Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=25.12.2005 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 29.07.15
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel  Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
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    Anfang  Euklid 8 Überblick_Rel. Aktuelles  _Rel. Beständiges _ Titelblatt_ Konzept_ Archiv_ Region_ Service_iec-verlag__Wichtige Hinweise zu externen Links und Empfehlungen_

    Willkommen in der Abteilung Wissenschaft in unserer Internet-Publikation GIPT 1) Bereich Geschichte der Wissenschaften, hier Mathematik speziell zum Thema Mengenlehre und unendliche Mengen:

    Euklid Axiom 8
    Das Ganze ist größer als der Teil2)
    ... aufgehoben durch einfaches "hinüberzählen" ins Unendliche?


    Zitiert nach:  Euklid (dt. 1969). Die Elemente. Buch I-XIII. Hrsg. u. übersetzt von C. Thaer. Darmstadt: WBG, S. 3
     

    von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Einführung.
    Euklids Axiom 8: Das Ganze ist größer als der Teil, erscheint unmittelbar plausibel und einsichtig, so wie man sich Axiome wünscht und wie sie auch sein sollen. Die Aufhebung dieses Euklidschen Axioms durch die Mathematik des Unendlichen - und damit besonders der Mengenlehre -  wurde nach Weyl bereits von Galilei und Leibniz bemerkt. Doch seit die Mengenlehre ihren Siegeszug durch die Mathematik angetreten hat, ist offenbar fast jede Absurdität hoffähig geworden und Sophistik und Rabulistik erleben mit diesem neuen Mathematikzweig eine ungeahnte Renaissance. Es scheint ein neues Abrakadabra-Axiom zu gelten, nämlich: Alles ist möglich, wenn wir es nur entsprechend einrichten, zumindest im neuen - von Cantor geschaffenen Paradies [Hilbert] "des" Unendlichen  - aus Sicht des gesunden Menschenverstandes, natürlicher Logik und Intuition aber doch eher eine Hölle mentaler Grausamkeiten und eine Folterstätte der Vernunft. Warum? Nun, wenn die Mathematik sich so einrichtet, daß das Zählen und der Anzahlbegriff, also allgemeine Kultur-, Wissenschafts-, Gesellschafts- und praktische Alltagsgüter betroffen sind, so geht das alle an. Wenn Eltern, PädagogInnen und LehrerInnen ihren Kindern und SchülerInnen erzählen müssen, daß es genau so viele gerade wie ganze oder rationale Zahlen gibt, wird womöglich eine ganze Menge Kopfschütteln, Demotivation, Konfusion und Abneigung erzeugt.

    Was ist geschehen?

    Vereinfacht gesagt zerfällt die Mathematik seit Cantor in zwei Teile, in der unterschiedliche und miteinander unverträgliche Definitionen, Axiome, Regeln und Sätze gelten, nämlich in die Mathematik des Endlichen und die Mathematik des Unendlichen, in der alles ein wenig ganz anders ist.

    Das Drama beginnt mit der Definition des Unendlichen. Cantor (1878) und Dedekind (1887) haben folgende Definition des Unendlichen gegeben, nämlich:
     

    Definition unendliche Menge: Eine unendliche Menge M  liegt genau dann vor, wenn es eine eindeutige und umkehrbare Abbildung auf eine echte Teilmenge T von M gibt.
    Kommentar: Diese Definition hebt Euklid 8 auf, indem sie eine Äquivalenz zwischen Teil und Ganzem postuliert.

    Abb. Beispiele für eindeutig umkehrbare (bijektive) Abbildungen im Verständnis der Cantor-Mathematik

    Ohne Zweifel sind nun z. B. die geraden Zahlen eine echte Teilmenge der natürlichen Zahlen. Und ohne Zweifel kann man im Endlichen eine bijektive Zuordnung wie in der Abbildung dargestellt auch durchführen. Doch woher wissen wir, daß dies auch unendlich lange, im Unendlichen oder gar noch darüber hinaus durch "einfaches hinüberzählen" (Hilbert) geht? Tatsächlich geht es natürlich nicht, weil die Menschen und die Erde längst vergangen sein werden, wenn "das" Unendliche immer noch angezählt wird. Nun, man könnte sich wohl einigen, daß man sich eine solche Zuordnung potentiell unendlich lange fortgesetzt denken kann. Die neue Mengenlehre-Mathematik denkt sich aber eine solche unendlich lange Zuordnung nicht nur potentiell, sie denkt das Unendliche in einem Widerspruch (1,2) in sich zu Ende, stellt sich also vor, daß solche unendlichen Mengen abgeschlossen sind und daher als fertiges Ganzes gedacht werden können. Ein Preis, den diese Art Denken kostet, besteht darin, daß aus den definitorischen Gewaltakten der Mengenlehre Cantors absurde Resultate und eine zwiegespaltene Mathematik in Kauf zu nehmen sind. Wie im Ergebnis unten mitgeteilt wird, ist die zu Ende gedachte unendliche Menge nur über ein Axiom "sicherbar". Es handelt sich auch keineswegs um Entdeckungen, sondern in den Grundlagen um bloße Konventionen, Übereinkünfte und definitorische Beschlüsse (Ziehen), auf deren Basis dann allerdings wieder zahlreiche neue - und viele absurde - Resultate entwickelt wurden und werden.
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    Definition Gleichmächtigkeit im Endlichen: Zwei Mengen heißen im Endlichen gleichmächtig, wenn sie die gleiche Anzahl Elemente haben. (Quelle, S. 172). Beispiel: Die Mengen {a,b,c} sind der Menge {Hans, Tisch, 5} gleichmächtig. Ihre Mächtigkeit oder Kardinalzahl beträgt 3.
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    Definition Gleichmächtigkeit im Unendlichen: "Zwei Mengen A und B heißen gleichmächtig (A~B), wenn es eine bijektive Abbildung f: A -> B gibt, wenn man also eine eineindeutige Zuordnung der Elemente von A zu den Elementen von B finden kann." (Quelle, S. 172). Beispiel: 
    Die Mengen {1,2,3, ...} und {2,4,6, ...} können bis in alle Unendlichkeit nach Übereinkunft und Festlegung als gleichmächtig definiert werden. 
    Historische Anmerkung: Die Gleichmächtigkeit aufgrund bijektiver Zuordnung unendlicher Mengen bestreitet schon Bolzano (Paradoxien des Unendlichen, § 21f):


     

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    Definition Kardinalzahl im Endlichen: Die Anzahl der Elemente einer endlichen Menge nennt man ihre Kardinalzahl oder Mächtigkeit. (Quelle, S. 221). Beispiel: Die Mengen {a,b,c} sind der Menge {Hans, Tisch, 5} gleichmächtig. Ihre Mächtigkeit oder Kardinalzahl beträgt 3.
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    Definition Kardinalzahl  im Unendlichen: "Zwei beliebige Mengen A und B (endlich oder unendlich) sind gleichmächtig, wenn eine bijektive Abbildung von  A auf  B existiert. Klassen gleichmächtiger Mengen kennzeichnet man dann durch ihre Mächtigkeit oder Kardinalzahl." (Quelle, S. 221).  Nach diesen Definitionen ergibt sich dann, daß die geraden (2,4,6, ... ), ungeraden (1,3,5, ... ) und die natürlichen Zahlen (1,2,3,4,5,6 ... ) wie die ganzen (... -3, -2, -1, 0, 1, 2, 3, ... ) oder rationalen Zahlen (alle Bruchzahlen) gleichmächtig sind und damit die gleiche Anzahl haben. 
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    Definition abzählbar: Eine Menge heißt abzählbar-unendlich, wenn sie gleichmächtig zur Menge der natürlichen Zahlen ist. Solche Mengen heißen auch numerierbar. 

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    Einfaches "Hinüberzählen"
    Was genau wird gemacht und vorausgesetzt beim einfachen "hinüberzählen"?

    Von einem richtigen mathematischen oder logischen Beweis verlangt man, daß er lückenlos, Schritt für Schritt genau begründet werden kann. Es müssen die Begriffe, also die Definitionen ebenso klar sein wie die Voraussetzungen und zulässigen Regeln. Die MathematikerInnen müssen uns also z.B. bei den natürlichen Zahlen lückenlos begründen können, wie sie zu der Vorstellung und zu dem Begriff einer zu Ende gedachten unendlichen Menge gelangen. Hier können sie keine andere Antwort liefern als: man kann es denken, und das ist ohne Zweifel richtig: man kann es denken (Existenzbeweis: sie tun es, wie man ihren Reden und Schriften entnehmen kann). Aber man kann auch einen schwarzen Schimmel denken oder einen eckigen Kreis. Man kann vieles und viel Fragwürdiges, Falsches und auch Widerspruchsvolles denken. Der sicherlich richtige Existenzbeweis man kann es denken reicht also nicht.

    Obwohl es allenthalben heißt, die Gesetze im Endlichen und Unendlichen seien ganz andere und was in dem einen gelte, müsse nicht im anderen gelten, was an sich schon sehr fragwürdig, weil nicht notwendig, sondern willkürlich so eingerichtet ist (Weyl, Wittgenstein, Ziehen), heißt es andererseits wieder, daß das Unendliche seine Fundierung im Endlichen habe und nur eine Fortsetzung des Endlichen sei. So führt z.B. Hilbert zur Idee des "einfachen Hinüberzählens" in seiner Arbeit Über das Unendliche (1926) aus:
     

    Bedeutung des Endlichen für das Unendliche und das "einfache Hinüberzählen"
    Aus Hilbert Über das Unendliche  (fett-kursiv von RS)

    [1] "Wenn wir 1,2,3, ... gezählt haben, so können wir vielmehr die so abgezählten Gegenstände als eine in dieser bestimmten Anordnung fertige unendliche Menge ansehen; bezeichnen wir diese Anordnung, wie Cantor es tut, ihrem Typus nach mit omega, so setzt sich das Abzählen naturgemäß fort mit omega+1, omega+2, ..., bis omega+omega ..."   (S. 168).
    Anmerkung: Bei Hilbert wird für omega der griechische Buchstabe verwendet. 

    [2] "Dies sind die ersten transfiniten Zahlen Cantors, die Zahlen der zweiten Zahlklasse, wie Cantor sie nennt. Zu ihnen gelangen wir also einfach durch ein Hinüberzählen über das gewöhnliche abzählbare Unendlich, d.h. durch eine ganz naturgemäße und eindeutig bestimmte, konsequente Fortsetzung des gewöhnlichen Zählens im Endlichen."  (S 169). 

    [3] "Bei der eben geschilderten Beweisführung habe ich die Theorie der Zahlen der zweiten Zahlklasse im wesentlichen vorausgesetzt. Die Zahlen der zweiten Zahlklasse wurden von mir schlechthin als Resultat des Hinüberzählens über das abzählbare Unendlich eingeführt, und dann wurde später die Individualaussage N 'Zahl der zweiten Zahlklasse sein' durch Angabe der Axiome gekennzeichnet. Aber diese Axiome geben nur den allgemeinen Rahmen für eine Theorie. Zur genaueren Begründung derselben ist es nötig, zu ermitteln, wie der Prozeß des Hinüberzählens über das abzählbare Unendlich zu formalisieren ist. Dies geschieht, indem der Prozeß des Hinüberzählens auf eine Folge angewandt wird ; diese Folge kann nur durch eine gewöhnliche Rekursion gegeben sein, und zu diesen Rekursionen sind wieder gewisse Typen notwendig. Dieser Umstand bietet scheinbar eine Schwierigkeit, aber in Wahrheit zeigt es sich, daß gerade durch diese Überlegung das Entsprechen zwischen den Zahlen der zweiten Zahlklassen und den Funktionen einer Zahlenvariablen zu einem weit engeren gemacht werden kann. Es werden nämlich die Variablentypen, die wir zur Herstellung der Zahlen der zweiten Zahlklasse brauchen, dadurch gewonnen, daß wir formal in unseren bisherigen definierenden Typenaussagen das Zeichen Z an einer oder mehreren Stellen durch das Zeichen N ersetzen. Die so entstehenden Variablentypen wollen wir N-Typen nennen; wie ersichtlich ist, haben entsprechende Z- und N-Typen dieselbe Höhe. Wir brauchen nun nicht der einen vorliegenden Zahl der zweiten Zahlklasse die sämtlichen Funktionen derselben Höhe zuzuordnen, sondern können die Zahlen der zweiten Zahlklasse und die Funktionen sich nach der Höhe der zu ihrer Definition nötigen Variablentypen einander entsprechen lassen. Des genaueren stellt sich diese Zuordnung folgendermaßen dar:
          Geht man in den Z-Typen nur bis zu einer gewissen Höhe, so ist auch die Höhe der entsprechenden N-Typen beschränkt. Aus den mit diesen Typen herstellbaren Zahlen der zweiten Zahlklasse läßt sich durch eine aufsteigende Folge eine höhere Zahl der zweiten Zahlklasse gewinnen, die mit Hilfe eines höheren Variablentyps definiert wird. Hat man andererseits N-Typen bis zu einer gewissen Höhe, so sind auch die durch die entsprechenden Z-Typen definierbaren Funktionen abzählbar: nämlich nach der Zahl der Substitutionen in der Weise, wie dies früher geschildert worden ist. Aus einer solchen Abzählung phi ( a, n) erhält man bekanntermaßen
    durch das Cantorsche Diagonalverfahren, z. B. durch die Bildung von phi (a, a) + 1, eine von allen abgezählten Funktionen verschiedene Funktion, die demnach durch die vorher zugelassenen Variablentypen nicht definiert werden konnte.
           Man hat damit die Möglichkeit erreicht, den Zahlen der zweiten Zahl-[>189] klasse, welche auf der betreffenden Höhe, aber auf keiner geringeren zu definieren sind, jene abzählbar vielen auf derselben Höhe definierbaren Funktionen umkehrbar eindeutig zuzuordnen, und auf diese Weise kommt jede Funktion als Zugeordnete mindestens einer Zahl der zweiten Zahlklasse vor.
          Hiermit ist aber der Beweis des Kontinuumsatzes noch nicht fertig, ..." (S. 188f).

    [4] "Zuletzt wollen wir wieder unseres eigentlichen Themas gedenken und über das Unendliche das Fazit aus allen unseren Überlegungen ziehen: Das Gesamtergebnis ist dann: das Unendliche findet sich nirgends realisiert; es ist weder in der Natur vorhanden, noch als Grundlage in unserem
    verstandesmäßigen Denken zulässig - eine bemerkenswerte Harmonie zwischen Sein und Denken. Im Gegensatz zu den früheren Bestrebungen von Frege und Dedekind erlangen wir die Überzeugung, daß als Vorbedingung für die Möglichkeit wissenschaftlicher Erkenntnis gewisse anschauliche Vorstellungen und Einsichten unentbehrlich sind und die Logik allein nicht ausreicht. Das Operieren mit dem Unendlichen kann nur durch das Endliche gesichert werden." (S. 190).
     

    Wo zeigt Hilbert die Sicherung des Unendlichen durch das Endliche ?
    Obwohl nach [4] das Unendliche sich nirgends realisiert findet und es weder in der Natur vorhanden "noch als Grundlage in unserem verstandesmäßigen Denken zulässig" sein soll, gibt es das verstandesmäßig unzulässige Unendliche also andererseits doch? Ja nicht nur das: "Das Operieren mit dem Unendlichen kann nur durch das Endliche gesichert werden." Aber wo hat Hilbert diese Sicherung durch das Endliche gezeigt? Wenn dieses Unendliche für das verstandesmäßige Denken gar nicht zulässig sein soll, wie kann er dann [1] sagen: "Wenn wir 1,2,3, ... gezählt haben, ..."? Wie kommt er denn ans Ende? Wie kommt er zum "... haben" ?  Hilbert zeigt nirgendwo, was die eigentliche Grundaufgabe wäre, wie er 1,2,3, ...  zählt. Halten wir fest: Auch einer der größten Mathematiker aller Zeiten kann eines nicht: 1,2,3, ... zu Ende zählen - weil es niemand kann. Wie wäre also seine Aussage  "Wenn wir 1,2,3, ... gezählt haben, ..." zu retten? Es gäbe nur einen sophistischen Ausweg, das "Wenn" als konditionale Bedingung zu deuten, was er aber ziemlich sicher nicht so gemeint haben dürfte, sonst hätte er formuliert: "Wenn wir 1,2,3, ... gezählt haben würden oder könnten, ...". Auch Hilbert kann nicht zu Ende zählen, weil es keine größte oder letzte natürliche Zahl gibt. Ich gelange zu dem

    Ergebnis


    Bereits die Definition der unendlichen Menge verletzt das "geheiligte Axiom 'totum parte majus'" (Hausdorff 1914). Die Existenz einer zu Ende gedachten unendlichen Menge - was auch als aktuale unendliche Menge bezeichnet wird - kann nur per Axiom, also aufgrund eine Beschlusses und einer Konvention "gesichert" werden. Dies erscheint insofern äußerst problematisch, weil diese Auffassung auch unter den MathematikerInnen strittig ist, darunter kein Geringerer als Gauss und andere bedeutende Mathematiker, Konstruktivisten und (Halb)-Intuitionisten (Materialien). Der Jahrtausende gültige und plausible Zähl- und Anzahlbegriff wird aufgehoben. Der Übergang und die Interpretation der Gleichmächtigkeit als Anzahl führt zu Widersprüchen in den Aussagen zu den Größenverhältnissen der verschiedenen Zahlenbereiche, was Ziehen schon 1917 (S. 63) feststellte und von Fraenkel (1923, S. 160) unzulänglich erfaßt, zitiert und daher auch nicht entkräftet werden konnte. Im übrigen folgt aus gleich viel nicht wie viel. Zählen ist wesentlich an wie viel und nicht so sehr an gleich viel interessiert. Das leistet der Gleichmächtigkeitsbegriff nicht. Der Schluß von der Gleichmächtigkeit auf die gleiche Anzahl und noch mehr auf die genaue Anzahl ist ein Sprung, bedeutet damit eine Beweislücke, er ist daher unzulänglich und falsch (Hilberts Traum und Trauma scheinen noch nicht erledigt). 
        Ich fürchte, die Absurditäten sind der weit überwiegenden Zahl von Nicht-MathematikerInnen, AnwenderInnen und KundInnen der Mathematik kaum zu vermitteln, aber - das Gute am Schlechten - vermutlich ist das auch nicht nötig, weil es den meisten gleichgültig sein dürfte. Nicht ausschließen möchte ich aber auch, daß meine Bedenken als mathematischer Laie falsch oder übertrieben sind und eine bessere Mathematik-Didaktik und bessere Mathematik-Vermittlung für mehr und besseres Verständnis sorgen könnte.

    Ergänzung: Links oder rechts offen (26.01.2014)
    Gelegentlich ergänzende Überlegungen führten zu der Frage des Begriffs eines Ganzen oder einer Menge. Wie kann eine Zahlenfolge, die links ..., -3, -2, -1, 0}, rechts {0, 1,2,3, ...  oder sogar an beiden Seiten offen ... -1, 0, 1 ... ist zu einem Ganzen, zu einer Menge zusammengefasst werden? Man könnte natürlich auch noch ein Dazwischen bei den rationalen oder reellen Zahlen einführen, ich will es aber erst mal dabei belassen. Ein Ganzes bedeutet intuitiv etwas Begrenztes, Abgeschlossenes.
        Die Argumentation nach der Bedeutung Teil und Ganzes wurde ergänzt durch das weitere Argument des links oder rechts Offenen bei Zahlenfolgen: etwas links oder rechts Offenes kann kein Ganzes, keine Zusammenfassung zu einer Menge, sein. Ein Ganzes ist begrenzt und abgeschlossen.



    Literatur (Auswahl) und Links (Auswahl: beachte)
    Die meiste genutzte Literatur wurde im Text verlinkt. Siehe bitte auch Querverweise und Materialien und Links zur Kontroverse um das Unendliche.
    • Euklid (dt. 1969). Die Elemente. Buch I-XIII. Hrsg. u. übersetzt von C. Thaer. Darmstadt: WBG.

    • Euklid im Netz (Google: Euklid, Euklid Axiome, Euklid Elemente, Euklid Das Ganze ist größer,  1,2,3,):
    • Fraenkel, Adolf (1923, 2.A.). Einleitung in die Mengenlehre. Eine elementare Einführung in das Reich des Unendlichgrossen. Reihe Die Grundlehren der Mathematischen Wissenschaften in Einzeldarstellungen mit besonderer Berücksichtigung der Anwendungsgebiete. Bd. IX. Berlin: Springer.
    • Hausdorff, Felix (1914). Grundzüge der Mengenlehre. Leipzig: Veit & Comp. Auch in: Hausdorff, Felix (2002). Gesammelte Werke Bd. II. Grundzüge der Mengenlehre. Berlin: Springer. [S. 48 die pathetische Formulierung zu Euklid 8: "wir müssen das geheiligte Axiom 'totum parte majus' verletzen,"
    • Hilbert, David [1926]  Über das Unendliche. Mathematische Annalen Bd. 95 (1926).
    • Weyl, Hermann (1966, 3.A.). Zahl und Kontinuum. Das Unendliche. In: Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaft. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft. 47-90.  [Zitat zu Euklid 8]
    • Wittgenstein, Ludwig (1969 Hrsg. Rush Rhees). Das Unendliche in der Mathematik.  In Schriften 4, Philosophische Grammatik, Teil II. Über Logik und Mathematik. 411-485. Frankfurt: Suhrkamp. [Zitate]
    • Ziehen, Theodor (1917). Das Verhältnis der Logik zur Mengenlehre. Philosophische Vorträge veröffentlicht von der Kantgesellschaft, Nr. 16. Berlin: Reuther & Reichard. [Kritik-Zitat]




    Anmerkungen und Endnoten:
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    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    2) Lateinisch: totum parte majus (nach Hausdorff 1914, S. 48). Die griechische Formulierung findet sich im Weyl-Zitat. Besser erscheint auch Weyls Übersetzung: Die Ganze ist größer als sein Teil. Im Sinne der Mengenlehre, müßte man noch genauer formulieren: Das Ganze ist größer als ein echter Teil. So ist es hier und sicherlich auch von Euklid gemeint. Die Begriffsbildung, daß eine Menge sich selbst enthält, erscheint denkpsychologisch widerspruchsvoll. Eine Menge kann Elemente oder andere Mengen enthalten, aber nicht sich selbst: sie ist sich selbst (gleich oder identisch), also M=M, aber nicht M enthalten_ in M.
    ___
    Rekursion: Eine Methode bei der das Ergebnis durch Zurückführen auf ein jeweils Hervorgehendes bis zum Ausgangswert ermittelt wird: die Berechnung des n-ten Gliedes oder Nachfolgers ergibt sich durch Anwendung einer Rekursvorschrift auf den jeweiligen Vorgänger.
    ___
    kostet. Wir müssen im Leben wie in der Wissenschaft fast alles bezahlen, aber unsere Freiheit besteht darin, daß wir uns die Währung aussuchen dürfen. Die neue Mengenlehre Mathematik Cantors bezahlen wir mit zahlreichen Absurditäten, Widersprüchen, Ungereimtheiten und Konfusionen auf der einen Seite der Bilanz, während auf der anderen Seite eine mathematische Behandlung des Unendlichen gewonnen wird, die offenbar von vielen MathematikerInnen für weit wertvoller erachtet wird.
    ___
    Hermann Weyl zur Aufhebung von Euklids Axiom 8: Das Ganze ist größer als sein Teil.


    ___
    definitorische Beschlüsse (Ziehen). Daß die Mengenlehre vielfach lediglich auf neuen Definitionen, Übereinkünften und Konventionen beruht, bemerkte schon ein früher Kritiker: Ziehen, Theodor (1917). Das Verhältnis der Logik zur Mengenlehre. Philosophische Vorträge veröffentlicht von der Kantgesellschaft, Nr. 16. Berlin: Reuther & Reichard. S.13 :


    Anmerkung: Die Seite setzt fort: "bekannten Literatur scheint mir noch die Hausdorffsche zu sein:
    'eine Menge ist eine Zusammenfassung von Dingen zu einem Ganzen, d.h. zu einem neuen Ding."
    Ziehens Arbeit wird, wenn sich die Rechte klären lassen und wir sie erhalten,  hier vollständig
    präsentiert.
    ___
    existiert. Ein unklarer und problematischer Grundbegriff der Mathematik, nach dem auch eine Beweisart benannt ist: der Existenzbeweis. Unklar und problematisch deshalb, weil durch Definitionen und Axiome Existenzen entweder direkt oder indirekt und verwickelt über zugrundeliegende Definitionen und Axiome definiert und postuliert werden. Existenzen können also definiert (Definition), postuliert (Axiom) oder abgeleitet und gezeigt werden (Satz), wobei auch noch die Ableitungsregeln und die zugelassene Logik zu berücksichtigen sind. In der wissenschaftstheoretischen Literatur gibt es bislang kein System, das einen Begründungspfad zu dokumentieren gestattet (ein Modell hat Wittgenstein in seinem Tractatus ansatzweise angedeutet). Erschwert wird ein solches System dadurch, daß mehrere möglich sind. Bei vielen Beweisen weiß man überhaupt nicht, ob sie zirkelfrei frei sind, weil gar nicht klar ist, was alles vorausgesetzt und benutzt wird.
    ___
    eckigen Kreis. In Erlangen gab es in den 1970er-80er Jahren eine Künstlergruppe, die sich "Eckiger Kreis" nannte.
    ___
    Omega. Betrachtet man die natürlichen Zahlen in ihrer natürlichen Ordnung, so wird ihrer Gesamtheit die Ordnungszahl (Ordinalzahl) Omega zugeordnet. Sieht man von der Ordnung ab und betrachtet nur die Anzahl, spricht man von der Kardinalzahl, hier Aleph0. {1, 2, 3, ...., n, .... } := Omega mit der Anzahl Aleph0. Omega und Aleph0 sind Namen für das gedachte Ende der unendlichen natürlichen Zahlen.
    ___
    Tractatus. Auf der ersten Seite schreibt Wittgenstein in Fußnote 1: "Die Dezimalzahlen als Nummern der einzelnen Sätze deuten das logische Gewicht der Sätze an, den Nachdruck, der auf ihnen in meiner Darstellung liegt. Die Sätze n.1, n.2, n.3, etc., sind Bemerkungen zum Satz No.n; die Sätze n.m.1, n.m.2, etc. Bemerkungen zum Satze No.n.m und so weiter." Hier zitiert nach: Wittgenstein, Ludwig (dt. 1921f; 1960). Schriften. Tractatus-logicus-philosophicus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 11. [Fertig gestellt 1918, erstmals veröffentlicht 1921 in Ostwalds letztem Band der Annalen der Naturphilosophie].
    ___
    Hilberts Traum und Trauma. Hilberts Traum war die absolute und unbezweifelbare Sicherung des mathematischen Wissens. Und sein hier so genanntes Trauma beschreibt er in 'Über das Unendliche' (S.179 unten): "Und was wir zweimal erlebt haben, einmal als es sich um die Paradoxien der Infinitesimalrechnung und dann um die Paradoxien der Mengenlehre handelte, das kann nicht zum dritten Male und wird nie wieder passieren."  Damit aber kein falscher Eindruck aufkommt: Trotz allem meine ich, stimmte der Rest der Welt so wie die Mathematik, lebten wir vermutlich schon in einem Halbparadies.
    ___
    Leibniz. Siehe auch Kaufmann, Felix (1930, S. 140). Kaufmann geht ausführlich auf die Paradoxie ein, dass das Ganze nicht mehr grösser als eines seiner Teile sein soll. Er argumentiert scharfsinnig gegen eine aktual unendliche Menge und weist auch das Cantor'sche Diagonalverfahren zurück (S. 149 ff).
    ___


    Querverweise
    Standort: Euklid Axiom 8: Das Ganze ist größer als der Teil.
    *
    Materialien zur Kontroverse um "das" Unendliche.
    Unendlich. Vorstellungen, Metaphern, Analogien, Begriffe, Kennzeichnungen, Definitionen.
    Materialien zur Kontroverse um "das" Unendliche.
    Cantor Diagonalverfahren I Probleme. Unklarheiten, Paradoxes, Widersprüchliches mit Zählen, Anzahlen und den Mächtigkeiten im Endlich-Unendlichen aus der Sicht eines mathematischen Laien. * Naleph Phantasien.
    * Beweis und beweisen in Wissenschaft und Leben * Beweis und beweisen in Mathematik * Euklids Primzahlbeweis *
    Sophistik und Rabulistik in der altehrwürdigen Mathematik.
    Materialien zur Mathematik: Lexika, Wörterbücher, Glossare.
    *
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Euklid Axiom 8: Das Ganze ist größer als der Teil ... aufgehoben durch einfaches "hinüberzählen" ins Unendliche? Internet Publikation - General and Integrative Psychotherapy. IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/wisms/mathe/ML/euklid8.htm
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    29.07.15    Linkfehler geprüft und korrigiert.
    26.01.14    Ergänzung: Links oder rechts offen.
    07.06.07    Historische Anmerkung: §21 von Bolzano (1851) eingefügt.
    28.07.06    Hinweis auf Kaufmann (Leibniz).
    27.12.05    Ergänzung in 2) und klärende Spezifizierung in der Einführung.
    26.12.05    Kommentar: Diese Definition hebt Euklid 8 auf, indem sie eine Äquivalenz zwischen Teil und Ganzem postuliert. Eingangszusatz beim Ergebnis.