Teil 4 Zusammenfassung der Ergebnisse
der Überprüfung der
schweren Vorwürfe von Heckrath & Dohmen (1997) zum direkten Wirkungsvergleich
zwischen psychoanalytischer und Verhaltenstherapie durch die Forschungsgruppe
Grawe et al. (1994).
Ein Teil der Psychotherapieforschung
beschäftigt sich mit der Frage der Wirksamkeit unterschiedlicher Psychotherapiesysteme
und versucht dieses Problem mit quantitativen und statistischen Methoden,
meist eher oberflächlich, fehlerhaft und unangemessen zu lösen.
Ich nenne diesen Ansatz "szientistisch",
weil er sich gerne im Gewand von Statistik und Zahlen präsentiert,
ohne von den Zahlen wirklich
etwas zu verstehen und von der Statistik meist auch nicht, was etwas damit
zu tun hat, daß die Statistikausbildung an den Psychologischen Instituten
aus den Fugen geraten und pragmatistisch korrumpiert
bis entgeistet erscheint. Aber der Oberflächenempirismus und sein
Zwillingsbruder Szientismus haben sich in der von den AngloamerikanerInnen
dominierten "Wissenschaft" Psychologie überwiegend durchgesetzt. ProtagonistInnen
und Prototypen dieser Auffassung von Wissenschaft sind Grawe et al. (1994)
mit ihrem direkten Wirkungsvergleich zwischen Verhaltenstherapie und Psychoanalyse.
Wer mit solchen Ansprüchen auftritt, weckt Erwartungen und Hoffnungen
zuallererst auf eine profunde Theorie.
Fundamental wäre also zunächst
eine
Theorie fairen und angemessenen Vergleichens zu entwickeln
gewesen. Das scheinen aber die angloamerikanischen Vorbilder nicht zu wollen
oder zu können und daher auch nicht unsere ProfessorInnen, von denen
offenbar nicht wenige ihre eigene Identität aufgegeben haben und sich
bevorzugt an dem orientieren, was die beiden
APA's
tun. Das ist ja auch einfacher. Es fragt sich dann aber auch, wieso die
SteuerzahlerInnen teure Lehrstühle finanzieren sollen, wenn sie dafür
nur erhalten, was doch auch weit günstigere Übersetzungsbüros
leisten könnten.
Obwohl die sog. Meßtheorie einen
ziemlichen Aufschwung genommen und obwohl massive Kritik an der sog. "klassischen"
Testtheorie - u. a. durch die spezifisch objektiven Rasch'ianerInnen -
geübt wurde, hat sich bis auf die antithetische Gegenbewegung der
qualitativen Forschung wenig verändert. Dort schüttet man nun
das Kind nicht mehr mit der numerologisch-szientistischen Badewanne aus,
weil man sich sozusagen entschlossen hat, gar nicht mehr ins Bad zu gehen;
eine Problem'lösung', wie sie einst die BehavioristInnen wählten
als sie das Bewußtseins- und Kognitionsproblem in der Weise 'lösten',
daß sie es für unlösbar erklärten und sich abwendeten.
Messen - oder vorsichtiger und angemessener
ausgedrückt: schätzen - ist etwas so Alltägliches, daß
man sich wundern muß, was für ein undurchsichtig numerologisch-szientistisches
Nebelgestrüpp die quantitative Psychologie (Testtheorie und Statistik)
und Sozialwissenschaft darum gerankt und gestrickt hat. Es wäre ja
gerade die Aufgabe der Psychologie, da sich ja das seelische Leben über
weite Strecken quantitativ bedeutungsvoll abspielt, hier angemessene
Modelle für das Leben und die Praxis zu entwickeln. Warum geschieht
das nicht? Warum werden hier ständig Methoden angewendet, deren Voraussetzungen
nicht erfüllt sind oder deren Wissenschaftsmodelle nicht passen? Hat
es damit zu tun, daß die WissenschaftlerInnen mit dem realen und
wirklichen Leben der Menschen professionell so wenig zu tun haben? Wie
kommt es aber andererseits dazu, daß die akademische Psychologie
meint, sie sei so kompetent und berufen, die einzelfallwissenschaftliche
Praxis zu supervidieren und bestimmen zu wollen? Psychotherapie ist Arbeit
an individuellen und einzigartigen Schicksalen. Ein praktisch brauchbares
idiographisches Konzept ist aber von der akademischen Psychologie bislang
nicht interinstitutionell entwickelt worden. Darunter leidet auch die Psychotherapieforschung
extrem. So nimmt es denn auch gar nicht Wunder, daß der mainstream
von Oberflächenempirismus und numerologischem Szientismus geprägt
wird. "Zahlen" sind gefragt, was immer
sie auch (nicht) bedeuten mögen. Ein Höhepunkt in der numerologisch-szientistischen
Handhabung der Zahlen, kulminiert in Grawes Erfindung der - von mir so
genannten - "Pyrrhus-Methodologie" (S. 655):
"Unsere erste Alternative zu diesem konventionellen Vorgehen ist außerordentlich einfach: Wir haben für jedes Mass, mit dem zu irgendeinem Zeitpunkt nach Beginn der Therapie das Ausmass der seit Therapiebeginn eingetretenen Veränderung zu erfassen versucht worden war, geprüft, welche der beiden miteinander verglichenen Therapien jeweils die grössere positive Veränderung bewirkt hatte, unabhängig von der Grösse des Unterschieds zwischen den beiden Behandlungsgruppen. Grundlage des Vergleiches waren jeweils die einander entsprechenden Mittelwerte. Dies hat den grossen Vorteil, dass diese Werte fast immer angegeben sind, während sonstige statistische Kennwerte oft fehlen. Pro Vergleich bekam jede der beiden Therapien also entweder ein + oder ein - (in ganz seltenen Fällen musste bei exakt gleichen Mittelwerten eine Null vergeben werden). Das Vorgehen beruht auf der Überlegung, dass bei gleicher Wirkung der Therapien sich keine deutliche Häufung der Über- oder Unterlegenheiten für eine der beiden Therapieformen ergeben dürfte." |
Um für das Kardinalproblem messen und schätzen zu sensibilisieren, möchte ich zunächst auf die elementare Denk- und Handlungskategorie, die allem Messen und Schätzen zugrunde liegt, kommen und verweise hierzu auf meine Ausarbeitung: Allgemeine Theorie und Praxis der Vergleichbarkeit und des Vergleichens
Obwohl ich persönlich den Ansatz von Vergleichsstudien für methodologisch sehr schwierig, ja im Grunde derzeit weitgehend für nicht angemessen durchführbar halte [Querverweis Aporie] und stattdessen den einzelfallorientierten Ansatz bevorzuge, habe ich mich angesichts der Meta-Analysen-Mode mit den grundlegenden Kriterien auseinandergesetzt, was eigentlich die Aufgabe von Grawe und seinen PsychotherapieforschungskollegInnen gewesen wäre. Aber die haben es sich sehr leicht gemacht und ihre Kriterien sind anscheinend vom Himmel gefallen. Grundlegende Kriterien, die bei Grawe et al. (1994) leider nicht zu finden, die aber für quantitativ- statistische Vergleiche unterschiedlicher Psychotherapiesysteme zu fordern sind, habe ich eigens zur abschließenden Bewertung der Arbeit von Grawe et al. (1994) entwickelt und schlage sie hiermit der Wissenschaftsgemeinde zur Diskussion, Kritik und Weiterentwicklung vor: Das Problem der Vergleichbarkeit von Psychotherapien
Abschließende Bewertung der schweren Vorwürfe von Heckrath & Dohmen (1997)
Erläuterungen: Diejenigen der 13 möglichen Fehler,
die nachweisbar gemacht wurden und belegt sind, sind durch linkfähige
Darstellung
Fxx hervorgehoben worden.
Mögliche, aber nicht genügend sicher klärbare Fehler, sind
mit einem Fragezeichen versehen worden: F00?
Hierbei sind einige Fehler mit einander konfundiert, d. h. tritt der eine
auf, muß zwangsläufig auch der andere auftreten, z. B. können
im allgemeinen die Therapieziele nicht gleich sein, wenn die Störungen
unterschiedlich sind, d. h. ist F05 erfüllt, ist auch F03 verletzt.
Sind die Erhebungsinstrumente F04 nicht angemessen operationalisiert, sind
alle Auswertungen fraglich, also F07 und F08. Ist F01 falsch, ist notwendigerweise
auch F11 betroffen. Ist F01 richtig, so muß F11 noch nicht erfüllt
sein. Auf diese Überlegungen muß noch viel mehr Forschungsenergie
und Zeit verwendet werden, als ich das hier leisten kann; es sollte aber
nicht verschwiegen und zur weiteren Vertiefung und Entwicklung auf den
Weg gebracht werden.
Nr Bibliographische Quelle der Studie und kurzer Kommentar (Erläuterungen der Kürzel) | Fehler |
01 Brockman, B.; Poynton, A.; Ryle, A. & Watson, J. P. (1987). Effectiveness of time-limited therapy carried out by trainees: Comparison of two methods. British Journal of Psychiatry 151, 602-610. [Broc87] {RH&D1997: a) „Interpretative Therapy"; b) keine explizite Zuordnung bei Grawe et al.c) 5 Psychiatrie-Assistenten mit mäßiger Erfahrung, 6 Socialworker mit mäßiger Erfahrung aber ohne Therapieausbildung, 3 Krankenpflegerinnen (1 mit Verhaltenstraining, 2 mit Beratertraining), 1 Laienpsychotherapeut: alle hatten keine Erfahrung und erhielten lediglich Kurzbeschreibung der Therapieformen sowie Buchempfehlung; alle behandelten mit beiden Verfahren} Zusammenfassung: Es ist völlig rätselhaft, wie die Forschungsgruppe Grawe dazu kommt, diese Studie als repräsentativ für psychoanalytische Arbeit zu betrachten. 12 Sitzungen, einzel, ambulant, verschiedene Symptome. | F01
F02 F03? F04? F05? F06 F07 F08 F09 F10 F11 F12 |
02 Brom, D.; Kleber, R. J. & Defares, P. B. (1989). Brief psychotherapy for posttraumatic stress disorder. Journal of Consulting and Clinical Psychology 57, 607-612. [Brom89] {RH&D1997: a) „Psychodynamic Therapy"; b) keine explizite Zuordnung bei Grawe et al.; c) 2 ausgebildete Therapeuten mit 10 Jahren Erfahrung}Heckrath & Dohmen kritisieren die Aufnahme dieser Arbeit nicht, in der die psychodynamische Kurzzeittherapie nach Horowitz besser abschneidet als die VT, was Grawe et al. auf S. 658 exhaurieren mit der Bemerkung, die systematische Desensibilisierung sei nicht so wirksam - und daher kein "fairer" Vergleich - wie die angemessenere Reizkonfrontation, was wir mit F13?anzeigen.Es fragt sich dann allerdings, warum die Studie aufgenommen wurde, wenn sie unfair ist? 20 Sitzungen. | F01
F02? F03 F04 F05 F06 F07 F08 F09 F10 F11? F12 F13? |
03 Crowe, M. J. (1978). Conjoint marital therapy: A controlled outcome study. Psychological Medicine 8, 623-636. [Crow78] {RH&D1997: a) „Interpretative Therapy", b) Psychoanalytische Kurzpsychotherapie; c) der Autor führte 37 von 42 Therapien durch (Publikationen zur Conjoint Marital Therapy), über die andere beiden Therapeuten wird nichts berichtet}Die Frage, die sich hier stellt: Ist es korrekt, den "interpretative approach" (Skynner) mit 8-9 Sitzungen unter die psychoanalytische Therapie zu subsummieren? Einiges spricht dafür, daß es sich hier um einen familientherapeutischen Ansatz handelt. Das wird bei Grawe et al. weder erwähnt noch problematisiert, obwohl Familientherapie als eigene Therapierichtung geführt wird (S. 556). Die Frage, warum die Arbeit von Crowe, die auf Skynner (1969, 1976) basiert, zu PA subsummiert wurde, bleibt offen und tendenziell fragwürdig. Das "Symptom" Eheprobleme ist für Krankenbehandlung irrelevant: F13 | F01
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04 Fairburn, C. G.; Kirk, J.; O'Connor,
M. & Cooper, J. P. (1986).
A comparison of two psychological
treatments for bulimia nervosa. Research and Therapy 24, 629-643.[Fair86]
{RH&D1997: a) Short-term Focal Psychotherapy, b) keine explizite Zuordnung
bei Grawe et al.; c) die beiden Autoren führten beide Verfahren
durch, hatten auch Erfahrung, aber unklar wie viel.}
"In der Studie Fair86 (...) führten Erst- und Zweitautor beide therapeutischen Verfahren durch (...). Sie waren in beiden Methoden erfahren, was jedoch nicht genauer erklärt wird. Im Literaturverzeichnis findet man vom Erstautor eine Publikation zur Behandlung von Bulimie mit kognitiv- behavioraler Therapie. Jeder Patient erhielt 19 Sitzungen der Psychotherapiemethode, der er zugewiesen wurde." (Seite 189) |
F01?
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05 Gallagher, D. E. & Thompson. L. W. (1982). Treatment of major depressive disorder in older adult outpatients with brief psychotherapies. Psychotherapy: Theory, Research and Practice 19, 482-490. [Gall82] {RH&D1997: a) „Brief Relational / Insight Psychotherapy", b) Psychoanalytische Kurztherapie; c) 4 Therapeuten, die ein Traningsprogramm für das Verfahren absolviert hatten.}Heckrath & Dohmen erkennen und kritisieren nicht, daß es sich bei der der psychoanalytischen zugeordneten "brief-relational / insight psychotherapy" um eine eklektisch-dynamische Kurzzeit- Kombinationsbehandlung handelt (möglicherweise haben sie nur das abstract eingesehen). 16 Sitzungen in 12 Wochen. | F01
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06 Gelder, M. G.; Marks, I. M. & Wolff, H. H. (1967). Desensitization and psychotherapy in the treatment of phobic states: A controlled inquiry. British Journal of Psychiatry 113, 53-73. [Geld67] {RH&D1997: a) Individual Psychotherapy, Group therapy; b) Psychoanalytisch orientierte Psychotherapie; c) 1 full-time Psychotherapeut und 5 Psychiater mit mindestens 1,5 Jahre Erfahrung} Die Studie wird von Heckrath und Dohmen nicht weiter kritisch kommentiert; sie haben sie offensichtlich nicht sorgfältig genug untersucht. Da die Studie gravierende Mängel hat - Auswahl und Kompetenz der Therapeuten, drop out Behandlung und Exhaustion - die von der Forschungsgruppe Grawe (1994) weder erwähnt noch problematisiert werden, muß ihre Auswahl trotz der fairen Zeitbedingung als Fehler gewertet werden. Drop-Out-Raten: F13 | F01
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07 Gillan, P. & Rachman,
S. (1974). An experimental investigation of desensitization in
phobic patients. British Journal of Psychiatry 124, 392-401. [Gill74] {RH&D1997:
a) „Individual Psychotherapy (a combination of insight therapy and rational
therapy)"; b) nicht erwähnt; c) 6 Psychiater mit mindestens 6 Monaten
Erfahrung in Psychotherapie, 3 hatten mehr als 2 Jahre Erfahrung, incl.
einem, der eine Lehranalyse absolviert hatte.} 30 Sitzungen in ca. 15 Wochen.
"In der Studie Gill74 (Gillan u. Rachman, 1974) wurde in der PA-Bedingung Individual Therapy durchgeführt, eine Kombination von Insight Therapy und Rational Therapy, die Grawe et al. in keinem Kapitel über psychodynamische Therapien erwähnen. Als kognitiv-behaviorale Therapie wird die VT-Bedingung (Systematic Desensitization bzw. Desensitization ohne Relaxation) dem Kapitel über Systematische Desensibilisierung zugeordnet. Die sechs Psychotherapeuten der PA-Bedingung waren Psychiater mit mindestens sechs Monaten Psychotherapieerfahrung, drei hatten mehr als zwei Jahre Erfahrung inclusive einem, der eine Lehranalyse absolviert hatte. Die Patienten der beiden VT-Bedingungen wurden von der Erstautorin behandelt, eine erfahrene klinische Psychologin, die außer ihrer normalen Ausbildung in behavioralen Techniken ein zusätzliches Jahr supervidierten Trainings in Desensibilisierung absolviert hatte. Alle Therapien dauerten zwischen 20 und 30 Sitzungen. Allerdings wurde die Therapie auch in der PA Bedingung abgebrochen, sobald das Programm in der systematischen Desensibilisierung beendet war, d. h. der Abpfiff erfolgte, sobald die eigene Mannschaft führte." (Seite 192). |
F01
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|
08 Hersen, M.; Himmelhoch, J. M. & Thase, M. E. (1984). Effects of social skill training, amitryptiline and psychotherapy in unipolar depressed women. Behavior Therapy 15, 21-40. [Hers84] {RH&D1997: a) Psycho- therapy + Placebo; b) keine explizite Zuordnung bei Grawe et al.; c) 3 Therapeuten: mehrere Jahre Erfahrung in klinischer Arbeit. Anmerkung Rudolf Sponsel: Von M. Hersen wurde zusammen mit A. S. Bellack das „Dictionary of Behavior Therapy Techniques, 1985, herausgegeben. Wie diese Arbeit also bei den psychoanalytischen Therapien auftauchen kann, ist völlig schleierhaft} p. 27: focused primaraly ... current concern ... greater attention ...recent experiences and affectual responses ... support, warmth, empathy, .... das hört sich nicht sehr nach Psychoanalyse, mehr nach einer Kombination aus VT und GT an. Über die genaue Ausbildung der "psycho- analytischen Therapeuten" erfährt man nichts. Es hat auch den Anschein, als ob drei Therapeuten im dynamischen treatment abwechselnd eingesetzt wurden. Die Placebo Bedingung (F13) ist zudem eine Störvariable. Der Umfang beträgt 12 + 6 oder 8 Sitzungen. Ein Unterschied zwischen den vier Verfahren konnte nicht gefunden werden. | F01
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|
09 Hoffart, A. & Martinsen, E. W. (1990). Exposure-based integrated versus pure psychodynamic treatment of agoraphobic inpatients. Psychotherapy 27, 210-218. [Hoff90] {RH&D1997: a) Psychodynamically Oriented Group Psychotherapy; Individual Psychotherapy; b) Keine explizite Zuordnung; c) die Therapeuten werden nicht erwähnt.}11 Wochen, stationär. Zusammenfassung: Aus der Beschreibung in dem Artikel geht klar hervor, daß die sog. VT-Bedingung ausdrücklich und an mehreren Stellen im Bericht durchgängig als integrative Psychotherapie bezeichnet wird. Wieso das integrative treatment der Verhaltenstherapie zugerechnet wird, wird bei Grawe et al. (1994) - wie üblich - nicht erklärt, begründet oder gerechtfertigt. Die Vergleichbarkeit erscheint auch mangels klarer und konkreter Beschreibungen mehrfach fragwürdig und dunkel.} | F01
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10 Levis, D. J.; Carrera, R. (1967). Effects of ten hours of implosive therapy in the treatment of outpatients: A preliminary report. Journal of Abnormal Psychology 72 (6), 504-508. [Levi67] {RH&D1997: a) „Conventional Type treatment (a combination of insight and supportive therapy); b) nicht erwähnt ; c) 3 Psychiatric Assistenten, ein erfahrener klinischer Psychologe, 1 Therapeut, der das PA-Verfahren durchführte, bevor er die Ausbildung im VT-Verfahren bekam} Die "psychoanalytische" Therapie ist nach den Worten der Berichterstatter Levis und Carrera "a combination of insight and supportive therapy" mit 12,7 Sitzungen. Kritisch ist anzumerken, daß der MMPI ungeeignet ist, Therapierfolge in Hinblick auf spezifische Therapieziele zu erheben. Der MMPI erlaubt nur Aussagen über die Reduktion von Psychopathologie-Skalen. | F01
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11 Lomont, J. F.; Gilner, F. H.; Spector, N. J. & Skinner, K. K. (1969). Group assertion training and group insight therapies. Psychological Reports 25, 463-470. [Lomo69] {RH&D1997: a) „Group Insight therapy" ; b) Psychodynamische Therapie ohne nähere Spezifizierung ; c) Chief psychologist der Klinik mit 6 Jahren Therapie-Erfahrung.}Die Beschreibung paßt zwar zum psychoanalytischen Vorgehen. 30 x 90 Minuten in 6 Wochen. Dennoch ist hier kritisch anzufragen, ob nicht die Therapieziele verschieden sind. Während es unter der VT-Bedingung offenbar um eine Form des Selbstbehauptungs- Trainings geht, bleibt unklar, ob mit der "insight therapy" die gleichen Therapieziele nur auf andere methodische Weise angestrebt wurden. | F01?
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12 McLean, P. D.; Hakstian, A. R. (1979). Clinical depression: Comparative efficacy of outpatient treatments. Journal of Consulting and Clinical Psychology 47, 818-836. [McLe79] {RH&D1997: a) „Short term Psychotherapy"; b) Psychoanalytische Kurzpsychotherapie ; c) Psychologen, Ärzte und Psychiater: Junior Therapists (2-4 Jahre Erfahrung) und Senior Therapists (mehr als 5 Jahre Erfahrung in der jeweiligen Methode)} 10 Sitzungen in drei Monaten. Schaut man sich die Werte in den Tabellen genau an und prüft auf Plausibilität, ergeben sich erhebliche Zweifel in die Stimmigkeit bei den BDI- und bei den Average satisfaction Werten, so daß fraglich ist, ob es sich hier um eine valide und solide Studie handelt, weil diese unstimmigen Auffälligkeiten von den Autoren in keiner Anmerkung und Fußnote erläutert werden. Hinzu kommen die offensichtlich "unnormal" großen Streuungen (F13) in der Gruppe der "Normalen" beim BDI-Wert. Es stellt sich hier die Frage, ob und in welcher Weise die Forschungsgruppe Grawe Unstimmigkeiten soweit abgeklärt hat, daß die Aufnahme der Studie als gerechtfertigt anzusehen ist. | F01
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13 Newton, J. R. & Stein, L. I. (1974). Implosive Therapy in Alcoholism. Quarterly Journal of Studies on Alcohol 35, 1256-1265. [Newt74] {RH&D1997: a) „Traditional Brief Individual Therapy"; b) nicht erwähnt ; c) 2 klinische Psychologen und 4 Social Worker mit mindestens 2 Jahren Erfahrung; alle führten beide Therapieverfahren durch und sollten beim PA Verfahren so vorgehen wie bei Patienten, die sie 15x sehen}Heckrath & Dohmen kommentieren (S. 192f): "Auch die PA-Bedingung der Studie Newt74 (Newton u. Stein, 1974), die in der Originalstudie als »Traditional Brief Individual Therapy" beschrieben wird, ist in keinem Kapitel der Psychodynamischen Therapien zu finden. Die VT-Bedingung (»Implosive Therapy") wird der Reizkonfrontation zugeordnet. Beide Therapieverfahren (15 Sitzungen) wurden von den gleichen Behandlern durchgeführt: zwei klinische Psychologen und vier Social Worker mit mindestens zwei Jahren Erfahrung. Die Implosive Therapy wurde ihnen in einem Workshop vermittelt, für die Brief Psychotherapy erhielten sie den Hinweis, klinische Techniken anzuwenden, die sie üblicherweise benutzen, wenn sie einen Patienten 15 mal sehen." | F01
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14 Pierloot, R. & Vinck. J. (1978). Differential outcome of short-term dynamic psychotherapy and systematic desensitization in the treatment of anxious outpatients. A preliminary report. Psychologica Belgica 18, 87-98. [Pier78] {RH&D1997: a) „Short-term Analytically Oriented Therapy"; b) Psychoanalytische Kurzpsychotherapie ; c) Ausbildungskandidaten in Psychiatrie und klinischer Psychologie, die beide Verfahren durchführten}Heckrath & Dohmen kommentieren (S.191f): "Short-term Dynamic Psychotherapy (PA-Bedingung, durchschnittlich 19,7 Sitzungen) wurde mit Systematic Desensitization (VT-Bedingung, durchschnittlich 19,9 Sitzungen) in der Studie Pier78 (Pierloot u. Vinck, 1978) verglichen. Von Grawe et al. wurde die PA-Bedingung ebenfalls den psychoanalytischen Kurztherapien zugeordnet. Behandler waren Ausbildungskandidaten der Psychiatrie und klinischen Psychologie, die beide Verfahren unter Einzelsupervision durchführten." | F01?
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15 Roskies, E.; Spevack, M.; Surkis, A.; Cohen, C. & Gilman, S. (1978). Changing the coronary-prone (type A) behavior pattern in a nonclinical population. Journal of Behavior Medicine I (2), 201-216. [Rosk78] {RH&D1997: a) „Brief Psychotherapy" ; b) Psychodynamische Therapie ohne nähere Spezifizierung ; c) 2 andere der 5 Autoren, diese beiden bevorzugten den PA-Ansatz, Ausbildung und Erfahrung unklar}14 Stunden dauerte die "psychoanalytische" Psychotherapie, die im Vorgehen durchaus "psychoanalytisch" klingt. Nun ja. Völlig unnachvollziehbar sind die teilweise extrem auseinanderklaffenden Ausgangswerte in den beiden angeblich randomisiert zugewiesenen Gruppen. Das wird weder in der Orginalarbeit Buol & Endtner, noch bei Grawe et al., auch nicht von Heckrath & Dohmen kritisch bemerkt und diskutiert. Diese Studie hätte gar nicht aufgenommen werden dürfen. | F01
F02 F03 F04 F05? F06 F07 F08 F09 F10? F11 F12 |
16 Shapiro, D. A. & Firth, J. (1987).
Prescriptive
versus exploratory psychotherapy: Outcome of the Sheffield psychotherapy
project. British Journal of Psychiatry 151, 790-799
[Shap87] {RH&D1997: a) „Exploratory Psychotherapy", b) keine explizite Zuordnung bei Grawe et al.; c) Erst- und Co-Autor sowie zwei weitere klinische Psychologen ; mind. 3 Jahre Therapieerfahrung; vor der Studie Training in beiden Verfahren; jeder Therapeut führte Therapien mit beiden Verfahren durch} Die "psychoanalytische" Therapie - This method synthesises interpersonal and client-centered concepts - dauerte 8 Sitzungen. Weder kann also die Methode als "psychoanalytisch" bezeichnet werden, noch ist die Zeit auch nur annähernd hinreichend repräsentativ für psychoanalytische Therapien. Auch bei Buol & Endtner (1993, S. 60) findet sich nicht der geringste Hinweis, weshalb diese Bedingung dieser Studie den psychoanayltischen Verfahren zugerechnet wurde. |
F01
F02 F03 F04 F05 F06 F07 F08 F09? F10 F11 F12 |
17 Sloane, R. B.; Staples, F. R.; Cristol, A. H.; Yorkston, N. J. & Whipple, K. (1975). Short-term analytically oriented psychotherapy versus behavior therapy. American Journal of Psychiatry 132 (4), 373-377. [Sloa75] {RH&D1997: a) "Short-term Analytically Oriented Therapy"; b) Psychoanalytische Kurzpsychotherapie ; c) 2 Analytiker, 1 in analytischer Ausbildung, einer mehr als 20 Jahre Erfahrung, einer 10-12 Jahre Erfahrung, einer mehr als 6 Jahre Erfahrung}"One year and two years after the initial assessment, all groups were found to be equally and significantly improved." Es stellt sich dann natürlich die Frage, ob man auf diese Therapien nicht kostengünstiger hätte verzichten können und was letztlich der Vergleich zwischen VT und PA-KT in dieser Studie noch aussagen soll: kurzfristig betrachtet war VT effektiver als PA-KT. Grawe et al. und Buol & Endtner gehen auf die Probleme in keiner Weise ein und unterdrücken sogar relevante Informationen (F13) | F01?
F02? F03? F04? F05 F06 F07 F08 F09? F10? F11 F12 F13 |
18 Snyder, D. K. & Wills, R. M.
(1989). Behavioral versus insight-oriented marital therapy: Effects
on individual and interspousal functioning. Journal of Consulting and Clinical
Psychology 57, 39-46
[Snyd89] {RH&D1997: a) „Insight-orientied Marital Therapy"; b) ; c) keine explizite Zuordnung bei Grawe et al.; c) 4 Sozialarbeiter, 1 Psychiatriekrankenpflegerin; Training und Supervision vom Co-Autor in beiden Verfahren; jeder Therapeut führte 6 Therapien in jedem Verfahren durch.} Mit rund 19 Sitzungen, durchgeführt von 4 Sozialarbeitern und einer Krankenschwester, mit nicht problematisierten geschweige denn korrigierten sehr deutlich unterschiedlichen Ausgangswerten im ACQ trotz Randomisierung und unklarer bis fraglicher Therapiemethode unter der PA-Bedingung überzeugt die Einbeziehung dieser Studie sicher nicht. (Eheprobleme, keine Krankenbehandlung = F13) |
F01?
F02? F03 F04 F05 F06 F07 F08 F09 F10 F11 F12 F13 |
19 Steuer, J. L.; Mintz, J.; Hammen, C. L.; Hill, M. A.; Jarvik, L. F.; McCarley, T.; Motoike, P. & Rosen, R. (1984). Cognitive-behavioral and psychodynamic group psychotherapy in treatment of geriatric depression. Journal of Consulting and Clinical Psychology 52 (2), 180-189 [Steu84] {RH&D1997: a) „Psychodynamic Group Therapy"; b) keine explizite Zuordnung bei Grawe et al.; c) insgesamt 8 Therapeuten (2 Ph.D., 1 M.S.W., 5 Psychologie Studenten: F01, F02), zwei Therapeuten pro Gruppe (Therapie-Bedingung): einer hat ein Jahr klinische Erfahrung und ein Jahr didaktisches Training, der andere ist Ausbildungskandidat}An der Beschreibung der analytisch orientierten Therapiemethode ist nichts auszusetzen. Die durchschnittliche Sitzungszahl und Dauer ist für eine psychoanalytisch orientierte Gruppe mit 37,5 Sitzungen relativ wenig. Die kognitive-Vt-Gruppe hatte daher einen Konzeptionsvorteil. Die Hauptschwäche in dieser Studie sind die fünf studentischen TherapeutInnen. | F01?
F02? F03 F04 F05 F06 F07 F08 F09 F10 F11 F12 |
20 Thompson, L. W.; Gallagher,
D. & Steinmek Breckenridge, J. (1987). Comparative
effectiveness of psychotherapies for depressed elders. Journal of Consulting
and Clinical Psychology 55, 385-390. [Thom87] {RH&D1997: a) „Brief
Psychodynamic Therapy", b) keine explizite Zuordnung bei Grawe et al.;
c) 3 Therapeuten mit mindestens 1 Jahr Training in dem angewandten Verfahren}Es
ist nicht erkennbar, weshalb
Buol
& Endtner und darauf basierend Grawe et al. aus der "cognitive"
Gruppe eine "kognitive VT" machten. 16-20 Sitzungen, einzeln, ambulant.
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F01
F02 F03 F04 F05 F06 F07 F08 F09 F10 F11 F12 |
21 Woody, G. E.; Luborsky, L.; McLellan,
A. T.; O'Brian, C. P.; Beck, A. T.; Blaine, J.; Herman, I. &
Hole, A. (1983). Psychotherapy for opiate addicts: Does it help? Archives
of General Psychiatry 40, 639-645. [Wood83] {RH&D1997: a) „Supportive-Expressive
Therapy"; b) keine explizite Zuordnung bei Grawe et al.; c) 5 Therapeuten:
mindestens zwei Jahre klinische Erfahrung nach Ausbildung}Die Basisdaten
aus Buol & Endtner 1993, die dem direkten Wirkungsvergleich
zugrundeliegen, sind aus der Originalarbeit überhaupt nicht rekonstruierbar
(F13), was Heckrath und Dohmen nicht bemerken, da sie vermutlich Buol &
Endtner 1993 nicht kontrolliert haben.
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F02? F03 F04 F05 F06 F07? F08 F09 F10 F11? F12 F13 |
22 Zitrin, C. M.; Klein, D. F.; Woerner, M. G. & Ross, D. C. (1983). Treatment of phobias. Archives of General Psychiatry 40, Teil I. 125-139, Teil II. 139-145 [Zitr83] {RH&D1997: a) Supportive Therapy + Imipramin; b) explizite Zuordnung bei Grawe et al.: Psychodynamische Therapie mit medikamentöser Behandlung; c) alle Therapeuten absolvierten Training in Behavioral Therapy und Supportive Therapy und behandelten mit beiden Methoden}Die Studie besteht aus zwei Teilen, wobei der erste Teil auf den Wirkungsvergleich Imipramine und Placebo abzielt, der von Grawe et al. (1994) von Buol & Endtner (1993) übernommen wird, während der zweite Teil, der auf den direkten Wirkungsvergleich zwischen Verhaltenstherapie und Psychoanalyse abzielt, bei Buol & Endtner (1993) gar nicht auftaucht (F13), nicht einmal im Literaturverzeichnis, was von Heckrath & Dohmen nicht bemerkt wird. | F01
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Abschließende Bewertung der Forschungsmethoden Grawe et al. (1994) zum direkten Wirkungsvergleich zwischen Verhaltenstherapie und Psychoanalyse
Obwohl ich der Meinung bin, daß die Psychoanalyse zu nicht geringen Teilen ein wissenschaftsfremdes Gemisch aus Phantasie und Esoterik ist, muß ich der Kritik von Heckrath und Dohmen (1997) an Grawe et al. (1994) doch weitgehend zustimmen. Das ist mehrfach bedauerlich, weil Grawe für die Entwicklung einer allgemeinen, schulen- und methodenübergreifenden Psychotherapie sehr vieles und positives geleistet hat. Es schmerzt und ärgert mich, daß "unser Grawe" sich solche Blößen gegeben und damit der allgemeinen und integrativen Sache keinen guten Dienst erwiesen hat [FN05].