Der naturwissenschaftliche Zeitgeist
im 19. Jahrhundert
und Allgemeine
Ideen, wie man den Zeitgeist erfassen kann.
Das
Problem der Operationalisierung des Zeitgeistes
Querverweis: Die
Zeit als Variable, Zeitdiagramme, Zeitreihenanalysen.
Die Überschrift ist gewagt, unterstellt sie doch etwas nicht direkt Beobachtbares: einen naturwissenschaftlichen Zeitgeist und das noch für ein ganzes Jahrhundert? Warum sollte es einen Zeitgeist für ein ganzes Jahrhundert geben? Ja gibt es überhaupt so etwas wie einen Zeitgeist, einen naturwissenschaftlichen Zeitgeist im 19. Jhd.? Der Begriff scheint eine deutsche Erfindung zu sein, denn:
In Webster's New Encyclopedic Dictionary (1992) lesen wir: "zeit-geist \...\ n: the general intellectual, moral, and cultural state of an era [German, from zeit "time" + geist "spirit"]." Damit ist das begriffliche Problem verschoben auf state und era. |
In der Erörterung solcher Fragen sind einerseits weniger Psychologen als vielmehr Historiker und Soziologen die kompetenteren Adressaten. Andererseits ist es aber eine legitime psychologische Frage, wie sich denn ein Zeitgeist, falls es ihn denn gibt, auf das einzelne Individuum auswirkt, wie man den Zeitgeist in der individuellen Persönlichkeit erkennen kann?.
Betrachtet man sich die Besetzung der Lehrstühle in der klinischen Psychologie in Deutschland, so stellt man im Jahre 2000 fest, daß diese weitgehend in verhaltenstherapeutischer Hand sind. Die psychosomatischen Lehrstühle in der Medizin sind hingegen fast durchweg von PsychoanalytikerInnen besetzt. Darf man nun die These aufstellen: der therapeutische Zeitgeist bei den Psychologen ist verhaltenstherapeutisch und der therapeutische Zeitgeist bei den MedizinerInnen ist hingegen psychoanalytisch? Und was hieße das für den therapeutischen Zeitgeist allgemein?
Fehlerquellen bei der Erfassung der Diagnose des Zeitgeistes siehe auch
Subjektkritik. Ein besonderes methodisches und psychologisches Problem ist das der Zurückversetzung. Was in einer Zeit wirklich auf den einzelnen wirkte, stellt sich wahrscheinlich aus heutiger Sicht ganz anders dar. Hier liegt eine nicht unerhebliche Fehlerquelle. Wir neigen heute dazu, z. B. im Rückblick in den Wissenschaften nurmehr die Entwicklungen für (heute) bedeutungsvoll zu halten, die sich als wahr oder nützlich erwiesen und durchgesetzt haben. Doch neue Entwicklungen sind meist mit Auseinandersetzungen und Kämpfen gegen überkommene Vorstellungen oder mit anderen konkurrierenden Ideen verbunden. Manches, das zu früheren Zeiten wie eine Bombe eingeschlagen haben mag , wie z. B. die Harnstoffsynthese von Wöhler 1828, die eine Brücke vom Unbelebtem zum Belebtem schlug, hatte damals Vitalisten, Theologen und Philosophen im Kern erschüttert. Heute dürften die meisten an dieser wissenschaftlichen Leistung gleichgültig oder verständnislos vorübergehen. Anderes mag uns heute großartig erscheinen, das zu seiner Zeit übergangen und nicht weiter beachtet wurde. Die psychologische Barriere besteht objektiv, weil ich ja mein Wissen, meine Bildung, meine Prägung, meine Einbettung in meine Zeit, Gesellschaft und Kultur nicht einfach hinwegdenken kann. Ich bin, ob ich will oder nicht, das "Kind" meiner Zeit, meiner Gesellschaft und Kultur, meiner Sozialisation.
Quellenkritik. Rückblicke fußen
immer auf fremden Quellen und Zeugnissen. Doch wie zuverlässig sind
diese Quellen? Diese Frage muß immer gestellt werden. Jeder Mensch,
der ein Ereignis, ein Geschehen, eine Handlung oder ein Werk und Produkt
beschreibt, beschreibt es aus seiner subjektiven Wahrnehmungs-, Interessen-
und Bewertungslage heraus. Insofern gehen in die allermeisten Quellen mitunter
bedeutsame Fehler, Verzerrungen, Legenden- und Mythenbildungen, einseitige
und Tendenz-Darstellungen ein, die gar nicht einmal absichtlich zu sein
brauchen. Es empfiehlt sich also, grundsätzlich quellenkritisch vorzugehen
und sofern möglich mehrere Quellen einzubeziehen und auch und alternative
Hypothesen ins Auge zu fassen.
Der Zeitgeist spiegelt sich in dem, was die Menschen beschäftigt, bewegt, interessiert, betrifft. Das kann in autoritär-strukturierten Gesellschaften sehr stark von den Herrschern beeinflusst werden. Im Medienzeitalter spielen die Medien eine wichtige Rolle. Für die Menschen ist effektiv wichtig, wofür sie MAZOKA (Mühe, Anstrengung, Zeit, Opfer, Kosten, Ausdauer) aufbringen. Ein Zeitgeistphänomen sollte in mehreren gesellschaftlichen Ebenen Ausdruck finden: sozio-kulturell und medial.
Entdeckungen, Erfindungen, Wissenschaft und Technik
Wann wurde was entdeckt, erfunden, entwickelt? Was waren oder sind
die großen Themen der Wissenschaft und Technik?
Ein historisches Beispiel hierzu liefert Wundts
Arbeit (1886) zur Frage: "Wer ist der Gesetzgeber der Naturgesetze?", die
er am Ende S. 496 wie folgt beantwortet: "Im siebzehnten Jahrhundert gibt
Gott die Naturgesetze, im achtzehnten thut es die Natur selbst, und im
neunzehnten besorgen es die einzelnen Naturforscher. Wie in dieser kleinen
Erscheinung sich der Geist der Zeiten spiegelt, darüber Betrachtungen
anstellen, mag dem Culturhistoriker überlassen bleiben."
Ein ganz großes Thema des 20. Jahrhunderts
war die Raumfahrt und die Entwicklung des Computerzeitalters. Und im letzten
Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hat sich das Internet entwickelt, das die
Welt nachhaltig verändern wird. Inzwischen scheinen die sozialen Netze
des Internets auch eine wichtige politische Rolle zu spielen mit der sich
vor allem die diktatorisch-despotischen Systeme konfrontiert sehen. In
Sekundenschnelle können wichtige Informationen die ganze (Erden-)
Welt erreichen. Und die neuen Möglichkeiten zur Transparenz, wie sie
von Wikileaks forciert wurden sind für alle Regierungen, auch die
scheinbar demokratischen und rechtsstaatlichen, bedrohlich, weil sie nämlich
zeigen, wie wenig demokratisch und rechtsstaatlich es tatsächlich
zugeht.
Zu den großen Themen des 21. Jahrhundert gehört
sicher die Gen-Technik und die Frage des Klonens, wie es z.B. im Film "Blueprint"
[W] dargestellt
wird. Damit wird die Züchtung der Nachkommen zu einem großen
Zeitgeistthema. Im Zuge dessen versuchen einige "Globalplayer"
immer mehr genetisch in die Natur einzugreifen, wobei sich einige "Globalplayer"
ihre genetischen Natureingriffe auch noch patentieren lassen möchten,
um jahrzehntelange weltweite Ausbeutung ihres Monopols zu sichern.
Wirtschaftliche Entwicklungen und Veränderungen.
Die Entwicklung der Wissenschaft und Technik hat zur sog. industriellen
Revolution und Produktion geführt. Und damit zur extremen Nachfrage
nach Rohstoffen und Energie, womit die hemmungslose Ausbeutung der Ressourcen
einher ging - mit ungeheuren und dramatischen Folgen für die Umwelt
und Natur. Damit wurde der Umweltschutz, Klimaveränderung und Erwärmung
der Erde ein wichtiges Zeitgeist-Thema. Politisch und ökonomisch kommt
damit die Frage nach den wirklichen Kosten der kapitalistischen Wirtschaftsorganisation
immer mehr auf. Damit einher geht auch auch die neue Idee, was denn nun
eigentlich genau Wohlstand
sein soll und wie man ihn mißt. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus
wurde die Globalisierung
ein beherrschendes Thema. Die Staaten sollen durch das privatwirtschaftliche
Kapitalismusmodell abgelöst werden. Nicht mehr Regierungen bestimmen,
sondern die Vorstände der großen Globalplayer: Geld- und Raffgier
scheinen wie der Konsum-,
Wachstums-
und Schuldenwahn keinerlei
Begrenzung nach oben zu kennen. Ein gigantisches Schneelballsystem und
globales Casino wurde über rechtsfreie Steueroasen
auf den Weg gebracht.
Ausstellungen, Kongresse, Märkte, Messen
[W],
Tagungen, ...
Was wird ausgestellt? Wozu trifft man sich? Was findet sich auf Märkten
und Messen?
Weltausstellungen. Eine interessante Idee verdanke ich der Arbeit des Wissenschaftshistorikers Christoph Meinel aus seiner Arbeit "August Wilhelm Hofmann - 'Regierender Oberchemiker'" (1992, S. 42) zur ersten Weltausstellung in London 1851: "In den Weltausstellungen inszenierte das Jahrhundert sich selbst, da prunkten kommerzielle Interessen im Schimmer von Glas, Stahl und Licht und nationalen Farben: Gesamtkunstwerke des Konsums, Wallfahrtsstätten zum Fetisch Ware. Die Vision eines Paradieses auf Erden, das auch den Massen Glanz und Luxus spendet, hier wurde sie greifbar. ... Der Innovationsschub, der von der Ausstellung ausging, kam auch der Chemie zugute. Ein ganzer Komplex neuer Forschungseinrichtungen entstand."
Gesetze und Verordnungen
In den Gesetzen und Verordnungen spiegeln sich Sitte, Brauch, Moral,
Rechts- und Gerechtigkeitsvorstellungen und ihr juristisches Regelungsbedürfnis.
So wurde eine Genetik-Gesetz erforderlich.
Medienanalysen. Fortlaufende oder wiederkehrende
Themen in den Medien
Die Medienwelt ist flüchtig und kurzlebig. Wichtiger bewertete
Ereignisse werden von fast allen aufgegriffen und so kommt es in kurzer
Zeit zur Übersättigung, so dass das Interesse wieder nachlässt
und nach neuen Themen gesucht wird. Vieles kehrt aber immer wider.
Ideale, Idole, Leitbilder, Modelle und Moden
für Lebensformen
Was ist oder war gerade in? Welche Musik, welche Schauspieler,
welche Filme und Themen? Einflüsse, denen man sich kaum entziehen
kann, die also auf fast jeden wirken.
Zu lang schon waltest über dem Haupte mir,
Du in der dunkeln Wolke, du Gott der Zeit!
Zu wild, zu bang ists ringsum, und es
Trümmert und wankt ja, wohin ich blicke.
Ach! wie ein Knabe, seh ich zu Boden oft,
Such in der Höhle Rettung von dir, und möcht,
Ich Blöder, eine Stelle finden,
Alleserschüttrer! wo du nicht wärest.
Laß endlich, Vater! offenen Augs mich dir
Begegnen! hast denn du nicht zuerst den Geist
Mit deinem Strahl aus mir geweckt? mich
Herrlich ans Leben gebracht, o Vater! -
Wohl keimt aus jungen Reben uns heilge Kraft;
In milder Luft begegnet den Sterblichen,
Und wenn sie still im Haine wandeln,
Heiternd ein Gott; doch allmächtger weckst du
Die reine Seele Jünglingen auf, und lehrst
Die Alten weise Künste; der Schlimme nur
Wird schlimmer, daß er bälder ende,
Wenn du, Erschütterer! ihn ergreifest."
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site:www.sgipt.org
z.B. Zeitgeist site:www.sgipt.org. |