Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=03.01.2000 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 22.05.22
    Impressum: Diplom-Psychologe  Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20  D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotheraie, Abteilung Therapieschulen, Bereich Psychoanalyse, Thema Kritik der Psychoanalyse und Analytischen Psychotherapie, hier Sexueller Mißbrauch in der historischen Psychoanalyse :

    Zur Geschichte des Sexuellen Mißbrauch in der Psychoanalyse und Analytischen Psychotherapie

     C. G. Jung  1875-1961
    C. G. Jungs drei "Hauptfrauen"

       

      Sabina Spielrein
      Psychoanalytikerin

      Jung und seine Frau Emma 1903
      Psychoanalytikerin
      Toni (Antonia) Wolff
      Antonia ("Toni") 
      Wolff, Psycho- 
      analytikerin 
      (1911 Weimar)
       

      Kurzcharakteristik C. G. Jung  (Aus Rowohlts Indiskreter Liste)

         "Jung war ein Bulle von einem Mann, 1,85 Meter groß, mit grobgeschnittenen Zügen, wissenden Augen und von imponierendem Körperbau. Sein Humor war derb (Freud hat einmal seine Grobheit verteidigt) und geistreich zugleich («Zeigen Sie mir einen geistig gesunden Menschen, und ich werde ihn für Sie heilen»). Er hatte ein wildes Temperament und einen Hang zur Grobheit ...  Seine Neigung zum Grandiosen war vielleicht der Grund für seine anfängliche Bewunderung Hitlers (ein spirituelles Werkzeug) und der Nazis (die Götterdämmerung), was ihm berechtigterweise einen Tadel von seiten der Juden eintrug; er bezeichnete sie in seiner Antwort als paranoid. Um 1939 hatte er jedoch seine Meinung über Hitler geändert und hielt ihn für «mehr als halb verrückt». 
          Sein Sohn Franz nannte ihn «wundervoll und zum Verrücktwerden»: Er mogelte beim Spiel und war ein schlechter Verlierer, er lief im Garten nur mit zerlumpten Shorts bekleidet herum, aber er war ein Feinschmeckerkoch. Er liebte Kriminalromane und Hunde. «Der Weise von Zürich» starb im Alter von 85 Jahren." (Zitiert aus S. 376f) 

      "Eines der bedeutenden Ereignisse in seinem Liebesleben gestand Jung erst 22 Jahre später in einem Brief an Freud: «. . . meine Verehrung für Sie hat etwas von der Natur einer <religiösen Schwärmerei>, wegen ihres unbestreitbar erotischen Untertones. Dieses furchtbare Gefühl entstammt der Tatsache, daß ich als Junge von einem Mann sexuell mißbraucht wurde, den ich einmal verehrt hatte.» Der Mann wurde nie identifiziert." (Zitiert aus S. 377) 

      Seine Kindheitsneurose wird hier beschrieben

      "Obwohl er gern Archäologe geworden wäre, wählte er aus praktischen Gründen die Medizin zum Beruf. 1903, er war inzwischen verheiratet und arbeitete als Psychiater an einer Zürcher Klinik, begann er mit den Studien über Wortassoziationen, die zu einem schriftlichen Gedankenaustausch mit Sigmund Freud führten. 1907 trafen sich die beiden zu einem persönlichen Gespräch. Jung hielt Freud für «den ersten wirklich bedeutenden Mann, dem ich begegnete»; auch Freud war sehr beeindruckt von Jung. Es gab Unterschiede zwischen ihnen: Zum Beispiel reizte Freud Jungs Interesse an Parapsychologie wenig, und Jung hatte gewisse Zweifel an Freuds Sexualtheorien. Von Freuds «Kleiner Hans»-Theorie (der zufolge Kinder glauben, daß Mädchen kastrierte Jungen seien) sagte Jung: «Agatha [seine kleine Tochter] hat nie etwas vom <Kleinen Hans> gehört.»" a.a.O. S. 376 

             
    Rowohlts Indiskrete Liste zu C.G. Jungs Frauen:

        "Emma Rauschenbach, die er am 14. Februar 1903 heiratete, war die große Liebe seines Lebens. Als junger Medizinstudent sah er sie während eines Besuches bei Freunden der Familie zum erstenmal - eine Fünfzehnjährige mit geflochtenen Haaren, die auf einer [377] Treppe stand -, und er sagte zu einem Freund, der ihn allerdings nicht ernst nahm, daß sie einmal seine Frau werden würde. Das war sechs Jahre bevor seine Prophezeiung in Erfüllung ging. ...
        Zu Anfang war ihre Ehe idyllisch. Um 1906 jedoch begann Jung sonderbare Träume zu haben. Einen, der von zwei Pferden handelte, deutete Freud als «das Scheitern einer Geldheirat». Jung antwortete: «. . . ich bin in jeder Beziehung mit meiner Frau glücklich . . . es gab keinen sexuellen Fehlschlag, eher einen gesellschaftlichen.» Der Traum enthielt, glaubte er, «einen illegitimen sexuellen Wunsch, der besser nicht das Licht des Tages erblickt». 1907 wurde er für kurze Zeit von einer Frau betört, die er auf einer Reise mit Emma in Abbazia (heute Opatija, Jugoslawien) kennenlernte. 1909 wollte eine Patientin ein Kind von ihm, und er gestand, daß seine berufliche Beziehung zu ihr «polygame Komponenten» enthielt. Aber diese beiden Erlebnisse waren nur Vorspiele für die andere wichtige Frau in seinem Leben - die dreizehn Jahre jüngere Toni Wolff, die 1910 als Patientin zu ihm kam. Später, während seiner «Konfrontation mit dem Unbewußten», einem Beinahe-Zusammenbruch, der 1913 begann und mehrere Jahre dauerte, half sie ihm, seine «Anima» zu erforschen, das weibliche Element seiner Natur. Nach Jungs Typisierung der Frauen in seinem Leben war sie die «Inspiratorin», während Emma Frau und Mutter war. Toni war elegant, mit einem feinmodellierten Gesicht. Auf Jungs beharrlichen Wunsch hin wurde sie ein [378] Freund der Familie und kam sonntags zum Abendessen in das große Haus in Küsnacht am Zürichsee. Emma war eifersüchtig, aber Jung hatte sein Herz an diese Dreiecksbeziehung gehängt. Später rechtfertigte er dies in Theorien über die Ehe, in der «der vielflächig geschliffene Edelstein» (Carl), der mehr braucht als der «einfache Würfel» (Emma), außerhalb der ehelichen Beziehung nach Befriedigung Ausschau hält. (Der Biographin Barbara Hannah zufolge meinte Jung, daß Väter «ihr erotisches Leben ganz leben müßten», da das «ungelebte Leben sonst unbewußt auf die Töchter übertragen» werde.) Seine Persönlichkeit war so stark, daß es ihm beinahe gelang, beide Frauen davon zu überzeugen, daß die Dreiecksbeziehung eine ideale Situation sei. Sie bestand fast vierig Jahre lang. Emma und Toni wurden beide praktizierende Analytiker. Emma hielt Vorträge über den Heiligen Gral und tauschte mit Freud Gedanken aus; Toni entwickelte neue Theorien über weibliche Funktionstypen. Toni fühlte sich jedoch in ihrer Rolle als Mätresse im sittenstrengen Zürich unwohl und fing an, Jungs Scheidung von Emma zu verlangen. Jung lehnte ab. Seine eigene Ernüchterung drückte sich in Kritik an ihr aus - zum Beispiel sagte er, als er ihre neue Wohnung sah: «Nur Toni würde mit Marmorsäulen leben und in einem Arbeitszimmer wie Mussolini.» Toni, die Jungs Reaktion schwer getroffen hatte und die zuviel rauchte und trank, starb mit 64 Jahren an einem Herzanfall. Emma starb zwei Jahre später, 1955 - nach 52 Ehejahren. «Sie war eine Königin! Sie war eine Königin!» rief Jung weinend nach ihrem Tod.
        Viele seiner Schüler waren junge weibliche Intellektuelle, die scherzhaft als die «Jung-Frauen» bezeichnet wurden. Obwohl nur einige mit ihm geschlafen haben dürften, himmelten sie ihn an, wegen seiner bärenhaften Erscheinung, seiner Sensibilität und seines Einfühlungsvermögens gegenüber Frauen. Er sah unter die Oberfläche, und das zog viele Frauen an. ..."

    Die Sabina Spielrein-Affäre und ihre psychoanalytische Aufarbeitung

        Zur sog. Sabina Spielrein Affäre sind eine Reihe von Arbeiten erschienen. Die umfassendste Studie mit 688 Seiten in der deutschen Ausgabe stammt von John Kerr mit dem außerordentlich trefflichen Titel "Eine höchst gefährliche Methode. Freud, Jung und Sabina Spielrein".
        Sehr kritisch und damit auch sehr mutig ist die Analyse, Beurteilung und Bewertung des Psychoanalytikers Johannes Cremerius, der das Vorwort der von Carotenuto herausgegebenen Tagebücher und Briefe schrieb. Hieraus gleich zur Einleitung:
        "Dieses Buch dokumentiert die Geschichte der tragischen Übertragungsliebe zwischen einer Patientin und ihrem Analytiker. Seine außerordentliche Bedeutung liegt nicht in der Sensation, daß die Akteure C. G. Jung und Sabina Spielrein sind, sondern einmal in dem Exemplarischen dieser Übertragungs-Gegenübertragungstragödie und ihrem Ausgang: der Analytiker verläßt den Boden der Phantasie und der Symbole, wird aktiv, führt zärtliche Handlungen aus und erklärt der Patientin „seine“ Liebe, — zum anderen in dem Einfluß, den die Erfahrungen aller Beteiligten auf die Weiterentwicklung der psychoanalytischen Behandlungstechnik hatten. Dritter Akteur wird Sigmund Freud als Beichtvater von Jung und Sabina Spielrein, als deren erhoffter Tröster, Beschützer und Helfer.
        Es ist eine furchtbare Geschichte. Und zwar insofern, als sie die Komplizenschaft der Männer gegen die Frau, die sich auf die Verführung eines Mannes eingelassen hat, demonstriert — demonstriert im Stil der viktorianischen Doppelmoral: als Jung aus der Beziehung aussteigen will, weil ein öffentlicher Skandal droht (die Mutter Sabinas, von Frau Jung anonym auf die „Affäre“ aufmerksam gemacht; beabsichtigt, Jungs Chef, Professor Eugen Bleuler, aufzusuchen) und er Karriere und Ehe retten will, verurteilen beide — Jung und Freud — Sabina Spielrein und appellieren an ihre Vernunft und Einsicht, daß sie vor Karriere und Ehe zurücktreten müsse. Das Buch erzählt auch die Komplizenschaft zwischen zwei Ärzten, von denen einer (Jung) einen schweren Kunstfehler begangen hat, und der andere (Freud), sein Lehrer, den Schüler gegen die Geschädigte deckt. Den Brief, den Freud an Sabina am 8.6.1909 schreibt, nachdem sie ihn informiert hat, dient nur einer einzigen Absicht, nämlich Jung zu schützen: er halte ihn einer leichtfertigen und unedlen Handlung für unfähig. Sie solle [9]  sich einer Selbstprüfung unterziehen, ihre Gefühle für Jung unterdrücken und vor allem keine „äußere Aktion und Heranziehung dritter Personen“ einleiten."
     

    Renate Höfer über 
    Sabinas Spieleins Kindheit und Jugend

       " Sabina Spielreins Kindheit und Jugend müssen als extrem belastet bezeichnet werden. Sie war als Kind körperlicher Züchtigung durch den Vater ausgeliefert und wahrscheinlich auch sexueller Gewalt durch Erwachsene. Bereits mit drei Jahren litt sie an schweren körperlichen und seelischen Störungen, die sie die gesamte Jugendzeit quälten. So geriet sie beim Essen in Zwangsgelächter, begleitet von Pfuirufen und dem Herausstrecken der Zunge. Sie konnte die  rechte Hand- die Züchtigungshand- des Vaters nicht mehr berühren, sie nicht einmal mehr ansehen, ohne sexuell erregt zu sein. Exzessive Onanie war die Folge. Sie konnte gelegentlich der Angst trotzen, indem sie sich als eine mit Macht ausgestattete Göttin phantasierte. Aber ihr Zustand verschlimmerte sich, mit 18 Jahren verfiel sie in Lach- und Schreikrämpfe, gefolgt von Weinkrämpfen mit Übergang in tiefe Depressionen. Den schulischen Anforderungen konnte sie indes nachkommen, sie machte das Abitur und lernte spielend Sprachen. Die Eltern, vermögende Juden in Rostow am Don/Rußland, sahen sich veranlaßt, ihre älteste Tochter- sie hatte vier Geschwister, drei Brüder und eine Schwester, die mit 6 Jahren an Typhus starb - in die Psychiatrie einzuliefern. Sie wählten - nach mehreren gescheiterten Versuchen - die  Psychiatrische Klinik in Zürich, die weltweit als eine fortschrittliche Einrichtung bekannt war. 
    Im Jahre 1904 wurde Sabina Spielrein dort als Patientin aufgenommen. Der sie behandelnde Arzt war der 29jährige Dr. Carl Gustav Jung, zu jener Zeit Sekundararzt der Klinik. Sabina Spielrein war 18 Jahre alt. Das heute bestehende Interesse an ihr, als einer ungewöhnlichen und bedeutenden Frau bleibt von ihren traumatischen Erfahrungen in Kindheit und Jugend weitgehend unberührt. BiographInnen und AutorInnen der vorliegenden Literatur berücksichtigen diese nicht bzw. nicht hinreichend. Vielleicht verweigern sie die Bedeutung, d. h. die Analyse dieser Vorgeschichte. Die Spaltungen und Brüche, die Hoffnungen und Leistungen im Leben dieser Frau werden m. E. aber erst unter Einbezug ihrer lebensgeschichtlich entstandenen Strukturen hinreichend verständlich." 
      Ihr Kommentar: "Die etablierten Theorien der o. g. tiefenpsychologischen Schulen Freud und Jung taugen m. E. nicht für die Spiegelung der wirklichen Geschehnisse. Psychologische Konzepte, die in Theorie und Praxis Verrat an seelischer und körperlicher Unversehrtheit von Kindern, Frauen und Männern begehen und legitimieren, entsprechen nicht den Forderungen feministischer Ethik und Moral." Sponsel: auch nicht der Ethik und Moral der SGIPT.

    Lebendaten und Daten zur Spielrein "Affäre"

    1885 Geburt in Rostow am Don als Tochter einer reichen jüdischen Familie (Vater Kaufmann, Mutter zahnmedi- zinische Ausbildung). Während der Schulzeit erste Anzeichen einer sog. "psychotischen Hysterie".
    1904  Abitur. Einlieferung in die Psychiatrie, Burghölzli Zürich, 10 Monate stationärer Aufenthalt, danach private Behandlung bei C. G. Jung. 
    1905 Einschreibung als Medizinstudentin an der medizinischen Fakultät der Universität Zürich.
    1905-1909 Jung berichtet über die Analyse in Briefen an Freud.
    1907 C.G. Jung trägt sein "Material" aus seiner privaten und beruflichen Beziehung auf dem Kongreß in Amsterdam am 4. September vor (""Über die Freudsche Hysterietheorie")
    1911 Promotion (Zürich): "Über den psychologischen Inhalt eines Falles von Schizophrenie". Abbruch der Beziehung zu Jung. Um diese Zeit ist Jung eine sexuelle Beziehung mit 'Toni', Antonia Wolff, die ebenfalls seine Patientin war, eingegangen. Reise nach Wien (Freud, "Mittwochsgesellschaft"), im Oktober Mitglied der PA- Vereinigung, da Vortrag: "Über Transformation".
    1912 Vortragsreihe in ihrer Heimatstadt. Veröffentlichung: "Die Destruktion als Ursache des Werdens". Heirat des russischen Arztes Pawel Scheftel in Zürich. 1912 bis 1923 Aufenthalte in: Berlin, München, Lausanne, Chateaux d' Oex, Genf. 
    1919 Gründung "Circle interne" in Lausanne, Praxis. Kurzfristige Informationsanalyse von Jean Piaget, der Freud's Theorien nicht akzeptieren konnte und sich bald von der PA abwandte.
    1920 Vortrag "Zur Frage der Entstehung und Entwicklung der Lautsprache" auf dem PA-Kongreß in Den Haag.
    1921 Gründung der russischen PA-Vereinigung.. S.S. wurde Lehranalytikerin am staatlichen PA-Institut in Moskau. 
    1922 Für einige Monate Aufenthalt in der Schweiz, Mitglied der schweizerischen PA-Gesellschaft.
    1923 Rückkehr nach Rußland
    1926 Übersiedlung in ihre Geburtsstadt. Aufbau eines psychoanalytischen Säuglings- und Kinderheimes. Privatpraxis. Lehrauftrag Universität.
    1936 Verbot der Psychoanalyse in der Sowjetunion
    1937 Letztmaliges Erscheinen ihres Namens auf der Liste der russischen Vereinigung.
    1941 Die Nazis treiben Juden durch die Stadt und erschießen sie, dabei sind Sabina Spielrein (56jährig) und ihre beiden Töchter Renate (28) und Eva (18) in der Synagoge von Rostow am Don.
            Damit Deutsche so etwas nie wieder tun
    Epilog: Bis 1974 - das Jahr der Veröffentlichung des Briefwechsels zwischen Jung und Freud - war ihre Geschichte fast unbekannt. 1976 Entdeckung von Teilen eines Tagesbuches (Palais Wilson) und unbekannter Briefe von Freud und Jung an sie.Carotenuto veröffentlicht 1982 diese Teile. Im selben Jahr wird ein Karton mit Unterlagen von Sabina Spielrein im Familienarchiv von Claparéde gefunden und später noch einer bei Georges de Morsier. 

        Cremerius: "Aber nach dem zweiten Brief von Sabina Spielrein an Freud — und nachdem sich das Gerücht der  „Affäre in Analytikerkreisen“ auszubreiten begann und auch Freud zu Ohren gekommen war — hätte er entschieden auf Klärung dringen müssen. Stattdessen rät er Jung, nicht zu stark in die Zerknirschung und Reaktion zu gehen. „Denken Sie an das schöne Gleichnis von Lassalle von der zersprungenen Eprouvette in der Hand des Chemikers: ,Mit einem leisen Stirnrunzeln über den Widerstand der Materie setzt der Forscher seine Arbeit fort.‘ Kleinere Laboratoriumsexplosionen werden bei der Natur des Stoffes, mit dem wir arbeiten, nie zu vermeiden sein. Vielleicht hat man die Eprouvette wirklich nicht schräg genug gehalten, oder zu rasch erwärmt. Man lernt so, was von der Gefahr am Stoff, und was an der Handhabung liegt“.1)

        Als Jung dann endlich eine volle Beichte ablegt (Brief vom 21.6.1909; Briefwechsel, S. 260 f.) und Freud auf diese Weise auch erfährt, wie lange er hinters Licht geführt und wie oft er betrogen wurde, schreibt er am 24.6. einen Brief an Sabina Spielrein, in dem er sich entschuldigt, weil er sich zu ihrem Nachteil geirrt hat. Aber dieser Brief ist nur eine Formalität. Die Komplizenschaft hält. Am 30.6. schreibt er an den „lieben Freund“: ‘Ich habe Fräulein Spielrein unmittelbar darauf ein paar liebenswürdige, Genugtuung bietende Zeilen geschrieben und dafür heute Antwort von ihr bekommen ... ‚Machen Sie sich keine Vorwürfe, daß ich in die Sache gekommen bin; das haben ja nicht Sie, sondern der andere Teil getan. Der Abschluß ist doch ein für alle Parteien befriedigender‘‘ (Briefwechsel, S. 262). Das ist er auch für Jung. Im Antwortbrief vom 10.7. dankt er für Freuds Hilfe in der ‚Spielrein-Angelegenheit, die sich ja jetzt so günstig erledigt hat‘ ‚Günstig erledigt‘ meint für beide, ohne Schaden für Jung und Freud. Der Zynismus dieser Komplizenschaft ist angesichts der Patientin, die schwer verstört und beschädigt zum Opfer wird, erschütternd. Jung findet für das zerstörerische Werk, das er durch die Art seiner Beendigung der Beziehung angerichtet hat, die Worte ‚Spielrein-Angelegenheit‘ und ‚erledigt‘ (Man beachte den Doppelsinn, den das Wort im Deutschen hat: zerstören, töten)." (S. 10)


    Querverweise:   Zur Einführung in das Thema    Übersicht Glossar     Übersicht PA-Kritik   Kunstfehler


    Literatur C. G. Jung und die Frauen
    Die harten Fakten werden als Fakta bestätigt durch die Chronik der C.G. Jung Gesellschaft Köln; eine kritische Bewertung  findet nicht statt: http://www.cgjung.org/chronik.htm
    • Kerr, John (dt. 1994, orig. ?). Eine höchst gefährliche Methode. Freud, Jung und Sabina Spielrein. Mit einem bibliographischen Essay. München: Kindler.
    • Spielrein, Sabina (dt. 1986, orig. 1980). Tagebuch einer heimlichen Symmetrie. Sabina Spielrein zwischen Jung und Freud. Herausgegeben von Aldo Carotenuto mit einem Vorwort von Johannes Cremerius. Freiburg: Kore.

    • Wallace, Irving & Amy & Sylvia; Wallechinsky, David (dt. 1985, orig. 1981). Der Geliebte der Jung-Frauen. Carl Gustav Jung. In:  Rowohlts indiskrete Liste, 375-380. Reinbek: Rowohlt. Ich danke dem Rowohlt Verlag für die Erlaubnis, die Textpassagen aus der Indiskreten Liste übernehmen zu dürfen.
    • Höfer, Renate: Die Hiobsbotschaft C.G.Jungs - Folgen sexuellen Mißbrauchs, 1. und 2. Auflage 1993/Neuauflage 1997; ISBN-3-932477-00-6; Kaskade Verlag: 28207 Bremen

    • (Fon/Fax:0421/2435153) [aktualisiert 16.10.2001, Sponsel]
    • dies.: Sabina Spielrein. In Wahnsinnsfrauen, Bd.2; Suhrkamp Verlag Ffm 1996/97
    • dies.: Die Psychoanalytikerin-Sabina Spielrein, Ch.Göttert Verlag, Rüsselsheim 2000
    • dies.: Angst, Widerstand, Abwehr in der patriarchalen Wissenschaft: Der Fall Sabina Spielrein.

    • dies.: Angst, Widerstand, Abwehr in der patriarchalen Wissenschaft: Der Fall Sabina Spielrein. Internetveröffentlichung im:  Förderverein Virginia Woolf Frauenuniversität e.V. mit der Adresse: http://www.uni-oldenburg.de/eu-net/virginia-woolf-ev/angst.htm
    • Richebächer, Sabine (2005). Sabina Spielrein. "Eine fast grausame Liebe zur Wissenschaft". Biographie. Zürich: Dörlemann. Buchbesprechungen:  , Antipsychiatrieverlag, Frankfurter Rundschau, Ludger Lütkehaus, Perlentaucher (FRS, NZZ),
    • Aspekte über Sabina Spielrein: [ZDF: Entlinkt, weil URL verändert und keine Weiterleitung eingerichtet]




    Links (Auswahl: beachte)
    • Google: Sabina Spielrein, Wikipedia.
    • ZDF 28.4.2014, 23,15 Uhr: Eine dunkle Begierde. "Erotisches Historiendrama mit Michael Fassbender ("12 Years a Slave"), Viggo Mortensen ("Der Herr der Ringe") und Keira Knightley ("Jack Ryan: Shadow Recruit") um die Affäre, die der Psychoanalytiker Carl Gustav Jung mit seiner Patientin Sabina Spielrein hatte, und dessen kompliziertes Verhältnis zu seinem wissenschaftlichen Ziehvater Sigmund Freud. Das ZDF zeigt den Film von David Cronenberg als Free-TV-Premiere."  Die schauspielerische Leistung verdient eine besondere Erwähnung: "Zwischen den beiden Gelehrten steht die hübsche Britin Keira Knightley, die hier ihre wohl bisher schwierigste Rolle meistert."




    Anmerkungen und Endnoten:
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Martha und Minna: Eine ähnliche Konstellation wird Freud mit seiner Schwägerin Minna nachgesagt. Oskar Rie, Freund der Familie Freud und Hausarzt der Kinder Freuds: "Wegen der Kinder ging er zu Martha, für das Vergnügen nahm er Minna." (zit. n.Kerr S. 171) Minna, deren Verlobter 1886 starb, kam 1994 erstmals nach Wien zu ihrer Schwester und ihrem Schwager, um dann 1895 für immer zu bleiben. Peter Swales erforschte diese Beziehung und kam, so Kerr (S. 172)  "zu dem Schluß, daß Freud sich Ende der neunziger Jahre tatsächlich leidenschaftlich zu seiner Schwägerin hingezogen fühlte und daß die Liebe schließlich im August und September 1900 vollzogen wurde". Das Schlafzimmer Minnas befand sich hinter dem von Martha und Sigmund Freud und konnte nur über das Schlafzimmer der Freuds erreicht werden.
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    Querverweise
    Standort: C. G. Jung und seine drei "Hauptfrauen".
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    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
    z.B. C.G.Jung site:www.sgipt.org.  Spielrein site:www.sgipt.org.
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    Dienstleistungs-Info.
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf (DAS). C. G. Jung und seine drei "Hauptfrauen".  Sexueller Mißbrauch in der Psychoanalyse und Analytischen Psychotherapie. Kritische Arbeiten zur Psychoanalyse und Analytischen Psychotherapie.  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/th_schul/pa/misbr/jungcg.htm
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    03.03.15    Linkfehler geprüft und korrigiert.
    29.04.14    Hinweis auf die Verfilmung "Eine dunkle Begierde".
    19.08.06    Lit. Aufnahme Richebächer.