Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=15.09.2022 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 24.04.25
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil.  Rudolf Sponsel  Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Allgemeine Psychologie,
    Bereich Erleben, und hier speziell zum Thema:

    Reines Erleben
    Psychologie des Erlebens

    Originalarbeit von  Rudolf Sponsel,  Erlangen

    Zum Geleit:
    _

    "... Nun müssen diejenigen, 
    welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, 
    etwas voneinander verstehen; 
    denn wie könnte denn,
    wenn dies nicht stattfindet,
    ein gegenseitiger Gedankenaustausch (...)
    möglich sein? 
    Es muß also jedes Wort (...) bekannt sein
    und etwas, und zwar eins
    und nicht mehreres, bezeichnen;
    hat es mehrere Bedeutungen, 
    so muß man erklären, 
    in welcher von diesen man das Wort gebraucht. ..."

    Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik. 11. Buch, 5 Kap., S. 244 
    (Rowohlts Klassiker 1966)

    Leider verstehen viele Philosophen, Juristen, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler auch nach 2300 Jahren Aristoteles immer noch nicht, wie Wissenschaft elementar funktionieren muss: Wer wichtige Begriffe gebraucht, muss sie beim ersten Gebrauch (Grundregeln Begriffe) klar und verständlich erklären und vor allem auch referenzieren  können, sonst bleibt alles Schwall und Rauch (sch^3-Syndrom). Wer über irgendeinen Sachverhalt etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, wie er diesen Sachverhalt begrifflich fasst, auch wenn dies manchmal nicht einfach ist. Wer also über Gewissheit etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, was er unter "Gewissheit" verstehen will. Das ist zwar nicht einfach, aber wenn die Philosophie eine Wissenschaft wäre und und die PhilosophInnen Aristoteles ernst nehmen würden, dann hätten sie das in ihrer 2300jährigen Geschichte längst zustande bringen müssen. Im übrigen sind informative Prädikationen mit Beispielen und Gegenbeispielen immer möglich, wenn keine vollständige oder richtige Definition gelingt (Beispiel Gewissheit  und  Evidenz). Begriffsbasis  Damit werden all die Begriffe bezeichnet, die zum Verständnis oder zur Erklärung eines Begriffes wichtig sind. Bloße Nennungen oder Erwähnungen sind keine Lösung, sondern eröffnen lediglich Begriffsverschiebebahnhöfe. Die Erklärung der Begriffsbasis soll einerseits das  Anfangspro- blem  praktisch-pragmatisch und andererseits das  Begriffsverschiebebahnhofsproblem  lösen.


    Gesamt-Übersichtsseite  Erforschung des Erlebens und der Erlebnisse mit Direktzugriffen
    Haupt- und Verteilerseite Die Erforschung des Erlebens und der Erlebnisse * Zusammenfassung Hauptseite * Erlebnisregister * Beweisen in der Psychologie * Beweisregister Psychologie * natcode Register *  Zur  Methode der Fundstellen-Textanalyse  *  Hauptbedeutungen Erleben und Erlebnis  * Signierungssystem * Begriffscontainer (Containerbegriff)  * Begriffsverschiebebahnhof


    Editorial: Psychologie wird als Wissenschaft vom Erleben und Verhalten definiert - Psychopathologie entsprechend als Wissenschaft vom gestörten Erleben und Verhalten. Erleben ist also ein wichtiger Grundbegriff, der bis heute von der akademischen Psychologie sträflich vernachlässigt wurde und es noch nicht einmal zu einer eigenen Forschungs- und Lehrdisziplin (Fachgruppe) gebracht hat. Ob die Unterscheidung Erleben und reines Erleben möglich und sinnvoll ist, soll diese Seite klären helfen.
    ChatGPT Analyse der Seite reines Erleben als PDF-Link (24.04.2025).



    Einführung

    Das Wort "erleben" wird oft mit Erlebnis verknüpft mit der Tendenz von etwas Besonderem. Das ist hier nicht gemeint. Erleben wird hier als psychologischer Grundbegriff für all das, was ich in meinem Bewusstsein wahrnehmen oder bemerken kann, verwendet. Das kann eine äußere oder  innere Wahrnehmung  wie z.B. Wolken am Himmel oder ein Appetitgefühl, eine Lust auf etwas sein. Dazu gehören als Hauptkategorien assoziieren, erinnern, denken, fühlen, empfinden, spüren, phantasieren, wünschen, ein Bedürfnis erleben, wollen, bewerten, beurteilen, Ziele und Pläne im Bewusstsein vergegenwärtigen und bearbeiten. Etwas ausführlicher aus dem Zusammenhang Psychotherapie beschreibt die folgende Graphik, was alles auch ganz praktisch zum Erleben gerechnet werden kann. Das kann man auch anders definieren  oder wie hier charakterisieren. Wichtig ist dabei nur, dass man angibt, was erleben bedeuten soll (>Hauptbedeutungen). Erst danach wird es sinnvoll sein, zu fragen, wie wir den Begriff reines erleben einführen und näher definieren oder charakterisieren können.

    Seele

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    Erleben im Querschnitt und Längsschnitt

    In diesem idealisierten Modell 1 sind zunächst grob ausgewogen die Bewusstseinselemente Gefühl (gelb), Wahrnehmung (grün), Denken (blau), Planung (grau) vorhanden. Im Modell 2 weitet sich das Gefühl deutlich aus während die anderen drei Elemente in ihrem jeweiligen Umfang zurückgehen. Überdeutlich zeigt dann Modell 3, dass das Gefühl das Bewusstsein ziemlich beherrscht und die anderen drei Elemente nur noch in sehr kleinem Umfang vorhanden sind.

    Erste definitorische Eingrenzungen und Grundwiderspruch
    In obiger Graphik ist das Erleben in Worte gefasst und klassifiziert. Wenn das, was da beschrieben erlebt wird, ohne dass es in Worte gefasst wird oder andere Einflussnahmen das Erleben überformen, können wir von reinem Erleben sprechen. Reines Erleben kann stattfinden, wenn wir es geschehen lassen und nicht zu beeinflussen suchen. Sobald Erleben in Worte gefasst wird, ist es nicht mehr rein, sondern mental überformt, verändert, verflüchtigt. Reines Erleben wird auch schon durch Selbstbeobachtung, bewusstes Erfassen wollen mit der  inneren Wahrnehmung  gestört, verändert, verflüchtigt. In dieser Vorversion reinen Erlebens sieht es so aus, als könnte man das reine Erleben gar nicht erfassen und fassen. Das ist der Grundwiderspruch: sobald man reines Erleben zu fassen versucht, ist es weg, verschwunden oder verformt und verändert und damit kein reines Erleben mehr. Damit stellt sich die Grundsatzfrage, ob reines Erleben überhaupt erfasst werden kann.

        Brainstorming: Welche Möglichkeiten haben wir, uns reinem Erleben zu nähern?

    • Sehr intensives Erleben (Modell 3 gelb), z.B. starke Zahnschmerzen, Nähern des Höhepunkts beim Geschlechtsverkehr, starker Ausscheidungsdrang, intensiver Schwefelgeruch, kann alle anderen Bewusstseinsfiguren an den Rand drängen und wird voll und ganz rein erlebt.
    • Erlebensversuche mit Wahrnehmungen, für die es noch keine Namen gibt (Nur-Empfinden), so dass mentale Überformung mit Begrifflichem und Namen nicht stören können.
    • Reines Erleben lernen, um es mit Ausdrucksformen im Nachhinein zu beschreiben, z.B. durch Entkognitivisierung.
    • Erfassen von Zuständen, die reinem Erleben nahe kommen: Selbstvergessenheit, Trance. Meditation (>Satipatthana-Meditation) als bewusste Übung, nicht zu denken, kann daher dem reinen Erleben nahekommen. Vielleicht auch Zustände wie flow, Hingabe  oder  focusing  können förderlich sein. In die Richtung gehen auch die gestalt- und humanistisch therapeutischen  Aktivitäten  Ganz im hier und jetzt.
    • Grundwiderspruch berücksichtigende phänomenologische Erlebens- und Bewusstseinsforschung für jedermensch.
    • Beschreibungen, Umschreibungen von mutmaßlichem Erleben im Nachhinein.
    • Ausdrucksformen des Unsagbaren: Denken, Worte, Sprache beherrschen die Wissenschaft. Dabei hat man sich gar nicht um das schwer- oder Unsagbare und um andere Ausdrucksformen gekümmert, z.B.: Berührung, Bewegung, Bilder, Film, Gestik, Klänge, Kunst, Literatur, Mimik, Musik, Natur, Rhythmik, Symbole, Tanz, Töne, Trommeln, Versenkung.


    Der Ausdruck "rein" wird gern von PhilosophInnen oder  PhänomenologInnen  verwendet, ohne dass sie in der Regel die mindeste Mühe darauf verwenden, zu erklären, was denn erleben vom reinen erleben unterscheidet und wie man zum reinen erleben gelangen kann. Die Wortverbindung reines erleben legt nahe, dass es dann auch nicht reines erleben geben soll, sonst machte ja die Unterscheidung keinen Sinn. In nicht reinem erleben könnten zusätzlich, fremde oder gar störende Elemente enthalten sein. Das führt uns zu der Frage, welche allgemeinen Merkmale zum Erleben gehören könnten.

    Entkognitivisierung
    (1) Von der buddhistischen Meditationsforschung wissen wir, dass Wahrnehmungen durch Entkognitivisierung auf ihren reinen Empfindungsgehalt reduziert werden können. Hayward (1990, S. 254) zitiert:
     

      „Brown beschreibt die kognitiven Stufen, die in der formellen Achtsamkeitspraxis durchlaufen werden: Zuerst hört das unterscheidende objektbezogene Denken auf, die Meditation unterbricht den kategorisierenden Geist und läßt ihn zu den tatsächlich physischen Zügen des Wahrnehmungsgegenstandes zurückkehren. Ein Stock etwa wird als seine Farbe und Form gesehen, bleibt aber ohne die angeheftete Bedeutung «Stock». Im zweiten Stadium werden dramatische Größen-Veränderungen erlebt; das Wahrnehmungsphänomen der «Größenkonstanz» scheint aufgehoben zu sein. Wenn Sie beispielsweise den hochgestreckten Daumen auf sich zu bewegen, scheint er seine Größe beizubehalten. Dieses wichtige Element des primitiven Erkennens von Mustern als definitive Objekte wird in diesem Stadium fallengelassen.“




    Literatur (Auswahl)
    • Brentano, Franz (1874) Psychologie vom empirischen Standpunkt. Leipzig: Meiner.
    • Brentano, Franz (1907) Untersuchungen zur Sinnespsychologie. Leipzig: Dunker & Humblot.
    • Brentano, Franz (1982) Deskriptive Psychologie. Hg. v. R. M. Chisholm u. W. Baumgartner. Hamburg: Meiner.
    • Bromand, Joachim & Kreis, Guido (2010) Was sich nicht sagen lässt : das Nicht-Begriffliche in Wissenschaft, Kunst und Religion. Berlin: Verlag: Akademie-Verl.

    • Buch-Rückseite: "Die Welt ist alles, was wir in unseren naturwissenschaftlichen Theorien beschreiben können – so eine weit verbreitete Überzeugung, die seit den Tagen des Positivismus unser Weltbild bestimmt. Aber reicht das tatsächlich schon aus? Wer sich am Ideal der wissenschaftlichen Erkenntnis orientiert, neigt dazu, viele nicht-begriffliche Erfahrungsformen zu unterschlagen, die uns aus dem Alltag vertraut sind: Symbolsysteme wie Musik, Literatur oder Bilder, Instanzen der unmittelbaren Erfahrung wie Anschauung, Wahrnehmung oder Gefühl und den Bereich des praktischen Könnens. In der Regel sind wir nicht in der Lage, den Gehalt dieser Phänomene vollständig begrifflich wiederzugeben. Dennoch ist das weite Feld des Nichtbegrifflichen eine unverzichtbare Voraussetzung unserer Sätze und Gedanken: Ohne Kunst, Wahrnehmung und Handeln gibt es kein Denken, keine Wissenschaft, keine Philosophie. Der Band geht der Vielfalt des Nicht-Begrifflichen in ästhetischen, symboltheoretischen und semantischen Untersuchungen nach. Aus ihnen ergibt sich ein umfassender systematischer Überblick über eines der spannendsten und offensten Problemfelder der aktuellen philosophischen Debatte."
    • Conrad, Theodor (1968) Zur Wesenslehre des psychischen Lebens und Erlebens. Phaenomenologica 27. Den Haag: Nijhoff.
    • Erhard, Christopher (2014) Denken über nichts - Intentionalität und Nicht-Existenz bei Husserl. Berlin: DeGruyter [GB]
    • Hayward, Jeremy W. (dt. 1990) Die Erforschung der Innenwelt. Neue Wege zum wissenschaftlichen Verständnis von Wahrnehmung, Erkennen und Bewußtsein. Bern: Scherz.
    • Husserl, Edmund (1893-1912) Wahrnehmung und Aufmerksamkeit: Texte aus dem Nachlass (1893–1912). [GB]
    • Rizzoli, Lina (2008) Erkenntnis und Reduktion. Die operative Entfaltung der phänomenologischen  Reduktion  im Denken Edmund Husserls. PHAENOMENOLOGICA 188. Dordrecht: Springer.
    • Wundt, Wilhelm (1888)  Selbstbeobachtung und innere Wahrnehmung. Philosophische Studien 4, S. 299.




    Links (Auswahl: beachte)
    • Nur empfinden. *  Bewusstseinsmodell der IP-GIPT.
    • Übersicht Bewusstsein.
    • Wahrnehmung und wahrnehmen.
    • Veridikalität.
    • Übersicht Allgemeine Psychologie
    • Beweis und beweisen in Psychologie, Psychopathologie, Psychosomatik und Psychotherapie.




    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Fachgruppen in der Psychologie:
    [DGPS Abruf 15.09.2022] Psychologie des Erlebens oder Erlebenspsychologie kommt als Arbeitsgruppe zwar nicht vor, spielt aber in der Allgemeinen Psychologie eine zentrale Rolle, wird aber nicht als eigener Forschungsinhalt genannt:
      "Die Allgemeine Psychologie untersucht systematische Gesetzmäßigkeiten des Erlebens und Verhaltens, die für alle Menschen in mehr oder weniger vergleichbarer Form gelten, also allgemeingültig sind. Es handelt sich um Gesetzmäßigkeiten bei der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Information, die der Mensch für die Steuerung seines Verhaltens nutzt. Zu den Forschungsinhalten gehören WahrnehmungI12, Aufmerksamkeit, BewusstseinI17, Lernen und GedächtnisI07, HandlungI15 und MotorikI15, SpracheI20, DenkenI07, EntscheidenI18, ProblemlösenI07 sowie MotivationI02 und EmotionI05."
    Immerhin wurde der Suchtext "erleben" 96x und "Erlebnis" 7x gefunden
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    Reine Wesensschau > Wesen
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    Phaenomenologie
    Philosophische Schule, von Edmund Husserl (> Kritik) geschaffen, die Psychologie und ideale Grundlagenwissenschaft betreiben durch reines nachdenken und erleben im Sessel, ohne klare Definitionen (Heidegger 58-247: "in der Phänomenologie gibt es keine Definitionen"), ohne jede Empirie und Experimente, ohne lehr- und lernbare und damit evaluierbare Methode. Im Gegenteil: Vorwissen, Bezugnahmen auf die Außenwelt, wissenschaftliche Erkenntnisse anderer werden als störend empfunden, die so weit als möglich zu reduzieren (> Reduktion) sind, um über unverfälschtes, reines Bewusstseinserleben zu den wahren, idealen Fundamentalerkenntnissen vorzudringen. Eine in der Konsequenz mehrfach absurde Lehre, weil man natürlich sein Vorwissen und seine Erfahrungen grundsätzlich nicht ausschalten kann. Wer sein Erleben erfassen will, braucht dazu Begriffe, die nur aus der Erfahrung entstanden sein können. Und wenn er sich nicht nur mit Eigenwelterkenntnissen begnügen will, sondern Wissenschaft als gemeinsames Werke der Wissenschaftsgemeinde begreift, der muss natürlich seine Methoden und Erkenntnisse so entwickeln und darlegen, dass andere kritisch dazu Stellung beziehen können.
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    Reduktion  Zurückführung, Verminderung. In der Lehre Husserls ein grundlegender methodischer Schritt, Vorurteile und störende Faktoren auszuschalten, um zur reinen Schau der Phänomene zu gelangen. Wie das genau geht, wird weder von Husserl noch von seinen SchülerInnen erläutert und evaluiert: es ist daher als höchst unzulängliche Psychologie und unwissenschaftlich zu bewerten. Man kann es nur erahnen und lernen, indem man ihre z.T. recht beeindruckenden Schriften liest -  z.B. Edith Stein: Einfühlung;  Dieter Lohmar: Schwache Phantasie; Schmid-Degenhard: Oneiroid; oder Theodor Conrad: Erleben - und daran merkt und sich erarbeitet, wie sie es machen.
        Rizzoli (2008), S. 3, schreibt: "Ich bin überzeugt, dass es tief in Husserls Idee der Phänomenologie als Wissenschaftslehre und in dem Zusammenhang verwurzelt ist, der in dieser philosophischen Wissenschaft zwischen  phänomenologischthematischer Forschung und Selbstentwurf besteht. Dieser Zusammenhang wird im phänomenologischen Rahmen durch das methodische Prinzip der Reduktion hergestellt, an dem sich Husserls Methodenbildung seit den Logischen Untersuchungen (LU) orientiert und das erstmals in Idee der Phänomenologie in aller Klarheit formuliert wird: „Was eine Wissenschaft in Frage stellt“, heißt es hier, „das kann sie nicht als vorgegebenes Fundament benützen.“ FN10 Der Zusammenhang zwischen thematischer Forschung und Methodengestaltung ist in der Phänomenologie eine Folge dieser methodischen Vorschrift, nach der sich die phänomenologische Methode ihrem jeweiligen Forschungsfeld anzupassen hat, d. h. sich durch dieses kontrastiv oder eben „reduktiv“ definieren muss."
        FN"10 Ebd., [Hua II], 33. Vgl. auch Hua X, 346, wo Husserl die Forderung der phänomenologischen Reduktion folgendermaßen beschreibt: „Es ist nichts anderes als die Forderung, des hier bewegenden Problems und seines eigentlichen Sinnes beständig eingedenk zu bleiben und dem kein anderes Erkenntnisproblem zu unterschieben. Darin liegt aber, dass wir nichts als vorgegeben voraussetzen, nichts als Prämisse verwenden, keine Untersuchungsmethode zulassen dürfen, welche selbst mit dem Problem behaftet ist.“
    >S. 4: "... In diesem Sinne kann man mit Lohmar die Reduktion als eine Methode definieren, „die auf ein Erfahrungsfeld zurückführen soll, in dem die Setzung, deren Recht auszuweisen ist, nicht (bzw. noch nicht) enthalten ist“. FN12 Hiernach hat die Rede von Reduktion zugleich eine negative und eine positive Bedeutung. Denn einerseits soll sie dazu dienen, einen bereits vorliegenden Erfahrungsboden zu dekonstruieren und ihn „auf ein bewusst methodisch verarmtes Erfahrungsfeld“ FN13 zurückzuführen, andererseits soll die Reduktion aber auch einen vorher nicht zugänglichen anschaulichen Bereich erschließen, der nun für positive Erfahrungen zur Verfügung steht. Ziel eines solchen reduktiven Verfahrens ist offenbar, der petitio principii zu entgehen, auf die man stößt, wenn man die Geltung einer bestimmten Setzung in der Untersuchung voraussetzt, durch welche die Rechtmäßigkeit ebenjener Setzung aufgewiesen werden muss. FN14"
      FN12 Lohmar 2002.
      FN13 Lohmar 2002, 768.
      FN14 Lohmar 2002, 753. ... [>5]"


    Die methodische Kernproblematik erfasst Rizzoli, S. 6, wie folgt:
     
    "Wenn aber jede systematische Darlegung der phänomenologischen Methode letztlich den Sinn und die operative Tragweite ihres reduktiven Prinzips zu entstellen scheint, wie kann man dann versuchen, in das Wesen dieser Methode einzudringen? Ein möglicher Weg scheint mir darin zu liegen, anstatt Husserls methodologischer Betrachtungen [>6] seine phänomenologische Praxis zu untersuchen, dabei aber besonderes Augenmerk darauf zu richten, wie in ihr das Prinzip der Reduktion als operative Norm der Reflexion fungiert. ..."

    Man, genauer: jeder für sich, fängt also stets bei Adam und Eva an und muss das phänomenologische Reduktions-Methode-Rad neu erfinden. Das kann wohl nichts werden, weil Wissenschaft aufeinander aufbauen können muss. Die Idee, Vorurteile auszuschalten, ist sicher gut und richtig, aber keine Erfindung Husserls oder der Phänomenologie, sondern uralte wissenschaftliche Praxis. Auch die Einstellung, Zirkelschlüsse zu vermeiden, indem in die Untersuchung schon Voraussetzungen eingehen, die erst untersucht werden sollen, ist nicht zu beanstanden und allgemeines wissenschaftstheoretisches und logisches Gedankengut.
        Wir gehen in der allgemeinen und integrativen Psychologie einen anderen Weg, indem wir das Studium der Erlebensprozesse allgemein lehr- und lernbar auch für einfache Menschen entwickeln, und zwar so, dass empirische und experimentelle Prüfungen und Kontrollen möglich sind.
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    solipsieren := Solipsismus treiben, nur von sich und seinem eigenen Denken und Meinen ausgehen und das für die Wirklichkeit  halten.
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    Solipsismus Philosophische Schule, die annimmt, dass sich die gesamte Welt im eigenen Bewusstsein befindet. Schmidt-Schischkoff schreiben in ihrem philosophischen Wörterbuch: "Solipsismus (aus lat. solus, „allein", u. ipse, „selbst"; theoret. Egoismus), philos. Meinung, die das subjektive Ich mit seinem Bewußtseinsinhalt für das einzige Seiende hält. Nach Schopenhauer gehören Vertreter des radikalen S. ins Tollhaus. Doch gibt es auch einen gemäßigten S., der ein überindividuelles Ich überhaupt als Träger der Bewußtseinsinhalte annimmt, u. einen methodischen S., der wie bei Descartes u. Driesch mit dem S. beginnt, um von da aus zur außer dem Ich bestehenden Wirklichkeit vorzustoßen; ..."
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    Vorurteile aus phänomenologischer Sicht
    3. Kapitel aus ZAHAVI, DAN (2007)  PHÄNOMENOLOGIE FÜR EINSTEIGER. PADERBORN: FINK.
    "Die Aufgabe der Phänomenologie besteht in der Thematisierung und Erforschung der die Seins- und Wesensverfassung betreffenden philosophischen Grundfragen. Diese Untersuchung lässt sich jedoch nicht mit der gebotenen Radikalität durchführen, wenn man die eingebürgerten metaphysischen und erkenntnistheoretischen Grundannahmen, in denen wir befangen sind, und die von den meisten Wissenschaften mit der größten Selbstverständlichkeit gebilligt werden, einfach voraussetzt, sie akzeptiert und übernimmt.
    Welche Grundannahmen sollten nun nach Husserl nicht ohne weiteres hingenommen werden? Die grundlegendste ist wohl unser stillschweigendes Vertrauen, dass es eine äußere Wirklichkeit gebe, von der wir selbst und andere Menschen einen Teil bilden, und dass diese Wirklichkeit völlig unabhängig von uns die Seinsweise und Wesensart besitzt, die sie nun einmal hat. Es handelt sich dabei um eine Annahme von so grundlegendem Charakter, dass sie nicht nur von den meisten positiven Wissenschaften geteilt wird - sie bestimmt nach Husserl auch unser vorphilosophisches Leben derart tiefgreifend, dass er sie geradezu die natürliche Einstellung nennen kann.
    Ganz gleich jedoch, wie unmittelbar und natürlich die Annahme auch erscheinen mag, so wäre es philosophisch völlig unannehmbar. Vielmehr muss sie einer gründlichen Prüfung unterzogen werden. Husserl erklärt nun, dass uns eine einschneidende Entdeckung bevorsteht, wenn wir die natürliche Einstellung stigmatisieren und sie uns eben damit überhaupt erst als Einstellung bewusst machen. Wir werden dann nämlich entdecken, dass unsere Subjektivität nicht einfach einen Gegenstand unter anderen in [>4] der Welt darstellt, sondern ihr eigenes, ganz besonderes Sein besitzt. So lange wir nicht mit dem vorphilosophischen Leben gebrochen haben, in dem wir lediglich mit innerweltlichen Gegenständen und praktischen Tätigkeit beschäftigt sind, werden uns sowohl die Grundstrukturen der natürlichen Einstellung als auch die besonderen Merkmale unserer eigenen Subjektivität verborgen bleiben."
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    Wesen
    Ein gefährlicher philosophischer Begriff, der extrem zum Schwadronieren (sch^3-Syndrom) verführt. Daher gleich zu einem Beispiel. Man könnte sagen, das Wesentliche an einer Tür ist, dass sie einen Durchgang füllt, sich öffnen und schließen lässt, einen Schliessmechanismus hat und vielleicht noch absperren lässt. Die Farbe, das Material, die Klinke, die Form, die Höhe, die Breite, die Dicke, ob sie nach außen oder nach innen aufgeht, ist unter der gewählten Funktionsperspektive nicht wesentlich. Was funktional wesentlich ist, leistet die Prüffrage: was kann man weglassen, ohne dass die Funktion "Tür" (Verschluss, auf- und zumachen, einrasten können) aufgehoben oder eingeschränkt wird. Man kann eine Tür aber auch künstlerisch betrachten, etwa eine Original Bauhaustür von 1920, bei der die Funktionalität dann eine untergeordnete Rolle spielt, obwohl Funktionalität im Bauhaus eine große Rolle spielt. Mann könnte in diesem Fall aber den künstlerischen Gesichtspunkt zur Funktionalität hinzu nehmen.
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    Wesensschau
    Ein wie schon beim Wesen ausgeführt gefährlicher philosophischer Begriff, der extrem zum Schwadronieren (sch^3-Syndrom) verführt.
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    Querverweise
    Standort: Reines Erleben.
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    Dienstleistungs-Info.
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Reines Erleben. Psychologie des Erlebens. IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/gipt/erleben/ReinErl.htm
    Copyright & Nutzungsrechte
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    korrigiert: irs Rechtschreibprüfung und gelesen



    Änderungen wird gelegentlich überarbeitet, ergänzt und vertieft * Anregungen und Kritik willkommen
    24.04.2025   ChatGPT Analyse der Seite reines Erleben als PDF-Link (24.04.2025).
    18.05.2023   Links zu den erlebensrelevanten Seiten eingefügt. Heidegger Zitat "in der Phänomenologie gibt es keine Definitionen"
    15.09.2022   irs: Rechtschreibprüfung und gelesen
    15.09.2022   Erste Version eingestellt.
    30.01.2015   Anmerkungen Prof. Werbik zu meinen 6 Thesen, was in der Psychologie falsch gelaufen ist.
    00.00.2013   Erste Niederschriften zur Psychologie des Erlebens (unveröffentlicht)
    00.00.08 ff   Material gesammelt, im wes. Brentano, Husserl, Phänomenologie.
    00.00.2008   angelegt
    00.00.1998   Seite zum Bewusstsein mit Nur-Empfinden eingestellt. Bewusstsein und Erleben spielt seit den Anfangstagen der IP-GIPT eine wichtige Rolle.