Evidenz
Sammlung von Arbeiten und
Ausführungen zur Evidenz
sowie einem Definitionsvorschlag
Recherche und Originalarbeit von Rudolf Sponsel, Erlangen
welche ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, etwas voneinander verstehen; denn wie könnte denn, wenn dies nicht stattfindet, ein gegenseitiger Gedankenaustausch (...) möglich sein? Es muß also jedes Wort (...) bekannt sein und etwas, und zwar eins und nicht mehreres, bezeichnen; hat es mehrere Bedeutungen, so muß man erklären, in welcher von diesen man das Wort gebraucht. ..." Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik.
11. Buch, 5 Kap., S. 244
|
Leider verstehen viele Philosophen, Juristen, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler auch nach 2300 Jahren Aristoteles immer noch nicht, wie Wissenschaft elementar funktionieren muss: Wer wichtige Begriffe gebraucht, muss sie beim ersten Gebrauch (Grundregeln Begriffe) klar und verständlich erklären und vor allem auch referenzieren können, sonst bleibt alles Schwall und Rauch (sch^3-Syndrom). Wer über irgendeinen Sachverhalt etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, wie er diesen Sachverhalt begrifflich fasst, auch wenn dies manchmal nicht einfach ist. Wer also über Gewissheit etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, was er unter "Gewissheit" verstehen will. Das ist zwar nicht einfach, aber wenn die Philosophie eine Wissenschaft wäre und und die PhilosophInnen Aristoteles ernst nehmen würden, dann hätten sie das in ihrer 2300jährigen Geschichte längst zustande bringen müssen. Im übrigen sind informative Prädikationen mit Beispielen und Gegenbeispielen immer möglich, wenn keine vollständige oder richtige Definition gelingt (Beispiel Gewissheit und Evidenz). Begriffsbasis Damit werden all die Begriffe bezeichnet, die zum Verständnis oder zur Erklärung eines Begriffes wichtig sind. Bloße Nennungen oder Erwähnungen sind keine Lösung, sondern eröffenen lediglich Begriffsverschiebebahnhöfe. Die Erklärung der Begriffsbasis soll einerseits das Anfangs- problem praktisch-pragmatisch und andererseits das Begriffsverschiebebahnhofsproblem lösen. |
Sammlung von Arbeiten und Ausführungen
zur Evidenz
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/ in Arbeit
AutorIn Zusammenfassung, Belege | Fachgebiet | Arbeit (Kürzel) |
Arnauld & Nicole | Logikschule Port Royal | Buch Logik oder die Kunst des Denkens (1662) |
Arnold, Eysenck, Meili | Psychologie | Wörterbuch (3 Bde.) |
Berka & Kreiser | Logik | Logik-Texte / Geschichte der Logik |
Bischof | Psychologie | Psychologie 2009, HBPsy Erkenntnistheor. 1966 |
Brentano | Philosophie | Psychologie, Philosophie |
Dorsch | Psychologie | Lexikon |
Duden | Sprache | Fachbücher |
Dürr | Psychologie | Über die Grenzen der Gewißheit |
Eisler | Philosophie | Wörterbuch |
Hehlmann | Psychologie | Wörterbuch |
Held | Philosophie | Historisches Wörterbuch der Philsophie |
Hillmann | Soziologie | Wörterbuch |
Hoffmeister | Philosophie | Wörterbuch |
Klaus & Buhr | Philosophie | Wörterbuch (marx. orientiert) |
Kondakow | Logik | Wörterbuch (marx. orientiert) |
Külpe | Psychologie | 3 Bde Die Realisierung |
Mittelstraß (Hrsg.) | Wissenschaftstheorie | Enzyklopädie |
Peirce | Semiotik, Phil, Math, Logik | 2 Bde. zum Pragmatismus |
Popper | Wissenschaftstheorie | Bücher Logik d.F., obj. Erkenntnis |
Ricken (Hrsg.) | Philosophie | Wörterbuch Erkenntnistheorie |
Schmidt, Heinrich | Philosophie | Wörterbuch 1916, 2. A. |
Schmidt/Schischkoff | Philosophie | Wörterbuch 1961, 16. A. |
Sigwart | Logik | 2 Bde. Logik |
Sponsel | Psychologie | IP-GIPT Gewissheit |
Stegmüller | Wissenschaftstheorie | Kapitel in Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft |
Zusammenfassung-Arnold:
""Evidenz, die subjektive Gewißheit einer Gegebenheit bzw.
das Einleuchten eines Sachverhalts, erlebt als unmittelbare Einsicht in
die Qualitäten oder Dimensionen eines Tatbestandes oder die Wahrheit
eines Urteils. ... Jede Argumentation für die E.
führt in einen Circulus vitiosus, weil sie ihre Anerkennung voraussetzen
muß. H.
Drüe"
Hier werden einige Begriffsverschiebebahnhöfe
eingerichtet: subjektive Gewißheit [zu der es keinen Eintrag gibt,
obwohl hier in markanter Erklärungsposition verwendet], unmittelbar,
Einsicht, unmittelbare Einsicht, Einleuchten, Sachverhalt. Zur Begriffsbasis
gehören weiter: Gegebenheit, Sachverhalt, Qualitäten, Dimensionen,
Tatbestand, Wahrheit, Urteil, Wahrheit eines Urteils, innere Wahrnehmung
u.a.m. Stark ist die kritische Behauptung: "Jede Argumentation für
die E. führt in einen Circulus
vitiosus, weil sie ihre Anerkennung voraussetzen muß".
"Evidenz, die subjektive Gewißheit einer Gegebenheit bzw. das Einleuchten eines Sachverhalts, erlebt als unmittelbare Einsicht in die Qualitäten oder Dimensionen eines Tatbestandes oder die Wahrheit eines Urteils. E. wird insbesondere geltend gemacht; a) in der Logik, b) im Falle der inneren Wahrnehmung, c) im weiteren auch in der äußeren Anschauung bei Wahrnehmungsurteilen.- Einwände gegen die Verläßlichkeit der E.: Für den Bereich der äußeren Wahrnehmung werden in erster Linie die optischen Täuschungen genannt; für die innere Wahrnehmung wird auf die intersubjektiven Demonstrationsschwierigkeiten ihrer Einsichten verwiesen; für den Bereich der Logik gilt, daß ein Erlebnis der Nötigung noch kein Kriterium der Wahrheit oder Falschheit abgibt. - Die Anerkennung der E. als Fundierung der Wahrheit von Urteilen geht davon aus, daß die beurteilten logischen, psychischen oder gegenständlichen Sachverhalte von den zugehörigen Akten voll erreicht werden. Es kann jedoch in jedem Einzelfall bezweifelt werden, ob eine solche adäquate Gegebenheitsweise vorliegt. Der Wahrheitsgehalt jeder E. bleibt problematisch; der Täuschungseinwand ist prinzipiell nicht aufzuheben. Statt daß E. als letzte Instanz einer Begründungskette beansprucht werden kann, bedarf sie selbst der Begründung, die jedoch nicht durchgeführt werden kann: Jede Argumentation für die E. führt in einen Circulus vitiosus, weil sie ihre Anerkennung voraussetzen muß. H. Drüe"
Evidenzprinzip in der Logik (Berka)
Berka, Karel & Kreiser, Lothar (1971).
Logik-Texte. Kommentierte Auswahl zur Geschichte der modernen Logik. Berlin:
Akademie.
S.274: "Die Entstehung Nicht-Euklidischer Geometrien im XIX. Jahrhundert
erschütterte das Vertrauen in das Evidenzprinzip,
das seit Aristoteles als hinreichendes Kriterium für die Auswahl von
Axiomen in einem deduktiven System galt."
Kommentar: Das Aristoteles zugeschriebene Evidenzprinzp
wird weder belegt noch erläutert, auch nicht durch Querverweis, Fußnote,
Anmerkung oder Literaturhinweis. Anmerkung: In Bochenskis [Geschichte]
Formale Logik (1962, 2.A.) findet sich im Sachregister auch kein Eintrag
"Evidenzprinzip".
_
Zusammenfassung-Bischof-2009: Sachregistereinträge
Evidenz: 24, 38, 88, 91f, 110, 134-136, 568. Die Sachregistereinträge
führen zu insgesamt 18 Fundstellen. Von den 18 Fundstellen sind 5
"Evidenzgefühl", was nahelegt, dass Bischofs Evidenzbegriff eine deutliche
bis starke Gefühlskomponente enthält. Der Evidenzbegriff selbst
wird nicht eigens erklärt, auch nicht durch Querverweis, Fußnote,
Anmerkung oder Literaturhinweis. Das kann man zwar auch so deuten, dass
Bischof den Evidenzbegriff für allgemeinverständlich und nicht
weiter erklärungs- oder begründungsbedürftig hält,
was ich aber nicht glaube. S.91 gebraucht den Begriffsverschiebebahnhof
"einleuchtend". Es gäbe falsche Evidenzen (S. 91) und Evidenzgrade
(S. 136, S. 568), die leider nicht näher ausgeführt werden. Evidenz
sei nicht zuverlässiger als ein Schwangerschaftstest (S. 91). Nachdem
der Evidenbegriff für "unerlässlich" (S.134) befunden wird, wäre
es umso nötiger gewesen, ihn genau zu erklären oder sogar zu
definieren (>Sponsel). Eine besondere Bedeutung
nimmt der fälschlich Brunswik zugeschriebene Begriff der Veridikalität
(S. 91) ein, dem es nach meinem Verständnis auch an differentieller
Klarheit fehlt.
> Ausführliche Doku in ausgelagerter, eigener
Datei.
Zusammenfassung-Bischof-HB-1966: Die beiden
Sachregistereinträge : Evidenz 316, 319 beziehen sich auf das Kapitel
10 Psychophysik der Raumwahrnehmung, Abschnitt 4. Funktionale und evidente
phänomenal-räumliche Bezugssysteme und Abschnitt
5.
Physikalische und phänomenale Raumstruktur von Norbert Bischof.
Die Seiten 316-319 enthalten 25 Fundstellen zum Suchtext "eviden". Durchsucht
man das gesamte Kapitel 10 von Norbert Bischof im Handbuch mit dem Suchtext
"eviden", werden 45 Treffer erzielt. Die ersten 2 Treffer betreffen Einträge
im Inhaltsverzeichnis, so dass noch 43 Treffer im Text mit 3 in Fußnoten
übrig bleiben. Ich habe mir die ersten 17 Fundstellen näher angesehen
und gehe davon aus, was in diesen ersten 17 Fundstellen begrifflich nicht
geklärt wurde, wird auch in den weiteren Fundstellen nicht geklärt
werden.
Fazit: Bischof (1966) erklärt in den ersten 17 Fundstellen
nicht, was er unter Evidenz und unter Graden der Evidenz versteht, wie
man das feststellen und referenzieren
kann.
> Ausführliche Doku in ausgelagerter,
eigener Datei.
Zusammenfassung-Evidenz-PeS-1924: Das Werk, Psychologie vom empirischen Standpunkt, hat in den ersten vier Kapiteln der Erstausgabe von 1874, 33 Fundstellen mit Evidenz, die ersten 9 und die letzten 4 sind vom Herausgeber, so dass für Brentano 20 verbleiben. Der Begriff Evidenz wird das erste Mal S.28 gebraucht: "Anderes gilt von den Phänomenen der inneren Wahrnehmung. Diese sind wahr in sich selbst. Wie sie erscheinen — dafür bürgt die Evidenz, mit der sie wahrgenommen werden —, so sind sie auch in Wirklichkeit." Die wissenschaftliche Grundregel, wichtige Begriffe beim ersten Gebrauch zu erklären, wird von Brentano hier nicht eingehalten. Bei der Vielfalt und dem Durcheinander, das sich um den Evidenzbegriff in der Geistesgeschichte rankt, darf er aber davon gewiss ;-) nicht ausgehen. Er hätte sich mit dem Begriff der Evidenz ausführlich auseinandersetzen und ihn ordentlich einführen müssen. > Ausführliche Doku in ausgelagerter, eigener Datei.
Zusammenfassung-Evidenz-WuE-1930:
Der Text von 1930 Wahrheit und Evidenz, S.122-164, enthält 79 Treffer
"Evidenz" ohne Treffer beim Herausgeber, Titel und Inhaltsverzeichnis.
Evidenz wird S. 125 zum ersten Mal verwendet, aber nicht erklärt,
es gibt auch keinen Querverweis, keine Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis.
Die wissenschaftliche Grundregel,
wichtige Begriffe beim ersten Gebrauch zu erklären, wird von Brentano
hier nicht eingehalten. Vermutlich setzt Brentano an dieser Stelle die
Kenntnis seines oder des Evidenzbegriffes voraus. Auch S.135, 10 Seiten
nach dem ersten Gebrauch, bleibt der Begriffsinhalt von Evidenz im Dunklen.
S.137 werden zwei neue Spezifikationen, scheinbare und wirkliche Evidenz
eingeführt, aber so wenig erklärt, wie der Grundbegriff selbst.
S.141: Der Evidenzbegriff ist nach wie vor ungeklärt und in diesem
Zusammenhang besonders unverständlich. S.142-2: Hier wird empfohlen,
um weiter zu kommen, evidente und nicht evidente Urteile vergleichend einander
gegenüber zu stellen. Das klingst sehr vernünftig, aber warum
tut Brentano das nicht, sondern belässt es beim Programmentwurf? Erneut
wird von wirklicher Evidenz gesprochen. > Ausführliche
Doku in ausgelagerter, eigener Datei.
Zusammenfassung-Dorsch:
"Augenscheinlichkeit; höchste Gewissheit, einleuchtende Erkenntnis,
unmittelbare Einsicht in das Gegebene mit der Gewissheit der Richtigkeit."
Hier werden einige Begriffsverschiebebahnhöfe
eingerichtet, die auch zur Begriffsbasis gehören: höchste Gewissheit,
einleuchtende Erkenntnis, unmittelbare Einsicht in das Gegebene mit der
Gewissheit der Richtigkeit.
"Evidenz (= E.) [engl. evidence;
lat. evidens augenscheinlich, einleuchtend], [KOG, WA], Augenscheinlichkeit;
höchste Gewissheit, einleuchtende Erkenntnis, unmittelbare Einsicht
in das Gegebene mit der Gewissheit der Richtigkeit. Es gibt für mentale
Strukturen mind. drei Formen der verfügbaren E.:
die des Verhaltens (behavioral), die phänomenale und die physiol.
(erlebnismäßig aus der Selbstwahrnehmung stammend). Häufig
wird diese Basis, spez. in der Ps., als genügender Beweis für
die Richtigkeit der Erkenntnis eines Vorgangs hingenommen.
Optische Täuschung zeigt aber, dass
z. B. metrisch obj. gleich lange Strecken evident
verschieden lang erlebt werden (Müller-Lyer’sche
Täuschung). Ebenso kann einem phänomenalen Kausalzusammenhang,
z. B. Verschiebung eines Gegenstandes durch einen anderen (Michotte), kein
faktischer Zusammenhang entsprechen (wie auch viele Geschicklichkeitsspiele
der Zauberer zeigen). Dies impliziert, dass in einer empirischen Wissenschaft
wie der Ps. die Phänomene einer Analyse unterzogen werden müssen,
damit gesichert wird, ob dieser
Evidenz
eine funktionale Abhängigkeit entspricht. common
sense.
[FSE, KLI, PÄD, PHA], Evidenzbasierung.
1.b) augenfällig, offenkundig
Gebrauch bildungssprachlich
Beispiele
- eine evidente Tatsache
- seine Dummheit ist
evident
- es ist evident,
dass dem so ist
- sie ist evident
benachteiligt
...
Synonyme zu evident
Evidenz die
...
Bedeutungen (3)
Zusammenfassung-Dürr-1903-Evidenz
Evidenz: 2 Fundstellen, evident keine. Dürr erklärt nicht,
was er unter Evidenz verstehen will, er gibt keinen Querverweis, keine
Fußnote, Anmerkung oder einen Literaturhinweis zur Evidenz an. Evidenz
ist nach S.45 ein Erlebnis. S.47 behauptet, ohne Beispiel und Beleg,
"dass auch nicht anschauliche Bedeutungen2) von Wörtern als gleich
und verschieden mit Evidenz beurteilt
werden können ..."
2) Auf die Erweiterung des Begriffs Anschauung,
wie sie Husserl (Logische Untersuchungen II p. 600 ff.) vorschlägt,
soll hier nicht näher eingegangen werden.
Die Belege werden mit der Dokumentation zur Gewissheit präsentiert.
Zusammenfassung Eisler: "Evidenz
(evidentia) Augenscheinlichkeit, Einsicht, intuitiv fundierte Gewißheit,
unmittelbare Gewißheit des anschaulich Eingesehenen oder des notwendig
zu Denkenden."
Hier werden einige Begriffsverschiebebahnhöfe
eingerichtet, wobei "des notwendig zu Denkenden" gar nicht erklärt
wird.
"Evidenz (evidentia): Augenscheinlichkeit, Einsicht, intuitiv
fundierte Gewißheit, unmittelbare Gewißheit des anschaulich
Eingesehenen oder des notwendig zu Denkenden.
EPIKUR setzt alle Evidenz enargeia in die
Sinneswahrnehmung (Diog. L. X, 52), die als solche immer wahr sei (I. e.
32; Sext. Empir. adv. Math. VII, 203, VIII, 63 squ.). DESCARTES verlegt
die Evidenz in die »Klarheit und
Deutlichkeit« (s. d.) des Denkens. Auch MALEBRANCHE erklärt:
»Evidence ne consiste que dans
la rue claire et distincte de toutes les parties et de tous les rapports
de l'objet, qui sont nécessaires pour porter un jugement assuré«
(Rech. I, 2). LEIBNIZ erklärt die
Evidenz
als lichtvolle Gewißheit, die aus der Verbindung von Vorstellungen
resultiert (Nouv. Ess. IV, ch. 11, § 10). Nach LOCKE beruht alle Evidenz
auf der Anschauung: »It is in this intuition that depends all the
certainly and evidence of all our knowledge« (Ess. IV, ch. 2, §
1). COLLIER (Clav. univ. p. 12) und die schottische Schule sprechen von
apriorischen (s. d.) »self-evident truths«, von in sich evidenten
Wahrheiten. Nach REID ist Evidenz alles,
was einen Grund des Glaubens bildet (Ess. on the int. pow. of man I, p.
323). D'ALEMBERT bemerkt: »L'évidence appartient proprement
aux idées dont l'esprit aperçoit la liaison tout d'un coup«
(Disc. prél. p. 51). J. EBERT: »Man pflegt diejenige Deutlichkeit
eines Satzes, die hinlänglich ist, die Wahrheit desselben einzusehen,
Evidenz
zu nennen« (Vernunftl. S. 127). Bei KANT führt die Evidenz
auf ein Apriori (s. d.) des Erkennens zurück. Vgl. MENDELSSOHN, Üb.
d. Evidenz in metaph. Wiss., Ges. Schrift. II.
Von einem »Evidenz-
oder Überzeugungsgefühl« spricht SCHLEIERMACHER (Dial.,
zu § 88). A. LANGE beschränkt die unmittelbare Evidenz
auf die Raumanschauung (Log. Stud. S. 9 f.). ULRICI versteht unter Evidenz
»die objektive Denknotwendigkeit« (Log. S. 32). Nach SIGWART
bekundet sich im Bewußtsein der Evidenz
»die Fähigkeit, objektiv notwendiges Denken von nicht notwendigem
zu unterscheiden« (Log. I2, 94). WUNDT betont, daß »nie
den einzelnen Bestandteilen des Denkens, den Begriffen, für sich Evidenz
zukommt, sondern daß die letztere immer erst aus der Verknüpfung
der Begriffe hervorgehen kann« (Log. I, 74). »Die unmittelbare
Evidenz
unseres Denkens hat... ihre Quelle stets in der unmittelbaren Anschauung«
(l.c. S. 75). Doch ruht die Evidenz,
d.h. die logische Gewißheit, auf der Sicherheit der Denkergebnisse.
Das Denken muß »zwischen den Gliedern der Vorstellung hin und
her gehen und sie messend miteinander vergleichen, damit aus der Anschauung
die Evidenz hervorgehe«. »So
ist überhaupt die Anschauung nur die Gelegenheitsursache der unmittelbaren
Evidenz,
der eigentliche Grund derselben liegt aber in dem verknüpfenden und
vergleichenden Denken« (l.c. S. 77). Während sich die unmittelbare
Evidenz auf das ursprüngliche Denkmaterial bezieht, geht die mittelbare
auf den bereits verarbeiteten Stoff (ib.). SCHUPPE setzt Evidenz
und. Anschaulichkeit einander gleich (Log. S. 89). BRENTANO nimmt (wie
schon HERBART, ALLIHN, Gr. d. allg. Eth. S. 38, U. a.) eine Evidenz
der sittlichen (s. d.) Urteile an (Intuitionismus, s. d.). Nach HUSSERL
ist überall da von Evidenzen im
laxen Sinne die Rede, »wo immer eine setzende Intention (zumal eine
behauptende) ihre Bestätigung durch eine korrespondierende und voll
angepaßte Wahrnehmung, sei es auch eine passende Synthesis zusammenhängender
Einzelwahrnehmungen, findet« (Log. Unt. II, 593). Im engeren Sinne
ist Evidenz der Akt der vollkommensten
»Erfüllungssynthesis« zur Intention
(s. d.) (ib.). Ihr objektives Korrelat ist das Sein im Sinne der Wahrheit
(ib.). Vgl. Gewißheit."
Zusammenfassung-Evidenz-im Historischen Wörterbuch der Philosophie
Die Begriffsgeschichte beginnt I. mit Ciceros Einführung in das
Lataeinische, berichtet dann über den antiken griechischen Gebrauch
(Epikur, Stoa) und kommt dann zur Scholastik, Descartes, Malebranche, Fichte,
Brentano, Husserl, Sartre, Neo/ Positivismus. In II. wird Husserl und die
Phänomenologie abgehandelt. Zu Beginn der mehrspaltigen Darstellung
wird ausgeführt:
Evidenz in Külpes 3 Bänden
Die
Realisierung > ausführliche
Fundstellenbelege in ausgelagerter Datei.
[Intern PDFs: EigDart/EBooks/PsychologiePDF/Geschichte/....]
Zusammenfassung-Evidenz-Külpe-I-II-III: Nachdem Külpe oft den Begriff der Evidenz im Zusammenhang mit Gewißheit verwendet, stellt sich natürlich die Frage, was Külpe unter Evidenz versteht. Ich erfasse und kommentiere die ersten 10 Fundstellen in Die Realisierung I:. Was bis dahin, immerhin 27 Seiten (S.29-55), begrifflich nicht geklärt ist, wird wohl auch weiterhin nicht geklärt werden.
Evidenz (engl. evidence, franz. évidence), in erkenntnistheoretischen
Zusammenhängen Bezeichnung für eine Einsicht ohne methodische
Vermittlungen. In seiner lateinischen Form (evidentia)
gibt der Ausdruck bei M. T. Cicero (synonym mit perspicuitas) den in der
>Stoa und im >Epikureismus terminologisch verwendeten Ausdruck (... griechisch)
(Klarheit, Deutlichkeit) wieder. Seine Bedeutung etwa im Sinne voraussetzungsloser
Einsicht oder >anschauender >Gewißheit< (I. Kant, KrV B 762) ist
in der philosophischen Tradition abhängig von vorausliegenden erkenntnistheoretischen
Positionen und entsprechend uneinheitlich. Schwankender terminologischer
Gebrauch drückt sich (1) in der Beurteilung der E.
entweder als der subjektiven Form der Wahrheitsanerkennung (E.
als
>Sehen< eines Sachverhaltes) oder als der objektiven Form der Wahrheitsfindung
(E. als >Sich-zeigen< eines Sachverhaltes),
(2) in Zuordnungen wie >metaphysische<,
>logische<, >psychologische<,
>physische< und (erneut) >subjektive<
bzw. >objektive< E.
aus. Gegensatz (ebenso wie beim Begriff der >Intuition) ist in allen Fällen
der Begriff der diskursiven bzw. begrifflichen, d. h. der methodisch
(durch Beweis, Erklärung etc.) fortschreitenden, Einsicht (>diskursiv/Diskursivität).
In seiner dominanten Bedeutung stellt der Begriff der E.
innerhalb der philosophischen Tradition ein >Wahrheitskriterium für
>erste< Sätze einer Theorie, die sogenannten >Axiome, dar (>Methode,
axiomatische), sofern diese nicht konventionalistisch (>Konventionalismus)
gedeutet werden. Der Hinweis auf E.
steht hier methodologisch gesehen an Stelle der schon von Aristoteles geforderten
Begründung von (>deduktiv< nicht mehr begründbaren) Ausgangssätzen
(>Epagoge). Erst D. Hilbert ersetzt in diesem wissenschaftstheoretischen
Zusammenhang die Forderung nach E. axiomatischer
Anfänge durch die Forderung ihrer Widerspruchsfreiheit (>widerspruchsfrei/
Widerspruchsfreiheit). Erkenntnistheoretische Bedeutung in einem allgemeineren
Sinne gewinnt der Begriff der E. vor
allem bei R. Descartes. Gegen den Primat diskursiver (logischer) Verfahren
werden, terminologisch in den Begriffen der Intuition (intuitio) und der
klaren und distinkten Anschauung (clara et distincta perceptio) (> klar
und deutlich), E.en
unter dem Grundsatz
>solo lumine rationis et sani sensus< (La recherche de la verité
par la lumière naturelle, Oeuvres X, 521) ausgezeichnet. An die
Stelle von Ketten logisch voneinander abhängiger Sätze sollen
im Idealfall Ketten von E.en treten
(etwa analog der Möglichkeit, elementargeometrische Sätze über
Symmetrieeigenschaften zu beweisen). [>438]
Nicht mehr nur als Wahrheitskriterium, sondern als Definiens der >Wahrheit
selbst tritt der Begriff der E.. bei
F. Brentano auf. Wahrheit ist eine Eigenschaft des Vollzugs >evidenter<
Urteile, wobei als evident im strikten
Sinne nur die apodiktischen Urteile (>Urteil, apodiktisches), die aus Begriffen
einleuchten, und die Urteile der sogenannten inneren Wahrnehmung (z.B.
>ich
denke<) gelten. E. qualifiziert
ferner nach Brentano sittliche Stellungnahmen in emotiven Akten (Beurteilungen
nach >richtig< und >unrichtig<). Auf E.
als Selbstgegebenheit werden bei E. Husserl alle Weisen phänomenologischer
Analyse (>Phänomenologie) zurückgeführt (>>Zu jeder Grundart
von Gegenständlichkeiten [ ... ] gehört eine Grundart der >Erfahrung<,
der E.<<, Formale und transzendentale
Logik, 169 [Husserliana XVII]). >Urmodus< der E.
ist die >Wahrnehmung, darin zugleich >Grundform des Vernunftbewußtseins<
(Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen
Philosophie I, 333). Methodisch zentral im Rahmen der Spätphilosophie
Husserls sind dabei ( 1) die Unterscheidung zwischen adäquater
und apodiktischer E. sowie (2)
die Fundierung einer prädikativen E.
durch eine >vorprädikative (lebensweltliche) E.
des
Wahrnehmens und der Erfahrung (>>Auf die E.en
der Erfahrung sollen sich letztlich alle prädikativen E.en
gründen<<, Erfahrung und Urteil, 38).
Probleme eines methodisch ausgewiesenen E.begriffs
knüpfen sich ebenso wie im Falle des Begriffs der Intuition in begründungstheoretischen
Kontexten an eine kontrollierbare Berufung auf E.
bzw. an das Erfordernis, E.en von Scheinevidenzen
zu unterscheiden (>>alle Argumente für die E. stellen einen >circulus
vitiosus dar und alle Argumente gegen sie einen Selbstwiderspruch<<,
W. Stegmüller, Metaphysik, Wissenschaft, Skepsis, 1954, 102f., 21969,
168f.). Im Sinne eines Postulats der Anerkennung von Argumentationsteilen
wird E. jederzeit in Anspruch genommen
bzw. in Form hergestellter Zustimmung als gegeben betrachtet. Insofern
stellt sich E.
ein oder bleibt E.
aus; sie kann erzeugt, aber nicht bewiesen werden. Damit
gehört E. zu den pragmatischen
Konstituentien jeglicher >Argumentation (>Argumentationstheorie)
und Einsicht.
Literatur: R. Audi, Self-Evidence, in: J. E. Tomberlin (ed.), Philosophical Perspectives XIII (Epistemology), Oxford etc. 1999, 205-228; F. Brentano, Wahrheit und E .. Erkenntnistheoretische Abhandlungen und Briefe, ed. O. Kraus, Leipzig 1930 (repr. Harnburg 1974); J. Chandler/A. I. Davidson/H. Harootunian (eds.), Questions of Evidence. Proof, Practice, and Persuasion Across the Disciplines, Chicago Ill. 1994; R.M. Chisholm, Evidence as Justification, J. Philos. 58 (1961), 739-749; ders./ R. Firth, Symposium. The Concept of Empirical Evidence, J. Philos. 53 (1956), 722-739; H. Fackeldey, E., WL 174-178; W. Halbfass/K. Held, E., Hist. Wb. Ph. II (1972), 829-834; FM II (1994), 1156-1158; G. Heffernan, Bedeutung und E. bei Husserl. Das Verhältnis zwischen der Bedeutungs- und der [>439] E.theorie in den >>Logischen Untersuchungen« und der >>Formalen und transzendentalen Logik<<. Ein Vergleich anhand der Identitätsproblematik, Bonn 1983; ders., A Study in the Sedimented Origins of Evidence. Husserl and His Contemporaries Engaged in a Collective Essay in the Phenomenology and Psychology of Epistemic Justification, Husserl-Stud. 16 (1999), 83-181; E. Husserl, Cartesianische Meditationen und Pariser Vorträge, ed. S. Strasser, Den Haag 1950 (Husserliana I), Harnburg 1995; ders., Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie I (Allgemeine Einführung in die reine Phänomenologie), ed. W. Biemel, Den Haag 1950 (Husserliana III), bes. 333-357 (II Phänomenologie der Vernunft); ders., Formale und transzendentale Logik. Versuch einer Kritik der logischen Vernunft, Halle 1929, Harnburg 1992 (Husserliana XVII); ders., Erfahrung und Urteil. Untersuchungen zur Genealogie der Logik, ed. L. Landgrebe, Harnburg 1948, 1999; J. Jung, E. und Erfahrung. Eine Betrachtung zur Ethik Franz Brentanos, Conceptus 22 (1988), Nr. 55, 43-63; A. Luckner, E., EP I (1999), 364-366; A. Maier, Das Problem der E. in der Philosophie des 14. Jahrhunderts, Scholastik 38 (1963), 183-225; J.-M. Muglioni, Évidence, Enc. philos. universelle II/1 (1990), 907-908; G. Patzig, Kritische Bemerkungen zu Husserls Thesen über das Verhältnis von Wahrheit und E., Neue H. Philos. 1 (1971), 12-32; W. Reimer, Der phänomenologische E.begriff, Kant-St. 23 (1919), 269-301; K. Rosen, E. in Husserls deskriptiver Transzendentalphilosophie, Meisenheim am Glan 1977; D. Rynin, Evidence, Synthese 12 (1960), 6-24; M. Sommer, E. im Augenblick. Eine Phänomenologie der reinen Empfindung, Frankfurt 1987, 1996; W. Stegmüller, Der E.begriff in der formalisierten Logik und Mathematik, Wien. Z. Philos. Psychol. Pädag. 4 (1953), 288-295; ders., Metaphysik, Wissenschaft, Skepsis, Frankfurt/Wien 1954, unter dem Titel: Metaphysik, Skepsis, Wissenschaft, Berlin/Heidelberg/New York 1969; ders., Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. Eine kritische Einführung I, Wien etc. 1952, Stuttgart 71989, 1-48 (Philosophie der E.: Franz Brentano); P. Weiss, First Considerations. An Examination of Philosophical Evidence, Garbondale Ill. 1977; T. Williamson, Scepticism and Evidence, Philos. Phenom. Res. 60 (2000), 613-628; P. Wilpert, Das Problem der Wahrheitssicherung bei Thomas von Aquin. Ein Beitrag zur Geschichte des E.problems, Münster 1931. J. M."
"Evidenztheorie, eine von F. Brentano in Auseinandersetzung mit der traditionellen Korrespondenztheorie als Alternative entwickelte >Wahrheitstheorie, nach der eine >Aussage wahr ist, wenn sie einer evidenten, d. h. einem einleuchtenden und nicht blinden >Urteil entstammenden, Aussage gleich ist. K. L"
II-S.262: "6.49 Zu sagen, daß wir von einem gegebenen Satz unvermeidlicherweise einfach überzeugt sind, ist kein Argument, aber wenn es wahr ist, ist es ein unwidersprechliches Faktum; und» setzt man für »wir« »ich« ein, so ist es wahr, geht man danach, wie verschiedene Klassen von Denkern reden: derjenige, der blindlings seiner Leidenschaft folgt, der Unreflektierte und: Unwissende, und schließlich der, welcher eine überwältigende Evidenz vor Augen hat. Aber was heute noch undenkbar ist, stellt sich oft morgen schon als unbestreitbar heraus. Die Unfähigkeit, sich etwas vorzustellen, ist nur ein Stadium, das> jeder hinsichtlich einer ganzen Anzahl von Überzeugungen· hinter sich lassen muß, - er sei denn mit außergewöhnlicher Hartnäckigkeit und Beschränktheit begabt. Sein Verstand wird dann nur Sklave irgendeines blinden Zwangs, den ein starker Verstand wohl sicher bald abschütteln wird"
Popper Evidenz in Objektive Erkenntnis
Zusammenfassung-Popper-Objektive-Erkenntnis:
Sachregistereinträge: "Evidenz, dokumentarische s. Daten, dokumentarische
—, Grade, Stufen der - (Heyting) 143 —unabhängige 199 f ., 212; s.
a. Beweis; Grund." In den Seiten 199 und 212 habe ich das Wort "Evidenz"
nicht gefunden.
Unter Berufung auf Heyting, der auf mathematisch intutionistischer
Basis eine dreiwertige Logik vorgelegt hat, zitiert Popper eine "Skala
absteigender Grade von Evidenz". Die Ausführungen sind schwer verständlich.
Man kann ihnen aber entnehmen, dass Popper den Begriff der Evidenz in Objektive
Erkenntnis grundsätzlich akzeptiert.
S.143: "Die Art, wie Sprache und diskursives Denken mit den mehr unmittelbaren
intuitiven Konstruktionen zusammenwirken (was übrigens das Ideal der
absoluten Beweissicherheit zerstört, das die intuitive Konstruktion
erfüllen sollte), wurde auf höchst erhellende Weise von Heyting
beschrieben. Ich darf vielleicht den Anfang dieser Beschreibung zitieren,
die mich nicht nur angeregt, sondern auch ermutigt hat: »Es hat sich
herausgestellt, daß es nicht intuitiv klar ist, was eigentlich in
der Mathematik intuitiv klar ist. Man kann sogar eine Skala
absteigender Grade von Evidenz aufstellen. Den höchsten
Grad haben Behauptungen, wie 2 + 2=4. Einen niedrigeren Grad hat bereits
1002 + 2 = 1004. Wir beweisen es nicht durch tatsächliches Zählen,
sondern durch Überlegungen, die allgemein zeigen, daß (n + 2)
+ 2 = n + 4... [Aussagen wie diese] haben schon den Charakter einer Implikation:
>Wird eine natürliche Zahl n konstruiert, dann können wir die
Konstruktion ausführen, die durch (n + z) + 2 = n + 4 ausgedrückt
wird<. « [FN39] Für unser augenblickliches Problem sind Heytings
»Grade der Evidenz« weniger wichtig. In erster
Linie interessant ist seine wundervoll einfache und klare Analyse des unvermeidlichen
Zusammenspiels zwischen intuitiver Konstruktion und sprachlicher Formulierung,
die uns notwendigerweise in diskursive - und daher logische - Überlegungen
verwickelt. Das betont Heyting, wenn er fortfährt: »Diese Ebene
ist im Kalkül der freien Variablen formalisiert.«
Ein letztes Wort über Brouwer und den mathematischen Platonismus.
Die Autonomie der Welt 3 ist unleugbar, und damit muß Brouwers Gleichung
»esse = construi« aufgegeben werden, mindestens
für Probleme. Das kann uns einen neuen Blick auf die Logik des Intuitionismus
eröffnen: Ohne die intuitionistischen Beweisgrundsätze aufzugeben,
kann es für die kritische rationale Diskussion wichtig sein, scharf
zwischen einer These und ihrer Begründung zu unterscheiden. Doch diese
Unterscheidung wird von der intuitionistischen Logik zerstört, die
aus der Vermengung von Evidenz oder Beweis
mit der zu beweisenden Behauptung entsteht. [FN 40]
Popper Evidenz in Die Logik der Forschung 4. A. 1971
Zusammenfassung-Popper-Logik-Forschung:
Sachregistereinträge: "Evidenz (Selbstverständlichkeit) 20, 42,
161, 281, 282; siehe auch: Überzeugung".
Auf den Seiten 42 und 161 habe ich das Wort "eviden" nicht gefunden.
S. 20 sagt klipp und klar, dass Evidenz zur Begründung wissenschaftlicher
Tatsachen nicht geeignet ist: "... Es ist also erkenntnistheoretisch ganz
gleichgültig, ob meine Überzeugungen schwach oder stark waren,
ob „Evidenz“ vorlag oder nur eine „Vermutung“:
Mit der Begründung wissenschaftlicher Sätze hat das nichts zu
tun."
In einem gewissen Widerspruch dazu steht die Aussage auf S. 281 über das erste Axiom, das "intuitiv evident" sein soll und in dieser Formulierung eine positive Akzeptanz ausdrückt.
PopperLdF-S.20: "Wir greifen nun auf einen Punkt des vorigen Abschnittes zurück, auf unsere These, daß subjektive Überzeugungserlebnisse niemals die Wahrheit wissenschaftlicher Sätze begründen, sondern innerhalb der Wissenschaft nur die Rolle eines Objekts der wissenschaftlichen, nämlich der empirisch-psychologischen Forschung spielen können. Auf die Intensität der Überzeugungserlebnisse kommt es dabei überhaupt nicht an; ich kann von der Wahrheit eines Satzes, von der Evidenz einer Wahrnehmung, von der Überzeugungskraft eines Erlebnisses durchdrungen sein, jeder Zweifel kann mir absurd vorkommen; aber kann die Wissenschaft diesen Satz deshalb annehmen? Kann sie ihn darauf gründen, daß Herr N. N. von seiner Wahrheit durchdrungen ist? Das wäre mit ihrem Objektivitätscharakter unvereinbar. Die für mich so feststehende „Tatsache“, daß ich jene Überzeugung auch wirklich habe, kann in der objektiven Wissenschaft nur als psychologische Hypothese auftreten, die natürlich der intersubjektiven Nachprüfung bedürftig ist: Der Psychologe wird etwa aus der Annahme, daß ich derartige Überzeugungserlebnisse habe, unter Zuhilfenahme psychologischer und anderer Theorien Prognosen über mein Verhalten deduzieren, die sich bei der experimentellen Prüfung bewähren oder nicht bewähren können. Es ist also erkenntnistheoretisch ganz gleichgültig, ob meine Überzeugungen schwach oder stark waren, ob „Evidenz“ vorlag oder nur eine „Vermutung“: Mit der Begründung wissenschaftlicher Sätze hat das nichts zu tun."
PopperLdF-S.281: "Postulat 3 fordert die Existenz eines Produktes beliebiger Elemente a und b in S. Es charakterisiert erschöpfend alle Eigenschaften des Produkts (wie Idempotenz, Kommutation und Assoziation) durch zwei einfache Axiome, von denen das erste intuitiv evident ist; das zweite wurde schon in Anhang *III besprochen und heuristisch „abgeleitet“."
PopperLdF-S.282: Hier gebraucht Popper den Begriff scheinbarer Evidenz:
Evidenz im Lexikon
der Erkenntnistheorie und Metaphysik
Ricken, Friedo (1984, Hrsg.) Lexikon der Erkenntnistheorie und Metaphysik.
München: Beck.
Der Eintrag Evidenz verweist auf > Gewißheit
und hat damit einen Begriffsverschiebebahnhof
eröffnet.
Evidenz in Schmidt/Schischkoff
Philosophisches Wörterbuch 16. A. 1961 bei Kröner Stuttgart.
Evidenz (vom lat. evidens, „herausscheinend“),
Augenscheinlichkeit, höchste, im Bewußtsein erlebte und zur
->Gewißheit führende Einsichtigkeit; das, was dem Denken und
der Erkenntnis „einleuchtet“.
E. kann
nach Kant nie aus Begriffen in „diskursiven“ Erkenntnissen entspringen,
sondern nur aus „intuitiven“ Grundsätzen, Axiomen im engeren Sinn.
Man unterscheidet zw. psychol. E. (Gefühl
des Überzeugtseins) und logischer E.,
die die Überzeugung von der Gültigkeit des Urteils verleiht.
Für die Wesenserfassung im phänomenologischen Sinn ist die E.
von besonderer Wichtigkeit.
Hauber, Wahrheit u. E. bei F. Brentano, 1936; J. Geyser,
Wahrheit und Evidenz. 1937."
Hier werden einige Begriffsverschiebebahnhöfe eingerichtet. Dazu (und damit zur Begriffsbasis) gehören: Augenscheinlichkeit, Gewißheit, Einsichtigkeit, einleuchten, überzeugt sein, Gefühl des Überzeugtseins, Gültigkeit eines Urteils, Wesenserfassung im phänomenologischen Sinn.
Vorüberlegungen: Entsprechend dem Sprachgebrauch der Wörterbücher und FachwissenschaftlerInnen, soll das Wort Evidenz den Begriff für Sachverhalte verwendet werden, die vollkommen klar, deutlich und sicher von den meisten Menschen beurteilt werden.
Begriffsbasis nach den Vorüberlegungen: vollkommen, klar, deutlich, sicher, meisten, Menschen, beurteilt. Die Begriffsbasis besteht also aus 7 Begriffen.
Definition: Unter der Annahme, dass die Begriffsbasis verständlich und nachvollziehbar vorliegt, bedeutet Evidenz eine vollkommen klare, deutliche und sichere Beurteilung eines Sachverhalts, die von den meisten Menschen geteilt wird. Hierzu kann man Tabellen von Beispielen und Gegenbeispielen heranziehen.
Beispiele und Gegenbeispiele:
Beispiele für Evidenz | Beispiele für keine Evidenz (Beweise hier schwieriger) |
[1+] Ich krümme meine Hand. Ich nehme die Krümmung evident wahr. [Beweis: durchführen] | [1-] Es ist nicht evident, dass ich meine Hand in 100 Jahren noch krümmen können werde. |
[2+] Es ist evident, dass ich zwei und nicht 12 Hände habe. [Beweis: Hände in Augenschein nehmen] | [2-] Es ist nicht evident, dass es keine Menschen mit drei Händen gibt. |
[3+] Es ist evident, dass wir Menschen alle sterben werden. [Beweis: Beobachtung] | [3-] Es ist nicht evident, dass es ein Leben nach dem Tode gibt. |
[4+] Es ist evident, dass ich zum Leben Sauerstoff, Essen und Trinken brauche. [Beweis: Folgen von Entzug beobachten] | [4-] Es ist nicht evident, dass Fahrdauern der Bundesbahn derzeit (Sommer 2022) eingehalten werden. |
[5+] Es ist evident, dass man in Marktwirtschaften beim Einkaufen in der Regel bezahlen muss. [Beweis: beobachten, erproben] | [5-] Es ist keinesweg evident, dass der Klimawandel derzeit (27.08.2022) noch aufgehalten werden kann. |
[6+] Es ist evident, dass sich Körper beim Erwärmen ausdehnen. [Beweis: durchführen] | [6-] Es ist nicht evident, dass ich die Bergbesteigung noch schaffe, bevor es dunkel wird. |
[7+] Es ist evident, dass ich nicht alles erinnere. [Beweis: weil es so ist] | [7-] Es ist nicht evident, dass 2x2=4 ist (aber gewiss). |
[8+] Es ist evident, dass ich, wenn ich wach bin, denken kann, was ich will, z.B. der Mond legt gelbe Eier. [Beweis: tun] | [8-] Es ist nicht evident, dass mir beim freien Assoziieren einfällt, der Mond legt keine Eier. |
[9+] Es ist evident, dass ich meinen Zahlungsverpflichtungen nachkomme, wenn ich kann und es will. [Beweis: weil ich es immer so gemacht habe] | [9-] Es ist nicht evident, dass ich gut durch die Prüfungen kommen werde. |
[10+] Für X. ist es evident, dass es keinen Gott gibt. [Beweis: weil es bei X. so ist] | [10-] Für Y. ist es nicht evident, dass es keinen Gott gibt. |
[11+] Es ist evident, dass ich mich irren kann. [Beweis: weil es schon so und so oft vorgekommen ist] | [11-] Es ist nicht evident, dass ich alles Wichtige erinnere. |
[12+] Es ist evident, dass ich wach bin und nicht träume. [Beweis: weil ich aufgewacht bin und meine Sachen mache] | [12-] Es ist nicht evident, dass ich mein Traumgeschehen steuern kann. |
[13+] Es ist evident, dass die Sonne aufgeht [Beweis: weil sie das täglich macht] | [13-] Es ist nicht evident, dass Ausnahmen die Regel bestätigen. |
Referenzierung der Evidenz: Der kognitive Apparat der urteilenden Menschen.
Gewissheit und Evidenz: In der Regel erfordert Evidenz im Unterschied
zur Gewissheit einfache und direkte Sachverhalte.
Besteht Evidenz, besteht auch Gewißheit, d.h. was evident ist,
ist auch gewiss. Aber nicht alles was gewiss ist
, ist auch evident. Zum Beispiel ist "Die meisten Aussagen, Gesetz-
oder Regelhaftigkeiten gelten nicht bedingungslos, sondern "nur" für
sog. Normalbedingungen." zwar gewiss, aber nicht evident, weil zu kompliziert.
So ist 2x2=4 zwar richtig und gewiss, aber nicht evident.
Zusammenfassung-Stegm1969:
Das
Buch enthält ein ganzes Kapitel mit 55 Seiten zum Thema:
Bereits auf der ersten Seite S.162 sagt Stegmüller: "Den Begriff
„Evidenz" definieren wir nicht; denn
dies ist unmöglich. Nur an Hand von Beispielen kann dasjenige, was
damit gemeint ist, erläutert und können Mißverständnisse
darüber beseitigt werden." Das ist an dieser Stelle nur eine Behauptung,
die im folgenden genau zu belegen wäre.
Das Problem der Metaphysik hat an allen Punkten, wo wir es anschnitten,
auf das Problem der Evidenz geführt,
und zwar in doppelter Weise: 1. ist eine Abgrenzung metaphysischer Aussagen
von nichtmetaphysischen nach Fehlschlagen der übrigen Versuche nur
möglich, wenn es gelingt, die metaphysischen Einsichtsarten von den
nichtmetaphysischen klar zu sondern; 2. besteht die Frage nach dem Rechtsanspruch
der Metaphysik in dem Problem, ob es solche Einsichtsarten als Einsichten
wirklich gibt oder ob es sich in Wahrheit um Scheinevidenzen
handle. Sollte auf die Frage l. eine negative Antwort gegeben werden müssen,
so fiele das Problem der Metaphysik mit dem Evidenzproblem
im allgemeinen zusammen und die Frage nach den metaphysischen Grundlagen
der Einzelwissenschaften reduzierte sich auf die Frage nach deren speziellen
Evidenzvoraussetzungen.
Obwohl es der Sache angemessener zu sein scheint, die erste Frage zuvor
zu behandeln, beginnen wir mit einer Erörterung der zweiten, und zwar
in allgemeiner Form, ohne auf irgendwelche Unterscheidungen von Evidenzarten
Bezug zu nehmen. Den Begriff der Evidenz
und der Einsicht verwenden wir im allgemeinsten Sinn, vorläufig ohne
jede Differenzierung, etwa nach Qualität (apodiktische,
assertorische Evidenz), oder nach dem Gegenstandsbereich,
auf den sich die evidenten Erkenntnisse
beziehen (logische, mathematische Evidenz, Wahrnehmungsevidenz)
usw. Den Begriff „Evidenz" definieren
wir nicht; denn dies ist unmöglich. Nur an Hand von Beispielen kann
dasjenige, was damit gemeint ist, erläutert und können Mißverständnisse
darüber beseitigt werden. In Sätzen wie „ich sehe ein, daß
es sich so und so verhalten muß", „siehst du ein, einen logischen
Fehler in deiner Beweisführung begangen zu haben?", „es ist evident,
daß man eine unendliche Folge nicht zur Gänze durchlaufen kann",
„es ist evident, daß zwischen
[>163] den Farbtönen rot und orange eine größere Ähnlichkeit
besteht wie zwischen den Farbtönen rot und grün“, „es ist evident,
daß man wissen muß, wovon man spricht (sich das Betreffende
,vorstellen' muß), um darüber ein Urteil fällen zu können“
(kurz: Urteile basieren auf Vorstellungen ist ein evidentes
Urteil“), „es ist evident,
daß bei der Lösung eines Problems ein sicheres Wissen um die
Antwort höher einzuschätzen ist als eine bloße Vermutung
(Hypothese)“ wird jedesmal von Evidenz
oder Einsicht gesprochen. Sie wird immer dort beansprucht, wo Urteile gefällt
werden, die ein Wissen ausdrücken. Der Ausdruck „Wissen“ wird allerdings
in zwei Bedeutungen, einer stärkeren und einer schwächeren, genommen,
und nur in der stärkeren Bedeutung liegt eine Kopplung
mit dem Evidenzbegriff vor. „Wissen“ in seiner schwächeren
Bedeutung ist das unvollständige, hypothetische, nicht definitive
Wissen, das jederzeit durch ein besseres ersetzt werden kann. „Wissen“
in seiner stärkeren Bedeutung ist das endgültige, nichthypothetische,
definitive Wissen, das durch kein besseres mehr ersetzbar ist. Nur in diesem
zweiten Fall kann von Evidenz gesprochen
werden. Gegen unvollständiges Wissen kann man argumentierend ankämpfen,
man kann es zu „widerlegen“ trachten oder „negative Instanzen" dagegen
vorbringen. Gegen Urteile, die mit definitivem Wissensanspruch auftreten,
kann man keine Argumente vorbringen. Ist der Wissensanspruch ein falscher,
so kann man den Fehler aufzuzeigen suchen. Gegen unvollständiges Wissen
kann man also Beweise ins Treffen führen, Scheinevidenzen
hingegen lassen sich nur aufzeigen und beheben; man muß versuchen,
zur
Evidenz zu bringen, daß eine
Scheinevidenz
vorlag. Jede Diskussion, in welcher ein Teil dem anderen einen Fehler in
seiner Beweisführung nachweisen möchte oder umgekehrt ihm einen
Beweis vorlegt und von dessen Richtigkeit zu überzeugen trachtet (d.
h. nichts anderes als: zu zeigen sucht, daß es wirklich ein Beweis
ist), ist ein fortgesetzter Appell an des anderen Fähigkeit zur Einsicht."
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site: www.sgipt.org
z.B. Wahn site: www.sgipt.org. * Psychopathologie Psychiatrie site: www.sgipt.org |
Kontrolle / Korrektur: irs 01.09.2022 Rechtschreibprüfung und gelesen
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