Internet Publikation für
Allgemeine und Integrative Psychotherapie
(ISSN 1430-6972)
IP-GIPTDAS=21.10.2017
Internet Erstausgabe, letzte Änderung: 11.11.20
Impressum:
Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel
Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
Mail:_sekretariat@sgipt.org_
Zitierung
& Copyright
Anfang_
Ontologie
des Psychosozialen_
Datenschutz_
Rel. Aktuelles _Überblick_Überblick
Wissenschaft _Rel.
Beständiges_ Titelblatt_Konzept_Archiv_Region_Service
iec-verlag___ _Wichtige
Hinweise zu Links und Empfehlungen
Willkommen in unserer Internet-Publikation
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Wissenschaft,
Bereich Wissenschaftstheorie und hier speziell zum Thema:
Ontologie des Psychosozialen
aus allgemeiner und integrativer psychologischer
Sicht.
"Institutionen handeln nicht, sondern nur Individuen
in oder für Institutionen "
Karl Popper (1962)
Originalarbeit von Rudolf
Sponsel, Erlangen
Einführung Die Ontologie des Psychosozialen
ist für viele Gebiete der Psychologie und ihre Wissenschaftstheorie
wichtig, weil sich gerade im Psychischen und Psychopathologischem, auch
in Soziologie, Kriminologie und im Recht, oft die Frage stellt, in welcher
Weise unsere Konstruktionen existieren oder worauf genau sie
referieren
und wie man das beweisen oder empirisch nachvollziehbar begründen
kann? Wie existiert etwa ein "Persönlichkeitskern", eine Verhaltensdisposition
oder familiäre Bindungen und damit "Familien"? Was haben Gruppen
für eine Ontologie? Existieren sie "objektiv" als selbstständige
Wesenheiten oder "nur" in unseren Köpfen? Ohne Zweifel wird in der
täglichen Lebenspraxis oft so gesprochen als ob viele psychosoziale
Konstruktionen, wie Beziehungen, Bindungen, Paare, Familien, Freundschaft,
Liebe, Gruppen (formelle wie informelle), Milieu, Typ, Sozialisation usw.
usf. existieren - wie Häuser, Landschaften, Dörfer, Städte,
die Erde oder der Mond. Während die Philosophen seit Aristoteles keine
nennenswerte Fortschritte zustande bringen und immer neue Systeme in ebenso
epischer wie meist praktisch unbrauchbarer Breite entwickeln, kümmern
sich die PsychologInnen so gut wie gar nicht um das Thema. Das hat wahrscheinlich
damit zu tun, dass einerseits die Philosophen wenig empirisch Nützliches
anzubieten haben und andererseits die Sprachpraxis weitgehend Problemfreiheit
signalisiert. Kein Mensch hat ein Problem damit, zu verstehen was ein Paar,
eine Familie oder eine Gruppe oder ein Typ ist. Der Alltagssprachgebrauch
scheint
weitgehend reibungslos zu funktionieren. Die Probleme stellen sich bei
genauerer Betrachtung aber sehr schnell ein, wenn man z.B. fragt, ob ein
gewisser Milieueinfluss schädlich, günstig oder neutral in Bezug
auf die Persönlichkeitsentwicklung einzuschätzen ist. Aus diesen
Gründen halte ich es für sinnvoll, die Probleme der Ontologie
des Psychosozialen explizit und ausführlich zum Thema zu machen. Viel
kann man hier von den JuristInnen lernen, die in der Rechtspraxis gar nicht
anders konnten, als die psychosoziale Wirklichkeit in handhabbare Begrifflichkeiten
zu fassen, z.B. Person, juristische Person, Verein, Gesellschaft, Handlungsfähigkeit,
Vertragsfähigkeit, Rechtsfähigkeit u.v.a.m.
Historischer Exkurs - Aristoteles
Ontologie, ein Ausdruck, der erst im 17. Jhd.
aufkam, gilt seit Aristoteles als die allgemeine Wissenschaft vom Seienden
und Sein als die "erste Philosophie". Er hat sie in seiner Metaphysik
im 4. Buch im 1. Kapitel, hier aus meiner Ausgabe, Rowohlts Klassiker,
wie folgt eingeleitet:
Die Ausführungen von Aristoteles sind auch heute noch überwiegend
verständlich (aber nicht: "Wesenheit an sich"). Die Ontologie in diesem
Sinne geht über die Einzelwissenschaften hinaus und studiert auf einer
sehr allgemeinen Ebene das Sein und das Seiende wogegen es grundsätzlich
nichts einzuwenden gibt, wie Bochenski
ausführlich darlegt. Dazu gehören naturgemäß die Formen
des Seins und Nichtseins und ihre Einteilung (Kategorienlehre).
Die Ontologie ist von heutigen Standpunkt aus gesehen ein Teil der allgemeinen
Wissenschaftstheorie und wird damit hoffentlich ihre philosophischen Fehlleistungen
und Gespenster verlieren.
Ontologische Grundvoraussetzungen
Vorausgesetzt und nicht weiter in Frage gestellt wird hier erstens
die Existenz einer realen Außenwelt, die unabhängig von den
Menschen existiert und wovon der Mensch mit all seinem subjektiven Erleben
ein ebenso objektiver Teil ist wie die Erscheinungen der Natur, die naturwissenschaftlichen
Objekte und Beziehungen.
Zweitens wird von der Gültigkeit des erkenntnistheoretischen
Fundamentalsatzes ausgegangen, dass Erkenntnis immer nur relativ zu einem
erkennenden System gilt. Daraus ergibt sich zwanglos, dass die Erkenntnis
im Wesentlichen von zwei Parametern abhängt: dem erkennenden System
(Subjekt) und den zu erkennenden Sachverhalten (Objekte). Das Ding
an sich ist nach diesem Ansatz nicht erkennbar, da jedes
Ding oder jeder Sachverhalt, der erkannt wird, immer nur von einem erkennenden
System erkannt werden kann und nicht an sich.
Wissenschaftliche Erkenntnisse streben Objektivität
an. Im Allgemeinen ist damit gemeint, dass eine Aussage nicht nur für
ein Individuum oder eine Gruppe von Individuen gilt, sondern überindividuell
allgemein, d.h. intersubjektiv. Idealiter
postuliert der Objektivitätsbegriff, dass auch unterschiedliche erkennende
Systeme zu gleichen Ergebnissen gelangen. Ob hier z.B. ein Stein liegt,
sollte "objektiv" feststellbar sein. Das ist nicht der Fall bei Halluzinationen.
Wenn aber Halluzinationen stattfinden, so sind diese nicht weniger objektiv
als der alltägliche Sonnenaufgang. Und damit landen wir, jedenfalls
scheinbar, in einem Paradoxon. Einerseits gibt es die Halluzination (=
Wahrnehmung ohne äußere Wahrnehmungsquelle), deren Gegenstand
oder Inhalt von anderen zwar nicht geteilt wird, aber doch real bei dem
Individuum, das halluziniert, vorliegt und damit objektiv feststellbar
sein sollte. In der Testpsychologie ist Objektivität ein Testgütekriterium.
Es besagt, dass ein Testergebnis dann objektiv ist, wenn es unabhängig
vom Testabnehmer und Auswerter zum gleichen Ergebnis kommt.
Frei nach Hamlet
sind die zwei Grundfragen sein oder nicht
sein. Aus menschlicher Perspektive kann die Frage sein
oder nicht sein für folgende Wirklichkeitsbereiche
praktisch unterschieden werden:
-
die wirklichen oder realen Sachverhalte der Welt
-
denkbare Sachverhalte
-
phantasierte Sachverhalte
-
unmögliche Sachverhalte
-
mögliche Sachverhalte
-
so oder so wahrscheinliche Sachverhalte
-
erwünschte Sachverhalte
-
gebotene oder verbotene Sachverhalte (Welt der Normen, Moral, Ethik und
Recht)
Diese grundlegenden Unterscheidungen können zu einem praktischen
System von Referenzwelten dienen.
Kategorien
aus psychosozialer Sicht
Kategorien dienen der Einteilung und Ordnung, im Alltag fragt man z.B.
in welche Kategorie gehört der, die oder das? Grundkategorien
- Aristoteles schuf 10, Kant 12 - des Seienden
und Nichtseienden findet man aus Sicht der Denkpsychologie hier: Der
Aufbau der Welt. Praktisch psychologisch finden sich die psychologisch
bedeutsamen Kategorien im Allgemeinen
psychologischen Referenzmodell. Ganz allgemein stellt sich die Frage:
-
Was soll erkannt werden, z.B. ob ein bestimmter Sachverhalt in einem bestimmten
Raumzeitgebiet vorliegt oder wie er vorliegt bzw. nicht vorliegt?
-
Was soll das erkennende System für Eigenschaften oder Werkzeuge haben?
Wie soll das erkennende System beschaffen sein?
Allgemeine
Ontologie des Psychosozialen
Die Gretchenfrage lautet: Existieren die psychosozialen Konstrukte
als eigenständige Sachverhalte wie Häuser, Bäume, Steine,
Planeten (platonistische Einstellung) oder nur in den Köpfen der Menschen
mit psychosozialen Konsequenzen (Konzeptualismus) oder nur als Einbildung
ohne objektive Bedeutung (nominalistischer Nihilismus im Sinne Max
Stirners)? Wobei man beim Konzeptualismus vielleicht noch eine
fiktionale
Varianten im Sinne Vaihingers unterscheiden kann, indem man die
psychosozialen Sachverhalte so behandelt, als ob es sie in der Weise wie
Häuser, Bäume, Steine oder Planeten gäbe. Ontologisch kann
man in der Hauptsache folgende Positionen einnehmen:
-
Gruppen existieren real als eigenständig agierende Sachverhalte oder
Entitäten (Platonismus).
-
Gruppen können als eigenständig handelnde Subjekte konstruiert
werden.
-
Gruppen existieren nur in den psychomentalen Verfassung - in den "Köpfen"
- der Mitglieder und ihrer Betrachter, sind aber sozial wirksam (Konzeptualismus)
indem sie Tun und Lassen regulieren bzw. beeinflussen.
-
Gruppen sind nur Einbildung (fixe Ideen im Sinne von Stirner),
eine Konstruktion ohne reale Bedeutung (radikaler Skeptizismus).
Was sich daraus für die Wechselwirkung und Beziehung zwischen Mitglied
und Gruppe jeweils ergibt, kann nur empirisch erforscht werden. Bevor ich
das an einigen Beispielen ausführlich untersuche, möchte ich
zunächst das allgemeine psychologische Referenzmodell einführen.
Allgemeines
psychologisches Referenzmodell (Denkpsychologie)
|
Bemerkungen zum Allgemein-Psychologischen-Referenz-Modell
Referierender - Referenz - Referenzierte.
Die Graphik zeigt vier Grundmodelle der Referenzierung aus denkpsychologischer
Sicht: Ich (Aussagen über mich), Anderer (Aussagen über andere),
Natur (Aussagen über die Natur), Kultur (aussagen über Soziokulturelles).
Am einfachsten ist zweifellos das Referenzieren auf äußere Dinge,
die der Wahrnehmung und gemeinsamer Handlungs- und Lebenspraxis zugänglich
sind. So fängt die Sprach- entwicklung auch weitgehend an: Mama, Papa,
Auto, Handy, Wauwau, ...
Schwieriger kann es werden, wenn es um das Erleben und nicht direkt
beobachtbare seelisch-geistige Prozesse eines ich oder
selbst
oder gar um "höhere" Wahrnehmungsebenen
(Laing) geht.
Die Referenz der Innenwelt kann den Objekten des Personalpronomens
"ich" (bzw. seinen Entsprechun- gen) zugeschrieben werden.
Bemerkt ein Mensch, was in ihm vorgeht, so heißt "ich"
das Referierende und das, was bemerkt wird, das Referenzierte. Z.B. wenn
sich jemand fragt, wie es ihm geht, dann heißt ergehen so
und so das Referenzierte. Wenn sich jemand fragt, wie sein Partner
meint, dass es ihm geht, gibt es zwei Referenzierungen, nämlich erstens
mein
Ergehen so und so und wie ich das zweitens in das Erleben
meines Partners projiziere. Die Referenzierungen des Erlebens können
als unterscheidbare Bewusstseinsinhalte angesehen werden.
[Von der Quelle]
|
Referenzwelten RWindex
[Quelle
Dialektik]
Bringt man die ontologischen Ebenen oder Referenzwelten durcheinander,
kann man sich schnell verstricken und verheddern. Ich führe folgende
ontologische Ebenen ein, um eindeutig kennzeichnen zu können, in welchen
Referenzwelten wir uns befinden:
Referenzwelten RWindex der
ontologischen Bereiche OB.
-
RWO Objektive Welt (Natur, naturwissenschaftliche
Welt) heiße die Referenz-Welt, die es auch gibt, wenn man sich die
Menschen hinwegdenkt, wenn auch nicht für immer und ewig, sondern
zeitlich begrenzt.
-
RWM Welt der Menschen, Individuen, Gruppen,
Gemeinschaften, Gesellschaften und Staaten. Auch der Mensch gehört
mit zur Natur und kann naturwissenschaftlich betrachtet werden.
-
RWME Erlebens-Welt heißt die Referenz-Welt,
die der Mensch erlebt. RWME ist Teil der RWM. RWME
und RWMW können sich überschneiden, wobei auch
nichtbewusste Wahrnehmungen das Erleben beeinflussen können.
-
RWMW Wahrnehmungs- oder Wirklichkeitswelt
heißt die Referenz-Welt, die der Mensch mit seinem Wahrnehmungs-
und Verarbeitungsapparat erfährt und konstruiert. RWMW
ist Teil der RWM.
-
RWMD Denk- und Begriffswelt, ein Teil
der Erlebens-Welt, heißt die Referenz-Welt, die der Mensch mit seinen
Begriffsbildungen und ihren Beziehungen konstruiert und erzeugt. Die Denk-
Begriffswelt kann als die Sprache des Geistes angesehen werden kann.
RWMD ist Teil der RWM. und RWME.
-
RWMP Phantasiewelt.
-
RWMN Normwelt, die Welt der Gebote,
Verbote und des Erlaubten.
-
RWMB Wunsch- und Bedürfniswelt,
die Welt der Wünsche und Bedürfnisse
-
RWMS Sprachliche Welt heißt die Referenz-Welt,
die der Mensch in seiner Kommunikationssprache beschreiben kann. RWMS
ist Teil der RWM.
-
RWMV Verhalten, handeln, tun.
-
RWm Möglichkeitswelt, Welt der
Wahrscheinlichkeiten.
RWonS Referenzwelt ohne nähere
Spezifikation: keine Referenzwelt angegeben, Bezugnahme ohne nähere
Spezifikation. Der Normalfall beim Sprechen oder schreiben.
Beispielanalysen für die Ontologie
psychosozialer Sachverhalte
Ontologie
der Bindung
im Psychosozialen
Bindung ist ein psychosoziales Konstrukt und von der Entwicklungspsychologie
ziemlich gut grunderforscht. Sie spielt eine große Rolle für
das Aufwachsen und die Persönlichkeitsentwicklung. Nahe Bezugspersonen
sind aneinander gebunden, wobei die Bindungspsychologie wichtige Grundmuster
unterscheidet. Der Prototyp ist die Bindung zwischen Eltern und Kind, also
die Mutter- und Vaterbindung. In welcher Weise existiert nun diese Bindung,
wobei es auch viele andere Bindungen gibt, nicht nur an Menschen, sondern
auch an alles mögliche andere (A-Bindungstheorie)?
Zeichen von Bindung Wie kann sich
Bindung zwischen A und B äußern?
Die folgenden Ausführungen sind potentielle Kandidaten, ob die
jeweiligen Sachverhalte tatsächlich Bindung ausdrücken, muss
im Kontext der jeweiligen Situation geprüft werden. Denn auch ein
Dieb sucht z.B. physikalische Nähe und telefonieren oder mailen kann
man ohne eine Beziehung pflegen zu wollen.
Innerlich (nicht sichtbar, aber kommunizierbar)
-
öfter an den anderen denken
-
Erinnerungen an frühere Interaktionen aktivieren
-
mit dem anderen ein Vertrautheitsgefühl verbinden
-
mit dem anderen zusammensein sein wollen
-
mit dem anderen etwas unternehmen wollen
-
mit dem anderen sprechen und sich austauschen wollen
-
sich an den anderen anlehnen wollen
-
sich vom anderen beachtet, anerkannt und angenommen fühlen (wollen)
-
Anteil nehmen, wie es dem anderen geht
-
am Wohlergehen des anderen interessiert sein
-
am Leben des anderen interessiert sein
-
die Aufmerksamkeit des anderen aktivieren wollen
-
bei Trennung Trennungsschmerz oder Trennungsgefühle
-
sich nach Zuwendung sehnen
Äußerlich (sichtbar, aber mehrdeutig und daher abzusichern)
-
Es wird physikalische Nähe gesucht: nahe beieinander sein, auch anklammern
bei kleinen Kindern.
-
sich auch zusammen zeigen
-
zusammen sein
-
Berührungen austauschen (Händchen halten, umarmt laufen)
-
bis hin zu Zärtlichkeiten und Intimitäten
-
sich anblicken, Blick suchen
-
anlächeln
-
miteinander sprechen
-
miteinander etwas unternehmen
-
Kontakt pflegen: telefonieren, sms, Mail, Karten, Briefe, ...
-
bei Trennung Suchverhalten
-
Zuwendung zeigen und suchen
-
helfen, unterstützen, fördern
-
beschützen, für den andern eintreten
Äußere Objektivierungen
-
zusammen leben
-
gemeinsame Aktivitäten durchführen
-
urkundliche oder urkundenartige gemeinsame Erfassung(en) von Zugehörigkeiten:
Telefonkontakte, Mailkontakte, Briefe, Fotos, Videos, Tagebuchaufzeichnungen,
Berichte, Familienbuch, Heiratsurkunde, Mitgliedsausweise u.a.m.
-
beim Umziehen helfen
-
mit in den Urlaub fahren
Umgebungsansichten (Fremdbeurteilungen)
-
Beurteilungen der Beziehung durch andere
-
die gehören zusammen, die sind ein Paar, Familie, Freunde, Interessenverbundene
Zusammenfassung
Ontologie der Bindung im Psychosozialen
Bindung ist ein abstrakter Konstruktionsbegriff. Sie wird überdauernd
gedacht, obwohl sie auch dem Wandel unterliegt. Bindungen können sich
verändern. Sie äußern sich im Erleben (innerlich) und Verhalten
(äußerlich) der Menschen, im Normalen (Psychologie) wie im Gestörten
(Psychopathologie). Es gibt daher äußere und innere Zeichen,
äußere Objektivierungen und äußere Beurteilungen
aus der Umgebung. Die äußeren Zeichen kann man beobachten, die
inneren muss man - kunstgerecht
- erfragen. Sofern Bindung auf den Menschen bezogen ist, existiert die
abstrakte Bindungskonstruktion auch höchstens so lange, wie es Menschen
gibt. Menschen können sich an vieles, ja an fast alles binden: An
Menschen, an Umgebungen, an Verhaltensweisen, Gewohnheiten und Stoffe (Ernährungsgewohnheiten,
Genußmittel, Sucht) [Quelle].
Man kann Bindungen auch nach Qualitäten
unterscheiden. Bindungspotentiale können ruhen oder aktiviert werden
und aktiv sein.
Es gibt auch naturwissenschaftliche Analogien: physikalische
"Bindung" als Anziehung oder Abstossung von Massen, Schwerkraft, Magnetismus;
chemische Bindung von Stoffen; biologische Bindung durch Attraktion für
die Sinnesorgane. Und im Recht gibt es ganz allgemein die Bindung an Verträge
und das Recht selbst.
Ontologie einer
informellen Gruppe
Eine informelle Gruppe besteht aus Mitgliedern ohne bürokratisch
festgehaltene Verfassung (Satzung) oder Regeln. Sie können sich regelmäßig
oder unregelmäßig treffen, man kann sich vielleicht je nach
Lust und Laune zum üblichen Treffpunkt begeben und findet dann den
einen oder anderen dort vor. Man trifft sich vielleicht aus purer Freude
oder Interesse am Kontakt. Man tauscht sich aus, unterhält sich, hört
Musik, sieht sich Bilder oder Videos an und tauscht sie vielleicht auch
aus. Beim Treffen ergeben sich vielleicht weitere Ideen, was man machen
könnte: eine Veranstaltung, eine Gaststätte oder Club besuchen,
durch die Straßen ziehen, da oder dort hingehen.
In welcher Weise existiert diese Gruppe? Nun, sie
scheint real, wenn sie sich trifft, und zwar durch genau das, was ihre
Mittglieder beim Treffen tun oder lassen. Das gesamte Geschehen ist aber
nicht allen gleichermaßen zugänglich, jeder bekommt hauptsächlich
nur den Teil mit, der um ihn herum geschieht.
Wenn sich die Gruppe gerade nicht trifft existiert
sie nur potentiell in den Köpfen der Mitglieder, aktiviert, wenn sich
jemand mit der Gruppe als solcher oder mit ihren Mitgliedern gerade
befasst. Was heißt nun: mit der Gruppe als solcher? Nun, ein
Mitglied könnte denken: wir sind eine dufte Gruppe, ein feiner Haufen,
fast immer ist was los und es ist meist schön, dabei zu sein. Damit
wird eine Aussage über die Gruppe als solche gemacht. Es scheint so,
als wäre diese Gruppe etwas eigenständiges, über die man
etwas sagen kann. Aber ist das konstant? Läuft nicht jedes Treffen
genau betrachtet unterschiedlich ab? (1) Einer checkt vielleicht gerade
seine Mails. (2) Drei unterhalten sich. (3) Zwei sehen sich Bilder an.
(4) Einer aktiviert gerade ein Lied und (5) einer sitzt und hat die Hände
über den Kopf gelegt. Drei Minuten später ist das meiste anders.
"Die Gruppe" zeigt ein sehr heterogenes Leben. Nach voriger Schilderung
gibt es 5 Teilgruppen, die jeweils eigenen Aktivitäten nachgehen.
Was ist hier also "die" Gruppe? Die fünf Teile verbindet die räumliche
Nähe, der Treffpunkt und die Mitglieder (man kennt sich).
In welcher Weise existiert nun diese informelle
Gruppe? Kann diese Gruppe etwas sagen? Kann sie sich verhalten? Wenn sie
eine GruppensprecherIn hat, vielleicht nur zeitweise, dann wird man wohl
zugeben, dass die Gruppe etwas sagen kann, nämlich durch und
mit ihrer SprecherIn. Manchmal liest man in der Zeitung, dass eine Gruppe
grölender Leute durch die Straßen zog, dass eine Gruppe randalierte
oder ein Ständchen brachte. Fast jeder versteht diese Redeweisen.
Literatur (Auswahl)
> Literaturverzeichnis
Mitglied und Gruppe.
-
Aristoteles (384-322) Metaphysik. https://www.zeno.org/Philosophie/M/Aristoteles/Metaphysik
-
Aristoteles (384-322) Organon. https://www.zeno.org/Philosophie/M/Aristoteles/Organon
-
Aristoteles (384-322) Physik. https://www.zeno.org/Philosophie/M/Aristoteles/Physik
-
Avenarius, Hermann (1985) Kleines Rechtswörterbuch. Freiburg: Herder.
-
Bochenski, J. M. (1951) Philosophie der Gegenwart.
2. A. Bern: Francke.
-
Bochenski, J. M. (1959 ff) Wege zum philosophischen Denken. Freiburg: Herder.
-
Carnap, Rudolf (1931/32) Überwindung der Metaphysik durch logische
Analyse der Sprache. In: Erkenntnis 2 (4), 219–241. [u.a. Analyse "Das
Nichts nichtet" von Heidegger]
-
Falkenburg, Brigitte (2012) Mythos Determinismus. Wieviel erklärt
uns die Hirnforschung? Heidelberg: Springer.
-
Friedrich, Walter J. (1986) Rechtskunde für jedermann. 5. Auflage.
München: Beck.
-
Friedrich, Walter J. (1996) Rechtsbegriffe des täglichen Lebens. 10.
Auflage. München: Beck.
-
Geiger/Mürbe/Wenz (1996) Beck'sches Rechtslexikon. München: Beck/dtv.
-
Meixner, Uwe (2004) Einführung in die Ontologie. Darmstadt: WBG.
-
Mittelstraß, Jürgen (1980-1996, Hrsg.). Enzyklopädie Philosophie
und Wissenschaftstheorie. 4 Bde. Die ersten beiden Bände erschienen
bei BI, Mannheim. Die letzten beiden Bände bei Metzler, Stuttgart.
Inzwischen ist eine Neuauflage am Erscheinen.
-
Popper, Karl R. (1962) Logik der Sozialwissenschaften Kölner
Zeitschrift für Soziologie und Sozial-Psychologie,
14.Jhrg., 1962, p.233-248.
-
Sartre, Jean-Paul (dt. 1962) Das Sein und das Nichts. Reinbek: Rowohlt.
Insbesondere: Die konkreten Verbindungen mit anderen. 3. Teil, 3.
Kapitel (464-548).
-
Schmid, H.B. & Schweikard, D.P. (2009, Hrsg.) Kollektive Intentionalität.
Eine Debatte übger die Grundlagen des Sozialen. Frankfurt aM: Suhrkamp.
-
Schmidt / Schischkoff (1961) Philosophisches Wörterbuch. Stuttgart:
Kröner.
-
Schoeck, Helmut (1973) Soziologisches Wörterbuch. 7. A. Freiburg:
Herder.
-
Searle, John R. (dt. 2009) Einige Grundprinzipien der Sozialontologie.
In (503-533) Schmid, H.B. & Schweikard, D.P. (2009, Hrsg.)
-
Vaihinger, Hans (1913) Die Philosophie des Als Ob. System der theoretischen,
praktischen und religiösen Fiktionen der Menschheit aufgrund eines
idealistischen Positivismus. 2. A. Berlin: Reuther & Reichard. Die
8. Auflage von 1922 ist als pdf Online.
-
Walther, Gerda (1923?) Zur Ontologie der sozialen Gemeinschaften. Jahrbuch
für Philosophie und phänomenologische Forschung. [Online]
-
Weinberger, Ota (1986) Ontologie, Hermeneutik und der Begriff des geltenden
Rechts. Konferenz: Symposium "Rechtsgeltung in Theorie und Praxis", Graz,
1985. In (109-126) Internationale Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie
e.V. (1986) Rechtsgeltung: Ergebnisse des ungarisch-österreichischen
Symposiums der Internationalen Vereinigung für Rechts- und Sozialphilosophie
/ Csaba Varga: Stuttgart: Steiner. Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie,
Beiheft 27.
-
Wittgenstein, Ludwig (1960) Schriften von Ludwig Wittgenstein. Tractatus
logico philosophicus, Tagebücher, Philosophische Untersuchungen. Frankfurt:
Suhrkamp.
Links (Auswahl: beachte)
> Querverweise.
Glossar,
Anmerkungen und Fußnoten > Eigener
wissenschaftlicher Standort.
1)
GIPT= General and
Integrative
Psychotherapy,
internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
__
Abstrakte und allgemeine
Begriffe
"Es ist prinzipiell genau zu unterscheiden zwischen
abstrakten Begriffen und allgemeinen Begriffen: „Güte, Farbe, Glätte,
Gleichheit" sind abstrakte Begriffe, denn die betreffenden Eigenschaften
sind von konkreten Dingen durch Isolation losgelöste, aber
in Wirklichkeit nicht selbständig vorkommende Qualitäten der
Dinge; "Stein, Pflanze, Tannenbaum, Schiff" sind allgemeine Begriffe, welche
durch
Generalisation aus vielen ähnlichen Einzelerscheinungen zusammengesetzt
sind. Die Scheidung ist eine prinzipielle, aber auch nur eine prinzipielle:
in praxi wirken die beiden Operationen der Isolation und der Generalisation
fast immer zusammen. Um der Klarheit der Darstellung willen ist es jedoch
zweckmässig, diese beiden Arten theoretisch genau zu trennen. In den
Verhandlungen über Abstraktion, welche von Steinthal, Wundt, Liebmann,
Lotze, Caspari, Schuppe, Göring u. A. geführt worden sind, ist
jener prinzipielle Unterschied meist nicht genügend zur Geltung gekommen.
Condillac (De l'art de penser, Ch. VIII, S. 96) macht zwar eine scharfe
prinzipielle Scheidung zwischen idées abstraites und idées
générales, wirft aber faktisch doch beides durcheinander.
Vgl. Logique (Oeuvres XXII) S. 131ff." (Vaihinger 1922, S. 399, Fußnote
1., Gesperrtschrift bei Vaihinger hier fett)
__
Allgemeinbegriff
"Was ist nun aber im Verhältnis zur realen
Wirklichkeit das Allgemeinbild, was der Begriff? Objektiv gibt es nur Einzelnes,
gibt es nur Getrenntes. Wir sahen eben, dass der Vorstellung [>401]
„Baum" nichts Reales entspricht, was sich mit ihr deckt. Also weicht
auch hier das Denken von der Wirklichkeit ab. Alle die geschilderten
Operationen und psychischen Prozesse verändern den unmittelbaren Stoff
der Wahrnehmung und treiben die Begriffe heraus, in denen allgemeine Typen,
denen also nichts Nachweisbares, nichts Wirkliches entspricht, dargestellt
werden. Es gibt nur einzelne „Sterne", keinen „Stern", es gibt nur einzelne
„Hunde", keinen „Hund" überhaupt. Es gibt nur einzelne „Menschen",
keinen „Menschen" überhaupt. Alle diese Vorstellungen stellen absolut
nichts Wirkliches dar: wirklich ist nur das einzelne Geschehen, welches
der Seele zugetragen wird, welches sie aufnimmt und verarbeitet.
In diesem allgemeinen Flusse bilden sich Knotenpunkte, indem sich einige
prominente Eigenschaften als Kern konstituieren.
Also „Stern", „Hund", „Mensch"
sind Vorstellungen, denen keine Wirklichkeit entspricht. Diese Begriffe
sind demnach psychische Gebilde, welche das Denken aus dem gegebenen Material
herausarbeitet vermöge des dargelegten psychischen Mechanismus.
Allein diese rein mechanischen Produkte des psychischen Lebens erfüllen
einen ungeheuer wichtigen Zweck. Der Begriff, die Allgemeinvorstellung
für sich bedeuten noch keine Erkenntnis; — abgelöst und isoliert
vom Satz sind sie fiktive Gebilde, denen nichts Wirkliches korrespondiert.
Allein an die Allgemeinvorstellung
knüpft sich der Satz an, sie drängt von selbst zum Satz.
Vermittelst dieses an die Allgemeinvorstellung angehefteten Satzes wird
nun der eigentliche Zweck des Denkens erreicht; nur dadurch ist das allgemeine
Urteil möglich; und darauf beruht, wie Steinthal S. 21 bemerkt,
alles Klassifizieren, Ordnen, alles Begreifen, Beweisen und Schliessen."
(Vaihinger 1922, S. 400f, Gesperrtschrift bei Vaihinger hier fett)
Anmerkung: was ist mit einem
Wolfsrudel, einer Herde Rinder, einem Ameisenhaufen, einer Fußballmannschaft,
einer Schulklasse, einem eingetragenen Verein?
__
an
sich sein - für sich sein
Ausdrücke u.a. von Sartre. An sich
sein meint unabhängig von einem erkennenden System (Betrachter),
also dasselbe wie Kants Ding
an sich. Vom an sich sein können wir so wenig wissen
wie vom Ding an sich. Da jedes Wissen ein erkennendes System voraussetzt,
kann ein Wissen vom an sich sein oder des Dings an sich nicht
mehr unabhängig vom erkennenden System sein. Jede Erkenntnis und jedes
Wissen ist abhängig von einem erkennenden System. Man kann diese Abhängigkeit
aber mindern, wenn man bestimmte subjektive Gegebenheiten ausschaltet oder
minimiert, etwa bei typisch menschlichen Wahrnehmungseigenarten, z.B. Farben
sehen. Es gibt in der Natur nur unterschiedliche Wellenlängen, wovon
das erkennende System Mensch die Wellen 380-780 nm als Farben wahrnimmt.
Die Naturwissenschaften kommen dem an sich aber ziemlich nahe.
Für sich sein "...
Wir werden sehen, daß das Sein des Für-sich im Gegensatz
dazu bestimmt werden muß als das, was es nicht ist, und als nicht
das, was es ist." (Das Sein und das Nichts, dt. 1960, S. 33)
__
Bochenski
zu Sartres Fürsichsein: "C. DAS FÜRSICHSEIN. Die Antwort
auf diese Frage lautet: Dies ist deshalb möglich, weil es in der Welt
außer dem vollen, starren, durch das Insichsein bestimmten Seienden
noch einen ganz anderen Typus des Seins gibt: nämlich das Fürsichsein
(le pour-soi), das spezifisch menschliche Sein. Da aber alles, was ist,
Seiendes, also Insichseiendes sein muß, folgert Sartre ganz konsequent,
daß dieser andere Seinstypus nur ein Nicht-Sein sein kann, also im
Nichts (le neant) besteht. Das Mensch-sein kommt dadurch zustande, daß
das Seiende sich nichtet (se neantise). Das Nichts ist hier ganz buchstäblich
zu nehmen. Sartre erklärt, daß das Nichts nicht ist; man kann
nicht einmal sagen, daß es sich nichtet - nur das Seiende kann sich
nichten, und nur im Seienden kann das Nichts als «ein Wurm»,
als «ein kleiner See» bestehen.
Daß der Mensch als solcher,
d. h. das Fürsichseiende, im Nichten besteht, wird in folgender Weise
bewiesen. Zuerst stellt Sartre mit Heidegger fest, daß nicht die
Negation das Nichts begründet, sondern daß umgekehrt die Negation
eine Grundlage im Objekt selbst hat, daß es also «negative
Wirklichkeiten» (des negatites) gibt. So können wir z. B., wenn
etwas im Auto in Unordnung geraten ist, in den Vergaser sehen, diesen befragen
und finden, daß es dort nichts gibt. Nun aber kann das Nichts vom
Insichseienden selbst nicht stammen, denn das Insichseiende ist, wie gesagt,
erfüllt von Sein und dicht. Also kommt das Nichts durch den Menschen
in die Welt. Um aber eine Quelle des Nichts sein zu können, muß
der Mensch das Nichts in sich selbst tragen. Und in der [>183] Tat zeigt
die Analyse des Fürsichseienden nach Sartre, daß der Mensch
nicht nur das Nichts in sich trägt, sondern geradezu im Nichts besteht.
Dies ist zwar nicht dahin zu verstehen, daß der Mensch als ganzes
ein Nichts wäre; im Menschen findet sich Insichseiendes: sein Körper,
sein Ego, seine Gewohnheiten usw. Aber das spezifisch Menschliche besteht
darüber hinaus im Nichts"
Quelle S. 183
f: Bochenski, J. M. (1951) Philosophie der Gegenwart. Bern: Francke.
Der Schluss Sartres und Bochenskis
ist falsch. Denn aus der Tatsache, wenn sie denn unterstellt wird, das
jedes Seiende ein in sich Seidenes sein muss, folgt, dass es nichts
anderes gibt. Und wenn es doch etwas anderes geben sollte, nämlich
das spezifisch menschliche Sein, dann ist dies sicher nicht Nichts, sondern
eben das spezifisch menschliche Sein. Damit wird lediglich ein Widerspruch
herbeigeführt: Nämlich spezifisch menschlich Seiendes (für-sich-sein)
gibt es, aber jedes Seiende ist ein in-sich-Seiendes und per definitionem
kein in-sich-Seiendes. Der zweite Widerspruch ist, dass etwas Seiendes
Nichts sein soll. Das alles ist so hochgradig wirr, dass man sich fragt,
wie ein solcher Unsinn so berühmt werden konnte.
Anmerkung
Sprache Neigen die Philosophen mit wenigen Ausnahmen oft zu unverständlichem
Breittreten ihrer Themen, so gebührt den Existenzialisten hierbei
ohne Zweifel die Goldmedaille. Wenn etwa Sartre sagt, das das Für-sich-sein
das ist, was es nicht ist, und nicht das, was es ist, sträuben sich
mir die Haare. Auch Bochenski kann ich nicht folgen. Eine der Grundkrankheiten
der Philosophen ist die substantivische,
hypostasierend-homunkuleske Sprache. Wittgenstein hat wohl mehr als
recht, wenn er die Sprache für den Hauptfeind des klaren Denkens hält:
"Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung des Verstandes durch
die Mittel unserer Sprache." [Philosophische Untersuchungen 109] Ich fürchte
allerdings, die Oberhexe - mit einigen Ausnahmen - ist die Philosophie
selbst.
__
Bochenski
Bochenski beschrieb in seinen Werk Wege zum philosophischen Denken
S. 94 ff drei Argumente gegen eine Ontologie: "Es gibt nun, wie ich
schon sagte, Meinungen, nach welchen es keine Lehre vom Seienden geben
kann. Eine solche Meinung ist zuerst durch den erkenntnistheoretischen
Idealismus vertreten worden. Er meint, daß alles, was von den Seienden
gesagt werden kann, schon in den Einzelwissenschaften gesagt wird — für
die Philosophie bleibe nur die Aufgabe, klarzumachen, wie die Erkenntnis
in den Einzelwissenschaften zustande kommt, wie sie überhaupt möglich
sei. Dazu pflegen die erkenntnistheoretischen Idealisten zu sagen, daß
das Seiende auf das Denken zurückzuführen sei.
Die Ontologen antworten aber darauf zweifach. Sie
sagen erstens, daß keine Einzelwissenschaft solche Fragen, wie jene
der Möglichkeit im allgemeinen, der Kategorien undsoweiter, behandelt
oder behandeln kann. Und sie bemerken zweitens, daß das Denken, auf
welches man das Seiende zurückführen will, ja ist, also
ein Seiendes ist; und daß das ganze Unternehmen nur insoweit überhaupt
einen Sinn hat, als man zwei Arten von Seiendem annimmt und dann ihr gegenseitiges
Verhältnis untersucht. Das ist aber — so sagen die Ontologen — gerade
Ontologie. Sie behaupten also, der erkenntnistheoretische Idealismus sei
im Grunde genommen eine Ontologie, nur eine primitive und naive, weil unbewußte
Ontologie.
Die andere anti-ontologische Meinung ist die der
Positivisten. Sie ist heute — im Gegenteil zum eher verschwindenden erkenntnistheoretischen
Idealismus — weit verbreitet, vor allem in den angelsächsischen Ländern.
Diese Philosophen behaupten, daß, wenn ich zum Beispiel sage, der
Hund sei ein Tier, dies eine sinnvolle [>95] wissenschaftliche Aussage
sei; wenn ich aber behaupten würde, er sei eine Substanz — die Substanz
ist nämlich ein ontologischer Begriff —, so sage ich überhaupt
nichts über die Wirklichkeit. Ich spreche nicht vom Hund, sondern
vom Wort "Hund". Die Ontologie soll also durch eine allgemeine Grammatik
ersetzt werden.
Die Ontologen fühlen sich jedoch auch durch
diese Argumentation nicht betroffen. Sie sagen, es sei nicht klar, warum
man bis zu einer gewissen Grenze die Begriffe verallgemeinern dürfe
— etwa nach der Reihe Raubtier — Säugetier — Wirbeltier — Tier — Lebewesen
—, weiter aber nicht; warum auf einmal, fragen sie, dieser Sprung in das
Sprachliche? Jede Realwissenschaft kann mit den Mitteln der heutigen mathematischen
Semantik in eine Sprachwissenschaft umgewandelt werden; zum Beispiel statt
von den Wirbeltieren zu sprechen, kann man vom Gebrauch des Wortes "Wirbeltier"
reden. Ist es aber einmal erlaubt, das Seiende in Tiere und Pflanzen zu
teilen, dann darf man vielleicht auch allgemeinere Einteilungen bilden,
die nicht mehr der Biologie angehören, sondern einer allgemeineren,
der allgemeinsten aller Wissenschaften — und das wäre die Ontologie.
Tatsächlich haben sich diese Gegenargumente zuletzt, besonders in
den Vereinigten Staaten Amerikas, als sehr einflußreich erwiesen.
Gerade unter den führenden Logikern sind es viele, die einmal in ihrer
Mehrheit dem Positivismus gehuldigt haben, die heute eifrig Ontologie treiben.
Ein klassisches Beispiel ist der bekannte Logiker der Universität
Harvard, Professor Quine.
Noch eine dritte Meinung könnte formuliert
werden. Man könnte nämlich fragen, ob es überhaupt möglich
ist, irgend etwas vom Seienden im allgemeinen zu sa[>96]gen, außer
der Trivialität: "Das Seiende ist seiend", oder: "Was ist, ist." Es
ist nämlich nicht gleich einzusehen, welche Art von anderen Aussagen
in dieser Wissenschaft vorkommen könnte.
Mir scheint nun, daß man diese Frage am besten
dadurch beantwortet, daß man einfach Ontologie treibt, daß
man ihre Probleme aufstellt und zu lösen versucht. Das ist auch, was
alle großen Philosophen der Vergangenheit, von Plato bis Hegel, immer
getan haben; und heute, nach einer relativ kurzen Periode ohne Ontologie,
besitzen wir wieder eine lange Reihe von überzeugten Ontologen. Wir
werden ihnen einfach in einigen ihrer Untersuchungen folgen.
Und zuerst eine ganz kleine und auf den ersten Blick
leicht zu lösende Frage — die aber während der letzten Jahrzehnte
viele Diskussionen hervorgerufen hat: die Frage um das Nichts. Wir
haben gesagt, daß alles, was ist, ein Seiendes ist. Daraus scheint
zu folgen, daß es außer dem Seienden nichts gibt. Und daraus
könnte man wieder ableiten, daß es ein Nichts gibt, also
daß das Nichts in irgendeiner Weise doch ist, existiert. Vielleicht
wird dies als ein Sophisma anmuten. Wir pflegen zu sagen, daß etwas
nicht ist — oder wie Sartre es noch schärfer formuliert: daß
es nichts gibt. Zum Beispiel: wenn der Motor im Wagen streikt, schaut einer
in den Vergaser und sagt: „Im Vergaser gibt es nichts." Die Frage lautet
nun: ist dieser Satz wahr? Offenbar ist er manchmal wahr. Wenn aber ein
Satz wahr ist, dann muß es in der Wirklichkeit so sein, wie er sagt.
Das ist die Definition der Wahrheit. Also muß es ein Nichts im Vergaser
geben.
Übrigens: wir sprechen sinnvoll vom
Nichts, zum Beispiel jetzt rede ich darüber. Wenn ich aber über
etwas [>97] sinnvoll rede, dann muß dieses Etwas ein Gegenstand sein.
Andernfalls würde ich gar nicht darüber sprechen können.
Also ist das Nichts ein Gegenstand. Also ist es. Und doch ist es
nichts; also: es ist nicht."
Anmerkung zu Bochenski: Das stimmt natürlich
nicht, denn man kann über jeden Unsinn und auch selbst hochgradigen
Unsinn reden. Daraus folgt hinsichtlich seiend oder nicht seiend noch gar
nichts. Nichts: die Sache mit dem Nichts
ist leicht zu lösen. Nehmen wir einen Bierdeckel, worauf ein Glas
steht. Jetzt nehme ich das Glas weg und sage: auf dem Bierdeckel steht
nichts (mehr), "ist" nichts (mehr).
Mit zwei, drei anderen Beispielen ist das "Problem" mit dem Nichts, besser
mit dem nicht, erschöpfend geklärt, so dass es auch ein Vorschulkind
verstehen kann. Da müssen also keine bedeutungsschwangeren dicken
Wälzer (Das Sein und das Nichts) geschrieben werden, die mehr
vernebeln, verdunkeln, verwirren und absurdisieren als sie aufklären.
Der Existenzialismus scheint doch recht nahe an der Geisteskrankheit (>
gesunder
Wahn; > normaler
Wahn; > rollenfunktioneller
Wahn; > wissenschaftlicher
Wahn). Ein großer Fortschritt wäre übrigens schon erreicht,
wenn man auf Substantivierung
(Das Nichts) verzichtete. Nicht oder Nichts ist ein ontologischer
Grundbegriff, der, bezogen auf einen Sachverhalt, schlicht ausdrückt,
dass der Sachverhalt nicht gegeben ist. So wird das Wort allenthalben,
u.a. auch in der Logik mit einem eigenen Negatorzeichen verwendet.
__
Ding an sich bei Kant
Eisler erklärt (Abruf
29.10.17):
"Ding an sich. Unter "Ding an sich" versteht Kant die Wirklichkeit, wie
sie unabhängig von aller Erfahrungsmöglichkeit, für sich
selbst besteht, die absolute Realität. Wir erkennen das Wirkliche
nur in den Formen der Anschauung (Raum und Zeit) und des Denkens (Kategorien);
diese Formen hat die Wirklichkeit nur in Beziehung auf das erfahrende Bewußtsein,
nur als Gegenstand eines solchen, nicht an sich selbst."
Man kann auch in der Online Ausgabe Gesammelte Werke
Kants nach <Ding
an sich> suchen und sein Verständnis erweitern und vertiefen beim
Meister selbst.
__
Fiktion
Vaihinger kommt in seiner Philosophie des Als Ob (1913, 2.A)
erst relativ spät zu einer systematischeren Beschreibung, was er mit
Fiktion meint. Seine Zusammenfassung der Hauptmerkmale von Fiktionen (Gesperrtschrift
bei Vaihinger hier fett-kursiv) findet sich auf S. 171 ff:
-
Selbstwiderspruch S. 172: "... Bei den echten Fiktionen zeigt sich
der Selbstwiderspruch besonders in Antinomieen, welche aus
denselben entstehen (vgl. Kants Antinomieen über das
Unendliche; Kant wies eben daraus nach, dass der unendliche Raum subjektiv,
in unserer Sprache also fiktiv sei). ..."
-
Weghebung Fiktionsbegriffe sind nur vorübergehend nützlich,
werden nur provisorisch benötigt und fallen am Ende wieder aus: heben
oder kürzen sich weg. S. 173: "... Ebenso folgt der Ausfall
der echten Fiktionen im Laufe der Denkrechnung notwendig
aus dem Merkmal des Widerspruchs — denn schliesslich wollen wir zu widerspruchslosen
Resultaten gelangen: widerspruchsvolle Begriffe können also schliesslich
nur zur Elimination da sein; ausserdem ergibt ja auch die
Tatsache, dass trotz dieser widerspruchsvollen Begriffe richtige
Resultate im Rechnen und Denken erreicht werden, dass jene Fiktionen
auf irgend eine Weise beseitigt und die in ihnen begangenen
Widersprüche rückgängig gemacht werden müssen."
-
Bewusstsein "Das dritte Hauptmerkmal einer normalen
Fiktion ist das ausdrücklich ausgesprochene Bewusstsein,
dass die Fiktion eben eine Fiktion sei, also das Bewusstsein der Fiktivität,
ohne den Anspruch auf Faktizität. Ich sage indessen:
einer „normalen"; dies Merkmal trifft nur zu bei solchen
Fiktionen, wie sie sein sollen. ..."
-
Zweckmäßigkeit S. 174: "Ein weiteres wesentliches Merkmal
der Fiktionen, d. h. der wissenschaftlichen, ist, dass sie
Mittel
zu bestimmten Zwecken sind; also ihre Zweckmässigkeit.
Wo eine solche nicht zu sehen ist, da ist die Fiktion eben unwissenschaftlich.
Wenn also Hume die Kategorien Fiktionen nennt, so hat er
damit zwar faktisch das Richtige erkannt, allein sein
Begriff der Fiktion war ein ganz anderer als der unsrige. Sein
Begriff der „fiction of thought" ist, dass diese Gebilde bloss subjektive
Einbildungen seien; unser Begriff (entlehnt aus dem Gebrauch
der Mathematik und Rechtswissenschaft) schliesst ein, dass sie zweckmässige
Einbildungen seien. Hierin liegt eigentlich der Schwerpunkt
unserer Auffassung, durch den sie sich von den bisherigen Auffassungen
wesentlich unterscheidet. Das Wesentliche an der Fiktion
nach unserer Auffassung ist nicht etwa, dass sie, wie manche meinen, eine
„unsichere Hypothese" sei, was ganz falsch ist, aber auch nicht bloss,
dass sie eine bewusste Abweichung von der Wirklichkeit, eine blosse Einbildung
sei, — sondern wir betonen die Zweckmässigkeit dieser
Abweichung. ...
Diese vier Hauptmerkmale genügen vollständig,
um die Fiktionen von den Hypothesen zu unterscheiden. Mit diesem ,Steckbrief"
wird man sofort jede Fiktion erkennen und rekognoszieren können, und
wenn man das weite Gebiet der Wissenschaft durchstreift, wird man voraussichtlich
noch manche Fiktion entdecken, welche wir nicht aufgezählt haben."
Durchgangspunkte des Denkens
"Nach diesen Vorausschickungen können wir uns
nun daran wagen, zunächst eine allgemeine Theorie aller Fiktionen
zu entwickeln; die Theorie der einzelnen Fiktionen dagegen,
d. h. die Theorie dieser speziellen Methoden muss der Spezialdiskussion
vorbehalten bleiben. Hier handelt es sich um eine Behandlung en bloc,
um die Feststellung der allgemeinsten Grundzüge der Methodologie der
Fiktion, die freilich schon in ihren wesentlichen Teilen in dem bisher
Gesagten, mehr oder minder offen auf der Hand liegend, enthalten ist.
Das Denken macht Umwege: dieser Satz
enthält das eigentliche Geheimnis aller Fiktionen; und
es handelt sich für die logische Betrachtung vor allem darum, diese
Umwege
streng
zu trennen von den eigentlichen Ausgangs- und
Zielpunkten
des Denkens, während die Fiktionen eben nur Durchgangspunktedes
Denkens, keineswegs des Seins, sind. Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen,
dass zwischen den beiden Punkten der Empfindung und Bewegung (die aber
auch schliesslich auf Empfindung zu reduzieren ist) die ganze
Vorstellungswelt,
das ganze subjektive Begriffsgebäude des Menschen mitten drinnen liegt.
Freilich, sahen wir, ist die Beurteilung eines Begriffes, einer Methode
als Fiktion, als fiktiv, relativ: in Bezug auf eine für Wirklichkeit
angenommene Vorstellungsweise ist eine andere Vorstellungsweise
fiktiv, während jene selbst dann in Bezug auf eine andere auch wiederum
für fiktiv erklärt werden muss. Es ist eben eine stetig
und allmählich [>176] ansteigende Verfälschung
der Wirklichkeit durch das Denken zu konstatieren, so, dass auf
Einem Punkte das Vorhergehende als Wirklichkeit gilt, während
es doch selbst schon schliesslich in Fiktionen wurzelt.
Die eigentlich letzte logische Erkenntnis in Bezug
auf die Fiktionen ist und bleibt die Betrachtung derselben als Durchgangspunkte
des Denkens. ..."
Kritische Anmerkung Fiktion
Diese vier Merkmale müsste Vaihinger bei allen seinen Beispielen aufzeigen
und nachweisen, was er leider nicht tut, so dass das gewaltige Werk weitgehend
über das Vorstadium einer kühnen Forschungshypothese nicht hinauskommt.
__
fiktionale Varianten im Sinne Vaihingers
Hans Vaihingers Philosophie des Als Ob hat zum zentralen Gegenstand
den Begriff der Fiktion und ihre Bedeutung in der Wissenschaft und Geistesgeschichte.
Eine Fiktion im Sinne Vaihinger ist eine falsche oder keine Realität
repräsentierendes geistiges Modell (Konstruktion), das für bestimmte
Zwecke und Ziele aber nützlich ist und auf Umwegen der Wahrheit und
Erkenntnis dienen kann. S. 17 führt er aus (Gesperrtschrift
bei Vaihinger hier fett-kursiv):
„Wir unterschieden Kunstregeln und Kunstgriffe
des Denkens, eine Einteilung der Denkmittel, welche wir vorläufig
festhalten wollen. Auch bei anderen Funktionen ist diese Unterscheidung
von Wert; Kunstregeln sind das Zusammen aller jener technischen
Operationen, vermöge welcher eine Tätigkeit ihren Zweck, wenn
auch mehr oder weniger verwickelt, so doch direkt zu erreichen
weiss, und welche aus der Natur jener Tätigkeit und der sie reizenden
Umstände unmittelbar folgen, welche insbesondere in keinem Widerspruch
stehen mit der allgemeinen Form der bezüglichen Tätigkeit. Auch
in der Logik nennen wir solche Operationen, wie vor Allem die Operationen
der Induktion, Kunstregeln des Denkens. Kunstgriffe
aber sind solche Operationen, welche, einen fast geheimnisvollen Charakter
an sich tragend, auf eine mehr oder weniger paradoxe Weise dem gewöhnlichen
Verfahren widersprechen, Methoden, welche, dem nicht in den Mechanismus
eingeweihten, nicht so fertig geübten Zuschauer den Eindruck des Magischen
machend, Schwierigkeiten, die das bezügliche Material der betreffenden
Tätigkeit in den Weg wirft, indirekt zu umgehen wissen. Solche
Kunstgriffe hat auch das Denken; sie sind wunderbar zwecktätige Äusserungen
der organischen Funktion des Denkens. Und wie in gewissen Künsten
und Handwerken solche Kunstgriffe geheim gehalten werden, so bemerken wir
auch dasselbe bei dem logischen Geschäfte. ...“
Die These, dass auch falsche geistige Modelle oder Annahmen
für die Wahrheitsfindung wichtig, nützlich und hilfreich sein
können und seine Belege, daß dies auch tatsächlich vielfach
in der Wissenschafts- und Geistesgeschichte so gesehen werden kann, kann
auch heute noch als ziemlich revolutionär gelten, falls er seine Theorie
tatsächlich gut belegen kann, was im Einzelnen zu prüfen wäre.
Nach meinem Eindruck behauptet Vaihinger zwar viel, zeigt es aber meist
nicht im Detail (Beispiel Personifikative Fiktionen, S. 50-52). In gewisser
Weise könnte man Vaihinger auch als Vorläufer des Konstruktivismus
ansehen, vielleicht sogar des vulgären.
Seine Psychologie
ist wenig differenziert, sein Grundbegriff für Bewusstseinsvorgänge
scheint empfinden, statt erleben, zu sein. Was mich irritiert hat, ist,
dass Stegmüller ihn in den drei Bändern seiner Gegenwartsphilosophie
nicht einmal erwähnt hat (schon z.B. Carnap oder Bochenski).
__
Geschaeftsfaehigkeit
__
GmbH
"Randnummer 39 Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
ist eine selbständige juristische Person (§ 13 Abs. 1 GmbHG).
Nach außen handelt sie grundsätzlich durch ihre Geschäftsführer
als Organe der Gesellschaft."
Quelle: Büsching in Römermann,
Münchener Anwaltshandbuch GmbH-Recht, 3. Aufl. 2014, Rn 38-48
__
Grundprinzipien
Sozialontologie (Searle)
__
juristische Person
Avenarius (1985), S. 208, führt aus: "Juristische Person
ist ein rechtstechnischer Begriff, der rechtlich geregelte Organisationen
erfaßt, denen die Rechtsordnung eigene > Rechtsfähigkeit zuerkennt
(so z. B. im Privatrecht der > Verein, im öfftl. Recht die > Gemeinde).
Der Umfang der Rechtsfähigkeit der j. P. ist insoweit beschränkt,
als ihr die den natürlichen Personen vorbehaltenen Rechtsgebiete (insbes.
das Familienrecht, aber auch etwa die Staatsangehörigkeit) verschlossen
sind. Inwieweit sich j. P. auf Grundrechte berufen können, richtet
sich nach dem Wesen des Grundrechts u. nach der Art der j. P. Die j. P.
ist im Prozeß > parteifähig. Sie nimmt durch ihre Organe
(z.B. beim Verein Vorstand u. Mitgliederversammlung) am Rechtsleben
teil (> Handlungsfähigkeit) u. haftet für die von ihren Organen
oder von anderen verfassungsmäßig berufenen Vertretern begangenen
schadenersatzpflichtigen Handlungen (§§ 31, 89 BGB). Aufgaben,
Organisation u. Zuständigkeitenverteilung der j. P. werden durch eine
> Satzung geregelt.
Zu unterscheiden sind j. P. des Privatrechts u. des öffentlichen
Rechts: ... ..."
__
Handlungsfähigkeit
Avenarius (1985), S. 187 "Handlungsfähigkeit ist die Fähigkeit,
rechtlich bedeutsame Handlungen vorzunehmen, insbesondere Rechte zu erwerben
u. Pflichten zu begründen. Sie ist von der > Rechtsfähigkeit
als der jedem Menschen und den > juristischen Personen gegebenen Fähigkeit,
Träger von Rechten u. Pflichten zu sein, zu unterscheiden. Die H.
beruht auf je nach Rechtsgebiet unterschiedlichen Voraussetzungen. Sie
umfaßt u. a. die > Geschäftsfähigkeit, > Deliktsfähigkeit,
> Ehefähigkeit, > Testierfähigkeit. Fehlt einem Menschen die
H., bedarf er eines > gesetzlichen Vertreters. Juristische Personen sind
durch ihre Organe handlungsfähig."
__
Intersubjektiv
Es wird kaum eine Aussage über die Welt geben, der jeder Mensch
zustimmt. Das Kriterium ist daher zu idealistisch und so nicht zu gebrauchen.
Daher scheint es mir sinnvoll ein realistischeres, ein relatives Intersubjektivitätskriterium
zu suchen, z.B. 90% aller Grundgebildeten. Sagen 91% aller Grundgebildeten
z.B., dass die Erde von kugelförmiger Gestalt ist, so wäre das
Kriterium der relativen Intersubjektivität hier erfüllt.
__
Kategorienlehre (Aristoteles)
Quelle: https://anthrowiki.at/Kategorien#Die_10_Kategorien_des_Aristoteles
__
Koerperschaft "Körperschaft
ist eine mitgliedschaftlich verfaßte u. unabhängig vom Wechsel
ihrer Mitglieder bestehende Organisation. Es gibt K. des Privatrechts (z.B.
Verein, AG, GmbH) u. solche des öfftl. Rechts (Staat, Gemeinde, Hochschule
u.a.). Eine K. ist i.d.R. rechtsfähig (> Rechtsfähigkeit) u.
damit > juristische Person. Doch kennt vor allem das öfftl. Recht
auch teil- und nichtrechtsfähige K. (teilrechtsfähig ist z. B.
der Fachbereich einer Hochschule, nichtrechtsfähig sind öfftl.-rechtl.
Verbandseinheiten wie die Berliner u. Hamburger Bezirke). Die K. entsteht
im Privatrecht i.d. R. durch Rechtsgeschäft (Satzung) mit sich anschließender
Eintragung im gerichtlichen Register (z. B. Vereinsregister), im öfftl.
Recht grundsätzlich durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes.
Die K. des öfftl. Rechts dienen öfftl. Zwecken. Ihnen
stehen im allgemeinen hoheitliche Befugnisse zu; ..."
Quelle Avenarius (1985), S. 219.
__
Meixner (2004), S. 9: "1. Was ist Ontologie?
Das Thema dieses Einführungsbuches ist die Allgemeine Metaphysik
oder Ontologie. Daneben gibt es die Spezielle Metaphysik, die jedoch nicht
Thema dieser Einführung ist. In der Allgemeinen Metaphysik geht es,
grob gesagt, um die Grundstrukturen des Wirklichen und Nichtwirklichen
auf einer ganz allgemeinen Ebene, d.h. um die allgemeinsten Strukturen
und Unterscheidungen im Wirklichen und Nichtwirklichen.
Die Allgemeine Metaphysik hat dabei rein beschreibenden
Charakter: Die Grundstrukturen des Wirklichen und Nichtwirklichen werden
beschrieben, aber sie werden nicht erklärt. Wenn man nach Erklärungen
sucht, dann ist das vielmehr ein Thema für die Spezielle Metaphysik.
In der Speziellen Metaphysik geht es um Welt und Mensch, und dabei rücken
dann auch gewisse kontingente Gegebenheiten dieser wirklichen Welt in den
Mittelpunkt. Es wird gefragt: Warum bestehen diese kontingenten
Gegebenheiten, wo sie doch als kontingente Gegebenheiten nicht bestehen
müssen?
Aber die Spezielle Metaphysik ist, wie gesagt, nicht das Thema dieser Einführung."
__
Metaphysik
Falkenburg (2012), S. 15f erklärt: "Der Terminus Metaphysik
hat in dieser Liste eine Sonderstellung, denn alle anderen Begriffe
der Liste zählen seit alters her zur Metaphysik, [>16] auch wenn sie
Ihnen zum Teil vom alltäglichen Sprachgebrauch her vertraut sein mögen.
Deshalb erkläre ich diesen Begriff zuerst. Geprägt wurde er,
als spätere Philosophen die Werke des Aristoteles katalogisierten.
Das Buch mit den grundsätzlichsten und abstraktesten Begriffen seiner
Philosophie wurde hinter die Physik-Vorlesung gesetzt und bekam so den
Titel „Meta-Physik“, und das hieß damals wörtlich nur: Schriften,
die nach der Physik kommen. Aristoteles hatte philosophisch vor
allem als Sprachanalytiker gearbeitet; er analysierte, was und wie seine
philosophischen Vorgänger (von den ersten Vorsokratikern bis Platon)
so redeten und was bei ihnen Begriffe wie „Grund“ oder „Ursache“ bedeuteten.
Seine eigenen Definitionen schuf er dann oft, indem er einseitige Begriffsbildungen
seiner Vorgänger zusammentrug und systematisierte. (Ein gutes Beispiel
dafür ist seine Vier-Ursachen-Lehre, die ich weiter unten erläutere
und im 5. Kapitel wieder aufgreife.) Erst die neuzeitlichen Rationalisten
überhöhten die Kategorien einer solchen „Metaphysik“ zu einer
Lehre von Gott und der Welt, die sich – in Abgrenzung gegen die empirischen
Wissenschaften – auf reine Vernunft und nichts als die reine Vernunft gründen
sollte, d. h. auf unser Vermögen zu denken. Kant kritisierte, wie
sie dabei die Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens heillos
überstiegen. Seit Kant, und stärker noch seit der Wissenschaftstheorie
des 20. Jahrhunderts, gelten metaphysische Begriffe als unwissenschaftlich,
soweit sie keinerlei empirische, erfahrungsgestützte Bedeutung haben."
__
Person
Friedrich (1996), S. 290: "Person. Man unterscheidet natürliche
und juristische Personen. Natürl. Person ist jeder lebende
Mensch. Jur. Per. sind Organisationen: Personenzusammenschlüsse, die
einem bestimmten gemeinsamen Zweck dienen (z.B. eingetragener Verein),
oder Vermögensmassen, denen die Rechtsordnung zugesteht, selbständig
Träger von Rechten und Pflichten zu sein (z.B. Stiftung). Sie sind
> rechtsfähig. Es gibt jur. Pers. des a) Privatrechts und b) öffentlichen
Rechts. Beispiel: a) eingetragener Verein, privatrechtl. Stiftung,
Aktienges., GmbH; b) Körperschaften (z.B. Gemeinde), Anstalten (z.B.
Rundfunk), Stiftungen des öffentl. Rechts."
__
Nichts
Ein ontologischer Lieblingsbegriff der Existenzialisten von dem so
gesprochen wird, als gäbe es DAS NICHTS, wobei es auch
homunculusartig tätig sein kann, wenn Heidegger etwa sagt: Das
Nichts nichtet (Analyse und Kritik Carnap 1931/32) Am einfachsten erklärt
man nichts mit wegnehmen: wenn man etwas wegnimmt, etwa ein Glas von einem
Bierdeckel, dann ist es nicht mehr da, an seiner Stelle ist nichts.
__
Rechtsfaehigkeit
Geiger et al. (1996), S. 368: "Rechtsfähigkeit ist die
Fähigkeit, selbst Träger von Rechten und Pflichten zu
sein. Alle Menschen (= natürliche Personen) sind von der Geburt bis
zum Tod rechtsfähig. Auch > juristische
Personen sind rechtsfähig; teilweise müssen sie jedoch vorher
in ein Register (zum Beispiel Handelsregister) eingetragen worden sein.
Im Prozeßrecht entspricht der Rechtsfähigkeit die > Parteifähigkeit.
Von der Rechtsfähigkeit sind die > Geschäftsfähigkeit und
die > Handlungsfähigkeit zu unterscheiden."
__
Seiendes als solches >
Bochenski.
Aristoteles nennt sein erstes Kapitel im Vierten Buch Metaphysik "Die
Wissenschaft vom Seienden als solchen und die Einzelwissenschaften".
"1. Die Einzelwissenschaften untersuchen jeweils einen Teil (..gr..) des
Seienden. - 2. Die Erforschung der Prinzipien und letzten Ursachen und
der Elemente geht auf das Seiende als solches.
(1.) Es gibt eine Wissenschaft (epistime), welche das Seiende [Rn20]
als solches (..gr..) untersucht und das demselben an sich Zukommende. Diese
Wissenschaft ist mit keiner der einzelnen Wissenschaften identisch; denn
keine der übrigen Wissenschaften handelt allgemein von dem Seienden
als solchen, sondern sie scheiden sich einen Teil des Seienden aus und
untersuchen die [Rd25] für diesen sich ergebenden Bestimmungen (..gr..),
wie z.B. die mathematischen Wissenschaften. (2.) Indem wir nun die Prinzipien
und die letzten Ursachen erforschen, ist offenbar, daß diese notwendig
Ursachen einer Wesenheit an sich (..gr..) sein müssen. Wenn nun auch
diejenigen, welche die Elemente des Seienden suchten, diese Prinzipien
suchten, so müs-[Rn30]sen auch die Elemente des Seienden dies nicht
in akzidentellem Sinne sein, sondern insofern sie sind. Auch wir also haben
die ersten Ursachen des Seienden als solchen aufzufassen."
__
substantivische,
hypostasierend-homunkuleske Sprache
DAS Sein, DAS Nichts, DIE Natur, DER Mensch, DIE Schuld, DIE Welt,
DAS ICH, ES, ÜBERICH, DIE Intelligenz, ... usw. usf.. Abstrakta
und Allgemeinbegriffe werden
oft so gebraucht, als wären sie Individuen, Dinge, die selbstständig,
wie eigene Geschöpfe, handeln oder etwas bewirken können.
__
Unwesentlich
Das, was nach Hinzufügen oder Entfernen das Wesen eines Sachverhalts
gleich lässt. Ob man Eis am Stil, im Becher oder in der Waffel isst,
verändert "das Wesen" (Geschmack, Stoffart) des Eises nicht. Die Präsentationsweise
ist also unwesentlich.
__
Urteilsfaehigkeit
__
Vertragsfähigkeit
__
Wesen
Vieldeutiger und gefährlicher philosophischer Begriff über
den sich Tonnen von Papier ergießen. In der GIPT bestimmen wir das
Wesen eines Sachverhalts durch die Invarianzregel bei Veränderungen.
Die Farbe eines Stuhl ist ihm nicht wesentlich, denn wenn er eine andere
Farbe erhält, ist er immer noch ein Stuhl. Wesentlich ist für
einen Stuhl, dass er Beine hat, die ihn tragen, einen Sitz auf dem man
sitzen kann und eine Lehne zum anlehnen. Nimmt man die Lehne weg, ist aus
dem Stuhl ein Hocker geworden. Nimmt man Sitz oder Beine weg ist es kein
Stuhl mehr. Zum Wesen einer Person gehört das, was sie von anderen
unterscheidet und nur ihr zu eigen ist.
Wesentlich heißt oft: unter diesen oder jenen
Aspekten für wichtig erachtet.
Genauer betrachtet hängt die Wesensbeurteilung
aber von den Zielen und Zwecken und der Situation ab. Die Farbe des Stuhls
kann dann wesentlich sein, wenn es um Stil und Ästhetik geht. Bei
Eignungsfragen spielt das Wesen einer Person u.U. eine untergeordnete Rolle,
wesentlich ist dann, was sie für das Anforderungsprofil leisten kann.
So scheint auch für Wesentlichkeitsbetrachtungen ein Relativitätsprinzip
zu gelten: Was wesentlich "ist", hängt von den Zielen und Zwecken
ab, unter denen eine Betrachtung erfolgt. Was hieße, wenn wir als
Ziel und Zweck die "reine Erkenntnis" annehmen? Nun, das hängt davon
ab, was unter "reiner Erkenntnis" verstanden werden soll. Wir können
"reiner" auch weglassen, dann lautet die Frage: Was ist das Wesen des Stuhls
unter dem Gesichtspunkt der Erkenntnis? Denkt man sich Funktion des Sitzens
weg, dann bleibt die Beschreibung eines geometrischen Gebildes: drei oder
vier Säulen, darauf eine Platte und daran eine weitere Platte, Leitern
oder ähnliches.
__
Wesenheit an sich
Unklarer Ausdruck von Aristoteles in seiner Metaphysik.
__
Wirklichkeit
__
Querverweise
Standort: Ontologie des Psychosozialen.
*
Überblick
Begrieffanalysen.
Kritik
des Sprachgebrauchs in den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften.
Mitglied und
Gruppe, Version, Element und Menge, Individuum und Klasse, Teil
und Ganzes. Eine kritische, wissenschaftstheoretische und empirische Analyse
mit besonderer Berücksichtigung sog. OMCG-Rockergruppen.
Überblick Arbeiten
zur Theorie, Definitionslehre, Methodologie, Meßproblematik, Statistik
und Wissenschaftstheorie besonders in Psychologie, Psychotherapie und Psychotherapieforschung.
*
*
Dienstleistungs-Info.
*
Zitierung
Sponsel, R. (DAS). Ontologie
des Psychosozialen aus allgemeiner und integrativer psychologischer Sicht.
Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/wisms/wistheo/OdPS.htm
Copyright & Nutzungsrechte
Diese Seite darf von jeder/m in nicht-kommerziellen
Verwertungen frei aber nur original bearbeitet und nicht inhaltlich verändert
und nur bei vollständiger Angabe der Zitierungs-Quelle benutzt werden.
Das direkte, zugriffsaneignende Einbinden in fremde Seiten oder Rahmen
ist nicht gestattet, Links und Zitate sind natürlich willkommen. Sofern
die Rechte anderer berührt sind, sind diese dort zu erkunden. Sollten
wir die Rechte anderer unberechtigt genutzt haben, bitten wir um Mitteilung.
Soweit es um (längere) Zitate aus ... geht, sind die Rechte
bei/m ... zu erkunden oder eine Erlaubnis einzuholen.
Ende_
Ontologie
des Psychosozialen_
Datenschutz_Rel.
Aktuelles _Überblick_Überblick
Wissenschaft _Rel.
Beständiges_ Titelblatt_
Konzept_Archiv_Region_Service
iec-verlag___Wichtige
Hinweise zu Links und Empfehlungen_
Mail:
sekretariat@sgipt.org_
korrigiert: irs 04.11; 29.10.2017
Änderungen Kleinere
Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet
und ergänzt.
11.11.2020 Referenzwelten
mit Signaturen.
24.04.2019 Endnoten
... Link Wirklichkeit.
11.11.2018 Popper-Eingangs-Zitat.
04.11.2017 Glossareintrag
Fiktion.
29.10.2017 Korrektur
irs
21.10.2017 Angelegt
und mit der Ausarbeitung für die Internetpräsentation begonnen