Vorbemerkung: Bei der traditionell
forensisch psychiatrischen Literatur zum Thema Geschäfts-un-fähigkeit
empfiehlt sich grundlegende Vorsicht, weil die meisten Werke dem falschen
Ansatz folgen, Geschäftsunfähigkeit nur im Rahmen
einer anderen psychiatrischen Erkrankung zu suchen. Die traditionelle forensische
Psychiatrie sieht oft vor lauter Bäumen den Wald nicht und sucht ständig
nach seelisch-geistigen Krankheiten, aus denen sich eine Geschäftsunfähigkeit
ergeben könnte. Im Zuge dieser Suche versäumt sie oft,
die Sache selbst genau zu untersuchen. Geschäftsunfähigkeit ist
natürlich immer eine erhebliche Störung mit Krankheitswert, völlig
unabhängig davon mit welchen Krankheiten sie sonst einhergehen oder
von welchen sie herrühren mag. So übersieht man meist: Wenn ein
Mensch seine Geschäfte nicht mehr zuverlässig und im Einklang
mit den Rechtsnormen selbständig besorgen kann, dann hat er seine
persönliche Autonomie, seine Integrität, ja ein Kernstück
seiner Persönlichkeit eingebüßt. Und das ist natürlich
immer
schlimm, bedeutsam und krankhaft.
Was wäre denn gewonnen, wenn wir wüssten,
ein Proband hätte eine Schizophrenie gehabt? Hätte er damit automatisch
seine Geschäftsfähigkeit eingebüßt? Nein, natürlich
nicht. Auch hier wäre in seinem konkreten Einzelfall der Nachweis
zu erbringen, wie die Schizophrenie seine Geschäftsunfähigkeit
eingetrübt hat. Die gleiche Frage und Situation stellt sich für
alle anderen seelisch-geistigen Erkrankungen, die als potentielle Verursacher
von Geschäftsunfähigkeit in Frage kommen: z.B. nämlich Schizophrenie,
Paranoia, Manie, manisch-depressive Erkrankung, Depression, Psychoorganisches
Syndrom, Sucht allgemein, Drogen- oder Alkoholsucht, Spielsucht, abhängige
(dependente) oder willensschwache (asthenische) Persönlichkeitsstörung,
sexuelle Hörigkeit, Zwang, Demenzerkranung. In keinem dieser Fälle
muss
es nicht, aber in jedem dieser Fälle kann es
zur Geschäftsunfähigkeit kommen, so dass sich grundsätzlich
die Aufgabe stellt: Wie kommt die Geschäftsunfähigkeit zustande?
Doch diese Frage stellt sich eigentlich zunächst gar nicht, weil die
allererste Frage das Verhalten in der Sache selbst sein muss. |