Psychologie des Tötens
Einführung und Überblick
von Rudolf Sponsel, Erlangen
Einführung
und Überblick zur Psychologie des Tötens
Definition: Töten heißt die Handlung, die Lebendigem das Leben oder seiner Umwelt die Lebensbedingungen nimmt. |
Eine Psychologie des Tötens gibt es bislang nicht. Daher betreten wir hier wissenschaftliches und publizistisches Neuland. Obwohl das Töten eine universelle Handlung ist, die inform des Jagens, Kämpfens, Schlachtens, des Anbaus von Nahrungsmitteln (Urbarmachung, Landwirtschaft) zur Selbsterhaltung lebensnotwendig ist und die Menschen seit ihrer Entstehung und wahrscheinlich bis zu ihrem Ende begleitet, gibt es seltsamerweise keine anthropologische Monographie über das Töten, was gut zur allgemeinen Verdrängung von Sterben und Tod paßt. Allein dieses Phänomen der allgemeinen Verdrängung, der Unterdrückung und des Wegschiebens wäre eine eigene Studie wert.
Gott, wenn es ihn denn gäbe, hätte die Erde und die Evolution sehr inhuman und schlecht eingerichtet: Das Leben der einen fordert den Tod der anderen. Alles Leben ist genau betrachtet ein Trachten, Streben und Kämpfen für das Überleben. So jedenfalls ist es in der Natur. Dieses Naturprinzip spielt in der Erziehung und Bildung, in Schule, in den Medien und in der Wissenschaft des Westens keine Rolle: es wird verdrängt, unterdrückt und daher indirekt ausgelebt. Wir haben keine Tötungskultur. Und wir haben noch nicht einmal Respekt vor den Naturgeschöpfen, die wir töten, um zu überleben. Das Herzstück westlicher Kultur ist der Tanz ums Goldene Kalb: das Geld und der implizit vermittelte Kulturauftrag heißt: raffen und anhäufen so viel wie möglich.
Lediglich der Mensch - vermeintliches Ebenbild Gottes - hat dieses evolutionäre und natürliche Prinzip in seinem hemmungslosen Egoismus pervertiert. Ihm genügt es keineswegs, zu überleben. Nein, er muß bevorzugt in den reichen Ländern raffen und anhäufen viel mehr als er braucht, was natürlich auf Kosten der Armen geht. So bedeutet der Reichtum der einen Menschen den Tod der anderen Menschen.
Eigentlich sollte jedem Menschen unmittelbar klar und selbstverständlich sein, daß es moralisch falsch sein muß, daß es auf dieser Erde irgendeinen Menschen geben darf, der unnötig an Hunger oder Krankheit stirbt, so lange andere raffen und anhäufen können und im Überfluß leben. Doch dem ist nicht so. Diese Erde ist nicht gerecht und fair für alle Menschen gestaltet und eingerichtet. Und so lange das so ist, wird Kriminalität und Verbrechen, Krieg, Unterdrückung und Ausbeutung diese Erde in Atem halten und die Existenz der ganzen Menschheit bedrohen.
Und nicht nur das: ging der Mensch früher zur Jagd, um zu überleben, so tötet er heute ohne jedes Überlebensmotiv aus Jagdlust und Jagdfreude, aus Zeitvertreib und Freizeitvergnügen heraus. Großwildjagd auf Safariurlaub, Trophäen zum Angeben, Pelze aus modischer Eitelkeit, andersfarbige Ausländer jagen, quälen und töten in den neuen Bundesländern.
So wenig der westliche Mensch eine Tötungskultur im Bereich des Überlebens hat, so wenig hat er eine Kultur im Kriegerischen. Alle Werte, alle Ethik und alle Moral, alles Recht, jegliches Prinzip von Anstand und Fairneß, jegliches Verständnis von Humanität in Friedenszeiten werden in Kriegszeiten ganz offen und unverblümt auf den Kopf gestellt. Trachtet man in Friedenzeiten wenigstens danach, den Schein - Beispiel CIA ( 1- 2 - 3 - 4 - 5 ) - zu wahren, so kann man derzeit (28.10.2001) die Kriegsentartung eines angeblich demokratischen, freiheitlichen und rechtsstaatlichen Volkes im Afghanistankrieg der USA tagtäglich im Fernsehen studieren. Das ist kein Krieg gegen die Taliban, um Osama Bin Laden zu fangen und seine Terror-Organisation zu zerschlagen, das ist - was immer auch verlautbart wird - faktisch ein Krieg gegen das afghanische Volk, das zeigen die Opfer, das zeigen die Waffen, die international geächteten Minen- und Streubomben und die extreme Fehlerrate in den Zielen.
Beispiel My-Lai-Massaker:
"Ich verkörpere nur die Vereinigten Staaten von Amerika"
Leutnant Calley wurde als einziger von rund 100 Soldatenmördern für das My-Lai-Massaker (Vietnam) 1968 zur Rechenschaft gezogen und zu lebenslanger Haft verurteilt. In seinem Buch |
"Ich bekam massenhaft Briefe wie:
Ich diente in Korea von Juni 1953 bis August 1954. Ich hatte von vielen
ähnlichen Fällen gehört.
|
Jede Heimtücke, jede mörderische Falle, jedes chancenlose Killen aus sicherer Entfernung, jede Entmenschlichung und Verrohung, jede Perversion kann in Kriegszeiten zu Orden, Ruhm und Ehre führen. Die Atombombenflugzeuge wurden von christlichen Pfarrern gesegnet.
Der Mensch tötet aus Macht und Dominanzstreben, aus Aggressivität, Hass und Gier, ja sogar aus Langeweile und Neugier. Der Mensch tötet, weil er verletzen, unterdrücken, ausbeuten und Vorteile haben will. Und der Mensch tötet im Auftrag und im Namen Gottes, des Staates, des Rechtes (Todesstrafe), im Namen der Ethik und Moral ("gerechte und gute Kriege"), der Ehre und aus Mitleid, wenn er seinem Haustier den Gnadentod gönnt, um ihm Qual und Schmerzen beim Sterben zu ersparen, wobei die pseudo- christliche Kultur einem solchen Gnadentod für den Menschen nicht zustimmen kann. KZs (Todesurteile für 5 und 10 Pfennig durch NS-Ärzten sog. "minderwertiger Leben"), Kriegen und Völkermorden konnten sie aber - durch gewährendes Verhalten - zustimmen. Und auch heute wieder sind sie sicher bereit, wenn es gegen den Islamismus geht, das Gute an einem solchen Krieg zu sehen und zu segnen. Welche PsychologIn wundert sich da noch, wenn manche gleich fordern, solche Bischöfe am besten gleich selbst zu erschlagen.
Was in der Vorbereitung, bei der Ausführung und im Augenblick des Tötens geschieht, darüber wissen wir sehr wenig. Doch es hat den Anschein, als ob das Töten den meisten Menschen nicht schwer fällt und viele es schnell lernen können, wenn es verlangt wird. Vielleicht liegt auch darin der tiefere anthropologische und psychologische Grund, weshalb es keine eigene Monographie des Tötens gibt: weil das Töten so einfach und problemlos wie viele andere Handlungen auch vonstatten geht, wenn die Anfangs- Hemmschwelle erst einmal überwunden ist. Wie viele Menschen nur eine tiefere Hemmung und moralische Problematisierung erleben, kann vielleicht an der Zahl der Kriegsdienstverweigerer - multipliziert mit zwei (Frauen) - geschätzt werden; das allerdings wären verschwindend wenige.
Um eine Psychologie des Tötens (Inkubation [Vorbereitung, evtl. Planung], Vorsatz [Vornahme], Entscheidung und Entschluß, Vollzug) auf solide Beine stellen zu können, müssen wir sehr viel Material zusammentragen: Augenzeugenberichte, Berichte von Tätern (Geheimdienstagenten, Geschworenen, Henkern, Jägern, Juristen, Killern, Polizisten, Schlachtern, Soldaten, Söldnern, Verbrechern) und Opfern, forensische und kriminologische Falldarstellungen, wissenschaftliche Untersuchungen (z.B. Verhaltensforschung, Forensische Psychologie und Psychopathologie) und Experimente (z.B. Milgram; sozialpsychologische Experimente, z.B. zum Gruppendruck), historische Studien. Dieses Material und seine psychologische Analyse und Verarbeitung wird im Laufe der Zeit hier präsentiert.
Exkurs: Die Attraktivität
des IS
für junge deutsche Islamisten
Viele stehen derzeit einigermaßen rat- und fassungslos vor dem
Phänomen, dass sich zahlreiche islamische junge Deutsche der IS anschließen.
Die Steinzeitgrausamkeit (Filmen und Veröffentlichen der Enthauptungen
mit dem Messer; Unschuldige mit dem bloßen Merkmal der Staatsangehörigkeit)
dieser Kampfgruppe lässt viele entsetzt schaudern. Und die Frage lautet:
wie kann sich nur ein in Deutschland aufgewachsener junger Mann einer solchen
Kampfmaschinerie anschließen, die keinerlei Moral und Menschlichkeit
zu kennen scheint? Können hier Psychologie, Psychopathologie und Soziologie
nachvollziehbare Erklärungen anbieten? Vielleicht ist zunächst
ein brainstorming nützlich:
Geht man die Ideen des brainstormings durch, so fällt als erstes
auf, dass hier kaum islamistisch-spezifische geistige Inhalte auftauchen
(9, 16, 17, 18, [35 ist nicht islamspezifisch, gilt auch für Christen,
Juden und andere Auserwählte]). Auch die Grausamkeit, die in anderen
Teilen der Welt herrscht, z.B. in Mexiko wie jüngst erst wieder berichtet
[SZ],
die Kriegsgreuel überall auf der Welt die ganze Menschheitsgeschichte
hindurch bis auf den heutigen Tag, sind nicht islam-spezifisch. Grausamkeit
und Horror werden täglich in Video, Film und Fernsehen geboten. Zigtausende
junge Europäer meldeten sich begeistert [Bilder,
Hurra-Patriotismus,
kritisch Spiegel,
SZ]
im ersten Weltkrieg und waren versessen, in den Krieg zu ziehen und den
Feind zu töten, natürlich auf jeder Seite mit Gotteshilfe. Die
deutschen Krieger
des Lichts [2]
in Afghanistan scheinen ebenfalls ideologisch nicht ganz so weit weg. Und
Kriegsverbrechen werden auch von sehr vielen begangen bis auf den heutigen
Tag (Abu-Ghuraib,
Guantanomo,
Leichenschändung
Afghanistan) - auch in Europa.
Welche dieser im Brainstorming genannten Faktoren kann wie wirksam sein?
Das kann nur durch biographische Forschung und Interviews - die nicht
ganz einfach sein dürften - herausgefunden werden. Für weitergehende
Analysen fehlt mir das entsprechende biographische Material.
Vorfrühstücksvergnügen.
"POHL: Am zweiten Tage des Polenkrieges musste ich auf einen Bahnhof
von Posen Bomben werfen. Acht von den 16 Bomben fielen in die Stadt, mitten
in die Häuser hinein. Da hatte ich keine Freude daran. Am dritten
Tage war es mir gleichgültig und am vierten Tage hatte ich meine Lust
daran. Es war unser Vorfrühstücksvergnügen, einzelne Soldaten
mit Maschinengewehren durch die Felder zu jagen und sie dort mit ein paar
Kugeln im Kreuz liegen zu lassen. ..." 30.4.1940 [Neitzel
& Welzer (2011), S. 84.]
Judentotknüppelspäße
des Unteroffiziers Hagen
"HAGEN: Ich habe den ganzen Mist durchgemacht mit den Juden in 36 -diese
armen Juden! (Gelächter). Die Fensterscheiben kaputt geschlagen, die
Leute raus, schnell Kleider an und weg. Da haben wir kurzen Prozess gemacht
Mit [?] Knüppeln habe ich die über die Schädel gehauen,
das hat mir Spaß gemacht. Damals war ich eben bei der SA. Da sind
wir nachts die Straßen entlang gegangen und haben sie herausgeholt.
Das ging rapid. Zack auf die Bahn gesetzt und ab. Aus dem Dorf waren sie
aber zack weg. Da haben sie im Steinbruch arbeiten müssen, aber sie
wollten lieber erschossen werden als arbeiten. Mensch, hat's da geknallt!
Schon 1932 standen wir vor den Fenstern und schrien Deutschland erwache«"
[Neitzel
& Welzer (2011), S. 92.]
Kanonenspäße
"BAEUMER: Dann haben wir etwas sehr Schönes, auf dem Rückflug
haben wir mit der [Heinkel] 111 etwas sehr Schönes gemacht. Da haben
wir vorne eine Zwei-Zentimeter-Kanone einbauen lassen. Dann sind wir im
Tiefflug über die Straßen, und wenn uns Autos entgegenkamen,
haben wir den Scheinwerfer angemacht, die dachten, es käme ein Auto
ihnen entgegen. Dann haben wir mit der Kanone reingehalten. Damit hatten
wir viele Erfolge. Das war sehr schön, das machte riesigen Spaß.
Auch Eisenbahnzüge und so Zeug." [Neitzel
& Welzer (2011), S. 106]
Das Schönste,
was es gibt, ist Einzeljagd.
"DANCKWORTH: Das macht doch Spaß auch heute noch. Es kam mir
immer so vor, wenn wir am Geleitzug waren, wie ein Wolf in eine Herde Schafe,
die strengst bewacht wird durch ein paar Hunde. Die Hunde sind die Korvetten
und die Schafe sind die Schiffe, und wir wie Wölfe immer rum, bis
wir eine Durchschlucht gefunden haben, reingestoßen, abgeschossen
und wieder raus. Das Schönste, was es gibt, ist Einzeljagd."
[Neitzel
& Welzer (2011), S. 107]
Die Banalität des
Tötens. ... "Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Interdisziplinäre
Zentrum für Historische Anthropologie, das vom 17.-19.02.2011 in Berlin
eine Tagung zum Thema “Töten. Affekte, Akte und Formen” veranstaltet.
Professor Christoph Wulf, Anthropologe und Mitglied des Exellenzclusters
“Languages of Emotion” gabe DRadio Wissen ein Interview, das sich auf der
website oben rechts nachhören lässt." [Psychologie News 16.2.11]
Spiegel-Online: SOLDATEN IM IRAK: "Töten ist wie Pizza essen" Wer ist Steven D. Green: ein amerikanischer Soldat, dem der Irak-Krieg alle Hoffnung geraubt hat? Ein Killer, der eine irakische Familie auslöschte? Der US-Journalist Andrew Tilghman traf den Gefreiten im Feld - und sucht bis heute nach einer Antwort. "Ich kam hierher, weil ich Menschen töten wollte." Während eines Abendessens im Armee-Zelt - es gab Truthahn-Koteletts - blickte mir der 21-jährige texanische Gefreite mit dem hageren Gesicht direkt in die Augen. Beiläufig sprach er darüber, wie es ist, Iraker zu töten. Es war Februar, und wir waren in seiner kleinen Truppenstation, zwanzig Meilen südlich von Bagdad. "Die Wahrheit ist, dass meine Erwartungen nicht erfüllt wurden. Ich meine, ich dachte, jemanden zu töten würde ein Erlebnis sein, das das Leben verändert. Und dann tat ich es und dachte: Was soll's."
Gute Gründe“ fürs Töten. ".... Dies führt dann in der Tat zu einer Reihe von erfrischenden Einsichten, wenn Buss unbekümmert um politische Korrektheit und moralische Bedenken diverse Typen von Tötungsdelikten (Tötung der Frau, des eigenen Kindes, von Vater oder Mutter, des Rivalen) daraufhin untersucht, ob der Täter nicht ganz normale, nachvollziehbare, „gute Gründe“ für sein Töten gehabt hat. Und ein „guter Grund“ ist alles, was den Fortpflanzungserfolg des Täters erhöht, was also (wenn er ein Mann ist) seinen Zugang zu guten Frauen erhöht und soziale Ressourcen beschafft (welche seinen Erfolg bei Frauen abermals verbessern). Es geht um den „Paarungsvorteil“ in der Konkurrenz um Fortpflanzungschancen. Das Grundmuster ist auch aus anderen Studien klar: Bei Frauen kommt es auf Gesundheit, Schönheit, Treue an, also auf ihre direkte biologische Kapazität, Kinder zu bekommen und aufzuziehen. Bei Männern kommt es auf soziale Potenz an, Geld und materielle Ressourcen, soziale Macht und Stärke, um die Nachkommenschaft zu sichern und sich, Frau und Kinder gegen die Konkurrenz durchzusetzen...." [FAZ 3.12.2007]
Warum Menschen töten. "Einfache Erklärungen und interdisziplinäre Forschungsansätze. An den meisten Tagen reicht ein kurzer Blick in die Abendnachrichten, um festzustellen, dass sich Menschen nicht davon abhalten lassen, andere Menschen zu töten. In bestimmten Momenten versagen Erziehungsmodelle und psychologische Hemmschwellen, neueste Deeskalationsstrategien und Jahrtausende alte Kultur- und Zivilisationsgeschichten. Die Täter unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Motive, ihres Schuldbewussteins und der strafrechtlichen Konsequenzen, sie handeln im rechtsfreien Raum oder im staatlichen Auftrag und natürlich in völlig unterschiedlichen Dimensionen, was die Zahl ihrer Opfer angeht. Während in Deutschland pro Jahr 900 bis 1.000 Fälle von Mord und Totschlag registriert und weltweit maximal ein Prozent dieser Straftaten von psychisch besonders abnormen Tätern begangen werden, lassen sich die Opfer von Krieg und Völkermord oft nur in Hunderttausenden oder Millionen zählen. ..." [heise 19.04.2006]
Militärpsychologie.Du
sollst töten. Der Feind ist kein Mensch – er ist das Ziel. "So
nehmen Militärs ihren Soldaten die Hemmungen abzudrücken. Der
Führung ist klar, dass viele Krieger deswegen unter psychischen Schäden
leiden. Doch Vorbeugemassnahmen würden die Kampfmoral untergraben.
...Um Kriege zu gewinnen, muss eine Armee ihre Soldaten zeitweilig in Killermaschinen
verwandeln, die reflexartig handeln. ..." [New Yorker 07/2004]
Internationales Geheimdienst-Völkerrechtsgesetz:
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