Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=03.02.2017 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 21.02.17
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr.20  D-91052 Erlangen
    Mail: sekretariat@sgipt.org_ Zitierung  & .Copyright

    Anfang_ Analyse Wahrscheinlichkeitsbegriff BVerwG_ Überblick_ Rel. Aktuelles_ Rel. Beständiges _  Titelblatt_ Konzeption_ Archiv_ Region_ Service_iec-verlag _ _Wichtige Hinweise zu Links und Empfehlungen

    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Forensische Psychologie, Kriminologie, Recht und Strafe, Bereich Forensische Psychologie, und hier speziell zum Thema:

    Analyse des Wahrscheinlichkeitsbegriffs des Bundesverwaltungsgerichts

    Originalarbeit von Rudolf Sponsel, Erlangen
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    Zusammenfassung der Studie: Ziele, Methodik, Ergebnisse, Folgerungen. 

    I. Auswertung der "Bandidos"-Entscheidung. 
    Auszüge empirisch forensisch-psychologisch wichtiger Passagen.
    Auswertung nach "möglich" und "wahrscheinlich".

    II. Auswertung von BVerwG-Entscheidungen 2002-2016.
    Auswertung der Fundstellen (alphabetisch sortiert) Zahlen in Klammern bezeichnen die Nummern der Entscheidungen 1-34) 
    Auswertung nach numerischen Spezifikationen oder merkmalsorientierten Kriterien. 
    Wichtige Regeln in den Entscheidungen. 
     



    Zusammenfassung der Studie: Ziele, Methodik, Ergebnisse.

    Hauptziel dieser Untersuchung (> Anlass) war, herauszufinden, was das BVerwG unter "möglich" und vor allem unter "hinreichender Wahrscheinlichkeit" versteht. Denn diese Begriffe spielen im "Bandidos"-Urteil, in dem das BVerwG eine "hinreichende Wahrscheinlichkeit" verlangt, eine wichtige Rolle. Das Wort "möglich" bzw. "Möglichkeit" wird im "Bandidos"-Urteil insgesamt 5 Mal verwendet: Rn 10, 14, 15, 16, 17. Die Worte "hinreichend wahrscheinlich" werden in Rn 17 ein Mal verwendet. Die Begriffe werden im "Bandidos"-Urteil zwar verwendet, aber nirgendwo erklärt. Ich entschloss mich deshalb, in der öffentlich zugänglichen Entscheidungs-Datenbank des BVerwG nach Erklärungen der Begriffe "möglich" und "hinreichende Wahrscheinlichkeit" zu suchen.
    Methodik Die Datenbank des BVerwG wurde in der 50. KW 2016 nach Entscheidungen durchsucht, die die
    Suchbegriffe "möglich" und "hinreichende Wahrscheinlichkeit" enthielten. Die ausgegebenen Texte wurden durchgesehen und auszugsweise (kontext-) belegend zitiert. Die jeweils interessanten Begriffe wurden fett-kursiv markiert. Ziel der Untersuchung war, ein Verständnis für die Begriffsverwendung durch das BVerwG zu erlangen. Insbesondere sollten die verschiedenen Wahrscheinlichkeitsbegriffe oder ihre Kennzeichnungen erfasst werden sowie numerische Spezifikationen und merkmalsorientierte Kriterien.
    Ergebnisse In den 34 Entscheidungen ab 2002 findet sich keine einzige numerische oder inhaltliche Spezifikation einer Wahrscheinlichkeit, so dass völlig offen bleibt, was das BVerwG mit seinen Wahrscheinlichkeitsbegriffen tatsächlich meint. Das gilt leider auch für die 17 Fundstellen für "hinreichende Wahrscheinlichkeit". Hier wird der unbestimmte Rechtsbegriff hinreichende Wahrscheinlichkeit§ mit völliger Unklarheit ausgestattet, so dass kein Sachverständiger wissen kann, woran er sich orientieren soll und kann. Damit wird wissenschaftlich betrachtet ein naiver Platonismus und Begriffsrealismus vertreten, wie er eigentlich nach  Ockham  (1288-1347) nicht mehr vertretbar, aber auch heute noch sehr verbreitet ist, vor allem im Recht und in der Rechtswissenschaft und neuerdings anscheinend auch bei der Polizei (BKA, LKA).

        In den Entscheidungen finden sich für die praktische forensische Arbeit wichtige Regeln (ausführlich unten, fett-kursive Hervorhebung RS):

    1. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. (Entscheidung 12)
    2. Der Senat hat schon zu § 12 Abs. 3 AufenthG/EWG entschieden, dass im Hinblick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden dürfen. (Entscheidung 12)
    3. Jeder sicherheitsrechtlichen Gefahrenprognose nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts liegt eine Korrelation aus Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem) Schadensausmaß zugrunde. (Entscheidung 14)
    4. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: Es müssen  - bei abstrakt-genereller Betrachtung – hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. (Entscheidung 16)
    5. Ob bei der Ausweisung eines Straftäters eine Wiederholungsgefahr in diesem Sinne besteht, kann nicht - gleichsam automatisch - bereits aus der Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung geschlossen, sondern nur aufgrund einer individuellen Würdigung der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden.  (Entscheidung 20)


    Folgerungen Da die BVerwG Entscheidungen keinerlei numerische Spezifizierung oder auch nur eine grobe numerische Bereichspräzisierung hergeben, habe ich mich entschlossen, eigene Überlegungen zur Interpretation numerischer Spezifikationen vorzunehmen, wobei ich bei meiner Auslegung versuchte, die Intention der BVerwG zu erfassen. Zum allgemeinen Verständnis für numerische Spezifikationen von Wahrscheinlichkeiten, habe ich zunächst die Graphik aus Köller et al. (2004) aus einer Schriftenreihe des BKA entnommen:

    BKA-Internetquelle
    S. 48 eingeben.

    _
    Die wichtige, einleuchtende und nachvollziehbare Regel des BVerwG, hinreichende Wahrscheinlichkeiten mit dem
    möglichen Schaden zu koppeln, habe ich wie folgt ausgearbeitet:

    Lesebeispiel für Ablehnung eines Risikos: Bei durchschnittlichem Schaden wird das Risiko abgelehnt, wenn die
    hinreichende Wahrscheinlichkeit nicht mindestens p=0.5 oder 50% beträgt. Lesebeispiel für Hinnahme eines Risikos: Bei einem sehr großen Schaden wird das Risiko hingenommen, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit 0.05 oder 5% nicht überschreitet. Das kann man auch anders machen, möglicherweise mit unterschiedlichen Tafeln für unterschiedliche Sachverhalte. Mir ist an dieser Stelle nur wichtig, deutlich zu machen, wie numerische Spezifikationen gestaltet werden können - und in empirisch begründeten forensisch-psychologischen Gutachten auch gestaltet werden müssen, weil unklare Begriffe mit guter wissenschaftlicher Praxis nicht vereinbar sind.

    I. Auswertung der "Bandidos"-Entscheidung
    BVerwG 6 C 3.14 VGH 21 B 12.964 vom 28. Januar 2015

    Ich gebe im Folgenden die forensisch-psychologisch wichtigen Passagen - im Wesentlichen empirische Sachverhalte - wieder, markiert durch fett-kursive Markierung

    Auszüge empirisch forensisch-psychologisch wichtiger Passagen

    Rn 2: "Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Die Stellung des Klägers als Präsident des "Bandidos MC Passau" rechtfertige die Annahme, dass er im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG unzuverlässig sei. Dies folge aus der Eigenart der "Bandidos" als einer Gruppierung, die regelmäßig in gewalttätige Auseinandersetzungen mit anderen Rockergruppierungen verwickelt sei und eine Nähe zur Organisierten Kriminalität aufweise. Unerheblich sei, dass der Kläger persönlich nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten oder sonst auffällig geworden sei."

    Rn 6: "1. Die Rücknahme des kleinen Waffenscheins des Klägers ist durch § 45 Abs. 1 WaffG gedeckt. Nach dieser
    Vorschrift ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zurückzunehmen, wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt werden müssen. Letzteres ist aufgrund der Mitgliedschaft des Klägers im "Bandidos MC Passau" der Fall. Die Mitgliedschaft rechtfertigt die Annahme, dass er Waffen und Munition missbräuchlich verwenden (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG) und nicht berechtigten Personen überlassen wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG)."

    Rn 10: "b. Der Einwand des Klägers, er sei in strafrechtlicher wie in waffenrechtlicher Hinsicht unbescholten und folglich zuverlässig, hindert die Anwendung von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht. Die Vorschrift verlangt eine Prognose. Entscheidend ist, ob Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass zukünftig eine der in der Vorschrift aufgeführten Verhaltensweisen verwirklicht wird. Rechtskonformes Verhalten einer Person in der Vergangenheit ist wie jeder andere Umstand, der beurteilungsrelevant sein kann, in diese Prognose miteinzubeziehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2008 - 6 B 4.08 - juris Rn. 5). Es ist aber möglich, dass sonstige Umstände zu dem Schluss führen, die Person werde eine Verhaltensweise im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verwirklichen."

    Rn 11: "c. Die von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verlangte Prognose ist auf diejenige Person zu beziehen, deren Zuverlässigkeit in Frage steht. Die Unzuverlässigkeit anderer, selbst nahestehender Personen rechtfertigt als solche nicht den Schluss auf ihre Unzuverlässigkeit. Individuelle Verhaltenspotentiale werden allerdings durch das soziale Umfeld mitbestimmt. Daher bestehen keine Bedenken dagegen, die Gruppenzugehörigkeit einer Person  ein personenbezogenes Merkmal - als Tatsache heranzuziehen, welche die Annahme der Unzuverlässigkeit stützt. Gefordert ist jedoch, dass zwischen der Annahme der Unzuverlässigkeit und der Gruppenzugehörigkeit eine kausale Verbindung besteht. Gerade die  [>S. 5] Gruppenzugehörigkeit der Person muss die Prognose tragen, dass diese künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verwirklichen wird. Nicht ausreichend ist, dass solche Verhaltensweisen innerhalb der Gruppe regelmäßig vorgekommen sind oder noch immer vorkommen. Vielmehr müssen bestimmte Strukturmerkmale der Gruppe die Annahme rechtfertigen, dass gerade auch die Person, die in Rede steht, sie künftig verwirklichen wird."

    Rn 12: "d. Die Mitgliedschaft in einer örtlichen Organisationseinheit der Rockergruppierung "Bandidos" rechtfertigt auch dann die Annahme der Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG, wenn keine sonstigen Tatsachen für die Unzuverlässigkeit der betreffenden Person sprechen oder sogar - wie im vorliegenden Fall die bisherige Unbescholtenheit des Klägers - andere Tatsachen dagegen sprechen."

    Rn 13: "Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, die insoweit nicht in einer § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise mit Verfahrensrügen angegriffen sind und den Senat daher binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), sind von Mitgliedern der "Bandidos" gehäuft Straftaten unter zum Teil erheblicher Gewaltanwendung begangen worden. Aus den vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ergibt sich weiter, dass die "Bandidos" ebenso wie eine Reihe anderer Gruppierungen Machtzuwachs innerhalb der Rockerszene anstreben und entsprechende Ansprüche regelmäßig mit Gewalt durchzusetzen versuchen. Insbesondere zwischen den "Hells Angels MC" und den "Bandidos" ist es danach zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bis hin zu Schießereien gekommen. Generell werden nach dem angefochtenen Urteil Streitigkeiten aller Art innerhalb der Rockerszene, der die "Bandidos" zugehören, regelmäßig mit Gewalt ausgetragen. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass innerhalb von Rockergruppierungen wie den "Bandidos" ein strenger Ehrenkodex sowie ein einheitliches, formalisiertes Aufnahmeritual gilt, ein starkes Maß innerer Verbundenheit vorherrscht und die verschiedenen örtlichen Organisationseinheiten miteinander vernetzt sind."

    Rn 14: " Die Praxis der gewaltsamen Austragung der - ihrerseits szenetypischen - Rivalitäten und Konflikte mit anderen Rockergruppierungen muss danach als we- [S. 6] sensprägendes Strukturmerkmal der "Bandidos" angesehen werden, das sich bei jeder ihrer örtlichen Organisationseinheiten und bei jedem ihrer Mitglieder zu jedem Zeitpunkt aktualisieren kann. Aufgrund der bundesweiten Vernetzung der örtlichen Organisationseinheiten und des hohen Loyalitätsdrucks, der aus dem starken Verbundenheitsempfinden der "Bandidos" untereinander folgt, erscheint es darüber hinaus möglich, dass ein "Bandidos"-Mitglied einheitsübergreifende Unterstützung bei Auseinandersetzungen leistet."

    Rn 15: " Daher besteht auch für den Kläger die Möglichkeit, dass er - selbst wenn er dies persönlich nicht anstreben
    sollte oder sogar für sich vermeiden wollte - künftig in gewaltsame Auseinandersetzungen hineingezogen wird. Tritt dieser Fall ein, liegt es wiederum nicht fern, dass er hierbei - ob beabsichtigt oder unter dem Druck der Situation - Waffen missbräuchlich verwenden oder Nichtberechtigten überlassen wird."

    Rn 16: "Dass der Kläger bislang strafrechtlich und waffenrechtlich nicht negativ in Erscheinung getreten ist, rechtfertigt keine abweichende Einschätzung. Die Möglichkeit des Hineinziehens in gewaltsame szeneinterne Auseinandersetzungen ist aus den genannten Gründen auch bei solchen Mitgliedern der "Bandidos" gegeben, die sich bislang rechtskonform verhalten haben. Die Vorstellung, einzelne Mitglieder könnten sich gegen die wesensimmanente Tendenz der Gruppierung zur Gewalttätigkeit stemmen oder ihr zumindest persönlich ausweichen, muss im Lichte des hohen Geschlossenheitsgrades der "Bandidos" und des hieraus resultierenden Konformitätsdrucks als fernliegend eingeschätzt werden. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, einzelne örtliche Organisationseinheiten könnten für sich eine Sonderexistenz jenseits der gruppentypischen Praxis führen. Den Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs kann entnommen werden, dass die örtlichen Einheiten keine unumschränkte Aktionsfreiheit genießen. So wurde etwa das sog. Friedensabkommen mit den "Hells Angels MC" im Jahre 2010 durch eine Führungsgruppe mit Wirkung für alle Untergruppierungen abgeschlossen."

    Rn 17: "e. Zu keinem anderen Ergebnis führt, dass das Hineinziehen des Klägers in gewaltsame szeneinterne
    Auseinandersetzungen danach zwar möglich, ande[S. 7] rerseits aber auch nicht gesichert erscheint. An die von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG geforderte Prognose dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Die Prognose hat sich an dem Zweck des Gesetzes zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (BVerwG, stRspr; vgl. etwa Urteil vom 30. September 2009  6 C 29.08 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 17 m.w.N.). Ausgehend hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof im angefochtenen Urteil zu Recht angenommen, es sei kein Nachweis erforderlich, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG normierten Unzuverlässigkeitstatbestand verwirklichen wird. Ausreichend ist vielmehr, wie der Senat bereits ausgesprochen hat, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit  hierfür besteht (Beschluss vom 31. Januar 2008 - 6 B 4.08 - juris Rn. 5). Die Prognose der Unzuverlässigkeit ist bei Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen wird. Hiervon ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grundlage seiner Tatsachenfeststellungen zu Recht nicht ausgegangen."

    Auswertung nach "möglich" und "wahrscheinlich"
    Das Wort "möglich" bzw. "Möglichkeit" wird insgesamt 5 Mal verwendet: Rn 10, 14, 15, 16, 17. Die Worte "hinreichend wahrscheinlich" werden in Rn 17 ein Mal verwendet:
    "Ausgehend hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof im angefochtenen Urteil zu Recht angenommen, es sei kein Nachweis erforderlich, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG normierten Unzuverlässigkeitstatbestand verwirklichen wird. Ausreichend ist vielmehr, wie der Senat bereits ausgesprochen hat, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hierfür besteht (Beschluss vom 31. Januar 2008 - 6 B 4.08 - juris Rn. 5)."

    II. Auswertung von BVerwG-Entscheidungen 2002-2016
    Formulierung und Belege der Fundstellen "möglich" und "hinreichende Wahrscheinlichkeit". Es werden Entscheidungen angezeigt, die "möglich", "hinreichende Wahrscheinlichkeit", "Wahrscheinlichkeit" oder eine Kombination  der drei Worte enthalten.
        In [eckigen Klammern] die Entscheidungsfundstelle, in (runden Klammern) Bezugnahmen der Entscheidung auf andere Entscheidungen. Relevante Begriff von mir fett-kursiv gesetzt.

    1. Wahrscheinlichkeitsforderungen überspannen [BVerwG 8 B 75.14 - Beschluss vom 29.07.2015]

    2. einiger Wahrscheinlichkeit erneut stellen [BVerwG 5 PB 16.14 - Beschluss vom 30.06.2015]

    3. Über die bloße Möglichkeit hinaus ist also - mit anderen Worten ausgedrückt - erforderlich, "dass mit einiger - mehr als nur geringfügiger - Wahrscheinlichkeit  …" [BVerwG 5 PB 16.14 - Beschluss vom 30.06.2015]

    4. Ausreichend ist vielmehr, wie der Senat bereits ausgesprochen hat, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hierfür besteht [BVerwG 6 C 1.14 - Urteil vom 28.01.2015].

    5. Ausgehend hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof im angefochtenen Urteil zu Recht angenommen, es sei kein
    Nachweis erforderlich, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG normierten Unzuverlässigkeitstatbestand verwirklichen wird. Ausreichend ist vielmehr, wie der Senat bereits
    ausgesprochen hat, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hierfür besteht (Beschluss vom 31. Januar 2008 - 6 B 4.08 - juris Rn. 5). [BVerwG 6 C 2.14 - Urteil vom 28.01.2015]

    6. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 6 IFG setzt voraus, dass die mögliche Beeinträchtigung der fiskalischen Interessen des Bundes von gewissem Gewicht ist; es gilt der allgemeine ordnungsrechtliche Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. (...) [BVerwG 7 C 12.13 - Urteil vom 27.11.2014]

    7. (...) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet nicht, nur dann die Fahreignung eines Mischkonsumenten zu verneinen, wenn mit Sicherheit zu erwarten ist, dass der Betroffene früher oder später unter Einwirkung von Rauschmitteln ein Fahrzeug führen, also die Trennungsbereitschaft aufgeben wird. Schon der Umstand, dass ein solcher Mischkonsum die Aufgabe der Trennungsbereitschaft möglich erscheinen lässt, mag die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines solchen Kontrollverlustes auch nicht - wie das vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene Gutachten ausführt (S. 26) - bezifferbar sein, rechtfertigt vor dem Hintergrund der staatlichen Pflicht, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, grundsätzlich die Annahme mangelnder Fahreignung (zu den Ausnahmen siehe Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung). Die Interessen des Rauschmittelkonsumenten dürfen insoweit hintangestellt werden, wie es in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung geschehen ist. Notwendig ist allerdings unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung der Rauschmittel und daraus folgender Schäden. (...) [BVerwG 3 C 32.12 - Urteil vom 14.11.2013]

    8. Zum einen sei eine vorläufige positive Gesamtbeurteilung, die eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der
    Genehmigungsfähigkeit der Gesamtanlage voraussetze, nicht möglich, weil der für die Errichtung des Kraftwerks
    erforderliche Bebauungsplan fehle. [BVerwG 7 B 42.12 - Beschluss vom 26.06.2013]

    9. Für die Beantwortung der Frage, ob die fehlende Begrenzung zentrenrelevanter Randsortimente die Verfolgung der
    genannten Ziele konterkariert, wird deswegen zu bedenken sein, mit welcher Wahrscheinlichkeit und in welchem
    Umfang sich entsprechende Betriebe im Plangebiet ansiedeln werden. [BVerwG 4 CN 6.11 - Urteil vom 27.03.2013]

    10. ... für einen Tankbetrug durch den Antragsteller eine solche Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung bestand, die es
    ausschloss, eine Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO aus Mangel an Beweisen vorzunehmen. [BVerwG 1 WB
    17.05 - Beschluss vom 24.01.2006]

    11. Hinsichtlich des Beweisantrags Nr. 2 (Vernehmung des Zeugen F.) übersieht die Beschwerde, dass der
    Verwaltungsgerichtshof diesen nicht allein mit der Begründung abgelehnt hat, für die unter Beweis gestellten
    Behauptungen spreche nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit. [BVerwG 9 B 23.11 - Beschluss vom
    08.06.2011]

    12. (...) Für die danach im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr gilt entgegen der
    Auffassung des Berufungsgerichts ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der
    Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Die Kritik des Berufungsgerichts an diesem differenzierenden
    Wahrscheinlichkeitsmaßstab verkennt, dass jede sicherheitsrechtliche Gefahrenprognose nach den allgemeinen
    Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts eine Korrelation aus Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem) Schadensausmaß ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Auch die den nationalen Gerichten obliegende und auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, kann im Hinblick auf die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts den Rang des bedrohten Rechtsguts nicht außer Acht lassen, denn dieser bestimmt die mögliche Schadenshöhe. Das bedeutet aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet. Der Senat hat schon zu § 12 Abs. 3 AufenthG/EWG entschieden, dass im Hinblick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). (...) [BVerwG 1 C 13.11 - Urteil vom 04.10.2012]

    13. Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts genügt. Das Beispiel zeigt, dass es sachgerecht ist, einen am Gefährdungsgrad der jeweiligen Erkrankung orientierten, „flexiblen“ Maßstab für die
    hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. (...)   .... Das Oberverwaltungsgericht hat daraus vertretbar geschlossen, dass ein Ansteckungsverdacht bei dem Kläger lediglich zu vermuten, jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen war.  ... Etwas anderes würde erst dann gelten, wenn aufgrund der Anzahl der betroffenen Schüler und der seit dem Indexfall verstrichenen (Inkubations-)Zeit nicht mehr lediglich über einen unmittelbaren Kontakt zu dem erkrankten Schüler, sondern auch bereits über Kontaktpersonen 2. Grades oder weitere Personen eine Ausbreitung und Ansteckung möglich erscheint. [BVerwG 3 C 16.11 - Urteil vom 22.03.2012]

    14. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gelte in Anwendung dieser unionsrechtlichen
    Grundsätze für die Wiederholungsgefahr kein differenzierter, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens
    abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit. Von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung sei
    auszugehen, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei
    einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spreche, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten werde.
    ...   (...) 1. Das Berufungsgericht hat seiner Prognoseentscheidung einen falschen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt. Es ist davon ausgegangen, dass unabhängig vom Gewicht der bedrohten Rechtsgüter von einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung nur ausgegangen werden könne, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spreche, dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten werde. Für die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein differenzierender, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (stRspr, vgl. zuletzt Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 16). Der vom Berufungsgericht angewandte starre Maßstab genügt diesen Anforderungen mit Blick auf das Gewicht der durch die letzte Tat bedrohten Rechtsgüter nicht. (...)  ....   (...) Die Kritik des Berufungsgerichts an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verkennt, dass jeder sicherheitsrechtlichen Gefahrenprognose nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts eine Korrelation aus Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem) Schadensausmaß zugrunde liegt. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Auch die den nationalen Gerichten obliegende und auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Beurteilung, ob das persönliche Verhalten eines türkischen Staatsangehörigen, der sich auf den besonderen Ausweisungsschutz des Art. 14 ARB 1/80 berufen kann, gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, kann im Hinblick auf die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts den Rang des bedrohten Rechtsguts nicht außer Acht lassen, denn dieser bestimmt die mögliche Schadenshöhe. Das bedeutet aber nicht, dass bei hochrangigen Rechtsgütern - wie vom Berufungsgericht unterstellt - bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet. Der Senat hat schon zu § 12 Abs. 3 AufenthG/EWG entschieden, dass im Hinblick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). Der differenzierende Wahrscheinlichkeitsmaßstab führt daher selbst bei Unionsbürgern nicht zu einem unionsrechtswidrigen „Gefahrenexport zu Lasten anderer Mitgliedstaaten“, wie das Berufungsgericht meint. (...)    [BVerwG 1 C 10.12 - Urteil vom 15.01.2013]

    15. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe.  [BVerwG 10 C 15.12 - Urteil vom 31.01.2013]

    16. Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. Urteil vom 26. Februar 1974  BVerwG 1 C 31.72 - BVerwGE 45, 51, 57).  Das trifft nicht nur für die "konkrete" Gefahr zu, die zu Abwehrmaßnahmen im Einzelfall berechtigt, sondern auch für die den sicherheitsrechtlichen Verordnungen zugrunde liegende "abstrakte" Gefahr. Die abstrakte Gefahr unterscheidet sich von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose oder, wie der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 26. Juni 1970 - BVerwG 4 C 99.67  (DÖV 1970, 713, 715) gesagt hat, durch die Betrachtungsweise: Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann; eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen; das hat zur Folge, dass auf den Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im Einzelfall verzichtet werden kann (vgl. auch Beschluss vom 24. Oktober 1997 - BVerwG 3 BN 1.97 - Buchholz 418.9 TierSchG Nr. 10). Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: Es müssen - bei abstrakt-genereller Betrachtung - hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Dabei liegt es im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern - allenfalls - eine mögliche  Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor. Zwar kann auch in derartigen Situationen ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Doch beruht ein solches Einschreiten nicht auf der Feststellung einer Gefahr; vielmehr werden dann Risiken bekämpft, die jenseits des Bereichs feststellbarer Gefahren verbleiben. Das setzt eine Risikobewertung voraus, die - im Gegensatz zur Feststellung einer Gefahr - über einen Rechtsanwendungsvorgang weit hinausgeht und mehr oder weniger zwangsläufig neben der Beurteilung der Intensität der bestehenden Verdachtsmomente eine Abschätzung der Hinnehmbarkeit der Risiken sowie der Akzeptanz oder Nichtakzeptanz der in Betracht kommenden Freiheitseinschränkungen in der Öffentlichkeit einschließt, mithin - in diesem Sinne - "politisch" geprägt oder mitgeprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats - 3. Kammer  vom 28. Februar 2002 - 1 BvR 1676/01 - DVBl 2002, 614). Eine derart weit reichende Bewertungs und Entscheidungskompetenz steht den Polizei- und Ordnungsbehörden aufgrund der Verordnungsermächtigungen nach Art des § 175 LVwG nicht zu. Denn es wäre mit den dargelegten Grundsätzen der Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen der Exekutive und des Vorbehalts des Gesetzes nicht vereinbar, wenn die Exekutive ohne strikte Bindung an den überlieferten Gefahrenbegriff kraft eigener Bewertung über die Notwendigkeit oder Vertretbarkeit eines Verordnungserlasses entscheiden könnte. Die rechtsstaatliche und demokratische Garantiefunktion der sicherheitsrechtlichen Verordnungsermächtigungen wäre in Frage gestellt, könnte die Exekutive nach diesen Vorschriften bereits einen mehr oder minder begründeten Verdacht zum Anlass für generelle Freiheitseinschränkungen nehmen. Vielmehr ist es Sache des zuständigen Gesetzgebers, sachgebietsbezogen darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau (vgl. hierzu Urteil vom 19. Dezember 1985, a.a.O., S. 316) und auf welche Weise Schadensmöglichkeiten vorsorgend entgegengewirkt werden soll, die nicht durch ausreichende Kenntnisse belegt, aber auch nicht auszuschließen sind (vgl. Pieroth/Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 2002, S. 65 m.w.N.). Allein der Gesetzgeber ist befugt, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen die Rechtsgrundlagen für Grundrechtseingriffe zu schaffen, mit denen Risiken vermindert werden sollen, für die - sei es aufgrund neuer Verdachtsmomente, sei es aufgrund eines gesellschaftlichen Wandels oder einer veränderten Wahrnehmung in der Bevölkerung - Regelungen gefordert werden. Das geschieht üblicherweise durch eine Absenkung der Gefahrenschwelle in dem ermächtigenden Gesetz von der "Gefahrenabwehr" zur "Vorsorge" gegen drohende Schäden (vgl. etwa § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, § 6 Abs. 2 GenTG, § 7 BBodSchG). Demgegenüber ist in § 175 LVwG ausschließlich von der "Abwehr von Gefahren", nicht hingegen von "Vorsorge" oder "Vorbeugung" die Rede. Auch darin zeigt sich positivrechtlich, dass dem Gefahrenbegriff nicht aus sich heraus eine Erstreckung auf die Aufgabe der Risiko- oder Gefahrenvorsorge innewohnt. (...) [BVerwG 6 CN 1.02 - Urteil vom 18.12.2002]

    17. ... Die positive Persönlichkeitsprognose für den Soldaten, die insbesondere auf seiner Mitarbeit an der Aufklärung, seiner Einsicht in seine Verfehlungen und seinen guten dienstlichen Leistungen beruht sowie eine Wiederholungsgefahr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als ausgeschlossen erscheinen lässt, reicht - ebenso wie der seit den Verfehlungen mittlerweile verstrichene Zeitraum von etwa drei Jahren - nicht aus, um die Disziplinarmaßnahme auf das vom Truppendienstgericht verhängte Beförderungsverbot und eine Kürzung der Dienstbezüge zu beschränken.  ... [BVerwG 2 WD 51.02 - Urteil vom 01.07.2003]

    18. (...) Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr greift ein, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht. Sie dient der Abwehr erkannter Gefahren und der Vorbeugung gegenüber künftigen Schäden, die durch solche Gefahren hervorgerufen werden können. ... [BVerwG 7 C 19.02 - Urteil vom 11.12.2003]

    19. ... die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass ihre heutige ... [BVerwG 2 WDB 2.03 - Beschluss vom 18.11.2003]

    20. (...) Das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung besagt nicht, dass eine "gegenwärtige Gefahr" im Sinne des deutschen Polizeirechts vorliegen müsste, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Es verlangt vielmehr eine hinreichende - unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit nach dem Ausmaß des möglichen Schadens und dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts differenzierende - Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer künftig die öffentliche Ordnung im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG beeinträchtigen wird (vgl. auch Urteil vom 27. Oktober 1978 - BVerwG 1 C 91.76 - a.a.O., S. 65). Ob bei der Ausweisung eines Straftäters eine Wiederholungsgefahr in diesem Sinne besteht, kann nicht - gleichsam automatisch - bereits aus der Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung geschlossen, sondern nur aufgrund einer individuellen Würdigung der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei sind insbesondere die einschlägigen strafrichterlichen Entscheidungen heranzuziehen, soweit sie für die Prüfung der Wiederholungsgefahr bedeutsam sind (vgl. auch Urteile vom 27. Oktober 1978 - BVerwG 1 C 91.76 - a.a.O., S. 65 und vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 13.99 - a.a.O. sowie BVerfGE 51, 386 <399>). Zu prüfen ist u.a., ob eine etwaige Verbüßung der Strafe erwarten lässt, dass der Unionsbürger künftig keine die öffentliche Ordnung gefährdende Straftaten mehr begehen wird, und was ggf. aus einer Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB) folgt (vgl. auch zur Aussetzung des Strafrests nach § 57 StGB Beschluss vom 16. November 1992 - BVerwG 1 B 197.92 - Buchholz 402.26 § 12 AufenthG/EWG Nr. 8 und Urteil vom 16. November 2000 - BVerwG 9 C 6.00 - BVerwGE 112, 185 <192 f.>). Fehlt es danach bereits an einer gegenwärtigen und schwer wiegenden Gefahr für wichtige Rechtsgüter, so darf eine Ausweisung nicht verfügt und aufrechterhalten werden. (...) [BVerwG 1 C 30.02 - Urteil vom 03.08.2004]

    21. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht des Wehrpflichtigen auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) durch den wehrdienstbedingten Verlust einer Ausbildungsmöglichkeit liegt ferner dann vor, wenn ein bereits zugesagter (gesicherter) Ausbildungsplatz verloren geht und wenn der Betroffene nach Ableistung des Wehrdienstes die Ausbildung für den gleichen Beruf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit weder an derselben Stelle noch anderweitig nachholen kann oder dies nur mit einem zusätzlichen unverhältnismäßigen Zeitverlust möglich ist (vgl. Urteil vom 24. Oktober 1997 - BVerwG 8 C 21.97 - BVerwGE 105, 276, 279 f.). (...) [BVerwG 6 C 1.04 - Urteil vom 22.09.2004]

    22. ... Der Begriff der "Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" habe in der Rechtsprechung und Literatur eine hinreichende Präzisierung erfahren. Eine abstrakte Gefahr liege demnach bei einer Sachlage vor, die nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Eintreten einer konkreten Gefahrenlage möglich erscheinen lasse. Dabei hänge der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Stehe der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen in Rede, könne auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen. Diese Auslegung von § 26 POG deckt sich mit derjenigen des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 4. Juli 2001 - B 12/00, B 18/00, B 8/01 - (NVwZ 2001, 1273). (...) [BVerwG 6 C 21.03 - Urteil vom 28.06.2004]

    23. ... Auf der Grundlage der dem Senat bislang vorliegenden Akten und eingereichten schriftsätzlichen Stellungnahmen lässt sich die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit einer - schuldhaften - Verletzung der Dienstpflichten nicht feststellen. ... [BVerwG 2 WDB 1.05 - Beschluss vom 11.01.2005]

    24. (...) Darüber hinaus bestehe vorliegend keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Übernahme des Klägers in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. ...  Die Bewertung durch das Verwaltungsgericht, es handele sich um eine „konkrete Aussicht“ auf ein Anstellungsverhältnis, sei fehlerhaft, denn wenn ohnehin nur ein Teil der ehemaligen Auszubildenden einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalte, handele es sich allenfalls um eine Chance. [BVerwG 6 C 22.05 - Urteil vom 13.11.2006]

    25. ... wenn für die zugrunde liegenden Tatsachenbehauptungen nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht [BVerwG 1 B 91.05 - Beschluss vom 28.03.2006]

    26. .. Hinsichtlich des Begriffs der abstrakten Gefahr stelle das Bundesverwaltungsgericht in der vorgenannten Entscheidung fest, dass eine solche gegeben sei, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führe, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflege und daher Anlass bestehe, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen.  ... „Die abstrakte Gefahr ist nach § 2 Nr. 2 NGefAG eine nach allgemeiner Lebenserfahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stellen mögliche Sachlage, die im Fall ihres Eintritts eine Gefahr i.S. des § 2 Nr. 1 NGefAG darstellt, das heißt eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird. ... [BVerwG 6 BN 2.07 - Beschluss vom 24.01.2008]

    27. ... Im Übrigen habe die Antragsgegnerin nunmehr eine Konzentrationsfläche ausgewiesen, deren Eignung mit hoher Wahrscheinlichkeit als äußerst gering einzuschätzen sei und die der Windenergienutzung deshalb nur unzureichend Raum gebe. ...  [BVerwG 4 CN 2.07 - Urteil vom 24.01.2008]

    28. (...) Ein als unzulässig ablehnbarer Ausforschungs- oder Beweisermittlungsantrag liegt nur in Bezug auf
    Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine   gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich „aus der Luft gegriffen“, „ins Blaue hinein“, also „erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage“ erhoben worden sind (vgl. etwa Beschluss vom 29. April 2002 - BVerwG 1 B 59.02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 60; ebenso BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. August 1996 - 2 BvR 1968/94 - juris). Die Kläger haben hinreichend substanziiert dargelegt, welche Indizien aus ihrer Sicht für eine Eintragung der Großmutter väterlicherseits der Klägerin zu 1 in die Deutsche Volksliste der Ukraine sprechen bzw. diese zumindest als möglich erscheinen lassen (so etwa Evakuierung und Durchschleusung der Großmutter im Wege des EWZ-Verfahrens, „Schaffung ins Altreich“, unterbliebene Abschiebung der Großmutter, Vergabe von Lebensmittelkarten etc.). Das Berufungsgerichts bewertet diese Indizien als „weder für sich genommen noch in der Gesamtschau geeignet, dem Senat über eine nicht quantifizierbare Wahrscheinlichkeit hinaus die Gewissheit oder zumindest eine nach der Lebenserfahrung der Gewissheit gleichkommende oder vernünftige Zweifel Einhalt gebietende Wahrscheinlichkeit für eine Eintragung der Großmutter in die Deutsche Volksliste der Ukraine zu vermitteln“ (vgl. BA S. 12). Diese Würdigung der Umstände, vor allem auch in Anbetracht der vom Berufungsgericht angenommenen „nicht quantifizierbaren Wahrscheinlichkeit“ für eine Eintragung in die Deutsche Volksliste der Ukraine, lässt die Beweisbehauptung der Kläger jedoch nicht als „völlig aus der Luft gegriffen“ erscheinen, vielmehr haben die Kläger damit hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dargelegt, die ihre Tatsachenbehauptung als möglich erscheinen lassen. Auch setzt ein Antrag auf Sachverständigenbeweis - anders als ein solcher auf Zeugenbeweis - nicht voraus, dass einzelne konkrete Tatsachen in das Wissen der auskunftgebenden Stelle gestellt werden, da der Sachverständige sein Gutachten über das Beweisthema ggf. aufgrund von Tatsachenermittlungen zu erstatten hat. Zur Substanziierung eines Sachverständigenbeweisantrags kann es daher genügen, wenn wie hier das Beweisthema im Beweisantrag hinreichend konkret umschrieben ist (vgl. etwa Beschluss vom 24. Mai 2006 - BVerwG 1 B 128.05 - Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 17). Auf die Tauglichkeit der bezeichneten Beweismittel, die jedenfalls hinsichtlich des Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zweifelhaft sein mag, hat das Berufungsgericht nicht abgestellt. (...) [BVerwG 5 B 198.07 - Beschluss vom 30.06.2008]

    29. (...) Die Beurteilung, ob eine hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, erfordert darüber hinaus eine tatrichterliche Prognose, die sich auf das persönliche Verhalten des Betroffenen stützt. Für die Feststellung der Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. Urteil vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 30.02 - a.a.O. S. 305 f.). Diesem Erfordernis genügt die von den Vorinstanzen gestellte Prognose einer konkreten Wiederholungsgefahr beim Kläger. Diese haben die bereits vorangegangene Verurteilung wegen Betrugs, die Tatumstände, die erneute Straffälligkeit während der noch laufenden Bewährungszeit, die in der Zahl der Geschädigten und dem Schadensausmaß zum Ausdruck kommende kriminelle Energie des Klägers sowie dessen durch fehlende Einsicht gekennzeichnete Persönlichkeit umfassend gewürdigt. Auf der Grundlage dieser den Senat bindenden tatrichterlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist nicht zu erkennen, dass das Berufungsgericht seiner Prognose zulasten des Klägers einen unzutreffenden, zu niedrigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt hat. (...) [BVerwG 1 C 2.09 - Urteil vom 02.09.2009]

    30. (...) Die Beschwerde rügt als Verstoß gegen die gerichtliche Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO), dass das
    Oberverwaltungsgericht seine Rechtsauffassung zu den Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit künftiger Erkrankungen der Klägerin oder des vorzeitigen Eintritts ihrer Dienstunfähigkeit im Prognosezeitraum dem Vertreter der Beklagten nicht ausreichend zur Kenntnis gegeben habe. Die Rüge ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht hat mit einem 10 Tage vor der mündlichen Verhandlung bei der Beklagten eingegangenen Schreiben mitgeteilt, der Vorsitzende habe in einem Telefonat mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin für die mündliche Verhandlung den Hinweis angekündigt, „dass zweifelhaft erscheine, ob - wie von der Beklagten angenommen - bei der Einstellung von Schwerbehinderten mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein muss, dass innerhalb des Prognosezeitraums von grob 10 Jahren Dienstunfähigkeit eintritt“. Es hat damit in hinreichender Klarheit zu erkennen gegeben, dass an dem von der Beklagten zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeitsmaßstab Zweifel bestehen können. Die Gründe und die möglichen Rechtsfolgen dieser Rechtsauffassung hat das Gericht laut Protokoll der mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt und mit den Beteiligten erörtert. Angesichts dessen kann von einem Verstoß gegen die gerichtliche Hinweispflicht keine Rede sein. (...) [BVerwG 2 B 79.08 - Beschluss vom 23.04.2009]

    31. ... Es liegt auf der Hand und bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass sich die Prognose, ob im genannten Fall attraktivitätssteigernde Sortimentsveränderungen zu erwarten sind, nicht allein auf die mit der Erweiterung beabsichtigten Veränderungen beschränken kann, sondern insoweit alle mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintretenden Entwicklungen einzubeziehen hat. Die Frage, ob solche Umstände vorliegen, hat das Tatsachengericht zu beantworten; sie ist einer Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich. (...) [BVerwG 4 B 75.09 - Beschluss vom 11.06.2010]

    32. ... für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht ... Vielmehr hat der Kläger hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dargelegt, die seine Behauptung als möglich erscheinen lassen. ...  [BVerwG 8 B 90.09  Beschluss vom 12.03.2010]

    33. ... Beim Vergleich der Naturschutzbelange stehe leichten Vorteilen der Raumordnungstrasse entgegen, dass die
    Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nur mit der optimierten Trassenführung ausgeschlossen werden könne (vgl. zu alledem PFB S. 162). ... [BVerwG 9 VR 5.10 - Beschluss vom 20.10.2010]

    34. (...) Die Bedeutung dieser Tatbestandsmerkmale ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
    hinreichend geklärt: Das Merkmal „in besonderem Maße“ bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und
    Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das für eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“ der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. ...  [BVerwG 2 B 18.10 - Beschluss vom 22.12.2010]

    Auswertung der Fundstellen (alphabetisch sortiert) Zahlen in Klammern bezeichnen die Nummern der Entscheidungen 1-34)

    • abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit (12)
    • allgemeine ordnungsrechtliche Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. (6)
    • an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit (5)
    • beachtlicher Wahrscheinlichkeit (15)
    • differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit (12)
    • eine solche Wahrscheinlichkeit (10)
    • erforderliche Wahrscheinlichkeit (12, 14) [RS: wobei offen bleibt, was hier oder allgemein die "erforderliche"
    • Wahrscheinlichkeit ist]
    • falschen Wahrscheinlichkeitsmaßstab (14)
    • geringfügige Wahrscheinlichkeit (3)
    • Grad der Wahrscheinlichkeit (16)
    • großer Wahrscheinlichkeit (13)
    • hinreichende - unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit nach dem Ausmaß des möglichen Schadens und dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts differenzierende - Wahrscheinlichkeit (20, 29)
    • hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit (13)
    • hinreichende Wahrscheinlichkeit (4,5,7, 8,13,16,17,18,19,20,21,22,23,24,26,31,33)
    • hoher Wahrscheinlichkeit (27, 30 hohes Maß)
    • kein differenzierter abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit. (14)
    • keine zu geringen Anforderungen an die differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit (14)
    • Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit (34)
    • mit einiger Wahrscheinlichkeit (2)
    • mit welcher Wahrscheinlichkeit (9)
    • nicht bezifferbare Wahrscheinlichkeit (7)
    • nicht quantifizierbare Wahrscheinlichkeit (28)
    • nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit (11, 25, 28, 32)
    • überspannte Wahrscheinlichkeitsforderungen (1)
    • vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit (13)
    • vernünftige Zweifel Einhalt gebietende Wahrscheinlichkeit (28)
    • Wahrscheinlichkeit [RS: ohne nähere Spezifikation] (12)
    • Wahrscheinlichkeitsmaßstab (30)
    • zu niedrigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab (29)


    Auswertung nach numerischen Spezifikationen oder merkmalsorientierten Kriterien
    In den 34 Entscheidungen ab 2002 findet sich keine einzige numerische oder inhaltliche Spezifikation einer
    Wahrscheinlichkeit, so dass völlig offen bleibt, was das BVerwG mit seinen Wahrscheinlichkeitsbegriffen tatsächlich meint. Das gilt leider auch für 17 Fundstellen für "hinreichende Wahrscheinlichkeit". Hier wird der unbestimmte Rechtsbegriff hinreichende Wahrscheinlichkeit§ mit völliger Unklarheit ausgestattet, so dass kein Sachverständiger wissen kann, woran er sich orientieren soll und kann.

    Wichtige Regeln in den Entscheidungen

    R1. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. (12)

    R2. Der Senat hat schon zu § 12 Abs. 3 AufenthG/EWG entschieden, dass im Hinblick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). (...) [BVerwG 1 C 13.11 - Urteil vom 04.10.2012] (12)

    R3. Die Kritik des Berufungsgerichts an der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verkennt, dass jeder
    sicherheitsrechtlichen Gefahrenprognose nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts eine
    Korrelation aus Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem) Schadensausmaß zugrunde liegt. (14)

    R4. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: Es müssen - bei abstrakt-genereller Betrachtung - hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Dabei liegt es im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern - allenfalls - eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor. Zwar kann auch in derartigen Situationen ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Doch beruht ein solches Einschreiten nicht auf der Feststellung einer Gefahr; vielmehr werden dann Risiken bekämpft, die jenseits des Bereichs feststellbarer Gefahren verbleiben. Das setzt eine Risikobewertung voraus, die - im Gegensatz zur Feststellung einer Gefahr - über einen Rechtsanwendungsvorgang weit hinausgeht und mehr oder weniger zwangsläufig neben der Beurteilung der Intensität der bestehenden Verdachtsmomente eine Abschätzung der Hinnehmbarkeit der Risiken sowie der Akzeptanz oder Nichtakzeptanz der in Betracht kommenden Freiheitseinschränkungen in der Öffentlichkeit einschließt, mithin - in diesem Sinne - "politisch" geprägt oder mitgeprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats - 3. Kammer - vom 28. Februar 2002 - 1 BvR 1676/01 - DVBl 2002, 614). Eine derart weit reichende Bewertungs- und Entscheidungskompetenz steht den Polizei- und Ordnungsbehörden aufgrund der Verordnungsermächtigungen nach Art des § 175 LVwG nicht zu. Denn es wäre mit den dargelegten Grundsätzen der Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen der Exekutive und des Vorbehalts des Gesetzes nicht vereinbar, wenn die Exekutive ohne strikte Bindung an den überlieferten Gefahrenbegriff kraft eigener Bewertung über die Notwendigkeit oder Vertretbarkeit eines Verordnungserlasses entscheiden könnte. Die rechtsstaatliche und demokratische Garantiefunktion der sicherheitsrechtlichen Verordnungsermächtigungen wäre in Frage gestellt, könnte die Exekutive nach diesen Vorschriften bereits einen mehr oder minder begründeten Verdacht zum Anlass für generelle Freiheitseinschränkungen nehmen. Vielmehr ist es Sache des zuständigen Gesetzgebers, sachgebietsbezogen darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau (vgl. hierzu Urteil vom 19. Dezember 1985, a.a.O., S. 316) und auf welche Weise Schadensmöglichkeiten vorsorgend entgegengewirkt werden soll, die nicht durch ausreichende Kenntnisse belegt, aber auch nicht auszuschließen sind (vgl. Pieroth/Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 2002, S. 65 m.w.N.). Allein der Gesetzgeber ist befugt, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen die Rechtsgrundlagen für Grundrechtseingriffe zu schaffen, mit denen Risiken vermindert werden sollen, für die - sei es aufgrund neuer Verdachtsmomente, sei es aufgrund eines gesellschaftlichen Wandels oder einer veränderten Wahrnehmung in der Bevölkerung - Regelungen gefordert werden. Das geschieht üblicherweise durch eine Absenkung der Gefahrenschwelle in dem ermächtigenden Gesetz von der "Gefahrenabwehr" zur "Vorsorge" gegen drohende Schäden (vgl. etwa § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, § 6 Abs. 2 GenTG, § 7 BBodSchG). Demgegenüber ist in § 175 LVwG ausschließlich von der "Abwehr von Gefahren", nicht hingegen von "Vorsorge" oder "Vorbeugung" die Rede. Auch darin zeigt sich positivrechtlich, dass dem Gefahrenbegriff nicht aus sich heraus eine Erstreckung auf die Aufgabe der Risiko- oder Gefahrenvorsorge innewohnt. (...) [BVerwG 6 CN 1.02 - Urteil vom 18.12.2002] (16)

    R5. Ob bei der Ausweisung eines Straftäters eine Wiederholungsgefahr in diesem Sinne besteht, kann nicht - gleichsam automatisch - bereits aus der Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung geschlossen, sondern nur aufgrund einer individuellen Würdigung der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. (20)


    Anregungen und Kritik willkommen


    Literatur (Auswahl)



    Links (Auswahl)
    • Beweis und beweisen in Wissenschaft und Leben.
      • Beweis und beweisen in Recht und Kriminologie.
      • Beweis und beweisen in der Statistik.
      • Beweis und beweisen in Psychologie, Psychopathologoe und Psychotherapie.
    • Überblick Statistik in der IP-GIPT.
    • Überblick Forensik in der IP-GIPT.




    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    Eigener wissenschaftlicher Standort:
     
    . einheitswissenschaftliche Sicht. Ich vertrete neben den Ideen des Operationalismus, der Logischen Propädeutik und einem gemäßigten Konstruktivismus auch die ursprüngliche einheitswissenschaftliche Idee des Wiener Kreises, auch wenn sein Projekt als vorläufig gescheitert angesehen wird und ich mich selbst nicht als 'Jünger' betrachte. Ich meine dennoch und diesbezüglich im Ein- klang mit dem Wiener Kreis, daß es letztlich und im Grunde nur eine Wissenschaftlichkeit gibt, gleichgültig, welcher spezifischen Fachwissenschaft man angehört. Wissenschaftliches Arbeiten folgt einer einheitlichen und für alle Wissenschaften typischen Struktur, angelehnt an die allgemeine formale Beweisstruktur. 
       Schulte, Joachim & McGuinness, Brian (1992, Hrsg.). Einheitswissenschaft - Das positive Paradigma des Logischen Empirismus. Frankfurt aM: Suhrkamp.
       Geier, Manfred (1992). Der Wiener Kreis. Reinbek: Rowohlt (romono).
    Kamlah, W. & Lorenzen, P. (1967). Logische Propädeutik. Mannheim: BI.
    _
    Wissenschaft [IL] schafft Wissen und dieses hat sie zu beweisen, damit es ein wissenschaftliches Wissen ist, wozu ich aber auch den Alltag und alle Lebensvorgänge rechne. Wissenschaft in diesem Sinne ist nichts Abgehobenes, Fernes, Unverständliches. Wirkliches Wissen sollte einem Laien vermittelbar sein (PUK - "Putzfrauenkriterium"). Siehe hierzu bitte das Hilbertsche gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann verständlichen Sprache wiedergegeben." 
    Allgemeine wissenschaftliche Beweisstruktur und  beweisartige Begründungsregel
    Sie ist einfach - wenn auch nicht einfach durchzuführen - und lautet: Wähle einen Anfang und begründe Schritt für Schritt, wie man vom Anfang (Ende) zur nächsten Stelle bis zum Ende (Anfang) gelangt. Ein Beweis oder eine beweisartige Begründung ist eine Folge von Schritten: A0  => A1 => A2  => .... => Ai .... => An, Zwischen Vorgänger und Nachfolger darf es keine Lücken geben. Es kommt nicht auf die Formalisierung an, sie ist nur eine Erleichterung für die Prüfung. Entscheidend ist, dass jeder Schritt prüfbar nachvollzogen werden kann und dass es keine Lücken gibt. 
    __
    LK. Laien-Kriterium. Wünschenswert ist weiterhin, dass wissenschaftliche Erkenntnisse Laien erklärbar sein sollten. Psychologisch steckt dahinter: wer einem Laien etwas erklären kann, sollte es wohl selbst verstanden haben. Siehe hierzu bitte auch das Hilbertsche gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann verständlichen Sprache wiedergegeben."
    __
    Ockham
    Hier ist nicht das berühmte Ökonomieprinzip, das Ockhamsche Rasiermesser, gemeint, sondern Ockhams Konzeptualismus gegen den naiven platonischen Begriffsrealismus in der Interpretation Wolfgang Stegmüllers (Zusammenfassung).
    __
    Untersuchungsanlass
    Anlass war ein forensisch-psychologisches Präventiv-Prognose-Gutachten zur Frage der Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG eines sog. "OMCG"-Mitglieds. Für eine korrekte und begründete Beurteilung einer möglicherweise erstellbaren Prognosetafel, ist eine numerische Spezifikation des Begriffes der "hinreichenden Wahrscheinlichkeit" zwingend erforderlich. Vom Ergebnis dieser Analyse bin ich selbst überrascht und verwundert.
    __


    Querverweise
    Standort: Analyse Wahrscheinlichkeitsbegriff BVerwG.
    *
    Siehe bitte oben unter Links.
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
    z.B. Forensische Psychologie site:www.sgipt.org. 
    *
    Dienstleistungs-Info.
    *

    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Analyse des Wahrscheinlichkeitsbegriffs des Bundesverwaltungsgerichts.Erlangen IP-GIPT: https://www.sgipt.org/forpsy/BVerwG/AWB.htm
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    korrigiert: 03.02.2017 irs



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