KekulésTraum
Über eine typisch-psychoanalytische Entgleisung Alexander Mitscherlichs über den bedeutenden Naturwissenschaftler und Chemiker August Kekulé (1829-1896), Mitschöpfer der Valenz-, Vollender der Strukturtheorie und Entdecker der Bedeutung des Benzolrings. Alternative Analyse und Deutung aus allgemeiner und integrativer psychologisch- psychotherapeutischer Sicht.
von Rudolf Sponsel unter Mitarbeit von Irmgard Rathsmann-Sponsel, Erlangen
"Lernen wir träumen, meine Herren, dann finden wir vielleicht
die Wahrheit - aber hüten wir uns, unsere Träume zu veröffentlichen,
ehe sie durch den wachen Verstand geprüft worden sind." (Kekulé
1890, 25 Jahre Benzolfest)
"Außerdem habe ich auf meinen mannigfachen Reisen viele Ansichten
kennen und das Gute wie das Schlechte aussondern gelernt: ich war ein Eklektiker
geworden. Ich war nicht im Geiste einer engeren Schule befangen." (Kekulé
1892, 25 Jahre Professor)"
In der folgenden Arbeit werden sehr verschiedene Bereiche und Disziplinen
aus verschiedenen Wissenschaften angesprochen:
Kekulé schreibt in seiner Berliner Rede zum 25jährigen Jubiläum des Benzolrings 1890:
"Während meines Aufenthaltes in Gent in Belgien bewohnte ich elegante Junggesellenzimmer in der Hauptstrasse. Mein Arbeitszimmer aber lag nach einer engen Seitengasse und hatte während des Tages kein Licht. Für den Chemiker, der die Tagesstunden im Laboratorium verbringt, war dies kein Nachtheil. Da sass ich und schrieb an meinem Lehrbuch; aber es ging nicht recht; mein Geist war bei anderen Dingen. Ich drehte den Stuhl nach dem Kamin und versank in Halbschlaf. Wieder gaukelten die Atome vor meinen Augen. Kleinere Gruppen hielten sich diesmal bescheiden im Hintergrund. Mein geistiges Auge, durch wiederholte Gesichte ähnlicher Art geschärft, unterschied jetzt grössere Gebilde von mannigfacher Gestaltung. Lange Reihen, vielfach dichter zusammengefügt; Alles in Bewegung, schlangenartig sich windend und drehend. Und siehe, was war das? Eine der Schlangen erfasste den eigenen Schwanz und höhnisch wirbelte das Gebilde vor meinen Augen. Wie durch einen Blitzstrahl erwachte ich; auch diesmal verbrachte ich den Rest der Nacht um die Consequenzen der Hypothese auszuarbeiten." (Anschütz 1929, II, S. 942)
Man muß sich natürlich fragen, ob diese Schilderung Kekulés, 25-30 Jahre nach dem Erlebniszeitraum die Erlebnis-Wirklichkeit von damals beschreibt1), und wie richtig er sie beschreibt. Wir werden dieser Frage mit aussagepsychologischen2)- und anderen - Mitteln so gut wie möglich nachgehen.
Wie immer man auch den Wirklichkeitsstatus des Halbtraums bewerten mag, so steht doch unbestritten fest, daß Kekulé der Entdecker der vollständigen Bedeutung des Benzolrings ist und damit steht auch unzweifelhaft fest, daß Kekulé im Entdeckungszeitraum eine Eingebung von der ring- oder kreisförmigen Anordnung gehabt haben m u ß, eben w e i l er die Bedeutung des Benzolrings fand.
Umstritten ist in der neueren kritischen Literatur lediglich,
ob
Kekulé diesen Uroboros-Halbtraum tatsächlich hatte und falls,
wanner
ihn hatte, und, falls er ihn nicht hatte, warum er ihn dann erzählt
hat. So bringt der Chemie-Wissenschaftshistoriker Meinel
bemerkenswerte Argumente gegen die Realität des Halbtraums Kekulés
vor:
Vom denk-und kreativitätspsychologischen
Standpunkt aus betrachtet, ist es ziemlich unerheblich, ob Kekulé
diese Eingebung im wachen Zustand, während einer Denkphantasie,
in einem Tagtraum, in Trance oder in einem Halb- oder ("Ganz") Traum
erlebt hat. Wir werden jedoch darlegen, daß Problemlösungsprozesse
sehr von Lockerungen der normalen Assoziations-"Bindungen" (Rathsmann-Sponsel)
und von unbewußter Problemlösungs-Arbeit profitieren können.
So betrachtet können gelockerte Phantasien, Tagträume ("Wachträume"),
tranceartige Zustände, Halbträume oder "richtige" Träume
ebenso wie die unbewußten Prozesse im Hintergrund sehr förderlich,
ja vielleicht sogar vielfach notwendig für Problemlösungen sein
- und gute ProblemlöserInnen nutzen
dies auch. Aus Sicht der Kreativitäts- und Problemlösungspsychologie
spricht nicht nur nicht das geringste dagegen, Problemlösungen z.
B. im Traum, beim Dösen, unvermittelt unterwegs, während einer
Entspannung oder Nebentätigkeit, beim Abspülen oder auf der Toilette
oder wie auch immer zu erleben, sondern es ist sogar wahrscheinlich.
Dafür gibt es in der Wissenschaftsgeschichte auch sehr viele Beispiele
und Belege. Problemlösungen haben oft eine lange "Inkubationszeit",
und genau diese nicht selten sehr lange Inkubationszeit ist zugleich ein
sehr guter empirischer Beleg für die Existenz unbewußter Denkprozesse.
Im Sinne des Wortes kann man im Einklang mit psychoanalytischen und tiefenpsychologischen
Grundannahmen sagen: Es arbeitet.
Hintergrund und Bedeutung der Kekulé'schen Benzoltheorie
Hintergrund:
Chemiehistoriker Krätz (1990, S. 68) stellt für die Zeit um 1850 fest: "Für uns Nachgeborene nicht ohne weiteres verständlich, fiel es den Chemikern und auch den Physikern des vorigen Jahrhunderts extrem schwer, Grundbegriffe wie Atom und Atomgewicht, Molekül und Molekulargewicht sowie Äquivalent und Äquivalenzgewicht zu definieren. Analytische Schwierigkeiten erhöhten die Probleme. Die zahlreichen scheinbaren Ausnahmen vereitelten immer noch die Anerkennung des Satz von Avogadro, der immerhin schon ein halbes Jahrhundert bekannt gewesen war."
Die Valenztheorie resultierte aus der Beobachtung, daß die Anzahl der Atome eines bestimmten Elementes sich mit einer bestimmten Anzahl der Atome eines anderen Elementes verbinden können. Kekulé folgerte 1858, daß Wasserstoff eine, Sauerstoff zwei, Stickstoff drei, Kohlenstoff vier Bindungen mit anderen Atomen eingehen können. Asimov (1996, S. 308): "Kekulé wies außerdem darauf hin, daß sich Kohlenstoffatome beliebig miteinander verbinden und Moleküle bilden können, die aus Kohlenstoffketten bestehen, wobei sich an die übrigen freien Valenzen, die nicht durch die Kettenbildung abgesättigt werden, andere Atome anlagern können. ... Viele offene Fragen der organischen Chemie wurden damit beantwortet" Osteroth (1985, S. 92) schreibt im Kapitel "Der große Durchbruch": "Nur wenige Jahre nach der Veröffentlichung der neuen Strukturlehre Kekulés zeigte sich deren ungeheure Tragweite."
Zur Geschichte des
Benzols C6H6
In den Bayer-Berichten zur 100 Jahr Feier4)
der Benzolformel wird ausgeführt, daß bereits Glauber ("Glauber-Salz")
in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beim Destillieren des Steinkohleteers
ein "subtiles und liebliches Oleum"- Benzol - erhielt, dessen Zusammensetzung
ihm allerdings unbekannt blieb. 1825, entdeckte Faraday, naturwissenschaftliches
Universalgenie, nachdem ihm die Verflüssigung von Gasen gelang, das
Öl ("Bicarburet of hydrogen") erneut und gewann es aus Leuchtgas.
Ein Jahr später sei das Öl als ein Kohlenwasserstoff (CH)x
erkannt
worden. Auf einem anderen Wege, so der Bayer-Bericht, habe Eilhard Mitscherlich
- der Großvater des Psychoanalytikers Alexander Mitscherlich und
Schüler von Berzelius5) 1832 diesen
Stoff, den er Benzin genannt habe, erhalten. Der sodann endgültige
Name Benzol für diesen Kohlenwasserstoff wurde 1834 von Justus
von Liebig vergeben.
Benzol ist eine farblose, lichtbrechende, giftige (krebsfördernde?)
Flüssigkeit, die mit stark rußender Flamme brennt. Benzol ist
Grundstoff der aromatischen Verbindungen. Kommt in Erdöl, Kohle, Gasen
vor. Als Universalrohstoff von sehr großer Bedeutung für die
Chemie.
Asimov (1996, S. 321): "Kekulés Methode, chemische Formeln zu schreiben, löste nicht alle Probleme. Die wichtige Verbindung Benzol, deren Struktur beispielsweise in den neuen künstlichen Farbstoffen enthalten war, konnte mit seinem System nicht dargestellt werden. Das Benzolmolekül enthält sechs Kohlenstoff- und sechs Wasserstoffatome. Fügt man jedoch an eine Kette von sechs Kohlenstoffatomen sechs Wasserstoffatome an, so entsteht eine sehr instabile Verbindung. Benzol ist jedoch recht stabil."
Im Jahre 1898 bewertete Francis Japp anläßlich einer Kekulé Gedenkvorlesung der London Chemical Society die Benzoltheorie als "die brillanteste wissenschaftliche Entwicklung innerhalb der gesamten organischen Chemie ... drei Viertel der modernen organischen Chemie ergeben sich direkt oder indirekt aus dieser Theorie."(Seite 171 in)
Rund 100 Jahre später wertet der britische Chemiker
und Wissenschaftshistoriker Brock (1992,
S. 171):
"Gerade wie Picasso später die Kunst revolutionierte, indem er
dem Betrachter den gleichzeitigen Blick auf und hinter die Dinge erlaubte,
gerade so hat Kekulé die Chemie revolutioniert. Chemische Eigenschaften
erklären sich aus der inneren Struktur der Moleküle, die nunmehr
aufgrund der Erfahrungen der analytischen und synthetischen Chemiker 'gesehen'
und 'gelesen' werden konnten. Die Zukunft der Chemie und der
Industrie lag nach 1865 faktisch in der Strukturchemie im Zeichen des Hexagons.
Aber ebenso lag sie in einer größeren Nähe zur Physik,
die ein besseres Verständnis der Verbindungsfähigkeiten der Atome
bot.."
Die entscheidende Idee und der Durchbruch zur Lösung
des Benzols und seiner Verbindungen war nach Kekulés Rede 1890 die
Idee, der Einfall, das Heureka-Erlebnis - aus einem Halbtraum heraus
- der ringförmigen Anordnung der Atome:
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Asimov (1996, S. 321): "Er begriff sofort: Wenn die sechs Kohlenstoffatome einen sechseckigen Ring bildeten und sich je ein Wasserstoffatom an jedes Kohlenstoffatom anlagerte, so entstand ein stabiles Molekül. Die Theorie, daß organische Moleküle Ringe und Ketten bilden konnten, führte zur Lösung vieler Strukturprobleme."
Asimovs Kommentar hört sich einfach an. So ein Einfall, wie Kekulé
ihn hatte, ist aber gar nicht so einfach. Psychologisch betrachtet hat
der plötzliche Einfall, die zündende Idee, das Heureka-Erlebnis
unter Umständen eine jahrelange Entwicklungszeit ("Inkubationszeit")
und beruht sowohl auf einer intensiven als auch sehr fachkundigen Beschäftigung
mit dem Problemkomplex. Kekulé hat auch keineswegs, wie oft
falsch dargestellt wurde, die Lösung des Benzolrings geträumt.
Er hat allenfalls ein Analogon im Halbtraum - sofern dieser denn wahr ist
- produziert und seine schöpferische Leistung bestand darin, die Abstraktion
Uroboros-Ring als Anordnungsstruktur der Atome des Benzolrings zu interpretieren.
Zu einer solchen interpretativen Leistung war natürlich nur ein Fachkundiger
in der Lage. Es stellte sich für viele WissenschaftlerInnen die Frage,
wie man den "Schlangen"traum, genauer, den Uroboros-Halbtraum
Kekulés erklären kann? Gründliche und kritische Untersuchungen
gibt es meines Wissens wenig.
Die psychoanalytische Deutung Mitscherlichs
Anläßlich der 100 Jahre Feier zur Entdeckung der Benzolformel durch August Kekulé schreibt Alexander Mitscherlich, Direktor des Sigmund Freud Instituts in Frankfurt, einen Artikel - ursprünglich für das Sonderheft zur 100 Jahr Feier der Deutschen Chemischen Gesellschaft gedacht - für die Wochenzeitung "Die Zeit" (17.9.1965, Seite 19), der 1972 in der Psyche, 649-655, wiederabgedruckt wurde. Er nannte diese Arbeit "Kekulés Traum. Psychologische Betrachtung einer chemischen Legende."
Exkurs: Bereits der Nebentitel ist ärgerlich, weil Mitscherlich gar kein Psychologe ist - sondern Arzt und Psychoanalytiker - und infolgedessen auch gar keine solide begründeten eigenen psychologischen Betrachtungen6) abgeben kann, wie seine Arbeit auch direkt belegt. Der Halbtrauminhalt und das Faktum, daß der Halbtrauminhalt erst 25-30 Jahre nach dem vermutlichen Erlebniszeitraum öffentlich erzählt wird, wird überhaupt nicht problematisiert und als reales Faktum vorbehaltlos so angenommen. Nun, eine Problematisierung erfordert in der Tat eine Reihe von Kenntnissen und Einstellungen, die nicht eben typisch oder repräsentativ für die PsychoanalytikerInnen - meist ÄrztInnen - sind, z. B. Kenntnisse in Gedächtnis-, Denk- und Aussagepsychologie2): originäre Gebiete der PsychologInnen. Obwohl die Psychoanalyse inzwischen gute 100 Jahre alt ist, hat sie in keinem der drei Gebiete nennenswerte empirisch-experimentelle Beiträge geleistet. Einer der es hätte leisten können - Jean Piaget - , wollte ihre Theorie nicht schlucken15). Nun, es kommt noch schlimmer: Was Menschen so erzählen über sich und ihr Leben wird von PsychoanalytikerInnen oft gar nicht ernst genommen und in der Hauptsache der Phantasie zugerechnet. Was ein Sachverhalt tatsächlich bedeutet, erschließt sich nach dem Selbstverständnis der PsychoanalytikerInnen erst, wenn ihn eine PsychoanalytikerIn untersucht und gedeutet hat. Dabei wird die Bedeutung des Wahrheitsproblems völlig verkannt, indem die verschiedenen Ebenen und Perspektiven von Welten nicht sauber voneinander getrennt, differenziert beurteilt und bewertet werden. Eine unermeßlich fatale Folge dieser Haltung war z. B., daß Zig-Tausende von mißbrauchten Menschen (zumeist Kindern)12) im Laufe der letzten hundert Jahre in ihrem Leid nicht anerkannt und daher auch nicht richtig behandelt werden konnten. Hier zeigt sich in dramatischer Weise, welche entsetzlichen Folgen eine falsche Lehre nach sich ziehen kann, wenn sie nur genügend verbreitet ist.
Aufbau der Deutungsarbeit bei Mitscherlich (Ausgangstext siehe bitte hier)
Mitscherlichs erster Fehler und Trick: Die Konstruktion einer Beunruhigung (Problemstellen von mir gefettet)
"Von einem Einfall, der eine fertige Lösung bringt, war bei Kekulé, als er in das Kaminfeuer starrte, keine Rede. Er hat vielmehr im Halb [651] -schlaf einen Traum, aus dem er jäh erwacht. Warum hat er diesen Traum, warum empfindet er das Bild der sich in den Schwanz beißenden Schlange als Herausforderung, die ihn zur Anspannung aller Kräfte zwingt? In dieser Selektion liegt doch das psychologische Rätsel. Warum hat Kekulé dieses Bild so beunruhigt, warum mußte er ihm eine objektiv gültig erscheinende Lösung geben? Die Auskunft, daß der Geist die Lösung ohne Kenntnis des Weges vorweggenommen habe, überzeugt nicht."
Kekulé verwendet das Bild eine Blitzes, so daß Mitscherlichs Formulierung "jäh erwacht" korrekt ist. Zwei Zeilen weiter nimmt Mitscherlich ohne nähere Begründung oder Erklärung eine wesentliche Umdeutung vor, wenn er einfach suggestiv fragend festellt: "Warum hat Kekulé dieses Bild so beunruhigt?" Ich kann aus dem Text Kekulés keine Beunruhigung erkennen, wohl eine starke Aktivierung und Erregung, die psychologisch auch unmittelbar plausibel ist, wenn man sich vergegenwärtigt, daß er einem großen wissenschaftlichen Rätsel auf die Spur gekommen zu sein glaubt. Und er arbeitet die ganze Nacht unter Druck, um die Gunst der Stunde, der Eingebung auszunutzen. Mitscherlichs psychologischer Mutationssprung von "jäh erwacht" zu "beunruhigt" ist, wenn man die Grundannahmen der Freud'schen Psychoanalyse kennt, leicht nachvollziehbar. Damit erhält das Geschehen einen touch von negativ, einen Schimmer von Angst und Schuld. Und damit ist Mitscherlich mit einem einzigen verbalen Schlenker schon dort, wo er hin muß. Allerdings nicht durch Kekulés Text begründet, sondern scheinbar einfach so. Es folgt sogleich ein grundfalsches psychoanalytisches Dogma hinterher, wenn Mitscherlich im Einklang mit der psychoanalytischen Lehrmeinung feststellt (S. 651):
"Zur Natur der Träume ist hier anzumerken, daß sie unseren Triebbedürfnissen und nicht unserem Erkenntnisstreben dienen."
Obwohl Mitscherlich in dieser Formulierung das Erkenntnisstreben als Motiv - offenbar ohne es zu merken - akzeptiert, verneint er, daß Träume oder Trauminhalte auch dem Erkenntnisstreben dienen können. Nach Freud erfüllt der Traum Wünsche. Na gut. Aber wieso sollte dann aber nicht auch eine Erkenntnis gewünscht werden können? Noch dazu bei Menschen, die Erkenntnis berufsmäßig betreiben. Erkenntnisse finden gehört berufs- und lebensbedingt natürlicherweise zu ihren größten Wünschen. Sollte man jedenfalls meinen; nun, die Psychoanalyse weiß es besser, sie analysiert nicht die Wirklichkeit und Tatsachen, sie stopft ihre ideologischen Vorurteile und Dogmen in die Wirklichkeit und Tatsachen hinein, um sie anschließend darin zu finden: Heureka! Aus jäh erwacht wird beunruhigt und ein Traum kann per definitionem dem Erkenntnisstreben nicht dienlich sein, sondern steht im Dienste der Triebbefriedigung, wobei Erkenntnisstreben als Triebbefriedigung ausgeschlossen ist. Nun sollte alles eingerichtet sein für die Deutung (S. 651f):
"Das wache Ich sucht die Triebregungen zu unterdrücken; diese
camouflieren sich in eine vieldeutige Symbolisierung natürlicher Dinge;
eine Schlange im Traum ist dann nicht nur ein Reptil.
In mancherlei Hinsicht befand sich der 36jährige Kekulé
vermutlich in einer durch Verzichte gespannten inneren Lage. Seine 'eleganten
Junggesellenzimmer' waren nur ein schwacher Trost dafür, daß
er allein in ihnen lebte und überhaupt die Nacht chronisch leugnete.
Schon früher waren ihm bei einer spätabendlichen Busfahrt durch
London (1854) tanzende Gebilde erschienen, die er bei ihren Paarbildungen
als Atome ansprach. Mit dieser Auslegung werden gerade die Sprünge
verleugnet, zu denen der träumende Geist fähig sein soll. Denn
das wache Ich bleibt höchst aufmerksam neben dem träumenden erhalten
und legt sich die Mitteilungen des Traumes als Fortsetzung seiner bewußt
gehegten Gedanken aus.
Gibt es — so muß man sich freilich fragen
— Paarbildungen nur im atomaren Bereich? Oder war der Träumer
auf dem Weg, den Boden seiner Wirklichkeit zu verlieren und sehnsüchtig
erwarteten Erfüllungen nachzufolgen, als ihn der Conducteur mit dem
Ruf "Clapham Road«, dem Namen seiner Station, störte?
Als ob er sich etwas hätte zuschulden kommen lassen, bemühte
sich Kekulé nun die Nacht hindurch, die tanzenden Paare in natürliche,
das konnte bei ihm nur heißen: in chemische, Ordnung zu bringen.
Sicher [652] durfte die Befriedigung, in dieser Nacht die Grundlagen der
Strukturtheorie gelegt zu haben, nachhaltiger sein, als wenn er sie in
Liebe oder doch wenigstens in Traumerfüllung verbracht hätte.
Und doch kann eine dieser Gratifikationen nie die andere ganz ersetzen.
In Gent 1861 scheint die Spannung zwischen bewußter und unbewußter
oder zwischen intellektueller und animalischer Persönlichkeit noch
erheblich verstärkt gewesen zu sein. Als sein "Geist bei anderen Dingen
war" — er sagt nicht, bei welchen —, tummelten sich wieder, wie auch sonst
oft, die "kleinen Wesen", die er Atome nannte, vor seinem inneren Auge;
dann taucht die zum Kreis sich schließende Schlange auf. Wiederum
wie damals in London, als er sich zuvor mit seinem Freund Hugo Müller
über Probleme "unserer lieben Chemie" unterhalten hatte, interpretiert
Kekulé seinen Traum als direkte Fortsetzung seines Nachdenkens über
die Benzolformel."
"... Eine Schlange im Traum ist dann nicht nur ein Reptil."
Wir dürfen vorwegnehmen, daß Mitscherlich als Freud'scher
Psychoanalytiker keine Wahl hat: er muß der dogmatischen Lehre nach
auf Penis- und Sexualwunschsymbol erkennen. Als ob Penisse kreisten und
tanzten, als ob sie sich kringelten, als ob sie Paare bilden würden.
Ein Penis hat zwei Zustandsformen und mehr nicht: er hängt runter
oder er ist steif und steht weg ("Erektion"). Eine Schlange, so einfach
und primitiv ist das in der Psychoanalyse, ist ein Penis- und Sexualwunschsymbol.
Das hat Freud quasi durch Veröffentlichung und dogmatische Festlegung
dekretiert, nicht etwa empirsch-experimentell gezeigt 23).
Nun, betrachtet man vergleichend
kulturgeschichtlich die Symbolik der Schlange, so fragt man sich natürlich
bei entsprechend wissenschaftlicher Grundhaltung: wieso sollte diese oder
jene Schlange in diesem oder jenem Kulturraum und dieser oder jener Situation
bei diesem oder jenen Menschen ein Penis- und Sexualwunschsymbol sein,
wo die Schlange doch Dutzende von symbolischen Bedeutungen hat? Die Psychoanalyse
ist vollkommen unfähig, der Vielfalt der symbolischen Erscheinungen
angemessen beizukommen, sie ist in ihrem Grundverständnis eine wesentlich
theologisch-dogmatische Wissenschaft, und das ist im Grunde eine contradictio
in adjecto, symbolisch also: ein schwarzer Schimmel.
"Seine 'eleganten Junggesellenzimmer' waren nur ein schwacher Trost dafür, daß er allein in ihnen lebte"
Mitscherlichs Artikel führt in der Übersicht zu Beginn aus,
daß der Traum Kekulés 1861 oder 1864 stattgefunden habe, was
wahrscheinlich beides falsch ist. 1861 lebte Kekulé noch allein,
1862 heiratet er, 1863 wird er Vater und Witwer. Ungeachtet dessen stellt
sich die Frage: Woher weiß Mitscherlich, daß er in seinen "eleganten
Junggesellenzimmern" wirklich allein lebte, daß nicht sein Sohn Stephan,
den er ja nach dem tragischen Tod seiner Frau im Wochenbett zwei Tage nach
der Geburt persönlich versorgte oder eine Amme oder eine Haushaltshilfe
oder ... da war?
Statt aus dem Text heraus oder aus anderen Quellen zu ermitteln, wie
zu begründen ist, daß das "Alleineleben" nur ein schwacher Trost
war, behauptet er es implizit suggestiv. Woher weiß Mitscherlich,
daß Kekulé in diesem Zeitraum nicht noch sehr mit Trauer und
der Alltagsversorgung des kleinen Stephan beschäftigt war? Alternative
Überlegungen stellt Mitscherlich gar nicht an, sie wären auch
zu störend für die einfachen vulgärpsychoanalytischen Deutungen.
"Als ob er sich etwas hätte zuschulden kommen lassen"
Kekulé hat - wie andere WissenschaftlerInnen und Menschen auch - öfters nachts gearbeitet. Wieso sollte er dabei ein Schuldgefühl erleben? Warum sollte Kekulé, wenn er sexuelle Wünsche gehabt hätte, deshalb Schuldgefühle haben sollen? Die Alten hatten teilweise ein viel natürlicheres Verhältnis zur Sexualität als die Späteren oder Heutigen. Wir fragen uns also: Wodurch ist von Mitscherlich an Fakten, Indizien, Daten oder am Text belegt, daß Kekulé Schuldgefühle gehabt haben soll? Es gibt nach Lage der Dinge an dieser Stelle der Argumentation bei Mitscherlich nur einen Grund: damit vulgärpsychoanalytische Deutungen gestützt werden können. Und so baut eine Unterstellung auf der anderen auf, nimmt er eine Umdeutung nach der anderen vor. Wissenschaft? Fairneß? Verantwortung? Tiefe?
"In Gent 1861 scheint die Spannung zwischen bewußter und unbewußter oder zwischen intellektueller und animalischer Persönlichkeit noch erheblich verstärkt gewesen zu sein." (S. 652)
Wie kommt Mitscherlich darauf, daß der Uroborostraum 1861 - eingangs gibt er in der Übersicht zu seinem Artikel noch die Jahreszahl 1864 als Alternative an - in Gent (Belgien) stattgefunden hat, also vor der Eheschließung Kekulés? Wohin verschwindet plötzlich das Jahr 1864? Nach meinen Recherchen fällt der Uroboros-Traum - so er denn stattgefunden hat - in das Jahr 1863. Und für dieses Jahr liefere ich Gründe und Argumente und ich behaupte, meine oder vermute nicht nur.
"Als sein "Geist bei anderen Dingen war" — er sagt nicht, bei welchen —, tummelten sich wieder, wie auch sonst oft, die "kleinen Wesen", die er Atome nannte, vor seinem inneren Auge; dann taucht die zum Kreis sich schließende Schlange auf. Wiederum wie damals in London, als er sich zuvor mit seinem Freund Hugo Müller über Probleme "unserer lieben Chemie" unterhalten hatte, interpretiert Kekulé seinen Traum als direkte Fortsetzung seines Nachdenkens über die Benzolformel." (S. 652)
... Was subjektiv Sinn macht, denn damit war er ja beschäftigt. Aber es ist richtig, daß die vermeintlich "tatsächliche" Bedeutung der sich zum Kreis schließenden Schlange eine andere sein kann, als der Träumer denkt. Aber: ob wir das heute mit dem spärlichen Material, das uns vorliegt, verantwortungsbewußt untersuchen und feststellen können?
"Dieser Suggestion haben sich bisher alle gefügt, denen die Geschichte
zu Ohren kam. Könnte nicht eine andere Lesart der Motivation gerechter
werden?
Es ist wohl nicht übertrieben, wenn man Kekulé als einen
fanatisch
arbeitenden Forscher bezeichnet. Vielleicht kommt einmal die Zeit, die
es als des Fragens würdig empfindet, was diesem Rigorismus Vorschub
geleistet hat. "Wenn Sie Chemiker werden wollen", berichtet Kekulé
in der nämlichen Rede, habe ihm sein Lehrer Liebig gesagt, "so müssen
Sie sich Ihre Gesundheit ruinieren; wer sich nicht durch Studieren die
Gesundheit ruiniert, bringt es heutzutage in der Chemie zu nichts." " (S.
652, gefettet von mir)
Fanatisch? Warum wählt Mitscherlich entwertend den Begriff "fanatisch"? Warum wählt er nicht den wertneutraleren und sachlich zutreffenderen Begriff "überwertig" oder noch besser, positiv formuliert, leidenschaftlich? Nun, daß der Wissenschaftswettbewerb sehr hart ist, gilt nicht nur für die Chemie. Falls ChemikerInnen früher sterben sollten als andere, wäre noch zu untersuchen, woran das liegt. Die Arbeit im Labor, vermute ich mal, ist oft wohl nicht die gesündeste. Jeder, der Chemieunterricht hatte, weiß, dort weht oft ein ganz besonderer Duft.
"Die Umwelt des jungen Forschers Kekulé war offenbar nicht triebgewährend. Not und Puritanismus hielten zu seiner Zeit die "arbeitenden Klassen" in eiserner Disziplin, ob es nun um Kinderarbeit, um den Zehn- bis Zwölfstundentag oder die forcierte Nachtarbeit des Gelehrten ging." (S. 652)
Kekulé litt in der fraglichen Zeit keine Not - außer dem fürchterlichen seelischen Schmerz und der Trauer als seine Frau starb und er plötzlich mit dem kleinen Stephan allein da saß. Und er gehörte nicht zu den notleidenden "arbeitenden Klassen", sondern er war Professor in Gent und hatte Zugang zu den höchsten Kreisen. Und wieso sollte er Puritaner gewesen sein? Was er sich sexuell, erotisch, freundschaftlich gegönnt hat, wissen wir nicht. Daß er nach dem schrecklichen und plötzlichen Tod seiner 20-jährigen englischen Frau Stephanie Drory im Wochenbett nicht unbedingt von sexuellen Triebbedürfnissen hin- und hergeschüttelt wurde - er hatte sozusagen ganz andere Sorgen - ist wohl psychologisch auch nicht ganz unverständlich.
"Warum sollen wir nicht als stärkste Motivation die große sexuelle und Liebesentbehrung eines Mannes in seinen besten Jahren als Reiz für das "höhnisch" sich darbietende Schlangenbild in Rechnung setzen? So verlockend es für Kekulé wie für einen anderen Mann seines Alters gewesen sein muß, sich der Lust zu überlassen, so wie das Verlangen und die Phantasie sie ankündigten — und dieser Lust nicht erst im Umgang mit 'unserer lieben Chemie' teilhaftig zu werden — so verboten waren solche Wünsche. Nicht in den gefährlichen Liebschaften, sondern im Dienst der personifizierten und geheiligten Wissenschaft mußte man sich auf Geheiß der mächtigen Väter die Gesundheit ruinieren. Als er von diesem rechten Pfad abkommen will, fährt der Träumende hoch wie am Abgrund einer großen Gefahr und verleugnet seine nächtlichen Hoffnungen auf ein Liebesmahl." (S. 653, gefettet von mir)
"... auf Geheiß der mächtigen Väter"? Alle bekannten Informationen sprechen dafür, daß Kekulé ein gutes Verhältnis zu seinem Vater hatte, der schon vor Aufnahme von Kekulés Studium starb. Und Kekulé hatte nicht das Vaterproblem Alexander Mitscherlichs. Oder wird Liebig plötzlich zu Kekulés Vater? So brav waren die Alten gar nicht, souverän schlug z. B. vant' Hoff ein Angebot Kekulés aus. Und immerhin studierte Kekulé auf Wunsch des Vaters und seiner Familie, aber auch nach seiner eigenen Neigung zunächst Architektur. Zu Kekulés Zeiten, Chemie zu studieren, war ein Wagnis, denn Liebig baute damals ja erst die universitäre Chemikerausbildung in Deutschland auf. Erst unter dem Eindruck Liebigs entflammte Kekulé unwiderruflich für die Chemie. Kekulé war auch kein braver und gefügiger Mensch sondern eine vielseitig hochbegabte, individuell-autonome und wohl-distinguierte Persönlichkeit.
"So scheinen also extreme Liebesentbehrungen in einem sehr weiten, aber
durchaus körperlichen Sinn des Wortes die Traumbilder der Paarung
und der Schlange, die ihren eigenen Schwanz ergreift, provoziert und ihr
Erscheinen den Alarm ausgelöst zu haben, den das intellektuelle Ich
schlug. Eine aufweckende Warnung, die sagte: Erwache, arbeite, vertraue
nicht auf Täuschungen, nur Arbeit kann dir Befriedigung versprechen!
Unserer Hypothese, die Schlange in Kekulés Traum sei keine Vertreterin
einer intellektuellen Abstraktion (der gesuchten Benzolformel), sondern
das halluzinierte Erlebnis einer entbehrten erotischen Befriedigung, ist
nun lediglich der Satz anzufügen: Das Genie Kekulés habe also
nicht darin bestanden, daß er die Wahrheit erlangt hätte, ohne
den Beweis zu kennen, sondern in der Hartnäckigkeit seines Fleißes.
Er hat seine Begabung unerbittlicher als die gleichzeitig mit ihm um die
Problemlösung [654] Konkurrierenden 'ausgebeutet'." (S. 653/54,
fett von mir)"
Nicht nur, daß Mitscherlich mit seiner Arbeit Kekulé, der doch zur 100 Jahrfeier seiner Entdeckung des Benzolrings geehrt werden sollte, in die Niederungen psychoanalytischer Sexual-, Symbol- und Traumdeutungspraktiken zieht und ihm faktisch einen sexuellen Notstand unterstellt, ja Mitscherlich stellt Kekulé darüberhinaus als einen workoholic ("Arbeitsüchtigen") dar, der seine Entdeckung weniger seiner Genialität (siehe Abitur Kekulés) als vielmehr seinem Fleiß verdanken solle. Daß diese entwertende und schlampige Arbeit zum 100 jährigen Jubiläum des Benzolrings von der Gesellschaft Deutscher Chemiker nicht in ihr Mitteilungsblatt aufgenommen wurde, ist daher völlig verständlich. Umso unverständlicher ist aber, wie die ansonsten angesehene Wochenzeitung Die Zeit dazu kam, diese Arbeit zu publizieren. Das weiß wohl nur Gero von Randow9) allein.
Diese Arbeit Mitscherlichs ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert für die "Entwicklung" der Psychoanalyse, ihr Wissenschaftsverständnis aber auch für ihre Haltung bezüglich Anstand und Respekt vor der (natur-) wissenschaftlichen Leistung anderer, hier speziell Kekulés.
Warum entwertet Mitscherlich Kekulé so? Vor allem, wenn man bedenkt, daß Mitscherlich zu dieser Zeit auf dem Höhepunkt seiner Karriere stand: unbestritten ein großer Psychoanalytiker im Nachkriegsdeutschland, internationale Anerkennung genießend, mit einer Frau und ebenfalls renommierten Psychoanalytikerin zusammen, und Vorstand des renommiertesten deutschen psychoanalytischen Instituts, des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt. Er hatte es, sollte man meinen, "eigentlich" und wirklich nicht nötig. Übertrug er Eigenprobleme? Immer noch, analysiert und in diesem Alter, bei dieser Karriere? Kaum zu glauben. Nun, eines der großen Lebensthemen Alexander Mitscherlichs, wovon auch die Gesellschaft profitieren konnte und vielleicht sogar noch profitiert, war der Vater, genauer der Vaterlose, Kinder ohne echten Vater, die vaterlose Gesellschaft. Das war sein eigenes Lebensdrama oder Lebenstrauma und er hat es zum Wohl aller konstruktiv genutzt, indem er den Finger auf die nicht nur ihn betreffende Wunde legte, was ich uneingeschränkt anerkenne. Aber warum dann dieser Patzer? War er doch noch nicht zu Ende analysiert? Gab es noch etwas oder war es schlicht und einfach bewußte, kalkulierte Rache am Vater und den Vätern in seiner Familie?
Warum muß die phantasievolle Vorstellung Kekulés eines Uroboros - das ist eine ringförmig angeordnete Schlange, sie sich selbst in den Schwanz beißt - einen sexuellen Notstand andeuten? Warum differenziert er nicht nachhaltig und tiefer zwischen der Schlangensymbolik und der Uroborossymbolik? Warum entscheidet sich Mitscherlich nicht für die Uroborossymbolik, die ja zu Kekulés Zeiten - nach dem Wissenschaftshistoriker Prof. Meinel13) - nicht nur jedem Chemiker geläufig war, sondern jedem gebildeten Zeitgenossen, also keineswegs so wundersam, selten oder mystisch bedeutsam, wie es vielen Heutigen erscheinen mag (bei der Beurteilung und Bewertung geschichtlicher Ereignisse kann man viele Fehler machen, siehe hier).
Warum muß Kekulés Begabung, Phantasie und Vorstellungskraft ein geniales Moment so rabiat abgesprochen werden? Mitscherlich hätte doch nur die Zeugnisse (abgedruckt im Anschütz und hier siehe), seinen akademischen Weg und die vielen, vielen Ehrungen für Kekulés Leistungen zur Kenntnis nehmen müssen, um zu erkennen, daß hier ganz sicher eine ganz besondere Persönlichkeit, Begabung und wissenschaftliche Leistung vorliegt? Warum muß der leidenschaftliche Wissensdurst und das Erkenntnisstreben Kekulés als bloßes Ergebnis von Arbeitssucht und Fleiß entwertet werden? Kekulé war ohne Zweifel wie viele WissenschaftlerInnen auch fleißig, aber ich meine, daß er außerdem höchstbegabt war und es ist sicher auch vertretbar, ihn genial zu nennen.
Also: warum tat Mitscherlich das? Muß der Nachfahre Alexander Mitscherlich, unter dessen Vorfahren sich auch namhafte Chemiker befinden, alte Rechnungen zwischen den Familienstämmen begleichen (In Mitscherlichs väterlicher Linie waren einige Chemiker: der Urgroßvater Eilhard Mitscherlich7) , ein Freund Alexander von Humboldts, Lehrstuhl in Berlin; der Großvater Lehrstuhl in München [Sulfitverfahren], sein Vater brachte es "nur" - so der Biograph - zum Fabrikanten)? Oder verschiebt18) der Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich seine eigene Vaterproblematik auf Kekulé? Von seinem Biographen H. M. Lohmann, 1987, S. 13) erfahren wir nämlich, daß Alexander Mitscherlichs Vater, Harbord Mitscherlich "in den Lebenserinnerungen seines Sohnes als brutal herrschsüchtige Figur, wie Mitscherlich anmerkt, die große Angstquelle meiner Kindheit"erscheint. 1963 erscheint Mitscherlichs Buch "Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft", ein Titel, dessen Thema sich wahrscheinlich nicht allein aus der Zeitgeschichte und gesellschaftlichen Situation ergab, sondern wahrscheinlich auch ein Stück weit die eigene eigentliche Vaterlosigkeit bewältigte. Nichtsdestotrotz teilen wohl viele sein Vaterschicksal und seine diesbezügliche Gesellschaftskritik ist sicher allgemein wertvoll. Übertrug einer der ersten Analytiker der Republik seine Eigenproblematik auf Kekulé? Wurde Kekulé stellvertretend für den eigenen mißlich erlebten Vater niedergemacht?
Oder ist es einfach nur jene antiautoritär-antibürgerliche Gehässigkeit, die die späten 60iger Jahre kennzeichnete, wie in der zweiten Arbeit zu Kekulés Traum in der Psyche (1993, 180-201), von der Psychoanalytikerin Judith Le Soldat 21 Jahre später bekannt wird:
"Ich kann mich noch gut erinnern, wie sehr ich von der Deutung begeistert war. Ich las den Artikel erst in der Publikation von 1972. Wir waren in dem Weltgeschehen ewig hinterherhastenden Zürich Anfang der siebziger Jahre noch im Schwung der 68-er Bewegung. Eben erst hatten wir begonnen, den Staub von hundert Jahren von den Talaren zu fegen. Die Vorstellung, daß der gute alte Kekulé masturbierend vor dem Kamin gesessen oder solches habe tun wollen und sich nicht dazu getraut und stattdessen die Benzolformel erfunden habe, löste ein inneres Hohngelächter und eine tiefe Genugtuung aus, welche zu Trotz und Mut und mehr Widerstandskraft verhalfen, für die man Mitscherlich dankbar war." |
Wie kann man erklären, daß Mitscherlich biographisches Material, das er Richard Anschütz (1929) entnimmt, so außerordentlich dürftig ist und sich im wesentlichen nur auf die Jahre 1854 (Busfahrt in London, erster Bericht von Tagträumen tanzender Atome) und die Zeit 1862 bis 1865 (Eheschließung 1862, Geburt des Sohnes 1863, Tod der Ehegattin im Wochenbett, Veröffentlichung der Benzoltheorie 1865) beschränkt. Das ist auch insofern psychoanalytisch untypisch, weil die Erhebung der biographischen Anamnese gerade in der Tiefenpsychologie eine außerordentlich wichtige Rolle spielt und gewöhnlich sehr, sehr gründlich erfolgt. Man mag den PsychoanalytikerInnen allerhand nachsagen, aber ihre biographischen Anamnesen sind meist von einer Gründlichkeit und Tiefe, die dem Namen Tiefenpsychologie alle Ehre macht. Aber warum dann bei Kekulé diese oberflächliche Schlamperei? Gründlichste Arbeit wäre umso wichtiger gewesen, weil Kekulé ja nicht mehr zur Verfügung stand, um zu seinem Halbtraum des Uroboros assoziativ Rede und Antwort stehen, wie das gewöhnlich und unabdingbar in der psychoanalytischen Traumdeutung verlangt wird. Weil die zweibändige Fach-Biographie von Richard Anschütz - psychologisch betrachtet - nicht so sehr viel ergiebige Informationen enthält, wäre es wichtig gewesen, jedes für die Interpretation wichtige Detail heranzuziehen. Mitscherlich scheint hingegen dem Anti-Prinzip gefolgt zu sein: je weniger Informationen da sind, desto weniger muß man auch berücksichtigen. Die klaren Regeln der - wenn auch sehr dubiosen - psychoanalytischen Traumdeutung werden ganz eindeutig und ohne jede Erklärung, Begründung und Rechtfertigung verlassen.
Alternative Analyse und Deutung aus allgemeiner und integrativer psychologisch-psychotherapeutischer Sicht.
Eine fundierte Analyse des Halbtraums Kekulés, so er denn stattgefunden hat, erfordert einige Kenntnisse in einer ganzen Reihe von Gebieten. Gefragt ist (1) Wissen von dem Menschen, um den es geht (Biographie, Persönlichkeit, Lebenssituation, Umwelt, (2) Wissen vom Denken und den Problemlösungsprozessen, und speziell auch, (3) Wissen um wissenschaftliche Einfallsprozesse, von der Phantasie und Vorstellungswelt in der wissenschaftlichen Erkenntnis. (4) um Analogie und Symbolik, (5) Wissen um die Rolle von Tagträumen, Träumen, Halbträumen, Übergangs- und Trancezuständen. (6) Wissen um die Selbstdarstellung von WissenschaftlerInnen und hier speziell Kekulés und damit zusammenhängend auch: (7) Wissen um den wissenschaftlichen Zeitgeist, die wissenschaftlichen Gepflogenheiten, Normen und - auch der indirekten, verschlüsselten - Kommunikationsformen und nicht zuletzt, wenn es um die Beurteilung realer Erlebnisberichterstattung geht (8) Wissen von der Aussagepsychologie2). Die psychoanalytischen Phantasien Mitscherlichs, wonach ein Uroboros eine Schlange und eine Schlange ein Penissymbol ist und Kekulé sich nach dem Tod seiner Frau in einem sexuellen Notstand befunden haben müsse, was eben die Urboroserscheinung erkläre, haben mit Wissenschaft und Psychologie wenig zu tun. Noch viel abenteuerlicher und entwertender ist aber die von jedem chemischen und chemiegeschichtlichen Sachwissen unbelastete Deutung Judith Le Soldats8).
Ich möchte zur allgemeinen und integrativen Analyse und Interpretation von Kekulés Uroboros-Halbtraum kommen und hier zunächst auf die spärlich vorliegenden biographischen Daten und dann auf Kekulés Wissenschaftsverständnis eingehen.
Biografische
und Persönlichkeitsdaten Kekulés
7.9.1829
Geburt Familie Kindheit Schule Gymnasium Persönlichkeit
|
Geburt Friedrich August Kekulés in Darmstadt. Aufgewachsen in der Hügelstraße, zwischen der Dragonerkaserne und dem Nachbarhaus des Grafen von Görlitz. Ältere Stiefgeschwister Johanette aus erster Ehe geb. 13.4.1808 und Karl. Aus zweiter Ehe der ältere Emil, Kekulé selbst und die jüngere Schwester Mimi. Früher Kontakt mit der Natur, botanische Studien, Schmetterlingssammlung, großer Garten. Vater Oberkriegsrat und Rosenzüchter. Onkel und Cousin Forstleute, in unmittelbarer Nähe ein Wäldchen. Anfänglich nicht sehr stabile Gesundheit (als Kind viele Erkältungen). Privatschule. Mit 12 Aufnahme ins Gymnasium. Keine Probleme, sehr gute Zeugnisse (im Kontrast zu Liebig). 1843-1847 Kopps Geschichte der Chemie erscheint. Aus dem Zeugnis 1847 zitiert Anschütz (1929, Bd. I, S. 7):"C h e m i e. Zeigte reges Interesse und lobenswerthen Fleiß, besitzt auch im Experimentieren Gewandtheit." Zur weiteren Entwicklung schreibt Anschütz (ebd. S. 9): "Aus dem schwächlichen zarten Knaben war ein kräftiger, stattlicher Jüngling geworden, 7 hessische Fuß (175 cm) hoch, wie ich einem militärischen Urlaubspass von 1850 entnehme. Bei breiter Brust war er schlank gebaut, ein gewandter Turner, ausdauernder Fußgänger und unermüdlicher Tänzer. Schwarzes, lockiges Haar umrahmte sein gescheites Gesicht, dem hellgraublaue Augen, eindringliche Augen und ein ausdrucksvoller Mund einen besonderen Reiz verliehen. Durch seine glänzende Unterhaltungsgabe wurde er leicht zum Mittelpunkt eines geselligen Kreises, den er dann zuweilen durch seine taschenspielerischen und schauspielerischen Künste unterhalten haben mag. Dagegen ging ihm jede musikalische Begabung ab. " |
14.6.1847
_ 14.9.1847 _ 11.3.-11.4.1847 _ |
Ermordung der Gräfin Görlitz, wobei Kekulé Zeuge der
Flammen im gegenüberliegenden
Haus wird
Kurz vor Vollendung seiner Gymnasialstudien Tod des Vaters. Beendigung der Schullaufbahn mit einer Rede auf italienisch "Vergils Unterwelt und Dantes Hölle". Maturitätszeugnis. Mordprozess Görlitz, Liebig Sachverständiger, Kekulé Zeuge bezüglich der Flammen |
Erstes Studium
Architektur Bedeutung der
|
"Auf dem Gymnasium meiner Vaterstadt hatte ich mich namentlich in Mathematik
und in der Kunst des Zeichnens hervorgethan. Mein Vater, mit berühmten
Architecten enge befreundet, bestimmte mich für das Studium der Architectur.
Ueber die Lebensrichtung der Söhne entscheiden ja meistens die Eltern.
Ich bezog also die Universität als studiosus architecturae und betrieb,
unter Ritgen's Leitung, mit anerkennenswerthem Fleiss Descriptivgeometrie,
Perspective, Schattenlehre, Steinschnitt und andere schöne Dinge.
Aber Liebig's Vorlesungen verführten mich zur Chemie und ich
beschloss umzusatteln. Da meine Verwandten mir Bedenkzeit auferlegten,
verbrachte ich ein Semester auf dem Polytechnikum in Darmstadt. So ist
auch die Legende entstanden, ich sei Realschüler, was ich übrigens
in keiner Weise für entehrend halten würde. Erst jetzt durfte
ich, unter Will's und Liebig's Leitung, mich mit meiner lieben
Chemie beschäftigen." (Quelle
Rede 1890)
"Dieser Umstand und die Richtung, welche die früheren architectonischen Studien meinem Geiste gegeben, ein unwiderstehliches Bedürfniss nach Anschaulichkeit: sie sind offenbar die Ursache davon, dass jene vor 25 Jahren in der Luft umherschwirrenden chemischen Ideenkeime gerade in meinem Kopf den für sie geeigneten Boden fanden." (Quelle Rede 1890) |
Paris 1851-52 | Studien in Paris (Dumas, Wurtz, Gerhardt). 5.4.1852 Tod der Mutter, was Kekulés Abreise beschleunigte. |
25.6.1852 | Promotion zum Dr. phil. in Gießen |
Schweiz
_ _ _ _ _ _ _ |
Mitarbeiter des Privatgelehrten Dr. A. von Plante auf Schloß Reichenau, Chur in der Schweiz. Kekulé charakterisiert sich damals mit den Worten Heinrich Heines: "Mein Kopf war damals ein zwitscherndes Vogelnest von confiscierlichen Büchern" (Anschütz Bd. I, S. 30). Göbel (1984, S. 22) schreibt zu Kekulés Arbeitsstil in der Schweiz: "Bereits hier prägte sich Kekulés späterer Arbeitsstil. Neben Literaturstudien und experimentellen Arbeiten beschäftigte er sich mit chemiehistorischen Aspekten seiner Arbeit, unterbrach alles, um sich durch Wanderungen oder Geselligkeit zu erholen, und begann erneut, mit großer Intensität zu arbeiten, wobei die Nächte mit zur Arbeit benutzt wurden." |
London
1853-1855 _ |
Auf Empfehlung Bunsens nimmt er eine Stelle bei Stenhouse an. Kontakt mit Williamson, Odling und Frankland. In London fand Kekulés zuerst berichteter Halbtraum 1854 statt (Quelle Rede 1890) |
1854 | Laurent veröffentlicht in einem Buch u. a. ein sechseckiges Benzol-Schema14)siehe unten |
Heidelberg 1856 | Kekulé habilitiert an der Universität Heidelberg und wird dort Privatassistent |
1858
Gent-Belgien _ __ |
Struktur- oder Valenztheorie. Vierwertigkeit des Kohlenstoffs postuliert
(auch Couper). Kekulé wird als Professor für Chemie nach Gent
(Belgien) berufen.
Kekule ändert seinen Namen in Kekulé, um von seinen Studenten nicht mit "Kekül" angesprochen zu werden |
1859 | Erste Lieferung von Kekulés Lehrbuch der organischen Chemie |
3.-5.9.1860 | Kekulé organisiert den ersten internationalen Chemiker-Kongreß in Karlsruhe |
1861
__ _ |
Der damals noch weitgehend unbekannte Loschmidt veröffentlicht
eine ringförmige, hexagonale Benzol-Darstellung von der Kekulé
wahrscheinlich wußte, so Anschütz
(1929), Bd. I, S. 305 Loschmidts Büchlein befindet sich
nicht in der Kekulé-Bibliothek
Prof. Gillis meint, in diesem Jahr habe Kekulé den Uroboros Halbtraum gehabt |
24.06.1862
_ _ |
Eheschließung mit Stephanie Drory, aus einer gesellschaftlich bedeutsamen Familie englischer Herkunft in Gent (Belgien). Hochzeitsreise in die Schweiz. Im Herbst Besuch der Londoner Weltausstellung. (Hochzeitsbildnisse Kekulé hier) |
01.05.1863 | (Früh-) Geburt des Sohnes Stephan, zwei Tage später: |
03.05.1863 | Tod der ersten Ehegattin Stephanie. |
31.05.1863
_ _ _ _ _ |
Kekulé pflegte und versorgte seinen Sohn auch selbst, was ihn an den Ort Gent (Belgien) band. Aus einem Brief an seinen Freund Stas: "Mein Kind befindet sich auch so gut als möglich. Er ist klein und schwach, aber jedermann sagt mir, daß er sich gut entwickelt. Ich selbst verstehe nichts davon, ich kann nur feststellen, daß bis zu diesem Moment es keine Unordnung und keine Störung gibt, aber ich kann Ihnen gleichzeitig versichern, daß ich keinen einzigen Moment Ruhe habe. Ihr Rat Zerstreuung in der Arbeit zu suchen ist sicherlich gut, aber er kann mir noch nicht dienen." (französisch, frei / grob übersetzt von Irmgard Rathsmann-Sponsel). |
Sommer/
Herbst 1863 _ _ |
Kekulé muß die Benzoltheorie schon 1863 niedergeschrieben haben, denn er schreibt nach Anschütz (1929, II. S. 940): "Ähnlich ging es mit der Benzoltheorie. Sie lag nahezu ein Jahr geschrieben in meinen Papieren, bis die schöne Synthese aromatischer Kohlenwasserstoffe von Fittig und Tollens mich zur Veröffentlichung veranlaßte." Wahrscheinlicher Zeitraum Sommer/ Herbst 1863. Demnach muß der Halbtraum der Uroboros auch in diese Zeit fallen. |
1863-1864
_ _ _ _ _ _ |
Anschütz beschreibt (1929, I, S. 271):"Tief gebeugt von dem frühen Tode seiner geliebten Gattin, in ängstlicher Sorge um das Leben seines Söhnchens Stephan, dessen Pflege er alle freie Zeit aufopfernd widmete, fand er zunächst weder die Energie noch die Ruhe zu Experimental-Untersuchungen. Erst im Sommer 1964 entschloß er sich, seine wissenschaftliche Tätigkeit im Laboratorium wieder aufzunehmen, und erkundigte sich bei seinem früheren Lehrer und Landsmann Adolf Strecker, damals Professor der Chemie in Tübingen, nach einem Privatassistenten." |
19.08.1864
_ _ |
Die Veröffentlichung der Arbeit von Tollens und Fittig "Synthese der Kohlenwasserstoffe der Benzolreihe" gibt den Anstoß für Kekulé, seine Arbeit über den Benzolring nun zu veröffentlichen. |
27.01.1865 | Wurtz legt der französischen chemischen Gesellschaft (eine deutsche gab es zu dieser Zeit noch nicht), deren Mitglied Kekulé seit vier Jahren war, unter dem Vorsitz von Pasteur, Kekulés Arbeit zum Benzolring vor: Sur la constitution des substances aromatiques. |
1867 | Kekulé wird zum Professor für Chemie nach Bonn berufen (Denkmal) |
1875
_ _ 1.10.1876 _
|
2. Eheschließung mit Louise Högel ( geb. 21.1.1845 in Köln,
gest. 17.10.1920 Bad G.)
etwa seit August 1875 bei Kekulé im Haus (Brief an Erlenmeyer 14.8.1876: "Meine demnächstige ist Frln. Louise Högel, aus Cöln, eine junge Dame, die seit etwa einem Jahr bei mir im Hause ist, und jetzt, wie ich hoffe, noch recht lange, in etwas veränderter Stellung dableiben soll."). Die 2. Ehefrau scheint, so Anschütz, von Kekulés Freunden nicht akzeptiert worden zu sein. Sie soll oft gekränkelt haben und mit Haushalt und Kindern nicht so gut zurecht gekommen sein. Möglicherweise ist Kekulé mit seiner 2. Frau besser zurecht gekommen, als sein Umfeld meint. |
18.10.1877 | Rekoratsrede "Die wissenschaftlichen Ziele und Leistungen der Chemie" |
22.01.1878
11.10.1878 _ |
Geburt Sohn Fritz (wenig begabt, so Anschütz)
Kekulés Schüler - 1872 Eintritt ins Bonner Labor - J. H. van't Hoff hält in der Universität Amsterdam einen Vortrag zum Thema "Die Phantasie in der Wissenschaft" (Quelle Kirchof)18 |
24.6.1882
1882 |
Geburt der Tochter Louise (hübsch und begabt, so Anschütz)
Hermann Kopp hat in seiner Glückwunschschrift für Bunsen "Aus der Molekularwelt" den Tanz der Affen, die sich zum Ring formen, geschildert. Die 2. Aufl. stammt von 1882. (Hinweis: Prof. Meinel) |
21.10.1885 | Geburt der Tochter Auguste (hübsch und begabt, so Anschütz) |
1886
_ _ |
"1886 nimmt die Bierzeitung der Deutschen Chemischen Gesellschaft ("Berichte der durstigen chemischen Gesellschaft") das Motiv wieder auf. Jeder deutsche Chemiker kannte es also, und daran konnte Kekulé 1890 scherzhaft anknüpfen." (Hinweis: Prof. Meinel, danke) |
11.3.1890
_ _ _ |
"Uroboros-Rede" Kekulés zum 25jährigen Jubiläum der
Benzoltheorie - mit den Sprungstellen:
1. Halbtraumbericht - London 1854 2. Halbtraumbericht Gent, Belgien (1863?) 3. Lernen wir träumen, meine Herren ... 4. Wir stehen alle auf den Schultern unserer Vorgänger ... |
1893
_ |
Wenig begabt und interessiert - so Anschütz - scheitert Sohn Fritz zum Leidwesen und trotz großer Bemühungen des Vaters in der Ober-Tertia |
13.7.1896 | Tod Kekulés nach vorausgehendem Bronchialkatarrh |
Kekulés
Wissenschaftsverständnis
"Außerdem habe ich auf meinen mannigfachen Reisen viele Ansichten
kennen und das Gute wie das Schlechte aussondern gelernt: ich war ein Eklektiker
geworden. Ich war nicht im Geiste einer engeren Schule befangen" (Kekulé
1892, Rede zu 25 Jahre Professor).
"Lernen wir träumen, meine Herren, dann finden wir vielleicht
die Wahrheit - aber hüten wir uns, unsere Träume zu veröffentlichen,
ehe sie durch den wachen Verstand geprüft worden sind." (Kekulé
in seiner Rede 1890 zum Benzolfest in Berlin)
Es gibt mehrere Quellen, aus denen Kekulés Wissenschaftsverständnis hervorgeht. (1) Zunächst einmal ist es sein Werk, das für sein Verständnis und seine wissenschaftstheoretische Auffassung direkt und klar spricht. (2) Sodann ist seine Rektoratsrede "Die wissenschaftlichen Ziele und Leistungen der Chemie" am 18.10.1877 in Bonn überliefert. (3) Und schließlich hat sich Kekulé sehr für die Ausbildung an Schule und Universität interessiert. Auch hier sind uns seine Ansichten durch seine Rede "Die Principien des höheren Unterrichts und die Reform der Gymnasien" am 22.3.1878 erhalten geblieben. (4) Aber auch in seiner Rede zum Benzolfest im Berliner Rathaus 1890 nimmt er erfrischend unkonventionell Stellung. Er bekennt sich zur Bedeutung der Vorstellungskraft, Phantasie und, das mag den einen oder anderen durchaus geschockt haben, zu seinen Halb-Träumen und er sagt: "Lernen wir träumen, meine Herren, dann finden wir vielleicht die Wahrheit - aber hüten wir uns, unsere Träume zu veröffentlichen, ehe sie durch den wachen Verstand geprüft worden sind." Gleichzeitig macht Kekulé sehr deutlich, daß die Wissenschaft eine historische Gemeinschaftsleistung ist, was er kurz und bündig verdichtet zu dem eindrucksvollen Bild: "Meine Herren Fachgenossen! Wir alle stehen auf den Schultern unserer Vorgänger; ist es da auffallend, dass wir eine weitere Aussicht haben als sie?" (5) In seiner Rede zu seinem 25jährigen Jubiläum als Professor in Bonn sagt er 1892: "Während meines Aufenthaltes in London entstand das, was man jetzt als Valenz- und Structur-Chemie bezeichnet. Derartige Gedanken lagen damals in der Luft, über kurz oder lang wären sie doch ausgesprochen worden, vielleicht ein oder zwei Jahre später, vielleicht auch in anderer Art als ich es that. Es wäre nur eine 'paperchemistry' geworden, nur der Architekt konnte eine lebendige, räumliche Vorstellung der Atomgruppirung geben. Außerdem habe ich auf meinen mannigfachen Reisen viele Ansichten kennen und das Gute wie das Schlechte aussondern gelernt: ich war ein Eklektiker geworden. Ich war nicht im Geiste einer engeren Schule befangen." (Anschütz Bd. II, S. 951). Obschon auch dem Bildnerisch-Künstlerischen sehr zugeneigt und begabt, war Kekulé durch und durch Naturwissenschaftler mit allen experimentellen und empirischen Tugenden, die im Bereich der Naturwissenschaft - wie der allgemeine und integrative Psychotherapeut neidisch (aber nicht mißgünstig!) bekennt - so selbstverständliche Tradition sind. Die Bedeutung einer präzisen Terminologie wurde gerade um die Zeit des ersten internationalen Chemiker-Kongreßes 1860 in Karlsruhe sehr deutlich.
In seiner Rede über Ziele und Leistungen der Chemie macht Kekulé noch einmal deutlich, was er von Dogmatismus hielt:
"Wie auf allen Gebieten des Wissens, so ist auch in der Chemie der Autoritätsglauben
gebrochen und dadurch schon die Gefahr des Dogmatisirens gemindert. Und
sollte etwa ein Einzelner, der mit seinen Ansichten gealtert, der fortschreitenden
Wissenschaft sein Dogma als Hemmschuh anzulegen versuchen, so wird er stets
die strebsame Jugend, die Vertreterin der Zukunft, bereit finden, unberechtigte
Hindernisse hinwegzuräumen. Sollten Andre, grade im Feuereifer der
Jugend, gewagte Phantasiegebilde für wissenschaftliche Hypothesen
anzusehen und auszugeben geneigt sein, so werden die an sich oder durch
die reifere Erfahrung des Alters Gemässigten stets die Verpflichtung
fühlen als Regulatoren einzugreifen." (Nach Sekundärquelle Anschütz,
S. 916f)
Wahrnehmungsquellen für das Hexagonale und den Uroboros
Die hexagonale Darstellung Laurents 1854
Die Ausführungen Laurents (1854) zur hexagonalen Anordnung des Benzols wurden in der Literatur bis Wotiz (1993, Ed.) kaum beachtet. Die Interpretation, die Strunz (1989) vornimmt, überzeugt im Kontrast zum expliziten Text Laurents (1854, p. 408) nicht (ausführlich siehe bitte hier). Recherchen ergaben, daß das Werk
Laurent, Auguste (1854). Méthode de chimie. Paris: Mallet-Bachelior
sich erwartungsgemäß in Kekulés Bibliothek findet. Es darf als sicher gelten, daß Kekulé das Werk auch kannte. Kekulés Exemplar, wie ein Fax der Kekulé-Bibliothek belegt, enthält auf p. 408 keine Markierungen (Randbemerkungen, Unterstreichungen, Hervorhebungen), was aber nichts bedeuten muß, da sich in vielen Büchern Kekulés keine Markierungen befinden, in anderen aber schon, wie ebenfalls ein Fax der Kekulé-Bibliothek bestätigte.
Die ringförmige Darstellung 1861 bei Loschmidt
Wie Anschütz herausfand, kannte Kekulé die graphischen Formeln in den "Chemischen Studien", die Joseph Loschmidt 1861 im Selbstverlag veröffentlichte; verblüffend ist nur, daß er sie in einem Brief an Erlenmeyer etwas abschätzig als "Confusionsformeln" bezeichnete, wie auch sein wohlwollender Biograph Anschütz mit einem "(sic)" quittiert.
Traditionelle Erfahrungen Kekulés mit dem Uroboros-Symbol
Abgesehen davon, daß es für die Phantasie relativ unerheblich ist, ob ein Phantasieprodukt schon auf reale Vorerfahrungen zurückgreifen kann, gibt es doch in Kekulés Biographie mehrere gut begründete Hinweise darauf, daß er das Symbol des Uroboros öfter gesehen hat. Der Wissenschaftshistoriker Prof. Meinel, Universität Regensburg, meint13) gar, daß zu Kekulés Zeit nicht nur jeder Chemiker, sondern jeder gebildete Zeitgenosse das Symbol des Uroboros kannte. Das schmälert natürlich Kekulés schöpferische Deutung und seinen genialen Einfall in keiner Weise, aber es kann zu einer recht plausiblen Erklärung des Halbtraumes beitragen, wie im folgenden auch nahegelegt wird. Man muß sich in der Beurteilung und Bewertung historischer Ereignisse immer wieder klar machen, daß die beurteilte und bewertete eine ganze andere Zeit ist und daß wir aus unserer heutigen und persönlich-gefärbten Perspektive urteilen und werten. Das ist besonders beim Uroboros wichtig. Denn der Uroboros mutet im Jahre 2000 bei nicht wenigen fremd, esoterisch und mythisch an. Für einen Chemiker um die Zeit Kekulés - 1847 wurde Kopps Geschichte der Chemie beendet - war der Uroboros so bekannt und normal wie im Deutschland dieser Tage vielleicht der Mercedes Stern.
Zeuge der Flammen beim Mord der Gräfin Görlitz am 13.6.1847
Als die Gräfin Görlitz am 13.6.1847 erwürgt wurde, versuchte der Mörder, ihr Kammerdiener, die Leiche zu verbrennen. Der 18-jährige Kekulé war unmittelbarer Zeuge der Flammen und daher auch Zeuge für die Erscheinungsweise der Flammen vor Gericht. ChemikerInnen sind hier besonders gute Zeugen, weil die charakteristische Verbrennung von Stoffen zur alltäglichen Stoffdiagnostik der ChemikerInnen gehört.
Anschütz (1929, I, S. 20) führt hierzu aus:
"August Kekulé beobachtete von einem Fenster seines Vaterhauses die Flammen in dem gegenüberliegenden Zimmer der Gräfin G ö r l i t z. Aus seiner Beschreibung der Flamme ging hervor, daß es sich um eine keineswegs außergewöhnliche Verbrennungserscheinung handelte; er bestimmte sie dem Ort und der Zeit nach. Nur das Verbot seines Vaters hielt ihn ab, sofort, wie er wollte, festzustellen, was im Hause G ö r l i t z vorgefallen war. So vergingen zwei Stunden, bis dies von anderer Seite geschah, eine Zeit, die dem Verbrecher vortrefflich zustatten kam. Gerichtspräsident und Staatsanwalt erkannten die Klarheit und Bestimmtheit der Zeugenaussage Kekules ausdrücklich an. L i e b i g beteiligte sich an der Vernehmung Kekules."
Im Verlauf der Prozesses spielte ein Ring mit zwei Uroboros eine bedeutsame Rolle. Anschütz (1929, I. S. 19) berichtet über Stauff, den verdächtigen Kammerdiener (fett von mir):
"... Erst als über das entsetzliche Ende der Gräfin G ö r l i t z das Gerücht auftauchte, Graf G ö r l i t z sei nicht ohne Schuld, beantragte dieser die Einleitung einer neuen gerichtlichen Untersuchung. Kurz vor dem Beginn derselben suchte S t a u f f den Grafen G ö r l i t z durch Grünspan zu vergiften. H e i n r i c h S t a u f f, Gürtler, der Vater des S t a u f f, wurde verhaftet, als er in Kassel eingeschmolzenes Gold einem dortigen Goldschmied unter Verdacht erregenden Umständen zum Kauf anbot, über dessen Erwerb er sich nicht auszuweisen vermochte, ebensowenig als über Schmuckgegenstände, die ihm gleichzeitig abgenommen wurden. Darunter befand sich ein Fingerring1), "bestehend aus zwei ineinander verschlungenen Reifen, der eine aus Gold, der andere aus weißem Metall, in Gestalt zweier sich in den Schweif' beißenden Schlangen2)."
Halten wir fest: Tod einer Frau,
Flammen, Uroboros-Symbol auf einem Ring.
Greifen wir vorweg: Tod seiner Frau, Kaminfeuer,
Uroboros-Traum
Der Uroboros an der Apothekentür
1960 erschien Mahdihassans The probable Origin of Kekulés
Symbol of the Benzene Ring, - Mitscherlich hätte diese Arbeit
kennen können - dem wir nach Karl Scherf (1965) " die erste systematische
Untersuchung des Problems, wie Kekulé mit dem Ouroboros-Symbol in
Berührung gekommen sein könnte" verdanken. Karl Scherf berichtet:
"Nach Erscheinen dieser Publikation erhielt Mahdihassan einen Brief, datiert
am 15.1.1961, von Professor Dr. Emil
Svagr (geb. 1875) aus Prag, der das Problem löste. Die entscheidende
Stelle des Briefes lautet in deutscher Übersetzung:
Damit ist der Benzolring als eine Paraphrase des alchimistischen
Schlangenringes anzusehen.
Das geschah wahrscheinlich im Winter 1861/1862 in Gent, also 3 Jahre
vor der Veröffentlichung der Benzolformel. Professor Svagr ist nun
der Ansicht, daß Kekulé sich in seinem Traum an das Bild des
Ouroboros erinnerte. Svagr weist weiter auf die Phantasiebegabung Kekulés
hin, die eine Wesensart der Slawen ist; Kekulé ist Nachkomme des
altböhmischen Adelsgeschlechtes der Kekulé von Stradonitz in
Böhmen."
(Exkurs: Zur Symbolik des Namens Kekulé10)
)
_
Realitätsgehalt
des Halbtraumberichtes Kekulés 25-30 Jahre nach seinem Erleben:
Aussagepsychologische Analyse der Daten. Quellen, die Kekulés Halbtraum
bestätigen. Kritische Rekonstruktion der Daten.
Die Scherz-Affen der durstigen chemischen Gesellschaft von 1886
Die Scherzaffen der durstigen chemischen Gesellschaft von 1886 zeiges klar: Tiersymbolik, die den Benzolring formt. Das kann durchaus ein Indiz dafür sein, daß die Geschichte mit den Schlangen einigen bekannt war. Aber: Die skeptische Meinung des Chemiehistorikers Meinel hierzu wurde schon berichtet (oben).
Quellen, die Kekulés Halbtraum bestätigen.
Hierzu habe ich nur zwei Quellen gefunden: Stephan Kekulé von Stradonitz, der Sohn Kekulés schreibt in der Angewandten Chemie 1927, eingegangen dort am 26.12.1926 zum Uroboros-Traum seines Vaters in Bezug auf die "Affen der durstigen chemischen Gesellschaft":
"Mein Vater hat die 'Vision der Ringbildung' in meinem Beisein sowohl im engsten Kreise der Frau und der Kinder, wie vor Bekannten, wie namentlich vor Fachgenossen , wiederholt erzählt. Ich kann mich nicht erinnern, dabei jemals von dem Vorbilde des Affenkäfigs mit den sich haschenden und festhaltenden Affen etwas gehört zu haben."
Die zweite wurde oben schon erwähnt (Professor Dr. Bohuslav Rayman).
Neuerdings gibt es sogar amerikanische Bestrebungen (Wotiz,
John, H. 1993, Ed.), den Uroborostraum in der Rede Kekulés selbst
zu bezweifeln, wie diese Strömung - offenbar im Einklang mit Alexander
Mitscherlich und der deutschen Psychoanalyse - auch eine intensive Bemühung
zur Entwertung und Demontage von Kekulés Leistungen und hier besonders
für die Benzoltheorie zeigt.
Aussagepsychologische
Analyse
Zusätzliche Informationen zur Aussagepsychologie
hier
Ich zerlege die Aussage Kekulés nach der von mir entwickelten Methode (Sponsel: Aussagepsychologische Gerichtsgutachten, unveröffentlicht) in Elementaraussagen nach Kamlah & Lorenzen (1967) und signiere sie grob aussagepsychologisch durch:
A01 Während meines Aufenthaltes in Gent in Belgien
(Detail,
Spezifikation)
A02 bewohnte ich (Detail, Spezifikation)
A03 elegante (Detail, Spezifikation)
A04 Junggesellenzimmer (Detail, Spezifikation)
A05 in der Hauptstrasse. (Detail, Spezifikation)
A06 Mein Arbeitszimmer aber lag nach einer (Detail,
Spezifikation)
A07 engen (Detail, Spezifikation)
A08 Seitengasse (Detail, Spezifikation)
A09 und hatte während des Tages kein Licht.
(Detail,
Spezifikation)
A10 Für den Chemiker, der die Tagesstunden im
Laboratorium verbringt, (Detail, Spezifikation)
A11 war dies kein Nachtheil. (Detail, Spezifikation)
A12 Da sass ich (Detail, Spezifikation)
A13 und schrieb (Detail, Spezifikation)
A14 an meinem Lehrbuch; (Detail, Spezifikation)
A15 aber es ging nicht recht; (Detail, Spezifikation;
Komplikation)
A16 mein Geist war bei anderen Dingen.
(Detail,
Spezifikation)
A17 Ich drehte den Stuhl (Detail, Spezifikation)
A18 nach dem Kamin (Detail, Spezifikation)
A19 und versank in Halbschlaf. (Detail, Spezifikation)
A20 Wieder gaukelten die Atome (Detail, Spezifikation)
A21 vor meinen Augen. (Detail, Spezifikation)
A22 Kleinere (Detail, Spezifikation)
A23 Gruppen (Detail, Spezifikation)
A24 hielten sich diesmal bescheiden
(Detail, Spezifikation)
A25 im Hintergrund. (Detail, Spezifikation)
A26 Mein geistiges Auge, (Detail, Spezifikation)
A27 durch wiederholte (Detail, Spezifikation,
Wiederholungsbezug)
A28 Gesichte (Detail, Spezifikation)
A29 ähnlicher Art geschärft,
(Detail,
Spezifikation; Wiederholungsbezug; Konsistent zu A27)
A30 unterschied jetzt (Detail, Spezifikation)
A31 grössere Gebilde (Detail, Spezifikation)
A32 von mannigfacher Gestaltung. (Detail, Spezifikation)
A33 Lange Reihen, (Detail, Spezifikation)
A34 vielfach dichter zusammengefügt;
(Detail,
Spezifikation)
A35 Alles in Bewegung, (Detail, Spezifikation)
A36 schlangenartig sich windend (Detail, Spezifikation)
A37 und drehend. (Detail, Spezifikation)
A38 Und siehe, was war das? (Detail, Spezifikation,
emotionale Nacherinnerung: Überraschung)
A39 Eine der Schlangen erfasste den eigenen Schwanz
(Detail,
Spezifikation)
A40 und höhnisch (Detail, Spezifikation;
Emotion)
A41 wirbelte das Gebilde vor meinen Augen. (Detail,
Spezifikation)
A42 Wie durch einen Blitzstrahl erwachte ich; (Detail,
Spezifikation, Emotion, Original: Heureka-Erleben?)
A43 auch diesmal (Detail, Spezifikation; Widerholungsbezug:
auch)
A44 verbrachte ich den Rest (Detail, Spezifikation)
A45 der Nacht um die Consequenzen der
(Detail,
Spezifikation)
A46 Hypothese auszuarbeiten (Detail, Spezifikation)
Dieser Kleine Text Kekulés repräsentiert 46 Elementaraussagen mit 46 Details und Spezifikationen. Zweimal taucht ein Wiederholungsbezug auf, einmal eine konsistente Spezifikation und eine Komplikation. Bewertung: Obwohl es kein spontaner Erlebnisbericht ist, zeigt er doch einen Detailreichtum, eine Güte und Präzision, die nicht für erfunden spricht.
Warum sollte Kekulé sich über diese Gründerzeit-Gesellschaft, die ihn so ehrte, mokieren und sie subtil ironisch bloßstellen, selbst wenn er sie mit ihrem Pomp und Getöse nicht besonders mochte?
Wir wissen, daß Kekulé als künstlerisch begabter Mensch und Architekturstudent ein hoch entwickeltes Visualisierungs- oder Vorstellungsvermögen hatte.
Wir wissen weiter, daß er ein eigener, souveräner und unabhängiger Kopf war, wie folgende Äußerung belegt: "Außerdem habe ich auf meinen mannigfachen Reisen viele Ansichten kennen und das Gute wie das Schlechte aussondern gelernt: ich war ein Eklektiker geworden. Ich war nicht im Geiste einer engeren Schule befangen." (Kekulé 1892, 25 Jahre Professor)"
Und wir wissen, um die Bedeutung der Phantasie gerade vom späteren ersten Nobelpreisträger der Chemie, van't Hoff, da dieser am 11.10.1878 in der Reichsuniversität von Amsterdam über "Verbeeldingskracht in de Wetenschap" (Die Phantasie in der Wissenschaft) einen Vortrag hielt, der auch gedruckt wurde. Das Thema Phantasie war also durchaus salonfähig, auch in der Chemie der Gründerzeit. Ich habe bei meinen historischen Studien noch den Eindruck gewonnen, daß die Alten zugleich individueller und auch autonomer waren; man verübelte nicht so. Kolbe - der sich dauernd mit van't Hoff und Kekulé anlegte - ist, denke ich, nur die Ausnahme, die die Regel bestätigt.
Außerdem wissen wir aus denk-, problemlösungs- und kreativitätspsychologischer Sicht, daß seltsame Vorstellungen, eigenartige Phantasien und besonders auch mentale Zustände gelockerter Assoziation, wie z. B. Trance, Dösen, Satipatthana-meditative Alltagszustände, Tag-, Halb- und Ganzträumen, Ablenkungen, Inkubationsruhezeiten, ja auch Erholung und Schlaf und die unbewußte Denktätigkeit sehr wichtig für Heureka-Erlebnisse sind.
Und wir haben die Bestätigungen.
Alles in allem meine ich: Der Uroboros-Traum Kekulés ist im Kern realerlebnisbegründet und subjektiv wahr.
Wie kann man nun Kekulés Halbtraum von den Uroboros erklären?
Braucht man hierzu eine Symboltheorie, speziell zu Schlangen und des Uroboros? Betrachtet man die ganze Symbol- und Kulturgeschichte, so stellt man fest, daß alles und jedes vielerlei bedeuten kann, je nach Kulturraum, Zeit, Gesellschaft, Sozialisation und Milieu, Situation und Persönlichkeit. Eine wissenschaftliche psychologische Symboltheorie gibt es noch nicht und von der Psychoanalyse ist keine zu erwarten, die haben die Probleme theologisch-dogmatisch "gelöst".
Phantasie und Einfälle, Suchen und Probieren wie häufiges Scheitern, Analogien und vor allem auch die Professores Zufall und Glück, so viel steht ziemlich sicher fest, spielen in der Wissenschaft, in ihren Entwicklungen und Entdeckungen eine viel, viel größere Rolle als nachher in den Veröffentlichungen und Lehrbüchern aufscheint. 11) Dort ist fast alles verschwunden, was mit der psychologischen Wirklichkeit des Entwicklungs- und Entdeckungsprozesses zu tun hatte. Das spricht auch keineswegs gegen die Wissenschaft, sondern dies erscheint aus psychologischer Sicht völlig normal und natürlich. Kekulé ist mit seiner offenen und direkten Art, man siehe nur, wie er sich zum Eklektizismus und gegen Schulenbildungen wandte, eine seltene und rühmliche Ausnahme, was ihn meines Erachtens in ganz besonderer Weise ehrt und heraushebt. Bedeutsame Erkenntnisse werden aber wahrscheinlich nur dann zum Vorschein kommen, wenn eine solide Begabung, eine solide Befassung und Erfahrung den Hintergrund und Nährboden des Heureka-Erlebnisses - Ich habs! - aufbereitet.
Die Lockerung oder vorübergehende Aufgabe der bewußten Kontrolle, die mit der Abkehr, einer Pause, Entspannung, Ruhe oder Schlaf einhergeht, ermöglicht nun, daß sich aus der Erfahrungs-, Denk- und Phantasiewelt mentale Modelle mischen können. Logik und bewußte Kontrolle, auch die Einbahnstraßen der Erfahrung und bisherigen Anordnungen, sind eingeschränkt bis aufgehoben. Die unterschiedlichsten Modellfiguren können nach dem Gestaltmodell in den Vordergrund, andere in den Hintergrund treten. In solchen Mischungen können zahlreiche mentale Modelle für das Problem vorkommen. Neue geistige Modellverbindungen werden somit möglich. Dies gleicht der Erleichterung beim Erinnern der Wiedererkennungsmethode gegenüber der Reproduktionsmethode. Die Reproduktionsmethode muß hier versagen, weil eine völlig neue Lösung ansteht, die es noch gar nicht gibt und die daher auch nicht reproduzierend wiedererinnert werden kann.
In Verbindung mit dem Anordnungsproblem mußte eine geometrische Figur vom Typ Kreis, Ring oder regelmäßiges Sechseck auftauchen. Diese Vorstellungen, vermute ich, hatte Kekulé schon oft gehabt; es ist auch eine ziemlich alltägliche Vorstellung, die fast jedem Menschen vertraut ist. Die schöpferische Leistung besteht in der Abstraktion und Verknüpfung. Wie läßt sich aber erklären, daß die Kekulé (und anderen) schon immer bekannte Anordnung des Ring- oder Kreisförmigen nicht schon früher direkt oder im Nebenbei erkannt wurde? Wieso kommt es erst mit dem Uroboros-Symbol zum Abstraktions- und Verknüpfungsdurchbruch? Diese Frage ist sehr wichtig, denn es kann ja wohl keinen Zweifel daran geben, daß Kekulé Ringe und Kreise kannte und tagtäglich in seinem Alltag wahrnahm, und daß ihm im Prinzip das Anordungsproblem als solches "bekannt" war.
Wie also kann man psychologisch erklären, daß die tagtägliche Wahrnehmung von Ringen und Kreisen nicht die Wirkung wie der Uroboros im Halbtraum hatte? Dies führt uns zu einer psychologischen Hypothese von Irmgard Rathsmann-Sponsel:
Freiheitsgrad-Hypothese mentaler Modelle: Ein mentales Modell muß - relativ - frei sein, um sich an ein anderes mentales Modell binden zu können. Die Freiheitsgrad-Hypothse steht interessanterweise in einer engen analogen Beziehung zur Theorie der chemischen Bindung. Chemische Bindung setzt, wie wir wissen, auf der äußeren Elektronenschale wenigstens einen freien Platz voraus. Im übrigen steht diese Hypothese im guten Einklang mit der bekannten Tatsache aus der kreativen Denkforschung und Problemlösungspsychologie, daß Lösungen bevorzugt nach Lockerungen und Abweichungen von gewohnten und eingeschliffenen Bahnen eintreten. Solche Lockerungen befreien ein mentales Modell aus seiner gewohnten Umgebung, aus seiner üblichen Einbettung und seinen gewöhnlichen assoziativen Bindungen. Die Ringe und Kreise, die Kekulé sah und die wir wohl alle tagtäglich sehen (Ziffernblatt, Aufsicht Reagenzglas, Topf, Deckel, Ring, Flaschen, Gläser, Teller, Münzen, Armreife, Öffnungen, Rohre u. a. m.). Dieses Prinzip wird vor allem in der Hypnotherapie nutzbar gemacht und gezielt angewendet.
Die Affekt-Hypothese zur Heraushebung: Ein mit einem besonderen Affekt verknüpftes mentales Modell kann einem ansonsten wenig bedeutsamen mentalem Modell eine heraushebende Bedeutung verleihen, so daß es in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken kann. Die bisherigen vermutlich zahlreichen Vorstellungen und Wahrnehmungen von Ring- und Kreisförmigem gelangten nicht zur Auswahl und führten deshalb auch zu keinem besonderen Heureka-Erlebnis, weil sich mit Ring- und Kreisförmigem keine besondere Bedeutung verband. Das Bindeglied, die Beziehung zwischen Ring- und Kreisförmigem und der Benzolformel fehlte. Die Affekt-Hypothese: Die Heraushebung und besondere Bedeutung des Ring- und Kreisförmigen als Abstraktion des Uroboros kann durch einen damit verbundenen Affekt erfolgt sein.
Die
Originalitäts-Hypothese der Heraushebung
Aus der Gedächtnisforschung wissen wir, daß originelle und
ungewöhnliche Codierungen die Gedächtnisleistung erhöhen
können. Der Uroboros ist in diesem Sinne, jedenfalls im Vergleich
zu den zahlreichen alltäglichen ring- und kreisförmigen Gegenständen,
eine originelle und ungewöhnliche Modellbildung für das Ring-
und Kreisförmige, selbst wenn er zu Kekulés Zeiten jedem Gebildeten
bekannt sein mochte.
Kekulés besondere Phantasie, Vorstellungskraft und künstlerische Begabung
Abgesehen davon, daß Kekulé eine ganz allgemeine und herausragende Begabung war, wie alle seine Zeugnisse und sein wissenschaftlicher Lebensweg unzweideutig ausweisen, spielt womöglich seine künstlerische Begabung und visuelle Kreativität, die sich auch in seiner Studienerstwahl Architektur manifestiert, eine besondere Rolle. Das meint Kekulé auch selbst, wenn er in seiner Bonner Rede 1892 anläßlich seiner 25-jährigen Professur ausführt (fett von mir) ausführt:
„Während meines Aufenthaltes in London enstand das, was man jetzt als Valenz- und Structur-Chemie bezeichnet. Derartige Gedanken lagen damals in der Luft, über kurz oder lang wären sie doch ausgesprochen worden, vielleicht ein oder zwei Jahre später, vielleicht auch in anderer Art, wie ich es that. Es wäre nur eine "paperchemistry" geworden, nur der Architect konnte eine lebendige, räumliche Vorstellung der Atomgruppirung geben. Außerdem habe ich auf meinen mannigfachen Reisen viele Ansichten kennen und das Gute wie das Schlechte aussondern gelernt: ich war ein Eklektiker geworden. Ich war nicht im Geiste einer engeren Schule befangen." (Anschütz 1929, II. S. 951). Das In-der-Luft-Liegen wissenschaftlicher Entdeckungen, Erfindungen, Erkenntnisse und Konstruktionen ist psychologisch besonders untersucht worden von Hellpach.
Die
Situation bei Kekulés Halbtraum mit der Uroboros (Schilderung
Kekulés siehe oben)
Die Situation am Kamin im eleganten Junggesellenzimmer kann - neben
anderen - durch folgende Merkmale gekennzeichnet werden:
Aus der Formulierung, daß er seinen Stuhl nach dem Kamin drehte,
schließe ich, daß der Kamin an war. Der Blick in das Feuer
hat wahrscheinlich eine leichte hypnoide Wirkung gehabt, so daß Kekulé
in einen tranceartigen Zustand (Halbtraum) versank, in dem sein unbewußtes
Vorstellungsleben aber aktiv und der deshalb besonders günstig für
kreative und schöpferische Ideen war.
Zusammenfassung: GIPT-Deutung des Uroboros in Kekulés Halbtraum
Im folgenden setzen wir voraus, daß der Uroboros-Halbtraum Kekulés stattgefunden hat; es spricht jedenfalls sehr viel mehr dafür als dagegen. Ob er genauso stattgefunden hat, wie ihn Kekulé 25-30 Jahre später auf der 25jährigen Benzolfeier der Deutschen Chemischen Gesellschaft berichtet, ist schon aufgrund der großen Zeitspanne, die zwischen Erlebnis und Berichterstattung liegt, zweifelhaft - trotz des ganz außergewöhnlichen Gedächtnisses Kekulés. Das spielt aber für die wesentliche Kernbedeutung keine Rolle.
Der Uroboros ist in der Kulturgeschichte ein eigenes und von der "gewöhnlichen" Schlange zu differenzierendes Symbol. In Kekulés Halbtraum symbolisiert der Uroboros das geometrische Symbol oder, schlichter formuliert, die Anordnung einer verbundenen Linie oder Kette, z. B. auch eines Kreises oder Ringes, ohne Anfang und Ende oder, anders interpretiert, wo Anfang und Ende sich verbinden. Die ringförmige Struktur, die er zu der strukturellen Anordnung des Benzols in Beziehung setzt, ist die zündende Idee, sein Heureka-Erlebnis. Unsere Deutung entspricht im Gegensatz zu den vulgär-psychoanalytischen Deutungen des Uroboros als gewöhnliches Schlangen-Penissymbol der archaischen Urbedeutung eines verbundenen Zeichens ohne Anfang und Ende mit mehreren Grundbedeutungen. Ein kardinaler Kunstfehler Mitscherlichs bestand bereits darin, nicht klar genug zu erkennen, daß der Uroboros ein eigener kulturgeschichtlicher Symbolträger und von der "gewöhnlichen" Schlange zu unterscheiden ist und damit auch eine eigene Behandlung erfordert hätte. Wenn man schon vulgärpsychoanalytisch-sexualistisch deuten wollte, müßte man den Uroboros als weibliches Genitalsymbol ansehen und nicht als männliches.
Ursächlich sind an diesem Halbtraum wahrscheinlich mehrere Faktoren
beteiligt, die ich problemlösungsgeschichtlich als Bahnung auffasse:
Zusammenfassung
der Kunstfehler psychoanalytischer Symboldeutung
Ende
1) Zur Prüfung des Realitätsgehaltes
dieses Halbtraumberichtes hat mich noch einmal ein Kontakt mit Prof. Dr.
Christoph Meinel, Lehrstuhl für Wissenschaftsgeschichte Universität
Regensburg, angeregt, der den Halbtraum Kekulés eher für eine
nachträgliche Literarisierung und Wissenschaftsmythe hält. Dem
kann ich mich nach psychologischer Prüfung der Quellen nicht anschließen.
2) Aussagepsychologie. Die Aussagepsychologie
beschäftigt sich mit dem - subjektiven - Wahrheits- und Realitätsgehalt
von Aussagen. Dies spielt eine bedeutende Rolle für die Beurteilung
und Bewertung von - besonders kindlichen - Zeugenaussagen in der Rechtsprechung,
besonders im Bereich sexueller Missbrauch und Vergewaltigungen (Zur Beachtung
bei kindlichen ZeugInnenbefragungen).
Die Gretchenfrage der Aussagepsychologie lautet landläufig: können
- subjektiv - falsche Aussagen von richtigen Aussagen unterschieden werden
und falls: wie? Hier beginnt aber bereits die Aussagepsychologie: Was heißt
"richtig", was heißt "falsch"? Nun, die exakte psychologische Formulierung
der Kernfrage heißt: können realerlebnisbegründete
Aussagen von phantasierten, erfundenen, getäuschten oder geirrten
Aussagen unterschieden werden und falls: wie? Diese aussagepsychologische
Hypothese heißt nach dem Namen des bedeutenden deutschen Aussagepsychologen
Undeutsch-Hypothese.
Wäre sie richtig, hieße das grob: die Wirklichkeit schreibt
andere Geschichten als die Phantasie. Oder: realerlebnisbegründete
Geschichten können auf Merkmale hin analysiert werden, die sie von
phantasierten oder erlogenen Geschichten unterscheiden. Und wie die moderne
aussagepsychologische Forschung auch zeigen konnte, ist die Undeutsch-Hypothese
ziemlich gut bewährt, wie der Bundesgerichtshof erst jüngst in
einem Grundsatzurteil bestätigt (Urteil vom 30.7.1999 - 1 StR 618/98
- LG Ansbach), obwohl die Validität des Lügendetektors verneint
wurde (Urteil vom 17.Dezember 1998 - 1 StR 156/98 - LG Mannheim), was man
in der Rechtspsychologie als großen Triumpf der Aussagepsychologie
feierte. Man beachte, daß realerlebnisbegründet noch nicht heißen
muß richtig, objektiv wahr oder tatsächlich. Die AussagepsychologIn
bekommt gewöhnlich vom Gericht den Auftrag, zu untersuchen, ob die
ZeugIn realerlebnisbegründete Angaben macht, d. h. stellen sich die
Erlebnisse der ZeugIn für sie selbst so dar als ob sie das, was sie
berichtet, erlebt hätte? Mit anderen Worten: AussagepsychologInnen
erforschen die subjektive Wahrheit, ob diese subjektive Wahrheit die juristische
Bewertung von richtig oder tatsächlich erhält, das entscheiden
die Gerichte. Der Anfang der wissenschaftlichen Aussagepsychologie
wird allgemein mit der Veröffentlichung von A. Binets Buch "La suggestibilité"
(Paris 1900) und von William Sterns Artikel "Zur Psychologie der Aussage"
(1902) gleichgesetzt. Eine solide aussagepsychologische Beurteilung erfordert
hinreichend viele unbeeinflußte (Elementar-) Aussagen. Eine
der wichtigsten und nicht wieder gut zu machenden Fehlerquellen ist die
Exploration oder Vernehmung selbst. Und hier wiederum ist der häufigste
und schwerwiegendste Fehler die Suggestivfrage - wie sie auch in Psychoanalysen
und analytischen Psychotherapien ständig vorkommt. Eine Suggestivfrage
ist einfach erkennbar dadurch, daß man sie mit Ja oder Nein beantworten
kann. (Beispiele
zunehmende oder abnehmende Suggestiv-Frage. Güte).
Auswahl aus der wichtigeren neueren aussagepsychologischen Literatur: