Der Moloch
Eine Kritische Geschichte der USA
Ein Buchhinweis von Rudolf Sponsel, Erlangen
Und vor dem Start des Flugzeugs, das Hiroshima bombardierte, sprach ein christlicher Geistlicher ein Gebet - zum Schutz der Besatzung des Bombenflugzeugs. |
Deschner, Karlheinz (1992; 8.A. 2001). Der Moloch. Eine kritische Geschichte der USA. München: Heyne. ISBN 3-453-07820-9 DM 19,46 ab 1.1.2002 € 9.95
Leseprobe:
"Massenmörder Truman "Wie viel Japse haben wir
umgebracht?"
"Die
Russen sollten dadurch überrascht werden, aber auch die Japaner. Denn
nirgends wurde in dem - mit russischem Einverständnis - gestellten
Ultimatum mit der Atombombe gedroht. Nur ganz allgemein abgefaßt,
sollte es sowohl das Überraschungsmoment gegenüber den Russen
sichern als auch eine japanische Zustimmung verhindern. Die Bombe sollte
nach Trumans Willen fallen.
Und so fiel sie: die erste Bombe am 6. August auf Hiroshima, die zweite am 9. August auf Nagasaki. Mehr hatte Mr. Truman nicht sonst hätte er vielleicht noch mehr fallen lassen. Denn man muß zeigen, was man hat, muß zeigen, wer der starke Mann, der stärkste ist, wer Hunderttausende von Frauen und Kindern auf die qualvollste Weise krepieren lassen kann. Und hätte Hitler nicht auch die Bombe geworfen, irgendwohin auf England? Und Roosevelt, ließ er sie zu einem anderen Zweck bauen? Und Churchill, der tausendmal Einverstandene? Wirklich, hätte er nicht, hälftig mit Truman geteilt, den Friedensnobelpreis verdient? Denn haben sie Japan damit nicht in die Knie gezwungen? Haben sie Japan nicht blitzschnell befriedet nur zu seinem Vorteil, wie man heute sieht, und natürlich auch zu ihrem? Hitler, den Besiegten, darf man Bluthund schimpfen. Und Stalin, den Bolschewisten. Doch auch die Sieger, dies steht fest, werden einmal die Besiegten sein - und vielleicht schon früher, als sie heute glauben. |
»Wie viele Japse haben wir umgebracht?« |
Für den Abwurf der Atombemben auf Japan verwendeten
sich in der Führung der Vereinigten Staaten von Nordamerika sowohl
überzeugte evangelische wie katholische Christen. Und vor dem Start
des Flugzeugs, das Hiroshima bombardierte, sprach ein christlicher Geistlicher
ein Gebet - zum Schutz der Besatzung des Bombenflug [<260]zeugs.
»Allmächtiger Vater, der Du die Gebete jener erhörst, die Dich lieben, wir bitten Dich, denen beizustehen, die sich in die Höhen Deines Himmels wagen und den Kampf zu unseren Feinden vortragen... Wir werden im Vertrauen auf Dich weiter unseren Weg gehen...« |
Am 6. August 1945 um 8.30 Uhr explodierte
die Bombe 66 m über dem Shima-Krankenhaus mit einer Hitzeentwicklung
von 50 Millionen Grad. »Wir werden im Vertrauen auf Dich weiter unseren
Weg gehen...« Es ist klar, wohin.
Captain Robert A. Lewis, der amerikanische Co-Pilot, hat an Bord der B-29 den Abwurf der Bombe auf Hiroshima in einem »Stundenbuch« autgezeichnet. Zufrieden teilt er mit, daß »der ausgewählte Ort auch das witterungsmäßig günstigste Ziel ist. So werden wir, wenn alles weiterhin so gut klappt wie bisher, die Bombe auf Hiroshima werfen. In diesem Augenblick sind wir nur noch 25 Meilen vom Kaiserreich entfernt, und jeder von uns blickt zuversichtlich drein«. Nun, es klappt weiterhin gut. Nur beim Zielanflug versinken drei Besatzungsmitglieder »in Gedanken; der Colonel und ich stehen ihnen bei und muntern sie auf«. Recht so. Hilfe, wem Hilfe gebührt. |
Nach dem Abwurf vergessen der Bombenschütze und der Pilot ihre dunklen Brillen aufzusetzen, sehen »mit ungeschützten Augen den grauenvollen Blitz«, und der Co-Pilot läßt nun das Flugzeug eine Kurve drehen, um »die Ergebnisse« zu beobachten. »Die Stadt war zu neun Zehnteln von einem sich auflblähenden Qualm bedeckt, der die Explosion von Gebäuden anzuzeigen schien, und einer riesigen weißen Rauchsäule, die in weniger als drei Minuten 30.000 Fuß erreichte und dann auf mindestens 50.000 Fuß emporstieg. Ich bin sicher, die gesamte Besatzung fühlte, daß dieses Erlebnis gewaltiger war, als es sich je zuvor irgendein Mensch hatte vorstellen können. Es schien geradezu unbegreiflich zu sein. Wie viele Japse haben wir umgebracht? Ich habe ehrlich das Gefühl, nach Worten suchen zu müssen...« |
Aber schließlich hatte die US-Regierung zwei Milliarden Dollar für die Entwicklung dieser Gottesgabe gezahlt - sollte sie sich nicht lohnen?! |
Den Angriff auf Nagasaki hat William L. Laurence, Korrespondent der New York Times und »hochqualifizierter Spezialist für Berichte über wissenschaftliche Forschungen«, als Augenzeuge mit [<261] viel Emphase festgehalten. Er flog mit einer der drei »besonders zu diesem Zweck ausgewählten Superfestungen vom Typ B-29«. Nur die »Führermaschine« mit dem herrlichen Namen »The Great Artiste« hatte die Atombombe an Bord. (Die US-Amerikaner haben viel Sinn für solche Namensgebungen, viel sprachliches Fingerspitzengefühl, sozusagen.) |
Die Atombombe, »dieser Meteor von Menschenhand«, war bis zuletzt »sorgsam vorbereitet« worden und nur eine »kleine ausgewählte Gruppe von Wissenschaftlern und Offizieren« bei »dem Ritual der Verladung« zugegen. Der Korrespondent der New York Times bemerkte »fast etwas Feierliches um diesen kleinen 'Gegenstand', Millionen Stunden konzentriertester geistiger Arbeit sind auf seine Planung und Verwirklichung verwandt worden, zweifellos eine der größten intellektuellen Anstrengungen der Geschichte«. Und sollte all dies umsonst gewesen sein?! Zumal drei Tage zuvor die Bombe auf Hiroshima schon wirklich gute Arbeit geleistet hatte, »eine so vernichtende Wirkung«. Und die zweite war noch »ein neuer, etwas verbesserter Typ«. |
Mr. Laurence betont noch einmal »die ungeheure Sorgfalt der Vorbereitungen«, alles »bis in alle Einzelheiten durchdacht, um Fehler auszuschließen und sicher zu gehen«, jawohl, sicher! »Mehrere Ziele stehen zur Auswahl«, schreibt Mr. Laurence und teilt mit: »Die Befehlsausgabe wurde durch das Gebet eines Geistlichen abgeschlossen, das uns sehr bewegte. Dann gingen wir in die Offiziersmesse zum Morgenfrühstück...« Und nun fliegt man hinter dem »Rumpf des großen Silbervogels« her, »ruhig und sanft« schwebt man, »die Nase dem Kaiserreich« zugewandt, trifft die »Führerrnaschine«, im Sturm verloren, an einem bestimmten Punkt am Himmel wieder um 9 Uhr zehn, bereits über der kleinen Insel Yakushima, die Wetterflugzeuge schon voraus, »um zu erkunden, was die Winde entschieden haben... Haben wir kein Mitgefühl mit den armen Teufeln, die dort sterben müssen? Es schweigt, wenn wir an Pearl Harbor oder den Todesmarsch von Bataan denken...« |
Nun,
wir wissen, wer Pearl Harbor so herbeigesehnt, wer die eigenen Truppen
preisgegeben hat, um nur ja seinen Krieg zu bekommen, in dem nun die Winde
und Wolken entscheiden. Ja: »Das Schicksal hatte Nagasaki zum endgültigen
Ziel bestimmt. Es hatte Nagasaki zum Untergang verurteilt«. Etwas
Flakfeuer der Japse, dem man [<262] »elegant« ausweicht.
»Gespannt« beobachtet Mr. Laurence die Manöver der »Führermaschine«
eine halbe Meile voraus. »'Da fällt sie!' rief irgend jemand,
ich weiß nicht mehr, wer. Aus dem Rumpf der »Great Artiste«
löste sich ein schwarzer Gegenstand und purzelte nach unten«.
Und jetzt wird es schön, nur noch schön. Und ganz lebendig. Fasziniert
sieht Mr. Laurence »den Meteor, der aus der Erde zu steigen schien,
anstatt vom Himmel zu fallen, und ein eigenes, unheimliches Leben annahm,
je höher er durch die weißen Wolkenberge emporkletterte... Es
war ein Lebewesen, ein neues Geschöpf...« Und dann »brach
es aus«, das »Geschöpf«, »und mit urgewaltiger
Kraft reckte es sich mit rasender Geschwindigkeit zu einer Höhe von
über 60.000 Fuß auf. Aber kaum war dies geschehen, als ein neuer,
kleinerer Pilz aus seinem Haupte aufstieg«. Zuletzt hatte der erste
Pilz »die Form einer Blume angenommen mit riesigen abwärtsgebogenen
Blütenblättern, die außen cremig-weiß und innen von
zartem Rosa waren«. Man sah es noch aus einer Entfernung von zweihundert
Meilen »wie ein ungeheures, prähistorisches Geschöpf mit
einer riesigen weißen Halskrause, die sich endlos ausbreitete, so
weit das Auge reichte...«
Pulitzer-Preis, wahrhaftig. Gratulation, Mr. Laurence, Gratulation! Die Größe ihrer moralischen Niederlage durch die Benutzung der Atombombe als Angriffswaffe, meinte man Jahrzehnte später über die Anglo-Amerikaner, sei »noch nicht zu ermessen«. Noch nicht? Wann denn? Wenn die USA einmal so am Boden liegen wie einst die Japaner? »Jedenfalls«, schreibt Ladislaus Singer, immerhin »nahm ihnen dieser abscheuliche Akt jede Berechtigung, in Nürnberg oder Tokio als Ankläger gegen andere Kriegsverbrecher aufzutreten, waren die deutschen Judenvergaser und Massenmörder und kriegslüsternen Japaner doch nur ihre Kollegen. Daß die Mörder von Katyn und Vernichter von Dresden als Richter dabeisaßen, ergänzte nur stilvoll das makabre Bild«. Präsident Harry Truman büßte, wie er selbst bekannte, beim Gedanken an die Toten durch die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki keine Nachtruhe ein. Der Präsident schlief gut. Präsidenten haben dicke Häute, sonst werden sie nicht Präsidenten. Die japanischen Toten, sagte der ehrenwerte Präsident, seien nur »savages« gewesen, »Wilde«, und mit denen haben Amerikaner immer kurzen Prozeß gemacht. [<263]" |
Internationales Geheimdienst-Völkerrechtsgesetz:
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