Mitglied und Gruppe
Element und Menge, Individuum und Klasse, Teil und Ganzes.
Eine kritische, wissenschaftstheoretische und empirische
Analyse
mit besonderer Berücksichtigung sog. OMCG-Rockergruppen
"Institutionen handeln nicht, sondern nur Individuen
in oder für Institutionen "
Karl Popper (1962, S. 247)
Originalarbeit von Rudolf
Sponsel, Erlangen
_
(1) Mengen, Klassen, Gruppen, Vereine, Gemeinschaften, Gesellschaften,
Organisationen, Institutionen, Verbände u.ä. sind keine handelnden
Subjekte und nicht direkt beobachtbar, sondern geistige Konstruktionen,
die aus einem Realteil (beobachtbar) und einen konstruktiven Teil (nicht
beobachtbar, konstruiert) bestehen. Mitgliedschaft und Gruppenzugehörigkeit,
allgemein Element und Menge oder Individuum und Klasse spielen in Wissenschaft
und Leben eine kaum zu überschätzende Rolle.
(2) Da die Mitglieder oder Elemente einer Menge oder Gruppe meist unterschiedlichen
logischen Kategorien angehören, darf man nicht einfach von Eigenschaften
der Mitglieder auf Eigenschaften der Gruppe und umgekehrt schließen.
Diesen Fehler bezeichnet der Mathematikes Kit Yates
als "ökologischen Fehlschluss".Was also für ein Element oder
Mitglied gilt, gilt genau betrachtet nicht für die Zusammenfassung
zu einer Menge oder zu einer Gruppe und umgekehrt. Die Sache wird noch
komplizierter und verwirrender, wenn wir auch noch Teil und Ganzes, deren
Beziehungen die sog. Mereologie erforscht,
hinzunehmen.
(3) Leider konnte ich weder in der Soziologie, Sozialpsychologie, Statistik,
in der Kriminologie und im Recht eine grundlegende, problemorientierte
Darstellung der Beziehung zwischen Mitglied und Gruppe finden, so dass
ich mich selbst an die Arbeit machte - Anlass war ein waffenrechtspsychologisches
Gutachten zur Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG). Zu den Grundfragen
gehören:
Die Handhabung dieser Fragen ist von großer Bedeutung für
die Soziologie, Sozialpsychologie, angewandte Statistik, für die forensische
Psychologie, Kriminologie und Recht, um nur einige aus meinem näheren
Interessenraum zu nennen. Die Fragen werden in der Zusammenfassung
beantwortet.
2.1 Element - Menge, Teilmenge
- Menge, Individuum - Klasse, Mitglied - Gruppe,
(1) Die Cantor'sche Mengendefinition
ist für praktische Zwecke gut geeignet, wenn man die letzten drei
Worte weglässt: "Unter einer ‚Menge‘ verstehen wir jede Zusammenfassung
M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres
Denkens (welche die ‚Elemente‘ von M genannt werden) ..."
Wichtig ist, die Elemente müssen wohlunterscheidbar
sein und lassen sich zusammenfassen. Hier ist dem menschlichen
Geist keine Grenze gesetzt, so dass aus beliebigen wohlunterscheidbaren
Elementen beliebige Mengen gebildet werden können.
(2) Mengen können auch zu höheren Einheiten, Mengen von Mengen
von Mengen von Mengen ... zusammengefasst oder gebildet werden, so dass
Mengenhierarchien entstehen. So bilden die Mitglieder einer Rockerortsgruppe
(Chapter, Charter) eine erste Menge 1. Stufe. Die Menge verschiedener
Ortsgruppen z.B. in einem Bundesland, können zur nächst höheren
Ebene, Menge 2. Stufe, zusammengefasst und gebildet werden. Weiter
könnte man wie z.B. Aldi-Nord und -Süd eine Entsprechung oder
auch eine nationale Zusammenfassung bilden, etwa alle Ortsgruppen (Chapter,
Charter) in der Bundesrepublik, was die Polizei, BKA und LK-Ämter
ja auch machen (>
Rockerkartei).
2.2 Klassenbildung (> Klassenlogik)
Was bringt uns das Zusammenfassen zu einer Menge, Gruppe, Klasse, Gesamtheit?
Nun, um Ordnung zu schaffen, erscheinen Klassenbildungen in vielen Fällen
in Wissenschaft und Leben unerlässlich (man vergegenwärtige sich
z.B. die Ordnung in einer Wohnung oder Küche).
Will man wissen, ob ein Medikament gegen Angst hilft, braucht man AngstpatientInnen,
denen das Medikament für eine gewisse Zeit verabreicht wird, um die
Wirkung zu prüfen. Will man die Hypothese prüfen, wie das Medikament
bei bestimmten Angststörungen wirkt, müssen bei der Prüfung
die verschiedenen Angststörungen genau erfasst werden.
Man kann aus beliebigen Merkmalen Klassen bilden.
Gibt es m einfache Merkmale vom Typ vorhanden oder nicht,
so gibt es 2m Klassenbildungsmöglichkeiten.
Unterscheidet man in der Kriminologie und im Recht
z.B. zwischen "normalen" Motorradclubs und sog. OMCG-Rockern, so hat man
eine Klassenbildung in zwei Klassen vorgenommen. Geht man weiter und unterscheidet
man z.B. bei den OMCG Rockern Verbot bzw. Nichtverbot eines Clubs, Unbescholtenheit
gegenüber Nichtunbescholtenheit eines Mitglieds, mit oder ohne Dauerkriterium
(z.B. in den letzten 5 Jahren), so ist in diesem Ansatz m=3 und demnach
gibt es 23 = 8 Klassenbildungen oder Kombinationsmöglichkeiten
(ohne Wiederholung), nämlich: (1) +++, (2) ++-, (3) +-+, (4)
+- -, (5) -++, (6) -+-, (7) - -+, (8) - - - . Lesebeispiel
(5): Der OMCG Club ist nicht verboten, es liegt Unbescholtenheit des betrachteten
Mitglieds vor und es wurde eine Zeitdauer (5 Jahre) angegeben für
die die Betrachtung erfolgt.
Klassenbildung erfolgt stets durch Definition (das
interessierende Merkmal) und Abstraktion (Absehen von anderen, nicht interessierenden
Merkmalen).
2.3 Teil und Ganzes
(1) Teilt man ein Blatt Papier in zwei Hälften, so ist es immer
noch Papier. Beide Hälften und das zusammengefügte Ganze sind
aus Papier und haben die Eigenschaften von Papier. Teil und ganzes Papier
unterscheiden sich nur in der Größe der Fläche. Anders
als bei Element und Menge kann man hier vom Teil aufs Ganze und umgekehrt
auf die Papiereigenschaften schließen.
(2a) Teilt man einen lebenden Menschen in zwei Hälften, dann ist
er gewöhnlich tot. Teil (tot) und Ganzes (lebend) haben nicht
die gleichen Eigenschaften, sondern unterscheiden sich ganz wesentlich.
(2b) Doch was ist, wenn man eine Leiche teilt, z.B. in Oberkörper
und in Unterkörper? Kaum jemand wird Unterkörper, Oberkörper
und dem ganzen Leichnam die gleichen Eigenschaften zuerkennen, außer
dass sie tot sind. Hinsichtlich des Merkmals 'tot' sind also Teil und Ganzes
hier gleich.
(3) Legen wir vier Backsteine aufeinander und nennen dies eine Backsteinsäule.
"Ist" die Backsteinsäule
nun eine Menge (Klasse, Gruppe) oder ein Ganzes? Das lässt sich nicht
so einfach sagen. Beide Interpretationen sind je nach Betrachtung möglich.
Es gibt also Fälle, wo es nicht so klar oder von vornherein ausgemachte
Sache "ist", ob es sich es um unterschiedliche Kategorien handelt oder
nicht. Man kann die Backsteinsäule als etwas Neues, als eine Zusammenfassung
von vier Elementen begreifen (also eine andere Kategorie) oder als vier
Teile, die ein Ganzes bilden (gleiche Kategorie).
2.4 Ontologie
sozialer Konstrukte > ausführlicher in: Ontologie
des Psychosozialen.
Ontologie gilt als klassische philosophische Grundlagendisziplin, umschrieben
als die Wissenschaft vom Seienden
als solchen und ihrer Einteilung nach Arten, Formen und Existenzweisen.
Gibt es das Allgemeine
(Universalien)
und die Abstrakta?
Und wenn: In welcher Weise? In welcher Weise existiert eine Gruppe, eine
Gesellschaft, eine Institution, eine Organisation, ein Verein? Oder ein
Milieu, eine Sozialisation, eine Einstellung? Und welche Bedeutung hat
die zugedachte Existenzweise für Wissenschaft, Gesellschaft, Recht
und unser Alltagsleben? Vieles, so scheint es, kommt durch den Menschen
in die Welt und ist nur durch ihn da. Denkt man sich die Menschen hinweg,
verschwindet vieles: Ästhetik, Ethik, Recht, Gesellschaft, Wirtschaft.
Daraus sollte man den Schluss ziehen, dass vieles menschengebunden ist,
erst durch die Menschen hervorgebracht wurde und mit ihnen auch wieder
verschwinden wird.
Gerhard Schönrich schreibt in der Einleitung
zu "Institutionen und ihre Ontologie", S. 9:
"Die Ontologie des Sozialen - und speziell die Ontologie von Institutionen
- ist ein vernachlässigtes Forschungsgebiet. Dabei ist es keine Frage,
dass auch Institutionen als Teil der sozialen Wirklichkeit eine Ontologie
zu Grunde liegt. Es gibt nicht nur Steine und Bäume, Fixsterne und
Atomkerne, sondern auch die weniger greifbaren sozialen „Dinge" wie gemeinschaftliche
Handlungen, normative Ordnungen, Regelbefolgungsgemeinschaften, gesellschaftlichen
Status, Macht, juristische Personen und eben Institutionen von der Ehe
bis hin zum Staatswesen mit allen dazugehörigen Artefakten wie Bankkonten,
Verkehrszeichen und Verdienstorden. Was sind das für Entitäten?
Mit institutionellen Handlungen wie Eheschließungen und Staatsgründungen,
die selbst neue Realitäten erschaffen, mit institutionellen Eigenschaften
wie Vereinsmitglied oder Geschäftsführer zu sein, die normativ
zum Tragen kommen, stellen Institutionen eine Herausforderung für
jede Ontologie dar. Und dies nicht nur, weil sich die Vielfalt der zu berücksichtigenden
Entitäten als kaum überschaubar erweist, sondern vor allem weil
es unklar ist, welche ontologischen Konzepte - seien sie revisionär
oder deskriptiv - hier überhaupt greifen."
Die Beschäftigung mit der Ontologie sozialer
Konstrukte geht grob auch mit der geistigen Bewegung des Konstruktivismus
und der Wissenschaftstheorie, insbesondere den Theorien zur Referenz
einher.
Für unser Thema interessiert hauptsächlich:
In welcher Weise existieren Gruppen? Gibt es sie "wirklich" in der äußeren
Realität oder existieren sie "nur" in unserem Geiste und welche Wechselwirkungen
entfalten Gruppen und ihre Mitglieder? Gibt es so etwas wie einen Gruppengeist
(Korpsgeist)? Kann eine Gruppe Mitglieder
prägen und formen? Wie kann, darf, soll man sich das vorstellen? In
der Entwicklungspsychologie, Sozialpsychologie und Soziologie ist man überzeugt,
dass die Sozialisation eines Menschen, also unter welchen Umständen
und Bedingungen er aufgewachsen ist, ebenso eine wichtige Rolle spielt
wie das Milieu, in dem er sich aktuell aufhält und bewegt. Damit wird
Aufwuchs- und Aufenthaltsumgebungen ein Einfluss zugeschrieben (Zuschreibungen
alleine genügen aber nicht: man muss es empirisch zeigen). Naheliegend
ist demnach, dass auch Rockergruppen einen solchen Einfluss auf ihre Mitglieder
haben. Wenn dieser Einfluss aber gleich wäre, so müssten in allen
Rockergruppen gleiche Erscheinungen zu beobachten sein, was ganz offensichtlich
nicht der Fall ist. Außerdem wissen wir, dass sich Menschen durch
besondere Erfahrungen sehr verändern können (in der Pubertät
auch so) , ja wir kennen sogar Saulus-Paulus-Phänomene. Einflussnahmen
können ganz unterschiedliche Wirkungen haben, die von Person zu Person
und von Situation zu Situation verschieden sein können.
Zwar haben einige PhilosophInnen und SoziologInnen
(Berger & Luckmann; Jansen; Schmid & Schweikhard; Schönrich;
Searle) manches erarbeitet (Pluralsubjekt, Kollektivperson), aber für
unsere Zwecke, Wechselwirkung Mitglied und Gruppe, nicht sehr klar, operational,
experimentell, empirisch untersucht, dargestellt und begründet, was
das für die einzelnen Mitglieder bzw. umgekehrt ontologisch bedeutet.
In der Hauptsache unterscheide ich folgende Grundhaltungen
zur Existenz von Gruppen:
2.5 Rechtliche Konstruktionen
sozialer Konstrukte
Klare Operationalisierungen und Regeln findet man bei den JuristInnen,
also im Recht. Ja, die Konstruktion sozialer Konstrukte ist geradezu eine
Domäne der Juristen und des Rechts (> 2.5),
wobei hier auch viele Gefahren und Probleme lauern (> Rechtsbegriffe;
> Ontisierung). Aber die rechtlichen Bestimmungen
beantworten nicht die empirischen Fragen und nicht die empirischen
Wechselwirkungsfragen zu Mitglied und Gruppe. Rechtliche Konstruktionen
definieren und legen fest. Sie sagen, was ein Verein ist, welche Vereine
es gibt, oder eine GmbH oder eine juristische Person, aber nichts über
die empirischen Beziehungen und die Wechselwirkungen zwischen Mitglied
und Gruppe.
Grunewald (2011) führt in ihrer Einführung
zum Gesellschaftsrecht, S. 1, aus:
"Das Gesellschaftsrecht ist das Recht der Gesellschaft bürgerlichen
Rechts, der Offenen Handelsgesellschaft, der Kommanditgesellschaft, der
Stillen Gesellschaft, der Partnerschaftsgesellschaft, der Europäischen
Wirtschaftlichen Interessenvereinigung, der Partenreederei, des Vereins,
der Aktiengesellschaft, der Europäischen Aktiengesellschaft, der Kommanditgesellschaft
auf Aktien, der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der eingetragenen
Genossenschaft, der Europäischen Genossenschaft und des Versicherungsvereins
auf Gegenseitigkeit. Diese Rechtsmaterie wird unter dem Begriff Gesellschaftsrecht
zusammengefasst, weil alle diese Rechtsformen privatrechtliche Organisationen
darstellen, die durch Rechtsgeschäft mit einem bestimmten Zweck begründet
werden. Daher finden sich auch zahlreiche Fragestellungen, die in einer
dieser Rechtsformen auftreten, in den anderen wieder. Das rechtfertigt
die Zusammenfassung zu einem einheitlichen Rechtsgebiet, eben dem Gesellschaftsrecht.
Soweit weitere Rechtsformen für vergleichbare privatrechtliche Organisationen
entwickelt werden, gehören auch diese Rechtsformen zum Gesellschaftsrecht.
Das Gesellschaftsrecht ist damit von den von ihm
behandelten Objekten her definiert, eben den privatrechtlichen Organisationen,
die alle durch Rechtsgeschäft mit einem bestimmten Zweck begründet
werden [FN1]. Das Gesellschaftsrecht ist das Recht, das speziell für
diese Einheiten gilt. Es befasst sich z. B. mit der Frage, wie die genannten
Organisationen verfasst sind oder sein dürfen, wie sie die Rechtsfähigkeit
erlangen, wer für sie handelt und wer haftet. Dies zeigt, dass das
Gesellschaftsrecht sowohl Rechtsmaterien des Allgemeinen Teils des BGB
wie auch des Schuldrechts umfasst. Die BGB-Gesellschaft ist daher aufbauend
auf diesen Regelungsbereichen im Besonderen Teil des Schuldrechts des BGB
geregelt und auf diese Regeln für die BGB-Gesellschaft verweisen wiederum
die Bestimmungen für OHG und KG (§ 105 Abs. 3, § 161 Abs.
2 HGB). Der Verein ist, weil man die Frage der [>2] Erlangung der Rechtsfähigkeit
für entscheidend hielt, im Allgemeinen Teil des BGB eingeordnet. Das
Recht der anderen juristischen Personen greift bisweilen auf diese Regelungen
für den rechtsfähigen Verein zurück. Nicht zum Gesellschaftsrecht
gehört das Recht der Stiftung [FN2]. Die Stiftung hat keine Mitglieder
oder Gesellschafter. Das hat zur Folge, dass sich bei ihr wiederum andere
Fragestellungen als bei den genannten privatrechtlichen Organisationsformen
ergeben."
Beispiel juristische Person
Prototypen rechtlicher Gruppen sind z.B. die juristische Person oder
der Verein. In Rechtsbegriffe des täglichen Lebens, Friedrich
(1996) wird S. 290, ausgeführt:
Beispiel Verein
Im Vereinsrecht heißt es:
Das Bundeministerium für Justiz und Verbraucherschutz führt
im Leitfaden zum Vereinsrecht, S. 10 aus.
3. Beispiele und Anwendungen
aus Wissenschaft und Leben
Man versteht die Problematik besser, wenn man konkrete Beispiele betrachtet.
Das soll nun geschehen.
3.1 Anwendungen
Alltagsleben
Die vielen Mengen in einer Küche
wurde oben schon erwähnt. Nun einige ausführlichere Beispiele.
3.1.1 Fußballmannschaft
Sei jemand Mitglied (Element) in einer Fußballmannschaft (Menge).
Kaum jemand würde sich an dem Sprachgebrauch stören, dass eine
Fußballmannschaft Fußball spielt. Wir reden fast alle so, aber
stimmt das, wenn wir uns das oben Gesagte genauer vor Augen halten? Schaut
man auf das Feld, so sieht man im Normalfall 22 SpielerInnen, eine SchiedsrichterIn
mit zwei HelferInnen. Man sieht lauter einzelne Spieler, aber keine Mannschaft.
Man könnte sagen, die Mannschaft sind die, die alle das gleiche Trikot
tragen. Aber die Mannschaft köpft nicht, schießt keine Ecke
und schießt auch keine Tore. Andererseits: Das Spiel endet mit einem
Sieg, einer Niederlage oder es endet unentschieden. Sieg, Niederlage, Unentschieden
ordnet man nicht der einzelnen SpielerIn, sondern der Mannschaft zu. Es
berührte uns ein wenig merkwürdig, wenn ein SpielerIn sagte,
sie habe 2:0 gewonnen, selbst wenn sie beide Tore geschossen hätte
Unserem Sprachgebrauch und Sprachgefühl entspricht: Die Mannschaft
hat gewonnen, also alle teilnehmenden SpielerInnen. Wenn aber die Mannschaft
gewonnen hat, haben dann nicht alle und damit jeder gewonnen? Auch hier
liegt ein außerordentlich gefährlicher Fallstrick für einen
Kategorienfehler, wenn alle
und jeder gleichgesetzt wird. Alle zusammen ist
etwas anderes als jeder einzelne, auch wenn sich die Mathematik
bedauerlicherweise darum wenig schert. Hinzukommt, auch die TrainerIn,
der Verein oder der Ort, zu dem der Verein gehört, sagen könnte:
wir haben gewonnen. Während eine SpielerIn gewöhnlich zwei Beine,
einen Kopf und zwei Arme hat, hat die Mannschaft keine zwei Beine, keinen
Kopf und auch keine zwei Arme. Mannschaft und SpielerIn gehören zwei
unterschiedlichen Kategorien an, so dass man die Eigenschaften der einen
Kategorie nicht einfach auf die andere übertragen darf. Allerdings
gibt es Grenzfälle. Nach unserem Sprachgebrauch kann man wohl sagen:
sowohl die Mannschaft als auch die SpielerInnen haben einen Kapitän.
Es kann also durchaus sein, dass etwas, was für das Element gilt auch
für die Menge gilt, aber es überträgt sich nicht automatisch,
regelgeleitet.
3.1.2 Familie, Kernfamilie, Großfamilie,
Clan
Nehmen wir eine Familie mit Sohn (S), Tochter (T), Vater (V), Mutter
(M). Alle vier gehören zur (Kern-) Familie, die aber unter Einbeziehung
der Geschwister der Eltern und Großeltern auch noch umfangreicher
gedacht werden kann. Jedes Mitglied gehört zwar zur, ist
aber nicht die Familie. Einigt man sich darauf Vater, Mutter, Kinder als
Kernfamilie zu bezeichnen, so kann man über diese abstrakte Kernfamilie
sagen, dass sie aus 4 Mitgliedern, zwei Kindern und zwei Eltern besteht.
Ist ein Elternteil gestorben, so besteht diese Kernfamilie nur noch aus
drei Mitgliedern. Haben sich die Eltern scheiden lassen, so handelt es
sich um eine Scheidungsfamilie. Leben sie in Trennung, können wir
von einer Trennungsfamilie sprechen. Weder Sohn, Tochter, Vater oder Mutter
sind aber die Kern-, Rest-, Scheidungs- oder Trennungsfamilie, sondern
sie sind Teil des Kern-Familiensystems. Teil und Ganzes sind aber Verschiedenes,
auch wenn die moderne Mengenlehre im Bereich des Unendlichen zum Leidwesen
vieler vernünftig denkender Menschen diesen Unterschied aufgehoben
hat - was hier aber keine Rolle spielt, da wir uns hier immer im Endlichen
bewegen. Wurde ein Familienmitglied kriminell, dann kann man nicht sagen,
die Familie sei kriminell. Wie ist es aber, wenn jedes Familienmitglied
kriminell ist: kann man dann sagen, die Familie ist kriminell? Obwohl
es unserem Sprachgebrauch vielfach entsprechen dürfte, ist es doch
falsch, weil die Familie kein handelndes Subjekt ist. Familie ist ein geistiges
Konstrukt verwandtschaftlicher Beziehungen. Eine Familie handelt nicht
im Gegensatz zu ihren Mitgliedern. Andererseits liest man in Todesanzeigen
öfter, dass Familien ihre Anteilnahme und Trauer bekunden. Jeder weiß,
was damit gemeint ist und versteht das ohne jedes Problem. Was kann man
nun über eine Familie z.B. sagen? Z.B.: a) Sie lebt im Südwesten
der Stadt. b) Sie lebt in eher prekären Verhältnissen. c) Über
ihre Integration ist kaum etwas bekannt. d) Man wird aber nicht sagen,
dass sie getauft ist, aber vielleicht schon, dass man sie in der Kirche
nicht sieht. e) Sie zeigt sich eher selten in der Öffentlichkeit.
f) Der genaue Familienname ist unbekannt. g) Manchmal ist sie etwas laut
in ihrer Wohnung. h) Bei einer Einladung kann es heißen: bring doch
Deine Familie mit. Obwohl
Familie eine Konstruktion ist, versteht
jeder, was gemeint ist.
Exkurs Sippenhaft
Man spricht von sog. "schwarzen Schafen" in Familien und meint damit
solche, denen abweichendes, meist negativ bewertetes Verhalten zugeschrieben
wird. Manche sehen darin die Familienehre beschädigt, extrem etwa
bei den sog. "Ehrenmorden".
Sitzt ein Familienmitglied im Gefängnis, so beschädigt dies oft
den Ruf der ganzen Familie, auch wenn das genauer betrachtet, keinen Grund
haben mag, weil die anderen Familienmitglieder an den kriminellen Taten
des Familienmitglieds nicht beteiligt sind. Hier gilt dann: Es bleibt
immer etwas hängen, wofür schon leider die Medien oder die
Nachbarn sorgen. Das NS-Terror-Regime hat die Sippenhaft
sogar regelrecht zum Praxisprinzip gemacht und staatsterroristisch angewandt.
3.1.3 Schulklasse
Eine Schulklasse besteht aus allen einzelnen SchülerInnen, nicht
nur aus 2, 5 oder 10. Aber die Schulklasse selbst ist keine SchülerIn.
Nehmen wir an, die Schulklasse besteht aus 23 Schülerinnen, also alle
weiblichen Geschlechts und einem Lehrer männlichen Geschlechts. Kann
man dann sagen die Schulklasse ist weiblich oder gemischt geschlechtlich,
wenn man den Lehrer einbezieht? Wie immer es auch auf die Definitionen
ankommen mag - Definitionen sind grundsätzlich gesehen nicht wahr
oder falsch, sondern folgen dem Kriterium der Zweckangemessenheit - die
Schulklasse mit oder ohne Lehrer ist weder weiblich noch gemischt geschlechtlich.
Was ist nun, wenn wir fragen: was ist das Durchschnittsalter dieser - hm,
na was? - Schülerinnen oder der Schulklasse? Kann eine Schulklasse
ein Durchschnittsalter haben oder haben alle Schülerinnen, die in
dieser Schulklasse sind, ein Durchschnittsalter? Wir bemerken: an dieser
Stelle wird es grundsätzlich gesehen sprachlich schwierig. Ich möchte
den Bogen aber nicht überspannen und meine: eine Schulklasse kann
ein Durchschnittsalter haben. Hierzu zählt man das Alter aller Schülerinnen
zusammen und teilt es durch die Anzahl aller Schülerinnen, also hier
durch 23. Damit haben wir eine Eigenschaft, die nur der Menge (Schulklasse)
der Schülerinnen, nicht aber den einzelnen Mitgliedern (Elementen)
zukommt. Dennoch lässt sich nun vergleichen, ob ein Mitglied (Element)
jünger, älter oder gleich dem Durchschnittalter ist. Es kann
also eine Eigenschaft eines Elementes mit der Eigenschaft der Menge verglichen
werden. Das kann man als bemerkenswerten Befund ansehen, wenn man akzeptiert,
dass das Durchschnittsalter der Schulklasse als Menge zugeordnet werden
kann. So wie die Schulklasse als Menge eine Konstruktion ist, so ist auch
der Durchschnittswert des arithmetischen Mittels eine Konstruktion. Beide
Sachverhalte existieren durch Konstruktion, die wir im Allgemeinen als
nützlich und sinnvoll bewerten.
3.1.4 Qualitätsklassen
- ein Gegenbeispiel?
Betrachten wir Eier der Güteklasse A. Eine Güteklasse kann
man nicht kochen und nicht essen, sie hat weder Gewicht noch eiform. Ein
Ei der Güteklasse A schon. Hier hat jedes Element der Menge die Eigenschaft,
die der Name der Menge ausdrückt. Güteklasse A gilt für
jedes Ei, das sich in der Schachtel oder im Korb mit der Aufschrift "Güteklasse
A" befindet. Auch hier zeigt sich (wie zum Schluss unter 3.1.1), dass es
durchaus sein kann, dass das Merkmal, das die Menge charakterisiert, auch
für jedes Element gilt, aber es gilt nicht automatisch, regelgeleitet.
Das gilt hier nur durch die spezielle Namensgebung "Güteklasse A Menge".
Nennte man die Menge anders, also nicht Güteklasse A, sondern z.B.
M27, dann klärte sich die Verwirrung wegen des Namens sofort auf.
Man sieht hier, dass allein die Namensgebung allerlei Verwirrung hervorrufen
kann.
Exkurs Gemeinsamkeit der Elemente
einer Menge
Dies wirft die Frage auf: was ist das allen Elementen Gemeinsame, die
zu einer Menge zusammengefasst wurden? Nun, das ist letztlich nur die Zugehörigkeitsbildung
zu eben dieser Menge. Betrachten wir ein Streichholz, eine Druckerpatrone
und die Kindergärtnerin Anna. Unsere Menge besteht aus M ={Streichholz,
Druckerpatrone, Kindergärtnerin Anna}. Was haben diese drei Elemente
gemeinsam? Sie sind wohlunterscheidbar, beliebig vertauschbar und gehören
per Mengenbildungsakt, d.h. Auswahl, zu M. Und es ist völlig offensichtlich,
dass die Eigenschaften der Elemente, nichts mit den Eigenschaften der Menge
zu tun haben.
3.1.5 Berufsklassen
Es gibt sehr viele Berufe und man kann gleiche oder ähnliche Berufe
zu Mengen oder Klassen zusammenfassen. Die Menge der Schornsteinfeger fegt
nicht und die Menge der LehrerInnen lehrt nicht. Schornsteinfeger fegen
und LehrerInnen lehren, aber nicht ihre Zusammenfassungen. Man kann Unter-
oder Oberklassen bilden, z.B. die Menge der Ingenieure, Kaufleute, Handwerker,
Techniker usw.
3.1.6 Flüchtlinge
und Terroristen
Manche Terroristen sind als Flüchtlinge oder Asylanten getarnt
ins Land gekommen. Die Terrormotivation einzelner "Flüchtlinge" oder
"Asylanten" kann weder auf alle noch auf die Mengenbildung "Flüchtlinge"
oder "Asylanten" übertragen werden. Hinzu kommen natürlich die
Zahlenverhältnisse.
Es mag aber Terrorbanden oder Terrorgruppen geben, was unter Banden
und kriminelle Vereinigung
besprochen wird.
3.1.7 Stammtisch
Stammgäste (Elemente) einer Gastwirtschaft bilden eine Menge.
Kennzeichen der Mitglieder dieser Menge ist, dass sie sich einigermaßen
regelmäßig als Gast dieser Gastwirtschaft einfinden. Trifft
das auch für die Menge, also die Gesamtheit der Stammgäste zu?
Meistens nicht, weil nicht immer alle können oder da sind. Zu Sonderereignissen
wie z.B. Jubiläen ist es aber durchaus möglich. Wenn also alle
da wären, darf man dann sagen: die Stammtisch ist da? Diese Sprechweise
würde jeder verstehen, auch wenn sie, genau betrachtet, nicht richtig
ist.
Richtig wäre zu sagen: Stammgäste waren da, die Stammgäste
waren alle da oder alle Stammgäste waren da.
3.1.8 Nachbarschaft
Nachbarschaft ist meist nichts Freiwilliges. Nachbarn kommen und gehen,
wir haben im Allgemeinen wenig Einfluss darauf, wer unsere Nachbarn sind.
Gemeinsames Merkmal von Nachbarschaft ist die räumliche Nähe
des Wohnens. Die Menge A der Nachbarn A = {Nachbar1, Nachbar2,
...., Nachbari, ..., Nachbarn}. Die Menge der Nachbarn
ist selbst kein Nachbar.
3.2 Anwendungen in der Soziologie und Sozialpsychologie
In der Gesellschaft gibt es (Aber-) Tausende von Mitgliedschaften und
Gruppenbildungen. Hier eine kleine Auswahl: Anonyme Alkoholiker * Asylanten
* Autofahrer * Bande * Belegschaft * Berufsgruppen * Besuchergruppe * Bundesland
* Chor * Clan * Dachverband * Dorf * Familie * Feuerwehr * Flüchtlinge
* Gäste * Geheimgesellschaft * Gemeinde * Gemeinschaft * Gesellschaft
* Gesellschaftsschichten * Großfamilie * Gruppe * Großgruppe
* Kindergartengruppe * Kleingruppe * Kirchen * Klasse * Kriminelle Vereinigung
* Kultur- und Kunstgruppen * Land > Nation * Motorradfahrer * Nachbarschaft
* Nation * Netzwerk * Organisierte Kriminelle * Parlamente * Parteien *
Polizei * Region * Richterschaft * Rocker * Schicht (Unterschicht, Mittelschicht,
Oberschicht) * Schülerschaft * Schulklasse * Soziales Netzwerk * Sportgruppe
* Sportvereine * Stadt * Stadtteil * Stamm * Stand * Theaterensemble *
Therapiegruppe * Verband * Verein * Volks * Wandergruppe * Weltanschauungsgruppen
* Zuschauergruppe *
Der Gruppenbegriff
in der Soziologie
Im "Wörterbuch der Soziologie" von Hartfiel & Hillmann (1972)
heißt es S. 279f:
"Gruppe, in der Alltagssprache u. auch in
der soziol. Theorie unscharfer u. unterschiedl. definierter Begriff. Sehr
oft gleichbedeutend mit Menge, Masse, Bevölkerungsteil, Schicht, Klasse
u. a. In dem theoret. Bemühen, den Begriff G. für die Analyse
bestimmter sozialer Gebilde oder Beziehungsformen zu reservieren, ist eine
Anzahl von Kriterien zusammengestellt worden, die in unterschiedl. Mischung
G. definieren, aber gleichzeitig Schwierigkeiten für eine genaue Abgrenzung
gegenüber anderen soziologischen Grundbegriffen, wie Organisation,
Gemeinschaft, bereiten: (1) In Bezug auf die Größe eine
für alle G.mitglieder noch überschaubare, persönl.-direkte
Beziehungen prinzipiell nicht ausschließende soziale Einheit; (2)
den äußeren Grenzen nach für Mitglieder wie für
Außenstehende klar von anderen sozialen Gebilden u. sozialer Umwelt
abheben", (3) räuml., zeitl. u. kooperativ zumindest indirekt gemeinsames
Handeln; (4) im Hinblick auf die gegenseitige Orientierung u. psych.
Verbundenheit das Vorhandensein eines Wir-Gefühls u. damit
einer minimalen geistigen Homogenität u. Verantwortungsbereitschaft
für die anderen G.mitglieder; (5) gemeinsame Ziele, aus
denen G.kohäsion, Solidarität nach außen u. Kooperation
im Inneren erwächst; (6) interne Rollenstruktur u. Statusverteilung;
(7) relativ langfristiges Überdauern des Zusammenseins.
Die Vielzahl der bekannten G.definitionen (z. B. von Durkheim,
Gumplowicz, Cooley, Vierkandt, Geiger, v. Wiese, Hofstätter, Lewin,
Homans) kann damit erklärt werden, daß die versch. von diesem
Begriff gemeinten sozialen Gebilde in vielfältiger Gestalt ges. u.
psych. Funktionen ausüben u. daß diese Funktionen dem ges. Wandel
unterliegen. Den als G. bezeichneten sozialen Einheiten kommt allg. die
wichtige Aufgabe zu, als »Agenturen der Ges.«, als Zwischeninstanzen,
sowohl die normativen Anforderungen der Ges. an das Individuum heranzutragen
(Sozialisation) als auch dem Individuum als Einfluß- u. Gestaltungsorgan
gegenüber der Ges. zur Verfügung zu stehen.
Zentrale Bedeutung hat nach wie vor die auf Ch. H. Cooley (1864-1929)
zurückgehende Unterscheidung von Primär-G. u. Sekundär-G.
Als Primär-G. werden relativ stabile, enge persönl. Beziehungen
ermöglichende G.n (z. B. Familie, Freundschaft, Nachbarschaft, Gemeinde),
als Sekundär-G. alle rational organisierten, an speziellen Zielrealisierungen
ausgerichteten G.n bezeichnet. Der soziale Wandel wird als tendenzielle
Verlagerung der Vermittlungsfunktionen (zwischen Individuum u. Ges.) von
den Primär-G.n zu den Sekundär-G.n verstanden. Andererseits wird
als Reaktion auf zunehmende Rationalisierung, Bürokratisierung u.
Normierung der ges. Strukturen die Entstehung zahlreicher spontaner G.n
erkannt. Diese Entwicklung wird mit der Unterscheidung von for-[>280]malen
(durch organisator. Planung u. Strukturierung gebildeten) u. informalen
(innerhalb der formalen u. auf diese u. andere ges. Anforderungen reagierende)
G.n beachtet.
Die neuere soziol. G.theorie ist von drei Ansätzen befruchtet
worden: (1) Von Elton Mayo u. a. ist in den Hawthorne-Experimenten die
Bedeutung der informalen G. für die soziale Existenz des Menschen
in der organisierten Arbeits- u. Berufswelt u. damit des G.daseins für
die individuelle Leistung u. Zufriedenheit überhaupt entdeckt worden.
(2) J. L. Moreno analysierte als Begründer der Soziometrie die G.
als ein Netzwerk von Anti- u. Sympathiebeziehungen sowie von realen Verhaltensbeziehungen
nach dem Grade ihrer Intensität. (3) K. Lewin u. seine Mitarbeiter
u. Schüler übertrugen die psycholog. Feldtheorien auf die G.
u. konnten in zahlreichen Untersuchungen der Gruppendynamik kleiner Gruppen
Erkenntnisse gewinnen über die Entstehung u. Kontrolle von G.normen
u. -zielen, von gruppeninternen Rollen- u. Status-Differenzierungen, über
gruppeninterne u. außengerichtete Kommunikationsstrukturen, G.führerschaft
u. Führungsverhalten in der G., über den Zusammenhang zwischen
Zusammenhalt (Kohäsion) der G. u. äußerem Druck, den Einfluß
der G. auf das Urteil des einzelnen Mitglieds, das Verhalten gegenüber
Außenseitern u. Fremdgruppen in gruppeninternen Drucksituationen
sowie über das Verhältnis von G.normen, Einzel- u. G.leistung
bei versch. Arbeitsformen. - In jüngster Zeit hat G. C. Homans versucht,
mit einem generalisierenden Schema von Variablen (Aktivität, Interaktion,
Norm, Gefühl) ein System von Hypothesen über die Gesetzmäßigkeiten
zu entwickeln, nach denen sich die innere Struktur u. das Verhältnis
der G. zu ihrer Umwelt entwickelt, -> Bezugsgruppe, ->Eigengruppe.
M. u. C. W. Sherif, Groups in Harmony and Tension, 1953;
J. W. Thibaut, H. H. Kelley, The Social Psychology of Groups, New York
1959; K. Lewin, Feldtheorie in den Sozialwiss., 1963; G. C. Homans, Theorie
der soz, G., 3. A. 1968; T. M. Mills, Soziol. der G., 1969; R. Battegay,
Der Mensch in der G., 3. A. 1970; K. Setzen, Die G. als soz. Grundgebilde,
1971; D. Claessens, G. u. G.nverbände, 1977; E. H. Witte, Das Verhalten
in G.nsituationen, 1979; R. Zoll u. E. Lippen, Die soz. G., 1979; B. Schäfers
(Hg.), Einf. in die G.soziol., 1980."
Anmerkung: Die methodologisch begrifflich-logische
Grundlagenproblematik wird in dem sonst sehr informativen Artikel nicht
erwähnt.
_
3.2.1 Empirische Merkmale
und Strukturmerkmale von Gruppen und ihren Mitgliedern
Wodurch wird eine Gruppe zur Gruppe? Wie wird aus einer Anzahl von
Einzelnen eine Gruppe? Wie können Gruppen aufgebaut sein? Im folgenden
werden wichtigere Begriffe für Mitgliedschafts- und Gruppenmerkmale
kursiv-fett
gesetzt, Es gibt hier eine extreme Vielfalt von Merkmalen, die mehr oder
minder stark in einer Gruppe ausgeprägt sein können, wobei man
auch noch Entwicklung, Veränderung und
Wandlung
berücksichtigen muss. Das grundlegende Merkmal dürfte der Kontakt
sein, der meist gewissen
Interessen,
Zielen
oder Zwecken dient, aber nicht muss. Treffen sich mehrere
Menschen zu verschiedenen, aber auch bestimmten Zeiten an einem bestimmten
- auch virtuellen - Ort, so kann von Gruppenbildung gesprochen werden,
etwa Gäste in einem Gasthaus, die zusammen an einem Tisch Platz nehmen,
der vielleicht sogar eine Kennzeichnung als Stammtisch trägt, etwa
zum Frühschoppen am Sonntagmorgen. Für den Umgang
unter-
und miteinander entwickeln sich oder gelten bestimmte Regeln.
Im Laufe der Zeit bilden sich gewisse Beziehungen
zwischen den Mitgliedern heraus. Es können sich Unter-, Teilgruppen
oder sog,
Fraktionen bilden. Manche verstehen sich besser,
mögen oder schätzen sich mehr als andere, es entwickeln sich
Sympathien
oder auchAntipathien. Einige Mitglieder scheinen mehr Bedeutung
oder Gewicht zu haben als andere. Oft bilden sich informelle
oder ausgewählte Funktionsträger heraus, die in
strukturiert-organisierten
Gruppen auch gewählt werden können. Man kann auch Mitgliedstypen
erkennen, z.B. Mitläufer, Anführer, Unker, Bedenkenträger,
Abwiegler, Bremser, Drückeberger u.a.m. Hierarchien
können sich ausbilden und durch Funktionszuweisungen (z.B. Vorstand)
festigen und stärken. Manche Themen werden vielleicht
durch Konformitäts- oder Gruppendruck gefördert,
andere tabuisiert.
Loyalitätskonflikte
können auftreten. Entscheidungsfindungen können formalisiert
oder frei entwickelt werden.
Zu den schwierigsten und von den Sozialwissenschaften
bislang nicht befriedigend geklärten oder gar gelösten Aufgaben
gehört eine operationale Begriffsbildung,
so dass eindeutig überprüft und kontrolliert werden kann, ob
und wie sehr ausgeprägt Merkmale in einer Gruppe vorliegen.
Beispiel Konformität
in bpb - Das Asch-Experiment als Theaterstück - wird kurz
und bündig definiert: "Unter dem Begriff Konformität versteht
man die Veränderung des Urteils oder des Verhaltens zugunsten der
Urteile einer Mehrheit der Mitglieder einer Gruppe." Es fehlen allerdings
klare Zahlen. Das mit der Konformität ist bei genauer Betrachtung
nicht so einfach.
Ohne Zweifel gibt es Loyalitäts- und Konformitätsphänomene
und -probleme in fast allen Gruppen dieser Welt. Und damit natürlich
auch in den Rockergruppen. Das Thema ist seit über 100 Jahren ein
Standard-Thema in der Sozialpsychologie und Soziologie. Hierzu gibt
es eine Reihe fast klassisch zu nennender Experimente.
Bei genauer Betrachtung, und die ist hier ohne Zweifel geboten, ist die
Sache aber nicht so einfach, wie die Lehrbücher nicht selten suggerieren.
Beispielhaft erwähne ich die Ergebnis-Daten des berühmten Asch-Experiments,
in Irle S. 60:
Man beachte: "Die Mehrzahl (68 %) der von der Versuchsgruppe abgegebenen
Schätzungen war trotz des von der Mehrheit ausgehenden Druckes richtig."
Von einem einheitlichen auf alle Mitglieder gleich wirkenden Konformitätsdruck
auszugehen, wie das das BVerwG und der OMCG-Strukturbericht annehmen, ist
nach aller sozialpsychologischen und soziologischen Erfahrung ziemlich
sicher falsch. Wer in der Wissenschaft solche generellen Behauptungen -
ein einziges Gegenbeispiel widerlegt sie - aufstellt, ist beweis- oder
wenigstens belegpflichtig. Diese zeitlosen wissenschaftlichen Grundregeln
scheinen in für die OMCG-Rocker nicht zu gelten. Das mögen PolitikerInnen
so handhaben, die Polizei und die Kriminologie dürfen das nicht -
und die empirische forensische Psychologie schon gar nicht.
Beispiel Loyalität
Ich sehe als Kernbedeutung von loyal wenigstens nicht dagegen sein,
nicht schaden oder behindern bis hin zu nutzen, fördern, unterstützen,
helfen. Will man den Grad der Loyalität feststellen, braucht man operationale
Kriterien, wie das geschehen kann. Die extremste Form der Loyalität
kann mit Treue bis in den Tod ("Nibelungentreue"), unbedingtem und absolutem
Gehorsam bis vielleicht zur minimalen Stufe durch schweigen nicht schaden,
bezeichnet werden. Aber wer schweigt ist nicht unbedingt loyal, er ist
vielleicht nur bequem, gleichgültig oder feige. Erschwert werden Diagnose
und Erforschung "der" Loyalität dadurch, dass die Loyalitätsausprägung
schwankt und von der Situation abhängt.
Anmerkung: In Homanns "Theorie der sozialen Gruppe"
und in Saders "Psychologie der Gruppe" enthalten die Sachregister keinen
Eintrag "Loyalität".
Beispiel Kohärenz
Sader schreibt in "Psychologie der Gruppe" auf S. 100: "Die Kohärenz
oder der Zusammenhalt einer Gruppe, die Solidarität der Mitglieder
untereinander, das „Gruppenklima" ist oft unmittelbar erlebbar, häufig
eindeutig und überzeugend: Wir fühlen uns in einer Gruppe wohl,
können unsere Energie leicht den gemeinsamen Aufgaben zuwenden, uns
leicht mit den Mitgliedern verständigen, und wir mögen die Mitglieder
oder doch wenigstens die meisten. In anderen Gruppen erleben wir das Klima
als frostig, es kommt zu keiner guten Verständigung, es gibt Statuskämpfe
und Mißverständnisse, und wir sind froh, wenn wir wieder draußen
sind.
Aber obgleich uns dies unmittelbar einleuchtet und wir uns auch leicht
über diese Phänomene mit anderen verständigen können,
ist es doch ungemein schwierig, dies alles begrifflich zu fassen. Selbst
wenn wir einsehen, daß es die Kohärenz als ein einheitliches
Phänomen nicht gibt, sondern Kohärenz ein weiter Konstruktbegriff,
eine Sammelbezeichnung für eine Klasse von Phänomenen ist, bleibt
die begriffliche Erfassung schwierig. Die am häufigsten verwendete
Definition stammt von Festinger. Danach ist Gruppenkohärenz „... die
Resultante aller derjenigen Kräfte, die auf die Mitglieder einwirken,
in der Gruppe zu bleiben" (Festinger, 1950, 185). Irle hat offensichtlich
in mündlicher Absprache mit Festinger vorgeschlagen, diese Definition
anders übersetzend zu interpretieren. Danach wäre Kohärenz
„die durchschnittliche Attraktivität, welche die Gruppe bei ihren
Mitgliedern genießt" (1975, 452). Feger (1972, 1596 ff.) und Cartwright
& Zander (1968, 91) haben Fragen der zweckmäßigen Definition
etwas ausführlicher dargestellt. Vor allem die Arbeit von Cartwright
& Zander (1968) ist auch heute noch grundlegend. Neuere Darstellungen
etwa bei Collins & Raven, 1968; Shaw, 1976; 1977; Zander, 1979. Es
lohnt in unserem Zusammenhang jedoch nicht recht, zu viel Mühe an
Definitionsversuche zu hängen: Im konkreten Fall sollte man ohnehin
auf Operationalisierungen durch Meßvorschriften drängen."
Beispiel Milieu
Man unterscheidet als potentiell kriminalitätsrelevant unterschiedliche
Milieus aus denen jemand kommt, also das Herkunftsmilieu und das Milieu,
in dem sich jemand aktuell aufhält. Hier lassen sich relativ einfach
empirisch-statistische Ergebnisse gewinnen, wobei offen bleibt, was diese
für den Einzelfall besagen, so dass dies eben im Einzelfall geklärt
werden muss. Für die Erklärung spielen viele Wissenschaften (>
3.3) eine Rolle. Es gibt wohl kaum einen Zweifel, dass das Milieu, aus
dem wir kommen und das Milieu, in dem wir uns aufhalten, mehr oder minder
großen Einfluss auf unser Verhalten hat. Sozialisation wird wesentlich
durch den Umgang, die Kommunikation und die Interaktion mit anderen erzeugt.
_
Beispiel Korpsgeist
Korpsgeist bedeutet loyal untereinander zusammenhalten gegen äußere
Bedrohungen, sich nicht belasten oder bloßstellen. Loyalität
ist für fast alle Gruppen ein häufig zu beobachtenden Merkmal,
wenn auch nicht immer oder in gleichem Maße. Stark ausgeprägt
sind Korpsgeist bei Militär, Polizei, Politik, Eliten, Sekten, Bruderschaften,
Banden und Lebensgemeinschaften. In welcher Weise existiert nun der Korpsgeist
tatsächlich?
"2. Der einzelne und das Kultursystem
Gesellschaft und Individuum keine Gegner,
sondern voneinander abhängig
Das von uns untersuchte Benehmen der Gruppe ist allerdings auch das Benehmen der Einzelperson. Die Gruppe stellt deren Umwelt dar, und nach ihr muß der einzelne sein Leben gestalten. Ein auf einige Dutzend Seiten zusammengedrängter Bericht über irgendeine Zivilisation muß notwendigerweise die Standardbegriffe der Gruppe hervortreten lassen und das Verhalten des einzelnen nur darstellen, sofern es beispielhaft die Triebkräfte der betreffenden Kultur zum Ausdruck bringt."
Benedict drückt durch die Formulierung "Das von uns untersuchte
Benehmen der Gruppe" aus, dass sie die Gruppe als eigenständiges Wesen
ansieht (BMautonS),
das sich benehmen kann.
3.3.1 Bande
Schwind (2000), S. 559 in Rn 5 "Hauptkriterien der Bande
Zu den Hauptkriterien der Bande dürften danach (mehr oder weniger
umstritten) gehören:
3.3.2 Kriminelle Vereinigung
nach § 129 StGB
"(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit
darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, oder wer sich an einer solchen
Vereinigung als Mitglied beteiligt, für sie um Mitglieder oder Unterstützer
wirbt oder sie unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Querverweis Zum
Problem organisierte Willensbildung.
3.3.3 Organisierte Kriminalität
Der organisierten Kriminalität kommt große Bedeutung in
der Polizeiarbeit, Kriminalistik, Kriminologie zu, was man an den alljährlich
erscheinenden Lageberichten von BKA und LK-Ämter ablesen kann.
3.3.4 Rocker
Rockergruppen werden im Strukturbericht des LKA Baden-Württemberg
S.4 definiert:
"ALLGEMEINE DEFINITION ROCKERGRUPPEN
Eine „Rockergruppe" ist ein Zusammenschluss mehrerer Personen mit strengem
hierarchischem Aufbau, enger persönlicher Bindung der Gruppenmitglieder
untereinander, geringer Bereitschaft mit der Polizei zu kooperieren1
und selbst geschaffenen strengen Regeln2. Die „Rockerkriminalität"
wird seit Jahren bundesweit als Phänomenbereich der Organisierten
Kriminalität (OK) eingeordnet.3,4,5,6 Mitglieder von OMCG's
sind in typischen OK-Deliktsfeldern aktiv7,8. Die Schwerpunkte
liegen vor allem in den Bereichen des Rotlichtmilieus sowie des Drogen-
und Waffenhandels9. Gegenüber rivalisierenden Gruppen werden
Gebietsansprüche10 und Expansionsbestrebungen auch unter
Anwendung von Gewalt durchgesetzt11,12. Dabei sind Macht- und
Gewinnstreben sowie ein arbeitsteiliges Vorgehen zu beobachten."
Wesentliche Merkmale einer Rockergruppe sind also per definitionem und Behauptung:
Es folgen Ausführungen zur Rockerkriminalität, die gar
nicht in die Definition Rockergruppe gehören und die Mitteilung, dass
die Rockerkriminalität von der Polizei bei der Organisierten Kriminalität
eingeordnet wird. Das gehört wohl eher zur OMCG-Definition.
3.3.5 OMCG-Rocker (Outlaw
Motor Cycle Gang Rocker)
Ist jemand freiwillig Mitglied in einer sog. OMCG Rockergruppe, so
wird man wohl meist annehmen, dass das Mitglied die Ziele und Zwecke dieser
Gruppe teilt. Im Allgemeinen konnten Rocker durch ihre Kutte leicht identifiziert
werden, das wird nach Verboten sehr viel schwieriger werden. Doch was heißt,
Ziele und Zwecke einer Gruppe teilen? Gruppe
ist ja eine Konstruktion, ein ganz
spezielles Produkt des menschlichen Geistes in einer Gesellschaft. Denn
eine Gruppe ist kein handelndes Subjekt, was heißt es also, einer
Gruppe Ziele und Zwecke zuzuschreiben? Das kann über eine geschriebene
oder ungeschriebene Satzung, in der die Ziele und Zwecke formuliert sind,
vermittelt sein, die von den Gruppenmitgliedern für jeden als verbindlich
akzeptiert wird.
OMCG Rocker werden im Strukturbericht des LKA Baden-Württemberg S. 4 definiert :
"DEFINITION "OUTLAW MOTORCYCLE GANG (OMCG) Mit der von den amerikanischen Strafverfolgungsbehörden eingeführten Bezeichnung OMCG" grenzt man weltweit die polizeilich besonders relevanten Rockergruppen von der breiten Masse der Motorradclubs und anderen Zusammenschlüssen von Motorradfahrern (MCs, MF) ab, die zwar im Einzelfall auch kriminelle Aktivitäten verfolgen können, diese aber nicht als Hauptmotivation ihrer Existenz verstehen. Aktuell werden deutschlandweit der Hells Angels MC (HAMC), Bandidos MC (BMC), Outlaws MC (OMC), Gremium MC (GMC) und seit Anfang 2011 der Mongols MC (MMC) sowie der seit 2015 verbotene Satudarah MC (SMC) den OMCG's zugeordnet. In Baden-Württemberg sind bis auf den MMC und SMC alle OMCG's vertreten."
Das wesentliche Merkmal sollen also kriminelle Aktivitäten als Hauptmotivation ihrer Existenz sein. Nach diesem verunglückten Definitionsmerkmal sollten sämtliche Rocker, die einer geregelten bürgerlichen und existenzsichernden Arbeit nachgehen, kein OMCG-Mitglied sein können.
Genauere Analyse
der Definition "OMCG" im Strukturbericht des LKA Baden-Württemberg
Zunächst fällt auf, dass unkritisch und falsch der Gruppe
Aktivitäten zugeordnet werden, die man nur einzelnen Mitgliedern zuordnen
kann, es sei denn, man hat vorher seine Regeln, wie man zu Gruppenzuordnungen
kommt genau erklärt. Interpretiert man, dass das LKA meint, dass man
dann von einer vertretbaren Gruppenzuordnung sprechen kann, wenn jedes
Mitglied - man darf in diesem Fall auch sagen alle Mitglieder
- kriminelle Aktivitäten als "Hauptmotivation seiner Existenz" entfaltet,
dann wäre noch genau zu klären, was "Hauptmotivation seiner Existenz"
genau bedeutet. Ich interpretiere das LKA, dass es damit meint, dass der
Lebensunterhalt hauptsächlich durch kriminelle Aktivitäten erfolgt.
Hauptsächlich interpretiere ich als > 50%. Damit wären die Unklarheiten
und Unschärfen so weit beseitigt, dass methodisch klar, was zu tun
ist, um den Nachweis einer solchen Art "OMCG" zu führen. Nachdem der
Strukturbericht darüber nichts sagt, gehe ich davon aus, dass die
entsprechenden Daten nicht vorliegen.
3.3.6 1% OMCG-Rocker (Outlaw
Motor Cycle Gang Rocker)
Eine besondere Bedeutung soll nach dem Strukturbericht S. 4f dem 1%er
patch (Aufnäher) zukommen:
"DEFINITION 1%ER14 Die Bezeichnung l%er geht nach allgemeinen
Informationen auf das Jahr 1947 zurück. Damals wurden amerikanische
Vollzugsbehörden bei einer Motorrad-Rallye in Kalifornien erstmals
auf Motorradclubs aufmerksam, deren Mitglieder nicht dem Bild des normalen
Motorradfahrers entsprachen. Nach Straßenkämpfen wurden zwei
Mitglieder des Vorläufers des HAMC von der [> S. 5] Polizei festgenommen
und anschließend von ihren Freunden aus dem Gefängnis befreit.
In den Medienberichten wurden die Ausschreitungen zwar verurteilt, aber
auch festgestellt, dass lediglich 1% der Teilnehmer gewaltbereit, 99% der
amerikanischen Motorradfahrer jedoch „ganz normale, friedliebende Menschen"
seien. Das 1% oder l%er-Abzeichen, getragen auf einer meist ärmellosen
(Leder)-Weste (sogenannte „Kutte"), soll die Unterschiede zu anderen (friedlichen)
Motorradclubs aufzeigen und ist ein wesentliches Merkmal der als gewaltbereit
einzustufenden Rocker in sogenannten OMCG's15.
Das von Mitgliedern der OMCG's aufgebaute Bedrohungspotential soll
der Verbreitung von Angst und zur Einschüchterung anderer dienen.
Mit diesem Verhalten wird eine besondere Missbilligung der bestehenden
Rechtsordnung zum Ausdruck gebracht und signalisiert, dass man Probleme
an den zuständigen staatlichen Einrichtungen vorbei unter sich regelt."
Die falsche Interpretation der 1%er ist vielfach kritisiert worden, u.a. von Landmann in Schelhorn et al. (2016). Was die Abzeichen im Einzelfall bedeuten, muss jeweils im Einzelfall geklärt werden.
3.3.7 Konformitäts-
und Loyalitätsdruck im Strukturbericht OMCG
Der Strukturbericht zu den OMCG führt zur Loyalität aus (nur
eine Fundstelle) S. 7: "Um in eine jeweils höhere Rangstufe zu gelangen,
müssen die Betroffenen ihre Loyalität gegenüber dem Club
auf vielfältige Art beweisen35. Dies schließt auch
die Begehung von Straftaten mit ein36. Sie bewegen sich im Club
in einem hierarchisch geprägten Unterstellungsverhältnis. Deshalb
besteht nicht nur bei herausgehobenen Funktionsträgern, sondern gerade
auch bei einfachen Mitgliedern und Anwärtern die besondere Gefahr
von kriminellen Aktivitäten und damit einhergehendem missbräuchlichen
Waffeneinsatz37."
Das Wort "Konformitätsdruck" kommt im Strukturbericht
OMCG nicht vor, dafür wird einiges zur Loyalität behauptet, zum
Teil mit falschem Beigeschmack. Anwärter (hangarounds), Probemitgliedschaft
(prospects) und schließlich echte Mitgliedschaft (members) nach erfolgreicher
Probemitgliedschaft ist keine Spezialität, die nur Rockerclubs aufweisen.
Anstellung auf Probe ist z.B. in der Wirtschaft oder auch beim Staat gang
und gäbe. Aber auch hier fehlen klare und prüfbare Operationalisierungen.
Gesamtbewertung Strukturbericht
Insgesamt muss man sagen: Die Polizei und ihre Forschungseinrichtungen
verfügen offensichtlich über keine klare, nachvollziehbare und
prüfbare Sozialpsychologie der Gruppe, Bande und kriminellen Vereinigung.
Da ist viel Behaupten auf Definitions"wahrheits"-Basis (> Zweckangemessenheit),
Meinen, Glauben, Dafürhalten, Mutmaßen und Spekulieren dabei,
aber wissenschaftlich ist es völlig unzulänglich. Es fehlt rundum
an belastbaren und prüfbaren Nachweisen. Möglicherweise erliegen
hier die Forschungseinrichtungen der Polizei - wie so oft auch "das" Recht
- einem naiven Platonismus und Begriffsrealismus, wie er eigentlich nach
Ockham
(1288-1347) überwunden sein sollte.
Die Beziehungen zwischen Mitglied, Gruppe, krimineller
Gruppe, Bande, krimineller Vereinigung sind grundlegend ungeklärt
und als Basis für Prognosen und erst recht für Präventiv-Prognosen
für den Einzelfall völlig ungeeignet.
Hier lautet die methodologische Gretchenfrage: Wie
vielen Gruppenmitgliedern - evtl. unter Berücksichtigung ihres Status
in der Gruppe - muss kriminelles Verhalten welchen Ausmaßes für
welchen Zeitraum nachgewiesen worden sein, damit die Zuweisung Dies
ist eine kriminelle Gruppe per definitionem gelten soll? Besteht
die Gruppe aus n Mitgliedern, so gibt es theoretisch n Möglichkeiten,
nämlich 1, 2, 3, ..., i, ...n. Sobald man weniger als n Mitglieder
für die Zuweisung kriminelle Gruppe zulässt, gerät
man in die Aporie
(Unlösbarkeit), dass der Schluss von k kriminellen Mitgliedern
auf die n-k nicht kriminellen Mitglieder nicht zulässig ist.
Ein solcher Schluss wäre in sich widersprüchlich. Geht man von
der so - pars pro toto - definierten Gruppe
aus, wäre der Schluss zirkulär. Man schlösse von k
auf n und von n auf n-k
zurück und setzte damit k mit n-k
gleich.
3.4 Anwendung in der
Statistik
(1) Eine der Hauptaufgaben der beschreibenden (deskriptiven) Statistik
ist das Klassifizieren und die Feststellung von Häufigkeiten der in
den Merkmals-Klassen erfassten Elemente, z.B. Alter, Geschlecht, Schulbildung,
Familienstand, Beruf ...
(2) Eine andere Hauptaufgabe ist das Feststellen von Zusammenhängen
und Abhängigkeiten mit dem Schließen von Merkmalen auf die Wahrscheinlichkeit
anderer Merkmale, z.B. vom Alter auf das Sterberisiko, von individuelle
Merkmalen und Handlungen auf das Rückfallrisiko etwa in Medizin, Psychotherapie
oder im Strafrecht (Prognosetafeln), also die Prognose.
(3) Ein schwerer Mangel der Statistik und Wahrscheinlichkeitstheorie
liegt darin, dass selten etwas solide und praktisch anwendbar erklärt
wird. Man rechnet und liefert Zahlen, sagt aber nicht, was genau sie bedeuten.
Es fehlen in den statistischen Mitteilung der Veröffentlichungen fast
immer Interpretationssätze. Hier funktioniert der Wissenschaftsbetrieb
und das Peer Review Verfahren hinten und vorne nicht.
3.4.1 Einfache Häufigkeitstabellen
Beispiel Alter und Rückfälligkeit von Gewalttätern
3.4.2 Einzelfallstatistik
und Prognosetafeln
Eine der wichtigsten Fragen für die idiografischen
Wissenschaften (Medizin, Psychologie, Psychotherapie, Kriminologie, Rechtsprechung)
lautet: Gelten Gruppenkennwerte auch für Mitglieder der Gruppe und
falls, in welcher Weise? Was heißt es für den Einzelfall EF,
wenn 17% einer Gewalttätergruppe 5 Jahre nach Entlassung rückfällig
werden? Ist die Wahrscheinlichkeit für den EF dann p=0.17 oder 17%?
So wird meist gedacht und auch angewendet. Ein Einzelfall EFa
mit z.B. 11 Punkten und einem zugeordneten Rückfallrisikowert von
8% gegenüber einem EFb mit 19 Punkten und einem zugeordneten
Rückfallrisikowert von 23% wird von Gerichten als deutlich weniger
rückfallgefährdet eingestuft und eher entlassen. Damit hat man
aber einen statistischen Gruppenkennwert auf den Einzelfall übertragen.
Darf man das? Und wenn: warum?
Beispiel Virtuelle Prognosetafel
Rückfallrisiko bei Gewaltstraftätern
Gegeben sei eine Reihe von m Merkmalen, die für einen Rückfall
bedeutsam sein können. Im Allgemeinen werden solche Merkmale als gleichwertig
(äquivalent) betrachtet, so kann man Risikowertsummen bilden. Gehen
wir z.B. von 10 Merkmalen aus, so ist der kleinstmögliche Risikosummenwert
0 und der höchstmögliche 10. Untersucht man für einen bestimmten
Zeitraum, z.B. 5 oder 10 Jahr, wie viele der Entlassenen, hier N=100, mit
so und so vielen Punkten wieder rückfällig wurden, könnten
sich z.B. folgende Ergebnisse ergeben.
Ergebnisse Rückfälle in 10 Jahren N=100 Summe:
Punkte-Raum | Punkte erreicht | Anzahl sum. | p (rückf.) | p (nicht rückf.) |
0 | 1 | 1 | 0.01 | 0.99 |
1 | 0 | 1 | 0.01 | 0.99 |
2 | 3 | 4 | 0.04 | 0.96 |
3 | 2 | 6 | 0.06 | 0.94 |
4 | 5 | 11 | 0.11 | 0.89 |
5 | 5 | 16 | 0.16 | 0.84 |
6 | 14 | 30 | 0.30 | 0.70 |
7 | 19 | 49 | 0.49 | 0.51 |
8 | 26 | 75 | 0.75 | 0.25 |
9 | 25 | 100 | 1.00 | 0 |
10 | nicht erreicht | nicht erreicht | 1.00 | 0 |
Eine solche Risiko-Checkliste wäre, wenn auch nicht perfekt, so doch ziemlich gut. In einer perfekten Checkliste müsste mit jedem Zusatz-Punkt ein höheres Rückfallrisiko einhergehen. Diese streng monotone Ordnung ist nach dem Punkte-Raum in der Spalte Punkte erreicht verletzt bei bei 0 und 1; 2 und 3; 8 und 9 Punkten. Das Rückfallrisiko steigt mit zunehmender Punktzahl. Der forensische Sachverständige stellt die Punktzahl fest und das Gericht entscheidet, ob ihr das Risiko für eine Entlassung gering genug ist oder nicht. Das sieht plausibel aus, ist aber bei genauerer Betrachtung nicht so einfach.
Das Problem der falsch positiven und der falsch negativen
Bei allen Diagnosen, Prognosen oder allgemein Entscheidungen gibt es
grundsätzlich immer zwei Fehlerarten:
Fehlerarten bei Prognosen | Sachverhalt wahr, z.B. Rückfall oder Waffenmissbrauch | Sachverhalt falsch z.B. kein Rückfall oder kein Waffenmissbrauch |
Prognose Sachverhalt wahr | richtig positive Prognose | falsch positive Prognose |
Prognose Sachverhalt falsch | falsch negative Prognose | richtig negative Prognose |
Die meisten Prognosegutachten im Strafrecht haben eine unerträglich hohe falsch-positive Fehlerrate. Sie liegen in fast allen Untersuchungen bei 84-86%, d.h. es wird ein Risiko bescheinigt, das sich nicht erfüllt. Noch drastischer fällt die Kritik von Thomas Müller aus: "Fragebögen und Checklisten sind weitgehend ungeeignet, das Rückfallrisiko forensischer Patienten zu ermitteln. Besser wäre es, kausale Risikofaktoren zu eruieren und anzugehen, berichten britische Psychiater."
Die abschließende Lösung des OVG
Münsters 1977
Das Problem der Einzelfallwahrscheinlichkeit wurde vom OVG Münster
1977 erschöpfend und abschließend formuliert (OVG Münster
1977 XIII A 1112/76). Kunkel (1977), S. 61, zitiert den entscheidenden
Satz
des OVG Münster:
"Statistische Rückfallzahlen sagen über den konkreten Einzelfall ganz allgemein nur wenig aus. Entscheidend ist nämlich nicht, ob von einer bestimmten Fahrergruppe statistisch etwa 70% rückfällig werden, sondern ob und mit welchem Grad an Sicherheit der zu beurteilende Einzelbewerber nach den möglichen Erkenntnissen dem Anteil der Rückfälligen oder dem Anteil der Nichtrückfälligen zuzuordnen ist." |
Das genau ist der Punkt. Wieso das Problem von den PrognostikerInnen
und StatistikerInnen 40 Jahre nach dieser grundlegenden und trefflichen
Feststellung immer noch nicht gelöst ist, obwohl der Satz des OVG
Münster die Lösung schon in sich trägt, ist völlig
unverständlich.
Die implizite
Prognosetafel des BVerwG
Überträgt man das "Bandidos" Urteil vom 28.1.2015 des BVerwG
in eine Prognosetafel, so stellt sich diese wie folgt dar:
Merkmal | Risiko Waffenmissbrauch |
Mitglied in einer OMCG
O und G als wahr unterstellt |
Hinreichend wahrscheinlich§
ohne numerische Spezifikation |
(alle anderen Merkmale nicht beachtlich) | (Kontrollgruppenwerte unbeachtlich) |
Der Prognosetafel des BVerwG genügt also ein einziges Merkmal für die Präventiv-Prognose hinreichende Wahrscheinlichkeit§ für einen Waffenmissbrauch.
Die wissenschaftliche
Struktur und Problematik von Merkmals-Checklisten
Prognosetafeln erfassen für wichtig befundene Merkmale, deren
Ausprägungen Zahlenwerte zugeordnet sind, die Wahrscheinlichkeiten.
Je höher der Zahlenwert, desto höher sollte der Prognosewert
für ein interessierendes Kriterium sein. Wird der Kandidat im Straßenverkehr
wieder auffallen? Wird der Entlassene wieder rückfällig? Erliegt
ein OMCG-Rocker unter Loyalitäts- und Konformitätsdruck leichter
der Gefahr, Waffen künftig missbräuchlich an seine "Brüder"
weiter zu geben?
Obwohl Merkmals-Checklisten und Prognosetafeln bei Prognosegutachten
eine große Rolle spielen, werden die Grundlagen, Probleme, Schwächen
und Fehler in vielen forensischen Lehrbüchern leider so gut wie nie
gründlich und kritisch dargestellt. Dazu gehören:
3.5 Empirische Analyse von Gruppen.
Erste Voraussetzung für eine Analyse einer Gruppe G ist die Definition
der Gruppe G, die analysiert werden soll. Als nächstes sind die Methoden
anzugeben, die in der Analyse Verwendung finden. Hierbei ist zu begründen,
weshalb die Methoden gelten und dem gewünschten Zweck dienlich sind.
Will man etwa wissen, wie eine Gruppe G sich verhält, so ist zunächst
zu klären und zu begründen, wie diese Gruppe sich verhalten kann.
Am Anfang stehen sozusagen immer Sprachregeln, Prädikationen, Definitionen.
Konstruktion des Verhaltens der Gruppe G
Nehmen wir an, die Gruppe G habe 7 Mitglieder: M1, M2, M3, M4, M5,
M6, M7.
Fall 1: die Mitglieder M1 bis M7 kommen zusammen und jeder verhält
sich reglos.
Fall 2: die Mitglieder M1 bis M7 kommen zusammen und unterhalten sich.
Bei 7 Mitgliedern gibt es 2^7 - 8 = 120 Parteien, die sich unterhalten
können, nämlich die Paare 12-17, 13, die Triaden 123, 124, ...,
die Quartette 1234, 1345, ... die Quintette 12345 ... 34567, die
Sechstette 123456 ... 234567, und alle zusammen 1234567.
4.1 Was "ist"
eine Gruppe? Genauer: wie können wir Gruppe definieren?
Grundsätzlich ist eine Gruppe methodisch eine Konstruktion,
sie ist kein handelndes Subjekt (hat keinen Personalausweis), existiert
nicht sinnlich-konkret, sondern durch einen geistigen Akt. Die Beantwortung
der Frage erfordert eine Definition.
Da Definitionen nicht wahr oder falsch wie Aussagen sind, ist das wesentliche
Kriterium für eine Definition ihre Zweckangemessenheit. Damit entscheidbar
ist, ob die Definition einer Gruppe brauchbar ist, muss also die
Zweckangemessenheit geprüft werden. Hier hält sich die Wissenschaftstheorie
leider sehr bedeckt.
Den Gruppenbegriff braucht man zur Unterscheidung
und Abgrenzung von zwischenmenschlichen Beziehungen und Ansammlungen (Menschenmengen
im wahrsten Sinne des Wortes). Man wird eine Warteschlange in einem Geschäft
nicht als Gruppe ansehen, da sie nichts miteinander vorhaben, sondern nur
warten, bis sie dran kommen. Ein wenig, aber nicht sehr viel anders ist
es mit den Besuchern von Veranstaltungen. Und Menschen können sich
auch zufällig begegnen, z.B. in einer Eisdiele, in einem Cafehaus,
Park, öffentlichen Platz oder Restaurant. Sie erscheinen dort nur
formal als eine "Gruppe". Auch die Gaffer bei einem Unfall oder Unglück
sind keine Gruppe. Damit haben wir schon eine Reihe von Gegenbeispielen
für Nicht-Gruppen angegeben.
Ich schlage vor: Zu einer Gruppe gehören (1)
Kontakte bzw. Kontaktmöglichkeiten und (2) Treffen der Mitglieder
an verabredeten oder spontanen Orten oder Treffpunkten, die (3) durch gemeinsame
Interessen, Ziele und Zwecke motiviert sind. (4) Gruppen können öffentlich-transparent,
teiltransparent oder gänzlich intransparent sein und im Verborgenen
agieren.
4.2 Unter welchen Bedingungen darf man einer Gruppe
Interessen, Ziele und Zwecke zuschreiben?
Das ist keine einfache Frage, weil eine Gruppe ja kein handelndes Subjekt,
sondern eine geistige Konstruktion
ist. Streng und formal psychopathologisch überspitzt könnte man
sogar sagen - wie es Max Stirner
in Der Einzige und sein Eigentum getan hat -, dass eine solche Zuschreibung
einem Wahnsystem ähnelt, weil hier "Wirklichkeiten" erfunden werden,
die es naturwissenschaftlich so nicht "gibt".
Es sind Konstrktionen des menschlichen Geistes, die mit dem Verschwinden
der Menschen aus dem Universum ebenfalls verschwinden werden. Beachtlich
ist auch, dass die Frage normativen Charakter ("darf") hat.
Ich schlage vor: Sofern man weiß, was man
hier methodisch tut, darf man einer Gruppe dann und nur dann, Interessen,
Ziele und Zwecke zuschreiben, wenn diese Interessen, Ziele
und Zwecke von jedem Mitglied, d.h. allen Mitgliedern,
der Gruppe vertreten werden, wie es z.B. in geschriebenen oder ungeschriebenen
Vereinssatzungen niedergelegt sein kann.
4.3 Was "ist"
ein Mitglied einer Gruppe? Wann "gehört" jemand zu einer Gruppe? Genauer:
wie können wir Mitglied definieren?
Vorschlag: Ein Mitglied geht Kontakte mit anderen Mitgliedern mit gemeinsamen
Interessen, Zielen und Zwecken an verabredeten oder spontanen Treffpunkten
ein.
4.4 Was folgt für ein Mitglied, wenn
es zu einer Gruppe gehört? Wie sind diese Folgerungen begründbar?
(1) Es fühlt sich dieser Gruppe zugehörig. (2) Es bekennt
sich, dieser Gruppe anzugehören. (3) Es teilt mit den anderen Mitgliedern
gemeinsame Interessen, Ziele und Zwecke. (4) Sofern es geschriebene oder
ungeschriebene Regeln für jedes Mitglied gibt, befolgt es diese Regeln
- oder sollte sie befolgen.
4.5 Was folgt für die Gruppe, wenn sie
die und die Mitglieder hat? Wie sind diese Folgerungen begründbar?
Sie besteht aus diesen Mitgliedern. Die Merkmale, Verhaltensweisen
und das Image der Mitglieder werden von anderen und der Öffentlichkeit
mit der Gruppe in Verbindung gebracht (assoziiert), weil die meisten Menschen
Gruppen nicht als bloße geistige Konstruktionen ansehen, sondern
quasi analog wie handelnde Subjekte auffassen, so dass Handlungen der Mitglieder
der Gruppe insgesamt zugeschrieben werden, was oft ein pars pro toto (einen
Teil für das Ganze nehmen) Fehler sein kann. Hier ist die Grenze zur
Idee der Sippenhaft sehr fließend.
4.6 Was sind die logischen Beziehungen zwischen
Mitglied und Gruppe und umgekehrt?
Mitglied und Gruppe gehören unterschiedlichen Kategorien an. Aus
den Eigenschaften der Mitglieder kann nicht auf die Eigenschaften der Gruppe
geschlossen werden. Wenn der Gruppe bestimmte Interessen, Ziele und Zwecke
aber zugeschrieben worden sind, dann gelten diese für jedes Mitglied,
weil die Zuschreibung ja gerade so definiert wurde (> 4.2).
Ob sich das empirisch belegen und bestätigen lässt, ist kein
logische Frage (> 4.7).
4.7 Was sind die empirischen Beziehungen
zwischen Mitglied und Gruppe und umgekehrt?
Sie müssen grundsätzlich empirisch erforscht werden. Behaupten,
meinen, vermuten, annehmen gilt hier nicht, obwohl es natürlich ununterbrochen
und vielfach in der Gesellschaft stattfindet. Wird etwa eine strenge Befehlshierarchie
für eine Gruppe behauptet, so muss diese gezeigt werden. Hierzu ist
es erforderlich, genau operational zu definieren, wie sich eine strenge
Befehlshierarchie in der Wirklichkeit äußert, um auf dieser
Basis den empirischen Nachweis zu führen, dass es tatsächlich
in diesem Fall auch so ist.
Schluss Die große Kulturaufgabe
geistig korrekter Beurteilung Mitglied und Gruppe ungelöst
Zwischen logisch korrekten, methodologisch begründeten und psychologisch,
menschlich faktischen Zuschreibungen bestehen oft große Widersprüche
und Unterschiede. Die große Kulturaufgabe, bei Mitglied und Gruppe
geistig korrekt zu urteilen ist - von den Medien oft unterstützt und
von der Wissenschaft sehr vernachlässigt - weitgehend ungelöst,
was sich fatal bis in die höchste Rechtsprechung auswirkt (BVerwG).
Dieser Arbeit liegt die Position des konstruktiven Konzeptualismus
zu Grunde. Die ganze Zusammenfassung Stegmüllers können
Sie hier
einsehen.
__
Mereologie > Mereologische
Logik Teil und Ganzes.
Die Wissenschaft vom Teil und Ganzen.
__
Mengenlehren
Mit der Mengenlehre kam viel Unsicherheit und Verwirrung in die Mathematik
und die Zeiten, wo man sich blind auf auf die Mathematik verlassen konnte,
sind leider vorbei. Ich habe aus der Sicht eines mathematischen Laien den
Grundlagenstreit, der bis heute nicht wirklich entschieden ist, hier
dargestellt. Heute gibt es anscheinend viele Mathematiken, viele Mengenlehren
und viele Logiken. Für AnwenderInnen keine gute Situation.
__
Ockham,
Platonismus und Begriffsrealismus
Hier ist nicht das berühmte Ökonomieprinzip, das Ockhamsche
Rasiermesser, gemeint, sondern Ockhams Konzeptualismusgegen
den naiven platonischen Begriffsrealismus in der Interpretation Wolfgang
Stegmüllers (Zusammenfassung). Der naive Platonist glaubt unkritisch
an die Realität der Begriffsinhalte. Dem Gedachten wird wirkliche
Existenz zugeordnet.
__
Ontisierung Das Universalienproblem
scheint in der Rechtswissenschaft namentlich nicht bekannt. Aber in der
Sache wird es von manchem erkannt, so von Rainer Wimmer in seinem Beitrag
"Weltansichten aus sprachlicher und rechtlicher Perspektive. Zur Ontisierung
von Konzepten des Rechts", in (81-95) Eichoff-Cyrus
& Antos (2008). Ich zitiere S. 82 und hebe fett-kursiv
die universalienrelevante Stelle hervor:
"Es geht in den rechtlichen Auseinandersetzungen
und Diskursen um eine Gegenstandskonstruktion und damit um eine Verdinglichung
von Vorstellungen, Begriffen und Konzepten, die aus rechtlicher Perspektive
entwickelt und begründet werden und die auf der Grundlage der Privilegierung
des rechtlichen Diskurses in unserer rechtsstaatlichen Gesellschaft in
die gemeinsprachlich konzipierte Vorstellungswelt der normalen Staatsbürger
hineingetragen wird. Der rechtliche Diskurs ist in unserer Gesellschaft
deshalb privilegiert, weil nach unserer Verfassung die Gerichte in relevanten
Situationen letztlich über die Bedeutungen von Ausdrücken zu
entscheiden haben. So hat das Verfassungsgericht verschiedentlich darüber
entschieden, was unter Gewalt zu verstehen ist. Ich spreche
anstelle von „Verdinglichung" auch von „Ontisierung". Es wird etwas als
in der Wirklichkeit seiend konzipiert und in diese hineingestellt, was
in der gemeinsprachlich bestimmten Wirklichkeitswelt der Normalbürger
nicht fraglos seinen Platz hat. Der Ausdruck Ontisierung
hat gegenüber dem Ausdruck Verdinglichung unter anderem den
Vorteil, dass deutlich werden kann, dass es nicht nur um (materielle) Gegenstände
geht, sondern auch um Sachverhalte. Sachverhalte haben auch mit der Relationierung
von Gegenständen zu tun. Ontisierung ist ein Teil dessen, was man
seit Berger/Luckmann (1969) die „gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit"
nennt." [IP-GIPT
Quelle]
__
Ontologie > Referenz.
Traditionell die Wissenschaft vom Seienden und seinem Sein. Meixner
(2004), beschreibt S. 9 in der Einleitung:
Organisierte Willensbildung im Verein beiWache
(2016)
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site: www.sgipt.org
z.B. Soziologie site: www.sgipt.org. |
kontrolliert: 30.10.; 05.02; 01.02.2017 irs