Analyse des Wahrscheinlichkeitsbegriffs des Bundesverwaltungsgerichts
Originalarbeit von Rudolf
Sponsel, Erlangen
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Zusammenfassung der Studie: Ziele,
Methodik,
Ergebnisse,
Folgerungen.
I. Auswertung der
"Bandidos"-Entscheidung.
II. Auswertung von BVerwG-Entscheidungen 2002-2016.
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Hauptziel dieser Untersuchung (> Anlass)
war, herauszufinden, was das BVerwG unter "möglich" und vor allem
unter "hinreichender Wahrscheinlichkeit" versteht. Denn diese Begriffe
spielen im "Bandidos"-Urteil, in dem das BVerwG eine "hinreichende Wahrscheinlichkeit"
verlangt, eine wichtige Rolle. Das Wort "möglich" bzw. "Möglichkeit"
wird im "Bandidos"-Urteil insgesamt 5 Mal verwendet: Rn 10, 14, 15, 16,
17. Die Worte "hinreichend wahrscheinlich" werden in Rn 17 ein Mal verwendet.
Die Begriffe werden im "Bandidos"-Urteil zwar verwendet, aber nirgendwo
erklärt. Ich entschloss mich deshalb, in der öffentlich zugänglichen
Entscheidungs-Datenbank des BVerwG nach Erklärungen der Begriffe "möglich"
und "hinreichende Wahrscheinlichkeit" zu suchen.
Methodik Die Datenbank des BVerwG wurde
in der 50. KW 2016 nach Entscheidungen durchsucht, die die
Suchbegriffe "möglich" und "hinreichende Wahrscheinlichkeit"
enthielten. Die ausgegebenen Texte wurden durchgesehen und auszugsweise
(kontext-) belegend zitiert. Die jeweils interessanten Begriffe wurden
fett-kursiv
markiert. Ziel der Untersuchung war, ein Verständnis für die
Begriffsverwendung durch das BVerwG zu erlangen. Insbesondere sollten die
verschiedenen Wahrscheinlichkeitsbegriffe oder ihre Kennzeichnungen erfasst
werden sowie numerische Spezifikationen und merkmalsorientierte Kriterien.
Ergebnisse In den 34 Entscheidungen
ab 2002 findet sich keine einzige numerische oder inhaltliche Spezifikation
einer Wahrscheinlichkeit, so dass völlig offen bleibt, was das BVerwG
mit seinen Wahrscheinlichkeitsbegriffen tatsächlich meint. Das gilt
leider auch für die 17 Fundstellen für "hinreichende Wahrscheinlichkeit".
Hier wird der unbestimmte Rechtsbegriff hinreichende Wahrscheinlichkeit§
mit völliger Unklarheit ausgestattet, so dass kein Sachverständiger
wissen kann, woran er sich orientieren soll und kann. Damit wird wissenschaftlich
betrachtet ein naiver Platonismus und Begriffsrealismus vertreten, wie
er eigentlich nach Ockham (1288-1347)
nicht mehr vertretbar, aber auch heute noch sehr verbreitet ist, vor allem
im Recht und in der Rechtswissenschaft und neuerdings anscheinend auch
bei der Polizei (BKA, LKA).
In den Entscheidungen finden sich für die praktische forensische Arbeit wichtige Regeln (ausführlich unten, fett-kursive Hervorhebung RS):
Folgerungen Da die BVerwG Entscheidungen
keinerlei numerische Spezifizierung oder auch nur eine grobe numerische
Bereichspräzisierung hergeben, habe ich mich entschlossen, eigene
Überlegungen zur Interpretation numerischer Spezifikationen vorzunehmen,
wobei ich bei meiner Auslegung versuchte, die Intention der BVerwG zu erfassen.
Zum allgemeinen Verständnis für numerische Spezifikationen von
Wahrscheinlichkeiten, habe ich zunächst die Graphik aus Köller
et al. (2004) aus einer Schriftenreihe des BKA entnommen:
BKA-Internetquelle
S. 48 eingeben.
Lesebeispiel für Ablehnung eines Risikos: Bei durchschnittlichem
Schaden wird das Risiko abgelehnt, wenn die
hinreichende Wahrscheinlichkeit nicht mindestens p=0.5 oder 50% beträgt.
Lesebeispiel für Hinnahme eines Risikos: Bei einem sehr großen
Schaden wird das Risiko hingenommen, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit
0.05 oder 5% nicht überschreitet. Das kann man auch anders machen,
möglicherweise mit unterschiedlichen Tafeln für unterschiedliche
Sachverhalte. Mir ist an dieser Stelle nur wichtig, deutlich zu machen,
wie numerische Spezifikationen gestaltet werden können - und in empirisch
begründeten forensisch-psychologischen Gutachten auch gestaltet werden
müssen, weil unklare Begriffe mit guter wissenschaftlicher Praxis
nicht vereinbar sind.
I.
Auswertung der "Bandidos"-Entscheidung
BVerwG 6 C 3.14 VGH 21 B 12.964 vom 28. Januar 2015
Ich gebe im Folgenden die forensisch-psychologisch wichtigen Passagen - im Wesentlichen empirische Sachverhalte - wieder, markiert durch fett-kursive Markierung
Auszüge empirisch forensisch-psychologisch wichtiger Passagen
Rn 2: "Der Verwaltungsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Die Stellung des Klägers als Präsident des "Bandidos MC Passau" rechtfertige die Annahme, dass er im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG unzuverlässig sei. Dies folge aus der Eigenart der "Bandidos" als einer Gruppierung, die regelmäßig in gewalttätige Auseinandersetzungen mit anderen Rockergruppierungen verwickelt sei und eine Nähe zur Organisierten Kriminalität aufweise. Unerheblich sei, dass der Kläger persönlich nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten oder sonst auffällig geworden sei."
Rn 6: "1. Die Rücknahme des kleinen Waffenscheins des Klägers
ist durch § 45 Abs. 1 WaffG gedeckt. Nach dieser
Vorschrift ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zurückzunehmen,
wenn nachträglich bekannt wird, dass die Erlaubnis hätte versagt
werden müssen. Letzteres ist aufgrund der Mitgliedschaft des Klägers
im "Bandidos MC Passau" der Fall. Die Mitgliedschaft rechtfertigt
die Annahme, dass er Waffen und Munition missbräuchlich verwenden
(§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG) und nicht berechtigten Personen
überlassen wird (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG)."
Rn 10: "b. Der Einwand des Klägers, er sei in strafrechtlicher wie in waffenrechtlicher Hinsicht unbescholten und folglich zuverlässig, hindert die Anwendung von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht. Die Vorschrift verlangt eine Prognose. Entscheidend ist, ob Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass zukünftig eine der in der Vorschrift aufgeführten Verhaltensweisen verwirklicht wird. Rechtskonformes Verhalten einer Person in der Vergangenheit ist wie jeder andere Umstand, der beurteilungsrelevant sein kann, in diese Prognose miteinzubeziehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 2008 - 6 B 4.08 - juris Rn. 5). Es ist aber möglich, dass sonstige Umstände zu dem Schluss führen, die Person werde eine Verhaltensweise im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verwirklichen."
Rn 11: "c. Die von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verlangte Prognose ist auf diejenige Person zu beziehen, deren Zuverlässigkeit in Frage steht. Die Unzuverlässigkeit anderer, selbst nahestehender Personen rechtfertigt als solche nicht den Schluss auf ihre Unzuverlässigkeit. Individuelle Verhaltenspotentiale werden allerdings durch das soziale Umfeld mitbestimmt. Daher bestehen keine Bedenken dagegen, die Gruppenzugehörigkeit einer Person ein personenbezogenes Merkmal - als Tatsache heranzuziehen, welche die Annahme der Unzuverlässigkeit stützt. Gefordert ist jedoch, dass zwischen der Annahme der Unzuverlässigkeit und der Gruppenzugehörigkeit eine kausale Verbindung besteht. Gerade die [>S. 5] Gruppenzugehörigkeit der Person muss die Prognose tragen, dass diese künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verwirklichen wird. Nicht ausreichend ist, dass solche Verhaltensweisen innerhalb der Gruppe regelmäßig vorgekommen sind oder noch immer vorkommen. Vielmehr müssen bestimmte Strukturmerkmale der Gruppe die Annahme rechtfertigen, dass gerade auch die Person, die in Rede steht, sie künftig verwirklichen wird."
Rn 12: "d. Die Mitgliedschaft in einer örtlichen Organisationseinheit der Rockergruppierung "Bandidos" rechtfertigt auch dann die Annahme der Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und c WaffG, wenn keine sonstigen Tatsachen für die Unzuverlässigkeit der betreffenden Person sprechen oder sogar - wie im vorliegenden Fall die bisherige Unbescholtenheit des Klägers - andere Tatsachen dagegen sprechen."
Rn 13: "Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, die insoweit nicht in einer § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise mit Verfahrensrügen angegriffen sind und den Senat daher binden (§ 137 Abs. 2 VwGO), sind von Mitgliedern der "Bandidos" gehäuft Straftaten unter zum Teil erheblicher Gewaltanwendung begangen worden. Aus den vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen ergibt sich weiter, dass die "Bandidos" ebenso wie eine Reihe anderer Gruppierungen Machtzuwachs innerhalb der Rockerszene anstreben und entsprechende Ansprüche regelmäßig mit Gewalt durchzusetzen versuchen. Insbesondere zwischen den "Hells Angels MC" und den "Bandidos" ist es danach zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bis hin zu Schießereien gekommen. Generell werden nach dem angefochtenen Urteil Streitigkeiten aller Art innerhalb der Rockerszene, der die "Bandidos" zugehören, regelmäßig mit Gewalt ausgetragen. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass innerhalb von Rockergruppierungen wie den "Bandidos" ein strenger Ehrenkodex sowie ein einheitliches, formalisiertes Aufnahmeritual gilt, ein starkes Maß innerer Verbundenheit vorherrscht und die verschiedenen örtlichen Organisationseinheiten miteinander vernetzt sind."
Rn 14: " Die Praxis der gewaltsamen Austragung der - ihrerseits szenetypischen - Rivalitäten und Konflikte mit anderen Rockergruppierungen muss danach als we- [S. 6] sensprägendes Strukturmerkmal der "Bandidos" angesehen werden, das sich bei jeder ihrer örtlichen Organisationseinheiten und bei jedem ihrer Mitglieder zu jedem Zeitpunkt aktualisieren kann. Aufgrund der bundesweiten Vernetzung der örtlichen Organisationseinheiten und des hohen Loyalitätsdrucks, der aus dem starken Verbundenheitsempfinden der "Bandidos" untereinander folgt, erscheint es darüber hinaus möglich, dass ein "Bandidos"-Mitglied einheitsübergreifende Unterstützung bei Auseinandersetzungen leistet."
Rn 15: " Daher besteht auch für den Kläger die Möglichkeit,
dass er - selbst wenn er dies persönlich nicht anstreben
sollte oder sogar für sich vermeiden wollte - künftig
in gewaltsame Auseinandersetzungen hineingezogen wird. Tritt dieser
Fall ein, liegt es wiederum nicht fern, dass er hierbei -
ob
beabsichtigt oder unter dem Druck der Situation - Waffen missbräuchlich
verwenden oder Nichtberechtigten überlassen wird."
Rn 16: "Dass der Kläger bislang strafrechtlich und waffenrechtlich nicht negativ in Erscheinung getreten ist, rechtfertigt keine abweichende Einschätzung. Die Möglichkeit des Hineinziehens in gewaltsame szeneinterne Auseinandersetzungen ist aus den genannten Gründen auch bei solchen Mitgliedern der "Bandidos" gegeben, die sich bislang rechtskonform verhalten haben. Die Vorstellung, einzelne Mitglieder könnten sich gegen die wesensimmanente Tendenz der Gruppierung zur Gewalttätigkeit stemmen oder ihr zumindest persönlich ausweichen, muss im Lichte des hohen Geschlossenheitsgrades der "Bandidos" und des hieraus resultierenden Konformitätsdrucks als fernliegend eingeschätzt werden. Ebenso wenig kann davon ausgegangen werden, einzelne örtliche Organisationseinheiten könnten für sich eine Sonderexistenz jenseits der gruppentypischen Praxis führen. Den Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs kann entnommen werden, dass die örtlichen Einheiten keine unumschränkte Aktionsfreiheit genießen. So wurde etwa das sog. Friedensabkommen mit den "Hells Angels MC" im Jahre 2010 durch eine Führungsgruppe mit Wirkung für alle Untergruppierungen abgeschlossen."
Rn 17: "e. Zu keinem anderen Ergebnis führt, dass das Hineinziehen
des Klägers in gewaltsame szeneinterne
Auseinandersetzungen danach zwar möglich, ande[S. 7] rerseits
aber auch nicht gesichert erscheint. An die von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG
geforderte Prognose dürfen keine überhöhten Anforderungen
gestellt werden. Die Prognose hat sich an dem Zweck des Gesetzes zu orientieren,
die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei
solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin
verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht
ordnungsgemäß umgehen (BVerwG, stRspr; vgl. etwa Urteil vom
30. September 2009 6 C 29.08 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 100 Rn. 17
m.w.N.). Ausgehend hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof im angefochtenen
Urteil zu Recht angenommen, es sei kein Nachweis erforderlich, dass der
Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen in §
5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG normierten Unzuverlässigkeitstatbestand verwirklichen
wird. Ausreichend ist vielmehr, wie der Senat bereits ausgesprochen hat,
dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hierfür
besteht (Beschluss vom 31. Januar 2008 - 6 B 4.08 - juris Rn. 5). Die Prognose
der Unzuverlässigkeit ist bei Berücksichtigung des strikt präventiven,
auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts
des Waffengesetzes nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf
die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko
dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig
Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen wird.
Hiervon ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grundlage seiner Tatsachenfeststellungen
zu Recht nicht ausgegangen."
Auswertung
nach "möglich" und "wahrscheinlich"
Das Wort "möglich" bzw. "Möglichkeit" wird insgesamt 5 Mal
verwendet: Rn 10, 14, 15, 16, 17. Die Worte "hinreichend wahrscheinlich"
werden in Rn 17 ein Mal verwendet:
"Ausgehend hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof im angefochtenen
Urteil zu Recht angenommen, es sei kein Nachweis erforderlich, dass der
Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen in §
5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG normierten Unzuverlässigkeitstatbestand verwirklichen
wird. Ausreichend ist vielmehr, wie der Senat bereits ausgesprochen hat,
dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hierfür besteht
(Beschluss vom 31. Januar 2008 - 6 B 4.08 - juris Rn. 5)."
II. Auswertung von BVerwG-Entscheidungen
2002-2016
Formulierung und Belege der Fundstellen "möglich" und "hinreichende
Wahrscheinlichkeit". Es werden Entscheidungen angezeigt, die "möglich",
"hinreichende Wahrscheinlichkeit", "Wahrscheinlichkeit" oder eine Kombination
der drei Worte enthalten.
In [eckigen Klammern] die Entscheidungsfundstelle,
in (runden Klammern) Bezugnahmen der Entscheidung auf andere Entscheidungen.
Relevante Begriff von mir fett-kursiv gesetzt.
1. Wahrscheinlichkeitsforderungen überspannen [BVerwG 8 B 75.14 - Beschluss vom 29.07.2015]
2. einiger Wahrscheinlichkeit erneut stellen [BVerwG 5 PB 16.14 - Beschluss vom 30.06.2015]
3. Über die bloße Möglichkeit hinaus ist also - mit anderen Worten ausgedrückt - erforderlich, "dass mit einiger - mehr als nur geringfügiger - Wahrscheinlichkeit …" [BVerwG 5 PB 16.14 - Beschluss vom 30.06.2015]
4. Ausreichend ist vielmehr, wie der Senat bereits ausgesprochen hat, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hierfür besteht [BVerwG 6 C 1.14 - Urteil vom 28.01.2015].
5. Ausgehend hiervon hat der Verwaltungsgerichtshof
im angefochtenen Urteil zu Recht angenommen, es sei kein
Nachweis erforderlich, dass der Betroffene mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit einen in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG
normierten Unzuverlässigkeitstatbestand verwirklichen wird. Ausreichend
ist vielmehr, wie der Senat bereits
ausgesprochen hat, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit
hierfür besteht (Beschluss vom 31. Januar 2008 - 6 B 4.08 - juris
Rn. 5). [BVerwG 6 C 2.14 - Urteil vom 28.01.2015]
6. Der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 6 IFG setzt voraus, dass die mögliche Beeinträchtigung der fiskalischen Interessen des Bundes von gewissem Gewicht ist; es gilt der allgemeine ordnungsrechtliche Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. (...) [BVerwG 7 C 12.13 - Urteil vom 27.11.2014]
7. (...) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet nicht, nur dann die Fahreignung eines Mischkonsumenten zu verneinen, wenn mit Sicherheit zu erwarten ist, dass der Betroffene früher oder später unter Einwirkung von Rauschmitteln ein Fahrzeug führen, also die Trennungsbereitschaft aufgeben wird. Schon der Umstand, dass ein solcher Mischkonsum die Aufgabe der Trennungsbereitschaft möglich erscheinen lässt, mag die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines solchen Kontrollverlustes auch nicht - wie das vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene Gutachten ausführt (S. 26) - bezifferbar sein, rechtfertigt vor dem Hintergrund der staatlichen Pflicht, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, grundsätzlich die Annahme mangelnder Fahreignung (zu den Ausnahmen siehe Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung). Die Interessen des Rauschmittelkonsumenten dürfen insoweit hintangestellt werden, wie es in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung geschehen ist. Notwendig ist allerdings unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung der Rauschmittel und daraus folgender Schäden. (...) [BVerwG 3 C 32.12 - Urteil vom 14.11.2013]
8. Zum einen sei eine vorläufige positive Gesamtbeurteilung,
die eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der
Genehmigungsfähigkeit der Gesamtanlage voraussetze, nicht möglich,
weil der für die Errichtung des Kraftwerks
erforderliche Bebauungsplan fehle. [BVerwG 7 B 42.12 - Beschluss vom
26.06.2013]
9. Für die Beantwortung der Frage, ob die fehlende
Begrenzung zentrenrelevanter Randsortimente die Verfolgung der
genannten Ziele konterkariert, wird deswegen zu bedenken sein, mit
welcher
Wahrscheinlichkeit und in welchem
Umfang sich entsprechende Betriebe im Plangebiet ansiedeln werden.
[BVerwG 4 CN 6.11 - Urteil vom 27.03.2013]
10. ... für einen Tankbetrug durch den Antragsteller
eine
solche Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung bestand, die es
ausschloss, eine Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO
aus Mangel an Beweisen vorzunehmen. [BVerwG 1 WB
17.05 - Beschluss vom 24.01.2006]
11. Hinsichtlich des Beweisantrags Nr. 2 (Vernehmung
des Zeugen F.) übersieht die Beschwerde, dass der
Verwaltungsgerichtshof diesen nicht allein mit der Begründung
abgelehnt hat, für die unter Beweis gestellten
Behauptungen spreche nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit.
[BVerwG 9 B 23.11 - Beschluss vom
08.06.2011]
12. (...) Für die danach im Rahmen tatrichterlicher
Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr gilt entgegen der
Auffassung des Berufungsgerichts ein mit zunehmendem Ausmaß des
möglichen Schadens abgesenkter Grad der
Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. Die Kritik
des Berufungsgerichts an diesem differenzierenden
Wahrscheinlichkeitsmaßstab verkennt, dass jede
sicherheitsrechtliche Gefahrenprognose nach den allgemeinen
Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts eine Korrelation aus
Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem) Schadensausmaß
ist.
An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts
sind
umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer
der möglicherweise eintretende Schaden ist. Auch die den nationalen
Gerichten obliegende und auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalles
vorzunehmende Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des Betroffenen
gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr
für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, kann im Hinblick
auf die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts
den Rang des bedrohten Rechtsguts nicht außer Acht lassen, denn dieser
bestimmt die mögliche Schadenshöhe. Das bedeutet aber nicht,
dass bei hochrangigen Rechtsgütern bereits jede auch nur entfernte
Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr begründet. Der Senat hat
schon zu § 12 Abs. 3 AufenthG/EWG entschieden, dass im Hinblick auf
die Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit an die nach dem Ausmaß
des möglichen Schadens differenzierende hinreichende
Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden
dürfen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). (...)
[BVerwG 1 C 13.11 - Urteil vom 04.10.2012]
13. Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers,
der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit
zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt
sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise
geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts
genügt. Das Beispiel zeigt, dass es sachgerecht ist, einen am Gefährdungsgrad
der jeweiligen Erkrankung orientierten, „flexiblen“ Maßstab für
die
hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit zugrunde
zu legen. (...) .... Das Oberverwaltungsgericht hat daraus
vertretbar geschlossen, dass ein Ansteckungsverdacht bei dem Kläger
lediglich zu vermuten, jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
festzustellen
war. ... Etwas anderes würde erst dann gelten, wenn aufgrund
der Anzahl der betroffenen Schüler und der seit dem Indexfall verstrichenen
(Inkubations-)Zeit nicht mehr lediglich über einen unmittelbaren Kontakt
zu dem erkrankten Schüler, sondern auch bereits über Kontaktpersonen
2. Grades oder weitere Personen eine Ausbreitung und Ansteckung möglich
erscheint. [BVerwG 3 C 16.11 - Urteil vom 22.03.2012]
14. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
gelte in Anwendung dieser unionsrechtlichen
Grundsätze für die Wiederholungsgefahr kein differenzierter,
mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens
abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit. Von einer tatsächlichen
und hinreichend schweren Gefährdung sei
auszugehen, wenn unter Berücksichtigung aller für und gegen
den Betroffenen einzustellenden Gesichtspunkte bei
einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spreche, dass der
Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten werde.
... (...) 1. Das Berufungsgericht hat seiner Prognoseentscheidung
einen falschen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde
gelegt. Es ist davon ausgegangen, dass unabhängig vom Gewicht der
bedrohten Rechtsgüter von einer tatsächlichen und hinreichend
schweren Gefährdung nur ausgegangen werden könne, wenn unter
Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen einzustellenden
Gesichtspunkte bei einer wertenden Betrachtungsweise mehr dafür spreche,
dass der Schaden in einer überschaubaren Zeit eintreten werde. Für
die im Rahmen tatrichterlicher Prognose festzustellende Wiederholungsgefahr
gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aber ein differenzierender,
mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad
der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (stRspr, vgl. zuletzt
Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 16). Der vom Berufungsgericht angewandte
starre
Maßstab genügt diesen Anforderungen mit Blick auf das
Gewicht der durch die letzte Tat bedrohten Rechtsgüter nicht. (...)
.... (...) Die Kritik des Berufungsgerichts an der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts verkennt, dass jeder sicherheitsrechtlichen
Gefahrenprognose nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehrrechts
eine Korrelation aus Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem)
Schadensausmaß zugrunde liegt. An die Wahrscheinlichkeit
des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je
größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende
Schaden ist. Auch die den nationalen Gerichten obliegende und auf der Grundlage
aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Beurteilung, ob das
persönliche Verhalten eines türkischen Staatsangehörigen,
der sich auf den besonderen Ausweisungsschutz des Art. 14 ARB 1/80 berufen
kann, gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr
für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, kann im Hinblick
auf die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts den
Rang des bedrohten Rechtsguts nicht außer Acht lassen, denn dieser
bestimmt die mögliche Schadenshöhe. Das bedeutet aber nicht,
dass bei hochrangigen Rechtsgütern - wie vom Berufungsgericht unterstellt
- bereits jede auch nur entfernte Möglichkeit eine Wiederholungsgefahr
begründet. Der Senat hat schon zu § 12 Abs. 3 AufenthG/EWG entschieden,
dass im Hinblick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit
an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende
hinreichende Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt
werden dürfen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 16
m.w.N.). Der differenzierende Wahrscheinlichkeitsmaßstab führt
daher selbst bei Unionsbürgern nicht zu einem unionsrechtswidrigen
„Gefahrenexport zu Lasten anderer Mitgliedstaaten“, wie das Berufungsgericht
meint. (...) [BVerwG 1 C 10.12 - Urteil vom 15.01.2013]
15. Hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung drohe. [BVerwG 10 C 15.12 - Urteil vom 31.01.2013]
16. Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. Urteil vom 26. Februar 1974 BVerwG 1 C 31.72 - BVerwGE 45, 51, 57). Das trifft nicht nur für die "konkrete" Gefahr zu, die zu Abwehrmaßnahmen im Einzelfall berechtigt, sondern auch für die den sicherheitsrechtlichen Verordnungen zugrunde liegende "abstrakte" Gefahr. Die abstrakte Gefahr unterscheidet sich von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose oder, wie der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 26. Juni 1970 - BVerwG 4 C 99.67 (DÖV 1970, 713, 715) gesagt hat, durch die Betrachtungsweise: Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann; eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen; das hat zur Folge, dass auf den Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im Einzelfall verzichtet werden kann (vgl. auch Beschluss vom 24. Oktober 1997 - BVerwG 3 BN 1.97 - Buchholz 418.9 TierSchG Nr. 10). Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: Es müssen - bei abstrakt-genereller Betrachtung - hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Dabei liegt es im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern - allenfalls - eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor. Zwar kann auch in derartigen Situationen ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Doch beruht ein solches Einschreiten nicht auf der Feststellung einer Gefahr; vielmehr werden dann Risiken bekämpft, die jenseits des Bereichs feststellbarer Gefahren verbleiben. Das setzt eine Risikobewertung voraus, die - im Gegensatz zur Feststellung einer Gefahr - über einen Rechtsanwendungsvorgang weit hinausgeht und mehr oder weniger zwangsläufig neben der Beurteilung der Intensität der bestehenden Verdachtsmomente eine Abschätzung der Hinnehmbarkeit der Risiken sowie der Akzeptanz oder Nichtakzeptanz der in Betracht kommenden Freiheitseinschränkungen in der Öffentlichkeit einschließt, mithin - in diesem Sinne - "politisch" geprägt oder mitgeprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats - 3. Kammer vom 28. Februar 2002 - 1 BvR 1676/01 - DVBl 2002, 614). Eine derart weit reichende Bewertungs und Entscheidungskompetenz steht den Polizei- und Ordnungsbehörden aufgrund der Verordnungsermächtigungen nach Art des § 175 LVwG nicht zu. Denn es wäre mit den dargelegten Grundsätzen der Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen der Exekutive und des Vorbehalts des Gesetzes nicht vereinbar, wenn die Exekutive ohne strikte Bindung an den überlieferten Gefahrenbegriff kraft eigener Bewertung über die Notwendigkeit oder Vertretbarkeit eines Verordnungserlasses entscheiden könnte. Die rechtsstaatliche und demokratische Garantiefunktion der sicherheitsrechtlichen Verordnungsermächtigungen wäre in Frage gestellt, könnte die Exekutive nach diesen Vorschriften bereits einen mehr oder minder begründeten Verdacht zum Anlass für generelle Freiheitseinschränkungen nehmen. Vielmehr ist es Sache des zuständigen Gesetzgebers, sachgebietsbezogen darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau (vgl. hierzu Urteil vom 19. Dezember 1985, a.a.O., S. 316) und auf welche Weise Schadensmöglichkeiten vorsorgend entgegengewirkt werden soll, die nicht durch ausreichende Kenntnisse belegt, aber auch nicht auszuschließen sind (vgl. Pieroth/Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 2002, S. 65 m.w.N.). Allein der Gesetzgeber ist befugt, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen die Rechtsgrundlagen für Grundrechtseingriffe zu schaffen, mit denen Risiken vermindert werden sollen, für die - sei es aufgrund neuer Verdachtsmomente, sei es aufgrund eines gesellschaftlichen Wandels oder einer veränderten Wahrnehmung in der Bevölkerung - Regelungen gefordert werden. Das geschieht üblicherweise durch eine Absenkung der Gefahrenschwelle in dem ermächtigenden Gesetz von der "Gefahrenabwehr" zur "Vorsorge" gegen drohende Schäden (vgl. etwa § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, § 6 Abs. 2 GenTG, § 7 BBodSchG). Demgegenüber ist in § 175 LVwG ausschließlich von der "Abwehr von Gefahren", nicht hingegen von "Vorsorge" oder "Vorbeugung" die Rede. Auch darin zeigt sich positivrechtlich, dass dem Gefahrenbegriff nicht aus sich heraus eine Erstreckung auf die Aufgabe der Risiko- oder Gefahrenvorsorge innewohnt. (...) [BVerwG 6 CN 1.02 - Urteil vom 18.12.2002]
17. ... Die positive Persönlichkeitsprognose für den Soldaten, die insbesondere auf seiner Mitarbeit an der Aufklärung, seiner Einsicht in seine Verfehlungen und seinen guten dienstlichen Leistungen beruht sowie eine Wiederholungsgefahr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als ausgeschlossen erscheinen lässt, reicht - ebenso wie der seit den Verfehlungen mittlerweile verstrichene Zeitraum von etwa drei Jahren - nicht aus, um die Disziplinarmaßnahme auf das vom Truppendienstgericht verhängte Beförderungsverbot und eine Kürzung der Dienstbezüge zu beschränken. ... [BVerwG 2 WD 51.02 - Urteil vom 01.07.2003]
18. (...) Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht als Instrument der Gefahrenabwehr greift ein, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht. Sie dient der Abwehr erkannter Gefahren und der Vorbeugung gegenüber künftigen Schäden, die durch solche Gefahren hervorgerufen werden können. ... [BVerwG 7 C 19.02 - Urteil vom 11.12.2003]
19. ... die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass ihre heutige ... [BVerwG 2 WDB 2.03 - Beschluss vom 18.11.2003]
20. (...) Das Erfordernis einer gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Ordnung besagt nicht, dass eine "gegenwärtige Gefahr" im Sinne des deutschen Polizeirechts vorliegen müsste, die voraussetzt, dass der Eintritt des Schadens sofort und nahezu mit Gewissheit zu erwarten ist. Es verlangt vielmehr eine hinreichende - unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit nach dem Ausmaß des möglichen Schadens und dem Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts differenzierende - Wahrscheinlichkeit, dass der Ausländer künftig die öffentliche Ordnung im Sinne des Art. 39 Abs. 3 EG beeinträchtigen wird (vgl. auch Urteil vom 27. Oktober 1978 - BVerwG 1 C 91.76 - a.a.O., S. 65). Ob bei der Ausweisung eines Straftäters eine Wiederholungsgefahr in diesem Sinne besteht, kann nicht - gleichsam automatisch - bereits aus der Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung geschlossen, sondern nur aufgrund einer individuellen Würdigung der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Dabei sind insbesondere die einschlägigen strafrichterlichen Entscheidungen heranzuziehen, soweit sie für die Prüfung der Wiederholungsgefahr bedeutsam sind (vgl. auch Urteile vom 27. Oktober 1978 - BVerwG 1 C 91.76 - a.a.O., S. 65 und vom 7. Dezember 1999 - BVerwG 1 C 13.99 - a.a.O. sowie BVerfGE 51, 386 <399>). Zu prüfen ist u.a., ob eine etwaige Verbüßung der Strafe erwarten lässt, dass der Unionsbürger künftig keine die öffentliche Ordnung gefährdende Straftaten mehr begehen wird, und was ggf. aus einer Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB) folgt (vgl. auch zur Aussetzung des Strafrests nach § 57 StGB Beschluss vom 16. November 1992 - BVerwG 1 B 197.92 - Buchholz 402.26 § 12 AufenthG/EWG Nr. 8 und Urteil vom 16. November 2000 - BVerwG 9 C 6.00 - BVerwGE 112, 185 <192 f.>). Fehlt es danach bereits an einer gegenwärtigen und schwer wiegenden Gefahr für wichtige Rechtsgüter, so darf eine Ausweisung nicht verfügt und aufrechterhalten werden. (...) [BVerwG 1 C 30.02 - Urteil vom 03.08.2004]
21. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht des Wehrpflichtigen auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) durch den wehrdienstbedingten Verlust einer Ausbildungsmöglichkeit liegt ferner dann vor, wenn ein bereits zugesagter (gesicherter) Ausbildungsplatz verloren geht und wenn der Betroffene nach Ableistung des Wehrdienstes die Ausbildung für den gleichen Beruf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit weder an derselben Stelle noch anderweitig nachholen kann oder dies nur mit einem zusätzlichen unverhältnismäßigen Zeitverlust möglich ist (vgl. Urteil vom 24. Oktober 1997 - BVerwG 8 C 21.97 - BVerwGE 105, 276, 279 f.). (...) [BVerwG 6 C 1.04 - Urteil vom 22.09.2004]
22. ... Der Begriff der "Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" habe in der Rechtsprechung und Literatur eine hinreichende Präzisierung erfahren. Eine abstrakte Gefahr liege demnach bei einer Sachlage vor, die nach allgemeiner Lebenserfahrung oder fachlichen Erkenntnissen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Eintreten einer konkreten Gefahrenlage möglich erscheinen lasse. Dabei hänge der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie dem Ausmaß des möglichen Schadens ab. Stehe der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen in Rede, könne auch die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts ausreichen. Diese Auslegung von § 26 POG deckt sich mit derjenigen des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 4. Juli 2001 - B 12/00, B 18/00, B 8/01 - (NVwZ 2001, 1273). (...) [BVerwG 6 C 21.03 - Urteil vom 28.06.2004]
23. ... Auf der Grundlage der dem Senat bislang vorliegenden Akten und eingereichten schriftsätzlichen Stellungnahmen lässt sich die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit einer - schuldhaften - Verletzung der Dienstpflichten nicht feststellen. ... [BVerwG 2 WDB 1.05 - Beschluss vom 11.01.2005]
24. (...) Darüber hinaus bestehe vorliegend keine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Übernahme des Klägers in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. ... Die Bewertung durch das Verwaltungsgericht, es handele sich um eine „konkrete Aussicht“ auf ein Anstellungsverhältnis, sei fehlerhaft, denn wenn ohnehin nur ein Teil der ehemaligen Auszubildenden einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalte, handele es sich allenfalls um eine Chance. [BVerwG 6 C 22.05 - Urteil vom 13.11.2006]
25. ... wenn für die zugrunde liegenden Tatsachenbehauptungen nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht [BVerwG 1 B 91.05 - Beschluss vom 28.03.2006]
26. .. Hinsichtlich des Begriffs der abstrakten Gefahr stelle das Bundesverwaltungsgericht in der vorgenannten Entscheidung fest, dass eine solche gegeben sei, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führe, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflege und daher Anlass bestehe, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen. ... „Die abstrakte Gefahr ist nach § 2 Nr. 2 NGefAG eine nach allgemeiner Lebenserfahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stellen mögliche Sachlage, die im Fall ihres Eintritts eine Gefahr i.S. des § 2 Nr. 1 NGefAG darstellt, das heißt eine Sachlage, bei der im einzelnen Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird. ... [BVerwG 6 BN 2.07 - Beschluss vom 24.01.2008]
27. ... Im Übrigen habe die Antragsgegnerin nunmehr eine Konzentrationsfläche ausgewiesen, deren Eignung mit hoher Wahrscheinlichkeit als äußerst gering einzuschätzen sei und die der Windenergienutzung deshalb nur unzureichend Raum gebe. ... [BVerwG 4 CN 2.07 - Urteil vom 24.01.2008]
28. (...) Ein als unzulässig ablehnbarer Ausforschungs-
oder Beweisermittlungsantrag liegt nur in Bezug auf
Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens
eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen
Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich „aus der Luft gegriffen“,
„ins Blaue hinein“, also „erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage“
erhoben worden sind (vgl. etwa Beschluss vom 29. April 2002 - BVerwG 1
B 59.02 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 60; ebenso BVerfG, Kammerbeschluss
vom 26. August 1996 - 2 BvR 1968/94 - juris). Die Kläger haben hinreichend
substanziiert dargelegt, welche Indizien aus ihrer Sicht für eine
Eintragung der Großmutter väterlicherseits der Klägerin
zu 1 in die Deutsche Volksliste der Ukraine sprechen bzw. diese zumindest
als möglich erscheinen lassen (so etwa Evakuierung und Durchschleusung
der Großmutter im Wege des EWZ-Verfahrens, „Schaffung ins Altreich“,
unterbliebene Abschiebung der Großmutter, Vergabe von Lebensmittelkarten
etc.). Das Berufungsgerichts bewertet diese Indizien als „weder für
sich genommen noch in der Gesamtschau geeignet, dem Senat über eine
nicht
quantifizierbare Wahrscheinlichkeit hinaus die Gewissheit oder
zumindest eine nach der Lebenserfahrung der Gewissheit gleichkommende oder
vernünftige Zweifel Einhalt gebietende Wahrscheinlichkeit
für eine Eintragung der Großmutter in die Deutsche Volksliste
der Ukraine zu vermitteln“ (vgl. BA S. 12). Diese Würdigung der Umstände,
vor allem auch in Anbetracht der vom Berufungsgericht angenommenen „nicht
quantifizierbaren Wahrscheinlichkeit“ für eine Eintragung
in die Deutsche Volksliste der Ukraine, lässt die Beweisbehauptung
der Kläger jedoch nicht als „völlig aus der Luft gegriffen“ erscheinen,
vielmehr haben die Kläger damit hinreichende tatsächliche
Anhaltspunkte dargelegt, die ihre Tatsachenbehauptung als möglich
erscheinen lassen. Auch setzt ein Antrag auf Sachverständigenbeweis
- anders als ein solcher auf Zeugenbeweis - nicht voraus, dass einzelne
konkrete Tatsachen in das Wissen der auskunftgebenden Stelle gestellt werden,
da der Sachverständige sein Gutachten über das Beweisthema ggf.
aufgrund von Tatsachenermittlungen zu erstatten hat. Zur Substanziierung
eines Sachverständigenbeweisantrags kann es daher genügen, wenn
wie hier das Beweisthema im Beweisantrag hinreichend konkret umschrieben
ist (vgl. etwa Beschluss vom 24. Mai 2006 - BVerwG 1 B 128.05 - Buchholz
402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 17). Auf die Tauglichkeit der bezeichneten
Beweismittel, die jedenfalls hinsichtlich des Antrags auf Einholung eines
Sachverständigengutachtens zweifelhaft sein mag, hat das Berufungsgericht
nicht abgestellt. (...) [BVerwG 5 B 198.07 - Beschluss vom 30.06.2008]
29. (...) Die Beurteilung, ob eine hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, erfordert darüber hinaus eine tatrichterliche Prognose, die sich auf das persönliche Verhalten des Betroffenen stützt. Für die Feststellung der Wiederholungsgefahr gilt ein differenzierender, mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. Urteil vom 3. August 2004 - BVerwG 1 C 30.02 - a.a.O. S. 305 f.). Diesem Erfordernis genügt die von den Vorinstanzen gestellte Prognose einer konkreten Wiederholungsgefahr beim Kläger. Diese haben die bereits vorangegangene Verurteilung wegen Betrugs, die Tatumstände, die erneute Straffälligkeit während der noch laufenden Bewährungszeit, die in der Zahl der Geschädigten und dem Schadensausmaß zum Ausdruck kommende kriminelle Energie des Klägers sowie dessen durch fehlende Einsicht gekennzeichnete Persönlichkeit umfassend gewürdigt. Auf der Grundlage dieser den Senat bindenden tatrichterlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) ist nicht zu erkennen, dass das Berufungsgericht seiner Prognose zulasten des Klägers einen unzutreffenden, zu niedrigen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt hat. (...) [BVerwG 1 C 2.09 - Urteil vom 02.09.2009]
30. (...) Die Beschwerde rügt als Verstoß
gegen die gerichtliche Hinweispflicht (§ 86 Abs. 3 VwGO), dass das
Oberverwaltungsgericht seine Rechtsauffassung zu den Anforderungen
an die Wahrscheinlichkeit künftiger Erkrankungen der
Klägerin oder des vorzeitigen Eintritts ihrer Dienstunfähigkeit
im Prognosezeitraum dem Vertreter der Beklagten nicht ausreichend zur Kenntnis
gegeben habe. Die Rüge ist unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht
hat mit einem 10 Tage vor der mündlichen Verhandlung bei der Beklagten
eingegangenen Schreiben mitgeteilt, der Vorsitzende habe in einem Telefonat
mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin für die mündliche
Verhandlung den Hinweis angekündigt, „dass zweifelhaft erscheine,
ob - wie von der Beklagten angenommen - bei der Einstellung von Schwerbehinderten
mit einem hohen Maß an Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen
sein muss, dass innerhalb des Prognosezeitraums von grob 10 Jahren Dienstunfähigkeit
eintritt“. Es hat damit in hinreichender Klarheit zu erkennen gegeben,
dass an dem von der Beklagten zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeitsmaßstab
Zweifel bestehen können. Die Gründe und die möglichen
Rechtsfolgen dieser Rechtsauffassung hat das Gericht laut Protokoll der
mündlichen Verhandlung im Einzelnen dargelegt und mit den Beteiligten
erörtert. Angesichts dessen kann von einem Verstoß gegen die
gerichtliche Hinweispflicht keine Rede sein. (...) [BVerwG 2 B 79.08 -
Beschluss vom 23.04.2009]
31. ... Es liegt auf der Hand und bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass sich die Prognose, ob im genannten Fall attraktivitätssteigernde Sortimentsveränderungen zu erwarten sind, nicht allein auf die mit der Erweiterung beabsichtigten Veränderungen beschränken kann, sondern insoweit alle mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eintretenden Entwicklungen einzubeziehen hat. Die Frage, ob solche Umstände vorliegen, hat das Tatsachengericht zu beantworten; sie ist einer Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich. (...) [BVerwG 4 B 75.09 - Beschluss vom 11.06.2010]
32. ... für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht ... Vielmehr hat der Kläger hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dargelegt, die seine Behauptung als möglich erscheinen lassen. ... [BVerwG 8 B 90.09 Beschluss vom 12.03.2010]
33. ... Beim Vergleich der Naturschutzbelange stehe
leichten Vorteilen der Raumordnungstrasse entgegen, dass die
Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände mit hinreichender
Wahrscheinlichkeit nur mit der optimierten Trassenführung
ausgeschlossen werden könne (vgl. zu alledem PFB S. 162). ... [BVerwG
9 VR 5.10 - Beschluss vom 20.10.2010]
34. (...) Die Bedeutung dieser Tatbestandsmerkmale
ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
hinreichend geklärt: Das Merkmal „in besonderem Maße“
bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und
Vertrauensbeeinträchtigung und ist nur erfüllt, wenn das
Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über
das für eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an
Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist
eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben,
kommt es weiterhin darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam
wäre. Das Merkmal „in bedeutsamer Weise“ bezieht sich auf den „Erfolg“
der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. ...
[BVerwG 2 B 18.10 - Beschluss vom 22.12.2010]
Auswertung der Fundstellen (alphabetisch sortiert) Zahlen in Klammern bezeichnen die Nummern der Entscheidungen 1-34)
Auswertung
nach numerischen Spezifikationen oder merkmalsorientierten Kriterien
In den 34 Entscheidungen ab 2002 findet sich keine einzige numerische
oder inhaltliche Spezifikation einer
Wahrscheinlichkeit, so dass völlig offen bleibt, was das BVerwG
mit seinen Wahrscheinlichkeitsbegriffen tatsächlich meint. Das gilt
leider auch für 17 Fundstellen für "hinreichende Wahrscheinlichkeit".
Hier wird der unbestimmte Rechtsbegriff hinreichende Wahrscheinlichkeit§
mit völliger Unklarheit ausgestattet, so dass kein Sachverständiger
wissen kann, woran er sich orientieren soll und kann.
Wichtige Regeln in den Entscheidungen
R1. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. (12)
R2. Der Senat hat schon zu § 12 Abs. 3 AufenthG/EWG entschieden, dass im Hinblick auf die Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit an die nach dem Ausmaß des möglichen Schadens differenzierende hinreichende Wahrscheinlichkeit keine zu geringen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. Urteil vom 10. Juli 2012 a.a.O. Rn. 16 m.w.N.). (...) [BVerwG 1 C 13.11 - Urteil vom 04.10.2012] (12)
R3. Die Kritik des Berufungsgerichts an der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts verkennt, dass jeder
sicherheitsrechtlichen Gefahrenprognose nach den allgemeinen Grundsätzen
des Gefahrenabwehrrechts eine
Korrelation aus Eintrittswahrscheinlichkeit und (möglichem)
Schadensausmaß zugrunde liegt. (14)
R4. Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: Es müssen - bei abstrakt-genereller Betrachtung - hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Dabei liegt es im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern - allenfalls - eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor. Zwar kann auch in derartigen Situationen ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Doch beruht ein solches Einschreiten nicht auf der Feststellung einer Gefahr; vielmehr werden dann Risiken bekämpft, die jenseits des Bereichs feststellbarer Gefahren verbleiben. Das setzt eine Risikobewertung voraus, die - im Gegensatz zur Feststellung einer Gefahr - über einen Rechtsanwendungsvorgang weit hinausgeht und mehr oder weniger zwangsläufig neben der Beurteilung der Intensität der bestehenden Verdachtsmomente eine Abschätzung der Hinnehmbarkeit der Risiken sowie der Akzeptanz oder Nichtakzeptanz der in Betracht kommenden Freiheitseinschränkungen in der Öffentlichkeit einschließt, mithin - in diesem Sinne - "politisch" geprägt oder mitgeprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats - 3. Kammer - vom 28. Februar 2002 - 1 BvR 1676/01 - DVBl 2002, 614). Eine derart weit reichende Bewertungs- und Entscheidungskompetenz steht den Polizei- und Ordnungsbehörden aufgrund der Verordnungsermächtigungen nach Art des § 175 LVwG nicht zu. Denn es wäre mit den dargelegten Grundsätzen der Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen der Exekutive und des Vorbehalts des Gesetzes nicht vereinbar, wenn die Exekutive ohne strikte Bindung an den überlieferten Gefahrenbegriff kraft eigener Bewertung über die Notwendigkeit oder Vertretbarkeit eines Verordnungserlasses entscheiden könnte. Die rechtsstaatliche und demokratische Garantiefunktion der sicherheitsrechtlichen Verordnungsermächtigungen wäre in Frage gestellt, könnte die Exekutive nach diesen Vorschriften bereits einen mehr oder minder begründeten Verdacht zum Anlass für generelle Freiheitseinschränkungen nehmen. Vielmehr ist es Sache des zuständigen Gesetzgebers, sachgebietsbezogen darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau (vgl. hierzu Urteil vom 19. Dezember 1985, a.a.O., S. 316) und auf welche Weise Schadensmöglichkeiten vorsorgend entgegengewirkt werden soll, die nicht durch ausreichende Kenntnisse belegt, aber auch nicht auszuschließen sind (vgl. Pieroth/Schlink/ Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 2002, S. 65 m.w.N.). Allein der Gesetzgeber ist befugt, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen die Rechtsgrundlagen für Grundrechtseingriffe zu schaffen, mit denen Risiken vermindert werden sollen, für die - sei es aufgrund neuer Verdachtsmomente, sei es aufgrund eines gesellschaftlichen Wandels oder einer veränderten Wahrnehmung in der Bevölkerung - Regelungen gefordert werden. Das geschieht üblicherweise durch eine Absenkung der Gefahrenschwelle in dem ermächtigenden Gesetz von der "Gefahrenabwehr" zur "Vorsorge" gegen drohende Schäden (vgl. etwa § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, § 6 Abs. 2 GenTG, § 7 BBodSchG). Demgegenüber ist in § 175 LVwG ausschließlich von der "Abwehr von Gefahren", nicht hingegen von "Vorsorge" oder "Vorbeugung" die Rede. Auch darin zeigt sich positivrechtlich, dass dem Gefahrenbegriff nicht aus sich heraus eine Erstreckung auf die Aufgabe der Risiko- oder Gefahrenvorsorge innewohnt. (...) [BVerwG 6 CN 1.02 - Urteil vom 18.12.2002] (16)
R5. Ob bei der Ausweisung eines Straftäters eine Wiederholungsgefahr in diesem Sinne besteht, kann nicht - gleichsam automatisch - bereits aus der Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung geschlossen, sondern nur aufgrund einer individuellen Würdigung der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. (20)
. | einheitswissenschaftliche
Sicht. Ich vertrete neben den Ideen des Operationalismus, der Logischen
Propädeutik und einem gemäßigten Konstruktivismus
auch die ursprüngliche einheitswissenschaftliche Idee des Wiener
Kreises, auch wenn sein Projekt als vorläufig gescheitert angesehen
wird und ich mich selbst nicht als 'Jünger' betrachte. Ich meine dennoch
und diesbezüglich im Ein- klang mit dem Wiener
Kreis, daß es letztlich und im Grunde nur eine
Wissenschaftlichkeit gibt, gleichgültig, welcher spezifischen
Fachwissenschaft man angehört. Wissenschaftliches Arbeiten folgt einer
einheitlichen und für alle Wissenschaften typischen Struktur, angelehnt
an die allgemeine
formale Beweisstruktur.
Schulte, Joachim & McGuinness, Brian (1992, Hrsg.). Einheitswissenschaft - Das positive Paradigma des Logischen Empirismus. Frankfurt aM: Suhrkamp. Geier, Manfred (1992). Der Wiener Kreis. Reinbek: Rowohlt (romono). Kamlah, W. & Lorenzen, P. (1967). Logische Propädeutik. Mannheim: BI. |
Wissenschaft [IL] schafft Wissen und dieses hat sie zu beweisen, damit es ein wissenschaftliches Wissen ist, wozu ich aber auch den Alltag und alle Lebensvorgänge rechne. Wissenschaft in diesem Sinne ist nichts Abgehobenes, Fernes, Unverständliches. Wirkliches Wissen sollte einem Laien vermittelbar sein (PUK - "Putzfrauenkriterium"). Siehe hierzu bitte das Hilbertsche gemeinverständliche Rasiermesser 1900, zu dem auch gut die Einstein zugeschriebene Sentenz passt: "Die meisten Grundideen der Wissenschaft sind an sich einfach und lassen sich in der Regel in einer für jedermann verständlichen Sprache wiedergegeben." |
Allgemeine
wissenschaftliche
Beweisstruktur
und beweisartige Begründungsregel
Sie ist einfach - wenn auch nicht einfach durchzuführen - und lautet: Wähle einen Anfang und begründe Schritt für Schritt, wie man vom Anfang (Ende) zur nächsten Stelle bis zum Ende (Anfang) gelangt. Ein Beweis oder eine beweisartige Begründung ist eine Folge von Schritten: A0 => A1 => A2 => .... => Ai .... => An, Zwischen Vorgänger und Nachfolger darf es keine Lücken geben. Es kommt nicht auf die Formalisierung an, sie ist nur eine Erleichterung für die Prüfung. Entscheidend ist, dass jeder Schritt prüfbar nachvollzogen werden kann und dass es keine Lücken gibt. |
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
z.B. Forensische Psychologie site:www.sgipt.org. |