
von RS):
„Inhaltlich leidet das Gutachten daran, dass es
sich in der Feststellung und Begründung der Diagnose einer Störung
nach ICD-10 bzw. DSM-IV erschöpft, ohne näher darzulegen,
in welcher konkreten Weise sich die festgestellten psychischen Auffälligkeiten
bei der Tat auf das Einsichts- oder Hemmungsvermögen ausgewirkt haben.“
„Nach der ständigen
Rechtsprechung des BGH kann für die Anwendung der §§ STGB
§ 20, STGB § 21 StGB regelmäßig nicht offen bleiben,
welche der Eingangsvoraussetzungen des § STGB § 20 StGB vorliegt.
Das gilt gleichermaßen für die Anordnung des § STGB §
63 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 2003, NSTZ-RR Jahr 2003 Seite 232; StraFo 2003,
282; Beschl. v. 21. 9. 2004 - 3 StR 333/04), denn dieser setzt einen länger
dauernden psychischen Defektzustand des Betr. voraus, auf welchem dessen
Gefährlichkeit beruht (vgl. etwa BGHSt 34, BGHST Jahr 34 Seite 24,
BGHST Jahr 34 Seite 28; 42, BGHST Jahr 42 Seite 385, BGHST Jahr 42 Seite
388; BGH NStZ 1991, NSTZ Jahr 1991 Seite 528; NStZ-RR 1997, NSTZ-RR Jahr
1997 Seite 166; 2000, NSTZ-RR Jahr 2000 Seite 298; LK-Hanack 11. Aufl.,
§ 63 Rn 66; Tröndle/Fischer 52. Aufl., § 63 Rn 6f., 12 -
jew. mwN). Selbst wenn im Einzelfall die Grenzen zwischen diagnostischen
Zuordnungen nach einem der gängigen Klassifikationssysteme fließend
und die Einordnung unter eines der Eingangsmerkmale des § STGB §
20 StGB schwierig sein mögen, weil z.B. mehrere Merkmale gleichzeitig
vorliegen oder keines in "reiner" Form gegeben ist, ist das Tatgericht
gehalten, zum einen konkrete Feststellungen zu den handlungsleitenden Auswirkungen
der Störung zum Zeitpunkt der Tat (vgl. § STGB § 20 StGB)
zu treffen und zum anderen auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung
von Persönlichkeit, Lebensgeschichte, Lebensumständen und Verhalten
des Angekl. und der Anlasstat in nachprüfbarer Weise darzulegen,
worin der [<205] "Zustand" des Beschuldigten besteht und
welche seiner Auswirkungen die Anordnung der gravierenden, unter Umständen
lebenslangen Maßregel nach § STGB § 63 StGB gebieten. Die
bloße
Angabe einer Diagnose im Sinne eines der Klassifikationssysteme
ICD-10 oder DSM-IV ersetzt weder die Feststellung eines der Merkmale
des § STGB § 20 StGB noch belegt sie für sich schon
das Vorliegen eines Zustands i.S.d. § STGB § 63 StGB
(vgl. BGH Beschl. v. 21. 9. 2004 - 3 StR 333/04 mwN).
Randnummer 3 b) Das Gericht,
das sich zur Prüfung der genannten Voraussetzungen der Hilfe eines
Sachverständigen zu bedienen hat (§ STPO § 246a StPO), muss
dessen Tätigkeit überwachen und leiten. Dazu gehört insbesondere
auch die Prüfung, ob Grundlagen, Methodik und Inhalt des Gutachtens
den anerkannten fachwissenschaftlichen Anforderungen genügen (zur
Sachleitungs- und Prüfungspflicht des Gerichts vgl. LK-Jähnke
11. Aufl., § 20 Rn 89, 92f.; Tröndle/Fischer aaO, § 20 Rn
63, 64a ff. mwN)."
….
„Randnummer 9 Hierfür
können in der Regel die Diagnose der psychischen Störung sowie
ihre Einordnung unter die Eingangsmerkmale des § STGB § 20 StGB
nicht offen bleiben. Vorliegend hatte der Sachverständige in seinem
vorbereitenden schriftlichen Gutachten offen gelassen, ob bei dem Angekl.
eine „schizotype Störung” (ICD-10, F 21) oder eine „schizophrenia
simplex” (ICD-10, F 20.6) vorliege, die beide dem Merkmal „krankhafte seelische
Störung” i.S.v. § STGB § 20 StGB zuzuordnen seien; eine
Persönlichkeitsstörung im Sinne einer „schweren anderen seelischen
Abartigkeit” (SASA) liege nicht vor (Gutachten S. 47ff., 51). In seinem
in der Hauptverhandlung erstatteten mündlichen Gutachten kam er dagegen
zu der Ansicht, es sei „die festgestellte schizotype Persönlichkeitsstörung
entweder unter das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung
oder unter das der anderen seelischen Abartigkeit zu fassen”; eine schizophrene
Psychose liege nicht vor. Eine Persönlichkeitsstörung sei gleichfalls
nicht gegeben, vielmehr eine in der Persönlichkeit verankerte Störung
mit schizophrenietypischen Zügen, für welche ein Suchtmittelmissbrauch
symptomatisch sei.“
„Randnummer 11 ee) Feststellung und Begründung
der Diagnose einer Störung belegen nicht deren strafrechtliche Relevanz
i.S.v. §§ STGB § 20, STGB § 21 StGB (st. Rspr.; vgl.
etwa BGH Urt. v. 21. 1. 2004 - 1 StR 346/03, NJW 2004, NJW Jahr 2004 Seite
1810 = zur Veröff. in BGHSt vorgesehen; Beschl. v. 21. 9. 2004 - 3
StR 333/04; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO, § 20 Rn 44; LK-Jähnke
aaO, Rn 34f. - jew. mwN). Entscheidend für die inhaltliche Brauchbarkeit
des Gutachtens ist, ob es wissenschaftlich hinreichend begründete
Aussagen über den Zusammenhang zwischen einer diagnostizierten psychischen
Störung und der Tat enthält, welche Gegenstand des Verfahrens
ist. Es ist also - unabhängig von der Einordnung unter ein Eingangsmerkmal
des § STGB § 20 StGB - im Einzelnen konkret darzulegen, ob und
ggf. wie sich die Störung auf das Einsichts- oder Hemmungsvermögen
des Beschuldigten tatsächlich ausgewirkt hat (vgl. Schreiber/Rosenau
in Venzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl., S. 51, 77f.;
S/S-Lenckner/Perron 26. Aufl., § 20 Rn 31). Nichts anderes gilt für
die Beurteilung des „Zustands” i.S.v. § STGB § 63 StGB, denn
es gibt weder eine abstrakte „Schuldunfähigkeit” ohne Bezug zu einem
konkreten Delikt noch einen abstrakten „Zustand” ohne diesen Bezug, aus
welchem sich symptomatisch die die Unterbringung erfordernde Gefährlichkeit
des Beschuldigten ergibt.“
Feststellungen z.B. zu "in welcher konkreten Weise
sich die festgestellten psychischen Auffälligkeiten bei der Tat auf
das Einsichts- oder Hemmungsvermögen ausgewirkt haben" sind
nur möglich, wenn hinreichende Daten zu Befinden und Befassen zum
Zeitraum der Tat vorliegen. Das geht im Allgemeinen nur, wenn sich die
ProbandIn dazu ausreichend äußert. Nur in ganz seltenen
Ausnahmen können hier andere Informationsquellen helfen. Ohne
ausreichende Informationen, wo immer sie auch herrühren mögen,
geht es aber nicht. Und es helfen hier auch keine späteren stationären
Beobachtungen. Aus Beobachtungen in einer psychiatrischen Klinik zum monate-
oder Jahre späteren Zeitpunkt t2 können keinerlei Rückschlüsse
auf Verfassung und Befinden zu einem früheren Zeitpunkt t1 erschlossen
werden. |
_
Eisenberg,
StPO Vierter Teil. Sachverständiger Zweites Kapitel. Untersuchungen
(überwiegend) personenbezogener Art III. Untersuchung der Schuldfähigkeit
1. Psychische Krankheiten und Störungen mit Relevanz für die
Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) a) Strafrechtliche Voraussetzungen
bb) [Einsichts- und Steuerungsfähigkeit]
1716(1) Als zweite Voraussetzung
verlangt § 20 StGB eine tatsächliche Beeinträchtigung
idS, dass kognitiv die Einsichts- oder voluntativ die Steuerungsfähigkeit[1]
des Täters wegen eines der vorbezeichneten Merkmale zZt der
Tat aufgehoben war [2]. Dabei ist (unbeschadet empirischer Abgrenzungsschwierigkeiten)
die Frage der Steuerungsfähigkeit erst zu prüfen, wenn Einsichtsfähigkeit
festgestellt wurde, dh die Anwendung des § 20 StGB darf grundsätzlich
nicht auf beide Alternativen zugleich gestützt werden (BGH 21 27;
NStZ 82 201; v 4. 2. 99 [4 StR 16/99] und v 16. 3. 99 [3 StR 64/99] – jeweils
betr § 21 StGB – NStZ 99 495 bei Detter; VRS 71 21; bei Holtz MDR
87 93; NStZ 91 529; offen gelassen in BGH NStZ 95 226; zu ausnahmsweise
alternativer bzw gleichzeitiger Bejahung BGH NStZ-RR 98 294 mNachw bzw
06 168; s zu teilweise abw Praxis Verrel MKrim 94 281).
1719(c) Die Einsichts-
und die Steuerungsfähigkeit müssen sich auf eine konkrete Tat
beziehen. Daher ist die Feststellung einer einschlägigen
psychischen Krankheit oder Störung nur relevant, wenn sie sich in
der Tat ausgewirkt hat (BGH NStZ 98 397). Die Einsichts- und die
Steuerungsfähigkeit können ggf für die eine Tat bejaht,
für eine andere verneint werden, sofern dies widerspruchsfrei ist
(vgl BGH v 10. 7. 08 [5 StR 253/08], hier vern); ebenso können sie
für verschiedene (subj) Tatbestandsmerkmale verschieden beurteilt
werden.[5]
1715(2) Stets ist die Frage
der Verlässlichkeit der (tatzeitbezogenen) Diagnose einer (oder mehrerer)
seelischer Krankheiten oder Störungen sowie der Zuordnung zu einem
(oder mehreren) der in § 20 StGB genannten Rechtsbegriffe von der
Frage nach den Auswirkungen auf die in §§ 20, 21 StGB bezeichneten
Fähigkeiten (vgl 1716 ff) zu trennen. Demgemäß ist die
generelle Annahme verfehlt, zB psychopathische oder neurotische Verhaltensstörungen
wiesen eine geringere Intensität auf als psychotische (vgl näher
1796).[9] Auch ist weder theoretisch noch in der Praxis die Auffassung
belegbar, psychotische Störungen erfüllten von vornherein mit
großer Wahrscheinlichkeit,[10] psychopathische oder neurotische Störungen
jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen die Voraussetzungen der §§
20, 21 StGB[11].
[Interne Quelle: D:/Eigdat/Ebooks/EinzelKap/PsyPath/Begutachtung/SuF_DF/Eisenberg.doc]
Feststellungen zu "Daher ist die Feststellung einer
einschlägigen psychischen Krankheit oder Störung nur relevant,
wenn sie sich in der Tat ausgewirkt hat" sind nur möglich,
wenn hinreichende Daten zu Befinden und Befassen zum Zeitraum der Tat vorliegen.
Das geht im Allgemeinen nur, wenn sich die ProbandIn dazu ausreichend äußert.
Nur in ganz seltenen Ausnahmen
können hier andere Informationsquellen helfen. Ohne ausreichende Informationen,
wo immer sie auch herrühren mögen, geht es aber nicht. |
_
Gutachtengrundlage
bei Betreuungsfragen FamFG
§ 280 Einholung eines Gutachtens Schmidt-Recla Münchener
Kommentar zum FamFG 2. Auflage 2013, Rn 5-25, (fett-kursiv RS)
"6. Gutachtengrundlage
Randnummer 17 Abs. 2 der Vorschrift regelt hinreichend detailliert,
welches Verfahren der Gutachter mindestens anzuwenden hat, um eine sachverständige
Äußerung abgeben zu können. Er muss die betroffene
Person vor der Erstattung des Gutachtens persönlich untersuchen oder
persönlich befragen. Damit ist einmal dem Delegationsunwesen
(Rn. 14) wenigstens etwas gesteuert. Andererseits ist damit gesetzlich
geklärt, dass keine Begutachtung nach Aktenlage stattfinden
darf. FN43 Es muss also ein regelrechter und direkter persönlicher
Untersuchungskontakt zwischen betroffener Person und Sachverständigem
stattfinden, für dessen Ablauf die anerkannten Regeln der medizinischen
Wissenschaft gelten. Diesen Anforderungen wird nach einer Entscheidung
des OLG Köln nicht genügt, wenn der Gutachter lediglich den Eindruck
wiedergibt, den er aus einem Gespräch mit der betroffenen Person aus
einem anderen Anlass (hier einem Besuch der betroffenen Person im Gesundheitsamt,
welcher der Einholung von Rat in einer anderen Angelegenheit diente) gewonnen
hat. FN44 Hier fand nämlich gerade keine auf das Beweisthema zugeschnittene
Exploration der betroffenen Person statt. Auch eine „Kurzexploration am
Fenster“ genügt nicht. N45 Auch die telefonische Befragung oder Email-,
Blog-, Facebook- oder Chatroom-Kontakt zwischen betroffener Person und
Arzt erfüllen nicht die Anforderungen von Abs. 2. Außerdem muss
die Untersuchung geeignet sein, die Fragen des Beweisthemas mit den erhobenen
Befunden beantworten zu können und auf die jeweilige Krankheit und
die vom Betreuungsgericht beabsichtigte Maßnahme bezogen sein. Problematisch
sind diejenigen Fälle, in denen die betroffene Person jegliches Gespräch
mit dem Sachverständigen verweigert und Untersuchungstermine nicht
wahrnimmt. Dann kann es genügen, wenn der Sachverständige die
betroffene Person etwa während der richterlichen Anhörung längere
Zeit beobachtet und sich ansonsten auf bereits angefertigte Vorgutachten,
den Akteninhalt und auf die Angaben des Betreuers stützt. FN46."
BGH
Anforderungen an ein Sachverständigengutachten FGPrax 2011, 156
"Randnummer 11 b) Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass
das Gutachten den formalen Anforderungen des § FAMFG § 280 FAMFG
§ 280 Absatz III FamFG nicht genügt.
Randnummer 12 (1) Nach dieser Vorschrift hat sich
das Gutachten auf das Krankheitsbild einschließlich der Krankheitsentwicklung
(Nr. 1), die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde
gelegten Forschungserkenntnisse (Nr. 2), den körperlichen und psychiatrischen
Zustand des Betr. (Nr. 3), den Umfang des Aufgabenkreises (Nr. 4) und die
voraussichtliche Dauer der Maßnahme (Nr. 5) zu erstrecken. Diese
Anforderungen an den Inhalt des Sachverständigengutachtens sollen
gewährleisten, dass das Gericht seiner Pflicht, das Gutachten auf
seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit
hin zu überprüfen, nachkommen kann (BayObLG, 2001, FAMRZ Jahr
2001 Seite 1403/FAMRZ Jahr 2001 Seite 1404; MünchKommZPO/ [>157] Schmidt-Recla,
3. Aufl., § 280 FamFG Rn. 18). Das Gutachten muss daher Art und Ausmaß
der Erkrankung im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der durchgeführten
Untersuchungen und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich
begründen (Senat, FamRZ 2010, FAMRZ Jahr 2010 Seite 1726 Rn. FAMRZ
Seite 1726 Randnummer 21 mwN). Nur dann ist das Gericht in der Lage, das
Gutachten zu überprüfen und sich eine eigene Meinung von der
Richtigkeit der vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen
zu bilden (BayObLG, 2001, FAMRZ Jahr 2001 Seite 1403/ FAMRZ Jahr 2001 Seite
1404)."
Auch die beiden Beispiele aus dem Bereich Betreuung, lassen
mühelos erkennen, dass eine wissenschaftliche Begutachtung auf nachvollziehbaren
Daten beruhen muss. Sonst kann das Gericht seiner Leitungs- und Kontrollaufgabe
überhaupt nicht nachkommen. |
AbsF06r im Recht Begutachtung
gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkungsbereitschaft: die Verobjektung
des Menschen
> fachliche (AbsF06f) Beurteilung und Beispiele
in Gutachten (AbsF06b).
Zusammenfassung: der absolute Fehler Begutachtung
Unzureichende Aufklärung im Recht
Nach meiner Auffassung gehört zur Menschenwürde, dass man
nicht gegen seinen freien Willen und ohne Mitwirkungsbereitschaft zum bloßen
Objekt einer Begutachtung gemacht werden kann. Eine solche Verobjektung
des Menschen widerspricht nicht nur den Menschenrechten, Artikel 1 GG und
der (Berufs-) Ethik, sondern auch dem Sacherfolg. Eine - zumindest im Grundsatz
- partnerschaftliche, subjektwissenschaftliche Orientierung ist nämlich
auch für die Informationsgewinnung in den meisten Fällen am ergiebigsten.
Hierzu ist aber ein Vertrauensverhältnis
(ein Fremdwort in der forensischen Psychiatrie) notwendig, das im Regelfall
von der forensischen Psychiatrie weder hergestellt noch in ihren Standardwerken
thematisiert und problematisiert wird.
Kein Mensch muss an einer forensisch-psychiatrischen Untersuchung
mitwirken, jeder hat das Recht eine solche Untersuchung zu verweigern.
Dem widersprach lange Zeit die Einweisungspraxis nach § 81 StPO, selbst
als das BVerfG am 9. Oktober 2001 ein für alle bindendes Machtwort
gesprochen hatte. Allerdings hielt man sich nicht daran, insbesondere die
forensische Psychiatrie hat diesen Beschluss souverän
ignoriert und ihn in ihren Fachveröffentlichungen und Standardwerken
verschwiegen - obwohl natürlich völlig offensichtlich ist, dass
fast jede forensisch-psychologische Untersuchung auf die Mitwirkungsbereitschaft
der ProbandIn angewiesen ist (> theoretische
Ausnahmen). Offenbar will man "gut"achten, egal was das Recht, der
gesunde Menschenverstand oder gar die ProbandInnen wollen. Damit zeigt
die forensische Psychiatrie überdeutlich, wes Geistes Kind sie wirklich
ist. Das war aber nur möglich, weil es von den RichterInnen nicht
nur gedeckt oder gebilligt sondern oft wohl auch so gewünscht wurde.
Das heißt in der Konsequenz und im Klartext: der Rechtsstaat funktioniert
hier überhaupt nicht.
|
BVerfG 9. Oktober
2001 2
BvR 1523/01
"Rn 20
Eine Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
zur Beobachtung kann danach nicht erfolgen, wenn der Beschuldigte sich
weigert, sie zuzulassen bzw. bei ihr mitzuwirken, soweit die Untersuchung
nach ihrer Art die freiwillige Mitwirkung des Beschuldigten voraussetzt
(vgl. BGH, StV 1994, S. 231 f.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn
eine Exploration erforderlich wäre, diese aber vom Beschuldigten verweigert
wird und ein Erkenntnisgewinn deshalb nur bei Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden
(§ 136 a StPO) oder einer sonstigen Einflussnahme auf die Aussagefreiheit
des Beschuldigten zu erwarten ist (vgl. OLG Celle, StV 1985, S. 224; StV
1991, S. 248)."
_
In: Burhoff (2012) Handbuch
für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Auflage, abrufbar
in Jurion, werden Unzulässigkeitsgründe für die Einweisung
zur Beobachtung nach § 81 StPO übersichtlich dargestellt. Ein
Unzulässigkeitsgrund liegt im Allgemeinen vor
"wenn der Beschuldigte sich weigert, die Beobachtung
zuzulassen bzw. bei ihr mitzuwirken, und die Untersuchung die freiwillige
Mitwirkung des Beschuldigten voraussetzt (BVerfG NJW 2002, 283 [BVerfG
09.10.2001 - 2 BvR 1523/01]; BGH NStZ 1994, 95; OLG Düsseldorf StV
2005, 490; OLG Oldenburg StV 2008, 128; OLG Stuttgart StV 2004, 582; LG
Hagen StraFo 2008, 157 [LG Hagen 11.02.2008 - 44 Qs 25/07]), also z.B.,
wenn eine Exploration erforderlich ist (OLG Celle StV 1985, 224; 1991,
248; ähnlich OLG Oldenburg, a.a.O.)."
Mittlerweile habe ich in beck-online einen Kammergerichtsbeschluss
vom 30.10.2012 gefunden, der den BVerfG Beschluss aus 2001 ernst nimmt
und anwendet:
KG, Beschluss vom 30.10.2012
-
4 Ws 117/12 - 141 AR 555/12, Normenkette: StPO § 81: Zur Anhörung
des Sachverständigen und Verhältnismäßigkeit einer
Unterbringung bei endgültiger Weigerung des Beschuldigten zur Mitwirkung
an einer erforderlichen Exploration. Leitsätze:
1. Die vor Anordnung einer Maßnahme nach § STPO § 81
Abs. STPO § 81 Absatz 1 StPO erforderliche Anhörung eines Sachverständigen
erfüllt die Anforderungen nur dann, wenn der Sachverständige
grundsätzlich nach persönlicher Untersuchung des Beschuldigten
ein schriftliches Gutachten erstattet, in dem er zur Unerlässlichkeit
der stationären Einweisung und deren voraussichtlicher Dauer Stellung
nimmt sowie das konkrete Untersuchungskonzept wie auch dessen Geeignetheit
zur Erlangung von Erkenntnissen über die im Raum stehende psychiatrische
Erkrankung darlegt. (amtlicher Leitsatz)
2. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist von
einer Unterbringung nach § STPO § 81 StPO abzusehen, wenn von
ihr im Hinblick auf die Weigerung des Beschuldigten zur erforderlichen
Mitwirkung brauchbare Ergebnisse nicht zu erwarten sind, was insbesondere
dann gegeben ist, wenn eine Exploration erforderlich wäre, diese aber
vom Betroffenen endgültig verweigert wird. Die bloße Möglichkeit,
aus der (längeren) Beobachtung des Beschuldigten im Rahmen des Klinikaufenthalts
Rückschlüsse auf dessen psychischen Zustand und Persönlichkeit
zu ziehen, reicht nicht aus. (amtlicher Leitsatz)
Böllinger, Lorenz &
Pollähne, Helmut (2010) StGB § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus. Kommentar Strafgesetzbuch, hrsg. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen,
3. Auflage 2010, Rn 120-127. [beck-online, UB-Campus]
Randnummer 125 Verweigert der Angeklagte die Begutachtung, darf
der Tatrichter sich nicht mit den Befunden eines Sachverständigen
aus der Beobachtung der Hauptverhandlung begnügen (BGH StV 1997, 468).
2. Teil
Die absoluten
Fehler in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
(AbsFf)
AbsF01f Fachmeinungen Mangelnde
Sachkunde (Fachkunde)
> rechtliche (AbsF01r) und Beispiele in Gutachten
(AbsF01b).
Zusammenfassung: absolute Fehler in den forensisch-psychopathologischen
Fachveröffentlichungen
Im fünfbändigen Handbuch der forensischen Psychiatrie spielt
in den ersten zwei Bänden zum Strafrecht, im 3. Band zur Kriminologie
und im 4. Band zur Prognostik das Thema Fach- und Sachkunde keine Rolle.
Dort wo die Fachkunde im 2. Bd. S. 692 erwähnt wird, betrifft
es die Schweiz. Informativ ausgeführt wird das Thema aber in Bd. 5,
Privatrecht und Öffentliches Recht.
Im Sachregister Venzlaff
& Foerster (2004, Hrsg.) findet sich weder ein Eintrag zu "Fachkunde"
noch zu "Sachkunde", wenn auch das Thema im Abschnitt "Stellung des psychiatrischen
Sachverständigen" anklingt ("nach bestem Wissen und Gewissen").
Auch bei Nedopil (1996) findet sich im Sachregister
kein Eintrag zu "Fachkunde", aber einer unter "Sachkenntnis, eigene", S.
12f, der allerdings das Gericht und nicht den Sachverständigen betrifft.
Positiv gedeutet halten die Autoren der Standardwerke Sach- und Fachkunde
für so selbstverständlich, dass sie sie gar nicht erwähnen
oder für erwähnenswert halten. Für den allgemeinen Aspekt
des absoluten Fehlers mag man das so hinnehmen, aber nicht für den
speziellen, wie oben schon dargelegt:
Man kann im Allgemeinen fachkundig sein und trotzdem
im Einzelfall wenig beitragen können, weil es z.B. an notwendigen
Informationen und Daten fehlt. Wer ohne ausreichende Datenbasis gutachtet,
begibt sich in eine selbstwidersprüchliche und paranormale Position:
er behauptet durch die Gutachtenerstattung zu wissen, obwohl er ja ohne
ausreichende Datenbasis gar nichts wissen kann. Implizit behauptet so ein
"Gut"achter daher, dass er über okkulte Erkenntnisquellen oder -methoden
verfügt. Dieses Problem konnte ich nach über 600 Stunden Analyse
inzwischen durch die Konzeption des Meinungsachtens
klären. Das hat aber mit aber echter Sach- und Fachkunde nichts zu
tun, sondern muss selbst als ernsthafte geistige
Verirrung angesehen werden.
|
_
Zunächst wurden die Sachregister einiger Standardwerke der Forensischen
Psychiatrie auf Einträge nach "Fachkunde" oder "Sachkunde" eingesehen.
Sach- und Fachkunde
im 5-bändigen Handbuch der Forensischen Psychiatrie
Im 5bändigen Handbuch der Forensischen Psychiatrie erbrachte
das folgendes Ergebnis (Auswertung 30.12.13):
-
Im Bd. 1 wird weder "Fachkunde" noch "Sachkunde" erwähnt.
-
Im Bd. 2 wird Fachkunde einmal 692 erwähnt, Sachkunde gar nicht.
-
Im Bd. 3 wird weder "Fachkunde" noch "Sachkunde" erwähnt.
-
Im Bd. 4 wird weder "Fachkunde" noch "Sachkunde" erwähnt.
-
Im Bd. 5 wird "Fachkunde" einmal 42 unter "Sachkunde" erwähnt
Im einzelnen:
Fach- und Sachkunde
Belege HBFP
Zu den Belegstellen
und ihren Inhalten
Bd. 2, S. 692 (es
geht um die Schweiz)
"Im Prinzip sind wie auch in den Nachbarländern Ermittlungsbehörden
und Gerichte frei bei der Auswahl der Gutachter, gemäß ständiger
Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichtes haben die Richter jedoch
die Fachkunde der Gutachter zu prüfen; in der Regel sollen auch nur
Fachärzte herangezogen werden. In einigen Kantonen (z. B. Zürich,
Luzern) gibt es zusätzliche einschränkende Verordnungen. Privatgutachten
haben gemäß Bundesgericht nur den Wert von „Parteibehauptungen“,
insbesondere Gutachten von behandelnden Therapeuten werden in der Regel
nicht anerkannt."
Bd. 5, S. 42
"Prüfung der Kompetenz
Der Sachverständige hat gemäß § 407 a Abs. 1 ZPO
unverzüglich nach Eingang seines Auftrages zu prüfen, ob er für
dessen Erledigung die erforderliche Fachkunde und eigene Erfahrung besitzt.
Auch das Alter beziehungsweise der Umstand, wie lange ein Gutachter nicht
mehr praktisch tätig war, können insoweit eine Rolle spielen.
Dabei kann nicht automatisch der schon längere Zeit im Ruhestand lebende
Gutachter als ungeeignet angesehen werden. Handelt es sich z. B. um die
Frage, wie eine standardmäßige ärztliche Behandlung vor
15 Jahren aussah, kann er geeigneter sein als ein jüngerer aktiver
Kollege.
In allen Verfahren trifft den Gutachter die Pflicht,
auf seine fehlende Sachkunde hinzuweisen. Es schadet seinem Ansehen nicht
im Geringsten, wenn er mitteilt, dass die Begutachtung ein Spezialwissen
voraussetzt, das nicht zu seinem Fachgebiet gehört (BT-Drs. 11/3621,
S. 40). Andererseits verliert der Gutachter seine Glaubwürdigkeit,
wenn er mangelnde Kompetenz zu verbergen sucht (Ulrich 2007, S. 195 f.).
Hält der Gutachter sich nicht für kompetent,
darf er keinesfalls von sich aus den Auftrag ganz oder teilweise auf andere
übertragen, also auch keine Zusatzgutachten eines anderen Faches einholen.
Er hat vielmehr unverzüglich das Gericht zu verständigen und
es diesem zu überlassen, einen anderen oder weiteren Gutachter zu
bestellen (§ 407 a Abs.1 und 2 S. 1 ZPO). Dabei wird vom Gutachter
nicht verlangt, dass er das andere Fachgebiet bezeichnet und dafür
geeignete Sachverständige benennt. Ein solcher Hinweis kann aber eine
wertvolle Anregung für das Gericht sein und zur Förderung und
Beschleunigung des Verfahrens beitragen (Ulrich 2007, S. 195 f.; KG ArztR
2006, 102). Andererseits hat auch der Richter zu überprüfen,
ob der Gutachter nicht die Grenzen seiner Fachkompetenz überschreitet
(Schlund 2002, S. 1056)."
_
Sach-
und Fachkunde bei Venzlaff & Foerster
Im Sachregister Foerster (2004, Hrsg.) findet
sich weder ein Eintrag zu "Fachkunde" noch zu "Sachkunde". Aber im Abschnitt
Stellung
des psychiatrischen Sachverständigen klingt die Thematik beim
Stichwort "nach bestem Wissen ..." an:
"1.4 Stellung des psychiatrischen Sachverständigen
Es gibt keine gesetzliche Definition des Sachverständigen. Jeder
approbierte Arzt kann zum Sachverständigen bestellt werden. Sicher
herrscht Einigkeit darüber, dass unter einem Sachverständigen
derjenige zu verstehen ist, der sein Fachgebiet infolge seiner eigenen
Kenntnisse, die er durch Ausbildung und Erfahrung erworben hat, beurteilen
kann und der somit befähigt ist, aufgrund dieser Fachkunde zu urteilen.
Die Rolle des Sachverständigen gegenüber dem Auftraggeber wird
am treffendsten als Berater benannt (Venzlaff 2000). Gerade dieser Punkt
mag ein Aspekt sein, warum diese Rolle manchem Arzt nicht behagt, da er
vermeintlich nicht mehr sein „eigener Herr" ist, sondern im Auftrag einer
Institution tätig wird (Foerster 1992).
Bei seiner Tätigkeit steht der psychiatrische Sachverständige
stets in einem mehrfach determinierten Verantwortungsverhältnis (Foerster
2003), er trägt Verantwortung:
-
gegenüber dem von ihm untersuchten Probanden, der häufig nicht
nur Proband, sondern auch Patient ist,
-
für seine eigene fachliche Position als Vertreter seiner Wissenschaft,
-
gegenüber dem Auftraggeber und damit letztlich gegenüber der
Gesellschaft aller Bürger.
Unmittelbar auf diese Verantwortung heben die Vorschriften über
den Sachverständigen-Eid gemäß § 79 StPO bzw. §410
ZPO ab. Hiernach ist der Sachverständige verpflichtet, sein Gutachten
unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten. Damit sind
die Voraussetzungen, auch die ethischen für die Tätigkeit von
Sachverständigen formuliert (Foerster 2003): " ... [ich übergehe
hier
die Unparteilichkeit, die ein eigener
absoluter Fehlerpunkt ist] ...
"Die Forderung nach bestem Wissen bedeutet, dass der psychiatrische
Sachverständige in seinem Fach eine exzellente Kompetenz haben muss.
Darüber hinaus benötigt er jedoch auch Grundkenntnisse der Rechtsgebiete,
in denen er tätig wird. In diesem Zusammenhang muss er zumindest die
[>11] juristischen Begriffe kennen und darüber hinaus wissen, welche
konkreten Folgen der rechtlichen Gegebenheiten durch seine Äußerungen
zu erwarten sind. Der psychiatrische Sachverständige muss sich auf
dem jeweiligen aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand befinden und
sich an die methodischen Standards der Begutachtung halten. Mit der dritten
Forderung des Sachverständigen-Eides nach bestem Gewissen wird die
persönliche Integrität und Vertrauenswürdigkeit des Sachverständigen
angemahnt. Diese Vertrauenswürdigkeit des Sachverständigen gehört
zum Fundament der Wahrheitsfindung und damit zum Fundament der Rechtssicherheit
in unserer Gesellschaft. Der vertrauenswürdige Sachverständige
ist nicht der vermeintlich in allen Fragen völlig objektive Sachverständige,
sondern es ist der Sachverständige, der weiß, dass er selbst
als Person bei der psychiatrischen Begutachtung auch ein Untersuchungsinstrument
ist und der diese Tatsache reflektiert. Es ist vom psychiatrischen Sachverständigen
zu verlangen, dass er den ethischen Rahmen seiner Tätigkeit bedenkt.
Dieser lässt sich auf der Grundlage eines Vorschlages der American
Academy of Psychiatry and the Law in 5 Punkte zusammenfassen (Foerster
2002b, 2003):
-
Der psychiatrische Sachverständige muss qualifiziert sein, wobei dies
sowohl für seine fachliche wie für seine persönliche Kompetenz
und Qualifikation gilt.
-
Der psychiatrische Sachverständige muss vertrauenswürdig sein.
Dies bedeutet, dass er seine eigene Position, seine Aufgaben und die Grenzen
seiner Aufgaben stets berücksichtigt. Er darf keinen Gutachtenauftrag
übernehmen, für den er fachlich nicht kompetent ist.
-
Der psychiatrische Sachverständige muss den Probanden über seine
Aufgaben und über seine Stellung informieren. Hierzu gehören
folgende Punkte (Nedopil 1999b): Die Rolle des Gutachters, den Verfahrensgang
der Begutachtung, die möglichen Konsequenzen der Begutachtung, das
Fehlen von Schweigepflicht des Gutachters gegenüber den Auftraggebern,
wobei die Schweigepflicht gegenüber Dritten, z.B. Angehörigen
oder Medien natürlich gegeben ist, das Verweigerungsrecht des Probanden
bei der Begutachtung, die Grenzen gutachtlicher Kompetenz. Es muss dem
Probanden aufgrund der Aufklärung ausdrücklich klar sein, welchem
Zweck die Begutachtung dient.
-
Der psychiatrische Sachverständige darf von wenigen, methodisch bedingten
Ausnahmen abgesehen (beispielsweise verstorbene Probanden) sein Gutachten
nur aufgrund einer persönlichen Untersuchung erstatten.
-
Innerhalb des vorgegebenen rechtlichen Rahmens muss der psychiatrische
Sachverständige Vertraulichkeit wahren. Das bedeutet, dass keine grundsätzliche
Offenbarungspflicht bezüglich aller bekannt gewordener Informationen
aus der Privat- und Intimsphäre besteht (Wuermeling 1990)."
_
Sach- und Fachkunde
bei Nedopil
In Nedopil (1996, Hrsg.) findet sich im Sachregister kein Eintrag zu
"Fachkunde", aber einer unter "Sachkenntnis, eigene", S. 12f, der allerdings
das Gericht und nicht den Sachverständigen betrifft (fett-kursiv RS):
"Der Gutachter hat nur solche Fragen zu beantworten, zu deren Beantwortung
er aufgrund seiner fachlichen Kompetenz besonders befähigt ist. Fragen,
die auch er nur nach dem allgemeinen Menschenverstand und Einfühlungsvermögen
beantworten könnte, sollte er an das Gericht zurückgeben.
Keinesfalls darf er seine Meinung zu juristischen Problemen in der Verhandlung
kundtun. Zu Fragen der Schuld, der Absicht, des Betrugs, der Rechtmäßigkeit
eines Geschäfts usw. kann und darf er nicht Stellung nehmen. Selbst
die Begriffe wie Schuldfähigkeit, Geschäftsfähigkeit, Verhandlungs-
oder Prozeßfähigkeit sind juristische Termini, deren Feststellung
nicht
zu den eigentlichen Aufgaben des psychiatrischen Sachverständigen
gehört. Er hat hingegen die psychopathologischen Funktionseinschränkungen
zu benennen, aufgrund derer das Gericht die juristischen Schlußfolgerungen
ziehen kann. Es gibt jedoch einen Übergangsbereich, der je nach Gepflogenheit
des Gerichtes und nach dem Selbstverständnis des Gutachters breiter
oder enger sein kann. So werden z.B. in einem Gericht Fragen nach Einsichts-
und Steuerungsfähigkeit sehr intensiv gestellt und unter Umständen
wird auch gefragt, ob der Täter aufgrund seiner Verfassung die Arg-
und Wehrlosigkeit seines Opfers hat erkennen können; einem anderen
Gericht erscheint eine sachverständige Stellungnahme zu einer solchen
Frage unerwünscht, da es sich um richterliche Entscheidungen handelt.
Ob ein Gutachter hinzugezogen wird, liegt weitgehend im Ermessen des Gerichtes.
Das Gericht verletzt jedoch seine Aufklärungspflicht, wenn es bei
Fragen, die aus eigener Sachkenntnis nicht zu beantworten
sind, auf einen Gutachter verzichtet (Schreiber 1994a). Für einige
Fragen ist die Anhörung eines Gutachters auch gesetzlich vorgeschrieben.
Alle Entscheidungen eines Richters zur Unterbringung in einer psychiatrischen
Klinik oder in einer Entziehungsanstalt bedürfen einer vorherigen
Beratung durch einen Sachverständigen (§246a StPO, §81 StPO,
§68 b FGG). ..." [Anmerkung: die weiteren Ausführungen finden
sich beim absoluten Fehler der Befangenheit]
AbsF02f Fachmeinungen Falsches
Verständnis von der eigenen Aufgabe und Rolle
> rechtliche (AbsF02r) und Beispiele in Gutachten
(AbsF02b).
Zusammenfassung: der absolute Fehler Falsches Verständnis
von der eigenen Rolle in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
Der Gutachter ist nicht Ermittler, nicht Staatsanwalt, nicht Anwalt,
nicht Opfer oder Täter und nicht Richter. Seine Aufgabe ist, soweit
dies möglich ist, unvoreingenommen und sachkundig die Beweisfragen
zu beantworten und Probleme darzulegen. Dieser Fehler wird vielfach
gesehen und auf ihn hingewiesen. Kurz und bündig wird er von Venzlaff
& Foerster (2004) beschrieben:
|
Venzlaff & Foerster (2004)
(S.
11) "Mögliche Rollenkonflikte
"Der psychiatrische Sachverständige kann in mehrfache Rollenkonflikte
geraten. Eine Überidentifikation mit dem Probanden kann die Gefahr
mit sich bringen, dass sich der Gutachter in einer falsch verstandenen
Helfer- und Therapeutenrolle sieht. Möglicherweise führt dies
dazu, dass er leichtfertig und unbegründet eine De- oder Exkulpierung
vorschlägt, das Vorliegen von Schadensersatzansprüchen oder die
Voraussetzungen einer Rentengewährung bejaht. Der Sachverständige
ist auch kein zusätzlicher Verteidiger, der den Probanden im Strafprozess
„herauspaukt", wie ein gängiges Vorurteil immer noch lautet. Bei einer
Identifikation mit dem Ankläger bzw. einer negativen Gegenübertragung
zum Probanden besteht die Gefahr, dass sich der Sachverständige in
einer kriminalpolitischen Retterrolle sieht und sich zur Wiederherstellung
von Recht und Ordnung berufen fühlt oder der Meinung ist, er müsse
unberechtigte Ansprüche von „Simulanten" zurückweisen.
Gefährlich ist es, wenn der Sachverständige glaubt, den Ausgang
eines Verfahrens für oder gegen den Angeklagten bzw. eines Zivilrechtsstreites
bestimmen zu müssen.
Auch der Kontakt zum Probanden mag ambivalent sein (Nedopil 2000):
Um seine Aufgaben einer fundierten Exploration erfüllen zu können,
ist eine Beziehung zum Probanden unabdingbar, er muss diesbezüglich
empathisch sein. Andererseits benötigt er Distanz, muss sich vom Probanden
abgrenzen können und unter Umständen auch ein gewisses Misstrauen
haben. Dennoch darf dies nicht dazu führen, dass er zum kaltschnäuzigen
Zyniker wird.
Schließlich muss der Sachverständige in der Lage sein, ganz
unterschiedliche Reaktionen von außen auf sein Handeln ertragen zu
können. Er muss auch fähig sein, Frustrationen ertragen zu können
und er muss zu emotionaler und intellektueller Anstrengung in der Lage
sein (Foerster 2002b, 2003)."
AbsF03f Fachmeinungen
Unzureichende Aufklärung
> rechtliche (AbsF03r) und Beispiele in Gutachten
(AbsF03b).
Zusammenfassung: der absolute Fehler Unzureichende
Aufklärung in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
Die Aufklärungspflicht wird in den Standardwerken der Forensischen
Psychiatrie zwar angesprochen, aber sehr verkürzt und auf zwei Kernaspekte
- Freiwilligkeit und Nicht gelten der Schweigepflicht bei Mitwirkung -
reduziert. Der Aspekt potentielle Vor- und Nachteile einer Mitwirkung und
der Folgen je nach Ergebnis wird offensichtlich nicht für erörterungswürdig
erachtet. So wenig, wie eine schriftliche Dokumentation mit Gegenzeichnung
der Aufklärung und Sicherstellung des Verständnisses, was im
Einzelfall sehr schwierig sein kann.
|
Das Thema Aufklärungspflicht in den Sachregistern des Handbuch
der Forensischen Psychiatrie
-
HBFP1: SR Band 1 Strafrechtliche Grundlagen der Forensischen Psychiatrie
Aufklärungspflicht - gerichtliche 382, 398, 406, 409, 524, 528
Aufklärung (Probanden) auch noch an folgenden Stellen: 6f,
8, 9,
-
HBFP2: SR Band 2 Psychopathologische Grundlagen und Praxis der Forensischen
Psychiatrie im Strafrecht
Aufklärung, Begutachtung 166
-
HBFP3: SR Band 3 Psychiatrische Kriminalprognose und Kriminaltherapie
Kein Sachregistereintrag
-
HBFP4: SR Band 4 Kriminologie und Forensische Psychiatrie
Kein Sachregistereintrag
-
HBFP5: SR Band 5 Forensische Psychiatrie im Privatrecht und Öffentlichen
Recht
Aufklärungspflicht, ärztliche 11, 12, 14, 33,
89, 92 f, 95 f
Aufklärung nach
Henning Saß
"Insofern muss der Gutachter in seinem Selbstverständnis
nicht nur die Gefahr einer Überschneidung mit richterlichen oder anderen
Rollenfunktionen im Verfahren reflektieren, sondern vor allem vor sich
und den Probanden mit größtmöglicher Klarheit den Unterschied
zwischen den Rollen als Arzt/Therapeut und als Sachverständiger deutlich
machen. Erfahrungsgemäß reicht es daher nicht aus, derartige
Klarstellungen in einer Belehrung zu Beginn des Kontaktes mit dem Probanden
vorzunehmen, da aufgrund des gesellschaftlich verankerten Rollenbildes
zumindest im Empfinden des Probanden immer wieder ein Abgleiten in Richtung
therapeuti-[>427]scher Situation mit konsekutiver Hilfserwartung naheliegt.
Von daher muss der Untersucher in seiner Haltung und in seinen Äußerungen
zwar Kontaktbereitschaft und Empathie vermitteln, aber auch dem Probanden
immer wieder die besondere, von der Alltagserwartung deutlich abweichende
Rolle klar machen, die mit Verfahren und Gutachtenauftrag verbunden ist.
Im Übrigen wird in der Literatur unterschiedlich
gesehen, ob und in welche Form eine Belehrung durch den Gutachter erforderlich
ist (vgl. Finke 1974; Ehlers 1989; Schreiber u. Rosenau 2004; Rössner
in diesem Band).
Zumindest erscheint es aber aus ärztlich-ethischer
Sicht unabdingbar, einer zu begutachtenden Person Sinn und Fragestellung
der Untersuchung zu erläutern und auf Schweigerechte des Betroffenen
sowie die eingeschränkte Schweigepflicht des Untersuchers hinzuweisen.
Schließlich ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass solche
Erkenntnisse des Untersuchers, die für die Erstattung des Gutachtens
nicht wesentlich sind, durchaus der Schweigepflicht unterliegen."
Quelle: Henning Saß 3.8 Grundlagen des Zusammenwirkens
von Juristen und psychiatrischen/psychologischen Sachverständigen
– Anmerkungen aus psychiatrischer/psychologischer Sicht. HBFP Bd. 1, S.
426f
Kröber zur
Unklarheit, Unsicherheit und Problematik der Begegnung
S. 6f: "Es gibt allerdings in der Medizin und
auch vor Gericht keine besondere Ethik, die sich von der anderer Berufe
unterscheidet. Ethik in der Medizin, der Psychiatrie, der Forensischen
Psychiatrie ist die Anwendung allgemein gültiger ethischer Regeln
in bestimmten sozialen Feldern (Fachgebieten) und auf bestimmte charakteristische
Problemstellungen (Helmchen u. Vollmann 1999). Auch bei der strafrechtlichen
Begutachtung oder bei der Forschung an Patienten, die strafrechtlich im
Maßregelvollzug untergebracht sind, behalten die zentralen medizinethischen
Begriffe ihre Bedeutung und Gültigkeit: Beachtung der Würde und
des Selbstbestimmungsrechts des Individuums, konkretisiert nicht zuletzt
in Ehrlichkeit, Verschwiegenheit, Hilfeleistung, Pflicht zur Erhaltung
von Leben und körperlicher Unversehrtheit. Auch im Bereich der Forensischen
Psychiatrie werden ärztliche Pflichten nicht aufgehoben, also für
das Wohlergehen von Kranken zu sorgen, Hilfe zu leisten, den Respekt vor
der Würde und Selbstbestimmung der Person zu wahren sowie Fairness,
Toleranz und Offenheit zu üben. Die World Psychiatric Association
schloss in der Deklaration von Madrid (1996) über die Pflichten der
Psychiater die forensischen Psychiater selbstverständlich mit ein
und wies auf einige Punkte hin, die bei der Begutachtung zu beachten sind,
insbesondere die Aufklärung des Probanden und den Umgang mit dem fehlenden
Schweigerecht des Arztes.
Gleichwohl liegt nahe, dass es in diesem Feld zu
Konflikten kommen kann. Der forensische Psychiater ist mit Menschen konfrontiert,
bei denen keineswegs von vornherein feststeht, ob sie Rechtsbrecher sind
oder nicht, ob und welche Strafe sie erwartet. Es steht nicht fest, dass
sie überhaupt psychisch [>7] oder somatisch krank sind. Sie haben
den Arztkontakt nicht angefordert und unterliegen (bei Begutachtungen im
strafrechtlichen Bereich) oft einem besonderen Gewaltverhältnis (Untersuchungshaft,
vorläufige Unterbringung in der Psychiatrie). Der Arzt ist im Rahmen
von gutachterlichen Aufgaben sehr viel häufiger als Diagnostiker denn
als Therapeut gefragt, und seine Expertise kann nachteilige Folgen für
den Untersuchten haben, zumindest nicht nur wohltätige Folgen. Dies
haben einzelne amerikanische Autoren zu dem Vorstoß genutzt, den
forensischen Psychiatern den „ethischen“ Status des Arzttums abzusprechen,
ihr Tun sei mit dem hippokratischen Eid nicht vereinbar (Stone 1984, 2002),
was weitere Diskussionen nach sich zog (Hermann 1990, Kopelman 1990, Nedopil
2002, Kröber 2004). Golding (1990) hat dazu aus rechtspsychologischer
Sicht Stellung genommen. ..."
Quelle: Kröber, H.-L. (2007) HBFP, Band 1 Strafrechtliche
Grundlagen der Forensischen Psychiatrie, S. 6f
AbsF04f Fachmeinungen Befangenheit,
Voreingenommenheit, Einseitigkeit
> rechtliche (AbsF04r) und Beispiele in Gutachten
(AbsF04b).
Zusammenfassung: der absolute Fehler Befangenheit
in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
Befangenheit, Voreingenommenheit oder Einseitigkeit sind absolute Fehler,
die ein Gutachten völlig wertlos machen, weil der Sachverständige
seiner vornehmsten Pflicht zur Wahrheitssuche, Einnahme der wissenschaftlichen
Grundhaltung und Neutralität nicht nachkommt. Statt unvoreingenommen
den ganzen Sachverhaltskomplex vorbehaltlos zu prüfen und die möglichen
und realistischen Hypothesen einzubeziehen, insbesondere im Zwischenverfahren
bis zum rechtskräftigen Urteil (z.B. nach abgewiesener Revision beim
BGH), findet voreilig und ohne jede Not eine Identifizierung mit der Anklage
der Staatsanwaltschaft statt. Im Zivil- und öffentlichen Recht scheint
man das Befangenheitsthema ernster zu nehmen als im Strafrecht. Alle Sachregister
der 5 Bde. des Handbuch für Forensische Psychiatrie (2006-2011)
enthalten keinen Eintrag zu "Befangenheit", "Einseitigkeit", "Voreingenommenheit".
Tatsächlich aber gibt es im 5. Bd. Forensische Psychiatrie im Privatrecht
und Öffentlichen Recht einen Abschnitt "Prüfung der Unbefangenheit".
Venzlaff & Foerster enthalten keinen Eintrag zu "Befangenheit", aber
zu "Unparteilichkeit" und "Voreinstellungen, Voreingenommenheit und unbewusste
Erwartungen".
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Sachregistersichtung HBFP
Handbuch der Forensischen Psychiatrie Bd.1-5
_
HBFP Bd.
5, S. 43: "Prüfung der Unbefangenheit
Die Gerichte haben zu prüfen, ob der Sachverständige unbefangen
ist. Die Gerichte neigen dazu, die Anforderungen an die Befangenheit eher
sehr hoch zu veranschlagen und werden einen Gutachter demzufolge nur ausnahmsweise
für befangen halten.
Ebenso hat der Gutachter selbst stets gewissenhaft
zu prüfen, ob er beiden Prozessparteien gegenüber die gebotene
Unbefangenheit besitzt. Vorhandene Zweifel sind spontan dem Gericht mitzuteilen.
Aber auch dann, wenn sich der Gutachter selbst für unbefangen hält,
hieran aus der Sicht einer Partei aber Zweifel bestehen können, empfiehlt
sich mit der Auftragsbestätigung eine Mitteilung an das Gericht etwa
in folgender Form:
„Ich bin zur Übernahme des Auftrags bereit,
halte mich auch für unbefangen, mache aber vorsorglich darauf aufmerksam,
dass (z. B.)
-
der Kläger früher in meiner Behandlung war,
-
ich für den Beklagten mehrfach Privatgutachten erstattet habe,
-
ich mit dem Beklagten bei der gemeinsamen Herausgabe von Fachliteratur
zusammenarbeite,
-
im Studium/in der Weiterbildung zum Beklagten ein Lehrer-Schüler-Verhältnis
bestanden hat,
-
der Beklagte bei mir einen Fortbildungskurs besucht,
-
der Beklagte regelmäßiger „Zulieferer“ meiner Klinik ist,
-
ich mich mit dem Beklagten seit meiner Weiterbildung duze,
-
dass eine intime Feindschaft gegenüber dem Beklagten besteht,
-
ich selbst zurzeit in einen Haftpflichtprozess verstrickt bin.“
Nach dieser Anzeige kann der Gutachter abwarten, ob hierauf erfolgreich
ein Ablehnungsantrag gestützt wird, oder ob das Gericht ihm von Amts
wegen den Auftrag entzieht.
Ergibt sich der Ablehnungsgrund erst im Laufe des
Verfahrens aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens, muss der Partei
eine angemessene Zeit zur Überlegung und zur Einholung von rechtlichem
Rat zur Verfügung stehen (BGH ArztR 2006, 102).
Da der Gutachter als Gehilfe des Gerichts zur strengen
Objektivität und Sachlichkeit verpflichtet ist, muss er auch auf Kritik
an seinem Gutachten sachlich reagieren (OLG Zweibrücken NJW 1998,
912, 913). Verletzt ein Gutachter diese Pflicht, kann er wegen Besorgnis
der Befangenheit abgelehnt werden (OLG Oldenburg ArztR 2006, 78; aA OLG
Frankfurt/M. GesR 2006, 217).
Weigert sich der Gutachter im Arzthaftpflichtprozess
aus unsachlichen Gründen, die körperliche Untersuchung des zu
Begutachtenden in Anwesenheit einer Vertrauensperson des zu Untersuchenden
durchzuführen, begründet diese Weigerung seine Befangenheit (LSG
Rheinland-Pfalz NJW 2006, 1547, 1548)."
Venzlaff & Foerster
(2004)
Zur Unparteilichkeit (S. 10):
"Unmittelbar auf diese Verantwortung heben die Vorschriften über
den Sachverständigen-Eid gemäß § 79 StPO bzw. §410
ZPO ab. Hiernach ist der Sachverständige verpflichtet, sein Gutachten
unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten. Damit sind
die Voraussetzungen, auch die ethischen für die Tätigkeit von
Sachverständigen formuliert (Foerster 2003):
Unparteiisch bedeutet Unabhängigkeit gegenüber den vielfältigen,
häufig kontradiktorischen Erwartungshaltungen von Prozessbeteiligten.
Es bedeutet auch Unabhängigkeit und Widerstand gegenüber dem
Ansinnen, sich als psychiatrischer Sachverständiger funktionalisieren
zu lassen, d.h. gegenüber dem Versuch, nichtpsychiatrische Probleme
mit Hilfe des psychiatrischen Sachverständigen vermeintlich elegant
lösen zu wollen. Derartige Gefahren, hinter denen letztlich ein Abschieben
der Verantwortung durch den Auftraggeber steht, können sich vielfältig
ergeben. Als Beispiele genannt sei die Begutachtung von Asylbewerbern (s.
Kap. 32), bei der häufig versucht wird, ungelöste rechtliche
bzw. politische Probleme mit Hilfe der Psychiatrie zu lösen. Auch
bei der Begutachtung im Rahmen des Betreuungsrechtes können Situationen
entstehen, in denen versucht wird, den Psychiater zu funktionalisieren.
Zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zählt auch die Wahrung
der Kompetenzgrenzen. Dem psychiatrischen Sachverständigen ist es
in foro nicht möglich, allgemeine gesellschaftliche oder psychische
Fragen zu lösen. Nicht für jedes sozial dysfunktionale oder destruktive
Verhalten ist der psychiatrische Gutachter zuständig."
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Nedopil (1996) zur
Befangenheit
Im Sachregister, S. 296, ist Befangenheit mehrfach aufgeführt:
13, 15, 167, 195, 197.
Befangenheit
durch sich dem Auftraggeber verpflichtet fühlen
S. 13: "Ein beauftragter Sachverständiger ist zur persönlichen
Erstellung und Erstattung des Gutachtens verpflichtet. Dabei kann er jedoch
Hilfskräfte
in Anspruch nehmen, solange er sich von den Untersuchungsergebnissen selbst
überzeugt und das Gutachten selbst verantwortet (siehe E 1.2). Die
Auswahl
des Sachverständigen obliegt dem Gericht (§73 StPO). Oft
wird aber ein Gutachter schon im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft
beauftragt und anschließend vom Gericht gehört. Da die Aufklärungspflicht
der Staatsanwaltschaft die Beschaffung sowohl von be- wie entlastendem
Material vorschreibt, ist es durchaus gerechtfertigt, daß sie, wenn
nötig, bereits im Ermittlungsverfahren einen Sachverständigen
beauftragt, der neutral sein Gutachten erstatten soll. Ein solches Vorgehen
beschleunigt das Gerichtsverfahren, birgt aber die Gefahr, daß sich
manche Gutachter der Staatsanwaltschaft, die sie finanziell entschädigt,
verpflichtet fühlen (Jessnitzer 1988). Einen weiteren Gutachter
kann das Gericht beauftragen, wenn es von den Ausführungen des Erstgutachters
nicht überzeugt ist; die Verteidigung kann eine weitere Begutachtung
nur durchsetzen, wenn der zweite Gutachter im Vergleich zum Erstgutachter
über überlegene Forschungsmittel verfügt und es dadurch
naheliegt, daß ihm die Sachaufklärung besser gelingt (§244
IV 2 StPO).
Jeder Psychiater ist praktisch zur Erstattung eines
Gutachtens auf seinem Fachgebiet verpflichtet. Er kann diese Verpflichtung
jedoch ablehnen, wenn er sich befangen fühlt (§76 StPO); er kann
aber auch abgelehnt werden, wenn er in den Verdacht der Befangenheit gerät
(§74 StPO). Ein vernünftiger Grund, einen Gutachtenauftrag zurückzugeben,
kann sein, daß man das Gutachten nicht in einem vertretbaren zeitlichen
Rahmen erarbeiten kann. Dies ist dem Gericht mitzuteilen; das Gericht muß
dann entscheiden, ob es die zeitliche Verzögerung in Kauf nehmen oder
einen anderen Sachverständigen beauftragen will. Wird ein angenommener
Gutachtenauftrag nicht in einem angemessenen zeitlichen Rahmen erledigt,
so kann das Gericht Ordnungsgelder und die Übernahme der entstandenen
Kosten durch den Sachverständigen anordnen (§77 StPO)."
Befangenheit durch
Medienäußerungen
S. 15 weist auf die Gefahr hin, dass Äußerungen gegenüber
Medien während eines Verfahrens (bis zur Rechtskraft) den Verdacht
der Befangenheit begründen können.
Befangenheits-Falle
Kompetenzüberschreitung
S. 167f: "Dennoch bleibt die Beurteilung von
Affektdelikten oft unbefriedigend. Die Beurteilung eines nur bei der Tat
und ihrem Umfeld vorhandenen Affektes kann selbst dem Erfahrenen auch deswegen
große Schwierigkeiten bereiten, weil häufig der Täter als
einzige Informationsquelle zur Verfügung steht. Die psychopathologischen
Auffälligkeiten sind im Gegensatz zu anderen Störungen, bei denen
die Symptome wesentlich zeitstabiler sind, bei der Untersuchung nicht mehr
so leicht feststellbar.
Die oben genannten Probleme bei der Beurteilung,
insbesondere der große Ermessensspielraum bei der Abwägung der
Kriterien, die Widersprüchlichkeiten zwischen verschiedenen Informationsquellen
im Einzelfall und die unscharfe psychiatrische Zuordnung verleiten leicht
zu Überschreitungen der jeweiligen Kompetenz. Für die
Psychiater besteht die Gefahr darin, daß sie unreflektiert eine Beweiswürdigung
vornehmen. Solange sie sich auf die Berichte der Probanden und auf daraus
abgeleitete Beschreibungen denkbarer innerpsychischer Vorgänge beschränken
und dies dem Gericht deutlich machen, verlassen sie ihr Fachgebiet sicher
nicht. Man muß allerdings damit rechnen, mit Widersprüchen aus
Zeugenaussagen oder anderen Beweismitteln konfrontiert zu werden, was oft
die Bereitschaft erfordert, die Schlußfolgerungen, die aus den subjektiven
Darstellungen gezogen wurden, zu revidieren. Wurden die Angaben der Untersuchten
nicht für stichhaltig gehalten oder wurde von vornherein von anderen,
sich aus den Akten ergebenden Tatsachen ausgegangen, so wird bereits eine
Beweiswürdigung vorgenommen, die zum Vorwurf der Befangenheit führen
könnte.
Um diesem Problem auszuweichen, erscheint es sinnvoll,
alternative Beurteilungsmöglichkeiten bereits im schriftlichen Gutachten
zu reflektieren, sofern sich diese aufgrund der vorgefundenen Anknüpfungs-
und Befundtatsachen ergeben. Die Entscheidung, welche Voraussetzungen plausibler
erscheinen, bleibt dann der Beweiswürdigung des Gerichts überlassen.
Prinzipiell gibt es dabei drei Denkmöglichkeiten:
-
Wird von den subjektiven Angaben des Probanden ausgegangen, erhält
man am ehesten Einblick in dessen innerpsychische Vorgänge im Umfeld
der Tat - allerdings sind intentionale Verfälschungen oft nicht auszuschließen.
-
Ausgehend von den dazu widersprüchlichen Angaben von Zeugen kann sich
eine entgegengesetzte Beurteilung ergeben, deren Richtigkeit aber oft auch
nicht geprüft werden kann.
-
Geht man von den Umständen aus, wie sie rekonstruierbar sind, ohne
daß Täter- und Zeugenaussagen berücksichtigt werden, bleiben
[>168] wenige Merkmale übrig, deren quantitative Abgrenzungen eher
normativ gesetzt als empirisch begründet sind. Zu ihrer Einschätzung
bedarf es aber keiner besonderen psychopathologischen Fachkenntnis."
Befangenheitsfalle
Befragen von Angehörigen
S. 195: "Im Zivilverfahren kommt es
auf Zusatztatsachen nicht an. Hier gelten nur die von den Parteien vorgetragenen
Tatsachen. Informationen, die nicht zur unmittelbaren Beantwortung der
Gutachtenfrage gehören, dürfen in das Gutachten nicht einfließen.
Die Befragung von Familienangehörigen bei der Begutachtung könnte
den Verdacht der Befangenheit aufkommen lassen."
Befangenheitsfalle
Aktenkenntnis ?
S. 197: "Verschiedene Gutachter sind der Ansicht,
daß die Lektüre der Akten zu einer gewissen Befangenheit
führt und die für eine psychiatrische Exploration erforderliche
Empathie verhindern kann. Diese Überlegungen haben in gewissen Fällen
- z.B. bei grauenerregenden Delikten - ihre Berechtigung. Andererseits
erscheint eine gute Vorbereitung der Untersuchung ebenso wichtig, da ansonsten
gravierende Anknüpfungspunkte für die Exploration übersehen
werden können. Die Probanden gehen im allgemeinen davon aus, dass
der Psychiater den wesentlichen Akteninhalt kennt, wobei mangelndes Wissen
auch als fehlendes Interesse an ihrer Person interpretiert werden kann.
Einer allzu großen Voreingenommenheit wirkt entgegen, wenn man sich
beim Aktenstudium auf die für die Begutachtung des Probanden wesentlichen
Inhalte konzentriert und zwischen Aktenstudium und Untersuchung einen gewissen
Zeitraum vergehen läßt. Darüber hinaus sollte man beim
Studium der Akten eigene emotionale Reaktionen - ähnlich wie bei der
Untersuchung in Form von Gegenübertragungen - bewußt registrieren."
AbsF05f Fachmeinungen Mangelnde
Datenbasis
> rechtliche (AbsF05r) und Beispiele in Gutachten
(AbsF05b).
Zusammenfassung: der absolute Fehler mangelnde Datenbasis
in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
In den Fachveröffentlichungen wird das Problem mangelnder Datenbasis
selten ausdrücklich gesehen und kritisch erörtert. Bei mangelnden
Daten und Informationen Hierbei sind grundsätzlich zwei Fälle
zu unterscheiden: 1) Datenmangel: es liegen überhaupt
keine oder viel zu wenig Daten und Informationen vor. 2) Nichtverwertbarkeit:
Die vorliegenden Daten und Informationen sind aufgrund des Zustandes der
ProbandIn (überdosiert, fixiert; psychotisch, übererregt, delirant,
verwirrt, desorganisiert oder ähnliches) nicht verwertbar.
Gutachter sollten der Wissenschaft und nicht dem Okkultismus,
der Parapsychopathologie, dem Hellsehen oder dem bloßen Meinen verpflichtet
sein (>Meinungsachten). Grundsätzlich ist
ein Gutachten, das diesen Namen verdient, überhaupt nur dann erstellbar,
wenn eine hinreichende Daten- und Informationsbasis vorliegt, also zuverlässige
und informative Angaben zu Erleben und Verhalten in einem bestimmten Zeitraum.
Liegt eine solche Datenbasis nicht hinreichend sicher vor, kann kein Gutachten
erstellt, allenfalls eine nicht datenbegründete Mutmaßung oder
Meinung geäußert werden, was aber mit einem "wissenschaftlich
begründeten Gutachten" (zwei
Beispiele) nichts zu tun hat. Gegen diesen selbstverständlichen
Erfahrungssatz wird von der forensischen Psychiatrie ständig verstoßen,
obwohl ihn jeder normale Mensch mit gesundem Menschenverstand auf Anhieb
versteht: Worüber man nichts weiß, darüber kann man auch
nichts sagen und erst recht nicht gutachten. Sieht man sich den unglaublichen
Murks- und Pfusch der Schlechtachterindustrie an, so ergibt sich unmittelbar
für das Selbstverständnis der forensischen PsychiaterInnen: wir
können immer gutachten - völlig unabhängig davon, ob
wir die erforderlichen Daten des Erlebens und Verhaltens zu den Tatzeiten
haben oder nicht.
In vielen Lehrbüchern der Psychiatrie wird
der Irrtum verkündet (Payk,
Schneider,
Foerster &
Winckler, Stieglitz
& Freyberger, Scharfetter),
das Symptom
sei die kleinste Einheit der Psychopathologie. Das ist grundfalsch,
weil es die Daten der Erlebens und Verhaltens sind, die die Grundlage jeder
Psychodiagnostik bilden. Aber dieser Irrtum erklärt, weshalb die psychiatrische
Diagnostik so auf Sumpf und Treibsand gebaut ist: es fehlen die verbindlichen
und grundlegenden Normierungen. Nicht nur die forensische, sondern die
gesamte Psychiatrie hat hier einen massiven blinden Fleck, der bereits
die Problemwahrnehmung, die bekanntlich der Problemlösung vorauszugehen
hat, eher verhindert als nur behindert. Sucht man in den Lehrbüchern
und Standardwerken nach "Daten", "Basisdaten", "Erlebensaussagen" oder
"Verhaltenssaussagen", so findet man meist nichts. Ich habe das in der
Ausarbeitung zu den Daten-Fehlern dokumentiert.
Sieht man sich andererseits die Ausführungen nicht nur der forensischen
Psychiatrie zur psychopathologischen Untersuchung
und Exploration an, ist unmittelbar klar, dass die
entscheidende Basis aller Befunde die Angaben zum Erleben und Verhalten
sind.
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Nedopil (1996) räumt
das Problem fehlender Informationen und ein "non
liquet" ein
S. 205 (fett-kursiv RS): "Die retrospektive
diagnostische Einschätzung eines psychopathologischen Zustandsbildes,
die auch bei der Beurteilung der Geschäftsfähigkeit und der Testierfähigkeit
häufig gefordert wird, sowie die prognostische Einschätzung,
die bei vielen Fragen des Sozialrechts, beim Maßregelrecht und beim
Betreuungsrecht im Vordergrund stehen, sind im Gegensatz zur klinischen
Querschnittsdiagnose mit größeren Unsicherheiten verbunden.
Diese Unsicherheiten können einmal auf das Fehlen von Informationen
zurückgehen, die für eine klinische Beurteilung notwendig
wären; sie können aber auch durch unterschiedliche, sich
zum Teil widersprechende Angaben von Proband und Zeugen bedingt sein. Da
die Bewertung widersprüchlicher Angaben Aufgabe des Gerichtes ist
und der Gutachter zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht weiß, von
welcher Wertung auszugehen ist, kann es manchmal geboten sein, dem Auftraggeber
die Rückschlüsse, die aufgrund verschiedener Anknüpfungstatsachen
zu ziehen sind, als Alternativbeurteilungen anzubieten. Es scheint
mir jedoch kein Eingriff in die Beweiswürdigung des Gerichtes zu sein,
wenn ein Sachverständiger die eine oder die andere der alternativen
Beurteilungen in den Hintergrund stellt, weil die ihr zugrunde liegenden
Angaben mit dem medizinischen Wissen kaum vereinbar sind. Letztendlich
ist auch eine „non-liquet"-Beurteilung möglich,
wenn
eine Schlußfolgerung aufgrund fehlender Informationen sachlich und
inhaltlich nicht gerechtfertigt erscheint, wobei „non-liquet" bedeutet,
daß ein Sachverhalt durch Beweis und Gegenbeweis nicht geklärt
werden kann."
Venzlaff
& Foerster (2004) zum Problem fehlender Informationen und eines "non
liquet"
S. 40: "In seltenen Fällen bleiben letzte Unklarheiten und Zweifel
bestehen. Ist eine Schlussfolgerung aufgrund fehlender Informationen
sachlich und inhaltlich nicht möglich, muss eine „Non-liquet"-Beurteilung
erfolgen. Dies bedeutet, dass der Sachverhalt nicht abschließend
geklärt werden kann. In solchen Fällen muss der Gutachter das
Gericht auf die diagnostisch noch nicht genügend geklärte Situation
und die sich hieraus gegebenenfalls ergebenden unterschiedlichen Beurteilungsmöglichkeiten
ebenso hinweisen wie beispielsweise auf die effektive Unmöglichkeit,
zum Zeitpunkt der Verhandlung eine Aussage zur Prognose zu machen. Dies
muss er natürlich möglichst ausführlich erläutern,
ohne etwa zu fürchten, hierdurch inkompetent zu erscheinen. Die Aufgabe
eines psychiatrischen Sachverständigen darf nicht so miss-[>41]verstanden
werden, dass grundsätzlich eine verbindliche Diagnose oder Prognose
geschildert werden muss, wenn dies aus sachlichen Gründen nicht möglich
ist."
Anmerkung: Im 5-bändigen Handbuch der Forensischen Psychiatrie
findet sich kein Sachregister-Eintrag "non-liquet".
AbsF06f Fachmeinungen Begutachtung
gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkungsbereitschaft: die Verobjektung
des Menschen
> rechtliche (AbsF06r) und Beispiele in Gutachten
(AbsF06b).
Zusammenfassung: der absolute Fehler Begutachtung
gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkungsbereitschaft in den
forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
In der forensischen Psychiatrie ist es leider üblich, ProbandInnen
als Objekte zu behandeln und damit gegen den höchsten Grundwert, das
Recht auf Menschenwürde, zu verstoßen. Das ist das eine. Der
Aufbau einer Vertrauensbeziehung ist ohnehin nicht vorgesehen. Das ist
das zweite. Das Dritte ist, dass es bei den allermeisten Beweisfragen nicht
möglich ist, eine hinreichende Daten- und Informationsbasis zu schaffen,
wenn die ProbandIn nicht mitwirkt. Deshalb hat auch schon das Bundesverfassungsgericht
2001 beschlossen, dass eine Einweisung zur Beobachtung verfassungswidrig
ist, wenn keine Mitwirkungsbereitschaft besteht, sofern es auf diese ankommt
(> AbsF06 im Recht).
Obwohl es seit über 100 Jahren zum psychiatrischen Traditionswissen
gehört, dass eine persönliche Untersuchung Exploration
notwendig ist, um ein wissenschaftlich begründetes Gutachten zu erstellen,
sieht die Mehrzahl der forensischen Psychiater kein Problem darin, Menschen
auch nach Aktenlage oder bloßen persönlichen
Eindrücken in der Hauptverhandlung zu beurteilen mit extremen Folgen
für die Betroffenen. Dahinter steckt ein autoritäres, womöglich
gar ein faschistoides Menschenbild, in dem der Mensch verloren gegangen
ist. |
Der Mensch und seine Würde zählen in der forensischen
Psychiatrie nicht sehr viel (außer in Veröffentlichungen, auf
Kongressen und vor großem Publikum). Ein wichtiger Beleg ist sicher
die Tatsache, dass oft gegen den erklärten Willen der ProbandInnen
und ihre Weigerung, bei der Gutachtenerstellung mitzuwirken, verstoßen
wird, und zwar ohne erkennbare fachliche oder berufsethische Skrupel. Nicht
selten hat es den Anschein, als dächten die forensischen Psychiater:
selber
schuld, hätte sie / er doch mitgemacht.
Einigermaßen zuverlässige Zahlen haben
wir nicht. Und das ist bereits ein Indiz für den Missstand. Warum
gibt es im Rahmen der statistischen Rechtspflege keine entsprechenden Daten?
In der interessanten Arbeit zur Querulanz von Dinger
& Koch (1992, S. 113) zeichnete sich - wenn auch auf sehr dünner
Datenbasis - folgendes Bild ab: "Eine Exploration - nach gutachtentechnischen
Empfehlungen ein unabdingbarer Bestandteil jeder Begutachtung - wurde nur
in 5 Fällen
[RS: von 18, das sind nur 28%] durchgeführt.
Zwei Gutachten scheinen ausschließlich auf der Basis von Aktenmaterialien
und früheren Gutachten erstellt worden zu sein." Die Akten- und Meinungsachter
hätten damit eine faktische faktische 2/3 Mehrheit.
3. Teil
Beispiele
für absolute Fehler in forensischen Gutachten
Vorbemerkung: Das Einzelfallprinzip gebietet, sicherheitshalber nur
von potentiellen Fehlern zu sprechen. Der Katalog enthält also überwiegend
nur potentielle absolute Fehler. Darin liegt ein gewisser Widerspruch,
der nicht ganz aufzulösen ist, wenn man bedenkt, dass auch absolute
Fehler "nur" in Teilbereichen vorkommen können (etwa bei der Aufklärung).
Die hier erfasste Beispielsammlung enthält aber fast nur gravierende
absolute Fehler, die die Gutachten gänzlich wertlos machen.
Ob ein potentieller Fehler im spezifischen
Einzelfall wirklich ein Gutachten-Fehler ist, sollte nicht abstrakt-allgemein,
sondern im Realitätsrahmen und Situationskontext des Einzelfalles
untersucht und entschieden werden. Und natürlich hängt die Fehler-Diagnose
und das Gewicht, das ihr zukommt, auch sehr davon ab, aus welcher wissenschaftlichen
Perspektive oder Basis die Betrachtung erfolgt. PsychoanalytikerInnen haben
z.B. ein sehr lockeres Verhältnis zu Phantasie und Vermutungen und
verwechseln diese oft mit Wissenschaft, Empirie oder Objektivität.
Wichtig ist vielleicht auch, dass man sich eingesteht:
fehlerlose Gutachten gibt es nicht. Aber: die Problemlösung beginnt
bekanntlich mit der Problemwahrnehmung. Deshalb ist es sinnvoll, sich seinen
möglichen Fehlern grundsätzlich zu öffnen. Manche Fehler
mögen auch keine ernste Bedeutung haben, andere aber im jeweiligen
Einzelfall vielleicht schon. Und es gibt fatale Fehler, die ein Gutachten
nicht verwertbar machen (z.B. Oder-Diagnosen, Verfassung und Befinden zu
den Tatzeiten nicht exploriert oder, bei keinem Ergebnis hierzu, die Beweisfrage
als nicht beantwortbar erklärt, nicht persönlich untersucht,
unzulängliche Mittel und Methoden angewendet, ... ... ...), was ja
gerade Gegenstand dieser Ausarbeitung ist.
Kleine Fehlertaxonomie: (1) Fatale, nicht mehr reparierbare
Fehler. (2) Fatale Fehler ohne nähere Spezifikation. (3) Fatale, aber
grundsätzlich noch reparierbare Fehler ("Nachbesserung", weiteres
Ergänzungsgutachten). (4) Fehler ohne bedeutsame Auswirkung
auf die Beantwortung der Beweisfrage. (5) Sonstiger in seiner Bedeutsamkeit
nicht richtig oder zuverlässig einschätzbarer Fehler.
Sonderfall: Fehlerhaftes Gutachten, aber im Ergebnis
nachvollziehbar und - wenn auch mit anderem Vorgehen - zum gleichen Ergebnis
gelangend.
Überblick Absolute
Fehler (AbsFb) Beispiele
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AbsF01b Ungeeignet hinsichtlich Qualifikation,
Ausbildung oder Erfahrung, mangelnde Sach- oder Fachkunde, d.h. der Auftrag
hätte gar nicht angenommen werden dürfen.
-
AbsF02b Kein richtiges Verständnis der
sachverständigen Aufgabe und der Aufgabe der Justizorgane (Gericht,
Staatsanwaltschaft, Anwaltschaft, Polizei) z.B. keine strikte Unterscheidung
der psychiatrischen und der Rechtsbegriffe. Dazu kann auch gerechnet werden,
wenn der Auftrag in den Hauptsachen gar nicht persönlich ausgeführt,
sondern weitergereicht wird.
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AbsF03b Keine angemessene Aufklärung
über Rechte, Pflichten, Folgen, Risiken einer - auch verweigerten
- Begutachtung.
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AbsF04b Befangenheit, Voreingenommenheit,
Einseitigkeit, Vorurteile.
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AbsF05b Mangelhafte oder ungenügend Datengrundlage,
die kein angemessenes Fundament für eine wissenschaftlich fundierte
Begutachtung liefern.
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AbsF06b Es wird gegen den erklärten Willen
und ohne Mitwirkung der ProbandIn gegutachtet.
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AbsF-Xb Sonstiger, bislang nicht erfasster
Fehler, der dem Bereich Absolut zuzuordnen ist.
AbsF01b Ungeeignet hinsichtlich
Qualifikation, Ausbildung oder Erfahrung, mangelnde Sach- oder Fachkunde,
d.h. der Auftrag hätte gar nicht angenommen werden dürfen.
> rechtliche (AbsF01r) und fachliche (AbsF01f)
Beurteilung.
(1) Im Fall Peggy wurde Prof. Dr. Kröber zur Erstellung eines aussagepsychologischen
Gutachtens über Ulvi Kulac bei Vorliegen eines Geständniswiderrufes
und einer geistigen Behinderung berufen. Damit wurde ein dreifach nicht
qualifizierter Gutachter vom Landgericht Hof berufen: Er ist kein Aussagepsychologe,
kein Experte für Geständniswiderrufe und auch kein ausgewiesener
Fachmann für geistig Behinderte. Und das merkt man seinem "Gut"achten
auch überdeutlich an (Analyse und Kritik
hier).
Seine persönliche Untersuchung zeigt überdeutlich, dass er von
eine kunstgerechten Exploration nicht die geringste Ahnung hat: mit einer
68% Suggestivfragenrate bei der entscheidenden "haargenauen" Nacherzählung
disqualifiziert er sich vollständig.
Diesen Fehler will nun offenbar das Landgericht
Bayreuth wiederholen, wenn die Pressemeldung der Nürnberger Nachrichten
vom 11.1.2014, S. 16: ”Zweite Chance für Gutachter. Fall
Peggy: Berliner Professor darf Ulvi K. erneut beurteilen ….” richtig ist.
(2) Sämtliche strafrechtlich berufenen Gutachter (Dr. Lippert,
Dr. Leipziger, Prof. Dr. Kröber und Prof. Dr. Pfäfflin) im Fall
Gustl F. Mollaths zeigten sich unwillig oder unfähig - im Ergebnis
ist das einerlei - Befinden und Verhalten zu den 10
Tatzeitpunkten auch nur ansatzweise zu erkunden. Das ist zwar oft schwierig
- im Falle Mollath wahrscheinlich sogar unmöglich, - aber Gutachter,
die das, aus welchen Gründen auch immer, nicht können, sollten
den Auftrag mangels Sach- und Fachkunde in diesem Einzelfall zurückgeben.
Der kaum nachzuvollziehende Murks und Pfusch, der hier von den Richtern
geduldet wurde, zeigt, dass sie selbst unwillig oder unfähig waren,
ihrer gesetzlichen Aufgabe, die Gutachter zu leiten und zu kontrollieren,
nachzukommen.
(3) Obwohl der zentrale psychiatrische Vorhalt Wahn
ist, wird dieser Wahn, für den die Psychiatrie seit über 100
Jahren noch nicht einmal eine verbindliche Definition vorlegen kann, nicht
aus Daten des Erlebens oder Verhaltens abgeleitet. Er wird einfach behauptet
und gemeint (>Meinungsachten). Wer so arbeitet,
ist für wissenschaftlich begründete Gutachten ungeeignet. Dem
fehlt trotz beruflicher Stellung und DGPPN-Zertifikat die tatsächlich
wissenschaftliche Sach- und Fachkunde.
AbsF02b Kein richtiges
Verständnis der sachverständigen Aufgabe und der Aufgabe der
Justizorgane (Gericht, Staatsanwaltschaft, Anwaltschaft, Polizei)
> rechtliche (AbsF02r) und fachliche (AbsF02f)
Beurteilung.
Hierher gehören z.B. keine strikte Unterscheidung der Rechtsbegriffe
und ihrer psychopathologischen Entsprechungen, Überidentifikationen
mit den Ermittlungsbehörden, der Staatsanwaltschaft, dem Gericht,
mit dem Gesetz, der öffentlichen Meinung, dem Anwalt, dem Täter
oder dem Opfer. Dazu kann auch gerechnet werden, wenn der Auftrag in den
Hauptsachen gar nicht persönlich ausgeführt, sondern weitergereicht
wird. Falsches Rollenverständnis führt oft auch zur Befangenheit
(>AbsF04b)
Im Gutachten Dr. Leipziger
fällt eine Überidentifikation mit der Staatsanwaltschaft - dem
Auftraggeber - auf. Dafür sprechen folgende Gründe:
-
Die Vorhalte gegen Gustl F. Mollath werden als gegeben unterstellt, obwohl
sich das Verfahren noch im Zwischenstadium befindet und die Unschuldsvermutung
bis zum rechtskräftigen Urteil gilt, hier also erst nach Abweisung
der Revision durch den BGH.
-
Während der Gutachtenerstellung merkt Dr. Leipziger, dass ihm die
Jahre zurückliegenden Beschuldigungen nicht reichen und er schreibt
einen Brief an die Staatsanwaltschaft, wo er nachfragt, ob weitere strafbare
Sachverhalte bekannt wurden. Damit drückt er aus: Ich will unterbringen,
aber was ich habe, reicht nicht, und er fordert schönfärberisch
formuliert weitere Straftaten nach. Mehr und genauer hier, bei Befangenheit.
-
Er fälscht sogar einen Befund mittels Textmontage,
um einen Vergiftungswahn nahe zu legen. Die gesamte Bearbeitung des Falles
zeigt, dass Dr. Leipziger ein massives Interesse daran hatte, Mollath zu
psychiatrisieren und unterzubringen. Das aber ist gar nicht seine Aufgabe.
Schulranzen-Flugbahnexperte
Im Falle Ulvi Kulac überschreitet Prof. Dr. Kröber bei weitem
seine Sachverständigen- Rolle und Kompetenz, wenn er sich als Schulranzen-Flugbahnexperte
einbringt, ohne entsprechende kritische Überlegungen, ob das, wie
angegeben, so überhaupt funktionieren kann (aus dem Tatrekonstruktionsvideo
vom 30.07.2002 geht ja klar hervor, dass Peggy den - ziemlich großen
- Schulranzen mit der rechten Hand getragen haben soll: wie soll er da
beim Sturz nach vorne fliegen?). Hier wäre eine GerichtsmedizinerIn,
KriminaltechnologIn oder PhysikerIn gefragt gewesen.
OLG Köln · Beschluss
vom 18. November 2013 · Az. 17 W 167/13 [openjure]
Hier hat ein Professor weder den psychosomatischrheumatologischen
Gutachtenauftrag persönlich noch bei Zeiten durchgeführt und
dies nicht einmal kenntlich gemacht. Das Gericht hat daraufhin den Auftrag
entzogen und das Honorar zu Recht, so das OLG, auf Null gesetzt, weil das
Gutachten nicht verwertbar war.
Grauzone persönliche
Gutachtenerstattung
Es kommt bei medizinischen und forensisch-psychiatrischen Gutachten
häufig vor, dass die Beauftragten das Gutachten nicht selbst und persönlich
erbringen, sondern in wesentlichen und nicht vom Gesetz gedeckten Teilen
von ihren Bediensteten machen lassen. Ein Chef, Professor oder Direktor
verrichtet sozusagen keine profane Arbeit, dafür hat er seine Leute,
er überwacht und verantwortet mit seiner Unterschrift. Und zwar nicht
nicht nur bei untergeordneten und durch das Gesetz gedeckte Aufgaben, sondern
auch bei der wichtigsten Kernaufgabe, der forensischen Exploration.
Es finden sich in solchen Gutachten der "Koryphäen"
dann sehr kreative Formulierungen bei den Unterschriften: Bediensteter:
"Ersteller des Gutachtenkonzepts", Mitwirker: "Einverstanden aufgrund eigener
Untersuchung, Exploration und Urteilsbildung", Chef / Direktor: "Gesamtverantwortlich
für das Gutachten", wobei die Anteile im Gutachten nicht gekennzeichnet
und damit gar nicht überprüfbar sind. Dass das von den - meist
Land- Gerichten einfach so hingenommen und durchgewunken wird, ist
der eigentliche Skandal.
AbsF03b Keine angemessene
Aufklärung über Rechte, Pflichten, Folgen, Risiken einer - verweigerten
- Begutachtung
> rechtliche (AbsF03r) und fachliche (AbsF03f)
Beurteilung.
Ein Standard grundlegender Aufklärung wurde bisher weder vom Recht
noch von der forensischen Psychologie oder Psychiatrie entwickelt. Meist
beschränkt man sich auf die Information, dass die Mitwirkung freiwillig
sei und die Schweigepflicht nicht gilt. Über den Ablauf der Begutachtung
und die Folgen dieses oder jenes Ergebnisses, u.a. bei Verweigerung der
Mitwirkung, wird gewöhnlich so wenig aufgeklärt wie es schriftlich
dokumentiert und das Verständnis der Aufklärung gesichert wird.
Eine vollständige Aufklärung mit schriftlicher Dokumentation
und Verständnissicherung habe ich weder bei den Begutachtungen über
Gustl F. Mollath noch bei Ulvi Kulac gefunden. Das sind aber sicher keine
Einzelfälle, sondern unvollständige Dokumentationen sind die
Regel, der "Standard" in der forensischen Psychiatrie.
AbsF04b Befangenheit,
Voreingenommenheit, Einseitigkeit, Vorurteile
> rechtliche (AbsF04r) und fachliche (AbsF04f)
Beurteilung.
Der Fall Zimmermann
in Bayern: Dem Spiegel 20,
1976 kann entnommen werden: "medizinische Gutachter, darunter
der Parteifreund und damalige Sanatoriumsbesitzer Schlemmer am Tegernsee,
hatten ihm zeitweilige Verwirrungszustände des Geistes attestiert."
Ein solches "Gut"achten, bei dem ein Parteifreund mitwirkte, hätte
niemals vom Gericht anerkannt werden dürfen und Dr. Schlemmer hätte
sich zwingend für befangen erklären müssen.
Fall Peggy (Ulvi Kulac): Extreme Überidentifikation
mit der Staatsanwaltschaft und eine völlig unkritische Haltung zeigt
auch Prof. Dr. Kröber im Falle Ulvi
Kulac. Obwohl die vielfältigen Probleme jedem unbefangenen Außenstehenden
sofort ins Auge springen (z.B. 800 m Lauf am Stück des übergewichtigen
Ulvi Kulac, der schon beim bloßen Gehen der Strecke hörbar schnauft;
keine Leiche, viel zu wenig Zeit, um die Leiche weg zu schaffen; extrem
suggestive Vernehmung; Vernehmungsdruck; Reid-Methode;
einseitig und unkritisch bezüglich Alternativen; ...).
Der Ermittlungseifer
des Dr. Leipziger.
Der Beweisbeschluss zum Gutachten durch Dr. Leipziger erfolgt am 16.09.2004.
Abgeschlossen wurde es am 25.07.2005. Die zu dem Zeitpunkt vorliegenden
Tatvorwürfe lagen teilweise Jahre zurück, so dass Dr. Leipziger
am 4.5.2005 bei der Staatsanwaltschaft weitere Taten nachfragte. Was bedeutet
das? Wie kommt Dr. Leipziger dazu, nach weiteren Ermittlungsergebnissen
zu "fragen"? Damit bringt er natürlich zum Ausdruck, dass ihm die
- damaligen - Tatvorwürfe zu den Tatzeiten 12.08.2000, 31.05.2002
und 23.11.2002 für das gewünschte Ergebnis im Jahre 2005 nicht
mehr ausreichend schienen. Nebenbei sei festgehalten, dass Dr. Leipziger
sich rein subjektiv gar nicht befähigt sah, eine strafrechtsrelevante
seelisch-geistige Verfassung bei Mollath ohne die Tatvorwürfe festzustellen,
was für sich schon Bände spricht. Hier interessiert allerdings
das Ermittlungsinteresse, das ganz klar Befangenheit anzeigt. Salopp formuliert:
wenn
ihr wollt, dass ich dem Mollath einen 63er verpasse, dann müsst ihr
nachliefern, die bisherigen Straftatvorwürfe reichen nicht. Klarer
kann Befangenheit aus Gefälligkeitseifer kaum zum Ausdruck gebracht
werden.
Auf das tiefgreifende und ungelöste Interlokutproblem
und das Problem der Anknüpfungstatsachen ist an anderen Stellen eingegangen
worden (die Straftaten wurden ja erst mit der Abweisung der Revision durch
den BGH ab 14.02.2007 rechtskräftig).
Gutachtenauftrag über-
oder untererfüllt, am Auftrag vorbei oder falsch ausgeführt.
Besorgnis der Befangenheit wegen therapeutischer Hinweise eines gerichtlich
bestellten Sachverständigen. Anmerkung zu LSG Nordrhein-Westfalen,
Beschluss v. 02.11.2010, Az. L 8 R 921/10 B. "Das Vertrauen in die Neutralität
eines Sachverständigen kann beeinträchtigt sein, wenn der Umfang
des Gutachtenauftrags überschritten wird." [PDF]
Nur
eine oder zu wenige Hypothesen untersucht.
Sachliche Befangenheit erkennt man sofort daran, wenn nicht mehrere
Hypothesen, auch Alternativ- und Gegenhypothesen erwogen werden, und noch
dazu im Zwischenverfahren die Anklagesachverhalte der Staatsanwaltschaft
als real unterstellt werden.
Anmerkung: Dr. W. vom
BZK Erlangen erklärte sich im Fall Mollath für befangen.
Systemische Befangenheit Dr.
Leipzigers im Fall Gustl F. Mollath. Dr. Leipziger war nicht nur der Unterbringungsgutachter,
sondern zugleich mehrfach der alljährliche Berichterstatter und Gutachter
nach § 67e StGB in Personalunion und der Verwahrer der Behandlungseinrichtung.
Es ist ein schwerer absoluter Fehler des Systems (> Rechtsfehler),
so etwas überhaupt zuzulassen. Hier ist es dringend erforderlich,
dass mit einer Reform des § 63 StGB auch für die Unabhängigkeit
des Gutachters von der Unterbringungseinrichtung gesorgt wird, weil die
jetzige Konstruktion der Lebenserfahrung und dem gesunden Menschenverstand
wie auch allgemeiner wissenschaftlicher Auffassung, dem Neutralitäts-
und Fairneßprinzip grundlegend widerspricht. Es darf und kann nicht
unbefangen und neutral gutachten, wer zugleich Interessenträger der
Unterbringungseinrichtig ist.
AbsF05b Mangelhafte oder
ungenügende Datengrundlage, die kein angemessenes Fundament für
eine wissenschaftlich fundierte Begutachtung liefert
> rechtliche (AbsF05r) und fachliche (AbsF05f)
Beurteilung.
Zur Erinnerung: Bei mangelnden Daten und Informationen Hierbei sind
grundsätzlich zwei Fälle zu unterscheiden: 1) Datenmangel:
es liegen überhaupt keine oder viel zu wenig Daten und Informationen
vor. 2) Nichtverwertbarkeit: Die vorliegenden Daten und Informationen
sind aufgrund des Zustandes der ProbandIn (überdosiert, fixiert; psychotisch,
übererregt, delirant, verwirrt, desorganisiert oder ähnliches)
nicht verwertbar.
Gustl F. Mollath hat sich als gesund erlebt und aufgrund dessen die
ersten drei strafrechtlichen Zwangsbegutachtungen (Dr.
Lippert, Dr. Leipziger, Prof. Dr. Kröber) abgelehnt, erst bei
der ersten externen Begutachtung durch Prof.
Dr. Pfäfflin hat er - in falscher Hoffnung - eine Ausnahme gemacht.
Von daher fehlten von Anfang an die entscheidenden Information und Daten
des Erlebens und Verhaltens, insbesondere zu den 10
Tatzeiten, die zur Erforschung der Voraussetzungen der Schuldfähigkeit
zwingend erforderlich sind. Daran hat sich offensichtlich niemand gestört.
Sowohl die Gutachter als auch ihre Richter haben hier versagt. Das hätte
niemals so durchgehen dürfen.
Es fehlt im Fall Gustl F. Mollath bei den ersten drei Unterbringungsgutachten
jede Daten- und Informationsgrundlage. Das fehlende Wissen wird durch
bloßes Meinen, Spekulieren, Vermuten und Phantasieren ersetzt.
Absurde Logik in den Beurteilungen nach
§ 67e StGB
Im Verlauf der Verwahrung, Behandlung fand ja nie statt, wurden die
alljährlichen Beurteilungen nach § 67e StGB erforderlich. Die
zentrale Aufgabe ist hier, die Gefährlichkeitsbeurteilung. Hier hat
sich Dr. Leipziger mit folgender irrwitziger Argumentation beholfen: Weil
Gustl F. Mollath nach wie vor die Mitwirkung verweigere, könne sich
auch sonst nichts geändert haben und alles sei beim alten und daher
müsse er auch weiter verwahrt werden. Eine solche Schlussfigur hat
mit Wissenschaft, mit Logik, mit Erfahrungssätzen und mit gesunden
Menschverstand nichts zu tun. Aber die Bayreuther Strafvollstreckungskammer,
wie auch das OLG Bamberg, lässt diesen hochgradigen Unsinn problemlos
durchgehen. Wieder einmal zeigt sich, dass die Richter unwillig oder unfähig
sind, forensisch-psychiatrische Gutachten angemessen zu beurteilen, zu
prüfen und und zu kontrollieren.
AbsF06b Es wird gegen
den erklärten Willen und ohne Mitwirkung der ProbandIn gegutachtet
> rechtliche (AbsF06r) und fachliche (AbsF06f)
Beurteilung.
Gustl F. Mollath ist mehrfach (Dr. Lippert, Dr. Leipziger, Prof. Dr.
Kröber) gegen seinen erklärten Willen und verweigerte Mitwirkung
zwangsbegutachtet worden. Und auch im Wiederaufnahmeverfahren soll er wieder
psychiatrisch zwangsbegutachtet werden.
Kein Zweifel, eine Reform
des § 63 StGB sollte sich auch der Probleme Abstreiten der Tatvorwürfe
und Verweigerung der Mitwirkung annehmen.
AbsF-Xb Sonstiger, bislang
nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Absolut zuzuordnen ist
4. Teil
Wissenschaftlicher Apparat
Literatur (Auswahl)
> Weitere Literaturquellen
im Gesamtkontext potentielle Fehler ... Gutachten-Doku
hier.
-
Becker (1978) Erfahrungen als Gutachter bei Vorwürfen wegen
mangelnder Aufklärung und Fahrlässigkeit. Laryng Rhinol 1974,
75–89;
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Beppel, Antje (2007) Ärztliche Aufklärung in der Rechtsprechung.
Die Entwicklung der Rechtsprechung zur ärztlichen Aufklärung
in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Göttingen: Universitätsverlag.
-
BGH (1991) Ausschließung eines Staatsanwalts NStZ 1991, 595
-
BGH (2001) Befangenheit des Staatsanwalts NStZ-RR 2001, 107
-
BGH (2007) Rüge der Mitwirkung eines befangenen Staatsanwalts NStZ
2007, 419
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Blau, G. (1991). Der befangene Sachverständige im Strafprozess. In
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Cirener, D. (2012) Ausschluss und Befangenheit von Staatsanwälten.
BeckOK StPO § 22, Rn 34 - 37, Hrsg: Graf Stand: 01.10.2012, Edition:
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Eisenberg, Ulrich (2011) I. Begriff und Stellung des Sachverständigen,
in Erstes Kapitel. Voraussetzungen und Gestaltung der Tätigkeit. In:
Ulrich Eisenberg Beweisrecht der StPO. 8. Auflage 2011, Rn 1500-1517c
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Foerster, Klaus (2004, Hrsg.) Venzlaff & Foerster. Psychiatrische Begutachtung.
Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen. 4. Auflage.
München: Elsevier (Urban & Fischer).
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Joos, (1981) Ablehnung des Staatsanwalts wegen Befangenheit? NJW 1981,
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Kröber, H.-L.; Dölling, D.; Leygraf, N.
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5 Bde. Berlin: Steinkopff (Springer).
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2007: Band 1 Strafrechtliche Grundlagen der Forensischen
Psychiatrie.
-
2010: Band 2 Psychopathologische Grundlagen und Praxis
der Forensischen Psychiatrie im Strafrecht.
-
2006: Band 3 Psychiatrische Kriminalprognose und
Kriminaltherapie.
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2009: Band 4 Kriminologie und Forensische Psychiatrie.
-
2009: Band 5 Forensische Psychiatrie im Privatrecht
und Öffentlichen Recht.
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LG Köln (1985) Ablehnung eines Staatsanwalts wegen Befangenheit NStZ
1985, 230
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Leipold, (2006) Besorgnis der Befangenheit NJW-Spezial 2006, 471
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Monka, (2012) Beck'scher Online-Kommentar StPO, Hrsg: Graf Stand:
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Müller, Klaus (1988) Der Sachverständige im gerichtlichen Verfahren,
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Nedopil, N. (1996, Hrsg). Klinik, Begutachtung und Behandlung zwischen
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Schütz, H.; Kaatsch, H.-J. & Thomsen, H. (1991, Hrsg.) Medizinrecht,
Psychopathologie, Rechtsmedizin. Diesseits und jenseits der Grenzen von
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Pawlik, (1995) Der disqualifizierte Staatsanwalt NStZ 1995, 309
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Rieß, (1988) Der befangene Staatsanwalt. NJW 1984, 1522
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Schmidt-Hieber (1990) Mitwirkungsverbot für den befangenen Staatsanwalt.
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Schneider (1994) Gedanken zur Problematik des infolge einer Zeugenvernehmung
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Sommer & Tsambikakis (2009) In: Terbille, M. & Clausen, T.
(2009, Hrsg.) Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 1. Auflage 2009
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der Befangenheit sieht das Gesetz nicht vor."]
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Streng,
Franz (2001). StGB § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen,
Münchener Kommentar zum StGB 2. Auflage 2011.
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Tondorf, Günther & Babette (2011). Psychologische und psychiatrische
Sachverständige im Strafverfahren. Verteidigung bei Schuldfähigkeits-
und Prognosebegutachtung. Heidelberg: C. F. Müller.
Links (Auswahl: beachte)
> Querverweise.
Glossar,
Anmerkungen und Endnoten
1) GIPT=
General
and Integrative
Psychotherapy, internationale Bezeichnung
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
__
Stichworte: Eigener
wissenschaftlicher Standort * subjektwissenschaftliche
Orientierung * Vertrauen,
Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis * Wahn *
__
Eigener
wissenschaftlicher Standort
. |
einheitswissenschaftliche
Sicht. Ich vertrete neben den Ideen des
Operationalismus, der Logischen Propädeutik und einem gemäßigten
Konstruktivismus
auch die ursprüngliche einheitswissenschaftliche Idee des Wiener
Kreises, auch wenn sein Projekt als vorläufig gescheitert angesehen
wird und ich mich selbst nicht als 'Jünger' betrachte. Ich meine dennoch
und diesbezüglich im Ein- klang mit dem Wiener
Kreis, daß es letztlich und im Grunde nur eine
Wissenschaftlichkeit gibt, gleichgültig, welcher spezifischen
Fachwissenschaft man angehört. Wissenschaftliches Arbeiten folgt einer
einheitlichen und für alle Wissenschaften typischen Struktur, angelehnt
an die allgemeine
formale Beweisstruktur.
Schulte, Joachim &
McGuinness, Brian (1992, Hrsg.). Einheitswissenschaft - Das positive Paradigma
des Logischen Empirismus. Frankfurt aM: Suhrkamp.
Geier, Manfred (1992).
Der Wiener Kreis. Reinbek: Rowohlt (romono).
Kamlah, W. & Lorenzen, P. (1967).
Logische Propädeutik. Mannheim: BI. |
|
_
Wissenschaft
[IL] schafft
Wissen und dieses hat sie zu beweisen, damit es ein wissenschaftliches
Wissen ist, wozu ich aber auch den Alltag und alle Lebensvorgänge
rechne. Wissenschaft in diesem Sinne ist nichts Abgehobenes, Fernes, Unverständliches.
Wirkliches Wissen sollte einem Laien vermittelbar sein (PUK - "Putzfrauenkriterium").
Siehe
hierzu bitte das Hilbertsche
gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein
zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft
sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann
verständlichen Sprache wiedergegeben." |
Allgemeine
wissenschaftliche Beweisstruktur und beweisartige Begründungsregel
Sie ist einfach - wenn auch nicht einfach durchzuführen - und
lautet: Wähle einen Anfang und begründe Schritt für Schritt,
wie man vom Anfang (Ende) zur nächsten Stelle bis zum Ende (Anfang)
gelangt. Ein Beweis
oder eine beweisartige Begründung ist eine Folge von Schritten: A0
=> A1 => A2 => .... => Ai .... =>
An, Zwischen Vorgänger und Nachfolger darf es keine Lücken
geben. Es kommt nicht auf die Formalisierung an, sie ist nur eine Erleichterung
für die Prüfung. Entscheidend ist, dass jeder Schritt prüfbar
nachvollzogen werden kann und dass es keine Lücken gibt. |
__
subjektwissenschaftliche
Orientierung
Subjektwissenschaftliche Orientierung heißt kurz und bündig,
die ProbandIn als ForschungspartnerIn ausdrücklich anerkennen. Die
Erforschung fremden Erlebens erfordert bei manchen Fragestellungen eine
starke subjektwissenschaftliche Orientierung, d.h. die ausdrückliche
Einbeziehung des Gegenübers, das als Explorations- oder ForschungspartnerIn
angesehen wird. Damit stellt sich natürlich die Frage, wie man eine
solche Situation einführt, gestaltet und handhabt, wobei auch die
Erwartungen und möglichen Vorurteile bei den PartnerInnen bedacht
werden müssen. Ist die UntersucherIn zu vorsichtig, kann die ProbandIn
vielleicht denken, die ist unsicher, weiß selbst nicht genau, was
sie will, bürdet mir ihre Arbeit auf, ist schlecht vorbereitet u.a.m.
…
Das verschärfte Grundprinzip subjektwissenschaftlicher
Orientierung lautet, dass eine effektive und informative Erforschung des
Innenlebens anderer Menschen, ohne die ausdrückliche Einbeziehung
der ProbandIn als PartnerIn, nicht möglich ist.
Zur Geschichte: Die subjektwissenschaftliche Orientierung
wurde von Klaus Holzkamp und seiner Schule der kritischen Psychologie stark
thematisiert. Aber auch in Erlangen im Umfeld von Prof. Werbik wurde die
Einbeziehung der Versuchsperson in den Forschungsprozess gepflegt.
__
Vertrauen,
Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis
__
Wahn.
Der Psychiatrie ist es in den letzten Jahrhunderten nicht gelungen,
sich auf eine verbindliche Wahndefinition zu einigen. Ich habe nach meinen
Wahnstudien
eine mir angemessen und schlüssig erscheinende Wahndefinition entwickelt:
Definition: Wahn liegt vor, wenn mit rational unkorrigierbarer
(Logik,
Erfahrung) Gewissheit ein falsches Modell der Wirklichkeit
oder ein falscher Erkenntnisweg zu einem richtigen oder falschen
Modell der Wirklichkeit vertreten wird.
Beispiel falsches Modell der Wirklichkeit: Ein Passant
gähnt und das deutet ein fränkischer Proband als Zeichen Dr.
Merks, worauf er in die Knie geht und laut ruft: „Allmächd, Allmächd“.
Muss man so jemanden einsperren? Natürlich nicht.
Beispiel falscher Erkenntnisweg eines richtigen
Modells der Wirklichkeit: Ein Passant gähnt und ein Proband zieht
daraus den Schluss, dass Banken in hohen Maße an Steuerbetrugsdelikten
beteiligt sind. Passantengähnen ist keine in unserer Kultur und Wissenschaft
anerkannte Erkenntnisquelle für Schwarzgeldschiebereien, die natürlich
ein völlig reales Modell der Wirklichkeit sind.
Gustl F. Mollath hat seine Erkenntnisse nicht aus
dem Gähnen eines Passanten wahnhaft erschlossen, sondern seine Erkenntnisquellen
entsprechen genau denen unserer Kultur und Wissenschaft. Es gibt auch keine
Progredienz (Ausdehnung, Erweiterung, Fortschreitung), wenn man mit gesundem
Menschenverstand hinschaut, was der forensisch-psychiatrischen Schlechtachterindustrie
offenbar zu schwierig erscheint. Es ist ja völlig logisch und verständlich,
dass, je mehr Menschen sein Anliegen und seine Erkenntnisse ablehnen, er
entsprechend mehr AblehnerInnen sieht. Daher ist das vermeintliche Progredienzzeichen
für einen angeblich sich ausdehnenden Wahn (wohin hat er sich denn
in den letzten 10 Jahren ausgedehnt?) auch keines, sondern es erklärt
sich ganz einfach aus der Natur des Sachverhalts.
Infos zum Wahn in der IP-GIPT:
___
Wahnhaft im Urteil
vom 26.8.2006
(S. 25): "Auch in der Hauptverhandlung hat sich - wie bereits in den
von den Zeugen geschilderten Vorfällen - die wahnhafte Gedankenwelt
des Angeklagten vor allem in Bezug auf den Schwarzgeldverschiebungen der
Hypovereinsbank bestätigt. Mag sein, dass es Schwarzgeldverschiebungen
von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat bzw. noch gibt, wahnhaft
ist, dass der Angeklagte fast alle Personen, die mit ihm zu tun haben,
z.B. den Gutachter Dr. Wörthmüller völlig undifferenziert
mit diesem Skandal in Verbindung bringt und alle erdenklichen Beschuldigungen
gegen diese Personen äußert."
___
Zur Bedeutung des Wahns für
die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach den §§ 20 und 21
StGB.
Dölling, Dieter (2010) Zur Bedeutung des Wahns
für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach den §§
20 und 21 StGB. Forens Psychiatr Psychol Kriminol (2010) 4:166–169.
"Zusammenfassung Für die Beurteilung
der Schuldfähigkeit eines Täters mit Wahnsymptomatik ist zunächst
zu prüfen, ob ein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 des Strafgesetzbuches
(StGB) vorliegt. Hierzu ist eine gründliche Diagnose von Art und Intensität
des Wahns sowie der ihm zugrunde liegenden psychischen Erkrankung erforderlich.
Ist ein Eingangsmerkmal gegeben, ist zu erörtern, wie sich
der Wahn im jeweiligen Einzelfall auf die Fähigkeit des Täters
zur Unrechtseinsicht und seine Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat.
Hierfür kann ein Blick auf das von Winfried Brugger entwickelte anthropologische
Kreuz der Entscheidung hilfreich sein."
Diese Beurteilungkriterien des Mitherausgebers des
Handbuches
der Forensischen Psychiatrie wurden im Fall Mollath nicht beachtet,
angewendet und eingehalten.
__
widersprüchliche
und wirre Diagnostik beim Betreuungsantrag (5.4.2006)
Im "Anregungsschreiben" vom 6.4.2006 des BKH Bayreuth (PDF
bei Dr. Strate) wird zunächst zur Diagnose ausgeführt:
"Diagnostische Einschätzung: Bei Herrn M. liegt ein paranoider
Wahn im Rahmen einer paranoiden Schizophrenie (ICD 10 F 20.0), zumindest
aber eine wahnhafte Störung (ICD 10 F22.0) mit paranoiden Inhalten
vor." Sodann heißt es: "Im Bereich der Gesundheitsfürsorge/Behandlung,
besteht, insbesondere bei weiterer Verzögerung der Behandlung, die
Gefahr, dass die wahnhafte Störung bzw. der Wahn sich chronifiziert
und dann durch Behandlung nicht mehr rückgängig gemacht werden
kann." Und: "Zusammenfassung: Aufgrund der psychischen Erkrankung (wahnhafte
Störung (ICD 10 F22.0) differentialdiagnostisch paranoiden Schizophrenie
(ICD
10 F 20.0)) kann Hr. M. seine Angelegenheiten in den Bereichen ...".
Zunächst wird also eine paranoide Schizophrene
(ICD 10 F 20.0) als 1. Wahl Diagnose angegeben, sodann die wahnhafte
Störung (ICD 10 F22.0). Im Beschluss des Bayreuther Betreuungsgerichts
(S. 13 und 17 PDF) wird die Diagnose "paranoide Schizophrenie" einfach
übernommen.
__
Querverweise
Standort: Katalog: Absolute Fehler (AbsF).
*
Überblick Forensische
Psychologie.
Überblick
Potentielle Fehler in forensisch-psychopathologischen Gutachten.
Stellungnahmen
im Fall Mollath und Ulvi Kulac.
*
*
Dienstleistungs-Info.
*
Zitierung
Rudolf Sponsel (DAS). Katalog:
Absolute
Fehler (AbsF) zu Potentielle Fehler in forensisch
psychiatrischen Gutachten, Beschlüssen und Urteilen der Maßregeljustiz.
Eine methodenkritische Untersuchung illustriert an einigen Fällen
u. a. am Fall Gustl F. Mollath mit einem Katalog der potentiellen forensischen
Gutachtenfehler sowie einiger Richter-Fehler.
Erlangen IP-GIPT: https://www.sgipt.org/forpsy/NFPMRG/AbsF.htm
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Sollten wir die Rechte anderer unberechtigt genutzt haben, bitten wir um
Mitteilung. Soweit es um (längere) Zitate aus ... geht,
sind die Rechte bei/m ... zu erkunden oder eine Erlaubnis einzuholen.
Ende_
Katalog:
Absolute
Fehler (AbsF)_
Überblick_Rel.
Aktuelles_ Rel.
Beständiges _ Titelblatt_
Konzeption_
Archiv_
Region_Service_iec-verlag_
Mail:
sekretariat@sgipt.org_
__Wichtige
Hinweise zu Links und Empfehlungen
korrigiert: irs 12.01.2014
Änderungen Kleinere
Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet
und ergänzt.
09.02.16 Linkfehler
Wahnverständnis Mollath-GA korrigiert.
04.02.15 Keine
Linkfehler, Kroeb statt Kröb
04.04.14 Erg.
AbsF04r:
Systemische
Befangenheit - Beispiel Fall Gustl
F. Mollath.
21.03.14 AbsF02b:
OLG
Köln · Beschluss vom 18. November 2013 · Az. 17
W 167/13. Grauzone
persönliche Gutachtenerstattung.
19.02.14 In AbsF05
differenzierte Unterteilung erfasst: Datenmangel und Nichtverwertbarkeit:
AbsF05r, AbsF05f, AbsF05b.
09.02.14 Rechtliche
Belege zur Pflicht der
persönlichen Gutachtenerstattung.
06.02.14 BGH:
Sachverständigengutachten – Übertragung auf Hilfsperson.
06.02.14 Eschelbach
Erforderliche Sachkunde.
06.02.14 Eschelbach
Persönliche Erstattung des Gutachtens.
06.02.14 Pflicht
zur selbständigen Gutachtenerstattung durch den Sachverständigen.
06.02.14 Laufs/Kern:
Pflicht zur persönlichen Gutachtenserstattung
13.01.14 Nachtrag
Zusammenfassung
AbsF04r.