Aus der Reihe Psychologie des Tötens von Rudolf Sponsel, Erlangen
Heckenschützen befinden sich an einem einigermaßen sicheren Ort und können vom Feind nicht gesehen oder erreicht werden. Ein Jäger (Hagen 1984), der auf seinem Unterstand mit dem Zielfernrohr ein Wild ins Visier nimmt, das sich nicht wehren kann und von seinem Töter nichts weiß gehört ebenso dazu wie die Scharfschützen, die aus sicherer Entfernung einen Feind liquidieren. Abstrakter wird es für Schützen, die Raketen abfeuern oder Bomberpiloten bei fehlender oder unerreichbarer Flugabwehr. Aber es ist die gleiche Situation: der Schütze ist sicher, sein Feind ahnungs- und wehrlos. Das hört sich nicht sehr sportlich oder fair an, es klingt an Friedensnormen gemessen nach Mord und Heimtücke. |
Was geht nun in einem solchen Menschen vor, der aus seinem sicheren Hinterhalt andere Menschen tötet, ohne, daß diese etwas dagegen zu unternehmen im Stande wären? Wie geht es dem Heckenschützen dabei? In welcher Verfassung befindet er sich? Ist das von Mensch zu Mensch verschieden, oder kann hier etwas abstrahiert werden, das für diese Situation typisch ist? |
Wenn Angst das Gefühl ist, das es mit Mut zu überwinden gilt, dann heißt Mut, trotz Angst handeln. Das macht Sinn. Nur ein sich Ängstigender kann auch mutig sein. Mutige sind also von Tollkühnen und Verwegenen, denen es oft an Angst mangelt, streng zu unterscheiden. Nun, Heckenschützen müssen weder verwegen noch tollkühn sein, ja noch nicht einmal mutig, weil es gerade zu ihrer kriegerischen Situation gehört, daß sie in einem einigermaßen sicheren Hinterhalt liegen. Daraus lassen sich einige Sätze formulieren: |
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Doch was macht der Heckenschütze mit seinem Gewissen, wenn er ein hinreichend normiertes und ausgeprägtes hat? Was macht er mit seinem Selbstwertgefühl, wenn es denn nagen sollte? Wie kann er in den Spiegel sehen, wenn er sich vergegenwärtigt, daß ihn ein Heckenschütze - ein heimtückischer Mörder nach den Friedensnormen - ansieht? Wir werden diese Frage ausführlich in den Kapiteln Motive und Rechtfertigungen erörtern. |
Beispiel Heckenschützen-Strategien
USA
Ein klares und überzeugendes
Beispiel für stark ausgefeilte Heckenschützen- Strategien
kann man bei den Amerikanern jüngst erst wieder im Afghanistankrieg
feststellen. Angeblich ist es ein Krieg gegen die Taliban, um Osama Bin
Laden und sein Terrornetz zu zerschlagen. Getroffen werden aber bevorzugt
die für die Bevölkerung sehr wichtige Infrastruktur: Wasserwerke,
Elektrizitätswerke, zivile Häuser und Siedlungen, Lagerhäuser,
Krankenhäuser, Kinder, Frauen, Alte, Wehrlose, Flüchtlinge, Unschuldige,
ja sogar ein UNO-Minenräumkommando (vier Tote). Die Bombardierung
führt zu einem gigantischen Flüchtlingsstrom mit zusätzlich
zahlreichen Opfern. Es scheint, als ob sich in dem seit über 20 Jahren
kriegszerstörten Land nur noch wenig zerstören läßt,
ziemlich sicher aber nichts, was die vorgegebenen Kriegsziele fördert.
Hört man sich die Informationsoffiziere an - das meiste dürfte
ohnehin gelogen, frisiert und in Hollywoodmanier medienwirksam aufbereitet
sein - so scheinen diese völlig im Einklang mit ihrer
Heckenschützen-Strategie
zu sein.
Und was noch viel schlimmer ist: nahezu sämtlich Medien spielen dieses Heckenschützen-Spiel kritiklos mit. Was folgern wir daraus? |
Im Krieg sind alle Werte auf den Kopf gestellt. Um alle Werte umzuwerten, bedarf es damit nur noch einer entsprechenden kriegsähnlichen Definition, die für viele Menschen ohne große Mühe vorgenommen werden kann. Das ist der tiefere Grund, warum abweichendes Verhalten, Korruption und Kriminalität so extrem verbreitet und nahezu jeder anfällig ist. Töten ist unter (pseudo) legalistischen Bedingungen eine ganz normale Alltagshandlung. |
Die Genfer Konvention besagt, daß Zivilisten nicht angegriffen werden dürfen. Spätere Vereinbarungen, denen allerdings die USA nicht beigetreten sind, verboten auch die Zivilisten gefährdenden Minen- und Streubomben (Monitor 18.10.01). Die USA geben vor, Zivilisten schonen zu wollen. Aber die Wirklichkeit spricht eine andere Sprache. Bewerten wir den Krieg gegen die Taliban in Afghanistan nach dem Hauptsatz der Motivationspsychologie - was zur Handlung wurde, ist das mächtigste Motiv - , so steht unzweifelhaft fest, daß die USA einen Krieg gegen das afghanische Volk führen und trotz anderslautender Verlautbarungen wahrscheinlich auch führen wollen, weil sie nicht in der Lage oder willens sind, ihre Heckenschützen- Strategie aufzugeben. Zynisch und menschenverachtend bemüht man hier dann das Wort aus dem Wörterbuch des Unmenschen: "Kollateralschaden". So entsteht die paradoxe Situation, daß die radikal-islamistischen kriegerischen Terroristen vom 11.9.2001 im für nicht wenige Sympathisierende im Nachhinein eine "Rechtfertigung" durch das militärische Verhalten der USA erhalten. Dies erscheint weder politisch klug noch ethisch rechtfertigbar. |
Worin unterscheiden sich nun die kriegerischen Terroristen vom 11. September 2001 von der Heckenschützen Strategie der USA? Nun, die Terroristen, die alle in einer persönlichen Kampfsituation waren und ihr eigenes Leben geopfert haben, waren sicher keine Heckenschützen, wahrscheinlich waren sie auch ziemlich mutig und ganz sicher nicht feige. Was uns betroffen macht und erschüttert, ist die große Zahl Unschuldiger, die sie benutzten, um ihr Kriegsziel - die USA symbolisch im Herzen treffen - zu erreichen. Das Pentagon ist wohl ein nachvollziehbares Kriegsziel; aber die Menschen im Worl Trade Center und in den Flugzeugen, die mit ihren Zig-Tonnen Kerosin als technische Bomben mißbraucht wurden sicher nicht. Was nun, wenn die kriegerischen Terroristen dachten: um die USA symbolisch im Herzen treffen zu können, muß man "Kollateralschäden" in Kauf nehmen? Was, wenn sie militärisch konsequent dachten, schade um diese vielen unschuldigen Menschen, aber es geht einfach nicht anders? Ist das nicht genau die militärische Logik, die letztlich alles rechtfertigt? Bombardiert man ein Land wie Afghanistan mit Minen- und Streubomben, mit Rakten und Marschflugkörpern mit einem so nachgewiesenermaßen schlechten Geheimdienst wie die CIA ( 1- 2 - 3 - 4 - 5 ), so gibt es viele, viele zivile Opfer - sehr wahrscheinlich sogar noch viele Jahre nach dem offiziellen Ende der Heckenschützen- Bombardierung. Wie dem auch sei: Man darf ein Unrecht nicht gegen ein anderes aufrechnen: Unrecht ist Unrecht, Mord ist Mord, Unschuldige sind Unschuldige. Ich sehe daher nur einen Ausweg: |
Die gerechteren, rechtsbewußteren, menschenrechtsorientierteren, kurz die besseren Krieger müssen die Argumentation der "Kollateralschäden" aufgeben. Militärs können einen gerechten und guten Krieg nicht führen, weil sie von vorneherein "Kollateralschäden" so willfährig in Kauf nehmen, daß man metaphorisch mutmaßen könnte, ob sie wohl schon mit einem besonderen "Kollateralschaden" geboren wurden? Man muß das Gute ernst und beim Wort nehmen, sonst verwischen sich die Unterschiede und am Ende bleibt nur ein Pyrrhussieg und eine ebenso hohle wie faule Siegerjustiz. |
Was brauchen die Amerikaner am dringendsten? Sie sollten richtig Krieg führen lernen und dazu müßten sie wohl als erstes ihre vollmundigen, inkompetenten und verkommenen Führungsstrukturen durch realistische, kompetente und anständige ersetzen. Doch dies wird ein amerikanischer Traum bleiben. Die Douglas McArthurs sind allgegenwärtig (Regan 1997 S.30f). |
Internationales Geheimdienst-Völkerrechtsgesetz:
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