Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=13.01.2014 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung:  09.02.16
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20  D-91052 Erlangen
    Mail: sekretariat@sgipt.org_ Zitierung & Copyright

    Anfang_ Katalog: Absolute Fehler (AbsF)_ Überblick_ Rel. Aktuelles_ Rel. Beständiges _  Titelblatt_ Konzeption_ Archiv_ Region_ Service_iec-verlag _ _Wichtige Hinweise zu Links und Empfehlungen

    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Forensische Psychologie, Kriminologie, Recht und Strafe, Bereich forensische Gutachten, und hier speziell zum Thema:

    Katalog der potentiellen forensischen Gutachtenfehler

    Absolute Fehler (AbsF)

    Zu:
    Potentielle Fehler in forensisch psychiatrischen Gutachten, Beschlüssen und Urteilen der Maßregeljustiz
    Eine methodenkritische Untersuchung illustriert an einigen Fällen u. a. am Fall Gustl F. Mollath
    mit einem Katalog der potentiellen forensischen Gutachtenfehler sowie einiger Richter-Fehler.

    von Rudolf Sponsel, Erlangen
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    Inhaltsübersicht

    Abstract - Zusammenfassung - Summary.

    1. Teil
    Die absoluten Fehler im Recht und Kommentaren.
       AbsF01r im Recht Ungeeignetheit wegen fehlender Sachkunde (Fachkunde).
       AbsF02r im Recht Falsches Verständnis von der eigenen Aufgabe und Rolle.
       AbsF03r im Recht Unzureichende Aufklärung.
       AbsF04r im Recht Befangenheit, Voreingenommenheit, Einseitigkeit.
       AbsF05r im Recht Mangelnde Datenbasis.
       AbsF06r im Recht Begutachtung gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkungsbereitschaft.

    2. Teil
    Die absoluten Fehler in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen.
       AbsF01f Fachmeinungen Ungeeignetheit wegen fehlender Sachkunde (Fachkunde).
       AbsF02f Fachmeinungen Falsches Verständnis von der eigenen Aufgabe und Rolle.
       AbsF03f Fachmeinungen Unzureichende Aufklärung.
       AbsF04f Fachmeinungen Befangenheit, Voreingenommenheit, Einseitigkeit.
       AbsF05f Fachmeinungen Mangelnde Datenbasis.
       AbsF06f Fachmeinungen  Begutachtung gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkungsbereitschaft.

    3. Teil
    Beispiele für absolute Fehler in forensischen Gutachten.
        AbsF01b  Ungeeignet hinsichtlich Qualifikation, Ausbildung oder Erfahrung.
        AbsF02b  Kein richtiges Verständnis der sachverständigen Aufgabe und der Aufgabe der Justizorgane. 
        AbsF03b  Keine angemessene Aufklärung über Rechte, Pflichten, Folgen, Risiken.
        AbsF04b  Befangenheit, Voreingenommenheit, Einseitigkeit, Vorurteile.
        AbsF05b  Mangelhafte oder ungenügende Datengrundlage.
        AbsF06b  Es wird gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkung der ProbandIn gegutachtet.
        AbsF-Xb  Sonstiger, bislang nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Absolut zuzuordnen ist.

    4. Teil
    Literatur * Links * Zitierung * Änderungen.
    Glossar, Anmerkungen und Endnoten
       Eigener wissenschaftlicher Standort * 

     


    Abstract - Zusammenfassung - Summary
    Mit dieser Seite wurden die potentiellen Fehler erstmals gekennzeichnet: AbsFZZr (rechtliche Beurteilungen), AbsFZZf (fachliche Beurteilungen) und AbsFZZb (Beispiele aus Gutachten). Das erleichtert in langen Seiten die Orientierung.
        In dieser Arbeit geht es um "absolute Fehler" in einem forensischen Gutachten. Darunter sind solche zu verstehen, die ein Gutachten nicht verwertbar machen. Dazu gehören:
        AbsF01: mangelnde Eignung mangels Sach- und Fachkunde für eine angemessene Bearbeitung der Beweisfragen, d.h. der Auftrag hätte gar nicht angenommen werden dürfen und die Akten hätten sofort zurückgeschickt werden müssen (Beispiel Prof. Kröber im Falle Ulvi Kulac).
        Bei AbsF02 fehlt das richtige Verständnis und die Unterscheidungsfähigkeit zwischen der sachverständigen Aufgabe und der Aufgabe der Justizorgane (Gericht, Staatsanwaltschaft, Anwaltschaft, Polizei), wenn etwa die Beantwortung einer Rechtsfrage nicht dem Gericht überlassen, sondern selbst vorgenommen wird oder Arbeiten in Angriff genommen werden, die den Ermittlungsbehörden vorbehalten sind. Z.B. auch wenn keine strikte Unterscheidung zwischen den Rechtsbegriffen und ihren fachlichen Entsprechungen der Voraussetzungen eingehalten wird. Dazu kann auch gerechnet werden, wenn der Auftrag in den Hauptsachen gar nicht persönlich ausgeführt, sondern weitergereicht wird.
        AbsF03, wenn keine angemessene Aufklärung über Rechte, Pflichten, mögliche Folgen einer Begutachtung erfolgt.
        AbsF04, Befangenheit, Voreingenommenheit, Einseitigkeit oder Vorurteile machen ein Gutachten wertlos. Befangenheit liegt aus systemischen Gründen zwingend vor, wenn ein Gutachter zugleich Interessenträger in gleicher Sache ist, wie es fast immer bei § 67e StGB Gutachten der Fall ist. Dies müsste bei Reform des § 63 StGB vom Gesetz und bis dorthin von der Rechtsprechung ausgeschlossen werden.
        AbsF05 bedeutet eine mangelhafte oder ungenügende Datengrundlage, die eine angemessene wissenschaftlich fundierte Begutachtung gar nicht ermöglicht (häufig Gutachten nach "Aktenlage").
        AbsF06: Es wird gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkung der ProbandIn gegutachtet, obwohl diese zur wissenschaftlich fundierten Beantwortung der Beweisfrage(n) notwendig ist.
        Die Arbeit ist - wie die anderen Ausarbeitungen zu potentiellen Fehlern in forensischen Gutachten - in vier Teile gegliedert:

      1. Teil: die absoluten Fehler im Recht
      2. Teil: die absoluten Fehler in den forensisch-psychopathologischen Fachmeinungen
      3. Teil: Beispiele für absolute Fehler in forensisch-psychopathologischen Gutachten
      4. Teil: Wissenschaftlicher Apparat: Literatur, Links; Glossar, Anmerkungen und Endnoten.



    1. Teil

    Die absoluten Fehler im Recht und Kommentaren

    § 79 StPO

        (2) Der Eid ist nach Erstattung des Gutachtens zu leisten; er geht dahin, daß der Sachverständige
        das Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstattet habe.
           


    AbsF01r im Recht Ungeeignetheit wegen fehlender Sachkunde (Fachkunde)

    > fachliche (AbsF01f) Beurteilung und Beispiele in Gutachten (AbsF01b).
     
    Zusammenfassung: der absolute Fehler fehlende Sachkunde im Recht
    Sach- oder Fachkunde sind so elementar, dass sie manchmal stillschweigend vorausgesetzt und gar nicht besonders erwähnt werden. Bei genauer Betrachtung gibt es zwei Aspekte: den allgemeinen absoluten und den - einzelfallbezogenen - speziellen absoluten Fehler. Der allgemeine absolute Fehler ist den meisten JuristInnen, ForensikerInnen  und NormalbürgerInnen unmittelbar einleuchtend. 
    Der spezielle Aspekt wird gewöhnlich aber nicht gesehen. Man kann im Allgemeinen fachkundig sein und trotzdem im Einzelfall wenig beitragen können, weil es z.B. an notwendigen Informationen und Daten fehlt. Wer ohne ausreichende Datenbasis gutachtet, begibt sich in eine selbstwidersprüchliche und paranormale Position: er behauptet durch die Gutachtenerstattung zu wissen, obwohl er ja ohne ausreichende Datenbasis gar nichts wissen kann. Implizit behauptet so ein "Gut"achter daher, dass er über okkulte Erkenntnisquellen oder -methoden verfügt. Dieses Problem konnte ich nach über 600 Stunden Analyse inzwischen durch die Konzeption des Meinungsachtens klären. Das hat aber mit aber echter Sach- und Fachkunde nichts zu tun, sondern muss selbst als ernste geistige Verirrung angesehen werden. 
    • Sachgebietshinweis im Anschreiben des Gerichts (der Behörde). 
    • Fehlende Sachkunde im Karlsruher Kommentar. 

    Sachgebietshinweis im Anschreiben
    Viele Gerichte übermitteln mit dem Auftrag und den Akten auch einen Text, der einige absolute Fehler verhindern soll, etwa folgender Art:
     

      Der erste Absatz betrifft AbsF01, der zweite Absatz fordert die persönliche Erledigung in den Hauptsachen, der letzte Absatz betrifft AbsF02-03 und fordert zur entsprechenden Klärung bei Problemen mit Inhalt und Umfang des Auftrags auf.
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    Fehlende Sachkunde im Karlsruher Kommentar
    VI. Aufklärungspflicht und Sachverständigenbeweis, StPO § 244 Beweisaufnahme, Fischer, Karlsruher Kommentar zur StPO 6. Auflage 2008, Rn 42-58 (beck-online Abruf 5.11.13)
     
          "Randnummer 58 Das Gutachten eines Sachverständigen, dem die Sachkunde fehlt oder zu fehlen scheint, der sie jedenfalls dem Gericht nicht zu vermitteln vermag, kann seinen Zweck nicht erfüllen (BGH NStZ 2000, 437; vgl auch unten Rn 203). Es wird dann nach Abs. 2 ein weiterer Sachverständiger angehört werden müssen. Das liegt insb. auch nahe, wenn ein Gutachten sich mit abweichenden Ergebnissen früherer Untersuchungen nicht auseinandersetzt, obwohl die Anknüpfungstatsachen keine wesentliche Änderung erfahren haben (BGH MDR 1978, 109 [H.]); wenn ein Sachverständiger seine Meinung wechselt, ohne dafür eine einleuchtende Erklärung zu geben (BGHSt 8, 113, 116 = NJW 1955, 1642; BGH NStZ 1995, 175; 1999, 630, 631); wenn ein Sachverständiger sich weigert, seine Methoden offenzulegen, oder wenn er Methoden anwendet, die wissenschaftlich nicht anerkannt, nicht überprüfbar oder unausgereift sind (vgl BGH NJW 1978, 1207; BGH NStZ 1985, 515, 516; 1993, 395, 396; 1999, 630, 631; BGH NStZ-RR 1997, 304); wenn das Testmaterial, aus dem der Sachverständige seine Folgerungen zog, nicht zu erlangen und deshalb eine Nachprüfung der Untersuchungsmethode und der Ergebnisse nicht möglich ist (BGH StV 1989, 141); wenn der Sachverständige von wissenschaftlichen Kriterien abweicht, die in seinem Fach anerkannt sind und die Billigung der Rechtsprechung gefunden haben (BGH NStZ 1999, 630, 631; BGH StV 1989, 335 m. Anm. Schlothauer; vgl BGHSt 49, 347 = NStZ 2005, 205 m. Anm. Nedopil JR 2005, 216). Eine Abweichung von den methodischen Regeln, die der 1. Strafsenat in BGHSt 45, 164 für Glaubhaftigkeitsgutachten postuliert hat, begründet grds. nicht die Annahme mangelnder Sachkunde (Einschränkungen schon in BGH NStZ 2001, 45 f [1. StS]; vgl auch BGH 3 StR 464/04; ausf. dazu Fischer in FS Widmaier [2008]). Die Aufklärungspflicht kann es gebieten, in Fällen, die eine außergewöhnliche Sachkunde verlangen, oder in Fällen, in denen die Beurteilung mit einem hohen Fehlerrisiko behaftet ist oder von wissenschaftlich kontrovers diskutierten Fragen abhängig ist, von vornherein mehrere Sachverständige mit der Erstattung von Gutachten zu beauftragen (Alsberg/Nüse/Meyer S. 737); freilich gibt es keinen Rechtssatz des Inhalts, dass zur Beantwortung schwieriger fachwissenschaftlicher Fragen grundsätzlich mehrere Sachverständige heranzuziehen sind (BGHSt 3, 169, 175 = NJW 1952, 1343; 23, 176, 187 = NJW 1970, 523). Auch in Fällen nicht behebbarer gerichtlicher Unkenntnis (zB bei von Laien auch nach methodischer Aufklärung nicht überprüfbaren Fachfragen aus Naturwissenschaft, Technik oder Medizin), kann die Aufklärungspflicht die Anhörung eines zweiten Sachverständigen fordern, um wenigstens eine kritische Diskussion der Experten zu ermöglichen. Endet diese kontrovers und ohne argumentative Vorteile für die eine Seite, wird die dem Angeklagten günstigere Meinung zugrunde gelegt werden müssen (BGH NStZ-RR 1997, 42, 43; Wasserburg aaO S. 335; vgl auch BGH NJW 1987, 442)."


    Eschelbach Erforderliche Sachkunde Rn 113 in 4. Pflichten und Pflichtverletzungen durch den Sachverständigen. In: BeckOK StGB § 20, Rn 110 - 118, Hrsg: von Heintschel-Heinegg Stand: 22.07.2013, Edition: 23.
     

          "Randnummer 113 Der Sachverständige hat nach seiner gerichtlichen Beauftragung zuerst und unverzüglich zu prüfen, ob er die erforderliche Sachkunde besitzt, oder ob ein Sachverständiger aus einer anderen Fachrichtung zuständig ist (Ulrich Rn 336). Dadurch soll eine unnötige Verfahrensverzögerung vermieden werden, die entsteht, wenn der Sachverständige die Sache in der Bearbeitungsreihenfolge verschiedener Aufträge hintanstellt, daher erst lange nach dem Eingang des Gutachtenauftrages feststellt, dass die Beweisfrage nicht in seinen Kompetenzbereich gehört und dann mit Verzögerung den Gutachtenauftrag ablehnt. Die Verzögerung der Sachkundeprüfung ist ein Fehler. Eine Kompetenzüberschreitung bei der Sachkundebejahung kann einen Ablehnungsgrund liefern und das Gutachten unverwertbar machen (Dippel, 117). Ferner ist von dem Sachverständigen nach Eingang des Gutachtenauftrages unverzüglich zu prüfen, ob der Auftrag ohne eine Hinzuziehung weiterer Sachverständiger erledigt werden kann. Andernfalls ist eine Rücksprache mit dem Gericht erforderlich. Nach dem gerade in Haftsachen besonders bedeutungsvollen § 73 Abs 1 S 2 StPO soll das Gericht stets dann, wenn die Eilbedürftigkeit nicht ohnehin klar auf der Hand liegt und die rasche Gutachtenerstellung gesichert erscheint, mit dem Sachverständigen eine Absprache über die Frist für die Gutachtenerstattung treffen (Dippel, 108 f; Ulrich Rn 358). Darin liegt eine allgemeine Verpflichtung (Dippel FS Egon Müller 2008, 125, 135), die im Vorverfahren auch für die Staatsanwaltschaft Bedeutung besitzt (OLG Bremen StV 1997, 143 f). Ist die Möglichkeit zur raschen Gutachtenerstellung nicht gesichert, so hat der Sachverständige das Gericht darüber unverzüglich in Kenntnis zu setzen, um ihm die Beauftragung eines anderen Sachverständigen zu ermöglichen. Die mangelnde Bereitschaft zur Anerkennung einer angemessenen Frist kommt einer Weigerung im Sinne von § 77 Abs 2 S 1 StPO gleich (Dippel, 110)."


    AbsF02r im Recht Falsches Verständnis von der eigenen Aufgabe und Rolle

    > fachliche (AbsF02f) Beurteilung und Beispiele in Gutachten (AbsF02b).
     
    Zusammenfassung: der absolute Fehler Falsches Verständnis im Recht
    Der Unterschied zwischen Rechtsbegriff und seinen fachwissenschaftlichen Entsprechungen ist oft nicht klar. Hier versagt die Rechtswissenschaft mehr als erträglich. Manchmal fragen die Justizorgane, insbesondere Staatsanwaltschaften selbst falsch z.B. nach einem "Schuldfähigkeitsgutachten", obwohl den Behörden doch klar sein sollte, was die Aufgabe des Sachverständigen und die des Gerichts oder der Justizorgane ist. Mit dieser Unklarheit trägt das Recht selbst massiv dazu bei, dass die Grenzen der Aufgaben des Sachverständigen undeutlich bleiben und er seine Kompetenzen unter- oder überschreitet. Die immer wieder diskutierte und umstrittene Grundfrage lautet: was ist Sache des Sachverständigen und was nicht? Er soll sich auf seine Kernaufgabe der Beantwortung der Beweisfrage beschränken und nicht ermitteln, nicht Partei ergreifen, sich nicht über- oder unteridentifizieren mit der Rolle oder einer Partei. 
    • Das Problem der Rechtsbegriffe.
    • Streng: Gutachter kein Überführungsgehilfe.
    • Eisenberg "c) [...Wahrheit...].
    • Tondorf & Tondorf: Keine Informationsgewinnung ohne Genehmigung durch den Auftraggeber.
    • Parviz Rechtsfragen im Beweisbeschluss.
    • Laufs/Kern: Genau an den Beweisbeschluss halten. 

    Das Problem der Rechtsbegriffe und ihrer unklar-diffusen Entsprechungen am Beispiel: "Einwilligungsfähigkeit als “schwammiger Rechtsbegriff”, sehr wichtig auch der Begriff der Einsichtsfähigkeit.

          Der Vorsitzende des Hartmannbundes Dr. Klaus Reinhardt wird im Ärzteblatt zitiert mit: „Bei der vermeintlich so einfachen Bestimmung der Einwilligungsfähigkeit des Patienten treten in der täglichen Praxis Tausende Grenzfälle auf“, sagte der HB-Vorsitzende. Es sei inkonsequent und inakzeptabel, Ärzte aufzufordern, die Einwilligungsfähigkeit der Patienten zu bestimmen, ihnen aber als Grundlage dafür nur schwammige Rechtsbegriffe an die Hand zu geben. [Quelle: psychiatrienogo am 1. August 2012 in Zwang und Gewalt]


    Gutachter kein Überführungsgehilfe Streng, Franz (2001) StGB § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen, Münchener Kommentar zum StGB 2. Auflage 2011: "Randnummer 168 .... Es darf sich der Gutachter nicht in die Rolle eines Überführungsgehilfen begeben. zur Fussnote [6]."

    Eisenberg "c) [...Wahrheit...]

      Randnummer 1506 Der Sv hat ebenso wie die StA (bzw die Polizei) oder das Gericht ohne Bevorzugung irgendeiner Verfahrensseite und insbesondere ohne inhaltliche Bindung an etwaige Ergebniserwartungen seines Auftraggebers nach Wahrheit zu streben. Wenn auch seine Aussagen im Allgemeinen leichter zu überprüfen sind als Zeugenaussagen, ist er ein Beweismittel wie jedes andere auch. FN17
      Jedoch darf der Sv nicht Würdigungen zu solchen Fragen vornehmen, die von dem Auftrag unberührt in der Kompetenz der StA (bzw der Polizei) oder des Gerichts verblieben sind (vgl auch 1604). Vielmehr sollte er zur Wahrung der Unschuldsvermutung (und zumal bei die Tat bestreitenden Beschuldigten) zB auf die Gefahr von Rückschlüssen bei der Strafjustiz hinsichtlich der Frage der Täterschaft auf Grund seiner Befunde und Interpretation zur Persönlichkeit des Beschuldigten hinweisen (vgl n Wegener FS-Rasch 180; Leygraf FS-Rasch 82 ff)."
          Quelle: Eisenberg, Ulrich (2011) I. Begriff und Stellung des Sachverständigen, in Erstes Kapitel. Voraussetzungen und Gestaltung der Tätigkeit Ulrich Eisenberg Beweisrecht der StPO. 8. Auflage 2011, Rn 1500-1517c


    Tondorf & Tondorf (2011) Rn 274 "8. Keine Informationsgewinnung ohne Genehmigung durch den Auftraggeber

      Der Sachverständige hat keine eigenen Rechte auf Informationsgewinnung, auf  Durchführung einer Zeugenvernehmung oder Vornahme einer Akteneinsicht, wie sich aus einem Rückschluss aus § 80 StPO ergibt. Benötigt der Gutachter weitere Beweiserhebungen wie z.B. auch Anwesenheit bei Vernehmungen oder Gestattung von Fragen, so sollte und muss er bei der Staatsanwaltschaft/Gericht vorstellig werden. Kommt diese seinem Verlangen nicht nach, kann ihm ein Mangel des Gutachtens nicht vorgeworfen werden, da dieser auf dem Unterlassen der erbetenen Unterstützung beruht. Möglicherweise kann aber dem Gericht vorgeworfen werden, dass es gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen hat FN685.
      Rn 275  Vernehmungen, die der Sachverständige ohne Auftrag vornimmt, sind Verfahrensrechtlich bedenklich. Als Zeuge vom Hörensagen hat seine Bekundung wenig Gewicht, zumal immer hinterfragt werden muss, ob er als „Richtergehilfe" die gem. §§ 52 ff., 136, 136a StPO zu beachtenden Pflichten eingehalten hat FN686."


    Parviz "Rechtsfragen im Beweisbeschluss

      Der „Umfang der Minderung wegen Mängeln“ ist Rechtsfrage und allein vom Richter zu beantworten, dennoch eine in der Praxis mehr als verbreitet anzutreffende Formulierung in Beweisbeschlüssen. Dass gerade die Beantwortung von Rechtsfragen aber leicht zu vermeiden wäre, wenn der Blick darauf geschärft wird, lässt sich an einigen Beispielen verdeutlichen FN13.  ... ...
          IV. Zusammenfassung  Der gerichtlich bestellte Sachverständige ist in jeder Hinsicht gut beraten, wenn er Beweisbeschlüsse aufmerksam zur Kenntnis nimmt, diese selbst prüft und nicht sklavisch alles vom Gericht vorgegebene „abarbeitet“. Gerade im Hinblick auf denkbare Haftungsprobleme, die im gerichtlichen Bereich zwar eine eher untergeordnete Rolle spielen, aber gerade in Bezug auf die Gefahr, eine begründete Ablehnung zu kassieren und damit den Vergütungsanspruch für die eigene Tätigkeit zu verlieren, sollte es im Interesse eines jeden Sachverständigen sein, hier aktiv mitzuarbeiten. Der sicherlich einfachste Weg ist bei Unklarheiten und missverständlichen Formulierungen eine Anleitung durch das Gericht einzufordern oder zumindest aus eigenem Antrieb eine Konkretisierung des Beweisbeschlusses herbeizuführen."
          Quelle: Parviz, Simon (2013) Das Spannungsfeld zwischen Richter und Sachverständigem – Anforderungen an Beweisbeschlüsse und Klarheit des gutachterlichen Auftrags. INGservice Januar/Februar 2013, 3-5. [PDF]


    Genau an den Beweisbeschluss halten 21. Kapitel. Der Arzt als Sachverständiger und Gutachter. In: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage 2010.

      "Randnummer 5 Beispiel: Der medizinische SV, der nach einem vom Kläger behaupteten Behandlungsfehler des beklagten Arztes gefragt wird, darf von sich aus nicht – ohne vorher zumindest telefonischen Kontakt zum zuständigen Richter aufgenommen zu haben – auch noch ungefragt in seinem Gutachten zur Problematik ärztlicher Aufklärungsmängel, oder als Internist zudem noch zur Beurteilung des Behinderten hinsichtlich seiner Wirbelsäule Stellung beziehen. Denn im Zivilprozess mit seinen Parteimaximen ist der SV streng an seinen Gutachtensauftrag – dh an das Beweisbeschlussthema und die darin enthaltenen Fragen – gebunden."


    Persönliche Erstattung des Gutachtens
    Angesichts der klaren rechtlichen Bestimmungen sollte man es nicht für möglich halten, dass es forensische GutachterInnen gibt, die ihre Gutachten auch in wesentlichen Teilen, wie z.B. der Exploration, von Bediensteten und HelferInnen erledigen lassen. Das ist natürlich dann kein Problem, wenn die Gerichte dies - m.E. rechtswidrig - decken. Besondere Kandidaten für solche rechtswidrigen Gutachtenerstattungen sind Direktoren, Vorstände, Klinikleiter, die aufgrund ihrer beruflichen Stellung ein elitäres Bewusstsein ("Fürst-Syndrom") ausgebildet haben und daher für die richtige Arbeit ihre Bediensteten einsetzen. Das erklärt mitunter auch, wenn sie selbst mal in die Pflicht genommen werden, dass sich dann schauderhafte Inkompetenz zeigt.

    BGH: Sachverständigengutachten – Übertragung auf Hilfsperson, NStZ 2012, 103

      Sachverständigengutachten – Übertragung auf Hilfsperson
      StPO §§ STPO § 72ff.
      Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger hat die Pflicht zur persönlichen Gutachtenerstattung. Es besteht daher ein Delegationsverbot, soweit durch Heranziehung anderer Personen die Verantwortung des Sachverständigen für das Gutachten in Frage gestellt wird. (Ls d. Schriftltg.)
      BGH, Beschluss vom 25. 5. 2011 - 2 StR 585/10 (LG Mainz)


    Eschelbach Persönliche Erstattung des Gutachtens Rn 111 und Rn 112 in 4. Pflichten und Pflichtverletzungen durch den Sachverständigen. In: BeckOK StGB § 20, Rn 110 - 118, Hrsg: von Heintschel-Heinegg Stand: 22.07.2013, Edition: 23. [fett-kursiv RS]
     

          "Randnummer 111 Es gilt die Pflicht des gerichtlich bestellten Sachverständigen zur persönlichen Gutachtenerstattung (Nedopil/Müller, 31). Daraus folgt ein Delegationsverbot für den psychiatrischen Sachverständigen (Feddern/Widder MedSach 2009, 93, 94; Schmid, 479; Schnoor, 125 ff; Streng Rn 763; Ulrich Rn 337), wie es in § 407a Abs 2 S 1 ZPO ausdrücklich genannt ist (KG Beschl v 10.6.2010 – 20 W 43/10; Stein/Jonas/Leipold ZPO § 407a Rn 4), aber nach der Natur der Sache – erst recht – auch im Strafprozess zu beachten ist. Der psychiatrische Hauptsachverständige kann zwar – von einem durchaus angreifbaren Standpunkt in der Rechtsprechung aus – selbst testpsychologische Zusatzgutachten einholen und diese in sein Gutachten übernehmen; er muss sie dann aber zumindest auch verantwortlich in seine Bewertung aufnehmen. Kann er dies nicht, dann verfehlt der (Haupt-) Sachverständige seine Aufgabe (MünchKommStGB/Streng StGB § 20 Rn 170). Die Verantwortung für das Gutachten im Ganzen trägt nämlich alleine der vom Gericht beauftragte Sachverständige. Er darf also einerseits Hilfspersonen einschalten, wobei andererseits immer gewährleistet bleiben muss, dass dadurch nicht seine Gesamtverantwortung in Frage gestellt wird (vgl OLG Köln Beschl v 20.7.2011 – 17 W 129/11; BeckOK Graf/Monka StPO § 73 Rn 2; Sass in Kröber/Dölling/Leygraf/Sass Handbuch der Forensischen Psychiatrie Bd 1, 430 f; Schnoor, 127). Der eingeschaltete Mitarbeiter ist zudem namhaft zu machen (KG Beschl v 10.6.2010 – 20 W 43/10), soweit nicht nur ganz untergeordnete Hilfsdienste, etwa bei der Literaturbeschaffung oder schreibtechnischen Abfassung des Gutachtens, in Anspruch genommen werden. Der Umfang der Einschaltung eines Gehilfen ist zu benennen (§ 407a Abs 2 S 2 ZPO). Werden diese Angaben nicht gemacht, obwohl sie im Einzelfall erforderlich sind, dann folgt schon daraus die Unverwertbarkeit des Gutachtens (vgl KG Beschl v 10.6.2010 – 20 W 43/10; OLG Köln Beschl v 20.7.2011 – 17 W 129/11; Stein/Jonas/Leipold ZPO § 407a Rn 6). Eine Delegation der Exploration ist generell nicht zulässig (Feddern/Widder MedSach 2009, 93, 94), weil es sich dabei um die zentrale Untersuchungsmethode des gerichtlichen Sachverständigen bei der psychiatrischen Gutachtenerstellung handelt. Erst recht darf der gerichtlich bestellte Sachverständige niemals selbst einen anderen Sachverständigen beauftragen, dessen Gutachten er nicht wenigstens überprüft und in seine Verantwortung übernimmt (Meyer-Goßner StPO § 73 Rn 3, Schnoor, 126; Zuschlag, 47). Denn die Beauftragung von Gerichtssachverständigen ist in allen Verfahrensstadien, auch im Vorverfahren, alleine die Aufgabe des Richters (Dippel FS Egon Müller 2008, 125, 133).

          Randnummer 112 Schon die Praxis der Anfertigung des Gutachtens durch eine andere Person als den gerichtlich beauftragten Sachverständigen, welches es sodann mit der Bemerkung „nach eigener Prüfung einverstanden“ oder einer ähnlichen Formel mit unterzeichnet (Sarstedt NJW 1968, 177, 180), erscheint fehlerhaft (Schnoor, 126; Schreiber/Rosenau in Venzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung, 159). Bei einem psychiatrischen Gutachten darf der gerichtliche Sachverständige aber insbesondere die persönliche Begegnung mit dem Probanden und das Explorationsgespräch nicht auf Mitarbeiter übertragen (zu § 407a ZPO OLG Köln GesR 2010, 370, 371; Beschl v 20.7.2011 – 17 W 129/11). Erst recht ist eine autonome Beauftragung eines weiteren Sachverständigen durch den gerichtlich beauftragten Sachverständigen zu dessen eigenverantwortlicher Gutachtenerstattung ohne eigene Verantwortungsübernahme offensichtlich unvertretbar (Dippel, 91; Schnoor, 126; willkürlich aA OLG München Beschl v 29.9.2008 und v 20.10.2008 – 2 Ws 1122/07 – 2 Abl 2/08; vgl dazu Paeffgen/Wasserburg GA 2012, 535, 552). Auch eine nachträgliche gerichtliche Genehmigung der Delegation des Auftrags durch den Sachverständigen kommt nicht in Frage (BSG NJW 1965, 368; Feddern/Widder MedSach 2009, 93, 94), weil sie eine Disqualifizierung des gerichtlichen Sachverständigen durch die Verletzung des Delegationsverbots unter Nichtbeachtung von Gericht und Verfahrensbeteiligten nicht kompensieren kann. Das Akzeptieren solcher Vorgehensweisen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen durch das Gericht ist sogar eine eigene grobe Pflichtverletzung des Gerichts (Schnoor, 126 f). Der Sachverständige ist also generell nicht dazu befugt, von sich aus den Auftrag auf einen anderen zu übertragen (Schnoor, 126; Ulrich Rn 337). Es ist ferner unzulässig, dass sich der gerichtliche Sachverständige bei der Meinungsbildung oder bei der Äußerung seiner Ansichten gegenüber dem Gericht vertreten lässt (KG Beschl v 10.6.2010 – 20 W 43/10; K. Müller Rn 538)."


    Pflicht zur selbständigen Gutachtenerstattung durch den Sachverständigen
    § 1 Zivilrechtliche Arzthaftung, Terbille, Terbille/Clausen/Schroeder-Printzen, Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht 2. Auflage 2013, Rn 212-214

      "f)  Pflicht zur selbständigen Gutachtenerstattung durch den Sachverständigen.
          Randnummer 212 Der gerichtlich bestellte Sachverständige darf bei der Vorbereitung und Abfassung seines schriftlichen Gutachtens wissenschaftliche Mitarbeiter oder sonstige geeignete Hilfskräfte gemäß § 407a Abs. 2 ZPO nur insoweit zu seiner Unterstützung heranziehen, wie seine persönliche Verantwortung für das Gutachten insgesamt uneingeschränkt gewahrt bleibt. Unterzeichnet der Sachverständige das von einem seiner ärztlichen Mitarbeiter aufgrund klinischer Untersuchungen erstellte schriftliche Gutachten nur mit dem Vermerk „einverstanden“, wird dadurch nicht hinreichend erkennbar, dass er die ihm obliegende volle Verantwortung für das Gutachten übernommen hat und nach seinem eigenen Kenntnisstand dazu auch in der Lage war. Wissenschaftliche Mitarbeiter dürfen lediglich bei der Vorbereitung und Abfassung eines schriftlichen Gutachtens unter der Verantwortung des Sachverständigen tätig werden. Der Sachverständige entzieht sich seiner Gesamtverantwortlichkeit für das Gutachten jedoch dann nicht, wenn er das Gutachten nicht nur mit „einverstanden“, sondern mit „einverstanden aufgrund eigener Untersuchung und Urteilsfindung“ unterzeichnet. zur Fussnote 481 Muss eine Untersuchung des Patienten erfolgen, bedeutet das, dass der Gerichtssachverständige auch an dieser Untersuchung teilzunehmen hat. Insbesondere bei psychiatrischen Gutachten darf der benannte Sachverständige seinem Mitarbeiter nicht die persönliche Begegnung mit der zu explorierenden Person allein überlassen. zur Fussnote 482
          Randnummer 213 Hat eine vom gerichtlich bestellten Sachverständigen beauftrage Hilfsperson das Gutachten eigenverantwortlich erstellt und hat der gerichtlich bestellte Sachverständige eine eigene Untersuchung gar nicht vorgenommen, kann er die Verantwortung für das Gutachten nicht aufgrund eigener Urteilsbildung übernehmen.


    Laufs/Kern: Pflicht zur persönlichen Gutachtenserstattung

      "§ 122 Einzelne Pflichten des Sachverständigen bei der Begutachtung, Schlund, Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage 2010, Rn 15-17, 1. Pflicht zur persönlichen Gutachtenserstattung.
          Randnummer 15 Seit vielen Jahren kann es in der Rechtsprechung zur Fussnote [1] als gesichert gelten, dass der vom Gericht in personam auszuwählende SV in der Regel sein Gutachten auch in eigener Person zu erstatten hat. Der Grund für diese Pflicht zur persönlichen Erstattung des Gutachtens dürfte wohl darin zu erblicken sein, dass gerade der ausgewählte SV und kein anderer mit der Erstellung des Gutachtens betraut wird, weil er eine besondere Sachkunde, oder jahre-, wenn nicht gar jahrzehntelange praktische Erfahrung oder eine besondere persönliche Integrität besitzt, die ihn aus dem Kreis der anderen (möglichen) SV besonders hervorhebt. Selbst wenn – fälschlicherweise – noch immer von Gerichten zum Teil Behörden, Kliniken oder Institute anstelle von Personen mit der Erstellung von Gutachten beauftragt werden, so sollten diese auch in der Regel nur vom jeweiligen Direktor oder Leiter erstellt werden.
          Randnummer 16 Geschieht dies jedoch nicht und können die Beteiligten den eigentlichen Gutachtenerstatter nicht sicher eruieren, verwendet das Gericht aber auch noch ein solches Gutachten bei seiner Entscheidung, dann liegt in aller Regel ein Verfahrensverstoß vor, der zur Urteilsaufhebung führen kann. Jedes richtigerweise vom einzelnen SV angeforderte Gutachten muss also von diesem auch in den wesentlichen Phasen und bedeutsamen Stadien persönlich erstellt werden.
          Randnummer 17 Das dürfte erwiesener- und zugegebenermaßen bei großen Kliniken und den mit einer Gutachtenerstattung in zahlreichen Fällen betrauten Chefs häufig problematisch sein. Man findet hier leider auch heute noch in Gutachten von Universitätskliniken lediglich links unten den Institutsleitervermerk: „einverstanden Prof Dr X“ und dgl; und mehr hat dieser Chef oft auch mit der Gutachtererstellung faktisch nicht zu tun gehabt. Eine solche Übung widerspricht jedoch schon seit vielen Jahren der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung."

    AbsF03r im Recht Unzureichende Aufklärung

    > fachliche (AbsF03f) Beurteilung und Beispiele in Gutachten (AbsF03b).
     
    Zusammenfassung: der absolute Fehler Unzureichende Aufklärung im Recht
    Die Aufklärungs- und Informationspflicht in forensisch-psychopathologischen Gutachtensituationen wird gewöhnlich sehr verkürzt verstanden, wobei noch nicht einmal eine schriftliche Dokumentation verlangt wird und damit dass alltägliche Niveau in einer Arztpraxis weit unterboten wird. Schon hier wird deutlich, dass eine forensisch-psychopathologische ProbandIn als Mensch minderer Klasse behandelt wird. Andererseits kann verständnisangemessene Aufklärung im forensisch-psychopathologischen Bereich auch sehr schwierig, manchmal sogar unmöglich sein, wenn die Verwirrung oder der pathologische Zustand zu ausgeprägt ist.
        Im Allgemeinen werden die ProbandInnen nur informiert, dass sie an der Begutachtung nicht mitwirken müssen und dass im Falle einer Mitwirkung die ärztliche Schweigepflicht nicht gilt. Zu einer umfassenden und notwendigen Aufklärung gehört aber natürlich, über alle wichtigeren Vor- und Nachteile einer forensisch-psychopathologischen Begutachtung zu informieren, sich unter Angabe der Methode des Verständnisses der Information zu vergewissern und schriftlich bestätigen zu lassen.
    • Streng im Münchner Kommentar über Aufklärung.
    • Tondorf & Tondorf über die Pflicht zur umfassenden Aufklärung.
    • Beppel: Aufklärungsbegriffe im Arztrecht.
    • Anmerkung zu Laufs/Kern Handbuch des Arztrechts.

    Streng, Franz (2001) StGB § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen, Münchener Kommentar zum StGB 2. Auflage 2011:

      "Randnummer 168 Vor der folgenden Untersuchung ist eine Aufklärung des Probanden über die gutachterliche Funktion im Verfahren und eine Belehrung iS von § 136 Abs. 1 S. 2 StPO über das Recht des Probanden, die Kooperation zu verweigern bzw. zu schweigen, erforderlich; FN2 die entgegenstehende Ansicht des BGH und in der Lit. FN3 wird der Rolle des Gutachters als Richtergehilfe nicht gerecht. Angesichts seiner prozessualen Rechtsstellung und aus standesrechtlichen Gründen muss der forensische Psychogutachter über seine Funktion im Verfahren aufklären. Ein Schweigen darüber, dass im Rahmen einer Begutachtung der Sachverständige sich dem Gericht gegenüber nicht auf die ärztliche Schweigepflicht und damit auch nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht iS von § 53 StPO berufen kann, FN4  evtl. bei gleichzeitiger Vorspiegelung einer scheinbar allein dem Probanden nützlichen Therapeutenrolle, müsste man letztlich als Verstoß gegen § 136 a StPO ansehen. FN5 Es darf sich der Gutachter nicht in die Rolle eines Überführungsgehilfen begeben. FN6."


    Tondorf  & Tondorf "9. Umfassende Pflicht zur Aufklärung des Probanden über sein Recht, jede aktive Mitwirkung zu verweigern

      276 Der forensische Psychiater sollte sich rein vorsorglich dem Probanden gegenüber von Beginn seiner Tätigkeit an als Gehilfe des Gerichts zu erkennen geben und seine ärztlichen Qualifikationen lediglich als eine dem Gericht (nicht aber dem Probanden gegenüber) dienstbare Fähigkeit darstellen. Dadurch ist die Arztrolle, die der Ausgangspunkt für den durch § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO gewährten Schutz ist, gleichsam „am Entstehen gehindert."FN687 Kühne billigt dem forensischen Psychiater entgegen der herrschenden Meinung FN688 in der Literatur hinsichtlich aller Informationen, die er auf Grund einer prozessual nicht erzwingbaren Mitwirkung des Beschuldigten erlangt hat, ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Dieses sei durch § 203 StGB zugunsten des Probanden abgesichert. Nach einer solchen Belehrung könne der Proband später nicht behaupten, seine Intimsphäre im Vertrauen auf die Sonderposition des Arztes offenbart zu haben. Gebe er in diesem Fall Geheimnisse preis, tue er dies gegenüber einer Person, die in Bezug auf seinen Diskretionsschutz nicht anders als ein Staatsanwalt oder Polizist zu betrachten sei. Der Sachverständige habe seine Informationen dann nicht in seiner Eigenschaft als Arzt erlangt, so dass kein Zeugnisverweigerungsrecht bestehe. Kühne empfiehlt dem forensischen Gutachter, eine derartige Belehrung zur Beweissicherung schriftlich zu fixieren. Die Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts weise dem Gutachter einen klaren Weg aus dem berufsethischen Dilemma, welches sich daraus ergebe, dass der Untersuchte nicht mehr Gefahr laufe, durch Schenken von unbegründetem Vertrauen Informationen preiszugeben, die er ohne dieses Vertrauen nicht preisgegeben hätte.FN689 Zugleich müssten sich Justiz und forensische Psychiater nicht länger den Vorwurf gefallen lassen, „in einer Grauzone des Rechts Informationen zu erlisten." FN689 Durch Aufklärung des Probanden über sein ausschließlich amtliches Tätigwerden kann der ärztliche Gutachter also seine Rolle klarstellen und die Fallen der §§ 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO und 203 Abs. 1 StGB umgehen. Zugleich verhindert er möglichen Streit in der Hauptverhandlung."


    Aufklärungsbegriffe im Arztrecht
    Beppel, Antje  (2007) Ärztliche Aufklärung in der Rechtsprechung. Die Entwicklung der Rechtsprechung zur ärztlichen Aufklärung in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Göttingen: Universitätsverlag.

      Das Werke unterscheidet A. Eingriffsaufklärung, B. Sicherungsaufklärung (therapeutische Aufklärung), C. Diagnoseaufklärung, D. Wirtschaftliche Aufklärung.


    Anmerkung zu Laufs/Kern Handbuch des Arztrechts

      21. Kapitel. Der Arzt als Sachverständiger und Gutachter. In: Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Auflage 2010
      Das 21. Kapitel äußert sich nicht zur "Aufklärungspflicht" des forensischen medizinischen Sachverständigen, lediglich "Zum Umfang der Aufklärungspflicht bei minderjährigen Patienten" wird das OLG Koblenz zitiert.



    AbsF04r im Recht Befangenheit, Voreingenommenheit, Einseitigkeit

    > fachliche (AbsF04f) Beurteilung und Beispiele in Gutachten (AbsF04b).
     
    Zusammenfassung: der absolute Fehler Befangenheit im Recht
    Befangenheit oder Voreingenommenheit verletzt eine elementare Voraussetzung für jeden Sachverständigen. Zu seinen grundsätztlichen und selbstverständlichen Pflichten gehört, dass er unparteiisch und neutral, ohne jede Voreingenommenheit oder Vorurteil, einzig der wahrheitsgemäßen Sachaufklärung der Beweisfragen verpflichtet, seine Aufgabe gemäß § 79 StPO nach bestem Wissen und Gewissen erfüllt. So weit die Theorie. In der Praxis ergeben sich sich hier aber nicht selten erhebliche Probleme, besonders im Strafrecht (Anmerkung: Das Zivilrecht scheint strengere Maßstäbe anzulegen) z.B. wenn aus der Anklageschrift Tatvorwürfe oder andere mit den Tatvorwürfen in Zusammenhang stehende Sachverhalte als wahre "Anknüpfungstatsachen" einfach unterstellt oder alternative, auch entlastenede Sachverhalte nicht ausdrücklich berücksichtigt werden. Eine der bekanntesten, elementarsten, allgemeinsten und auch vom einfachen Bürger gut nachvollziehbarer und akzeptierter allgemeiner  Rechtsgrundsatz lautet: man muss beide Seiten hören (berücksichtigen), pro und contra, für und wider in seine Hypothesen einbeziehen. Gutachten, die das nicht klar erkennen lassen, sind ein guter Kandidat für Befangenheit. 
    Befangenheit aus systemischen Gründen liegt zwingend vor, wenn ein Gutachter zugleich Interessenträger in gleicher Sache ist, wie es fast immer bei § 67e StGB Gutachten der Fall ist (extrem im Fall Gustl F. Mollath). Dies müsste bei Reform des § 63 StGB vom Gesetz und bis dorthin von der Rechtsprechung ausgeschlossen werden. 
    • Eisenbergs Distanzgebot (Rn 1797). 
    • Eisenberg zu Voreingenommenheit (Rn 1811).
    • Leipold "III. Vorliegen der Besorgnis der Befangenheit..."
    • Monka (BOK) "B. Besorgnis der Befangenheit.
    • Blau Der befangene Sachverständige im Strafprozeß. 

    Eisenbergs Distanzgebot in Zweites Kapitel. Untersuchungen (überwiegend) personenbezogener Art, Ulrich Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 8. Auflage 2011, Rn 1797-1813a

      "a) [...Vorbereitung...]
      Randnummer 1797 Im Rahmen der Vorbereitung des Gutachtens ist eine hinreichende Distanz gegenüber den in den Akten enthaltenen (wahren oder falschen) Tatsachenangaben wie Wertungen geboten (vgl n 1591, erg 1801), um der Unschuldsvermutung (Art 6 Abs 2 EMRK) zu genügen und eine Beeinflussung durch den strafrechtlichen Vorwurf (nach Möglichkeit) zu vermeiden (vgl aber 1811). So können zB die Voraussetzungen einer Exploration beeinträchtigt sein, wenn der Beschuldigte sich idZ wie ein bereits Überführter und gar negativ Stigmatisierter behandelt sieht. Zwar stellen die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB auf den psychischen Zustand im Tatzeitpunkt ab, jedoch darf das Tatverhalten nicht Grundlage für Rückschlüsse auf die psychische Verfassung sein. zur Fussnote FN433"


    Eisenberg zu Voreingenommenheit in Zweites Kapitel. Untersuchungen (überwiegend) personenbezogener Art, Ulrich Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 8. Auflage 2011, Rn 1797-1813a

      "c) [... Fehlern, ...]
      Randnummer 1811 aa) Unter den besonders häufigen Fehlern, die innerhalb einschlägiger Gutachten (vgl 1613 ff) vorkommen, sind zunächst solche zu nennen, die auf eine mehr oder weniger ausgeprägte Form der Voreingenommenheit des Sv (vgl allg 1616–1617) schließen lassen (zu Einzelbeisp Böhle RuP 94 18 ff; Kobbé RuP 94 23 f; s auch Rasch 329).
      Anhaltspunkte dafür finden sich etwa bei selektiven Aktenauszügen, in eine bestimmte Richtung hin wiedergegebenen Aussagen des Pb, verbalen Unterstellungen bzw Verdächtigungen wie auch offenen oder verdeckten Einschränkungen hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Angaben bzw der persönlichen Glaubwürdigkeit des Pb einschließlich etwaiger Vorwürfe betr "Leugnen" des Tatvorwurfs; so liegt ein Mangel regelmäßig zumindest dann vor, wenn eine Wiedergabe der Entstehungszusammenhänge der vorgeworfenen Tat iSd Version des Pb fehlt. Entsprechendes gilt bei moralisierenden, den Betroffenen abwertenden Zuschreibungen oder bei Bewertungen ohne (hinreichende) Begründung durch vorhandene diagnostische Befunde.
      Indes besteht die Gefahr solcher Fehler auch dann, wenn einschlägige Anhaltspunkte weniger greifbar sind, weil die selektive Befundsuche oftmals unbewusst davon geleitet ist, ein favorisiertes oder gar bereits gewähltes Ergebnis zu bestätigen (vgl auch Jonas ua ZexPsych 01 239)."


    Leipold "III. Vorliegen der Besorgnis der Befangenheit

      Grundsätzlich ist das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes vom Standpunkt des Ablehnenden aus zu beurteilen. Ob also der Abgelehnte tatsächlich befangen ist, ist nicht entscheidend. Es muss nur die Besorgnis der Befangenheit bestehen, also der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme haben, dass der oder die abgelehnten Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnehmen, die ihre Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (BVerfGE 32, BVERFGE Jahr 32 Seite 288).
          Eine solche Besorgnis besteht beispielsweise dann, wenn der Richter schon vor der Hauptverhandlung gegenüber dem Angeklagten erklärt, dass er für das Gericht der Typ eines Gewohnheitsverbrechers sei (BGH, NJW 2002, NJW Jahr 2002 Seite 3484), oder wenn der wegen Drogenhandels Angeklagte zu einem Geständnis gedrängt wird mit dem Hinweis, dass man in Malaysia für so etwas mit 40 Jahren Gefängnis und in den USA mit der Todesstrafe rechnen müsse (BGH, NStZ 1991, NSTZ Jahr 1991 Seite 226). FN2"
          Quelle. Leipold: Besorgnis der Befangenheit NJW-Spezial 2006, 471


    Monka (BOK) "B. Besorgnis der Befangenheit

      Randnummer 2 Ein sonstiger Ablehnungsgrund liegt vor, wenn die Besorgnis der Befangenheit besteht, wenn also ein Grund vorliegt, der verständigerweise ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigt (BGHSt 8, 144, 145). Dabei kommt es auf den Standpunkt des verständigen Ablehnenden an, nicht auf den des Gerichts (BGHSt 8, 226, 233). Es müssen vernünftige Gründe vorgebracht werden, die jedem unbefangenen Dritten einleuchten. Das Gericht muss dabei die Ablehnungsgründe in ihrer Gesamtheit würdigen. Ob sich der Gutachter befangen fühlt, spielt keine Rolle.

      "Randnummer 3 Eine mögliche Befangenheit des Sachverständigen kann sich aus Fehlern im Vorgehen, aus Eigeninteressen oder aus Kompetenzüberschreitungen ergeben (Eisenberg NStZ 2006, 372). Eine Ablehnung kann gerechtfertigt sein,

      • wenn der Sachverständige bereits ein Privatgutachten für den Verletzten (BGHSt 20, 245) oder den Nebenkläger oder eine am Verfahrensausgang interessierte Versicherungsgesellschaft (BGH NStZ 2002, 215) erstattet hat,
      • wenn er das Tatopfer ärztlich oder als Therapeut behandelt hat (BGH StV 1996, 130),
      • wenn er den Beschuldigten dadurch bloßstellt, dass er ihn ohne seine Einwilligung vor Studenten exploriert (BGH MDR 80, 456 [H]),
      • wenn er am Beschuldigten unberechtigt körperliche Eingriffe vorgenommen hat (BGHSt 8, 144),
      • wenn er durch schriftliche oder mündliche Äußerung den Eindruck der Voreingenommenheit hervorgerufen hat (BGHSt 41, 206, 211),
      • wenn er unprofessionell und einseitig vorgegangen ist (BGH NJW 1991, 2357) oder
      • wenn er bewusst verschweigt, für Gericht oder Staatsanwaltschaft tätig zu sein, um so an eine Aussage zu kommen (BGH NStZ 1997, 349)."
          Quelle: Monka, (2012)  Beck'scher Online-Kommentar StPO, Hrsg: Graf Stand: 01.10.2012, Edition: 15.


    Blau Der befangene Sachverständige im Strafprozeß von Blau, G. (1991) in (10-22) Schütz et. al (1991, Hrsg.)

      S. 13: "Die „Besorgnis der Befangenheit"
      Eine erfolgreiche Ablehnung des Sv. wegen Besorgnis der Befangenheit setzt wirkliche Befangenheit nicht voraus. Es genügen Verhaltensweisen und Äußerungen, die "bei einem verständigen Angeklagten" Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Sv. hervorrufen können."

      S. 15: "Einige typische Befangenheitskonstellationen sind ausdiskutiert. So ist man sich darüber einig, daß das Verbot bestimmter Beweismethoden (§ 136a StPO) nicht nur für die Strafverfolgungsbehörden, sondern auch für den Sv. gilt. FN25 Verstöße gegen das Verbot, "die Freiheit der Willensentschließung und der Willensbetätigung" zu beeinträchtigen, etwa durch bewußte Ermüdung des Probanden bei der Exploration, durch Hypnose, Narkoanalyse etc., aber z.B. auch durch die Drohung, eine ambulante Untersuchung unangemessen auszudehnen oder in eine stationäre umwandeln zu lassen (§81 a StPO), würden Befangenheitsanträgen zum Erfolg verhelfen."

      S. 16: "Dem Vorwurf der Befangenheit setzen sich Sv. insbesondere dann aus, wenn sie sich mit den Strafverfolgungsbehörden — oder auch dem Beschuldigten oder Verletzten — überidentifizieren. Von Unparteilichkeit kann man dann nicht mehr sprechen."

      S. 17: "Unhaltbar im Sinne der Befangenheitsregelung wird die Lage des Sv., wenn er sich nicht nur zu moralisch abwertenden Urteilen über den Beschuldigten hinreißen läßt, sondern auch noch kriminalistischen Jagdeifer entwickelt. Der Boden für solche Fehlleistungen sind meist Vorurteilsstrukturen, die das Gutachten dann prägen."

      S. 19f: "Nur ausnahmsweise können "falsche" Gutachten doch einmal befangenheitsrelevant werden, wenn z. B. im Gutachten, nicht nur hypothetisch, Tat[>20]sachen zugrunde gelegt werden, die noch nicht bewiesen sind, FN53 oder wenn — ein sehr theoretisches Beispiel von Müller FN54 - "die inhaltliche Fehlerhaftigkeit des Gutachtens dem Zweck der Bevorzugung oder Benachteiligung einer Partei dienen soll".

      S. 20: "Schließlich ist noch eine Variante potentieller Befangenheit psychiatrischer Sv. zu erwähnen, die bewußt oder unbewußt Diagnosen in Gutachten beeinflussen und damit "verfälschen" kann: jene Voreingenommenheit, die entsteht, wenn der Sv. die Folgen seines Gutachtens selbst auszubaden hat, z. B. als Krankenhausarzt, in dessen geschlossene psychiatrische Abteilung der Proband gemäß §63 StGB ggf. einzuweisen ist."

      S. 20: "Der in einem forensisch nicht konsensfähigen Denksystem befangene Sachverständige
      Eine kürzlich ergangene BGH-Entscheidung FN56 hat einen Meinungsstreit wieder belebt, der sich an der "Befangenheit" von Sv. in bestimmten, mit der strafrechtlichen Schuldfähigkeitsregelung nicht kompatiblen Denksystemen entzündet hat. In der fraglichen Entscheidung hat der BGH dem Tatrichter empfohlen, "einen anderen anerkannten psychiatrischen Sv. zuzuziehen", weil der bisher gehörte — Verfasser eines strukturphänomenologischen Lehrbuchs der forensischen PsychopathologieFN57 — "sich ersichtlich nicht von seinen Auffassungen zu lösen vermag.
          FN56 BGH, JR (1990) 1191T. mit Anm. Blau."




    AbsF05r im Recht Mangelnde Datenbasis

    > fachliche (AbsF05f) Beurteilung und Beispiele in Gutachten (AbsF05b).
     
    Zusammenfassung: der absolute Fehler mangelnder Datenbasis im Recht
    Im Recht wird das Problem mangelnder Datenbasis so gut wie nicht ausdrücklich gesehen und kritisch erörtert. Hierbei sind grundsätzlich zwei Fälle zu unterscheiden: 1) Datenmangel: es liegen überhaupt keine oder viel zu wenig Daten und Informationen vor. 2) Nichtverwertbarkeit: Die vorliegenden Daten und Informationen sind aufgrund des Zustandes der ProbandIn (überdosiert, fixiert; psychotisch, übererregt, delirant, verwirrt, desorganisiert oder ähnliches) nicht verwertbar. 
       Das Gericht will entscheiden und dazu (miss-) braucht es unkritische und willfährige Sachverständige. Gefällt ein Gutachten nicht, kann das Gericht im Prinzip so lange neue Gutachten in Auftrag geben, bis eines dabei ist, das dem Gericht zusagt. Das wird in der Praxis nicht oft vorkommen, weil die Gerichte ihre Gutachter entsprechend auswählen und diese meist gut im Sinne der Erwartungen und Wünsche der Gerichte funktionieren. Wer ausschert, wird nicht mehr beauftragt. Der extremste mir bekannte gewordene Fall betrifft den SS-Mann Bikker, wo das Gericht 11 Gutachten in Auftrag gab, bis eines dabei war, das genehm war. Besonders absurd ist hierbei der Entscheidungsspielraum des Gerichts, wenn es z.B. gegen 10 im Kern übereinstimmende Gutachten ein abweichendes bevorzugen darf. Das alles hat mit wohlverstandenem Recht, Logik, Wissenschaft und gesundem Menschenverstand nichts mehr zu tun. Halten wir fest: Gerichte interessieren sich faktisch meist nicht für wissenschaftlich begründete, nachvollzieh- und kontrollierbare Gutachten, sondern gewöhnlich nur für eine forensisch- psychopathologische Meinung, die eine richterliche Entscheidung erlaubt. Da ein inhaltliches Protokoll der Hauptverhandlung - insbesondere eine Dokumentation der Sachverständigenbeweisaufnahme - nicht vorgesehen ist, kann nachher auch nichts mehr kontrolliert und korrigiert werden. Revisionen sind keine echte Kontrolle, sondern eher ein formales Spiel, um den Schein zu wahren. Tatsächlich bringen sie oft nichts, kosten nur Zeit und Geld. Die Entartung forensisch- psychopathologischer Sachverständigenpraxis geht sogar so weit, dass reine Aktengutachten ohne jede substanzielle Informationsbasis gang und gäbe sind (AbsF06). Das ist im wesentlichen die von RichterInnen gewollte Praxis, obwohl die Obergerichte und der BGH klare Anforderungen an wissenschaftlich begründete Gutachten gestellt haben und es seit 2005/2006 die formulierten Mindestanforderungen an Schuldfähigkeits- und Prognosegutachten gibt:
        Ein Gutachten, dem die informationelle Datenbasis fehlt, ist kein Gut- sondern ein wissenschaftlich substanzloses Meinungsachten. Denn allemal gilt: worüber man nichts weiß, darüber kann man auch nichts sagen - und erst recht nicht gutachten. In der forensisch-psychiatrischen Gutachtenpraxis scheint man das eher umgekehrt zu sehen: Je weniger man weiß, desto leichter lässt sich "gut"achten, weil man sich nicht mit lästigen Tatsachen herumplagen muss..
        Obwohl eine ausreichende Datenbasis von Gesetz und Recht nicht ausdrücklich gefordert wird, lässt sich diese Forderung aber aus anderen grundlegenden Leitsätzen, allgemeinen Erfahrungssätzen und dem gesunden Menschenverstand ableiten, wie aus den folgenden Belegen hervorgeht.
    • BGH Anforderungen an psychiatrische Gutachten.
    • Eisenberg, StPO.
    • Gutachtengrundlage bei Betreuungsfragen. 

    BGH Anforderungen an psychiatrische Gutachten nach NStZ 2005, 205 zum BGH Beschluss 2 StR 367/04 vom 12.November 2004 (datenrelevante Ausführung kursiv von RS):
     

          „Inhaltlich leidet das Gutachten daran, dass es sich in der Feststellung und Begründung der Diagnose einer Störung nach ICD-10 bzw. DSM-IV erschöpft, ohne näher darzulegen, in welcher konkreten Weise sich die festgestellten psychischen Auffälligkeiten bei der Tat auf das Einsichts- oder Hemmungsvermögen ausgewirkt haben.“

              „Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH kann für die Anwendung der §§ STGB § 20, STGB § 21 StGB regelmäßig nicht offen bleiben, welche der Eingangsvoraussetzungen des § STGB § 20 StGB vorliegt. Das gilt gleichermaßen für die Anordnung des § STGB § 63 StGB (vgl. BGH NStZ-RR 2003, NSTZ-RR Jahr 2003 Seite 232; StraFo 2003, 282; Beschl. v. 21. 9. 2004 - 3 StR 333/04), denn dieser setzt einen länger dauernden psychischen Defektzustand des Betr. voraus, auf welchem dessen Gefährlichkeit beruht (vgl. etwa BGHSt 34, BGHST Jahr 34 Seite 24, BGHST Jahr 34 Seite 28; 42, BGHST Jahr 42 Seite 385, BGHST Jahr 42 Seite 388; BGH NStZ 1991, NSTZ Jahr 1991 Seite 528; NStZ-RR 1997, NSTZ-RR Jahr 1997 Seite 166; 2000, NSTZ-RR Jahr 2000 Seite 298; LK-Hanack 11. Aufl., § 63 Rn 66; Tröndle/Fischer 52. Aufl., § 63 Rn 6f., 12 - jew. mwN). Selbst wenn im Einzelfall die Grenzen zwischen diagnostischen Zuordnungen nach einem der gängigen Klassifikationssysteme fließend und die Einordnung unter eines der Eingangsmerkmale des § STGB § 20 StGB schwierig sein mögen, weil z.B. mehrere Merkmale gleichzeitig vorliegen oder keines in "reiner" Form gegeben ist, ist das Tatgericht gehalten, zum einen konkrete Feststellungen zu den handlungsleitenden Auswirkungen der Störung zum Zeitpunkt der Tat (vgl. § STGB § 20 StGB) zu treffen und zum anderen auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung von Persönlichkeit, Lebensgeschichte, Lebensumständen und Verhalten des Angekl. und der Anlasstat in nachprüfbarer Weise darzulegen, worin der [<205] "Zustand" des Beschuldigten besteht und welche seiner Auswirkungen die Anordnung der gravierenden, unter Umständen lebenslangen Maßregel nach § STGB § 63 StGB gebieten. Die bloße Angabe einer Diagnose im Sinne eines der Klassifikationssysteme ICD-10 oder DSM-IV ersetzt weder die Feststellung eines der Merkmale des § STGB § 20 StGB noch belegt sie für sich schon das Vorliegen eines Zustands i.S.d. § STGB § 63 StGB (vgl. BGH Beschl. v. 21. 9. 2004 - 3 StR 333/04 mwN).
              Randnummer 3 b) Das Gericht, das sich zur Prüfung der genannten Voraussetzungen der Hilfe eines Sachverständigen zu bedienen hat (§ STPO § 246a StPO), muss dessen Tätigkeit überwachen und leiten. Dazu gehört insbesondere auch die Prüfung, ob Grundlagen, Methodik und Inhalt des Gutachtens den anerkannten fachwissenschaftlichen Anforderungen genügen (zur Sachleitungs- und Prüfungspflicht des Gerichts vgl. LK-Jähnke 11. Aufl., § 20 Rn 89, 92f.; Tröndle/Fischer aaO, § 20 Rn 63, 64a ff. mwN)."
          ….
              „Randnummer 9 Hierfür können in der Regel die Diagnose der psychischen Störung sowie ihre Einordnung unter die Eingangsmerkmale des § STGB § 20 StGB nicht offen bleiben. Vorliegend hatte der Sachverständige in seinem vorbereitenden schriftlichen Gutachten offen gelassen, ob bei dem Angekl. eine „schizotype Störung” (ICD-10, F 21) oder eine „schizophrenia simplex” (ICD-10, F 20.6) vorliege, die beide dem Merkmal „krankhafte seelische Störung” i.S.v. § STGB § 20 StGB zuzuordnen seien; eine Persönlichkeitsstörung im Sinne einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit” (SASA) liege nicht vor (Gutachten S. 47ff., 51). In seinem in der Hauptverhandlung erstatteten mündlichen Gutachten kam er dagegen zu der Ansicht, es sei „die festgestellte schizotype Persönlichkeitsstörung entweder unter das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung oder unter das der anderen seelischen Abartigkeit zu fassen”; eine schizophrene Psychose liege nicht vor. Eine Persönlichkeitsstörung sei gleichfalls nicht gegeben, vielmehr eine in der Persönlichkeit verankerte Störung mit schizophrenietypischen Zügen, für welche ein Suchtmittelmissbrauch symptomatisch sei.“

          „Randnummer 11 ee) Feststellung und Begründung der Diagnose einer Störung belegen nicht deren strafrechtliche Relevanz i.S.v. §§ STGB § 20, STGB § 21 StGB (st. Rspr.; vgl. etwa BGH Urt. v. 21. 1. 2004 - 1 StR 346/03, NJW 2004, NJW Jahr 2004 Seite 1810 = zur Veröff. in BGHSt vorgesehen; Beschl. v. 21. 9. 2004 - 3 StR 333/04; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO, § 20 Rn 44; LK-Jähnke aaO, Rn 34f. - jew. mwN). Entscheidend für die inhaltliche Brauchbarkeit des Gutachtens ist, ob es wissenschaftlich hinreichend begründete Aussagen über den Zusammenhang zwischen einer diagnostizierten psychischen Störung und der Tat enthält, welche Gegenstand des Verfahrens ist. Es ist also - unabhängig von der Einordnung unter ein Eingangsmerkmal des § STGB § 20 StGB - im Einzelnen konkret darzulegen, ob und ggf. wie sich die Störung auf das Einsichts- oder Hemmungsvermögen des Beschuldigten tatsächlich ausgewirkt hat (vgl. Schreiber/Rosenau in Venzlaff/Foerster Psychiatrische Begutachtung, 4. Aufl., S. 51, 77f.; S/S-Lenckner/Perron 26. Aufl., § 20 Rn 31). Nichts anderes gilt für die Beurteilung des „Zustands” i.S.v. § STGB § 63 StGB, denn es gibt weder eine abstrakte „Schuldunfähigkeit” ohne Bezug zu einem konkreten Delikt noch einen abstrakten „Zustand” ohne diesen Bezug, aus welchem sich symptomatisch die die Unterbringung erfordernde Gefährlichkeit des Beschuldigten ergibt.“

       
      Feststellungen z.B. zu "in welcher konkreten Weise sich die festgestellten psychischen Auffälligkeiten bei der Tat auf das Einsichts- oder Hemmungsvermögen ausgewirkt haben" sind nur möglich, wenn hinreichende Daten zu Befinden und Befassen zum Zeitraum der Tat vorliegen. Das geht im Allgemeinen nur, wenn sich die ProbandIn dazu ausreichend äußert. Nur in ganz seltenen Ausnahmen können hier andere Informationsquellen helfen. Ohne ausreichende Informationen, wo immer sie auch herrühren mögen, geht es aber nicht. Und es helfen hier auch keine späteren stationären Beobachtungen. Aus Beobachtungen in einer psychiatrischen Klinik zum monate- oder Jahre späteren Zeitpunkt t2 können keinerlei Rückschlüsse auf Verfassung und Befinden zu einem früheren Zeitpunkt t1 erschlossen werden.
    _
    Eisenberg, StPO Vierter Teil. Sachverständiger Zweites Kapitel. Untersuchungen (überwiegend) personenbezogener Art III. Untersuchung der Schuldfähigkeit 1. Psychische Krankheiten und Störungen mit Relevanz für die Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) a) Strafrechtliche Voraussetzungen bb) [Einsichts- und Steuerungsfähigkeit]
     
              1716(1) Als zweite Voraussetzung verlangt § 20 StGB eine tatsächliche Beeinträchtigung idS, dass kognitiv die Einsichts- oder voluntativ die Steuerungsfähigkeit[1] des Täters wegen eines der vorbezeichneten Merkmale zZt der Tat aufgehoben war [2]. Dabei ist (unbeschadet empirischer Abgrenzungsschwierigkeiten) die Frage der Steuerungsfähigkeit erst zu prüfen, wenn Einsichtsfähigkeit festgestellt wurde, dh die Anwendung des § 20 StGB darf grundsätzlich nicht auf beide Alternativen zugleich gestützt werden (BGH 21 27; NStZ 82 201; v 4. 2. 99 [4 StR 16/99] und v 16. 3. 99 [3 StR 64/99] – jeweils betr § 21 StGB – NStZ 99 495 bei Detter; VRS 71 21; bei Holtz MDR 87 93; NStZ 91 529; offen gelassen in BGH NStZ 95 226; zu ausnahmsweise alternativer bzw gleichzeitiger Bejahung BGH NStZ-RR 98 294 mNachw bzw 06 168; s zu teilweise abw Praxis Verrel MKrim 94 281).
              1719(c) Die Einsichts- und die Steuerungsfähigkeit müssen sich auf eine konkrete Tat beziehen. Daher ist die Feststellung einer einschlägigen psychischen Krankheit oder Störung nur relevant, wenn sie sich in der Tat ausgewirkt hat (BGH NStZ 98 397). Die Einsichts- und die Steuerungsfähigkeit können ggf für die eine Tat bejaht, für eine andere verneint werden, sofern dies widerspruchsfrei ist (vgl BGH v 10. 7. 08 [5 StR 253/08], hier vern); ebenso können sie für verschiedene (subj) Tatbestandsmerkmale verschieden beurteilt werden.[5]
              1715(2) Stets ist die Frage der Verlässlichkeit der (tatzeitbezogenen) Diagnose einer (oder mehrerer) seelischer Krankheiten oder Störungen sowie der Zuordnung zu einem (oder mehreren) der in § 20 StGB genannten Rechtsbegriffe von der Frage nach den Auswirkungen auf die in §§ 20, 21 StGB bezeichneten Fähigkeiten (vgl 1716 ff) zu trennen. Demgemäß ist die generelle Annahme verfehlt, zB psychopathische oder neurotische Verhaltensstörungen wiesen eine geringere Intensität auf als psychotische (vgl näher 1796).[9] Auch ist weder theoretisch noch in der Praxis die Auffassung belegbar, psychotische Störungen erfüllten von vornherein mit großer Wahrscheinlichkeit,[10] psychopathische oder neurotische Störungen jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen die Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB[11].
              [Interne Quelle: D:/Eigdat/Ebooks/EinzelKap/PsyPath/Begutachtung/SuF_DF/Eisenberg.doc]
       
      Feststellungen zu "Daher ist die Feststellung einer einschlägigen psychischen Krankheit oder Störung nur relevant, wenn sie sich in der Tat ausgewirkt hat" sind nur möglich, wenn hinreichende Daten zu Befinden und Befassen zum Zeitraum der Tat vorliegen. Das geht im Allgemeinen nur, wenn sich die ProbandIn dazu ausreichend äußert. Nur in ganz seltenen Ausnahmen können hier andere Informationsquellen helfen. Ohne ausreichende Informationen, wo immer sie auch herrühren mögen, geht es aber nicht. 
    _
    Gutachtengrundlage bei Betreuungsfragen FamFG § 280 Einholung eines Gutachtens Schmidt-Recla Münchener Kommentar zum FamFG 2. Auflage 2013, Rn 5-25, (fett-kursiv RS)
      "6. Gutachtengrundlage
      Randnummer 17 Abs. 2 der Vorschrift regelt hinreichend detailliert, welches Verfahren der Gutachter mindestens anzuwenden hat, um eine sachverständige Äußerung abgeben zu können. Er muss die betroffene Person vor der Erstattung des Gutachtens persönlich untersuchen oder persönlich befragen. Damit ist einmal dem Delegationsunwesen (Rn. 14) wenigstens etwas gesteuert. Andererseits ist damit gesetzlich geklärt, dass keine Begutachtung nach Aktenlage stattfinden darf. FN43 Es muss also ein regelrechter und direkter persönlicher Untersuchungskontakt zwischen betroffener Person und Sachverständigem stattfinden, für dessen Ablauf die anerkannten Regeln der medizinischen Wissenschaft gelten. Diesen Anforderungen wird nach einer Entscheidung des OLG Köln nicht genügt, wenn der Gutachter lediglich den Eindruck wiedergibt, den er aus einem Gespräch mit der betroffenen Person aus einem anderen Anlass (hier einem Besuch der betroffenen Person im Gesundheitsamt, welcher der Einholung von Rat in einer anderen Angelegenheit diente) gewonnen hat. FN44 Hier fand nämlich gerade keine auf das Beweisthema zugeschnittene Exploration der betroffenen Person statt. Auch eine „Kurzexploration am Fenster“ genügt nicht. N45 Auch die telefonische Befragung oder Email-, Blog-, Facebook- oder Chatroom-Kontakt zwischen betroffener Person und Arzt erfüllen nicht die Anforderungen von Abs. 2. Außerdem muss die Untersuchung geeignet sein, die Fragen des Beweisthemas mit den erhobenen Befunden beantworten zu können und auf die jeweilige Krankheit und die vom Betreuungsgericht beabsichtigte Maßnahme bezogen sein. Problematisch sind diejenigen Fälle, in denen die betroffene Person jegliches Gespräch mit dem Sachverständigen verweigert und Untersuchungstermine nicht wahrnimmt. Dann kann es genügen, wenn der Sachverständige die betroffene Person etwa während der richterlichen Anhörung längere Zeit beobachtet und sich ansonsten auf bereits angefertigte Vorgutachten, den Akteninhalt und auf die Angaben des Betreuers stützt. FN46."


    BGH Anforderungen an ein Sachverständigengutachten FGPrax 2011, 156

      "Randnummer 11 b) Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass das Gutachten den formalen Anforderungen des § FAMFG § 280 FAMFG § 280 Absatz III FamFG nicht genügt.
          Randnummer 12 (1) Nach dieser Vorschrift hat sich das Gutachten auf das Krankheitsbild einschließlich der Krankheitsentwicklung (Nr. 1), die durchgeführten Untersuchungen und die diesen zugrunde gelegten Forschungserkenntnisse (Nr. 2), den körperlichen und psychiatrischen Zustand des Betr. (Nr. 3), den Umfang des Aufgabenkreises (Nr. 4) und die voraussichtliche Dauer der Maßnahme (Nr. 5) zu erstrecken. Diese Anforderungen an den Inhalt des Sachverständigengutachtens sollen gewährleisten, dass das Gericht seiner Pflicht, das Gutachten auf seine wissenschaftliche Begründung, seine innere Logik und seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen, nachkommen kann (BayObLG, 2001, FAMRZ Jahr 2001 Seite 1403/FAMRZ Jahr 2001 Seite 1404; MünchKommZPO/ [>157] Schmidt-Recla, 3. Aufl., § 280 FamFG Rn. 18). Das Gutachten muss daher Art und Ausmaß der Erkrankung im Einzelnen anhand der Vorgeschichte, der durchgeführten Untersuchungen und der sonstigen Erkenntnisse darstellen und wissenschaftlich begründen (Senat, FamRZ 2010, FAMRZ Jahr 2010 Seite 1726 Rn. FAMRZ Seite 1726 Randnummer 21 mwN). Nur dann ist das Gericht in der Lage, das Gutachten zu überprüfen und sich eine eigene Meinung von der Richtigkeit der vom Sachverständigen gezogenen Schlussfolgerungen zu bilden (BayObLG, 2001, FAMRZ Jahr 2001 Seite 1403/ FAMRZ Jahr 2001 Seite 1404)."
       
      Auch die beiden Beispiele aus dem Bereich Betreuung, lassen mühelos erkennen, dass eine wissenschaftliche Begutachtung auf nachvollziehbaren Daten beruhen muss. Sonst kann das Gericht seiner Leitungs- und Kontrollaufgabe überhaupt nicht nachkommen. 




    AbsF06r im Recht Begutachtung gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkungsbereitschaft: die Verobjektung des Menschen

    > fachliche (AbsF06f) Beurteilung und Beispiele in Gutachten (AbsF06b).
     
    Zusammenfassung: der absolute Fehler Begutachtung Unzureichende Aufklärung im Recht
    Nach meiner Auffassung gehört zur Menschenwürde, dass man nicht gegen seinen freien Willen und ohne Mitwirkungsbereitschaft zum bloßen Objekt einer Begutachtung gemacht werden kann. Eine solche Verobjektung des Menschen widerspricht nicht nur den Menschenrechten, Artikel 1 GG und der (Berufs-) Ethik, sondern auch dem Sacherfolg. Eine - zumindest im Grundsatz - partnerschaftliche, subjektwissenschaftliche Orientierung ist nämlich auch für die Informationsgewinnung in den meisten Fällen am ergiebigsten. Hierzu ist aber ein Vertrauensverhältnis (ein Fremdwort in der forensischen Psychiatrie) notwendig, das im Regelfall von der forensischen Psychiatrie weder hergestellt noch in ihren Standardwerken thematisiert und problematisiert wird. 
       Kein Mensch muss an einer forensisch-psychiatrischen Untersuchung mitwirken, jeder hat das Recht eine solche Untersuchung zu verweigern. Dem widersprach lange Zeit die Einweisungspraxis nach § 81 StPO, selbst als das BVerfG am 9. Oktober 2001 ein für alle bindendes Machtwort gesprochen hatte. Allerdings hielt man sich nicht daran, insbesondere die forensische Psychiatrie hat diesen Beschluss souverän ignoriert und ihn in ihren Fachveröffentlichungen und Standardwerken verschwiegen - obwohl natürlich völlig offensichtlich ist, dass fast jede forensisch-psychologische Untersuchung auf die Mitwirkungsbereitschaft der ProbandIn angewiesen ist (> theoretische Ausnahmen). Offenbar will man "gut"achten, egal was das Recht, der gesunde Menschenverstand oder gar die ProbandInnen wollen. Damit zeigt die forensische Psychiatrie überdeutlich, wes Geistes Kind sie wirklich ist. Das war aber nur möglich, weil es von den RichterInnen nicht nur gedeckt oder gebilligt sondern oft wohl auch so gewünscht wurde. Das heißt in der Konsequenz und im Klartext: der Rechtsstaat funktioniert hier überhaupt nicht.
    • Bundesverfassungsgericht zur Mitwirkungsbereitschaft.
    • Burhoff zur Unzulässigkeit der Einweisung bei fehlender Mitwirkungsbereitschaft.
    • Kammergerichtsbeschluss zum konkreten Untersuchungskonzept und der Mitwirkungsbereitschaft.
    • Böllinger u.a. Befunde aus der Hauptverhandlung genügen nicht.

    BVerfG 9. Oktober 2001 2 BvR 1523/01
    "Rn 20

      Eine Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Beobachtung kann danach nicht erfolgen, wenn der Beschuldigte sich weigert, sie zuzulassen bzw. bei ihr mitzuwirken, soweit die Untersuchung nach ihrer Art die freiwillige Mitwirkung des Beschuldigten voraussetzt (vgl. BGH, StV 1994, S. 231 f.). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Exploration erforderlich wäre, diese aber vom Beschuldigten verweigert wird und ein Erkenntnisgewinn deshalb nur bei Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden (§ 136 a StPO) oder einer sonstigen Einflussnahme auf die Aussagefreiheit des Beschuldigten zu erwarten ist (vgl. OLG Celle, StV 1985, S. 224; StV 1991, S. 248)."
    _
    In: Burhoff (2012) Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Auflage, abrufbar in Jurion, werden Unzulässigkeitsgründe für die Einweisung zur Beobachtung nach § 81 StPO übersichtlich dargestellt. Ein Unzulässigkeitsgrund liegt im Allgemeinen vor
      "wenn der Beschuldigte sich weigert, die Beobachtung zuzulassen bzw. bei ihr mitzuwirken, und die Untersuchung die freiwillige Mitwirkung des Beschuldigten voraussetzt (BVerfG NJW 2002, 283 [BVerfG 09.10.2001 - 2 BvR 1523/01]; BGH NStZ 1994, 95; OLG Düsseldorf StV 2005, 490; OLG Oldenburg StV 2008, 128; OLG Stuttgart StV 2004, 582; LG Hagen StraFo 2008, 157 [LG Hagen 11.02.2008 - 44 Qs 25/07]), also z.B., wenn eine Exploration erforderlich ist (OLG Celle StV 1985, 224; 1991, 248; ähnlich OLG Oldenburg, a.a.O.)."


        Mittlerweile habe ich in beck-online einen Kammergerichtsbeschluss vom 30.10.2012 gefunden, der den BVerfG Beschluss aus 2001 ernst nimmt und anwendet:

    KG, Beschluss vom 30.10.2012 - 4 Ws 117/12 - 141 AR 555/12, Normenkette: StPO § 81: Zur Anhörung des Sachverständigen und Verhältnismäßigkeit einer Unterbringung bei endgültiger Weigerung des Beschuldigten zur Mitwirkung an einer erforderlichen Exploration. Leitsätze:

      1. Die vor Anordnung einer Maßnahme nach § STPO § 81 Abs. STPO § 81 Absatz 1 StPO erforderliche Anhörung eines Sachverständigen erfüllt die Anforderungen nur dann, wenn der Sachverständige grundsätzlich nach persönlicher Untersuchung des Beschuldigten ein schriftliches Gutachten erstattet, in dem er zur Unerlässlichkeit der stationären Einweisung und deren voraussichtlicher Dauer Stellung nimmt sowie das konkrete Untersuchungskonzept wie auch dessen Geeignetheit zur Erlangung von Erkenntnissen über die im Raum stehende psychiatrische Erkrankung darlegt. (amtlicher Leitsatz)
      2. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ist von einer Unterbringung nach § STPO § 81 StPO abzusehen, wenn von ihr im Hinblick auf die Weigerung des Beschuldigten zur erforderlichen Mitwirkung brauchbare Ergebnisse nicht zu erwarten sind, was insbesondere dann gegeben ist, wenn eine Exploration erforderlich wäre, diese aber vom Betroffenen endgültig verweigert wird. Die bloße Möglichkeit, aus der (längeren) Beobachtung des Beschuldigten im Rahmen des Klinikaufenthalts Rückschlüsse auf dessen psychischen Zustand und Persönlichkeit zu ziehen, reicht nicht aus. (amtlicher Leitsatz)


    Böllinger, Lorenz  & Pollähne, Helmut (2010) StGB § 63 Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Kommentar  Strafgesetzbuch, hrsg. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, 3. Auflage 2010, Rn 120-127. [beck-online, UB-Campus]

      Randnummer 125 Verweigert der Angeklagte die Begutachtung, darf der Tatrichter sich nicht mit den Befunden eines Sachverständigen aus der Beobachtung der Hauptverhandlung begnügen (BGH StV 1997, 468).



    2. Teil

    Die absoluten Fehler in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen (AbsFf)

    AbsF01f Fachmeinungen Mangelnde Sachkunde (Fachkunde)

    > rechtliche (AbsF01r) und Beispiele in Gutachten (AbsF01b).
     
    Zusammenfassung: absolute Fehler in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
    Im fünfbändigen Handbuch der forensischen Psychiatrie spielt in den ersten zwei Bänden zum Strafrecht, im 3. Band zur Kriminologie und im 4. Band zur Prognostik das Thema Fach- und Sachkunde keine Rolle. Dort wo die Fachkunde im 2. Bd. S. 692 erwähnt wird, betrifft es die Schweiz. Informativ ausgeführt wird das Thema aber in Bd. 5, Privatrecht und Öffentliches Recht. 
         Im Sachregister Venzlaff & Foerster (2004, Hrsg.) findet sich weder ein Eintrag zu "Fachkunde" noch zu "Sachkunde", wenn auch das Thema im Abschnitt "Stellung des psychiatrischen Sachverständigen" anklingt ("nach bestem Wissen und Gewissen"). 
        Auch bei Nedopil (1996) findet sich im Sachregister kein Eintrag zu "Fachkunde", aber einer unter "Sachkenntnis, eigene", S. 12f, der allerdings das Gericht und nicht den Sachverständigen betrifft. Positiv gedeutet halten die Autoren der Standardwerke Sach- und Fachkunde für so selbstverständlich, dass sie sie gar nicht erwähnen oder für erwähnenswert halten. Für den allgemeinen Aspekt des absoluten Fehlers mag man das so hinnehmen, aber nicht für den speziellen, wie oben schon dargelegt:
        Man kann im Allgemeinen fachkundig sein und trotzdem im Einzelfall wenig beitragen können, weil es z.B. an notwendigen Informationen und Daten fehlt. Wer ohne ausreichende Datenbasis gutachtet, begibt sich in eine selbstwidersprüchliche und paranormale Position: er behauptet durch die Gutachtenerstattung zu wissen, obwohl er ja ohne ausreichende Datenbasis gar nichts wissen kann. Implizit behauptet so ein "Gut"achter daher, dass er über okkulte Erkenntnisquellen oder -methoden verfügt. Dieses Problem konnte ich nach über 600 Stunden Analyse inzwischen durch die Konzeption des Meinungsachtens klären. Das hat aber mit aber echter Sach- und Fachkunde nichts zu tun, sondern muss selbst als ernsthafte geistige Verirrung angesehen werden.
    • Sach- und Fachkunde im 5-bändigen Handbuch zur Forensischen Psychiatrie.
    • Sach- und Fachkunde bei Venzlaff & Foerster.
    • Sach- und Fachkunde bei Nedopil.
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    Zunächst wurden die Sachregister einiger Standardwerke der Forensischen Psychiatrie auf Einträge nach "Fachkunde" oder "Sachkunde" eingesehen.

    Sach- und Fachkunde im 5-bändigen Handbuch der Forensischen Psychiatrie
     Im 5bändigen Handbuch der Forensischen Psychiatrie erbrachte das folgendes Ergebnis (Auswertung 30.12.13):

    • Im Bd. 1 wird weder "Fachkunde" noch "Sachkunde" erwähnt.
    • Im Bd. 2 wird Fachkunde einmal 692 erwähnt, Sachkunde gar nicht.
    • Im Bd. 3 wird weder "Fachkunde" noch "Sachkunde" erwähnt.
    • Im Bd. 4 wird weder "Fachkunde" noch "Sachkunde" erwähnt.
    • Im Bd. 5 wird "Fachkunde" einmal 42 unter "Sachkunde" erwähnt
      Im einzelnen:
      Fach- und Sachkunde Belege HBFP
      Zu den Belegstellen und ihren Inhalten

      Bd. 2, S. 692 (es geht um die Schweiz)

        "Im Prinzip sind wie auch in den Nachbarländern Ermittlungsbehörden und Gerichte frei bei der Auswahl der Gutachter, gemäß ständiger Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichtes haben die Richter jedoch die Fachkunde der Gutachter zu prüfen; in der Regel sollen auch nur Fachärzte herangezogen werden. In einigen Kantonen (z. B. Zürich, Luzern) gibt es zusätzliche einschränkende Verordnungen. Privatgutachten haben gemäß Bundesgericht nur den Wert von „Parteibehauptungen“, insbesondere Gutachten von behandelnden Therapeuten werden in der Regel nicht anerkannt."


      Bd. 5, S. 42  "Prüfung der Kompetenz

        Der Sachverständige hat gemäß § 407 a Abs. 1 ZPO unverzüglich nach Eingang seines Auftrages zu prüfen, ob er für dessen Erledigung die erforderliche Fachkunde und eigene Erfahrung besitzt. Auch das Alter beziehungsweise der Umstand, wie lange ein Gutachter nicht mehr praktisch tätig war, können insoweit eine Rolle spielen. Dabei kann nicht automatisch der schon längere Zeit im Ruhestand lebende Gutachter als ungeeignet angesehen werden. Handelt es sich z. B. um die Frage, wie eine standardmäßige ärztliche Behandlung vor 15 Jahren aussah, kann er geeigneter sein als ein jüngerer aktiver Kollege.
            In allen Verfahren trifft den Gutachter die Pflicht, auf seine fehlende Sachkunde hinzuweisen. Es schadet seinem Ansehen nicht im Geringsten, wenn er mitteilt, dass die Begutachtung ein Spezialwissen voraussetzt, das nicht zu seinem Fachgebiet gehört (BT-Drs. 11/3621, S. 40). Andererseits verliert der Gutachter seine Glaubwürdigkeit, wenn er mangelnde Kompetenz zu verbergen sucht (Ulrich 2007, S. 195 f.).
            Hält der Gutachter sich nicht für kompetent, darf er keinesfalls von sich aus den Auftrag ganz oder teilweise auf andere übertragen, also auch keine Zusatzgutachten eines anderen Faches einholen. Er hat vielmehr unverzüglich das Gericht zu verständigen und es diesem zu überlassen, einen anderen oder weiteren Gutachter zu bestellen (§ 407 a Abs.1 und 2 S. 1 ZPO). Dabei wird vom Gutachter nicht verlangt, dass er das andere Fachgebiet bezeichnet und dafür geeignete Sachverständige benennt. Ein solcher Hinweis kann aber eine wertvolle Anregung für das Gericht sein und zur Förderung und Beschleunigung des Verfahrens beitragen (Ulrich 2007, S. 195 f.; KG ArztR 2006, 102). Andererseits hat auch der Richter zu überprüfen, ob der Gutachter nicht die Grenzen seiner Fachkompetenz überschreitet (Schlund 2002, S. 1056)."
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    Sach- und Fachkunde bei Venzlaff & Foerster
    Im Sachregister Foerster (2004, Hrsg.) findet sich weder ein Eintrag zu "Fachkunde" noch zu "Sachkunde". Aber im Abschnitt Stellung des psychiatrischen Sachverständigen klingt die Thematik beim Stichwort "nach bestem Wissen ..." an:
     
      "1.4  Stellung des psychiatrischen Sachverständigen
      Es gibt keine gesetzliche Definition des Sachverständigen. Jeder approbierte Arzt kann zum Sachverständigen bestellt werden. Sicher herrscht Einigkeit darüber, dass unter einem Sachverständigen derjenige zu verstehen ist, der sein Fachgebiet infolge seiner eigenen Kenntnisse, die er durch Ausbildung und Erfahrung erworben hat, beurteilen kann und der somit befähigt ist, aufgrund dieser Fachkunde zu urteilen. Die Rolle des Sachverständigen gegenüber dem Auftraggeber wird am treffendsten als Berater benannt (Venzlaff 2000). Gerade dieser Punkt mag ein Aspekt sein, warum diese Rolle manchem Arzt nicht behagt, da er vermeintlich nicht mehr sein „eigener Herr" ist, sondern im Auftrag einer Institution tätig wird (Foerster 1992).
      Bei seiner Tätigkeit steht der psychiatrische Sachverständige stets in einem mehrfach determinierten Verantwortungsverhältnis (Foerster 2003), er trägt Verantwortung:
       
      • gegenüber dem von ihm untersuchten Probanden, der häufig nicht nur Proband, sondern auch Patient ist,
      • für seine eigene fachliche Position als Vertreter seiner Wissenschaft,
      • gegenüber dem Auftraggeber und damit letztlich gegenüber der Gesellschaft aller Bürger.


      Unmittelbar auf diese Verantwortung heben die Vorschriften über den Sachverständigen-Eid gemäß § 79 StPO bzw. §410 ZPO ab. Hiernach ist der Sachverständige verpflichtet, sein Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten. Damit sind die Voraussetzungen, auch die ethischen für die Tätigkeit von Sachverständigen formuliert (Foerster 2003): " ... [ich übergehe hier die Unparteilichkeit, die ein eigener absoluter Fehlerpunkt ist] ...

      "Die Forderung nach bestem Wissen bedeutet, dass der psychiatrische Sachverständige in seinem Fach eine exzellente Kompetenz haben muss. Darüber hinaus benötigt er jedoch auch Grundkenntnisse der Rechtsgebiete, in denen er tätig wird. In diesem Zusammenhang muss er zumindest die [>11] juristischen Begriffe kennen und darüber hinaus wissen, welche konkreten Folgen der rechtlichen Gegebenheiten durch seine Äußerungen zu erwarten sind. Der psychiatrische Sachverständige muss sich auf dem jeweiligen aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand befinden und sich an die methodischen Standards der Begutachtung halten. Mit der dritten Forderung des Sachverständigen-Eides nach bestem Gewissen wird die persönliche Integrität und Vertrauenswürdigkeit des Sachverständigen angemahnt. Diese Vertrauenswürdigkeit des Sachverständigen gehört zum Fundament der Wahrheitsfindung und damit zum Fundament der Rechtssicherheit in unserer Gesellschaft. Der vertrauenswürdige Sachverständige ist nicht der vermeintlich in allen Fragen völlig objektive Sachverständige, sondern es ist der Sachverständige, der weiß, dass er selbst als Person bei der psychiatrischen Begutachtung auch ein Untersuchungsinstrument ist und der diese Tatsache reflektiert. Es ist vom psychiatrischen Sachverständigen zu verlangen, dass er den ethischen Rahmen seiner Tätigkeit bedenkt. Dieser lässt sich auf der Grundlage eines Vorschlages der American Academy of Psychiatry and the Law in 5 Punkte zusammenfassen (Foerster 2002b, 2003):

      • Der psychiatrische Sachverständige muss qualifiziert sein, wobei dies sowohl für seine fachliche wie für seine persönliche Kompetenz und Qualifikation gilt.
      • Der psychiatrische Sachverständige muss vertrauenswürdig sein. Dies bedeutet, dass er seine eigene Position, seine Aufgaben und die Grenzen seiner Aufgaben stets berücksichtigt. Er darf keinen Gutachtenauftrag übernehmen, für den er fachlich nicht kompetent ist.
      • Der psychiatrische Sachverständige muss den Probanden über seine Aufgaben und über seine Stellung informieren. Hierzu gehören folgende Punkte (Nedopil 1999b): Die Rolle des Gutachters, den Verfahrensgang der Begutachtung, die möglichen Konsequenzen der Begutachtung, das Fehlen von Schweigepflicht des Gutachters gegenüber den Auftraggebern, wobei die Schweigepflicht gegenüber Dritten, z.B. Angehörigen oder Medien natürlich gegeben ist, das Verweigerungsrecht des Probanden bei der Begutachtung, die Grenzen gutachtlicher Kompetenz. Es muss dem Probanden aufgrund der Aufklärung ausdrücklich klar sein, welchem Zweck die Begutachtung dient.
      • Der psychiatrische Sachverständige darf von wenigen, methodisch bedingten Ausnahmen abgesehen (beispielsweise verstorbene Probanden) sein Gutachten nur aufgrund einer persönlichen Untersuchung erstatten.
      • Innerhalb des vorgegebenen rechtlichen Rahmens muss der psychiatrische Sachverständige Vertraulichkeit wahren. Das bedeutet, dass keine grundsätzliche Offenbarungspflicht bezüglich aller bekannt gewordener Informationen aus der Privat- und Intimsphäre besteht (Wuermeling 1990)."
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    Sach- und Fachkunde bei Nedopil
    In Nedopil (1996, Hrsg.) findet sich im Sachregister kein Eintrag zu "Fachkunde", aber einer unter "Sachkenntnis, eigene", S. 12f, der allerdings das Gericht und nicht den Sachverständigen betrifft (fett-kursiv RS):
      "Der Gutachter hat nur solche Fragen zu beantworten, zu deren Beantwortung er aufgrund seiner fachlichen Kompetenz besonders befähigt ist. Fragen, die auch er nur nach dem allgemeinen Menschenverstand und Einfühlungsvermögen beantworten könnte, sollte er an das Gericht zurückgeben. Keinesfalls darf er seine Meinung zu juristischen Problemen in der Verhandlung kundtun. Zu Fragen der Schuld, der Absicht, des Betrugs, der Rechtmäßigkeit eines Geschäfts usw. kann und darf er nicht Stellung nehmen. Selbst die Begriffe wie Schuldfähigkeit, Geschäftsfähigkeit, Verhandlungs- oder Prozeßfähigkeit sind juristische Termini, deren Feststellung nicht zu den eigentlichen Aufgaben des psychiatrischen Sachverständigen gehört. Er hat hingegen die psychopathologischen Funktionseinschränkungen zu benennen, aufgrund derer das Gericht die juristischen Schlußfolgerungen ziehen kann. Es gibt jedoch einen Übergangsbereich, der je nach Gepflogenheit des Gerichtes und nach dem Selbstverständnis des Gutachters breiter oder enger sein kann. So werden z.B. in einem Gericht Fragen nach Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sehr intensiv gestellt und unter Umständen wird auch gefragt, ob der Täter aufgrund seiner Verfassung die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers hat erkennen können; einem anderen Gericht erscheint eine sachverständige Stellungnahme zu einer solchen Frage unerwünscht, da es sich um richterliche Entscheidungen handelt. Ob ein Gutachter hinzugezogen wird, liegt weitgehend im Ermessen des Gerichtes. Das Gericht verletzt jedoch seine Aufklärungspflicht, wenn es bei Fragen, die aus eigener Sachkenntnis nicht zu beantworten sind, auf einen Gutachter verzichtet (Schreiber 1994a). Für einige Fragen ist die Anhörung eines Gutachters auch gesetzlich vorgeschrieben. Alle Entscheidungen eines Richters zur Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik oder in einer Entziehungsanstalt bedürfen einer vorherigen Beratung durch einen Sachverständigen (§246a StPO, §81 StPO, §68 b FGG). ..." [Anmerkung: die weiteren Ausführungen finden sich beim absoluten Fehler der Befangenheit]




    AbsF02f Fachmeinungen Falsches Verständnis von der eigenen Aufgabe und Rolle

    > rechtliche (AbsF02r) und Beispiele in Gutachten (AbsF02b).
     
    Zusammenfassung: der absolute Fehler Falsches Verständnis von der eigenen Rolle in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
    Der Gutachter ist nicht Ermittler, nicht Staatsanwalt, nicht Anwalt, nicht Opfer oder Täter und nicht Richter. Seine Aufgabe ist, soweit dies möglich ist, unvoreingenommen und sachkundig die Beweisfragen zu beantworten  und Probleme darzulegen. Dieser Fehler wird vielfach gesehen und auf ihn hingewiesen. Kurz und bündig wird er von Venzlaff & Foerster (2004) beschrieben:
    • Venzlaff & Foerster Mögliche Rollenkonflikte. 

    Venzlaff & Foerster (2004) (S. 11) "Mögliche Rollenkonflikte

      "Der psychiatrische Sachverständige kann in mehrfache Rollenkonflikte geraten. Eine Überidentifikation mit dem Probanden kann die Gefahr mit sich bringen, dass sich der Gutachter in einer falsch verstandenen Helfer- und Therapeutenrolle sieht. Möglicherweise führt dies dazu, dass er leichtfertig und unbegründet eine De- oder Exkulpierung vorschlägt, das Vorliegen von Schadensersatzansprüchen oder die Voraussetzungen einer Rentengewährung bejaht. Der Sachverständige ist auch kein zusätzlicher Verteidiger, der den Probanden im Strafprozess „herauspaukt", wie ein gängiges Vorurteil immer noch lautet. Bei einer Identifikation mit dem Ankläger bzw. einer negativen Gegenübertragung zum Probanden besteht die Gefahr, dass sich der Sachverständige in einer kriminalpolitischen Retterrolle sieht und sich zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung berufen fühlt oder der Meinung ist, er müsse unberechtigte Ansprüche von „Simulanten" zurückweisen.
      Gefährlich ist es, wenn der Sachverständige glaubt, den Ausgang eines Verfahrens für oder gegen den Angeklagten bzw. eines Zivilrechtsstreites bestimmen zu müssen.
      Auch der Kontakt zum Probanden mag ambivalent sein (Nedopil 2000): Um seine Aufgaben einer fundierten Exploration erfüllen zu können, ist eine Beziehung zum Probanden unabdingbar, er muss diesbezüglich empathisch sein. Andererseits benötigt er Distanz, muss sich vom Probanden abgrenzen können und unter Umständen auch ein gewisses Misstrauen haben. Dennoch darf dies nicht dazu führen, dass er zum kaltschnäuzigen Zyniker wird.
      Schließlich muss der Sachverständige in der Lage sein, ganz unterschiedliche Reaktionen von außen auf sein Handeln ertragen zu können. Er muss auch fähig sein, Frustrationen ertragen zu können und er muss zu emotionaler und intellektueller Anstrengung in der Lage sein (Foerster 2002b, 2003)."



    AbsF03f Fachmeinungen Unzureichende Aufklärung

    > rechtliche (AbsF03r) und Beispiele in Gutachten (AbsF03b).
     
    Zusammenfassung: der absolute Fehler Unzureichende Aufklärung in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
    Die Aufklärungspflicht wird in den Standardwerken der Forensischen Psychiatrie zwar angesprochen, aber sehr verkürzt und auf zwei Kernaspekte - Freiwilligkeit und Nicht gelten der Schweigepflicht bei Mitwirkung - reduziert. Der Aspekt potentielle Vor- und Nachteile einer Mitwirkung und der Folgen je nach Ergebnis wird offensichtlich nicht für erörterungswürdig erachtet. So wenig, wie eine schriftliche Dokumentation mit Gegenzeichnung der Aufklärung und Sicherstellung des Verständnisses, was im Einzelfall sehr schwierig sein kann. 
    • Aufklärung Henning Saß.
    • Kröber zur Unklarheit, Unsicherheit und Problematik der Begegnung.

    Das Thema Aufklärungspflicht in den Sachregistern des Handbuch der Forensischen Psychiatrie

    • HBFP1: SR Band 1 Strafrechtliche Grundlagen der Forensischen Psychiatrie

    • Aufklärungspflicht - gerichtliche 382, 398, 406, 409, 524, 528
      Aufklärung (Probanden) auch noch an folgenden Stellen: 6f,  8, 9,
    • HBFP2: SR Band 2 Psychopathologische Grundlagen und Praxis der Forensischen Psychiatrie im Strafrecht

    • Aufklärung, Begutachtung 166
    • HBFP3: SR Band 3 Psychiatrische Kriminalprognose und Kriminaltherapie

    • Kein Sachregistereintrag
    • HBFP4: SR Band 4 Kriminologie und Forensische Psychiatrie

    • Kein Sachregistereintrag
    • HBFP5:  SR Band 5 Forensische Psychiatrie im Privatrecht und Öffentlichen Recht

    • Aufklärungspflicht, ärztliche   11, 12, 14, 33, 89, 92 f, 95 f


    Aufklärung nach Henning Saß
        "Insofern muss der Gutachter in seinem Selbstverständnis nicht nur die Gefahr einer Überschneidung mit richterlichen oder anderen Rollenfunktionen im Verfahren reflektieren, sondern vor allem vor sich und den Probanden mit größtmöglicher Klarheit den Unterschied zwischen den Rollen als Arzt/Therapeut und als Sachverständiger deutlich machen. Erfahrungsgemäß reicht es daher nicht aus, derartige Klarstellungen in einer Belehrung zu Beginn des Kontaktes mit dem Probanden vorzunehmen, da aufgrund des gesellschaftlich verankerten Rollenbildes zumindest im Empfinden des Probanden immer wieder ein Abgleiten in Richtung therapeuti-[>427]scher Situation mit konsekutiver Hilfserwartung naheliegt. Von daher muss der Untersucher in seiner Haltung und in seinen Äußerungen zwar Kontaktbereitschaft und Empathie vermitteln, aber auch dem Probanden immer wieder die besondere, von der Alltagserwartung deutlich abweichende Rolle klar machen, die mit Verfahren und Gutachtenauftrag verbunden ist.
        Im Übrigen wird in der Literatur unterschiedlich gesehen, ob und in welche Form eine Belehrung durch den Gutachter erforderlich ist (vgl. Finke 1974; Ehlers 1989; Schreiber u. Rosenau 2004; Rössner in diesem Band).
        Zumindest erscheint es aber aus ärztlich-ethischer Sicht unabdingbar, einer zu begutachtenden Person Sinn und Fragestellung der Untersuchung zu erläutern und auf Schweigerechte des Betroffenen sowie die eingeschränkte Schweigepflicht des Untersuchers hinzuweisen. Schließlich ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass solche Erkenntnisse des Untersuchers, die für die Erstattung des Gutachtens nicht wesentlich sind, durchaus der Schweigepflicht unterliegen."
        Quelle: Henning Saß 3.8 Grundlagen des Zusammenwirkens von Juristen und psychiatrischen/psychologischen Sachverständigen – Anmerkungen aus psychiatrischer/psychologischer Sicht. HBFP Bd. 1, S. 426f

    Kröber zur Unklarheit, Unsicherheit und Problematik der Begegnung

      S. 6f:     "Es gibt allerdings in der Medizin und auch vor Gericht keine besondere Ethik, die sich von der anderer Berufe unterscheidet. Ethik in der Medizin, der Psychiatrie, der Forensischen Psychiatrie ist die Anwendung allgemein gültiger ethischer Regeln in bestimmten sozialen Feldern (Fachgebieten) und auf bestimmte charakteristische Problemstellungen (Helmchen u. Vollmann 1999). Auch bei der strafrechtlichen Begutachtung oder bei der Forschung an Patienten, die strafrechtlich im Maßregelvollzug untergebracht sind, behalten die zentralen medizinethischen Begriffe ihre Bedeutung und Gültigkeit: Beachtung der Würde und des Selbstbestimmungsrechts des Individuums, konkretisiert nicht zuletzt in Ehrlichkeit, Verschwiegenheit, Hilfeleistung, Pflicht zur Erhaltung von Leben und körperlicher Unversehrtheit. Auch im Bereich der Forensischen Psychiatrie werden ärztliche Pflichten nicht aufgehoben, also für das Wohlergehen von Kranken zu sorgen, Hilfe zu leisten, den Respekt vor der Würde und Selbstbestimmung der Person zu wahren sowie Fairness, Toleranz und Offenheit zu üben. Die World Psychiatric Association schloss in der Deklaration von Madrid (1996) über die Pflichten der Psychiater die forensischen Psychiater selbstverständlich mit ein und wies auf einige Punkte hin, die bei der Begutachtung zu beachten sind, insbesondere die Aufklärung des Probanden und den Umgang mit dem fehlenden Schweigerecht des Arztes.
          Gleichwohl liegt nahe, dass es in diesem Feld zu Konflikten kommen kann. Der forensische Psychiater ist mit Menschen konfrontiert, bei denen keineswegs von vornherein feststeht, ob sie Rechtsbrecher sind oder nicht, ob und welche Strafe sie erwartet. Es steht nicht fest, dass sie überhaupt psychisch [>7] oder somatisch krank sind. Sie haben den Arztkontakt nicht angefordert und unterliegen (bei Begutachtungen im strafrechtlichen Bereich) oft einem besonderen Gewaltverhältnis (Untersuchungshaft, vorläufige Unterbringung in der Psychiatrie). Der Arzt ist im Rahmen von gutachterlichen Aufgaben sehr viel häufiger als Diagnostiker denn als Therapeut gefragt, und seine Expertise kann nachteilige Folgen für den Untersuchten haben, zumindest nicht nur wohltätige Folgen. Dies haben einzelne amerikanische Autoren zu dem Vorstoß genutzt, den forensischen Psychiatern den „ethischen“ Status des Arzttums abzusprechen, ihr Tun sei mit dem hippokratischen Eid nicht vereinbar (Stone 1984, 2002), was weitere Diskussionen nach sich zog (Hermann 1990, Kopelman 1990, Nedopil 2002, Kröber 2004). Golding (1990) hat dazu aus rechtspsychologischer Sicht Stellung genommen. ..."
          Quelle: Kröber, H.-L. (2007) HBFP, Band 1 Strafrechtliche Grundlagen der Forensischen Psychiatrie, S. 6f

    AbsF04f Fachmeinungen Befangenheit, Voreingenommenheit, Einseitigkeit

    > rechtliche (AbsF04r) und Beispiele in Gutachten (AbsF04b).
     
    Zusammenfassung: der absolute Fehler Befangenheit in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
    Befangenheit, Voreingenommenheit oder Einseitigkeit sind absolute Fehler, die ein Gutachten völlig wertlos machen, weil der Sachverständige seiner vornehmsten Pflicht zur Wahrheitssuche, Einnahme der wissenschaftlichen Grundhaltung und Neutralität nicht nachkommt. Statt unvoreingenommen den ganzen Sachverhaltskomplex vorbehaltlos zu prüfen und die möglichen und realistischen Hypothesen einzubeziehen, insbesondere im Zwischenverfahren bis zum rechtskräftigen Urteil (z.B. nach abgewiesener Revision beim BGH), findet voreilig und ohne jede Not eine Identifizierung mit der Anklage der Staatsanwaltschaft statt. Im Zivil- und öffentlichen Recht scheint man das Befangenheitsthema ernster zu nehmen als im Strafrecht. Alle Sachregister der 5 Bde. des Handbuch für Forensische Psychiatrie (2006-2011) enthalten keinen Eintrag zu "Befangenheit", "Einseitigkeit", "Voreingenommenheit". Tatsächlich aber gibt es im 5. Bd. Forensische Psychiatrie im Privatrecht und Öffentlichen Recht einen Abschnitt "Prüfung der Unbefangenheit". Venzlaff & Foerster enthalten keinen Eintrag zu "Befangenheit", aber zu "Unparteilichkeit" und "Voreinstellungen, Voreingenommenheit und unbewusste Erwartungen".
    • Handbuch der Forensischen Psychiatrie.
      • Bd. 5: Prüfung der Unbefangenheit.
    • Venzlaff & Foerster.
    • Nedopil. 

    Sachregistersichtung HBFP Handbuch der Forensischen Psychiatrie Bd.1-5
     

    _
    HBFP Bd. 5, S. 43: "Prüfung der Unbefangenheit
      Die Gerichte haben zu prüfen, ob der Sachverständige unbefangen ist. Die Gerichte neigen dazu, die Anforderungen an die Befangenheit eher sehr hoch zu veranschlagen und werden einen Gutachter demzufolge nur ausnahmsweise für befangen halten.
          Ebenso hat der Gutachter selbst stets gewissenhaft zu prüfen, ob er beiden Prozessparteien gegenüber die gebotene Unbefangenheit besitzt. Vorhandene Zweifel sind spontan dem Gericht mitzuteilen. Aber auch dann, wenn sich der Gutachter selbst für unbefangen hält, hieran aus der Sicht einer Partei aber Zweifel bestehen können, empfiehlt sich mit der Auftragsbestätigung eine Mitteilung an das Gericht etwa in folgender Form:
          „Ich bin zur Übernahme des Auftrags bereit, halte mich auch für unbefangen, mache aber vorsorglich darauf aufmerksam, dass (z. B.)
        • der Kläger früher in meiner Behandlung war,
        • ich für den Beklagten mehrfach Privatgutachten erstattet habe,
        • ich mit dem Beklagten bei der gemeinsamen Herausgabe von Fachliteratur zusammenarbeite,
        • im Studium/in der Weiterbildung zum Beklagten ein Lehrer-Schüler-Verhältnis bestanden hat,
        • der Beklagte bei mir einen Fortbildungskurs besucht,
        • der Beklagte regelmäßiger „Zulieferer“ meiner Klinik ist,
        • ich mich mit dem Beklagten seit meiner Weiterbildung duze,
        • dass eine intime Feindschaft gegenüber dem Beklagten besteht,
        • ich selbst zurzeit in einen Haftpflichtprozess verstrickt bin.“
      Nach dieser Anzeige kann der Gutachter abwarten, ob hierauf erfolgreich ein Ablehnungsantrag gestützt wird, oder ob das Gericht ihm von Amts wegen den Auftrag entzieht.
          Ergibt sich der Ablehnungsgrund erst im Laufe des Verfahrens aus dem Inhalt des schriftlichen Gutachtens, muss der Partei eine angemessene Zeit zur Überlegung und zur Einholung von rechtlichem Rat zur Verfügung stehen (BGH ArztR 2006, 102).
          Da der Gutachter als Gehilfe des Gerichts zur strengen Objektivität und Sachlichkeit verpflichtet ist, muss er auch auf Kritik an seinem Gutachten sachlich reagieren (OLG Zweibrücken NJW 1998, 912, 913). Verletzt ein Gutachter diese Pflicht, kann er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden (OLG Oldenburg ArztR 2006, 78; aA OLG Frankfurt/M. GesR 2006, 217).
          Weigert sich der Gutachter im Arzthaftpflichtprozess aus unsachlichen Gründen, die körperliche Untersuchung des zu Begutachtenden in Anwesenheit einer Vertrauensperson des zu Untersuchenden durchzuführen, begründet diese Weigerung seine Befangenheit (LSG Rheinland-Pfalz NJW 2006, 1547, 1548)."


    Venzlaff & Foerster (2004)
     

      Zur Unparteilichkeit (S. 10):
      "Unmittelbar auf diese Verantwortung heben die Vorschriften über den Sachverständigen-Eid gemäß § 79 StPO bzw. §410 ZPO ab. Hiernach ist der Sachverständige verpflichtet, sein Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen zu erstatten. Damit sind die Voraussetzungen, auch die ethischen für die Tätigkeit von Sachverständigen formuliert (Foerster 2003):
      Unparteiisch bedeutet Unabhängigkeit gegenüber den vielfältigen, häufig kontradiktorischen Erwartungshaltungen von Prozessbeteiligten. Es bedeutet auch Unabhängigkeit und Widerstand gegenüber dem Ansinnen, sich als psychiatrischer Sachverständiger funktionalisieren zu lassen, d.h. gegenüber dem Versuch, nichtpsychiatrische Probleme mit Hilfe des psychiatrischen Sachverständigen vermeintlich elegant lösen zu wollen. Derartige Gefahren, hinter denen letztlich ein Abschieben der Verantwortung durch den Auftraggeber steht, können sich vielfältig ergeben. Als Beispiele genannt sei die Begutachtung von Asylbewerbern (s. Kap. 32), bei der häufig versucht wird, ungelöste rechtliche bzw. politische Probleme mit Hilfe der Psychiatrie zu lösen. Auch bei der Begutachtung im Rahmen des Betreuungsrechtes können Situationen entstehen, in denen versucht wird, den Psychiater zu funktionalisieren. Zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zählt auch die Wahrung der Kompetenzgrenzen. Dem psychiatrischen Sachverständigen ist es in foro nicht möglich, allgemeine gesellschaftliche oder psychische Fragen zu lösen. Nicht für jedes sozial dysfunktionale oder destruktive Verhalten ist der psychiatrische Gutachter zuständig."
    __
    Nedopil (1996) zur Befangenheit
    Im Sachregister, S. 296, ist Befangenheit mehrfach aufgeführt:  13, 15, 167, 195, 197.
     
      Befangenheit durch sich dem Auftraggeber verpflichtet fühlen
      S. 13: "Ein beauftragter Sachverständiger ist zur persönlichen Erstellung und Erstattung des Gutachtens verpflichtet. Dabei kann er jedoch Hilfskräfte in Anspruch nehmen, solange er sich von den Untersuchungsergebnissen selbst überzeugt und das Gutachten selbst verantwortet (siehe E 1.2). Die Auswahl des Sachverständigen obliegt dem Gericht (§73 StPO). Oft wird aber ein Gutachter schon im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft beauftragt und anschließend vom Gericht gehört. Da die Aufklärungspflicht der Staatsanwaltschaft die Beschaffung sowohl von be- wie entlastendem Material vorschreibt, ist es durchaus gerechtfertigt, daß sie, wenn nötig, bereits im Ermittlungsverfahren einen Sachverständigen beauftragt, der neutral sein Gutachten erstatten soll. Ein solches Vorgehen beschleunigt das Gerichtsverfahren, birgt aber die Gefahr, daß sich manche Gutachter der Staatsanwaltschaft, die sie finanziell entschädigt, verpflichtet fühlen (Jessnitzer 1988). Einen weiteren Gutachter kann das Gericht beauftragen, wenn es von den Ausführungen des Erstgutachters nicht überzeugt ist; die Verteidigung kann eine weitere Begutachtung nur durchsetzen, wenn der zweite Gutachter im Vergleich zum Erstgutachter über überlegene Forschungsmittel verfügt und es dadurch naheliegt, daß ihm die Sachaufklärung besser gelingt (§244 IV 2 StPO).
          Jeder Psychiater ist praktisch zur Erstattung eines Gutachtens auf seinem Fachgebiet verpflichtet. Er kann diese Verpflichtung jedoch ablehnen, wenn er sich befangen fühlt (§76 StPO); er kann aber auch abgelehnt werden, wenn er in den Verdacht der Befangenheit gerät (§74 StPO). Ein vernünftiger Grund, einen Gutachtenauftrag zurückzugeben, kann sein, daß man das Gutachten nicht in einem vertretbaren zeitlichen Rahmen erarbeiten kann. Dies ist dem Gericht mitzuteilen; das Gericht muß dann entscheiden, ob es die zeitliche Verzögerung in Kauf nehmen oder einen anderen Sachverständigen beauftragen will. Wird ein angenommener Gutachtenauftrag nicht in einem angemessenen zeitlichen Rahmen erledigt, so kann das Gericht Ordnungsgelder und die Übernahme der entstandenen Kosten durch den Sachverständigen anordnen (§77 StPO)."
      Befangenheit durch Medienäußerungen
      S. 15 weist auf die Gefahr hin, dass Äußerungen gegenüber Medien während eines Verfahrens (bis zur Rechtskraft) den Verdacht der Befangenheit begründen können.

      Befangenheits-Falle Kompetenzüberschreitung
      S. 167f:     "Dennoch bleibt die Beurteilung von Affektdelikten oft unbefriedigend. Die Beurteilung eines nur bei der Tat und ihrem Umfeld vorhandenen Affektes kann selbst dem Erfahrenen auch deswegen große Schwierigkeiten bereiten, weil häufig der Täter als einzige Informationsquelle zur Verfügung steht. Die psychopathologischen Auffälligkeiten sind im Gegensatz zu anderen Störungen, bei denen die Symptome wesentlich zeitstabiler sind, bei der Untersuchung nicht mehr so leicht feststellbar.
          Die oben genannten Probleme bei der Beurteilung, insbesondere der große Ermessensspielraum bei der Abwägung der Kriterien, die Widersprüchlichkeiten zwischen verschiedenen Informationsquellen im Einzelfall und die unscharfe psychiatrische Zuordnung verleiten leicht zu Überschreitungen der jeweiligen Kompetenz. Für die Psychiater besteht die Gefahr darin, daß sie unreflektiert eine Beweiswürdigung vornehmen. Solange sie sich auf die Berichte der Probanden und auf daraus abgeleitete Beschreibungen denkbarer innerpsychischer Vorgänge beschränken und dies dem Gericht deutlich machen, verlassen sie ihr Fachgebiet sicher nicht. Man muß allerdings damit rechnen, mit Widersprüchen aus Zeugenaussagen oder anderen Beweismitteln konfrontiert zu werden, was oft die Bereitschaft erfordert, die Schlußfolgerungen, die aus den subjektiven Darstellungen gezogen wurden, zu revidieren. Wurden die Angaben der Untersuchten nicht für stichhaltig gehalten oder wurde von vornherein von anderen, sich aus den Akten ergebenden Tatsachen ausgegangen, so wird bereits eine Beweiswürdigung vorgenommen, die zum Vorwurf der Befangenheit führen könnte.
          Um diesem Problem auszuweichen, erscheint es sinnvoll, alternative Beurteilungsmöglichkeiten bereits im schriftlichen Gutachten zu reflektieren, sofern sich diese aufgrund der vorgefundenen Anknüpfungs- und Befundtatsachen ergeben. Die Entscheidung, welche Voraussetzungen plausibler erscheinen, bleibt dann der Beweiswürdigung des Gerichts überlassen. Prinzipiell gibt es dabei drei Denkmöglichkeiten:

      1. Wird von den subjektiven Angaben des Probanden ausgegangen, erhält man am ehesten Einblick in dessen innerpsychische Vorgänge im Umfeld der Tat - allerdings sind intentionale Verfälschungen oft nicht auszuschließen.
      2. Ausgehend von den dazu widersprüchlichen Angaben von Zeugen kann sich eine entgegengesetzte Beurteilung ergeben, deren Richtigkeit aber oft auch nicht geprüft werden kann.
      3. Geht man von den Umständen aus, wie sie rekonstruierbar sind, ohne daß Täter- und Zeugenaussagen berücksichtigt werden, bleiben [>168] wenige Merkmale übrig, deren quantitative Abgrenzungen eher normativ gesetzt als empirisch begründet sind. Zu ihrer Einschätzung bedarf es aber keiner besonderen psychopathologischen Fachkenntnis."


      Befangenheitsfalle Befragen von Angehörigen
      S. 195:     "Im Zivilverfahren kommt es auf Zusatztatsachen nicht an. Hier gelten nur die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen. Informationen, die nicht zur unmittelbaren Beantwortung der Gutachtenfrage gehören, dürfen in das Gutachten nicht einfließen. Die Befragung von Familienangehörigen bei der Begutachtung könnte den Verdacht der Befangenheit aufkommen lassen."
       

      Befangenheitsfalle Aktenkenntnis ?
      S. 197:     "Verschiedene Gutachter sind der Ansicht, daß die Lektüre der Akten zu einer gewissen Befangenheit führt und die für eine psychiatrische Exploration erforderliche Empathie verhindern kann. Diese Überlegungen haben in gewissen Fällen - z.B. bei grauenerregenden Delikten - ihre Berechtigung. Andererseits erscheint eine gute Vorbereitung der Untersuchung ebenso wichtig, da ansonsten gravierende Anknüpfungspunkte für die Exploration übersehen werden können. Die Probanden gehen im allgemeinen davon aus, dass der Psychiater den wesentlichen Akteninhalt kennt, wobei mangelndes Wissen auch als fehlendes Interesse an ihrer Person interpretiert werden kann. Einer allzu großen Voreingenommenheit wirkt entgegen, wenn man sich beim Aktenstudium auf die für die Begutachtung des Probanden wesentlichen Inhalte konzentriert und zwischen Aktenstudium und Untersuchung einen gewissen Zeitraum vergehen läßt. Darüber hinaus sollte man beim Studium der Akten eigene emotionale Reaktionen - ähnlich wie bei der Untersuchung in Form von Gegenübertragungen - bewußt registrieren."

    AbsF05f Fachmeinungen Mangelnde Datenbasis

    > rechtliche (AbsF05r) und Beispiele in Gutachten (AbsF05b).
     
    Zusammenfassung: der absolute Fehler mangelnde Datenbasis in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
    In den Fachveröffentlichungen wird das Problem mangelnder Datenbasis selten ausdrücklich gesehen und kritisch erörtert. Bei mangelnden Daten und Informationen Hierbei sind grundsätzlich zwei Fälle zu unterscheiden: 1) Datenmangel: es liegen überhaupt keine oder viel zu wenig Daten und Informationen vor. 2) Nichtverwertbarkeit: Die vorliegenden Daten und Informationen sind aufgrund des Zustandes der ProbandIn (überdosiert, fixiert; psychotisch, übererregt, delirant, verwirrt, desorganisiert oder ähnliches) nicht verwertbar. 
       Gutachter sollten der Wissenschaft und nicht dem Okkultismus, der Parapsychopathologie, dem Hellsehen oder dem bloßen Meinen verpflichtet sein (>Meinungsachten). Grundsätzlich ist ein Gutachten, das diesen Namen verdient, überhaupt nur dann erstellbar, wenn eine hinreichende Daten- und Informationsbasis vorliegt, also zuverlässige und informative Angaben zu Erleben und Verhalten in einem bestimmten Zeitraum. Liegt eine solche Datenbasis nicht hinreichend sicher vor, kann kein Gutachten erstellt, allenfalls eine nicht datenbegründete Mutmaßung oder Meinung geäußert werden, was aber mit einem "wissenschaftlich begründeten Gutachten" (zwei Beispiele) nichts zu tun hat. Gegen diesen selbstverständlichen Erfahrungssatz wird von der forensischen Psychiatrie ständig verstoßen, obwohl ihn jeder normale Mensch mit gesundem Menschenverstand auf Anhieb versteht: Worüber man nichts weiß, darüber kann man auch nichts sagen und erst recht nicht gutachten. Sieht man sich den unglaublichen Murks- und Pfusch der Schlechtachterindustrie an, so ergibt sich unmittelbar für das Selbstverständnis der forensischen PsychiaterInnen: wir können immer gutachten - völlig unabhängig davon, ob wir die erforderlichen Daten des Erlebens und Verhaltens zu den Tatzeiten haben oder nicht. 
        In vielen Lehrbüchern der Psychiatrie wird der Irrtum verkündet (Payk, Schneider, Foerster & Winckler, Stieglitz & Freyberger, Scharfetter), das Symptom sei die kleinste Einheit der Psychopathologie. Das ist grundfalsch, weil es die Daten der Erlebens und Verhaltens sind, die die Grundlage jeder Psychodiagnostik bilden. Aber dieser Irrtum erklärt, weshalb die psychiatrische Diagnostik so auf Sumpf und Treibsand gebaut ist: es fehlen die verbindlichen und grundlegenden Normierungen. Nicht nur die forensische, sondern die gesamte Psychiatrie hat hier einen massiven blinden Fleck, der bereits die Problemwahrnehmung, die bekanntlich der Problemlösung vorauszugehen hat, eher verhindert als nur behindert. Sucht man in den Lehrbüchern und Standardwerken nach "Daten", "Basisdaten", "Erlebensaussagen" oder "Verhaltenssaussagen", so findet man meist nichts. Ich habe das in der Ausarbeitung zu den Daten-Fehlern dokumentiert. Sieht man sich andererseits die Ausführungen nicht nur der forensischen Psychiatrie zur psychopathologischen Untersuchung und Exploration an, ist unmittelbar klar, dass die entscheidende Basis aller Befunde die Angaben zum Erleben und Verhalten sind. 
    • Nedopil (1996) räumt das Problem fehlender Informationen und ein "non liquet" ein.
    • Venzlaff & Foerster (2004) zum Problem fehlender Informationen und eines "non liquet".

    Nedopil (1996) räumt das Problem fehlender Informationen und ein "non liquet" ein

      S. 205 (fett-kursiv RS):     "Die retrospektive diagnostische Einschätzung eines psychopathologischen Zustandsbildes, die auch bei der Beurteilung der Geschäftsfähigkeit und der Testierfähigkeit häufig gefordert wird, sowie die prognostische Einschätzung, die bei vielen Fragen des Sozialrechts, beim Maßregelrecht und beim Betreuungsrecht im Vordergrund stehen, sind im Gegensatz zur klinischen Querschnittsdiagnose mit größeren Unsicherheiten verbunden. Diese Unsicherheiten können einmal auf das Fehlen von Informationen zurückgehen, die für eine klinische Beurteilung notwendig wären; sie können aber auch durch unterschiedliche, sich zum Teil widersprechende Angaben von Proband und Zeugen bedingt sein. Da die Bewertung widersprüchlicher Angaben Aufgabe des Gerichtes ist und der Gutachter zum Zeitpunkt der Untersuchung nicht weiß, von welcher Wertung auszugehen ist, kann es manchmal geboten sein, dem Auftraggeber die Rückschlüsse, die aufgrund verschiedener Anknüpfungstatsachen zu ziehen sind, als Alternativbeurteilungen anzubieten. Es scheint mir jedoch kein Eingriff in die Beweiswürdigung des Gerichtes zu sein, wenn ein Sachverständiger die eine oder die andere der alternativen Beurteilungen in den Hintergrund stellt, weil die ihr zugrunde liegenden Angaben mit dem medizinischen Wissen kaum vereinbar sind. Letztendlich ist auch eine „non-liquet"-Beurteilung möglich, wenn eine Schlußfolgerung aufgrund fehlender Informationen sachlich und inhaltlich nicht gerechtfertigt erscheint, wobei „non-liquet" bedeutet, daß ein Sachverhalt durch Beweis und Gegenbeweis nicht geklärt werden kann."


    Venzlaff & Foerster (2004) zum Problem fehlender Informationen und eines "non liquet"

      S. 40: "In seltenen Fällen bleiben letzte Unklarheiten und Zweifel bestehen. Ist eine Schlussfolgerung aufgrund fehlender Informationen sachlich und inhaltlich nicht möglich, muss eine „Non-liquet"-Beurteilung erfolgen. Dies bedeutet, dass der Sachverhalt nicht abschließend geklärt werden kann. In solchen Fällen muss der Gutachter das Gericht auf die diagnostisch noch nicht genügend geklärte Situation und die sich hieraus gegebenenfalls ergebenden unterschiedlichen Beurteilungsmöglichkeiten ebenso hinweisen wie beispielsweise auf die effektive Unmöglichkeit, zum Zeitpunkt der Verhandlung eine Aussage zur Prognose zu machen. Dies muss er natürlich möglichst ausführlich erläutern, ohne etwa zu fürchten, hierdurch inkompetent zu erscheinen. Die Aufgabe eines psychiatrischen Sachverständigen darf nicht so miss-[>41]verstanden werden, dass grundsätzlich eine verbindliche Diagnose oder Prognose geschildert werden muss, wenn dies aus sachlichen Gründen nicht möglich ist."


    Anmerkung: Im 5-bändigen Handbuch der Forensischen Psychiatrie findet sich kein Sachregister-Eintrag "non-liquet".


    AbsF06f Fachmeinungen Begutachtung gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkungsbereitschaft: die Verobjektung des Menschen

    > rechtliche (AbsF06r) und Beispiele in Gutachten (AbsF06b).
     
    Zusammenfassung: der absolute Fehler Begutachtung gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkungsbereitschaft in den forensisch-psychopathologischen Fachveröffentlichungen
    In der forensischen Psychiatrie ist es leider üblich, ProbandInnen als Objekte zu behandeln und damit gegen den höchsten Grundwert, das Recht auf Menschenwürde, zu verstoßen. Das ist das eine. Der Aufbau einer Vertrauensbeziehung ist ohnehin nicht vorgesehen. Das ist das zweite. Das Dritte ist, dass es bei den allermeisten Beweisfragen nicht möglich ist, eine hinreichende Daten- und Informationsbasis zu schaffen, wenn die ProbandIn nicht mitwirkt. Deshalb hat auch schon das Bundesverfassungsgericht 2001 beschlossen, dass eine Einweisung zur Beobachtung verfassungswidrig ist, wenn keine Mitwirkungsbereitschaft besteht, sofern es auf diese ankommt (> AbsF06 im Recht).
      Obwohl es seit über 100 Jahren zum psychiatrischen Traditionswissen gehört, dass eine persönliche Untersuchung Exploration notwendig ist, um ein wissenschaftlich begründetes Gutachten zu erstellen, sieht die Mehrzahl der forensischen Psychiater kein Problem darin, Menschen auch nach Aktenlage oder bloßen persönlichen Eindrücken in der Hauptverhandlung zu beurteilen mit extremen Folgen für die Betroffenen. Dahinter steckt ein autoritäres, womöglich gar ein faschistoides Menschenbild, in dem der Mensch verloren gegangen ist. 

    • Wenn Mitwirkung und persönliche Untersuchung verweigert werden.
      •  Handhabung der Verweigerung der Untersuchung nach Foerster & Dreßing in Venzlaff &
      •  Foerster (2009). * Verweigerung der Untersuchung.
      •  Zwangsuntersuchung nach Foerster & Winckler in Venzlaff & Foerster (2004).
      •  Rasch und Konrad (2004) zum Thema Vorführung, Weigerung und Zwangsbehandlung.
      •  Kritischer Kommentar: Persönliche Untersuchung nicht möglich.


    Der Mensch und seine Würde zählen in der forensischen Psychiatrie nicht sehr viel (außer in Veröffentlichungen, auf Kongressen und vor großem Publikum). Ein wichtiger Beleg ist sicher die Tatsache, dass oft gegen den erklärten Willen der ProbandInnen und ihre Weigerung, bei der Gutachtenerstellung mitzuwirken, verstoßen wird, und zwar ohne erkennbare fachliche oder berufsethische Skrupel. Nicht selten hat es den Anschein, als dächten die forensischen Psychiater: selber schuld, hätte sie / er doch mitgemacht.
        Einigermaßen zuverlässige Zahlen haben wir nicht. Und das ist bereits ein Indiz für den Missstand. Warum gibt es im Rahmen der statistischen Rechtspflege keine entsprechenden Daten?
        In der interessanten Arbeit zur Querulanz von Dinger & Koch (1992, S. 113) zeichnete sich - wenn auch auf sehr dünner Datenbasis - folgendes Bild ab: "Eine Exploration - nach gutachtentechnischen Empfehlungen ein unabdingbarer Bestandteil jeder Begutachtung - wurde nur in 5 Fällen [RS: von 18, das sind nur 28%] durchgeführt. Zwei Gutachten scheinen ausschließlich auf der Basis von Aktenmaterialien und früheren Gutachten erstellt worden zu sein." Die Akten- und Meinungsachter hätten damit eine faktische faktische 2/3 Mehrheit.


    3. Teil

    Beispiele für absolute Fehler in forensischen Gutachten

    Vorbemerkung: Das Einzelfallprinzip gebietet, sicherheitshalber nur von potentiellen Fehlern zu sprechen. Der Katalog enthält also überwiegend nur potentielle absolute Fehler. Darin liegt ein gewisser Widerspruch, der nicht ganz aufzulösen ist, wenn man bedenkt, dass auch absolute Fehler "nur" in Teilbereichen vorkommen können (etwa bei der Aufklärung). Die hier erfasste Beispielsammlung enthält aber fast nur gravierende absolute Fehler, die die Gutachten gänzlich wertlos machen.
        Ob ein potentieller Fehler im spezifischen Einzelfall wirklich ein Gutachten-Fehler ist, sollte nicht abstrakt-allgemein, sondern im Realitätsrahmen und Situationskontext des Einzelfalles untersucht und entschieden werden. Und natürlich hängt die Fehler-Diagnose und das Gewicht, das ihr zukommt, auch sehr davon ab, aus welcher wissenschaftlichen Perspektive oder Basis die Betrachtung erfolgt. PsychoanalytikerInnen haben z.B. ein sehr lockeres Verhältnis zu Phantasie und Vermutungen und verwechseln diese oft mit Wissenschaft, Empirie oder Objektivität.
        Wichtig ist vielleicht auch, dass man sich eingesteht: fehlerlose Gutachten gibt es nicht. Aber: die Problemlösung beginnt bekanntlich mit der Problemwahrnehmung. Deshalb ist es sinnvoll, sich seinen möglichen Fehlern grundsätzlich zu öffnen. Manche Fehler mögen auch keine ernste Bedeutung haben, andere aber im jeweiligen Einzelfall vielleicht schon. Und es gibt fatale Fehler, die ein Gutachten nicht verwertbar machen (z.B. Oder-Diagnosen, Verfassung und Befinden zu den Tatzeiten nicht exploriert oder, bei keinem Ergebnis hierzu, die Beweisfrage als nicht beantwortbar erklärt, nicht persönlich untersucht, unzulängliche Mittel und Methoden angewendet, ... ... ...), was ja gerade Gegenstand dieser Ausarbeitung ist.
        Kleine Fehlertaxonomie: (1) Fatale, nicht mehr reparierbare Fehler. (2) Fatale Fehler ohne nähere Spezifikation. (3) Fatale, aber grundsätzlich noch reparierbare Fehler ("Nachbesserung", weiteres Ergänzungsgutachten).  (4) Fehler ohne bedeutsame Auswirkung auf die Beantwortung der Beweisfrage. (5) Sonstiger in seiner Bedeutsamkeit nicht richtig oder zuverlässig einschätzbarer Fehler.
        Sonderfall: Fehlerhaftes Gutachten, aber im Ergebnis nachvollziehbar und - wenn auch mit anderem Vorgehen - zum gleichen Ergebnis gelangend.

    Überblick Absolute Fehler (AbsFb) Beispiele

    • AbsF01b  Ungeeignet hinsichtlich Qualifikation, Ausbildung oder Erfahrung, mangelnde Sach- oder Fachkunde, d.h. der Auftrag hätte gar nicht angenommen werden dürfen.
    • AbsF02b  Kein richtiges Verständnis der sachverständigen Aufgabe und der Aufgabe der Justizorgane (Gericht, Staatsanwaltschaft, Anwaltschaft, Polizei) z.B. keine strikte Unterscheidung der psychiatrischen und der Rechtsbegriffe. Dazu kann auch gerechnet werden, wenn der Auftrag in den Hauptsachen gar nicht persönlich ausgeführt, sondern weitergereicht wird.
    • AbsF03b  Keine angemessene Aufklärung über Rechte, Pflichten, Folgen, Risiken einer - auch verweigerten - Begutachtung.
    • AbsF04b  Befangenheit, Voreingenommenheit, Einseitigkeit, Vorurteile.
    • AbsF05b  Mangelhafte oder ungenügend Datengrundlage, die kein angemessenes Fundament für eine wissenschaftlich fundierte Begutachtung liefern.
    • AbsF06b  Es wird gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkung der ProbandIn gegutachtet.
    • AbsF-Xb  Sonstiger, bislang nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Absolut zuzuordnen ist.




    AbsF01b  Ungeeignet hinsichtlich Qualifikation, Ausbildung oder Erfahrung, mangelnde Sach- oder Fachkunde, d.h. der Auftrag hätte gar nicht angenommen werden dürfen.

    > rechtliche (AbsF01r) und fachliche (AbsF01f) Beurteilung.

    (1) Im Fall Peggy wurde Prof. Dr. Kröber zur Erstellung eines aussagepsychologischen Gutachtens über Ulvi Kulac bei Vorliegen eines Geständniswiderrufes und einer geistigen Behinderung berufen. Damit wurde ein dreifach nicht qualifizierter Gutachter vom Landgericht Hof berufen: Er ist kein Aussagepsychologe, kein Experte für Geständniswiderrufe und auch kein ausgewiesener Fachmann für geistig Behinderte. Und das merkt man seinem "Gut"achten auch überdeutlich an (Analyse und Kritik hier). Seine persönliche Untersuchung zeigt überdeutlich, dass er von eine kunstgerechten Exploration nicht die geringste Ahnung hat: mit einer 68% Suggestivfragenrate bei der entscheidenden "haargenauen" Nacherzählung disqualifiziert er sich vollständig.
        Diesen Fehler will  nun offenbar das Landgericht Bayreuth wiederholen, wenn die Pressemeldung der Nürnberger Nachrichten vom 11.1.2014,  S. 16:  ”Zweite Chance für Gutachter. Fall Peggy: Berliner Professor darf Ulvi K. erneut beurteilen ….” richtig ist.

    (2) Sämtliche strafrechtlich berufenen Gutachter (Dr. Lippert, Dr. Leipziger, Prof. Dr. Kröber und Prof. Dr. Pfäfflin) im Fall Gustl F. Mollaths zeigten sich unwillig oder unfähig -  im Ergebnis ist das einerlei - Befinden und Verhalten zu den 10 Tatzeitpunkten auch nur ansatzweise zu erkunden. Das ist zwar oft schwierig - im Falle Mollath wahrscheinlich sogar unmöglich, - aber Gutachter, die das, aus welchen Gründen auch immer, nicht können, sollten den Auftrag mangels Sach- und Fachkunde in diesem Einzelfall zurückgeben. Der kaum nachzuvollziehende Murks und Pfusch, der hier von den Richtern geduldet wurde, zeigt, dass sie selbst unwillig oder unfähig waren, ihrer gesetzlichen Aufgabe, die Gutachter zu leiten und zu kontrollieren, nachzukommen.

    (3) Obwohl der zentrale psychiatrische Vorhalt Wahn ist, wird dieser Wahn, für den die Psychiatrie seit über 100 Jahren noch nicht einmal eine verbindliche Definition vorlegen kann, nicht aus Daten des Erlebens oder Verhaltens abgeleitet. Er wird einfach behauptet und gemeint (>Meinungsachten). Wer so arbeitet, ist für wissenschaftlich begründete Gutachten ungeeignet. Dem fehlt trotz beruflicher Stellung und DGPPN-Zertifikat die tatsächlich wissenschaftliche Sach- und Fachkunde.


    AbsF02b  Kein richtiges Verständnis der sachverständigen Aufgabe und der Aufgabe der Justizorgane (Gericht, Staatsanwaltschaft, Anwaltschaft, Polizei)

    > rechtliche (AbsF02r) und fachliche (AbsF02f) Beurteilung.
     

    • Gutachten Dr. Leipziger: Überidentifikation mit der Staatsanwaltschaft.
    • Schulranzen Flugbahn-Experte Prof. Kröber im Fall Peppy / Ulvi Kulac.
    • OLG Köln: Entzug und Streichung des Honorars wegen nicht persönlicher Erbringung.
    • Grauzone persönliche Gutachtenerstattung.


    Hierher gehören z.B. keine strikte Unterscheidung der Rechtsbegriffe und ihrer psychopathologischen Entsprechungen, Überidentifikationen mit den Ermittlungsbehörden, der Staatsanwaltschaft, dem Gericht, mit dem Gesetz, der öffentlichen Meinung, dem Anwalt, dem Täter oder dem Opfer. Dazu kann auch gerechnet werden, wenn der Auftrag in den Hauptsachen gar nicht persönlich ausgeführt, sondern weitergereicht wird. Falsches Rollenverständnis führt oft auch zur Befangenheit (>AbsF04b)

    Im Gutachten Dr. Leipziger fällt eine Überidentifikation mit der Staatsanwaltschaft - dem Auftraggeber - auf. Dafür sprechen folgende Gründe:
     

    1. Die Vorhalte gegen Gustl F. Mollath werden als gegeben unterstellt, obwohl sich das Verfahren noch im Zwischenstadium befindet und die Unschuldsvermutung bis zum rechtskräftigen Urteil gilt, hier also erst nach Abweisung der Revision durch den BGH.
    2. Während der Gutachtenerstellung merkt Dr. Leipziger, dass ihm die Jahre zurückliegenden Beschuldigungen nicht reichen und er schreibt einen Brief an die Staatsanwaltschaft, wo er nachfragt, ob weitere strafbare Sachverhalte bekannt wurden. Damit drückt er aus: Ich will unterbringen, aber was ich habe, reicht nicht, und er fordert schönfärberisch formuliert weitere Straftaten nach. Mehr und genauer hier, bei Befangenheit.
    3. Er fälscht sogar einen Befund mittels Textmontage, um einen Vergiftungswahn nahe zu legen. Die gesamte Bearbeitung des Falles zeigt, dass Dr. Leipziger ein massives Interesse daran hatte, Mollath zu psychiatrisieren und unterzubringen. Das aber ist gar nicht seine Aufgabe.


    Schulranzen-Flugbahnexperte Im Falle Ulvi Kulac überschreitet Prof. Dr. Kröber bei weitem seine Sachverständigen- Rolle und Kompetenz, wenn er sich als Schulranzen-Flugbahnexperte einbringt, ohne entsprechende kritische Überlegungen, ob das, wie angegeben, so überhaupt funktionieren kann (aus dem Tatrekonstruktionsvideo vom 30.07.2002 geht ja klar hervor, dass Peggy den - ziemlich großen - Schulranzen mit der rechten Hand getragen haben soll: wie soll er da beim Sturz nach vorne fliegen?). Hier wäre eine GerichtsmedizinerIn, KriminaltechnologIn oder PhysikerIn gefragt gewesen.

    OLG Köln · Beschluss vom 18. November 2013 · Az. 17 W 167/13 [openjure]
    Hier hat ein Professor weder den  psychosomatischrheumatologischen Gutachtenauftrag persönlich noch bei Zeiten durchgeführt und dies nicht einmal kenntlich gemacht. Das Gericht hat daraufhin den Auftrag entzogen und das Honorar zu Recht, so das OLG, auf Null gesetzt, weil das Gutachten nicht verwertbar war.

    Grauzone persönliche Gutachtenerstattung
    Es kommt bei medizinischen und forensisch-psychiatrischen Gutachten häufig vor, dass die Beauftragten das Gutachten nicht selbst und persönlich erbringen, sondern in wesentlichen und nicht vom Gesetz gedeckten Teilen von ihren Bediensteten machen lassen. Ein Chef, Professor oder Direktor verrichtet sozusagen keine profane Arbeit, dafür hat er seine Leute, er überwacht und verantwortet mit seiner Unterschrift. Und zwar nicht nicht nur bei untergeordneten und durch das Gesetz gedeckte Aufgaben, sondern auch bei der wichtigsten Kernaufgabe, der forensischen Exploration.
        Es finden sich in solchen Gutachten der "Koryphäen" dann sehr kreative Formulierungen bei den Unterschriften: Bediensteter: "Ersteller des Gutachtenkonzepts", Mitwirker: "Einverstanden aufgrund eigener Untersuchung, Exploration und  Urteilsbildung", Chef / Direktor: "Gesamtverantwortlich für das Gutachten", wobei die Anteile im Gutachten nicht gekennzeichnet und damit gar nicht überprüfbar sind. Dass das von den - meist Land-  Gerichten einfach so hingenommen und durchgewunken wird, ist der eigentliche Skandal.
     


    AbsF03b  Keine angemessene Aufklärung über Rechte, Pflichten, Folgen, Risiken einer - verweigerten - Begutachtung

    > rechtliche (AbsF03r) und fachliche (AbsF03f) Beurteilung.

    Ein Standard grundlegender Aufklärung wurde bisher weder vom Recht noch von der forensischen Psychologie oder Psychiatrie entwickelt. Meist beschränkt man sich auf die Information, dass die Mitwirkung freiwillig sei und die Schweigepflicht nicht gilt. Über den Ablauf der Begutachtung und die Folgen dieses oder jenes Ergebnisses, u.a. bei Verweigerung der Mitwirkung, wird gewöhnlich so wenig aufgeklärt wie es schriftlich dokumentiert und das Verständnis der Aufklärung gesichert wird.

    Eine vollständige Aufklärung mit schriftlicher Dokumentation und Verständnissicherung habe ich weder bei den Begutachtungen über Gustl F. Mollath noch bei Ulvi Kulac gefunden. Das sind aber sicher keine Einzelfälle, sondern unvollständige Dokumentationen sind die Regel, der "Standard" in der forensischen Psychiatrie.



    AbsF04b  Befangenheit, Voreingenommenheit, Einseitigkeit, Vorurteile

    > rechtliche (AbsF04r) und fachliche (AbsF04f) Beurteilung.

    Der Fall Zimmermann in Bayern: Dem Spiegel 20, 1976 kann entnommen werden: "medizinische Gutachter, darunter der Parteifreund und damalige Sanatoriumsbesitzer Schlemmer am Tegernsee, hatten ihm zeitweilige Verwirrungszustände des Geistes attestiert." Ein solches "Gut"achten, bei dem ein Parteifreund mitwirkte, hätte niemals vom Gericht anerkannt werden dürfen und Dr. Schlemmer hätte sich zwingend für befangen erklären müssen.

    Fall Peggy (Ulvi Kulac): Extreme Überidentifikation mit der Staatsanwaltschaft und eine völlig unkritische Haltung zeigt auch Prof. Dr. Kröber im Falle Ulvi Kulac. Obwohl die vielfältigen Probleme jedem unbefangenen Außenstehenden sofort ins Auge springen (z.B. 800 m Lauf am Stück des übergewichtigen Ulvi Kulac, der schon beim bloßen Gehen der Strecke hörbar schnauft; keine Leiche, viel zu wenig Zeit, um die Leiche weg zu schaffen; extrem suggestive Vernehmung; Vernehmungsdruck; Reid-Methode; einseitig und unkritisch bezüglich Alternativen; ...).

    Der Ermittlungseifer des Dr. Leipziger.
    Der Beweisbeschluss zum Gutachten durch Dr. Leipziger erfolgt am 16.09.2004. Abgeschlossen wurde es am 25.07.2005. Die  zu dem Zeitpunkt vorliegenden Tatvorwürfe lagen teilweise Jahre zurück, so dass Dr. Leipziger am 4.5.2005 bei der Staatsanwaltschaft weitere Taten nachfragte. Was bedeutet das? Wie kommt Dr. Leipziger dazu, nach weiteren Ermittlungsergebnissen zu "fragen"? Damit bringt er natürlich zum Ausdruck, dass ihm die - damaligen - Tatvorwürfe zu den Tatzeiten 12.08.2000, 31.05.2002 und 23.11.2002 für das gewünschte Ergebnis im Jahre 2005 nicht mehr ausreichend schienen. Nebenbei sei festgehalten, dass Dr. Leipziger sich rein subjektiv gar nicht befähigt sah, eine strafrechtsrelevante seelisch-geistige Verfassung bei Mollath ohne die Tatvorwürfe festzustellen, was für sich schon Bände spricht. Hier interessiert allerdings das Ermittlungsinteresse, das ganz klar Befangenheit anzeigt. Salopp formuliert: wenn ihr wollt, dass ich dem Mollath einen 63er verpasse, dann müsst ihr nachliefern, die bisherigen Straftatvorwürfe reichen nicht. Klarer kann Befangenheit aus Gefälligkeitseifer kaum zum Ausdruck gebracht werden.
        Auf das tiefgreifende und ungelöste Interlokutproblem und das Problem der Anknüpfungstatsachen ist an anderen Stellen eingegangen worden (die Straftaten wurden ja erst mit der Abweisung der Revision durch den BGH ab 14.02.2007 rechtskräftig).

    Gutachtenauftrag über- oder untererfüllt, am Auftrag vorbei oder falsch ausgeführt.
    Besorgnis der Befangenheit wegen therapeutischer Hinweise eines gerichtlich bestellten Sachverständigen. Anmerkung zu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 02.11.2010, Az. L 8 R 921/10 B. "Das Vertrauen in die Neutralität eines Sachverständigen kann beeinträchtigt sein, wenn der Umfang des Gutachtenauftrags überschritten wird." [PDF]

    Nur eine oder zu wenige Hypothesen untersucht.
    Sachliche Befangenheit erkennt man sofort daran, wenn nicht mehrere Hypothesen, auch Alternativ- und Gegenhypothesen erwogen werden, und noch dazu im Zwischenverfahren die Anklagesachverhalte der Staatsanwaltschaft als real unterstellt werden.

    Anmerkung: Dr. W. vom BZK Erlangen erklärte sich im Fall Mollath für befangen.

    Systemische Befangenheit Dr. Leipzigers im Fall Gustl F. Mollath. Dr. Leipziger war nicht nur der Unterbringungsgutachter, sondern zugleich mehrfach der alljährliche Berichterstatter und Gutachter nach § 67e StGB in Personalunion und der Verwahrer der Behandlungseinrichtung. Es ist ein schwerer absoluter Fehler des Systems (> Rechtsfehler), so etwas überhaupt zuzulassen. Hier ist es dringend erforderlich, dass mit einer Reform des § 63 StGB auch für die Unabhängigkeit des Gutachters von der Unterbringungseinrichtung gesorgt wird, weil die jetzige Konstruktion der Lebenserfahrung und dem gesunden Menschenverstand wie auch allgemeiner wissenschaftlicher Auffassung, dem Neutralitäts- und Fairneßprinzip grundlegend widerspricht. Es darf und kann nicht unbefangen und neutral gutachten, wer zugleich Interessenträger der Unterbringungseinrichtig ist.



    AbsF05b  Mangelhafte oder ungenügende Datengrundlage, die kein angemessenes Fundament für eine wissenschaftlich fundierte Begutachtung liefert

    > rechtliche (AbsF05r) und fachliche (AbsF05f) Beurteilung.

    Zur Erinnerung: Bei mangelnden Daten und Informationen Hierbei sind grundsätzlich zwei Fälle zu unterscheiden: 1) Datenmangel: es liegen überhaupt keine oder viel zu wenig Daten und Informationen vor. 2) Nichtverwertbarkeit: Die vorliegenden Daten und Informationen sind aufgrund des Zustandes der ProbandIn (überdosiert, fixiert; psychotisch, übererregt, delirant, verwirrt, desorganisiert oder ähnliches) nicht verwertbar.

    Gustl F. Mollath hat sich als gesund erlebt und aufgrund dessen die ersten drei strafrechtlichen Zwangsbegutachtungen (Dr. Lippert, Dr. Leipziger, Prof. Dr. Kröber) abgelehnt, erst bei der ersten externen Begutachtung durch Prof. Dr. Pfäfflin hat er - in falscher Hoffnung - eine Ausnahme gemacht. Von daher fehlten von Anfang an die entscheidenden Information und Daten des Erlebens und Verhaltens, insbesondere zu den 10 Tatzeiten, die zur Erforschung der Voraussetzungen der Schuldfähigkeit zwingend erforderlich sind. Daran hat sich offensichtlich niemand gestört. Sowohl die Gutachter als auch ihre Richter haben hier versagt. Das hätte niemals so durchgehen dürfen.

    Es fehlt im Fall Gustl F. Mollath bei den ersten drei Unterbringungsgutachten jede Daten- und Informationsgrundlage. Das  fehlende Wissen wird durch bloßes Meinen, Spekulieren, Vermuten und Phantasieren ersetzt.

    Absurde Logik in den Beurteilungen nach § 67e StGB
    Im Verlauf der Verwahrung, Behandlung fand ja nie statt, wurden die alljährlichen Beurteilungen nach § 67e StGB erforderlich. Die zentrale Aufgabe ist hier, die Gefährlichkeitsbeurteilung. Hier hat sich Dr. Leipziger mit folgender irrwitziger Argumentation beholfen: Weil Gustl F. Mollath nach wie vor die Mitwirkung verweigere, könne sich auch sonst nichts geändert haben und alles sei beim alten und daher müsse er auch weiter verwahrt werden. Eine solche Schlussfigur hat mit Wissenschaft, mit Logik, mit Erfahrungssätzen und mit gesunden Menschverstand nichts zu tun. Aber die Bayreuther Strafvollstreckungskammer, wie auch das OLG Bamberg, lässt diesen hochgradigen Unsinn problemlos durchgehen. Wieder einmal zeigt sich, dass die Richter unwillig oder unfähig sind, forensisch-psychiatrische Gutachten angemessen zu beurteilen, zu prüfen und und zu kontrollieren.



    AbsF06b  Es wird gegen den erklärten Willen und ohne Mitwirkung der ProbandIn gegutachtet

    > rechtliche (AbsF06r) und fachliche (AbsF06f) Beurteilung.

    Gustl F. Mollath ist mehrfach (Dr. Lippert, Dr. Leipziger, Prof. Dr. Kröber) gegen seinen erklärten Willen und verweigerte Mitwirkung zwangsbegutachtet worden. Und auch im Wiederaufnahmeverfahren soll er wieder psychiatrisch zwangsbegutachtet werden.
        Kein Zweifel, eine Reform des § 63 StGB sollte sich auch der Probleme Abstreiten der Tatvorwürfe und Verweigerung der Mitwirkung annehmen.



    AbsF-Xb  Sonstiger, bislang nicht erfasster Fehler, der dem Bereich Absolut zuzuordnen ist
     
     


    4. Teil

    Wissenschaftlicher Apparat

    Literatur (Auswahl) > Weitere Literaturquellen  im Gesamtkontext potentielle Fehler ... Gutachten-Doku hier.

    • Becker (1978)  Erfahrungen als Gutachter bei Vorwürfen wegen mangelnder Aufklärung und Fahrlässigkeit. Laryng Rhinol 1974, 75–89;
    • Beppel, Antje  (2007) Ärztliche Aufklärung in der Rechtsprechung. Die Entwicklung der Rechtsprechung zur ärztlichen Aufklärung in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Göttingen: Universitätsverlag.
    • BGH (1991) Ausschließung eines Staatsanwalts NStZ 1991, 595
    • BGH (2001) Befangenheit des Staatsanwalts NStZ-RR 2001, 107
    • BGH (2007) Rüge der Mitwirkung eines befangenen Staatsanwalts NStZ 2007, 419
    • Blau, G. (1991). Der befangene Sachverständige im Strafprozess. In (10-22) Schütz, H. et al. (1991).
    • Cirener, D. (2012) Ausschluss und Befangenheit von Staatsanwälten. BeckOK StPO § 22, Rn 34 - 37, Hrsg: Graf Stand: 01.10.2012, Edition: 15.
    • Eisenberg, Ulrich (2011) I. Begriff und Stellung des Sachverständigen, in Erstes Kapitel. Voraussetzungen und Gestaltung der Tätigkeit. In: Ulrich Eisenberg Beweisrecht der StPO. 8. Auflage 2011, Rn 1500-1517c
    • Foerster, Klaus (2004, Hrsg.) Venzlaff & Foerster. Psychiatrische Begutachtung. Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen. 4. Auflage. München: Elsevier (Urban & Fischer).
    • Joos, (1981) Ablehnung des Staatsanwalts wegen Befangenheit? NJW 1981, 100
    • Kröber, H.-L.; Dölling, D.; Leygraf, N.  & Saß, H. (2006-2010, Hrsg.). Handbuch der Forensischen Psychiatrie. 5 Bde. Berlin: Steinkopff (Springer).
      • 2007: Band 1 Strafrechtliche Grundlagen der Forensischen Psychiatrie.
      • 2010: Band 2 Psychopathologische Grundlagen und Praxis der Forensischen Psychiatrie im Strafrecht.
      • 2006: Band 3 Psychiatrische Kriminalprognose und Kriminaltherapie.
      • 2009: Band 4 Kriminologie und Forensische Psychiatrie.
      • 2009: Band 5 Forensische Psychiatrie im Privatrecht und Öffentlichen Recht.
    • LG Köln (1985) Ablehnung eines Staatsanwalts wegen Befangenheit NStZ 1985, 230
    • Leipold, (2006) Besorgnis der Befangenheit NJW-Spezial 2006, 471
    • Monka, (2012)  Beck'scher Online-Kommentar StPO, Hrsg: Graf Stand: 01.10.2012, Edition: 15.
    • Müller, Klaus (1988) Der Sachverständige im gerichtlichen Verfahren, 3. Aufl., Heidelberg, Rn. 240 - 241.
    • Nedopil, N. (1996, Hrsg). Klinik, Begutachtung und Behandlung zwischen Psychiatrie und Recht. Stuttgart: Beck & Thieme
    • OLG Hamm (1969) Ablehnung eines Staatsanwalts NJW 1969, 808
    • Schütz, H.; Kaatsch, H.-J. & Thomsen, H. (1991, Hrsg.) Medizinrecht, Psychopathologie, Rechtsmedizin. Diesseits und jenseits der Grenzen von Recht und Medizin. Festschrift für Günter Schewe. Berlin: Springer.
    • Parviz, Simon (2013) Das Spannungsfeld zwischen Richter und Sachverständigem – Anforderungen an Beweisbeschlüsse und Klarheit des gutachterlichen Auftrags. INGservice Januar/Februar 2013, 3-5. [PDF]
    • Pawlik, (1995) Der disqualifizierte Staatsanwalt  NStZ 1995, 309
    • Rieß, (1988) Der befangene Staatsanwalt. NJW 1984, 1522
    • Schmidt-Hieber (1990) Mitwirkungsverbot für den befangenen Staatsanwalt. NJW 1990, 1782
    • Schneider (1994) Gedanken zur Problematik des infolge einer Zeugenvernehmung “befangenen” Staatsanwalts NStZ 1994, 457
    • Sommer & Tsambikakis (2009) In: Terbille, M. &  Clausen, T. (2009, Hrsg.) Münchener Anwaltshandbuch Medizinrecht, 1. Auflage 2009  Rn 433-434. [Rn 433 "Die Ablehnung von Staatsanwälten wegen der Besorgnis der Befangenheit sieht das Gesetz nicht vor."]
    • Streng, Franz (2001). StGB § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen, Münchener Kommentar zum StGB 2. Auflage 2011.
    • Tondorf, Günther & Babette (2011). Psychologische und psychiatrische Sachverständige im Strafverfahren. Verteidigung bei Schuldfähigkeits- und Prognosebegutachtung. Heidelberg: C. F. Müller.




    Links (Auswahl: beachte) > Querverweise.
    • Enzyklopädie: Befangenheit.
    • W: Befangenheit.
    • W: Ablehnungsgesuch (Befangenheitsantrag) gegen einen Richter.




    Glossar, Anmerkungen und Endnoten
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    Stichworte: Eigener wissenschaftlicher Standort * subjektwissenschaftliche Orientierung * Vertrauen, Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis * Wahn *
    __
    Eigener wissenschaftlicher Standort
     
    . einheitswissenschaftliche Sicht. Ich vertrete neben den Ideen des Operationalismus, der Logischen Propädeutik und einem gemäßigten Konstruktivismus auch die ursprüngliche einheitswissenschaftliche Idee des Wiener Kreises, auch wenn sein Projekt als vorläufig gescheitert angesehen wird und ich mich selbst nicht als 'Jünger' betrachte. Ich meine dennoch und diesbezüglich im Ein- klang mit dem Wiener Kreis, daß es letztlich und im Grunde nur eine Wissenschaftlichkeit gibt, gleichgültig, welcher spezifischen Fachwissenschaft man angehört. Wissenschaftliches Arbeiten folgt einer einheitlichen und für alle Wissenschaften typischen Struktur, angelehnt an die allgemeine formale Beweisstruktur. 
       Schulte, Joachim & McGuinness, Brian (1992, Hrsg.). Einheitswissenschaft - Das positive Paradigma des Logischen Empirismus. Frankfurt aM: Suhrkamp.
       Geier, Manfred (1992). Der Wiener Kreis. Reinbek: Rowohlt (romono).
    Kamlah, W. & Lorenzen, P. (1967). Logische Propädeutik. Mannheim: BI.
    _
    Wissenschaft [IL] schafft Wissen und dieses hat sie zu beweisen, damit es ein wissenschaftliches Wissen ist, wozu ich aber auch den Alltag und alle Lebensvorgänge rechne. Wissenschaft in diesem Sinne ist nichts Abgehobenes, Fernes, Unverständliches. Wirkliches Wissen sollte einem Laien vermittelbar sein (PUK - "Putzfrauenkriterium"). Siehe hierzu bitte das Hilbertsche gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann verständlichen Sprache wiedergegeben." 
    Allgemeine wissenschaftliche Beweisstruktur und  beweisartige Begründungsregel
    Sie ist einfach - wenn auch nicht einfach durchzuführen - und lautet: Wähle einen Anfang und begründe Schritt für Schritt, wie man vom Anfang (Ende) zur nächsten Stelle bis zum Ende (Anfang) gelangt. Ein Beweis oder eine beweisartige Begründung ist eine Folge von Schritten: A0  => A1 => A2  => .... => Ai .... => An, Zwischen Vorgänger und Nachfolger darf es keine Lücken geben. Es kommt nicht auf die Formalisierung an, sie ist nur eine Erleichterung für die Prüfung. Entscheidend ist, dass jeder Schritt prüfbar nachvollzogen werden kann und dass es keine Lücken gibt. 
    __
    subjektwissenschaftliche Orientierung
    Subjektwissenschaftliche Orientierung heißt kurz und bündig, die ProbandIn als ForschungspartnerIn ausdrücklich anerkennen. Die Erforschung fremden Erlebens erfordert bei manchen Fragestellungen eine starke subjektwissenschaftliche Orientierung, d.h. die ausdrückliche Einbeziehung des Gegenübers, das als Explorations- oder ForschungspartnerIn angesehen wird. Damit stellt sich natürlich die Frage, wie man eine solche Situation einführt, gestaltet und handhabt, wobei auch die Erwartungen und möglichen Vorurteile bei den PartnerInnen bedacht werden müssen. Ist die UntersucherIn zu vorsichtig, kann die ProbandIn vielleicht denken, die ist unsicher, weiß selbst nicht genau, was sie will, bürdet mir ihre Arbeit auf, ist schlecht vorbereitet u.a.m. …
        Das verschärfte Grundprinzip subjektwissenschaftlicher Orientierung lautet, dass eine effektive und informative Erforschung des Innenlebens anderer Menschen, ohne die ausdrückliche Einbeziehung der ProbandIn als PartnerIn, nicht möglich ist.
        Zur Geschichte: Die subjektwissenschaftliche Orientierung wurde von Klaus Holzkamp und seiner Schule der kritischen Psychologie stark thematisiert. Aber auch in Erlangen im Umfeld von Prof. Werbik wurde die Einbeziehung der Versuchsperson in den Forschungsprozess gepflegt.
    __
    Vertrauen, Vertrauensbeziehung, Vertrauensbasis
     
    __
    Wahn.
      Der Psychiatrie ist es in den letzten Jahrhunderten nicht gelungen, sich auf eine verbindliche Wahndefinition zu einigen. Ich habe nach meinen Wahnstudien eine mir angemessen und schlüssig erscheinende Wahndefinition entwickelt:
          Definition: Wahn liegt vor, wenn mit rational unkorrigierbarer (Logik, Erfahrung) Gewissheit ein falsches Modell der Wirklichkeit oder ein falscher Erkenntnisweg zu einem richtigen oder falschen Modell der Wirklichkeit vertreten wird.
          Beispiel falsches Modell der Wirklichkeit: Ein Passant gähnt und das deutet ein fränkischer Proband als Zeichen Dr. Merks, worauf er in die Knie geht und laut ruft: „Allmächd, Allmächd“. Muss man so jemanden einsperren? Natürlich nicht.
          Beispiel falscher Erkenntnisweg eines richtigen Modells der Wirklichkeit: Ein Passant gähnt und ein Proband zieht daraus den Schluss, dass Banken in hohen Maße an Steuerbetrugsdelikten beteiligt sind. Passantengähnen ist keine in unserer Kultur und Wissenschaft anerkannte Erkenntnisquelle für Schwarzgeldschiebereien, die natürlich ein völlig reales Modell der Wirklichkeit sind.
          Gustl F. Mollath hat seine Erkenntnisse nicht aus dem Gähnen eines Passanten wahnhaft erschlossen, sondern seine Erkenntnisquellen entsprechen genau denen unserer Kultur und Wissenschaft. Es gibt auch keine Progredienz (Ausdehnung, Erweiterung, Fortschreitung), wenn man mit gesundem Menschenverstand hinschaut, was der forensisch-psychiatrischen Schlechtachterindustrie offenbar zu schwierig erscheint. Es ist ja völlig logisch und verständlich, dass, je mehr Menschen sein Anliegen und seine Erkenntnisse ablehnen, er entsprechend mehr AblehnerInnen sieht. Daher ist das vermeintliche Progredienzzeichen für einen angeblich sich ausdehnenden Wahn (wohin hat er sich denn in den letzten 10 Jahren ausgedehnt?) auch keines, sondern es erklärt sich ganz einfach aus der Natur des Sachverhalts.
      Infos zum Wahn in der IP-GIPT:
      • Wissenschaftliches Wahnsystem am Beispiel Mollath.
      • Wahnverständnis der Mollath-Gutachter.
      • Einige Wahnbegriffe im AMDP-System.
      • Wahn in verschiedenen Störungen und Krankheiten (Diagnostik).
      • Wahnformen.
      • Wahnfälle.
      • Zur Etymologie von WAHN gegenüber WahnSINN (nach Scharfetter).
      • "Normal", "Anders", "Fehler", "Gestört", "Krank", "Verrückt".
      • Unterscheiden Wahn und Glauben.
      • Mehr zum Wahn > Überblick Wahn.
      ___
      Wahnhaft im Urteil vom 26.8.2006
      (S. 25): "Auch in der Hauptverhandlung hat sich - wie bereits in den von den Zeugen geschilderten Vorfällen - die wahnhafte Gedankenwelt des Angeklagten vor allem in Bezug auf den Schwarzgeldverschiebungen der Hypovereinsbank bestätigt. Mag sein, dass es Schwarzgeldverschiebungen von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat bzw. noch gibt, wahnhaft ist, dass der Angeklagte fast alle Personen, die mit ihm zu tun haben, z.B. den Gutachter Dr. Wörthmüller völlig undifferenziert mit diesem Skandal in Verbindung bringt und alle erdenklichen Beschuldigungen gegen diese Personen äußert."
      ___
      Zur Bedeutung des Wahns für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach den §§ 20 und 21 StGB.
      Dölling, Dieter  (2010) Zur Bedeutung des Wahns für die Beurteilung der Schuldfähigkeit nach den §§ 20 und 21 StGB. Forens Psychiatr Psychol Kriminol (2010) 4:166–169.
          "Zusammenfassung Für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eines Täters mit Wahnsymptomatik ist zunächst zu prüfen, ob ein Eingangsmerkmal der §§ 20, 21 des Strafgesetzbuches (StGB) vorliegt. Hierzu ist eine gründliche Diagnose von Art und Intensität des Wahns sowie der ihm zugrunde liegenden psychischen Erkrankung erforderlich. Ist ein Eingangsmerkmal gegeben, ist zu erörtern, wie sich
      der Wahn im jeweiligen Einzelfall auf die Fähigkeit des Täters zur Unrechtseinsicht und seine Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat. Hierfür kann ein Blick auf das von Winfried Brugger entwickelte anthropologische Kreuz der Entscheidung hilfreich sein."
          Diese Beurteilungkriterien des Mitherausgebers des Handbuches der Forensischen Psychiatrie wurden im Fall Mollath nicht beachtet, angewendet und eingehalten.
      __
      widersprüchliche und wirre Diagnostik beim Betreuungsantrag (5.4.2006)
      Im "Anregungsschreiben" vom 6.4.2006 des BKH Bayreuth (PDF bei Dr. Strate) wird zunächst zur Diagnose ausgeführt:
      "Diagnostische Einschätzung: Bei Herrn M. liegt ein paranoider Wahn im Rahmen einer paranoiden Schizophrenie (ICD 10 F 20.0), zumindest aber eine wahnhafte Störung (ICD 10 F22.0) mit paranoiden Inhalten vor." Sodann heißt es: "Im Bereich der Gesundheitsfürsorge/Behandlung, besteht, insbesondere bei weiterer Verzögerung der Behandlung, die Gefahr, dass die wahnhafte Störung bzw. der Wahn sich chronifiziert und dann durch Behandlung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann." Und: "Zusammenfassung: Aufgrund der psychischen Erkrankung (wahnhafte Störung (ICD 10 F22.0) differentialdiagnostisch paranoiden Schizophrenie (ICD 10 F 20.0)) kann Hr. M. seine Angelegenheiten in den Bereichen ...".
          Zunächst wird also eine paranoide Schizophrene (ICD 10 F 20.0) als 1. Wahl Diagnose angegeben, sodann  die wahnhafte Störung (ICD 10 F22.0). Im Beschluss des Bayreuther Betreuungsgerichts (S. 13 und 17 PDF) wird die Diagnose "paranoide Schizophrenie" einfach übernommen.
    __


    Querverweise
    Standort: Katalog: Absolute Fehler (AbsF).
    *
    Überblick Forensische Psychologie.
    Überblick Potentielle Fehler in forensisch-psychopathologischen Gutachten.
    Stellungnahmen im Fall Mollath und Ulvi Kulac.
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site: www.sgipt.org
    z.B. Forensische Psychologie site: www.sgipt.org. 
    *
    Dienstleistungs-Info.
    *

    Zitierung
    Rudolf Sponsel (DAS). Katalog: Absolute Fehler (AbsF) zu Potentielle Fehler in forensisch psychiatrischen Gutachten, Beschlüssen und Urteilen der Maßregeljustiz. Eine methodenkritische Untersuchung illustriert an einigen Fällen u. a. am Fall Gustl F. Mollath mit einem Katalog der potentiellen forensischen Gutachtenfehler sowie einiger Richter-Fehler. Erlangen IP-GIPT: https://www.sgipt.org/forpsy/NFPMRG/AbsF.htm
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    korrigiert: irs 12.01.2014



    Änderungen Kleinere Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet und ergänzt.
    09.02.16    Linkfehler Wahnverständnis Mollath-GA korrigiert.
    04.02.15    Keine Linkfehler, Kroeb statt Kröb
    04.04.14    Erg. AbsF04r: Systemische Befangenheit - Beispiel Fall Gustl F. Mollath.
    21.03.14    AbsF02b: OLG Köln · Beschluss vom 18. November 2013 · Az. 17 W 167/13. Grauzone persönliche Gutachtenerstattung.
    19.02.14    In AbsF05 differenzierte Unterteilung erfasst: Datenmangel und Nichtverwertbarkeit: AbsF05r, AbsF05f, AbsF05b.
    09.02.14    Rechtliche Belege zur Pflicht der persönlichen Gutachtenerstattung.
    06.02.14    BGH: Sachverständigengutachten – Übertragung auf Hilfsperson.
    06.02.14    Eschelbach Erforderliche Sachkunde.
    06.02.14    Eschelbach Persönliche Erstattung des Gutachtens.
    06.02.14    Pflicht zur selbständigen Gutachtenerstattung durch den Sachverständigen.
    06.02.14    Laufs/Kern: Pflicht zur persönlichen Gutachtenserstattung
    13.01.14    Nachtrag Zusammenfassung AbsF04r.