Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=27.08.2012 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 12.04.15
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
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    Anfang EPF 2012: Wer hat die Macht im Staat?  Überblick  _Rel. Aktuelles _Rel. Beständiges _Titelblatt _Konzept _Archiv _Region  _Service-iec-verlag _ Wichtige Hinweise zu Links und  Empfehlungen

    Willkommen in unserer Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Bücher, Literatur und Links zu den verschiedensten Themen, hier zum

    Erlanger Poetenfest 2012 - Sonntags-Matinee (Programmtext):
    Eindrücke von Irmgard Rathsmann-Sponsel und Rudolf Sponsel, Erlangen

    Diskussionsverlauf * Eindrücke und Bewertung *  Foto-Eindrücke Poetenfest.

    Wer hat die Macht im Staat?
    Sind wir auf dem Weg in die Postdemokratie?
    Sonntag, 26.08.2012, 11:00 Uhr

    Podiumsdiskussion: Von links nach rechts: Moderation: Wilfried F. Schoeller (Literaturkritik und Medien, W), Christoph Schwennicke (Cicero, W), Daniela Dahn (Journalistin und Schriftstellerin, HP, W), Mathias Greffrath (attac, W),  Roland Roth (Politikwissenschaftler und Bürgerrechtler, W), Friedrich Dieckmann (Schriftsteller, W).

    Programmtext:
    "Das Parlament muss die Entscheidungsbefugnis in Haushaltsdingen, sein Hoheitsrecht, neuestens gerichtlich erkämpfen. Lobbyisten regeln die großen Entscheidungen immer öfter hinter den Kulissen. Die Banken bedienen sich an Steuergeldern, um ihre missratenen Geschäfte zu sanieren. Die Beschleunigung des globalisierten Handelns lässt langwierige Abstimmungen über diverse Meinungen nur ungern zu, „Sachzwänge“ lassen große Debatten verkümmern. Was bleibt, sind die abendlichen Talkshows, die die Parlamentsdebatten zu ersetzen drohen. In der Postdemokratie bleibt alles beim Alten, aber die Experten, die Wirtschaftsvertreter und die privilegierten Eliten steuern die Entscheidungen am Volkssouverän und am Parlament vorbei. Sind wir schon ohnmächtige Zuschauer eines öffentlichen Theaters, das die Demokratie durch wirksame Aufführungen und kontroverse Inhalte durch einprägsame Gesten ersetzt? Eine Debatte mit der Publizistin Daniela Dahn, dem Essayisten Friedrich Dieckmann, dem Schriftsteller Mathias Greffrath, dem Journalisten Christoph Schwennicke und dem Politik-Wissenschaftler Roland Roth darüber, wie wir in diesem schwindelerregenden Politikgeschäft wieder Boden unter die Füße kriegen könnten." Wilfried F. Schoeller

    Diskussionsverlauf
    Der Moderator beginnt mit einem Rückblick u.a. zum Begriff der Postdemokratie und eröffnet die erste Fragerunde mit einem Zitat von Ex-Außenminister Joschka Fischer, der vor rund 10 Jahren sagte, man könne nicht ohne die Finanzmärkte und nicht gegen die Finanzmärkte regieren und gibt die Frage in die Runde, was sich denn nun seit diesem 10-12 Jahre alten Satz für die DiskussionsteilnehmerInnen geändert habe.
     
    Man kann nur gegen die Finanzmärkte regieren, sonst regiert man nicht. (Dahn)

    Daniela Dahn beginnt mit einem fulminanten Statement, das spontanen Beifall erhielt: Man kann nur gegen die Finanzmärkte regieren, sonst regiert man nicht. Sie sei skeptisch, wie die Politik ihre Macht wieder gewinnen könne, nachdem sie sie freiwillig abgegeben habe. Wenn die Politik Habermas', Bofingers und Nida-Rümelins Mahnung aufgriffe, würde sie ja zugeben, dass ihr Handeln die letzten 10 Jahre vollkommen falsch gewesen sei und sie alles rückgängig machen müssten.

    Schwennicke ist optimistisch, wenn er meint, dass vom Deregulierungswahn inzwischen alle weg seien, selbst die Union, die damals immer noch mehr des Gleichen gefordert habe.
     
    Bisher ist nichts passiert, was diese entfesselten Mächte wieder eingefangen hätte. (Schwennicke)

    Es gibt einen kleinen Zwischendisput zwischen Schwennicke und Dahn, ob oder inwiefern die Rahmen - (national) Politik und (global) Finanzmärkte das Ganze erschwerten.
        Greffrath von attac beklagt die unheilvolle Entwicklung, dass immer mehr Entscheidungen am Parlament vorbei gingen.
    Roth ergänzt, dass es seinerzeit gegen die Deregulierung nur wenige kritische Stimmen gegeben habe, ein paar Linke und attac. Aber: Kurz nach der Lehman-Pleite habe das Bundesfinanzministerium seine Huldigungen an die Deregulierung aus dem Netz genommen. Er weist weiter auf die unselige, unsinnige und zutiefst undemokratische Entwicklung von CBL und PPP hin, wo z.B. mehr als 1000seitige geheime Verträge den Kommunalparlamenten vorenthalten würden.
     
    Clinton war der Böse im Dezember 1999 als er den Glass-Steagall Act  aufhob. (Dieckmann)

        Dieckmann weist darauf hin, dass ja gar keine echten Märkte existierten. Es begann, nachdem es seit Roosevelt (1933: Glass-Steagall Act) bald 70 Jahre geregelt gewesen war, im Jahre 1999 als unter Bill Clinton - durch seine Fellatio Eskapaden sehr unter Druck - scheinbar unbemerkt  250 Seiten Deregulierung in ein 14000seitiges Haushaltsgesetz eingebracht wurden. Eine Folge: Die bis dahin getrennten Geschäfts- und Spekulationsbanken durften jetzt wieder in einem agieren. Damit seien die Schleusen für den entfesselten Finanzkapitalismus wieder geöffnet worden. Und alle hätten in das gleiche Horn geblasen. Im Rückblick müsse man sich fast fragen, ob die Wirtschaftsjournalisten allesamt bestochen gewesen seien.

        Moderator Schoeller erklärt, er sei noch bei den Spielräumen und gibt die Frage nach den Reparaturen zunächst an Schwennicke, der spontan klar sagt, ja, man könne das zurücknehmen und viele, die es früher anders gesehen hätten, seien nun auch dabei. Es gehe aber nicht so schnell, wie vielfach gewünscht. Was sich 20 Jahre lang aufgebaut habe, könne schon 3 - 4 Jahre für den Umbau benötigen.
     
    0.1-0.2% Transaktionssteuer immer noch nicht durch - nach 5 Jahren Finanzkrise. (Schoeller)

    Der Moderator übergibt dann die Frage, weshalb die Transaktionssteuer immer noch nicht durch sei, obwohl sie doch eigentlich sehr gering sei, Daniela Dahn. Sie sei skeptisch, was die Reparaturmöglichkeiten beträfe. Es gehe um die Funktionslogik des entfesselten Kapitalismus, die grundlegend falsch sei. Nämlich, dass es ausschließlich um Wachstum und Profit gehe. Hier müssten die Weichen völlig neu gestellt werden.
     
    Die Wachstum- und Profit-Funktionslogik ist falsch. (Dahn) 

    Schoeller bringt die völlig absurde Situation ein, dass die Bundeskanzlerin mit überraschenden und veränderten Vereinbarungen aus Brüssel in den Bundestag kam, wo dieser gerade einen Sachverhalt abstimmen sollte, der durch die neuen Verabredungen schon wieder überholt war. Bei der Abstimmung über das zweite Griechenlandpaket im Februar sollten die Abgeordneten in einer Nacht 697 Seiten gelesen (und verstanden) haben.
     
    Entschleunigung tut not: Eine neue Art von Politik: Ruhe, Zeit, Gründlichkeit zum Verstehen, ist notwendig. (Schoeller)

    Greffrath bezeichnet die Hochbeschleunigungphase Februar/ März als Schockpolitik. So gesehen müsse man fast Lammert und dem Bundesverfassungsgericht dankbar sein, dass sie sich diesem Durchpeitschen entgegengestellt hätten. Er weist darauf hin, dass der radikalste Vorschlag, die Staatsschulden auf ein erträglicheres Maß abzubauen, nicht von der SPD, nicht von den Grünen und auch nicht von den Linken stamme, sondern von der
     
     Boston Consult: 30% Schuldenschnitt durch Abgabe der Vermögenden. (Greffrath)

    Greffrath wundert sich, dass dieser Vorschlag von der Politik - und den Medien - bislang nicht aufgenommen wurde. Daniela Dahn wendet kritisch  ein, dass damit nichts Grundlegendes geändert würde. Man verschaffte sich Erleichterung, machte ein kleines Zugeständnis, um dann mit den alten Spielregeln so weiterzumachen wie bisher. Greffrath kontert: Wenn du da dagegen bist, dann musst du uns erklären, wie du die Revolution machen willst (der Saal lacht und klatscht).

    Schwennicke resümiert die beiden Vorschläge mehr Kontrolle und Entschleunigen. Hinsichtlich Entschleunigen ist er skeptisch und illustriert es mit einer Müntefering-Geschichte, dem am Rande einer Konferenz vom russischen Außenminister gesagt wurde, die Russen würden gewinnen. Auf Münteferings Frage, weshalb er glaube, dass die Russen gewönnen: weil sie schneller seien. Autokratische und diktatorische Systeme seien im Vorteil gegenüber langsamen Demokratien. Er weist auch auf eine Gleichheit zwischen Online-Medien und Finanzmärkten hin, die beide entschleunigt abliefen. Politiker hingegen müssten manchmal schlafen (lachen). Er sehe hier ein Dilemma, für das er keine Lösung habe. Roth meint, man dürfe sich die Entschleunigung nicht aufzwingen lassen, das sei demokratiefeindlich. Es bedürfe mehr Volksabstimmungen. Er macht auf die Absurdität aufmerksam, dass Griechenlands Präsident Proteste bei den Eurokraten ausgelöst habe, als er laut über eine Volksabstimmung zu den Sparbeschlüssen nachgedacht habe. Nichts sei doch selbstverständlicher und demokratischer als wenn das griechische Volk gefragt worden wäre, welchem Kurs es folgen will. Greffrath wirft ein, dass dies ja zugespitzt bedeute: Demokratie oder Kapitalismus.
     
    Der Sofortismus der Politik nimmt immer mehr zu. (Schoeller)

    Schoeller nimmt den wichtigen Widerspruch ins Visier, dass einerseits die Zeit der Handhabung der Staatsschuldenkrise - im Anschluss an die Bankenkrise - nun schon gute 2,5 Jahre anhalte, andererseits immer wieder ein extremer Zeitdruck bei den einzelnen Entscheidungen aufgebaut werde. Die Zeitgeschichte zeigt: wir haben Zeit. Das politische Agieren vermittelt: wir haben keine Zeit. Alles müsse sofort ("Sofortismus") geschehen. Dieser Wahrnehmungsbetrug werde von der Politik und den Medien systematisch betrieben.
     
    Was ist eigentlich Demokratie? - Volksabstimmungen als Heilmittel? (Dieckmann)

    Dieckmann nennt das Beispiel Stuttgart21, wo nach der Volksabstimmung weitgehend Ruhe einkehrte. In der Tat stelle sich die Frage: Wie kann man und wie soll man Demokratie praktizieren? Eine Möglichkeit sei die Weiterentwicklung der Wahl- und Gremiendemokratie. Heiner Geißler, der Schlichter bei Stuttgart21, habe zu Recht darauf hingewiesen, dass es sachlich gute und kompetente Alternativlösungen zur Untertunnelung gegeben habe, die nur deshalb nicht zum Zug kommen konnten, weil eingegangene Verträge hohe Kosten zur Folge gehabt hätten. Für die Wahl guter Lösungen sei also die frühzeitige Einbeziehung der BürgerInnen wichtig und nötig.
    Kritisch merkt er an: Auch Europa ist nicht demokratisch aufgebaut. Ein Staat, der so aufgebaut sei, wie die EU, könnte in der EU gar nicht Mitglied werden (Lachen und Klatschen).

    Der Moderator stellt fest, der Wohlstand, der nun zur Schuldentilgung herangezogen werden solle, sei in ca. 30 Jahren in einer funktionierenden Demokratie erwirtschaftet worden. Die Selbstreinigungskräfte in der Wiederaufbau- und Nachkriegszeit hätten Zeit gebraucht. Sollten wir uns heute auch nicht genügend Zeit nehmen und uns dem Sofortismus entziehen?

    Daniela Dahn zweifelt, ob es möglich sei, zu den 70er Jahren einfach so zurückzukehren. Im Zusammenhang mit der angedachten Volksabstimmung zu Europa macht sie auf die Merkwürdigkeit aufmerksam, dass es jetzt erstmals darum gehe, den Souverän zu befragen bei der Frage, ob er bereit sei, Souveränität abzugeben. Sie denke auch, man könne sich in dieser großen Welt nur noch als Europa behaupten. Das Problem sei, dass in Europa noch nicht die notwendigen demokratischen Strukturen existierten. So gebe es noch keinen durch Wahlen legitimierten Gesetzgeber. Abgabe der Entscheidungsbefugnisse an eine Kommission, die niemand gewählt habe, sei keine Alternative.
     
    80% der Bevölkerung meint die Politiker sind überfordert. (Dahn)

    Das Beunruhigende sei, dass die Politik hier gar nicht widerspreche. Ja , es gäbe Abgeordnete, die sagten das von sich selbst; sie seien ganz ohnmächtig und könnten nichts ausrichten.
     
    Es geht weltweit um den Profit und die profitabelste Region. (Roth)

    Die Zusammenhänge zwischen Wachstum, Kapitalismus und Demokratie seien besonders in dieser Umbruchzeit schwierig.

    Schoeller lenkt den Blick weg von der bloßen ökonomischen Betrachtung und kommt auf das in der amerikanischen Verfassung versprochene Recht auf Glück, das er gleich auf alle Demokratien ausdehnt und reklamiert wieder Entschleunigung, Ruhe und Zeit. Greffrath spricht das Mittelschichtsdilemma an und das Problem der Verteilungsfragen, die sich verschärft stellen, wenn Wachstum nicht mehr so greift.

    Schwennicke resümiert erneut: Kontrolle, Hetze, Inkompetenz der Politiker und berichtet von einer Spiegel-Recherche, wie es zu der Deregulierung der Finanzmärkte überhaupt kommen konnte.
     
    Gegen die Deregulierung war die Agenda 2010 ein Mückenschiss - und ihr habt gar nichts bemerkt. (Spiegel-Redakteur)

    Es habe nur eine einzige Kollegin, die bei der Börsenzeitung gearbeitet habe, gegeben, die es geblickt habe. Sonst niemand.
     
    Die Bock-Gärtnerproblematik  - am Beispiel Asmussen. (Schwennicke)

    Asmussen habe erst unter Eichel die Deregulierung für Deutschland ausgearbeitet und sollte sie sodann unter Steinbrück wieder rückgängig machen. Früher seien Rechtsfabriken beauftragt worden, die Deregulierungsgesetze zu schreiben, jetzt würden sie beauftragt, die Aufhebung oder Kontrolle zu schreiben.
     
    Keiner blickt mehr durch - die da oben nicht und die da unten nicht. (Schwennicke) [Klatschen]

    Wir spüren aber alle, wir werden geschröpft, unsere Lebensversicherungen und Altersvorsorgen sind in Gefahr.
     
    Es geht um eine ökonomische Alphabetisierung der Massen. (Bourdieu zitiert von Dahn)

    Dahn berichtet, dass die kritischen Leute ausgegrenzt würden und belegt es an einem Beispiel beim Spiegel und am Beispiel Lafontaine, der sich mit aller Kraft gegen die Deregulierung und Globalisierung gestemmt habe und deshalb von der Sun als der gefährlichste Mann Europas geschmäht worden sei. Auch Stiglitz, USA, sei ein gutes Beispiel. Merkwürdigerweise funktioniere die "Demokratie" immer so, diese Leute auszugrenzen und als inkompetent hinzustellen. (Klatschen)
     
    Um etwas zu verstehen, muss man es verstehen wollen. (Greffrath)

    Greffrath berichtet eine Anekdote von Eichel, der ihm gegenüber geklagt habe, dass er nicht wisse, was er machen solle, wenn ihn die Vorstände bedrängten, er solle die Steuer senken, sonst gingen sie nach London. Er, Greffarth, habe gemeint, das sei doch ganz einfach, da müsse Mut gezeigt werden (dafür würden Politiker schließlich gewählt). Solche Äußerungen sollten ins Fernsehen gebracht werden, um die unpatriotische Haltung dieser Leute öffentlich zu machen. Allianzen allein reichten nicht mehr. Wir müssten dorthin, wo die Macht ist. Und:
     
    1968 war ein Epiphänomen, ein ideologischer Furz. Den kann man vergessen.  ... Stattdessen muss die größte Errungenschaft, die parlamentarische Demokratie, instand gesetzt werden. (Greffrath) 

    Und hören wir auf zu klagen (Klatschen).

    Schoeller weist auf unsere Unkenntnis hin und erteilt Dieckmann das Wort. Der kommt auf die drei US-Ratingagenturen, die eine antieuropäische Politik betrieben, zu sprechen und stellt nebenbei fest, dass es keine europäische Ratingagentur gäbe.
     
    Kein Moraltheologe regt sich über die extremen Renditen der Finanzbranche auf. (Dieckmann)

    Im übrigen dürfe der Gegner nicht benannt werden: die Zusammenballung amerikanischer Finanzmacht. (Klatschen) Man müsse die NGOs wie z.B. attac oder die Gewerkschaften unterstützen und dort Mitglied werden. Roth weist auf die Notwendigkeit hin, Experten kritisch zu hinterfragen; die seien auch nicht interessenfrei (Beispiele: autogerechte Stadt in den 1960er Jahren, Atomkraftexpertisen).
     
    Wir brauchen partizipatorische Revolutionen - Beispiel Bürgerhaushalte (Porto Alegre 1989).  (Roth)

    Nach dem Vorbild von Porto Alegre gibt es inzwischen über 10.000 Bürgerhaushalte auf der Welt.

    Daniela Dahn  fragt: ist die parlamentarische Demokratie wirklich schon die höchste Form der Demokratie? Die Situation ist jetzt, dass wir alle vier Jahre unsere Stimmen abgeben dürfen. Dann sind die Parlamentarier nur noch ihrem eigenen Gewissen unterworfen
     
    Und das eigene Gewissen hält sich gern in der Nähe der eigenen Interessen auf. (Dahn) (Lachen, Klatschen). 

    Schoeller fragt: wo ist das Personal, um einzugreifen? Er habe sich z.B. die Occupy Bewegung in New York angesehen, das sei eine klägliche Veranstaltung gewesen und hierzulande maßlos überschätzt worden.
    Dahn pocht darauf, die demokratischen Formen und Varianten auf den Prüfstand zu stellen.
     
    Warum nicht Rätedemokratie und imperatives Mandat? (Dahn) (Beifall)
    Schwennicke unterstützt: Empört Euch, organisiert Euch. Gesunder Menschenverstand reicht aus. (Beifall)

    Greffrath sieht es kritisch: Die Straße reiche nicht mehr. Es bedürfe auch kompetenter und kooperativer Entscheider (Beispiel Energiewendepapier einiger Abgeordneter aus verschiedenen Parteien). Roth ergänzt, dass gegenwärtig auf der Welt mit 80 - 100 Demokratien experimentiert werde. Wir müssten auf der passiven Duldsamkeit herauskommen, als ersten Schritt miteinander reden, um aus der Zuschauerdemokratie herauszukommen. Das gelte gerade auch für Europa, z.B. Städtepartnerschaften mit Griechenland. (Beifall) Schoeller nutzt die Gelegenheit, OB Balleis zu fragen, ob es eine griechische Partnerstadt gäbe (Nein). Da könne er gleich ein imperatives Mandat ... (Lachen). Dieckmann weist die große Gefahr von drohenden Notverordnungen hin. Mehr Euro funktioniere nicht einfach so.
     
    Es fehlt das revolutionäre Subjekt - die richtigen Regierungen und Parlamente.  (Dieckmann)

    In diesem Zusammenhang lobt Dieckmann den Artikel 146 im Grundgesetz, wonach dieses entfalle, wenn das deutsche Volk zu einer neuen, gemeinsamen Verfassung findet. Europas Organe funktionieren nicht, dass wüssten wir.

    Der Moderator weist auf die Europaveranstaltung am Nachmittag hin. Schwennicke macht klar: eine Währungsunion reicht nicht, es braucht auch eine Wirtschafts- und Sozialunion. (Beifall).
     
    Ich bin auch für mehr Europa, aber für mehr demokratisches Europa. (Dahn) (Beifall)

    Sie zitiert Heiner Flassbeck, den sie einen linken Ökonomen nennt, der inzwischen auch glaube, der Euro sei nicht mehr zu retten. und wir müssten zu den nationalen Währungen zurückkehren. Ein wirklich revolutionärer Schritt wäre, die EU-Verfassung zu ändern (Hannah Arendt), um eine echte parlamentarische Demokratie in Europa auf den Weg zu bringen. Davon seien wir aber noch weit entfernt. Und das allgemeine Verblödungsfernsehen sei hier auch nicht hilfreich. (Beifall). Schoeller weist auf die Kosten des Fußballfernsehens hin (1 Milliarde). Greffrath bekräftigt: Eine europäische Verfassung muss gefordert werden.
     
    Schoeller schließt mit Bezug auf Döblin (Berge, Meere und Giganten), Deutschlands einzigem Globalisierungsroman: Wir brauchen Realisten, Träumer, Fantasten und Abweichler. (Beifall)



    Eindrücke und Bewertung.
    Das war eine interessante Veranstaltung (90 min). Der unheilvolle Fraktionszwang wurde nicht besprochen. Ein heißes Eisen ist sicher auch: wie kann es demokratisch sein, dass Leute über Sachverhalte abstimmen, von denen sie gar nichts verstehen? Es könnte sein, dass zwischen unserer Demokratie und dem Volk die Relation besteht: wie der Herr, so das G'scherr, aber auch umgekehrt: wie das G'scherr, so der Herr. Die Massen werden beliebig manipuliert durch die, die die Medien besitzen. Das ist also keine Demokratie, sondern eine Mediokratie. Und nachdem die Medien von denen bestimmt werden, die das Geld haben, leben wir also, exakt betrachtet, in einer Plutokratie: Die Geldmacht bestimmt im Wesentlichen, wo es lang geht. Daher rührt auch "die" aktuelle Finanzkrise. Wir wissen spätestens seit Reinhart & Rogoff, dass Finanzkrisen seit 8 Jahrhunderten immer wieder nach den gleichen Mechanismen ablaufen. Auch wenn uns die "Fachleute" immer wieder weismachen wollen: Dieses Mal ist alles anders. Sagen wir es ganz offen: Diese Form der Demokratie taugt ziemlich wenig und bedarf dringend der Weiterentwicklung. Man vergesse nicht: Hitler kam ganz demokratisch und legal an die Macht. Denn die Parlamentarier, die die Folgen und Konsequenzen des Ermächtigungsgesetzes nicht überblickten, haben sich selbst, freiwillig und rechtsstaatlich ganz legal entmachtet und die Macht in seine Hände gelegt. Eine richtige, dauerhafte und wirklich funktionierende Demokratie herzustellen ist ein schwieriges Geschäft. Immerhin: Das unterstrich diese Veranstaltung und deshalb war sie gut.



    Foto-Eindrücke vom Poetenfest  2012 frei verwendbar unter Angabe der Quelle.
    Weitere Bilder vom Schlossgarten: Nach dem Sturm "Emma" 2008, Farbenpracht im Herbst 2010.





    Links (beachte) mit Literatur (Auswahl) > Querverweise.
    • Demokratie, Oligarchie, Plutokratie, Hollyvoodookratie ....
    • Dokumentation der Finanzkrise seit 8.2.2007.
    • Wachstum - Kritische Reflexionen zu einem äußerst fragwürdigen Konzept. Mit Literaturhinweisen und Links.
      • Wachstums-Tabellen und Schaubilder (u.a. Zur Veranschaulichung des Schuldenproblems).
      • Was muß sich ändern in der Wirtschaft ?
    • Globalisierung:  Definition, Globalplayer, Erfindung und Sinn der Globalisierung I, II, III, IV, V., Schwarzbuch, Begriffe, Grundprobleme der Menschheit, Vorbilder und Alternativen. *  Preisabsprachen, Kartelle und Oligopole  *
    • Elite und etilE. Studien zur Theorie und praktischen Differentialdiagnostik Elite und etilE.
    • Alle Insider wussten seit ca. Mitte/Ende der 90er Jahre, was kommt.
    • Ursachen und Therapie der Finanzkrise (Subprime-Debakel) 2007/08/09.
    Expertenproblem.
    • Die dubiose Rolle der Finanz- und Wirtschaftsmathematik.
    • Die Warnung Paul Feyerabends vor Fachleuten.
    • Vertrauens-Regeln zur Beurteilung von Experten.
    • Problemlösungen zweiter Ordnung.


    Staat und Staatslehren.

    • Machiavellis abschließende Analyse politischer Verhaltens"regeln".
    • Gemeinwohl.
    • Michels Analyse oligarcher Entwicklungen.
    • Unrecht im Namen des Rechts.
    • Politikaxiome.
    • Pyramidenmodell oligarcher Systementwicklung.
    • Aristoteles' Staatslehre der großen Mitte. (Inhaltsverzeichnis der "Politik")




    Glossar, Anmerkungen und Endnoten
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    Berge, Meere und Giganten. "In seinem visionären Zukunftsroman, "Berge, Meere und Giganten", der erstmals 1924 in Berlin erschienen ist, entwirft Döblin eine negative Utopie. In Form einer künftigen Universalgeschichte, die in neun Bücher unterteilt ist, stellt er die technisierte, industrialisierte Gesellschaft, geprägt von Verstädterung, Vermassung, Naturentfremdung und Dehumanisierung, und deren Entwicklungen bis ins 27. Jahrhundert dar: Der Aufstand gegen die Maschinen der Metropolen beginnt Ende des 24. Jahrhunderts. Im 26. Jahrhundert kommt es zum Uralischen Krieg, in dem der Westen unterliegt. Die westlichen Völker müssen deshalb in neue Bereiche vorstoßen. Grönland soll enteist werden, und um die nötige Energie zu gewinnen, werden die Vulkane Islands gesprengt. Das Unternehmen gelingt, aber es beleben sich zugleich die Keime vorzeitlicher Ungeheuer und Pflanzen: die Saurierwelt breitet sich aus. Als Gegenwaffe werden menschliche Giganten gezüchtet." (Klappentext)
    ___
    CBL: Globale Enteignung der Städte. [1,2,3,4,]
    Ein lesenswerter Artikel in den Nürnberger Nachrichten (6.7.4, S.13) über das Buch von Werner Rügemer (2004). Cross Border Leasing - Ein Lehrstück zur globalen Enteignung der Städte. Münster: Westfälisches Dampfboot.
     
    "Seit 1995 haben Hunderte Städte und öffentliche Unternehmen in Deutschland und Europa ihre Großanlagen wie Klär- und Wasserwerke, Straßenbahnen, Schulen und Messehallen an US-Investoren verkauft und zurückgemietet. Erst durch Rundfunksendungen von Werner Rügemer wurde »Cross Border Leasing« seit 2002 zu einem öffentlichen Thema. Er schildert die Entstehung und Struktur dieses Finanzprodukts der »New Economy« in den USA, ihre Verwandtschaft mit anderen Formen öffentlicher Enteignung, ihr Ausmaß in den wichtigsten europäischen Staaten sowie die Arbeitsmethoden der Leasingbranche. Erstmalig legt er jetzt die bisher geheimen Vertragsinhalte dieser Konstrukte fiktiver Kapitalbildung in vollem Umfang offen." (Rückumschlag / Info mit Inhaltsverzeichnis.). Bestellung: Westfälisches Dampfboot. 
      CBL im Netz:
      • Homepage Werner Rügemer.
      • Attac DO - Allgemeine Links zum Cross-Border-Leasing.
      • Die Welt im Privatisierungswahn!
      • Info mit Inhaltsverzeichnis.
      • Rezension in der Zeit.
      • Wikipedia.
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    Demokratien. Die meisten westlichen Demokratien sind vom Hollyvoodoo-Typ, also Oligarchien, meist plutokratische Medien- und Hollywooddemokratien.
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    Glass-Steagall-Act (W)
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    Eindrücke. Unsere Eindrücke sind natürlich subjektiv und selektiv; wir beanspruchen keinen repräsentativen Bericht.
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    Plutokratie Thema in der IP-GIPT: > Demokratien ...
    • Grundinfo Oligarchie, Plutokratie ...
    • Das Plutokratie-Syndrom.

    • Google <Plutokratie site: www.sgipt.org>
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    Postdemokratie.
    "Postdemokratie bezeichnet ein politisches System, in dem es nicht auf die Beteiligung der Bürger (als Input gesehen), sondern nur auf Ergebnisse ankommt, die dem Allgemeinwohl dienen und dem Kriterium der Verteilungsgerechtigkeit genügen (Outputorientierung). In Bezug auf kollektiv verbindliche Entscheidungen wird dabei demokratischen Verfahren nur instrumentelle Bedeutung zugemessen. Sie erscheinen nützlich, wenn und insofern Mehrheitsentscheidungen oder demokratisch kontrollierte hierarchische Entscheidungen geeignet sind, allgemeinwohlorientierte Politik hervorzubringen.
        Dabei wird im Gegensatz zur Pluralismustheorie angenommen, dass das Allgemeinwohl objektiv bestimmbar sei und Interessenkonflikte nicht in demokratischen Verfahren ausgetragen, sondern durch Verwaltungsvorgänge aufgehoben werden sollten.
        Die gewählten Repräsentanten verlagern dabei ihre Kompetenzen (und damit die Verantwortung) auf Experten, Kommissionen und Wirtschaftsunternehmen. Der Bürger wird dabei nicht als der Souverän betrachtet, in dessen Auftrag entschieden werden muss, sondern der befähigt werden muss, den vorgegebenen Anforderungen des Allgemeinwohls, meist verstanden als die Bedingungen des globalen Marktes, gerecht zu werden. ..." W120826.

        Hierzu auch ein interessantes Rundfunkfeature vom wdr5: " Der ökonomische Putsch (26.08.2012). Spekulationsattacken auf ganze Volkswirtschaften, Finanzagenturen, die Regierungen in die Knie zwingen, und die feste Behauptung, es gäbe keine Alternative: Europa befindet sich im Wirtschaftskrieg. Wie entstand dieses unumstößlich scheinende System? AutorIn: Roman Herzog © WDR 2012"
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    PPP.
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    Ratingagenturen. Die Ratingagenturen sind Bock-Gärtner-Agenturen der plutokratischen Finanzindustrie und wesentlich mitschuld an der Finanzkrise, weil sie den Banken ermöglichten, ihre faulen Kredite zu verstecken und dennoch reihenweise Tripel a Qualitätszertifizierungen vergaben. Bei Lichte und vernünftig betrachtet sind das Betrügereien bei denen offensichtlich keine Prospekthaftung greift.
        Einige Medienstimmen: Die Welt Online Finanzen vom 2.8.7 kritisiert: "Bonitätsprüfer geben ein schlechtes Bild ab. Die US-Hypothekenkrise hat die Ratingagenturen wieder einmal ins Gerede gebracht. Schließlich haben Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch nach Einschätzung von Experten zu spät vor den Risiken gewarnt und damit zur Eskalation der Krise beigetragen. Keiner der drei maßgeblichen Bonitätsprüfer hatte vor Bekanntwerden der Milliardenverluste die rote Flagge gehisst. Bereits bei früheren Verwerfungen auf den Märkten, etwa der Asienkrise oder dem Enron-Skandal, hatten sie zu spät gehandelt."
        Und weiter im Falle der IKB: "Noch im Mai hatte etwa Moody’s an der IKB die „umsichtigen Kreditvergabepraktiken, das effiziente Risikomanagement und die damit einhergehende relative Immunität gegen Marktrisiken“ gelobt. Dies rechtfertige das vierthöchste Rating (Aa3) in einem System von 19 Bonitätsnoten. Erst einen Tag nach der Gewinnwarnung zu Wochenbeginn wurde das Rating mit dem Zusatz „Herabstufung möglich“ versehen. Die anderen beiden Agenturen sahen überhaupt keine Veranlassung, ihr Rating für das Institut zu senken. Fitch bestätigte die Bonitätsnote. Der Ausblick bleibe stabil."
        "Enge Verquickung an der Wall Street Raus aus der Ratingagentur, rein in die Bank. Unabhängigkeit sieht anders aus: Schon seit langem kritisieren Beobachter eine zu enge Verbindung zwischen den Ratingagenturen und den Unternehmen, die sie bewerten. Nun zeigt eine neue Studie, dass viele Mitarbeiter ausgerechnet zu den Firmen wechseln, die vorher von ihrer Agentur benotet wurden. ..." [SZ 2.12.11]
        NZZ 12.8.7 * Die FTD berichtet am 17.08. 07: "Bundesregierung schließt sich Kritik an Rating-Agenturen an. Die Bundesregierung unterstützt den Vorstoß der EU zu gesetzlichen Regelungen für Rating-Agenturen. Ein Sondertreffen rechtfertige die derzeitige Hypothekenkrise aber noch nicht. ..."
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    Querverweise
    Standort: Sonntags-Matinee Erlanger Poetenfest 2012: Wer hat die Macht im Staat?
    *
    EPF 2011 Der entmündigte Souverän * EPF 2010 Wachstum - ein Irrweg * EPF 2009 Die Unsichtbarkeit des Geldes. * EPF 2008: Zeit für eine neue Revolte?
    *
    Der Charakter und sein Preis.
    *
    Überblick Kunst und Kultur in der IP-GIPT.
    Erlangen in der IP-GIPT oder <Google>
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site: www.sgipt.org
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    Information für Dienstleistungs-Interessierte.
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    Zitierung
    Sponsel, Rudolf (DAS). Wer hat die Macht im Staat? Sind wir auf dem Weg in die Postdemokratie? Sonntagsmatinee 26.8.2012 des Erlanger Poetenfests. Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/kunst/kritik/EPF12r.htm
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    korrigiert: irs 26.8.12



    Änderungen Kleinere Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet und ergänzt.
    12.04.15    Linkfehler geprüft und korrigiert.
    29.08.12    Info: Berge, Meere und Giganten.



    [Intern: ]