Begriffsanalyse Gesunder Menschenverstand bei Bertrand Russell (1872-1970)
Porträt
von Rudol Sponsel 1975
Haupt- und
Verteilerseite Begriffsanalyse Gesunder Menschenverstand.
Die Hauptbedeutungen.
Originalarbeit von Rudolf Sponsel, Erlangen
Zusammenfassung - Abstract - Summary
GMV bei Bertrand Russell (1970)
Der enzyklopädisch gebildete und scharfsinnige Denker Bertrand
Russell zitiert den gesunden Menschenverstand in seinen Werken öfter,
am meisten jedoch in seinem Buch Das menschliche Wissen (dt.
1950, engl. 1948) in 45 Textstellen von insgesamt 69 Textstellen.
Ich fand bei ihm bislang folgende Unterscheidungen:
gewöhnlicher
MV, gemeiner MV,
nüchterner
MV,
vorwissenschaftlicher
GMV,
wissenschaftlicher
GMV, intuitiver GMV, und, allgemein,
nicht näher spezifiziert, den gesunden Menschenverstand.
Russell anerkennt den Wert des GMVes und sieht ihn aber auch kritisch und
benennt seine Irrtümer. Die wichtigste systematische Textstelle findet
sich in Das menschliche Wissen, S. 224-228. Genaue Klärungen
dieser Begriffe gibt Russell nicht, so dass wir auf Interpretationen angewiesen
sind, was er jeweils meint.
Mit den Neu-Schöpfungen
vorwissenschaftlicher
(GMVvorwis), wissenschaftlich
gesunder Menschenverstand (GMVwissens)
und intuitiver gesunder Menschenverstand (GMVintuitiv)
erweitert er die außerhalb seiner Schriften gefundenen Bedeutungen.
Inhaltlich kann der GMV nach Russell wie folgt
interpretiert werden: Im GMV sind die Sachurteile (nicht Werturteile)
des Welt-, Menschen- und Selbstbildes des Durchschnittsmenschen
repräsentiert. Darunter kann die große Mehrheit der Nichtwissenschaftler
oder Nichtfachleute verstanden werden, was bei einer Erhebung im Einzelfall
zu prüfen wäre. So ist ein studierter Germanist oder Psychologe
kein Fachmann für Fragen des Raumes und der Zeit oder der Naturwissenschaftler
kein Fachmann für Fragen des allgemeinen Denkens oder die Wünsche
der Menschen. Wer also gerade als Fach- oder Nichtfachmann anzusehen ist,
hängt vom Sachverhalt oder Thema ab.
Alles Erleben,
wie es sich vor allem im Alltag
zeigt, gehört zum GMV. Den Sinneserlebnissen, äußeren Wahrnehmungen
und Empfindungen ordnet der GMV eine reale Außenwelt zu. Was er z.B.
sieht, riecht, hört, tastet gehört zur Außenwelt, die sich
außerhalb seiner selbst befindet. Auch seine psychischen Erlebnisse
und ihre Selbstbeobachtung - im Sinne innererer
Wahrnehmung - sind real und er meint, dass andere Menschen ähnlich
funktionieren, wie er selbst, so dass Schlüsse vom eigenen Erleben
und eigener Erfahrung grundsätzlich zulässig sind. Der GMV ist
die erste Basis der Erkenntnis. Es folgen wissenschaftliche und und wissenschaftlich
hochentwickelte Erkennnisse. In vielem stimmt der GMV mit der Wissenschaft
überein, am wenigstens mit der Physik des Makkro- und Mikoskopischen
(Astrophysik, Relatitivitäts- und Quantentheorie), wenn der GMV auch
manchen Täuschungen und Irrtümern unterliegt, vor allem wenn
es um genaue Betrachtungen geht. Daher muss man nach Russell den GMV differenziert
und kritisch sehen und dort, wo etwas genauer gewusst werden soll, auch
kritisch hinterfragen. Die Domäne und das Reich des GMV sind der Alltag.
Auch die einfache klassische Physik (Newton) gehört zum GMV.
Auswertung der Stichprobe (> Zur
Methodik der Auswertung)
Der enzyklopädisch gebildete und scharfsinnige
Denker Bertrand Russell hat sehr viele Bücher geschrieben, eine fast
vollständige Bibliographie seiner Werke findet man in der Rowohlt-Monographie
[The impact of science on society 1952, dt. 1953 fehlt]. Ein Teil
wurde auch ins Deutsche übersetzt, wovon wiederum ein Teil, 14 Bücher,
hier ausgewertet wurde. Man muss mit einer Ausnahme in Das menschliche
Wissen (SR "Menschenverstand, gesunder 224", aber insgesamt 45 Textstellen)
die Stellen suchen, weil meist keine entsprechenden Sachregistereinträge
vorliegen. Das ist hier geschehen, wobei ich nicht ausschließen möchte
und kann, die eine oder andere Stelle bei der Sichtung meiner Stichprobe
aus Russells Werken übersehen zu haben (für
Hinweise bin ich dankbar). In einer Textstelle können mehrere
Nennungen vorkommen.
Alle Hervorhebungen des Suchbegriffe
in
14erSchriftgröße und fett sind von Rudolf Sponsel.
Gebrauchsbeispiele für Redewendung "Wissenschaftlich Gesunder Menschenverstand"
Aus Russell, Bertrand (1950) Das menschliche Wissen.
Darmstadt: Holle. Das Buch ist sehr interessant, weil es um Wissen geht.
Der gesunde Menschenverstand hat keinen Sachregistereintrag. Man
muss die Stellen suchen. Anmerkung: Wissen selbst hat keinen Sachregistereintrag
und wird auch nicht näher erläutert oder definiert (> Begriffanalyse
Wissen; in Arbeit)
S. 56 - S. 58: Beispiel
Betrachtung des GMV : "Gegen diese Definition erhebt eine bestimmte
Psychologenschule einen grundlegenden Einwand. Sie meint nämlich,
daß Selbstbeobachtung kein gültiges wissenschaftliches Verfahren
sei, und daß nichts als wissenschaftlich erkannt gelten kann, außer
was aus öffentlichen Gegebenheiten abgeleitet ist. Diese Ansicht erscheint
mir so abwegig, daß ich sie überginge, wenn sie nicht so weit
verbreitet wäre; da sie aber einmal in vielen Kreisen modern geworden
ist, werde ich meine Gründe gegen sie anführen.
Zunächst einmal bedürfen wir einer genaueren Definition dessen, was wir »öffentliche« und »private« Gegebenheiten nennen. »Öffentliche« Gegebenheiten sind für jene, welche die Selbstbeobachtung verwerfen, nicht nur solche Gegebenheiten, an denen in der Tat mehrere Beobachter teilhaben, sondern auch jene, an denen mehrere Beobachter teilhaben könnten, wenn die Umstände dafür günstig wären. Nach dieser Ansicht beschäftigt sich also Robinson Crusoe nicht mit unwissenschaftlicher Selbstbeobachtung, wenn er die Getreide beschreibt, die er gezogen hat, obwohl es hier keinen anderen Beobachter gibt, der seine Erzählung bestätigen könnte, denn seine späteren Mitteilungen werden von dem Menschen Freitag bestätigt und die früheren hätten grundsätzlich auch so bestätigt werden können. Wenn er aber erzählt, wie er zu der Überzeugung gelangte, daß sein Mißgeschick die Strafe für sein früheres sündhaftes Leben sei, sagt er entweder etwas Sinnloses oder er spricht solche Worte aus, wie er sie gebraucht haben würde, wenn er irgendjemand da gehabt hätte, an den er sich hätte wenden können - denn was ein Mensch sagt, ist öffentlich, aber was er denkt, ist privat. Zu behaupten, daß dasjenige, was er sagt, das ausdrückt, was er denkt, ist nach der Meinung dieser Schule eine wissenschaftlich nicht verifizierbare Aussage, welche die Wissenschaft daher überhaupt nicht machen sollte. Der Versuch Freuds, eine Wissenschaft von den Träumen zu schaffen, ist ein Grundirrtum. Wir können nicht wissen, was ein Mann träumt, sondern immer nur, was er angibt, geträumt zu haben. Das, was er über seine Träume aussagt, ist ein Teil der Physik, da das Sprechen aus Bewegungen der Lippen, der Zunge und der Kehle besteht. Aber es ist eine willkürliche Annahme, daß die Worte, deren er sich bedient, um seine Träume zu erzählen, eine wirkliche Erfahrung darstellen. [>57] Wir werden ein »öffentliches« Ereignis als ein solches definieren müssen, das von vielen Menschen beobachtet werden kann, vorausgesetzt, daß sie sich an geeigneten Stellen befinden. Sie müssen es nicht alle gleichzeitig beobachten, falls man Grund zu der Annahme hat, daß sich inzwischen keine Änderung vollzogen hat: Zwei Menschen können nicht gleichzeitig in ein Mikroskop hineinsehen, aber die Feinde der Selbstbeobachtung wollen Gegebenheiten, die mit Hilfe des Mikroskops gewonnen werden, nicht ausschließen. Oder man betrachte die Tatsache, daß jedes Ding doppelt erscheint, wenn man einen Augapfel aufwärts drückt. Was soll das heißen, wenn man sagt, daß Dinge »doppelt« erscheinen? Das kann man nur deuten, indem man zwischen der Gesichtswahmehmung und der physikalischen Tatsache unterscheidet oder durch eine Ausrede. Man kann sagen: »Wenn ich behaupte, daß Herr A doppelt sieht, so sage ich nichts über seine Wahrnehmungen aus. Was ich sage, bedeutet vielmehr: ,Wenn man Herrn A danach fragt, so wird er sagen, daß er doppelt sieht4.« Bei einer solchen Deutung ist es sinnlos zu fragen, ob Herr A die Wahrheit sagt, und es ist unmöglich herauszufinden, was er eigentlich zu behaupten glaubt. Träume sind vielleicht das unbezweifelbarste Beispiel von Tatsachen, von denen man nur durch private Gegebenheiten etwas wissen kann. Wenn ich mich eines Traumes erinnere, so kann ich ihn entweder getreulich wiedergeben oder mit Ausschmückungen. Ich kann wissen, welches von beiden ich tue, aber andere können das selten. Ich kannte eine chinesische Dame, die nach einigen wenigen Stunden psychoanalytischer Behandlung anfing, ganze Lehrbuchträume zu haben. Der Analytiker war entzückt, aber ihre Freunde waren skeptisch. Obwohl nun außer der Dame niemand die Wahrheit sicher wissen konnte, so bin ich doch der Meinung, daß die Tatsachen hinsichtlich dessen, was sie geträumt hatte, genau so bestimmt entweder diese oder jene gewesen sind, wie im Falle einer physikalischen Erscheinung. Wir werden also sagen müssen: Ein »öffentliches«Ereignis ist ein solches, das ähnliche Empfindungen bei allen Beobachtern innerhalb eines gewissen raumzeitlichen Gebietes auslöst. Dieses Gebiet muß beträchtlich größer sein als das Gebiet, das ein menschlicher Körper während (sagen wir) einer halben Sekunde einnimmt. Genauer gesagt ist ein öffentliches Ereignis ein solches, das derartige Empfindungen auslösen würde, wenn Beobachter an passenden Stellen vorhanden wären. (Dies, damit Robinson Crusoes Getreide zulässig ist.) Es ist schwer, diesen Unterschied zwischen öffentlicher und privater Gegebenheit genau zu bestimmen. Grob gesprochen, liefern Gesicht und Gehör öffentliche Gegebenheiten, aber nicht immer. Es gibt eine Form der Gelbsucht, bei der dem Patienten alles gelb erscheint. Dieses Gelb ist privater Natur. Viele Menschen werden von einem Ohrensummen heimgesucht, das sich subjektiv vom Summen der Telegraphendrähte im Winde nicht unterscheidet. Daß solche Empfindungen privater Natur sind, kann der Beobachter nur durch das negative Zeugnis anderer Personen feststellen. Berührungsempfindungen sind in [>58] einem Sinn öffentlich, weil verschiedene Personen nacheinander den gleichen Gegenstand berühren können. Gerüche können so öffentlich werden, daß sie Anlaß zu Beschwerden bei den Gesundheitsbehörden geben. Geschmacksempfindungen sind in geringerem Grade öffentlich, denn zwei Menschen können nicht den gleichen Bissen essen, wohl aber können sie benachbarte Teile desselben Gerichtes essen. Das Ei des Kuraten*) zeigt aber, daß dieses Verfahren nicht ganz zuverlässig ist. Immerhin ist es zuverlässig genug, um einen öffentlichen Unterschied zwischen guten und schlechten Küchen machen zu können, obwohl hier Selbstbeobachtung schon eine große Rolle spielt, denn ein guter Koch ist einer, welcher den meisten Kunden Vergnügen bereitet, und das Vergnügen jedes einzelnen ist rein privat. Fußnote S. 58: Ei des Kuraten : Hierbei handelt es sich um einen in England allgemein bekannten Witz. Ein schüchterner Kurat frühstückt mit seinem Bischof, der ihm ein gekochtes Ei anbietet. Der Bischof riecht, daß das Ei faul ist, und entschuldigt sich bei seinem Gast. Der aber antwortet höf lichst: »Eminenz, teilweise ist es ausgezeichnet!« Daher ist das Ei des Kuraten eine Bezeichnung für ein Ding, das teils gut und teils schlecht ist." |
Einzel-Kommentare:
_ Hier sind Behavio- risten gemeint. Russell glaubt, wie er auch dem GMV positiv unterstellt, dass Selbstbeob- achtung möglich ist. _ Der GMV kennt "private" und "öffentliche" Gegebenheiten. _ etwas sagen ist öffentlich, etwas denken ist privat. _ Träume sind private Gegebenheiten. _ "Wir werden ein »öffentliches« Ereignis als ein solches definieren müssen, das von vielen Menschen beobachtet werden kann, vorausge- setzt, daß sie sich an geeigneten Stellen befinden." _ _ _ _ _ _ _ "Wir werden also sagen müssen: Ein »öffentliches« Ereignis ist ein solches, das ähnliche Empfin- dungen bei allen Beobachtern innerhalb eines gewissen raum- zeitlichen Gebietes auslöst." _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ |
p. 110a Wahrnehmungen
durch die Sinne für GMV offensichtlich
THE word 'perception’ is one which philosophers,
at an early stage, took over, somewhat uncritically, from common
sense. Theaetetus, when Socrates asks him for a definition of
‘knowledge’, suggests that knowledge is perception. Socrates persuades
him to abandon this definition, mainly on the ground that percepts are
transient, whereas true knowledge must be of something eternal; but he
does not question the occurrence of perception conceived as a relation
between subject and object. To common sense
it seems obvious that we perceive ‘things’, at any rate with the senses
of sight and touch. Sight may, on occasion, be misleading, as in the case
of Macbeth’s dagger, but touch never. An ‘object’ is etymologically something
thrown up in my way: if I run into a post in the dark, I am persuaded that
I perceive an ‘object’, and do not merely have a self-centred experience.
This is the view implied in Dr Johnson’s refutation of Berkeley.
_ _ _ _ |
Das Wort "Wahrnehmung" ist eines, das Philosophen, in einer früheren Entwicklungsphase etwas unkritisch vom gesunden Menschenverstand übernahmen. Theaetetus, wenn Sokrates ihn nach einer Definition von "Wissen" fragt, schlug vor, Wissen sei Wahrnehmung. Sokrates überredet ihn, diese Definition aufzugeben. hauptsächlich aus dem Grund, weil Wahrnehmungen vorübergehend sind, wohingegen wahres Wissen etwas Beständiges sein muss; aber er stellt das Vorkommen der Wahrnehmung, die als Beziehung zwischen Subjekt und Objekt konzipiert ist, nicht in Frage. Für den gesunden Menschenverstand ist es offensichtlich, dass wir jedenfalls mit unseren Sinnen, durch Sehen und Berühren, Dinge wahrnehmen. Manchmal kann die Sichtweise irreführend sein, wie im Fall von Macbeths Dolch, aber bei Berührung nie. Ein "Objekt" ist etymologisch etwas, das sich mir in den Weg stellt: Wenn ich in den Dunkelheit in einem Park gegen einen Pfosten renne, bin ich davon überzeugt, dass ich ein "Objekt" wahrgenommen und nicht nur eine egozentrisches Erfahrung gemacht habe. Diese Ansicht, impliziert Dr. Johnsons Widerlegung von Berkeley. |
From various points of view, this common
sense theory of perception has been called in question. The
Cartesians denied interaction between mind and matter, and could not therefore
admit that, when my body runs into a post, this event is the cause of the
mental occurrence which we call ‘perceiving the post’. From such a theory
it was natural to pass either to psychophysical parallelism, or to Malebranche’s
doctrine that we see all things in God, or to Leibniz’s monads which all
suffer simultaneous similar but systematically differing illusions called
‘mirroring the universe’. In all these systems, however, there was felt
to be something fantastic, and only philosophers with a long training in
absurdity could succeed in believing them.
_ _ _ _ |
Aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wurde die Theorie der Wahrnehmung des gesunden Menschenstandes in Frage gestellt. Kartesianer haben eine Wechselwirkung zwischen Geist und Materie verneint und konnten nicht zugeben, wenn mein Körper gegen einen Pfosten rennt, dass dieses Ereignis der Grund für die mentale Erscheinung 'den Pfosten wahrnehmen' ist. Für eine solche Theorie war es natürlich, entweder einen psychophysischen Parallelismus oder entsprechend Malebranches Lehre - alle Dinge in Gott - oder Leibnizens Monaden, die alle gleichzeitig Ähnliches erlitten, aber mit systematisch sich unterscheidenden Trugbildern, Spiegelung des Universums, einhergingen. In all diesen Systemen, jedoch war manches phantastisch und nur Philosophen mit einem langen Training in Absurditäten und mit einer langen Ausbildung konnten erfolgreich an sie glauben. |
A much more serious attack on the common
sense theory of perception has come from science, through study
of the causes of sensations. The first impact of this attack upon the opinions
[> 111] of philosophers led to Locke’s doctrine that the secondary qualities
are subjective. Berkeley’s denial of matter is derived in part, though
not mainly, from the scientific theories of light and sound. In the later
British empiricists, the scientific transformation of common
sense doctrines of perception becomes increasingly important.
J. S. Mill’s definition of ‘matter’ as ‘a permanent possibility of sensation’
results from a combination of science and Berkeley. So does the doctrine
of the materialists, sanctified throughout the U.S.S.R. by the authority
of Lenin, that ‘matter’ is ‘the cause of sensations’.
_ _ |
Ein viel ernsthafterer Angriff auf die Wahrnehmungs- theorie des gesunden Menschenverstand kam aus der Wissenschaft, durch das Studium der Ursachen von Empfindungen. Die erste Auswirkung dieses Angriffs auf die Meinungen von Philosophen führte zu Lockes Lehre, dass die sekundären Qualitäten subjektiv sind. Berkeleys Leugnung der Materie wurde, wenn nicht hauptsächlich, so doch teilweise von den wissenschaftlichen Theorien des Lichtes und Schalls abgeleitet. Bei den späteren britischen Empiristen, wurde die wissenschaftliche Transformation der Lehre des gesunden Menschenverstandes zur Wahrnehmung, immer wichtiger. J. S. Mills Definition von 'Materie' als "eine dauerhafte Möglichkeit von Empfindung' ergibt sich aus einer Kombination von Wissenschaft und Berkeley. So auch die Doktrin der Materialisten, in der U.S.S.R. durch die Autorität von Lenin, dass 'Materie' die 'Ursache der Empfindungen' ist. |
As to (2): the judgements that common
sense bases upon perception, such as ‘there is a dog’, usually
go beyond the present datum, and may therefore be refuted by subsequent
evidence. We cannot know, from perception alone, anything about other times
or about the perceptions of others or about bodies understood in an impersonal
sense. That is why, in the search for data, we are driven to analysis:
we are seeking a core which is logically independent of other occurrences.
When you think you see a dog, what is really given in perception may be
expressed in the words ‘there is a canoid patch of colour’. No previous
or subsequent occurrence, and no experience of others, can prove the falsehood
of this proposition. It is true that, in the sense in which we infer eclipses,
there can be evidence against a present judgement of perception, but this
evidence is inductive and merely probable, and cannot stand against ‘the
evidence of the senses ’. When we have analysed a judgement of perception
in this way, we are left with something which cannot be proved to be false.
_ _ _ |
Zu (2): die Urteile, die der gesunde Menschen- verstand auf die Wahrnehmung stützt, wie "da ist ein Hund", geht in der Regel über die gegenwärtigen Daten hinaus und kann daher widerlegt werden durch nach- folgende Beweise. Wir können nicht wissen aus der Wahrnehmung alleine über die Zeiten hinweg oder über die Wahrnehmungen anderer oder über Körper verstehen in einer unpersönlichen Art und Weise. Deshalb, auf der Suche nach Daten, werden wir zur Analyse veranlasst: wir suchen nach einem Kern, der logisch unabhängig ist von anderen Erscheinungen. Wenn du denkst, du siehst einen Hund, der wirklich in der Wahrnehmung gegeben ist, kann das in den Worten ausgedrückt werden: 'da ist ein farbiger, hundeartiger Fleck'. Kein vorheriges oder nachfolgendes Auftreten, und keine Erfahrung von anderen, kann die Falschheit dieser Aussage beweisen. Es ist wahr, dass in dem Sinne, wie wir Sonnenfinster- nisse, erschließen, dass es Beweise gegen ein Wahrneh- mungsurteil geben kann, aber diese Beweise sind induktiv und nur wahrscheinlich, und können nicht gegen die Beweise der Sinne stehen. Wenn wir ein Wahrnehmungs- urteil auf diese Weise analysiert haben, dann bleibt etwas, das nicht als falsch bewiesen werden kann. |
But when a sentence goes beyond present
experience, it must involve at least one apparent variable. If, for the
moment, we adhere as closely as logic will permit to the metaphysic of
common
sense, we shall say that, when I experience a percept a, there
is a one-one relation S between some ‘thing’ and a, the ‘thing' being what
I should commonly be said to be perceiving. E.g. let a be a canoid patch
of colour; then Sca is the dog that I say I am seeing when I
experience a. When I say ‘this dog is ten years old’, I am making a statement
about Sca, which involves apparent variables. If my statement
is true, there is a c such that [>212] c = Sca; in this case,
what I indicate is ‘c is ten years old’, or rather, is what makes this
true.
But this is, as yet, very unsatisfactory. In the first place, the sentence ‘c is ten years old’ can never be pronounced, because the proper name c does not occur in my vocabulary. In the second place, for the same reason, I can never have a belief expressible in this sentence. In the third place, we decided that sentences are nothing but expressions of beliefs. In the fourth place, I made, above, the hypothesis that the sentence ‘this dog is ten years old’ was ‘true’, and so far we have not defined the ‘truth' of sentences which contain apparent variables, as this sentence does. _ _ _ |
Aber wenn ein Satz
über die gegenwärtige Erfahrung hinausgeht, dann muss er mindestens
eine offensichtliche Variable beinhalten. Wenn wir uns für einen
Moment so eng an die Logik halten, wie es die Metaphysik des gesunden
Menschenverstandes zulässt, werden wir sagen, wenn ich
eine Wahrnehmung a erlebe, es gibt eine Eins-Eins-Beziehung S zwischen
etwas 'Ding' und a, von einem existierenden 'Ding', kann ich allgemein
sagen, es sei eine Wahrnehmung. Z.B. wenn a ein canoider
Farbfleck ist; dann ist Sca der Hund, von dem ich sage, dass
ich ihn sehe, wenn ich a erfahre. Wenn ich sage 'dieser Hund ist zehn Jahre
alt ', mache ich eine Aussage über Sca, welche offensichtliche
Variablen einschließt. Wenn meine Aussage wahr ist, dann gibt
es ein c, so dass [> 212] c = Sca; in diesem Fall das ist, worauf
ich hinweise, dass 'c ist zehn Jahre alt' ist oder genauer gesagt das ist,
was die Aussage zu einer wahren macht.
Aber das ist bisher noch sehr unbefriedigend. Erstens kann der Satz 'c ist zehn Jahre alt' niemals ausgesprochen werden, weil der Eigenname c in meinem Wortschatz nicht vorkommt. Zweitens kann ich aus dem gleichen Grund mit diesem Satz niemals eine Überzeugung ausdrücken. Drittens haben wir entschieden, dass Sätze nichts anderes sind als Ausdrücke von Überzeugungen. Viertens habe ich oben die Hypothese, dass der Satz "dieser Hund ist zehn Jahre alt" wahr ist, aber bis jetzt haben wir die "Wahrheit" von Sätzen nicht definiert, die offensichtliche Variablen enthalten, wie dieser Satz. |
I am not now concerned with common
sense reasons for doubt, such as mirrors, auditory hallucinations,
etc. I am willing to suppose that everything happened as we naturally think
it did, and even, to avoid irrelevances, that in all similar cases it has
so happened. In that case, my beliefs as to the causal antecedents of my
belief that Jones is in the neighbourhood are true. But true belief is
not the same thing as knowledge. If I am about to become a father, I may
believe, on grounds of astrology, that the child will be a boy, when the
time comes, it may turn out to be a boy; but I cannot be said to have known
that it would be a boy.
The question is: is the true belief in the above causal chain any better than the true belief based on astrology? _ _ |
Ich kümmere mich jetzt nicht um Gründe für Zweifel des gesunden Menschenverstandes etwa bei Spiegeln, akustischen Halluzinationen, etc. Ich bin bereit zuzugeben, dass alles, was so geschieht, wie wir es natürlich denken, und sogar, um Irrelevanzen zu vermeiden, dass in allen ähnlichen Fällen, es so geschehen ist. In diesem Fall ist mein Glaube wie an die kausalen Vorhergehenden wie an Jones ist in der Nachbarschaft wahr. Aber wahrer Glaube ist nicht dasselbe wie Wissen. Wenn ich kurz davor bin, Vater zu werden, kann ich aufgrund der Astrologie glauben, dass das Kind ein Junge sein wird, und wenn die Zeit gekommen ist, kann es sich erweisen, dass es ein Junge ist; aber es kann von mir nicht gesagt werden, dass ich wusste, dass es ein Junge sein würde. Die Frage ist: ist die Überzeugung in die obige Kausalkette irgendwie besser als die Überzeugung, die auf Astrologie basiert? |
It must be understood that I am not discussing
any inference performed by common sense.
Common
sense believes in naive realism, and makes no distinction between
physical and perceptual space. Many philosophers, although they have realized
that naive realism is untenable, nevertheless retain some opinions logically
connected with it, more particularly in this matter of different kinds
of space. The question that I am discussing is this: having realized all
that is implied in the rejection of naive realism, how can we enunciate
the hypothesis that there is physical space, and what sort of principle
would (if true) justify us in believing this hypothesis?
_ |
Es muss verstanden werden, dass ich keine Schlussfolgerungen, die mit dem gesunden Menschenverstand durchgeführt wurde, diskutiere. Gesunder Menschenverstand glaubt an naiven Realismus und macht keinen Unterschied zwischen physischem und wahrnehmbarem Raum. Viele Philosophen, obwohl sie erkannt haben, dass dieser naive Realismus unhaltbar ist, verbinden dennoch logische Meinungen mit dieser Frage nach den verschiedenen Räumen. Die Frage, die ich diskutiere, ist folgende: Wurde realisiert, was alles impliziert ist mit der Ablehnung des naiven Realismus, wie können wir die Hypothese behaupten, dass es physischen Raum gibt, und welche Art von Prinzip würde uns (wenn es wahr ist) berechtigen, dies Hypothese zu glauben? |
Aus: Russell, Bertrand (dt. 1991, engl. 1959)
Denker des Abendlandes (wisdom of the west). Überarbeitete Ausgabe
von 1976. München: dtv. Hier ist unklar, ob der nüchterne MV
dem GMV gleichgesetzt werden darf.
Aus: Russell, Bertrand. (dt. 1947, engl. 1938) Macht (Power) Wien: Europa-Verlag.
Gebrauchsbeispiel wissenschaftlicher
Mensch
Aus: Russell, Bertrand (dt. 1963, engl. 1961) Hat der Mensch noch eine
Zukunft? München: Kindler.
Gebrauchsbeispiel naiver
Mensch
Aus: Russell, Bertrand (dt. 2004, engl. 1926;
1.A. 1914 ) Unser Wissen von der Aussenwelt.
Hamburg; Meiner.
Durchschnittsmensch
Der Durchschnittsmensch wird nicht näher erläutert. Man sollte
ihn daher mit dem GMV interpretieren dürfen.
Durchschnittlicher Aktieninhaber
Links (Auswahl: beachte)
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Hier werden nur Links erfasst, die sich mit dem
gesunden Menschenverstand in der Mathematik befassen.
Suchen in der IP-GIPT,
z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff>
site: www.sgipt.org
z.B. Wissenschaft site: www.sgipt.org. |
korrigiert: irs 27. / 28.07.2018 / 14.08.2018 15.08.2018 / 17.08.2018 / 18.08.2018