Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=26.11.2018  Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 30.11.18
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
    Mail: sekretariat@sgipt.org_ Zitierung  &  Copyright_

    Anfang_Deutscher philosophischer Idealismus Überblick_ Rel. Aktuelles _ Rel. Beständiges_ Titelblatt_ Konzept_ Archiv_ Region_ Service iec-verlag_  _ Wichtige Hinweise zu externen Links und Empfehlungen_

    Willkommen in unserer Internet-Publikation IP-GIPT 1)  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Wissenschaft, Bereich Logik,  Methodologie und  Analogie, hier speziell zum Thema:

    Der deutsche philosophische Idealismus - eine  Geisteskrankheit?
    Was ist richtig, was ist falsch?

    von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Zusammenfassung - Abstract - Summary
    Der  deutsche philosophische Idealismus  kann wie  Platons Ideenlehre  als  Geistes-Krankheit  angesehen werden, sofern die Vertreter mit unkorrigierbarer Gewissheit glauben, was sie meinen - wobei bei  Hegel  noch völlige Entrückungen, paranoide Größenideen und ein vermutlich ebenfalls paranoider Systematisierungswahn hinzukommen (von Lange-Eichbaum  nicht erkannt).
        Richtig am philosophischen Idealismus ist, dass alles, was wir wissen, in unserem Bewusstsein liegt bzw. aus diesem stammt, dass all unsere Erkenntnis zunächst einmal von uns erzeugt wird. Die vom Menschen unabhängige Außenwelt ist eine Konstruktion und Annahme, wenn auch eine sehr plausible und vernünftige.
        Falsch ist, aus dieser tatsächlichen Gegebenheit zu schließen, die Wirklichkeits- und Welterfahrung sei letztlich Einbildung und eine Fiktion, die sich nicht zwingend begründen lasse.
        Richtig ist weiter, dass uns die Wirklichkeit und Welt in einer gewissen, unserem Erkenntnisapparat entsprechenden und nach ihm gefilterten Weise erscheint, womit sich die Frage stellt, wie Erscheinung und Wirklichkeit  zu denken und zu (re-)konstruieren sind. Allerdings stellt sich die Kant'sche Frage des  Ding an sich  nicht wirklich. Das Ding an sich ist per definitionem nicht erkenn- und konstruierbar und daher ein Pseudoproblem. Jede Erkenntnis setzt einen zu erkennenden Sachverhalt und ein erkennendes System voraus. Es gibt keine Erkenntnis ohne erkennendes System. Das zu Erkennende wird notwendigerweise durch den Filter, den ein erkennendes System immer auch bedeutet, konstruiert und repräsentiert. Dass die Dinge und Sachverhalte uns in gewisser Weise erscheinen, ist normal und natürlich und nicht speziell an den Menschen gebunden. Jedes erkennende System produziert systembedingte Konstrukte. Aber die Konstrukte der Naturwissenschaften kommen dem "Ding-an-sich" doch ziemlich nahe.
        Anmerkung: Vorsicht bei  Zitaten-Übernahmen.



    Materialien  > siehe bitte auch Literatur.
    Bemerkung: Die Wortschöpfung "deutscher Idealismus" ist mir zu ungenau; vieldeutig und fehlerträchtig. Ich  ziehe es daher vor, vom deutschen philosophischen Idealismus zu sprechen.

    Begriffliche Vorklärungen in Metzlers Handbuch Deutscher Idealismus S. 1
    "In der Geschichte der Philosophie wird ein Typus von Theorien mit einem Namen bezeichnet, der sich seit Kant auch als Selbstbezeichnung eingebürgert hat: Idealismus. Diese Bezeichnung umfaßt jene Ideenlehren, wie sie seit Platon bekannt sind. Als philosophische Strategie ist der Idealismus zumindest durch drei Merkmale ausgezeichnet: (i) Als Ontologie behauptet er die Existenz von geistigen Entitäten (Ideen), die nicht auf materielle Entitäten redigierbar sind; (ii) als Erkenntnistheorie vertritt er die These, daß die den Menschen erscheinende Außenwelt nicht von den Vorstellungen denkender Subjekte unabhängig ist; und (iii) als Ethik widmet er sich normativen Konzepten der Begründung und Rechtfertigung des Handelns aus Vernunftprinzipien.
        Innerhalb dieser Formation wird die Entwicklung von Kant bis zu Hegel und zum Spätwerk Schellings als Deutscher Idealismus verortet. ..."

    Definition Mendelsohn 1785
    "Der Anhänger des Idealismus hält alle Phänomena unsrer Sinne für Accidenzen des menschlichen Geistes, und glaubet nicht, daß ausserhalb desselben ein materielles Urbild anzutreffen sey, dem sie als Beschaffenheiten zukommen.5"
        Nach dieser Definition dürfte man Schelling nicht zum deutschen philosophischen Idealismus rechnen, da dieser eine Außenwelt anerkennt, wie zahlreiche Fundstellen in Erster Entwurf emes Systems der  Naturphilosophie. Für Vorlesungen (1799) detailliert belegen. Summarisch hierzu Wikipedia.

    Schellings Identitaet von Sachverhalt und Begriff
    "Ein System der Identitätslehre begründet SCHELLING, ausgehend von der Überzeugung, »daß, was in uns erkennt, dasselbe ist mit dem, was erkannt wird« (WW. I 10, 121). »Was außer dem Bewußtsein gesetzt ist, ist dem Wesen nach ebendasselbe, was auch im Bewußtsein gesetzt ist."
        Quelle: Eisler(1904) Wörterbuch der philosophischen Begriffe.
    Aber Wikipedia: "Der Unterschied beider Ansätze liegt vor allem darin, dass Schelling eine vom Bewusstsein unabhängige Realität der Natur annahm, in der das Ich aufgeht (objektiver Idealismus), ..."

    Hegels Identitaet von Sein und Denken
    "HEGEL bestimmt das Sein selbst als Denken, das (absolute) Denken (der Begriff, s. d.) ist Sein."
        Quelle: Eisler(1904) Wörterbuch der philosophischen Begriffe.

    Austeda Woerterbuch der Philosophie
    "Idealismus: 1. erkenntnistheoretischer Standpunkt (vgl. auch Konszientialismus, Bewußtseinsmonismus, Psychomonismus, Logismus), dem zufolge eine vom Bewußtsein des Erkennenden unabhängig existierende Wirklichkeit. (Außenwelt) undenkbar ist; da alles, was wir wahrnehmen und denken, Bewußtseinsinhalt ist. Daher ist unsere Bewußtseinswelt eben „die Welt“ schlechthin, ist alles „Sein“: Bewußtsein. Gegenstandpunkt: Realismus. Im einzelnen sind folgende idealistische Standpunkte zu unterscheiden: : a) Subjektiver Idealismus, („die Welt" ist Inhalt eines individuellen Bewußtseins). Vgl. Berkeley, Solipsismus (Schubert-Soldern), Illusionismus.; b) Objektiver Idealismus: die Welt ist Inhalt (oder sogar Schöpfung) eines überindividuellen (allgemeinen) Bewußtseins oder „Ich“, c) Idealistischer Positivismus (vgl. Fiktionalismus). d) Der Empfindungsmonismus (vgl. Mach). e) Kritischer Idealismus (vgl; Kant). - Vgl. auch Marburger Neukantianismus, Immanenzphilosophie, Urerlebnisphilosophie. 2. metaphysischer Standpunkt, gleichbedeutend  mit Spiritualismus; 3. in der Ethik: Anerkennung von „Idealen“ (geistigen Werten)."

    Schmidt-Schischkoff Wörterbuch der Philosophie
    Idealismus, im allgemeinen Sprachgebrauch jede durch echte Ideale und ihre praktische Befolgung bestimmte Weltanschauung und Lebensführung, bes. im Sinne uneigennützigen, aufopferungsvollen Handelns (p r a k t i s c h e r  I.); im Gegensatz dazu steht der >Materialismus. M e t a p h y s i s c h  die Ansicht, die das objektiv Wirkliche als Idee, Geist, Vernunft bestimmt und auch die Materie als eine Erscheinungsform des Geistes betrachtet, entweder mehr nach der Seite der Idee hin: o b j e k t i v e r  I. (Platon, Schelling, Hegel), oder mehr nach der Seite der Vernunft hin: s u b j e k t i v e r  I. (Descartes, Malebranche, Fichte). E r k e n n t n i s t h e o r e t i s c h  der Standpunkt, der die Dinge als Komplexe von Vorstellungen auffaßt, das Sein nur als Bewußtsein anerkennt: Sein = Wahrgenommenwerden (esse est percipi; Leibniz, Berkeley, Schopenhauer); >Neuidealismus, dt. Idealismus; Gegensatz: >Realismus.
        Als „m a g i s c h e r  I.“ wird das Weltbild 1. der Romantik, 2. der Primitiven insofern bezeichnet, als ihm gemäß die Idee, die Vorstellung, als zauberkräftiges Agens gedacht wird.
    ...

    Idealismus, transzendentaler, die Grundlehre Kants, wonach nicht die Dinge an sich, sondern die Dinge nur als Erscheinungen erfaßbar sind, insbes. aller begrifflich geformten Erfahrung nur wahrnehmungshafte, d. h. „empirische Realität“, zugleich aber von ihrem Erscheinungscharakter und bes. von ihren apriorischen bzw. kategorialen Begriffsbestandteilen her „transzendentale Idealität“ eigne.





    Literatur (Auswahl)
    • Austeda, Franz (1962) Wörterbuch der Philosophie. Berlin: Humboldt.
    • Drüe, Hermann (1976) Psychologie aus dem Begriff: Hegels Persönlichkeitstheorie. Berlin: De Gruyter [GB]
    • Lange-Eichbaum, W. & Kurth, W. & Ritter, W. (1985ff). Genie, Irrsinn und Ruhm. 11 Bde. München: Reinhardt. 7. völlig neu bearbeitete Auflage von Wolfgang Ritter
    • Lange-Eichbaum, W. (1935) Genie, Irrsinn und Ruhm. 2. A. München: Reinhardt.
    • Sandkühler, Hans Jörg  (2005, Hrsg.): Handbuch Deutscher Idealismus. Stuttgart: Metzler.
    • Schmid, Heinrich & Schischkoff, Georgi (1961) Philosophisches Wörterbuch. Stuttgart: Kröner.
    • Treher, Wolfgang (1969) Hegels Geisteskrankheit oder Das verborgene Gesicht der Geschichte. Psychologische Untersuchungen und Betrachtungen über das historische Prophetentum. Emmendingen: Selbstverlag.
    • Willmann, Otto  (1894/96/97) Geschichte des Idealismus, 3 Bände. Braunschweig: Vieweg.




    Links (Auswahl: beachte)
    • Kritik des Sprachgebrauchs in den Geistes-, Sozial- und KulturwissenschaftenAllgemeine, abstrakte, unklare, hypostase-homunkulusartige autonome Begrifflichkeiten und Geisterwelten.
    • Wissenschaftliches Arbeiten. Glossar, Fehler und Probleme, Link- und Literatur-Liste.
    • Begriffsanalyse Begriff und Gebrauchsbeispiele.
    • Überblick Wahn in der IP-GIPT: Drüe
      • Die Idee allgemeiner "normaler" Verrücktheit bei Max Stirner.
      • Unerkannter Wahn im "Normalleben"  ("Normaler Wahn").
      • Positiver, hilfreicher und nützlicher Wahn.
      • Minuswahn: kann der sog. blinde Fleck als Wahn angesehen werden?
      • Wissenschaftliche Wahnsysteme.
        • Beispiel Descartes.
        • Wissenschaftliches Wahnsystem in der Forensischen Psychiatrie.
    • Biographie, Lebenslauf, Kritische Lebensereignisse, Entwicklung der Persönlichkeit, Psychographie, Pathographie, Psychopathographie. Forschung, Konzept und Methodik - Literatur und Linkliste.
    • Überblick Diagnostik in der IP-GIPT.
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    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:  > Eigener wissenschaftlicher Standort.
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Ding-an-sich und Varianten in der IP-GIPT
    • Kant (1787): Aus der Vorrede zur 2. Auflage zum Kant'schen Gebrauch des "Ding an sich".
      • Kritische Anmerkung zu Kants Ding-an-sich.
    • Gibt es die Welt, das Ding an sich [Kant, Eisler], also eine "objektive" Welt?
    • Ding an sich bei Kant.
    • an sich sein - für sich sein.
    • an sich nach Austeda.
    • Ansichsein nach Schmidt/ Schischkoff.
    • an sich nach Mauthner.
    • An-sich nach Eisler.
    • An-sich-sein bei Eisler.
    • An-und-fuer-sich-sein bei Hegel nach Eisler.
    • Fuer-sich-sein nach Eisler.
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    Fichtes Fehlleistung mit seinem Grundbegriff der Anschauung
        Aus der Wissenschaftslehre, Sämtliche Werke, Zweiter Bd., 1845 (Google-Online), S. 7:
        [intern: EigDat\Ebooks\Philosophie\Fichte\SW02_TheorPhilosophie-II_Fichte_.pdf]
    "§. 2. Wort-Erklärungen.
    (BMDefiniens) Ein solches absolutes Zusammenfassen und Uebersehen der Wissenschaftslehre eines Mannigfaltigen vom Vorstellen, welches Mannigfaltige denn auch wohl überall zugleich ein unendliches seyn dürfte, wie sich ein solches in der vorstehenden Construction eines Wissens gezeigt hat, heisst in der folgenden Bearbeitung, und überhaupt in der Wissenschaftslehre, Anschauung (BMDefiniendum). Es hat sich in derselben Construction gefunden  (BMunklar), dass nur in der Anschauung das Wissen beruhe und bestehe (BMunklar), (BMBeleg).
        Diesem zusammenfassenden Bewusstseyn ist entgegengesetzt das Bewusstseyn des Besonderen, wie in dem untergelegten Beispiele das Bewusstseyn des diesmaligen Ziehens der Linie zwischen den beiden durch den Winkel bestimmten Puncten war. Wir können dieses Bewusstseyn Wahrnehmung nennen, oder Erfahrung. Es hat sich gefunden, dass im Wissen von der blossen Wahrnehmung abgesehen werden muss.*)
      F7*) Es thut daher der Abgrund der Dummheit sich auf, wenn irgendein  Nicolai  irgendwo mich auffordert, ihm doch zu sagen, wie man irgend etwas wissen könne ausser durch Erfahrung. Durch Erfahrung kann man gar nichts wissen; indem das bloss Erfahrene erst aufgegeben werden muss, wenn es mit uns zu einem Wissen kommen soll."

      Kommentar Fichte WL §2
      Fichte führt in § 2 seiner Wissenschaftslehre den Grundbegriff der Anschauung (BMDefiniendum) ein. Die dabei verwendeten wichtigen Begriffe "absolutes Zusammenfassen" (BMDefiniens), "Übersehen der Wissenschaftslehre" (BMDefiniens?), "Vorstellen" (BMDefiniens?),  "Mannigfaltige" (BMDefiniens?), "unendliches" (BMDefiniens?), "seyn dürfte (BMDefiniens?)", "sich in der vorstehenden Construction eines Wissens zeigen" (BMDefiniens?).
      Fichte zeigt sich völlig unfähig, seinen Grundbegriff der Anschauung verständlich, begründet und prüfbar einzuführen. Hier werden durchweg weiter zu erklärende Definentia verwendet. Fichte schwadroniert (> sch^3-Syndrom) einfach drauf los. Für diese Fehlleistung hätte er als Pennäler ein ungenügend erhalten müssen. Wie so jemand Philosophieprofessor werden und bleiben kann, ist mir gänzlich unverständlich; er war 1804 immerhin schon über 40 Jahre alt.  Hegel  allerdings ist noch ein paar Potenzen schlimmer. Ich verstehe nicht, wie man Fichte, Hegel, Schelling in eine Reihe mit Kant stellen kann.

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    Fichte und die Wirklichkeit
    Als deutscher philosophischer Idealist sollte Fichte - genau wie z.B. Schelling - nach der Mendelsohn-Definition  des Idealismus keine Wirklichkeit außerhalb des Bewusstseins anerkennen. Tatsächlich scheint Fichte aber z.B. einen "wirklichen Tisch" zu kennen:
      "Ist jenes Herausverweisen aus dem blossen Begriffe auf eine vermeinte Realisierung desselben etwas Anderes, als das gewöhnliche und wohlbekannte Verfahren alles objectiven Denkens, da es kein blosses Denken seyn, sondern noch etwas ausser dem Denken bedeuten will? Durch welche Unredlichkeit solt dieses Verfahren hier mehr gelten, als anderwärts ; — soll es bedeutender seyn, wenn zu dem Gedanken eines Denkens noch eine Wirklichkeit dieses Denkens hinzugesetzt wird, als wenn zu dem Gedanken dieses Tisches noch ein wirklicher Tisch hinzugesetzt würde? — »Der Zweckbegriff, eine besondere Bestimmung der Begebenheiten in mir, erscheint doppelt, theils als ein Subjectives, ein Denken, theils als ein Objectives, ein Handeln," — welche Vernunftgründe könnte ich aufbringen gegen diese Erklärung, die ohne Zweifel auch einer genetischen Deduction nicht ermangeln würde?"
        Quelle: Fichte, J.G. () Die Bestimmung des Menschen. In Sämtliche Werke 2, S. 252 (Google-Online).
        [intern: EigDat\Ebooks\Philosophie\Fichte\SW02_TheorPhilosophie-II_Fichte_.pdf]
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    Weiter schreibt Fichte (1804) als Autor (D.A.) in Sonnenklarer Bericht an das grössere Publicum über das eigentliche Wesen der neuesten Philosophie, Sämtliche Werke 2, S. 337 (original S. 18)
     
      "D. A. Aber du urtheilst doch alle Augenblicke über Wirklichkeit und Nichtwirklichkeit, und urtheilst darüber richtig, mit dir selbst, und mit anderen vernünftigen Wesen übereinstimmend. Der Grund jener Urtheile muss dir sonach doch stets gegenwärtig seyn ; nur dass du im Urtheile dir desselben nicht deutlich bewusst wirst. — Uebrigens heisst deine Antwort: Ich weiss es nicht, nichts weiter, als: Das hat mir noch niemand erzählt. Wenn es dir aber auch jemand erzählte, so hülfe dir dieses Alles nichts; du musst es selbst finden."
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    Kommentar Fichte und die Wirklichkeit: Wie diese beiden Textstellen belegen, scheint Fichte einen Wirklichkeitsbegriff, der über das Bewusstsein hinausgeht (geschwollen nebulös: transzendiert) zu haben, so dass man sich fragen muss, ob die Interpreten des deutschen philosophischen Idealismus nicht minder wirr und inkompetent sind, wie die, die sie, speziell Fichte, Hegel, Schelling, interpretieren.
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    Fichtes Pseudobeweis in: "Grundsätze der gesammten Wissenschaftslehre"
    Quelle: Erster Theil. Grundsätze der gesammten Wissenschaftslehre, S. 31 (28), 111
    Ziffern in eckigen Klammern von RS zur leichteren Bezugnahme
    "Bewiesen: denn
    [1] a. Alles entgegengesetzte = — A ist entgegengesetzt einem A, und dieses A ist gesetzt.
    [2] Durch das Setzen eines — A wird A aufgehoben, und doch auch nicht aufgehoben.
    [3] Mithin wird es nur zum Theil aufgehoben; und [4] statt des X in A, welches nicht aufgehoben wird, ist [5] in — A  nicht — X, sondern X selbst gesetzt; und also ist A = — A in X. Welches das erste war."
     
      Kommentar: Hier wird nichts bewiesen, sondern in [2] wird implizit definiert, dass A eine zusammengesetzte Aussage oder ein Ganzes, das aus Teilen besteht, ist. Zugleich wird in [2] verkündet, dass sowohl eine Aufhebung als auch eine Nicht-Aufhebung stattfindet. Damit wird - wiederum implizit verfügt - dass eine Gesamtaussage nur zum Teil aufgehoben sein kann, wenn ein Teil in ihr richtig ist. Das aber ist kein Beweis, sondern eine definitorische Sprach-Regelung.
          Das "Mithin" repräsentiert offenbar einen Schluss, der allerdings nur auf der in [2] verfügten Sprachregelung beruht.
          In verständlichen Deutsch ausgedrückt: Fichte führt Gesamt- und Teilaussagen ein. A = X und (A-X). Sodann sagt er, dass Teilaussagen "aufgehoben" sein können  - oder nicht. Ist nur eine Teilaussage aufgehoben, lässt er die unsinnige und falsche Sprachregelung zu, dass A durch -A aufgehoben wird und zugleich nicht. Wenn A durch -A aufgehoben wird, dann ist es aufgehoben und nicht nicht-aufgehoben. Fichte meint aber, A sei deshalb auch nicht aufgehoben, weil ein Teil von A, nämlich X, nicht aufgehoben ist. Fichte benutzt keine klare Terminologie. Tatsächlich ist nach seiner Ausführung nicht A aufgehoben, sondern ein Teil von A. Das ist ein wesentlicher Unterschied und das darf man nicht gleichsetzen, weil Teil und Ganzes verschieden sind - mit Ausnahme in der absurden Mengenlehre (> Euklid8). Aber man kann natürlich Teilwahrheiten oder Teilfalschheiten einführen, wenn eine zusammengesetzte Aussage nicht in allen Teilen wahr oder falsch ist.
          A ist nach [3] offensichtlich ein zusammengesetzter Sachverhalt, der aus mindestens zwei Teilen besteht: A =  A1 + A2. Sei A1 = X, dann ergibt sich A =  X + A2. , woraus folgt  A2 = A - X oder X = A - A2 .

      Teil-Ganzes Interpretation Fichte-Tabelle
      Damit ergeben sich für zusammengesetze Aussagen vom einfachsten Typ A =  A1 + A2 folgende Möglichkeiten, wenn nicht aufgehoben := w  und aufgehoben := f:
       

      Ganzes/Teil A A1 A2
      w12 w w
      w1  teil-w oder teil-f w f
      w2  teil-f oder teil-w f w
      f12 f f

      Die Tabelle erinnert an die aussagelogischen Wahrheitswerttabellen, wobei wir hier aber drei Wahrheitswerte haben, nämlich:

      • wahr, wenn alle Teile wahr (nicht aufgehoben bei Fichte) sind
      • teil-wahr oder teil-falsch, wenn ein Teil wahr (nicht aufgehoben bei Fichte) ist
      • falsch, wenn alle Teile falsch (aufgehoben bei Fichte) sind.
      Vergleicht man die Fichte-Tabelle mit zweitwertigen Wahrheitswerttabellen, so drängt sich die Wahrheitswertfunktion des nicht ausschließenden  oders  auf: wwwf. Die Teil-Ganzes-Interpretation der Fichte-Tabelle erscheint mir intuitiv stimmiger als die zweiwertige Interpretation des nicht ausschließenden oders.




    Hegel, hochgebildet, aber durch und durch naiv-unkritisch, identifizierte -  idealistisch entrückt - Sein und Geist als eines (»Das Absolute ist der Geist«), was ihm Referenzieren und echtes Forschen ersparte. Wissenschaftliches Arbeiten  war ihm völlig fremd. Er hielt sich und sein eigenes Denken für die Wissenschaft und Wirklichkeit - wie später, wenn auch nicht ganz so extrem, Freud (>Junktim) und die PsychoanalytikerInnen. Sein Glaube, mit seinem System sei die wissenschaftliche Entwicklung und Philosophie abgeschlossen (>Hegel als Ende der philosophischen Entwicklung), ist nicht nur widersprüchlich zur Idee der Dialektik sondern ein guter Kandidat für eine paranoide Größenidee wie seine Systematik für ein Wahnsystem. Dazu passt auch, dass, was er dachte, für die Wirklichkeit schlechthin zu halten. Immerhin: seine Grundidee dass alles Existierende seinen Gegensatz enthält, und aus der Auseinandersetzung und Entwicklung dieses Gegensatzes das Werden, die Bewegung und die Veränderung entsteht, ist originell und kreativ. Aber seine Ausführungen und Erklärungen sind völlig unzulänglich und konfus, weitgehend unerklärt und damit unverständlich, so dass sein System als Mischung aus Wahn, philosophischer science fiction und Geisteslyrik anzusehen ist - bestenfalls als Anregung für die eine oder andere Hypothese. Wie alles Schillernde, Unklar-Diffuse und Vieldeutige ist Hegel natürlich ein Eldorado für Interpreten und  sch^3-Syndromatiker,  wovon Hegel selbst zweifellos als der derzeitig größte Olympionik aller Zeiten erscheint. Grundsätzlich gilt natürlich, dass Geisteskrankheit und wissenschaftliche oder gar schöpferische Kultur-Leistungen sich nicht ausschließen. Man bedenke immer auch den Huber zugeschriebenen Ausspruch: "Die meisten schizophrenen Menschen sind die meiste Zeit ihres Lebens nicht schizophren".
        Im Pathogramm bei Lange-Eichbaum (siehe bitte aber auch Hegel fehlt) wird ausgeführt (S. 45): "Häufig Magenbeschwerden. Schnell erschöpft. Wind- und wetterfühlig. Psychische Depressionen. Heiter und verstimmt. Freundlichkeit und Zomesausbrüche. Liebenswürdig und schnell verstimmt. Nächtens Unruhe. Magenschmerzen (3). Ein Kommilitone sagte zu Hegel: “Hegel, du säufst dir gewiß no der bißle Verstand vollends ab” (6). Hatte als 35jähriger ein Verhältnis mit seiner verheirateten Hauswirtin, aus dem ein Sohn Ludwig hervorging (3, 19). Schizophren (20, 21). Schizophrene Symptome infolge seines chronischen Alkoholismus. Leibhalluzinationen [Alkohol!] und einfache Eigenbeziehung. Also eher pseudoneurotische Schizophrenie entstanden auf der Basis eines verwöhnten und verzärtelten Kindes, das zum Alkoholiker wurde (22)."
        Und in der "PSYCHOPATHOGRAPHISCHE WERTUNG" (S 46) wird zusammengefasst: "Untersetzt; schizoid. — Charakter- bzw. Wesenszüge: liebenswürdig, naiv, hochgebildet, besessen, fröhlich, gesellig, einsam, ernst, Würde, Behaglichkeit, Ruhe, Besessensein, klug, Entrüstung, Zorn, verschlossen, streitbar, verletzlich, kritisch, politisch, spekulativ, schwerfällig, Mißlaunigkeit, rastlos, Sorge, unwirtschaftlich, haltlos, paradox, widerspruchsvoll, Bewegungsarmut, Größenideen, unberechenbar, übersteigert, idealistisch, gemütszart, erregbar, verträglich, introvertiert. — Psychodynamisch dominant: Ehrgeiz, Zorn und [innere] Einsamkeit. - Funktionstypologisch: introvertierter Denk- bis Empfindungstypus. - Dominante Temperamentsfaktoren: Minderwertigkeitsgefühl, Stimmungslabilität und Selbstgenügsamkeit. - Intelligenz: überdurchschnittlich. - Begabungstyp: idealistischer und sachlogischer Denker.
    Hegel war zweifellos kein gesundes Hochtalent, weder psychisch [Persönlichkeitsstörung] noch organisch [durch Alkoholismus]. Seine widerspruchsvolle Persönlichkeit läßt sich nicht ohne weiteres erklären [dazu die Überlagerung durch den Alkoholismus]. Eine [einfache] Schizophrenie dürfte nicht vorgelegen haben. Und sein plötzlicher Tod ist fast mit Sicherheit auf ein Leberversagen zurückzuführen. Eine ausführliche Psychographie über Hegel fehlt und wäre von hohem wissenschaftlichen Wert. ..."
        Literaturhinweise "1 Glück/Nier-Glück 1983, 2 Enggasser (o. J.), 3 Wiedmann 1965, 4 Rosenbranz 1844, 5 Lutz 1989, 6 Koesters 1982, 7 Motzke 1983, 8 Schischkoff 1982, 9 Taylor 1983; 10 Kretschmer 1931; 11 Störig 1978; 12 Révész 1952; 13 Weischedel 1984; 14 Schischkoff 1982; 15 Orthbandt (o. J.); 16 Bonin 1982; 17 Jaspers 1971; 18 Störig 1950; 19 Prause 1950; 20. Treher 1985; 21 Treher 1989; 22 Kemer/Ritter 1988; 23 Regnard 1889-99; 24 Herzberg 1926a; 25 Pabst/Ritter 1989; 26 Kerner/Ritter 1989."
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    Vernunft und Wirklichkeit
    "Was vernünftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernünftig."Alles was wirklich ist, ist vernünftig, und alles was vernünftig ist, ist wirklich" Quelle: Vorrede zu „Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse“, 1833, S. 17, hervorgehoben durch Sperrung und Mittung:
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    Aufklaerungsgegner
    "»Die Aufklärung, diese Eitelkeit des Verstandes, ist die heftigste Gegnerin der Philosophie«
        Quelle: Meineke (1832, Hrsg.), Hegel Werke, 12. Bd. "Vorlesungen über die Religion Nebst einer Schrift über die Beweise vom Daseyn Gottes", Zweiter Band,  S. 287 [GB]
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    Hegel als Ende der philosophischen Entwicklung
    "Dieß ist nun der Standpunkt der jetzigen Zeit, und die Reihe der geistigen Gestaltungen ist für jetzt damit geschlossen. - Hiermit ist diese Geschichte der Philosophie beschlossen. Ich wünsche, daß Sie daraus ersehen haben, daß die Geschichte der Philosophie nicht eine blinde Sammlung von Einfällen, ein zufälliger Fortgang ist. Ich habe vielmehr ihr nothwendiges Hervorgehen aus einander aufzuzeigen versucht, so daß die eine
    Philosophie schlechthin nothwcndig die vorhergehende vorausseht, Das allgemeine Resultat der Geschichte der Philosophie ist: 1) daß zu aller Zeit nur Eine Philosophie gewesen ist, denn gleichzeitige Differenzen die nothwendigcn Seiten des Einen Prinzips ausmachen; 2) daß die Folge der philosophischen Systeme keine zufällige, sondern die nothwendige Stufenfolge der Entwickelung dieser Wissenschaft darstellt; 3) daß die letzte Philosophie einer Zeit das Resultat dieser Entwickelung und die Wahrheit in der höchsten Gestalt ist, die sich das Selbstbewuftseyn des Geistes über sich giebt. Die letzte Philosophie enthält daher die vorhergehenden, faßt alle Stufen in sich, »ist Produkt. [>691] und Resultat aller vorhergehenden."
        Quelle: Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie, Bd. III, letztes Kaptel E Resultat, S. 690f.
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    Hegel im Eisler (1904)
    "HEGEL bestimmt das Sein selbst als Denken, das (absolute) Denken (der Begriff, s. d.) ist Sein. Seele und Leib sind »eine und dieselbe Totalität derselben Bestimmungen«, die Seele erscheint im Leibe, dieser ist die Äußerlichkeit jener (Ästh I, 154 ff.)." [Quelle]
    "Den »absoluten« Idealismus vertritt HEGEL, d.h. die Ansicht, daß die endlichen Einzeldinge nur Momente, Erscheinungen des allgemein-konkreten, absoluten Seins, der Weltvernunft sind (»Panlogismus«). " [Quelle]
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    Hegel fehlt
    Die Literaturangaben zu Treher sind mehrfach falsch. Das Hauptwerk mit 374 Seiten zu Hegel ist nicht von 1989 und auch nicht von 1985, sondern von 1969:
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    Das Beklagen "Eine ausführliche Psychographie über Hegel fehlt und wäre von hohem wissenschaftlichen Wert. ..." ist angesichts des Werkes von Treher mit seinen 374 Seiten eine Frechheit und spricht nicht für den wissenschaftlichen Wert der Arbeit Lange-Eichbaums. Allerdings ist einzuräumen, dass Treher seine gesamte (Werk-) Analyse nur auf das Werk "Die Phäonomenologie des Geistes stützt" und bei genauerer Betrachtung wissenschaftlich auch sehr zu wünschen übrig lässt (> Trehers Analyse)
        Drües (1976)  Arbeit - Zur Pathographie Hegels (113-171) - hat immerhin auch 58 Seiten. Die bei Drüe zitierte Stelle A. 121 zu Lange-Eichbaum passt nicht zum Zitat oben. Lange-Eichbaum hat Hegel übrigens schon 1935 in Genie, Irrsinn und Ruhm pathologisiert, S. 258: "So sind manchmal Hochtalente, obwohl anscheinend gesund, doch in Familienstammbäume eingestreut, die in nächster Verwandtschaft mehr oder weniger zahlreiche Psychopathien und Psychosen aufweisen. Sie sind latent labil. Solche „am Abgrund“ waren: Hauff, Justinus Kerner; weiter Richelieu (seine Schwester „etait folle“) und Hegel (auch die Schwester „folle“ n. Moreau 132 S. 523, 529)."
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    Internetseite
    Um die häufige und lästige Fehlermeldung 404 zu minimieren, geben wir nur noch Links von Quellen an, die in den letzten Jahrzehnten eine hohe Stabilität ihrer URL-Adressen gezeigt haben (z.B. Wikipedia, DER SPIEGEL)
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    Vorsicht bei Zitaten, insbesondere Zitatensammlungen.
    Das Internet ist ein Eldorado für Abschreiber, Fälscher, Trickser, Plagiateure, Behaupter, Meiner, Angeber und Dünnbrettbohrer. Es ist eigentlich eine Unverschämtheit, ohne Quellen, Belege und Fundstellen zu zitieren, aber es wird dauernd gemacht, auch in der Wissenschaft, bevorzugt in der Psychologie, in der der Hochstaplerzitierstil erfunden wurde. Und selbst wenn Fundstellen genannt werden, können diese falsch sein.
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    Trehers Analyse "Hegels Geisteskrankheit"
    • Inhaltsverzeichnis.
    • Die leitende Idee des Buches.
    • Die Schizophrenie des jungen Hegel - Analogie zum Fall Herbert.
    • Hegels naturphilosophisches Weltbild.
    • Pendelschwung und Ich-Levithian beim jüngeren Hegel.
    • Psychopathologische Aspekte der Geschichts-„Philosophie“ des jungen Hegel.
    • Trehers Analyse der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes.
    • Aus der Schlussbetrachtung.
    • Erster Gesamteindruck.
    _
    Einen ersten Eindruck vermittelt das

            "Inhaltsverzeichnis
     

      Vorwort   7

      I. Abteilung  9
      Einführung: Das Prophetentum und seine sozialkatalytische Funktion 9
      Die Freiheit des Individuums, die Entstehung des Rechts und sein Verhältnis zum Staat  36
      Die Ich-Reflexion im inneren Freiheitsspielraum (Phantasieraum) und ihre funktionelle Aufhebung im Augenblick des Krankwerdens 50 Robespierre  68
      Die Entphysiognomierung der Wirklichkeit durch Wissenschaft. „Geist“ als wissenschaftlicher Intellekt: Das Problem des Ludwig Klages 80
      Ideologie (G. Lukacs) und soziologische Ideologiekritik (E. Topitsch) in kritischer Spiegelung  93
      Das schizophrene Weltbild als Strukturschema der Krankheit.
      Betrachtung über Heautoskopie (Sich-selber-Sehen), 1. Teil  109
      Das theoretische Schizophreniemodell 121
      Phänomenologische Nachlese zu Schreber, Steiner, Hitler 134
      Der Mittelpunkt der Münchner Kosmiker: Die Schizophrenie Alfred Schulers 151

      II. Abteilung  173
      Psychopathologische Hegel-Forschung heute und ihr Motiv  173
      Hegel-Impressionen von Zeitgenossen. Schopenhauers Hegel-Kritik und die „Enkomiastik“ der Schule 179
      Hegels familiäre Belastung mit Schizophrenie 193
      Die Schizophrenie des jungen Hegel. Das „Erkennen des Anschauens“. Betrachtung über Heautoskopie, 2. Teil 196
      Hegels naturphilosophisches Weltbild, rekonstruiert nach seinem „ersten System“ 206
      Pendelschwung und Ich-Levitation beim jüngeren Hegel 214
      Psychopathologische Aspekte der Geschichts-„Philosophie“ des jungen Hegel 225
      Die Phänomenologie des Geistes, psychopathologisch erschlossen und bis Seite 418 kommentiert 232
      Die Vorrede 232
      Die Einleitung. Die „Prüfung des Erkennens“ 265
      Die sinnliche Gewißheit; oder das Diese und das Meinen 270
      Die Wahrnehmung; oder das Ding und die Täuschung 277
      Kraft und Verstand, Erscheinung und übersinnliche Welt 279
      Die Wahrheit der Gewißheit seiner selbst 285
      Selbständigkeit und Unselbständigkeit des Selbstbewußtseins; Herrschaft und Knechtschaft 288
      Freiheit des Selbstbewußtseins; Stoizismus, Skeptizismus und das unglückliche Bewußtsein 297
      Gewißheit und Wahrheit der Vernunft 304
      Beobachtende Vernunft 308
      Die Beobachtung des Selbstbewußtseins 312
      Die Verwirklichung des vernünftigen Selbstbewußtseins durch sich selbst 314
      Die Lust und die Notwendigkeit 320
      Das Gesetz des Herzens und der Wahnsinn des Eigendünkels 323
      Die Tugend und der Weltlauf 326
      Die Individualität, welche sich an und für sich selbst reell ist  330
      Das geistige Tierreich und der Betrug, oder die Sache selbst 332
      Die gesetzgebende Vernunft  342
      Die gesetzprüfende Vernunft 345
      Der Geist 349
      Ende des Kommentars 353

      Schlußbetrachtung 359
      Literaturverzeichnis 367
      Personenregister 369
      Sachregister 372"


    Die leitende Idee des Buches
    Das Buch besteht aus zwei Teilen: I: das (falsche) Prophetentum in der Geschichte der Menschheit und der Psychopathographie Hegels überwiegend beschränkt auf die Analyse der Phänomenologie des Geistes, S. 7f:
     

      "Im Zentrum der vorliegenden Studien steht die den Vergesellschaftungsinstinkt auslösende Krankheit, die Schizophrenie, selbst, deren Symptomatologie an klinischen und historischen Beispielen erläutert wird. Die Kasuistik schließt mit einem Kommentar der Psychopathologie Georg Wilhelm Friedrich Hegels, die dieser unter dem Titel „System der Wissenschaft, Erster Teil, die Phänomenologie des (hinzuzusetzen: kranken) Geistes“ selbst verfaßt hat.
          Die Aussage, daß Hegel geisteskrank gewesen sei, mag zunächst befremden, hat sie doch seit Schopenhauer, den man nicht ernst nehmen mußte, niemand mehr gewagt. Sie steht gegen die Tradition, gegen die angesammelte Macht von Meinungen, die man sich in [>8] generationenlanger Bemühung um die Aneignung des (rational nicht assimilierbaren) Hegelschen Werkes gebildet hat. Vor dergleichen kapitulierte sogar Goethe, der am 11. Juni 1822 zum Kanzler von Müller sagte: „Ein Buch, das große Wirkung hatte, kann eigentlich gar nicht mehr beurteilt werden.“ Hegel kann wahrlich einem Buch von großer Wirkung verglichen werden. Aber es ist jenes Goetheworts ungeachtet nicht ausgemacht, daß die mit Hegels Namen verknüpfte geistige Macht für alle Zeiten unangefochten das Feld behauptet. Gegen sie steht das Material einer Erfahrungswissenschaft, die zu Goethes Zeit noch nicht existierte. Ihre Rolle in einer allgemeinen Anthropologie ist auch heute noch kaum abzuschätzen. -
      Sollten sich die Ergebnisse dieser Untersuchungen als stichhaltig erweisen, so wäre es nicht unmöglich, daß die endlos scheinenden Diskussionen um Hegels „Philosophie“ doch eines vielleicht noch fernen Tages zur Ruhe kommen. Würde dies nicht die Überwindung eines Gebirgsriegels bedeuten, der, bisher mehr dumpf geahnt als klar erschaut, den Weg in eine freiere und menschlichere Zukunft versperrt? So lautet die Frage, von der der Autor sich wünscht, daß sie den Leser durch sein Buch begleiten möge. [>9]

      I.  ABTEILUNG

      Einführung: Das Prophetentum und seine sozialkatalytische Funktion
      Im Gegensatz zu manchen für „Philosophie“ ausgegebenen Gedankensystemen erhebt Wissenschaft nicht den Anspruch, das Weltprinzip, den Stein der Weisen oder das „Absolute“ in Person erkannt zu haben. Ihre Denkgebäude befinden sich ständig gewissermaßen auf dem Prüfstand. Freilich hat sie, wie jedermann weiß, die Eigenschaft zu wachsen, und sie vermag es mit Hilfe von Gedankenentwürfen oder Theorien, die der Bestätigung durch Erfahrungstatsachen fähig sind. Manchmal fehlt, um eine Theorie zu sichern, noch ein empirisches Glied, zum Beispiel in der Evolutionstheorie das berühmte missing link der Paläontologen oder, in der Astronomie, ein vorausgesagter und schon näher lokalisierter, aber im Teleskop noch nicht gesichteter Planet. Seine Auffindung ist der wahre Triumph der Theorie und die Selbstrechtfertigung der Wissenschaft. Dann aber gibt es auch missing links, die niemand vermißt. Das ungesuchte missing link der Sozialwissenschaften liegt verschüttet unter einem Berg von Theorien und kommt auch dadurch nicht zum Vorschein, daß man die Ursachen seiner malignen Wirkungen, das Netz von Stolperdrähten, welche das zwischenmenschliche und zwischenstaatliche Leben in so rätselhafter Weise erschweren und krisenanfällig machen, in den „Ideologien“ gefunden zu haben meint. Doch trifft es zu, daß es hinter den Ideologien steckt. Es handelt sich um die Geisteskrankheit Schizophrenie, die als eine apersonale Kraft in der Einkleidung der von uns so genannten Propheten und ihrer nachgelassenen „Ideen“ die Entstehung von Weltmächten bewirkt und sie gegeneinander bewegt.
          Soziologie und Anthropologie würden ohne den Begriff des schizophrenen Propheten unvollständig bleiben. ... [>15f]

      Der Durchschnittsmensch bezieht sein moralisches Gewissen niemals aus seinem autonomen Ich, sondern empfängt es immer von „oben“, von einer in der Höhe, im Scheitelpunkt eines geistigen Raumes lokalisierten Spenderpersönlichkeit oder von einer „Idee“, die sich irgendwann von einer solchen Persönlichkeit abgelöst hat. Diese [>16] Persönlichkeit (die, wie genauere Untersuchung zeigt, des Personseins gerade entbehrt) und ihre „Idee“ nennen wir ein Wahrheitszentrum, weil es über eine „Ausstrahlung“ verfügt, die die Empfängerpersönlichkeiten plötzlich befähigt, zwischen gut und böse zu unterscheiden. Sie haben sich unter der Wirkung solcher Ausstrahlung, vergleichbar den Eisenfeilspänen in einem Magnetfeld, polarisiert.
      Der Spender ist immer ein schizophrener Prophet. ..."

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    Die Schizophrenie des jungen Hegel - Analogie zum Fall Herbert
    S. 196 beginnt Treher unter dem Titel "Die Schizophrenie des jungen Hegel. Das 'Erkennen des Anschauens'. Betrachtung über Heautoskopie, 2. Teil" (196-205):
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      "Am Anfang der Hegel’sehen Philosophie steht die Heautoskopie, das Sich-selber-Sehen, wovon wir schon ausführlich gehandelt hatten. Um die Verbindung zwischen der allgemeinen Schizophreniepsychopathologie und der speziellen Form, in der sie Hegels „Philosophie“ ist, herzustellen, bringe ich das hegeloide Zustandsbild eines klinischen Patienten. Herbert, so nennen wir den dreißigjährigen Arztsohn, mußte krankheitshalber seine Laufbahn als Luftwaffenoffizier aufgeben. Er studierte, bis die Subventionen der Bundeswehr ausgelaufen waren, Philologie und Psychologie und wurde schließlich Nachtportier in einem Hotel. Nach seiner Aufnahme im Krankenhaus berichtete er: „Ich bin jetzt hier, weil ich ein wenig überfordert war, schlaflich. Ich hatte mich übernommen, ermüdet, meine geistige Kraft verbraucht. Ich studiere nämlich Psychohistorik. Ein Psychohistoriker ist ein Mensch, der die Geschichte auf psychoanalytische Weise zu studieren sich vornimmt. Da hab ich einiges erfahren, psychoanalytisch Menschen zu erkennen durch Dialoggespräche, die wandeln sich in einen Monolog, den sprech ich dann selbst. Da hängt ein Wort sich an ein anderes, das ist die Sprunghaftigkeit von Wort zu Wort. Da kann man Verbindungen ziehen. Ich kann mir jetzt vorstellen (er schließt die Augen, Hegel würde sagen: ich tauche in die innere Nacht der Seele) Napoleon auf dem Zug nach Rußland. Es gibt dann eine Gefühlsverbindung zu dem, was ich sehe, was ich mir vorstelle als Film. Diese sichtbare (!) Vorstellung kann ich dann geistig verdauen. Ich komme an die Probleme der Weltgeschichte heran. Der Deutsche steht hier, der Franzose da. Jetzt kommt eine Idee. Die Ideen sind in die Welt hineingegeben, und nun kommen die Menschen, die lassen sich davon erfüllen. Ich selbst war nicht nur offen für eine Idee, sondern für alle Ideen. Die mußte ich alle in mich hineinfressen. Dann mußte man die Nervenkraft haben, das Gute und Böse in der Gewissens-[>197]erforschung rückblickend wieder zu reinigen, man muß die Kraft haben, die Ideen zu verdauen.“ Der Patient vergleicht sich einem Adler, der die Speise in seinem Kropf für die Jungen vorverdaut und ihnen nur gibt, was ihnen zuträglich ist, die passende Diät. Er sei ein Verdauungsapparat, der das Schlechte aussondern könne  ..."


    Aus dieser Einführung mit dem Fall "Herbert" kann ich keinerlei Zusammenhang zu Hegel, seinem Werk Phänomenologie des Geistes (PdG) und zur Schizophrenie erkennen. Treher belegt hier auch nichts am ausgewiesenen Werk (PdG), sondern zitiert andere Autoren (Haym, Hoffmeister, Rosenkranz, Wiedmann).
    _
    Hegels naturphilosophisches Weltbild
        Es folgt "Hegel naturphilosophisches Weltbild, rekonstruiert nach seinem ersten System" (206-213):
     

      "...

      Ehe wir den Leser in diesen ersten kosmologischen Versuch Hegels einführen, machen wir darauf aufmerksam, daß sich dessen krause und bizarre Phantastik schon bei seiner Entstehung mit dem damals erreichten Niveau der naturwissenschaftlichen Forschung nicht vertrug und mit den geringen naturwissenschaftlichen Kenntnissen jener Zeit weder entschuldigt noch erklärt werden kann. ..."

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    Die starke Wertung "krause und bizarre Phantastik" (206)- die ich im Grundsatz teile -  wird von Treher aber nur behauptet, nicht belegt, begründet und abgeleitet. Die Berufung auf Haym, S.  207, wenn sie auch noch so treffend ist, genügt hier nicht:
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      "... „Niemals vielleicht, weder vor noch nach Hegel, hat jemals ein Mensch so wieder gesprochen oder geschrieben. Eine Diktion, bald abstrakter als die des Aristoteles, bald dunkler als die Jakob Böhmes so beschaffen ist die harte und stachliche Schale, aus der man den noch unausgewachsenen Kern der Hegelschen Anschauung herausschälen muß“ (S. 94)."
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    Das kann man so sehen, aber es wäre detailliert zu begründen. Es bleibt mir ein Rätsel, weshalb Treher auf Sekundärliteratur zurückgreift und nicht Hegel direkt zitiert. Sein ganzes Werk ist ein einzigartiger Beleg für eine unwissenschaftliche, wirre und konfuse Theorie und Sprache, tatsächlich eine "krause und bizarre Phantastik", was aber zu zeigen ist (> Beispiele).
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    Pendelschwung und Ich-Levitation beim jüngeren Hegel
    Das nächste Kapitel "Pendelschwung und Ich-Levitation beim jüngeren Hegel" (214-224) ist genau so unklar wie das vorhergehende, fast wie Hegels Schriften selbst. S. 214:
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      "Seit über hundertfünfzig Jahren, seit es eine wissenschaftlich betriebene Psychiatrie gibt, sucht man nach der „Grundstörung“ der Schizophrenie, und vor ungefähr 150 Jahren stand Hegels „Philosophie“ in Blüte, die genau diese Grundstörung, nach der die Psychiater sich blind suchen, zum Inhalt hat. Die Schulkinder lernen aus Hegels Philosophie den Rhythmus der Trias: These, Antithese, Synthese (> zur Trias-Hypothese kritisch Winter). Die Entdeckung der Trias als eines angeblichen Grundgesetzes der Natur, aller lebendigen und zumal der weltgeschichtlichen Entwicklung wird als Hegels „geniale“ Leistung gepriesen. Es handelt sich dabei aber bloß um die zu einem „philosophischen“ System ausgebaute schizophrene Grundstörung, nach welcher so lange vergeblich gefahndet wurde.
      Hegels Beschreibung folgend, fassen wir die Grundstörung als eine Dreiecksfigur auf, die das Ich durchläuft, wenn es, zwischen den Hälften seiner geborstenen Seele pendelnd, zugleich über ihnen mittelständig in die Höhe steigt. Wir entnehmen diesen Sachverhalt einem Referat Hoffmeisters, überschrieben: „Vom göttlichen Dreieck“."


    Es werden weitere wirre Ideen Hegels (S. 215) zitiert. Aber eine wirre Theorie ist noch kein zwingendes Symptom für eine Schizophrenie, Es wäre von Treher zu zeigen, nicht nur zu  meinen  und zu behaupten, wie es Psychiater so oft machen.
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    Psychopathologische Aspekte der Geschichts-„Philosophie“ des jungen Hegel (225-232)
    Der Abschnitt beginnt zunächst mit Ausführungen zu Hitler (S. 225), der, neben Steiner (S. 226: "... Man fühlt sich an das bunte Tiergewimmel in Steiners zum Leichnam gewordener „Erde“ erinnert, denn ein staatlicher Leichnam ist für Hegel das alte Kaiserreich."), immer mal wieder zum Vergleich herangezogen wird. Die psychopathologischen Aspekte der Geschichts-„Philosophie“ des jungen Hegel werden nicht klar analysiert.
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    Trehers Analyse der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes (PdG)
    "Die Phänomenologie des Geistes, psychopathologisch erschlossen und bis Seite 418 kommentiert
    Die Vorrede
    Hegel macht, wie andere Kranke, seine schizophrene Grundstörung zum Prinzip der Welterklärung und aller jemals dagewesenen Philosophien sowie darüber hinaus und im gleichen Atemzuge zum Prinzip des Weltbaus überhaupt. Die Phänomenologie, sein Hauptwerk oder jedenfalls sein erstes großes Werk, ist eine monumentale Anhäufung von Belegen für diese These. Dem Kommentar der Vorrede schicke ich, gekürzt, eine Rekapitulation der „Grundstörung“ voraus.
    Die am Anfang der schizophrenen Psychose stehende Seelenzerreißung hinterläßt zwei im Verhältnis gegenseitiger Verneinung befindliche, miteinander unverträgliche, „feindliche“ Seelenhälften, mit denen sich das Ich des Kranken im Pendelschwunge abwechselnd vereint. Der Pendelschwung blendet das Ich ab gegen die Tatsache der ständigen Gegenwart und Simultaneität der Autoaggression auf beiden Seiten der gespaltenen Seele und erlaubt ihm die Interpretation dieser Auseinandersetzung, wenn sie als „Denken“ empfunden wird, als zeitliche Aufeinanderfolge logischer Widersprüche. Die Übertragung eines logischen Widerspruchs in die Realität würde die Vernichtung der miteinander im Widerspruch stehenden Parteien bedeuten, sofern beide gleich stark wären und zur Gänze miteinander reagieren würden. Beispielsweise würde sich die Vereinigung von gleichen Quanten Materie und Antimaterie in die Gleichung + 1-1 = 0 fassen lassen, Materie und Antimaterie würden explosionsartig von der Bildfläche verschwinden. Tatsächlich findet in den schizophrenen Kranken an den Grenzflächen ihrer Seelenhälften (Schrebers „Himmelsgewölbe“, Steiners „ätherischer Schädeldecke“, Hitlers Hauptkampflinie und Hegels „Grenze der Unterschiede“) ständig eine solche Vernichtung oder „Aufhebung“ von Plus- und Minusquanten statt, aber sie geht nur in winzigen Portionen vor sich. Sie ist das Prinzip einer zweiten Gattung „Aufhebung“, die als [>232] Ich-Levitation neben die „Negation“ tritt. Steiners verbrennende „Pflanzensamen", die urzeitliche „Flugzeuge“ in die Höhe tragen, Hitlers „Herzblut der Bewegung“, das als Blutstrom der Blutzeugen den Führergeist in den Unsterblichkeitshimmel hebt, und Hegels Geist-Emanation aus der „Verbrennung des Herzens“ erläutern, welche Bewandtnis es mit dieser Art Aufhebung hat. Da der verbrennende Seelenstoff portionsweise in winzigen Quanten verbraucht wird und sich möglicherweise regeneriert (Hitler sieht im „Blutstrom“ das Vermehrungsprinzip seiner „Bewegung“ und seines „Volkskörpers“, Schreber kennt ein „Strahlenerneuerungsgesetz“ und Hegel spricht vom „Wiedererschaffen des Erschaffenen“), kann sich der gesamte Verbrennungsprozeß über die Länge eines Lebens erstrecken. - Nicht in der äußeren Wirklichkeit, sondern ausschließlich im Innern des Kranken entspricht der pathologischen Autoaggression, die logisch als Denken in Widersprüchen erscheint, ein ständiges „Werden“, nämlich die immer weitergehende Fragmentierung der Seelensubstanz innerhalb der geteilten Seelenhälften, über deren Schuttpyramiden sich das levitierte Ich erhebt und die optische Täuschung eines wundervollen, unendlich kreativen Weltprozesses noch unterstützt. Die geistesgesunden Verehrer solcher Weltbilder und ihrer Propheten machen die Sinnestäuschung mit, weil sie den logischen Widerspruch nicht als Gleichung +1 — 1=0 durchschauen, und sie durchschauen ihn nicht, weil ihn das pendelnde Ich nur in zeitlicher Aufeinanderfolge zur Darstellung bringen kann. In diesem Gewande aber („Du mußt steigen oder fallen, Amboß oder Hammer sein“) wird er seit je akzeptiert; jahrtausendealte Gewöhnung läßt ihn sogar als das Natürlichste von der Welt erscheinen.
    Nach dieser zusammenfassenden Erinnerung von schon Gesagtem versuchen wir, uns an die Vorrede der Phänomenologie heranzumachen. - Hegel beginnt damit, den Gegensatz des Wahren und Falschen, soweit er auf philosophische Systeme angewendet zu werden pflegt, aufzuheben. Es sei gewöhnlich, daß ein System nach seiner Richtigkeit oder Falschheit abtaxiert werde. Solche Gewohnheit begreife „die Verschiedenheit philosophischer Systeme nicht so sehr als die fortschreitende Entwicklung der Wahrheit, als sie in der Verschiedenheit nur den Widerspruch sieht. Die Knospe verschwindet in dem Hervorbrechen der Blüte, und man könnte sagen, daß jene [>234] von dieser widerlegt wird; ebenso wird durch die Frucht die Blüte für ein falsches Dasein der Pflanze erklärt, und als ihre Wahrheit tritt jene an die Stelle von dieser. Diese Formen unterscheiden sich nicht nur, sondern sie verdrängen sich auch als unverträglich miteinander“ (S. 10).
    Wir sehen auf den ersten Blick, daß unverträglich miteinander bloß die Hegelschen Seelenhälften sind, die er in die an seiner Schizophrenie ganz unschuldige Pflanze hineinprojiziert. Sein pendelndes Ich macht die verlassene Seelenhälfte, in der sein Ich gerade nicht steckt, worin es sich aber soeben noch befunden hatte und welche es als „Leichnam“ hinter sich gelassen hat, zu einer „falschen“ Wirklichkeit, und er identifiziert dieses in die Unwirklichkeit entrückte Falsche mit der verflossenen Entwicklungsphase einer Pflanze. Der Projektionsvorgang ermöglicht es ihm, die an der Pflanzenentwicklung scheinbar demonstrierte Aufeinanderfolge von Widersprüchen, d. h. die Aufeinanderfolge von Falschheiten gleichwohl für richtig und lebensnotwendig zu erklären, und er kann daraus einen scheinbar doppelten Gewinn ziehen, denn er hat so etwas wie eine Erklärung der Pflanzenentwicklung17 gegeben und gleichzeitig die Brauchbarkeit seines entwicklungstheoretischen Prinzips dargelegt. Die „flüssige Natur“ der aufeinander folgenden und sich verdrängenden Formen, so erklärt er, mache sie „zugleich zu Momenten der organischen Einheit, worin sie sich nicht nur nicht widerstreiten, sondern eins so notwendig als das andere ist; und diese gleiche Notwendigkeit macht erst das Leben des Ganzen aus“ (S. 10). Wie diese „Flüssigkeit“ zustandekommt, werden wir bald erfahren."
        So viel als Beispiel für Trehers Analysemethode der Phänomenologie des Geistes.

    Aus der Schlussbetrachtung (359-366)
    Sie beginnt wie folgt:
              "Schlußbetrachtung

              Doch weil, was ein Professor spricht,
              Nicht gleich zu allen dringet,
              So übt Natur die Mutterpflicht
              Und sorgt, daß nie die Kette bricht
              Und daß der Reif nie springet.
              Einstweilen, bis den Bau der Welt
              Philosopie zusammenhält,
              Erhält sie das Getriebe
              Durch Hunger und durch Liebe.

      _
      Friedrich Schiller behauptet in seinem satirischen Gedicht „Die Weltweisen“ die Existenz eines Sachverhalts, daß nämlich Hunger und Liebe und nicht die Theorien der Weisheitslehrer das „Getriebe“ dieser Welt in Gang hielten. Seine Aussage ist so primitiv und scheinbar selbstverständlich, daß es verwegen erscheint, ihr widersprechen zu wollen, erst recht, nachdem eine große, mit dem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit auftretende geistige Bewegung, die Psychoanalyse, ungefähr dasselbe behauptet20. Und doch ist sie im humanen Bereich falsch. Wir wissen heute, daß weder niedere Triebe noch die hohe Göttin Vernunft die menschlichen Dinge regieren. Dies tut stattdessen eine dritte Instanz, eine Sphäre scheinbar übernatürlichen Ursprungs, das „Reich der Ideen“, die jenseitige Heimat der schizophrenen Propheten. Mag man auch außerhalb ihres Einflußbereiches abwertend von Ideologien sprechen; am Ort ihrer Wirkung ist alle Kritik weggefegt und es herrscht unbeschränkt [>360] die vom Propheten induzierte Glaubensmacht, deren positive Leistung der Staatsgründung und der innerkollektivischen Rechtsordnung mit der Bedingung des Krieges nach außen, im Extremfall mit der Forderung nach Weltgeltung und Welteroberung erkauft wird. Gemessen an dieser von der Urzeit bis heute ungebrochenen Wirklichkeit fallen alle Theorien, die eine Abhängigkeit des „Bewußtseins“ vom Entwicklungsstand der Produktionsmittel und -kräfte behaupten, in nichts zusammen. Man kann gar nicht genug darüber staunen, wie unberührt das vielberufene Bewußtsein, sei es der Arbeiterklasse oder irgendeiner anderen gläubigen Gruppe, von den technischen Revolutionen geblieben ist, die man, wie die Entwicklung von Raketen und Computern, bereits nach Generationen zählt. Von einer damit schritthaltenden Entwicklung von Bewußtseinsgenerationen ist an den von den Ideen der Propheten gegängelten Menschen nichts wahrzunehmen."
      FN20: "Freud stützt sich expressis verbis auf Schiller. Im sechsten Kapitel seiner Schrift über das Unbehagen in der Kultur sagt er: „Von allen langsam entwickelten Stücken der analytischen Theorie hat sich die Trieblehre am mühseligsten vorwärtsgetastet... In der vollen Ratlosigkeit der Anfänge gab mir der Satz des Dichterphilosophen Schiller den ersten Anhalt, daß ,Hunger und Liebe' das Getriebe der Welt Zusammenhalten.“"
       
      S. 361: "Verkehrte Welt“ und „Narrenschiff“ (Seb.Brant, 1457—1521) sind gültige Bilder unserer Altvorderen, die möglicherweise das Verkehrte und Närrische unserer Welt schärfer erkannten als wir, wenn ihnen auch die innere Naturnotwendigkeit des Narrenschiffs als gesellschaftlicher Institution ebenso verborgen blieb. ...
      Die zyklische oder orthodoxe Geschichte gehorcht dem Alles-oder-Nichts-Gesetz der Hegelschen Dialektik. Ihm ordnen sich alle nicht gelungenen Häresien und die erfolgreichen Revolutionen unter."
    _
    Es folgt auf S. 363:
       
      "Ich möchte schließen mit einem Hinweis auf den Historiker, der meinen Auffassungen nahezustehen scheint, auf Franz Altheim, dessen diagnostischen Blick ich bewundere. Vorausschicken möchte ich, daß dieser Autor den Prophetencharakter der „Gewaltigen“ der Geschichte, Alexanders, Attilas, Dschingis Khans erkannt zu haben scheint. Daß Alexander von seinen Soldaten „der makedonische Wahnsinnige“ genannt und gegen Ende seines Lebens mit dem Gott Dionysos identifiziert wurde, „der allgemein als der göttliche Wahnsinnige bekannt war, weil sein Vater Zeus ihn zum Wahnsinn getrieben hatte“, behauptet auch der englische Historiker Arthur Weigall (zit. nach Domarus I, S. 9). Altheim fügt dem hinzu, daß Alexander vorgehabt habe, bis an die äußersten Ränder der Erde, wo sie an den Okeanos grenzt, vorzudringen. Er hatte wahrhaftig die ganze Welt erobern wollen. Noch genauer weiß man durch die „Byzantinische Geschichte“ des Priskos über Attilas Seelenverfassung Bescheid. Attilas Unberechenbarkeit beschert ihm Glück. Die erweiterte Macht bringt ihm in Verbindung mit seinem „irrationalen“ Vorgehen noch mehr Glück und so im Zirkel weiter. Die ihn beobachtenden römischen Gesandten sprechen „offen von seiner mangelnden Fähigkeit, auf andere einzugehen und Maß zu halten. Er werde nie Ruhe geben und werde nicht zögern, nach dem Höchsten zu greifen. Entscheidenden Anteil mißt man seiner Überzeugung zu, von Gott berufen zu sein. Es sind dämonische, irrationale Kräfte, die Attila vorwärts drängen“ (Altheim S. 57). Eine Kuh scharrt aus dem Boden ein Schwert. Der Kuhhirte bringt es zu Attila, der darin das endlich wiedergefundene Schwert des Kriegsgottes „erkennt“ und nunmehr weiß, daß er zum Herrn der Welt berufen ist: „Denn durch Gottes Schwert werde ihm Gewalt über [>364] die Kriege gegeben (S. 59).  ..."


    Erster Gesamteindruck
    Eine umfangreiche Monographie mit 374 Seiten mit vielen interessanten Aspekten, die in ihrer psychopathologischen Methodik in Bezug auf Hegels Geisteskrankheit nicht überzeugt, hingegen schon hinsichtlich der Bedeutung des (falschen) Prophetentums. Die apodiktische Behauptung S. 16 "Der Spender ist immer ein schizophrener Prophet." erscheint mir fraglich und nicht ausreichend empirisch fundiert.

        Querverweise:

    • Überblick zu meinen Arbeiten über das Auserwählt-Syndrom.
    • Übersicht Differentielle Psychologie und Psychopathologie der Persönlichkeit.
    • Übersicht - Psycho-Moden, psychische Epidemien, Epidemiologie und systemimmanente Kunstfehler.
    • Herrscher Typen. Ein historisch-politpsychologischer Entwurf.
    • Biographie, Lebenslauf, Kritische Lebensereignisse, Entwicklung der Persönlichkeit, Psychographie, Pathographie, Psychopathographie. Forschung, Konzept und Methodik - Literatur und Linkliste.
    • Schizophren und Schizophrenie.
    • Buchhinweis zu Carola Burkhardt-Neumann: Bin ich wirklich schizophren? Die unsicheren Diagnosen der Psychiatrie und ihre Folgen für die Patienten.


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    Trias-Hypothese
    Kritische Interpretation Winter (o.J.) Was ist Dialektik? (PDFOnline.): S.1: "Drittens zeigt die Diskussionserfahrung, dass der Ausdruck Dialektik oft nur als bloßes Schlagwort benutzt wird, um im Vertrauen auf seine geheimnisvolle Wirkung Eindruck zu machen. Häufig werden dann zur „Erklärung“ noch rasch drei weitere Fremdwörter genannt: These, Antithese und Synthese2, die ihrerseits aber genau so ungeklärt sind wie das Wort Dialektik selbst und daher zum Verständnis keinen Beitrag leisten. Es wird sich sogar zeigen, dass die schablonenhafte Verwendung dieser Wörter ungeeignet ist, den Begriff der Dialektik im Sinne Hegels angemessen zu erfassen. Hegel selbst hat sie auch an keiner Stelle seines Werkes verwendet, um den Begriff der Dialektik zu definieren. Vielmehr gehen die Begriffe These, Antithese und Synthese auf Kant und Fichte zurück, die sie aber auch nicht zur Bestimmung von Dialektik, sondern in ganz
    anderen Zusammenhängen gebraucht haben.3"
        Ausführlich: S. 18ff: "8. Die Problematik der Begriffe „These, Antithese, Synthese“.
    S. 20 (Schlusssatz): "Weder Platon noch Heraklit noch Hegel und auch nicht Marx haben sich bei der Bestimmung der Dialektik der Begriffsreihe „These, Antithese und Synthese“ bedient.""
    __


    Querverweise
    Standort: Deutscher philosophischer Idealismus.
    *
    Beweis und beweisen in Wissenschaft und Leben.
    Überblick: Abstrakte Grundbegriffe aus den Wissenschaften.
    Wissenschaft in der IP-GIPT.
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site: www.sgipt.org
     * Logik site: www.sgipt.org * Analogie site: www.sgipt.org * 
    *
    Dienstleistungs-Info.
    *

    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS).  Der deutsche philosophische Idealismus - eine Geisteskrankheit? Was ist richtig, was ist falsch? Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen:  https://www.sgipt.org/wisms/Philosophie/DtIdealism.htm
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    Ende
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    korrigiert: 28.11.2018 / 26.11.2018



    Änderungen wird gelegentlich überarbeitet, ergänzt und vertieft * Anregungen und Kritik willkommen
    29.11.18   * Fichtes Fehlleistung mit seinem Grundbegriff der Anschauung * Fichte und die Wirklichkeit *
    28.11.18   * Hegel fehlt * Vernunft und Wirklichkeit * Aufklaerungsgegner * Hegel als Ende der philosophischen Entwicklung * Vorsicht bei Zitaten, insbesondere Zitatensammlungen. * Internetseite * Begriffliche Vorklärungen in Metzlers Handbuch Deutscher Idealismus * Bemerkung * Trehers Analyse * Trias-Hypothese * Definition Mendelsohn 1785 * Schellings Identitaet von Sachverhalt und Begriff * Hegels Identitaet von Sein und Denken  *  *
    26.11.18    Angelegt und eingestellt.