Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=26.11.2015 Internet Erstausgabe, letzte Änderung: 22.12.15
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel   Stubenlohstr. 20   D-91052 Erlangen
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    Anfang_ Die Sprache der Mathematik am Beispiel zählen _ Rel. Aktuelles _Überblick_Überblick Wissenschaft _Rel. Beständiges_ Titelblatt_Konzept_Archiv_Region_Service iec-verlag__Wichtige Hinweise zu Links und Empfehlungen

    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Wissenschaft, Bereich Mathematik. und hier speziell zum Thema:

    Die Sprache der Mathematik
    am Beispiel zählen

    aus der Sicht eines mathematisch interessierten Laien

    Hilfsbegriffe Metamathematik - Die Sprache der Mathematik.

    von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Zusammenfassung zaehlen in der Mathematik
    Auslöser für diese kleine Dokumentation war die Frage in einer Mathe Newsgroup, was denn der Unterschied zwischen zählen und  abzählbar  sein soll und warum zählen nicht genügt, denn was man abzählen kann, das zählt man ja. Die Antworten waren für mich nicht zufriedenstellend, so dass ich mich daran gemacht habe, zu erkunden, wie das Zählen in der Mathematik gesehen wird.
        Zählen ist zweifellos eine der ganz großen frühen Kulturleistungen der Menschheit, eine der Grundlagen der Mathematik und sehr wichtig für die Wissenschaften, das Alltags- und das Wirtschaftsleben mit einigen wenigen Ausnahmen. Von daher sollte man erwarten, dass zählen in mathematischen Darstellungen eine besondere Aufmerksamkeit erfährt. Doch das Gegenteil ist der Fall. "Zählen" enthält bei den meisten der von mir eingesehenen Lexika, Wörter- und Fachbüchern der Mathematik keinen Sachregistereintrag, Lexikon- oder Wörterbucheintrag  (Ausnahmen: B06, B13, B15, B16, B17, B22, ), dagegen ist der merkwürdige und dubiose Begriff "abzählbar" fast überall vertreten. Vermutlich wird zählen als zu selbstverständlich ("trivial") angesehen, so dass man besondere Einträge für überflüssig hält ("Die ganzen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere ist Menschenwerk" [Kronecker]). Diese Interpretation spräche - positiv betrachtet - dafür wie tief und breit zählen in all den Kulturen gesehen wird, in denen Mathematik eine wichtige Rolle spielt.
        Mit zählen gebe ich nun ein zweites, weiteres Beispiel - das erste war Kommutativität - für die Merkwürdigkeiten in der Sprache der Mathematik. Abzählbar beschreibt dem Wortsinn und der mathematischen Handlung nach nur eine Möglichkeit, wie die Nachsilbe "bar" schon deutlich macht. Seit der Mengenlehre, aus der dieser Begriff hervorging, hat man mit diesem Begriff viel Unsinn angestellt. Insbesondere versucht man uns z.B. weiszumachen, es gäbe z.B. genau so viele natürliche wie gerade oder ungerade Zahlen - aber "nur" im Unendlichen heißt es dann immer wieder beruhigend. "Das" Unendliche als fix und fertiges Ganzes - die sog. aktual unendliche Menge - ist natürlich ein selbstwidersprüchlicher Begriff, den man aber per Definitionem eingeführt hat und der mit autoritärer Mehrheitsdogmatik durchgesetzt und aufrechterhalten werden soll.
        Zum Zählen braucht man einen Gegenstandsbereich, den man zählen will, und ein Zählsystem, mit dem man zählt. Voraussetzung ist, dass in beiden Bereichen wohlunterscheidbare Gegenstände und Zahlen zur Verfügung stehen, die man 1:1 einander zuordnen kann. Die natürlichen Zahlen erfüllen das auf der Zählsystemseite perfekt.
        Denkpsychologisch erfordert Zählbarkeit  Unterscheidbarkeit  der Zählobjekte (> Einheiten der Wahrnehmung). Man kann nicht zählen, was man nicht unterscheiden kann. Zählen geht nur im Diskreten und im Endlichen.
        Worte mit "zähl" (Auswahl): abzählbar, abzählen, anzählen, aufzählen, auszählen, zählbar, zählen, zusammenzählen.

    Ergebnisse der Erkundung
    Die Beispiele sind unsystematisch, so wie sie mir über den Weg gelaufen sind oder einfielen, angeordnet. Neue werden im Laufe der Zeit einfach angehängt.

      B01  Kein SR-Eintrag Zaehlen im Fischer Lexikon Mathematik 1 und 2, wohl abzählbare Mengen in I.
      B02  Kein SR-Eintrag Zaehlen im dtv-Atlas Mathematik 1 und 2, wohl abzählbar.
      B02b  Zaehlprozess dtv-Atlas Mathematik 1, S. 49
      B03  Kein SR-Eintrag Zaehlen im Handbuch der Mathematikdidaktik (2015), auch nicht abzählbar.
      B03.1 Fundstelle S. 78 Noch eins
      B03.2 Fundstelle S. 79a:  Ersatzmengen
      B03.3 Fundstelle S. 79b:
        1. eineindeutige Zuordnung;
        2. Ersatzmenge diskrete homogene Einheiten;
        3. analogische Zuordnung.
      B04  Kein SR-Eintrag Zaehlen im dtv-Atlas Schulmathematik, obwohl prominente Verwendung S. 27. Abzählbar hat keinen direkten eigenen Eintrag, findet sich aber unter Menge: abzählbar, abzählbar unendliche Menge.
      B04.1 Zählzahlen = natürliche Zahlen.
      B05  Kein SR-Eintrag Zaehlen in Rechnen und Mathematik von Athen & Bruhn, aber abzählbare Mengen.
      B06  SR-Eintrag Zaehlen, auch abzählbar, im Lexikon der Mathematik, Bd. 5 (Spektrum)
      B07  Kein SR-Eintrag Zaehlen in Mathematisches Woerterbuch (Naas & Schmid 1972-74), aber abzählbar.
      B08  Kein SR-Eintrag Zaehlen im Fachlexikon ABC Mathematik (1978), aber abzählbar unendlich, Verweis Menge.
      B09  Kein SR-Eintrag Zaehlen in der Begriffswelt der Mathematik (Ruzsa 1976), aber abzählen, abzählbar.
      B10  Kein SR-Eintrag Zaehlen in Der kleine Duden Mathematik (1986), wohl abzählbar.
      B11  Kein SR-Eintrag Zaehlen im Duden Rechnen und Mathematik (1994), wohl abzählbar.
      B12  Kein SR-Eintrag Zaehlen im Schueler-Rechenduden (1966), auch nicht abzählbar.
      B13  SR-Eintrag Zaehlen in Moritz Cantor (1907) Vorlesungen über Geschichte der Mathematik
      B14  Zaehlen in Dinglers Strichkalkül und Zählzahlen (1944)
      B15  Viele Einträge Zaehlen in Ifrah Universalgeschichte der Zahlen
      B15.1 Fundstelle S. 14 Frühgeschichte des Zählens.
      B16  SR-Einträge Zaehlen in Bentleys Buch der Zahlen
      B17  SR-Einträge Zaehlen in Menningers Zahlwort und Ziffer
      B18  Kein SR-Eintrag Zaehlen in Artmanns Der Zahlbegriff (1983)
      B19  Kein SR-Eintrag Zaehlen, auch nicht abzählbar, in Rödler Was ist eine Zahl? Was heißt rechnen? (In Mathematik Verstehen)
      B19.1 Fundstelle S. 132  Wie wir zählen
      B20  Kein SR-Eintrag Zaehlen in der Kleinen Enzyklopädie Mathematik (1980), wohl abzählbar.
      B21  Kein Eintrag Zählen im Mathematischen Begriffswörterbuch Meschkowskis (1966), wohl abzählbar.
      B22  Zählen in Dehaene (1999) Der Zahlensinn, nicht erwähnt: abzählbar.
      B23  Zählen in Robert Grassmanns Formenlehre IV (1872)
      B24  Kein SR-Eintrag Zählen in Aigner Diskrete Mathematik > Begriff nach Aigner. Das Sachregister enthält "Zählfunktion, 1", nicht zählen und nicht abzählbar.
      B25  Kein SR-Eintrag Zählen in Lipschutz Finite Mathematik  > Begriff zu Lipschutz. Das Sachregister enthält "Zahlen", nicht zählen und nicht abzählbar. aber Abzählprinzip, fundamentales.
      B26 Zählen bei Karlson (1954), Erstes Kapitel "Vom Zählen". Das Buch enthält kein Sachregister, aber ein ausführliches Inhaltsverzeichnis.
      B27  Kein SR-Eintrag Zählen in Bartels Zahlentheorie (1976), auch nicht abzählbar.
      B28  Zählen (eigentlich Zählmethoden) nach Beutelspacher & Zschiegner (2014)
      B29  Kein SR-Eintrag Zählen in Deiser et al. (2016), obwohl ausführliche Erklärung in Kap. 2.1
      B30  Kein SR-Eintrag in Freys Die Mathematisierung unserer Welt, aber Zählen und Messen findet sich im Inhaltsverzeichnis unter "Zählen und Messen".
       

      Exkurs-1:  Helmholtz Zählen und Messen erkenntnistheoretisch betrachtet.
      Exkurs-2:  Der Beitrag Piagets zum Zählen.
      Exkurs-3:  Können Tiere zählen? Ein Rabe, der bis zu 4 Personen unterscheiden konnte. Ein Feldexperiment.
      Exkurs-4:  Ein paar Gedanken zur kognitiven Entwicklungspsychologie des Zählens.
      Exkurs-5   Gedanken zu einem neurowissenschaftlichen Versuchplan zur Frage angeborener Zählfähigkeiten.
      Exkurs-6   Eigene Betrachtungen zu Zählmodellen
       
       

    Literaturverzeichnis (inspizierte Arbeiten):
    Glossar, Anmerkungen und Fußnoten:
      Ausnahmen, Diskrete Mathematik: [Aigner, Lexikon, Beutelspacher], Einheiten der Wahrnehmung, Finite Mathematik, Originalzitat Dehaene (Peano-Axiome und Nicht-Standard-Modelle),



    B01 Zaehlen im Fischer Lexikon Mathematik 1 und 2
    Obwohl man es kaum für möglich hält, findet sich in den beiden Bänden DAS FISCHER LEXIKON MATHEMATIK kein Eintrag "zählen":


    B02 Zaehlen im dtv-Atlas Mathematik 1 und 2
    Obwohl man es kaum für möglich hält, findet sich in den beiden Bänden DAS FISCHER LEXIKON MATHEMATIK kein Eintrag "zählen", nur einer zum "Zählprozess" (s.u.) im Kontext Ordinalzahlen:

    B02b Zaehlprozess dtv-Atlas Mathematik 1, S. 49



    B03 Zaehlen im Handbuch der Mathematikdidaktik (2015)
    Kein Sachregistereintrag zählen, obwohl das Wort ziemlich oft vorkommt.

    B03.1 Fundstelle S. 78 Noch eins "4.1.1. Ursprünge
    "Zahlen entspringen dem Zählen. Zählen, das gedankliche Sich-Einlassen auf den sich wiederholenden Vorgang des „noch-eins, noch-eins, …“ oder auch „noch-mal, noch-mal, …“ benötigt eine Ausdrucksform, ein Festhalten „wie viel“ beim Zählen vorliegt oder auch „wie weit“ man beim Zählen gelangt."

    B03.2 Fundstelle S. 79a:  Ersatzmengen
    "Ein wichtiger Schritt auf dem Wege der Entwicklung der Zahl zu einem eigenständigen Denkobjekt ist die Benutzung gegenständlicher Ersatzmengen zum Zählen wie Steine, Muscheln oder Stäbchen. ..."

    B03.3 Fundstelle S. 79b:  eineindeutige Zuordnung; Ersatzmenge diskrete homogene Einheiten; analogische Zuordnung.
    "Die Bedeutung dieses Stadiums für die Entwicklung des Zahlbegriffs charakterisiert Krämer (1988) durch drei wichtige Aspekte:

    1. 1. Zahl und gezählte Gegenstandsmenge werden getrennt. Durch eineindeutige Zuordnung wird die Anzahl der zu zählenden Objekte auf die Anzahl der benötigten Ersatzgegenstände vererbt. Die fortlaufende Aneinanderreihung gleichartiger Elemente enthält das Bildungsgesetz der natürlichen Zahlen.
    2. 2. Die Gegenstände der Ersatzmenge sind diskrete, homogene Einheiten. Sie unterstützen dadurch den Vorgang der Abstraktion (des Absehens) von den vielen je spezifischen Eigenschaften der zu zählenden Dinge und konzentrieren die Aufmerksamkeit auf den Anzahlaspekt. Sie helfen also, das Denken von unwichtigem Ballast zu befreien.
    3. 3. Die Zuordnung zwischen Gegenstandsmenge und Ersatzmenge ist eine analogische. Die wirkliche Ablösung der Zahl von den gezählten Gegenständen ist erst erreicht, wenn an die Stelle der analogischen Ersatzgegenstände Zeichensysteme mit einer eigenen Strukturbildung treten (siehe 1.3)."

    B04 Zählen im dtv-Atlas Schulmathematik
    Kein Sachregistereintrag zählen., obwohl zählen im Text prominent verwendet wird (B04.2). Abzählbar hat einen direkten eigenen Eintrag, findet sich aber unter Menge: abzählbar, abzählbar unendliche Menge.

    B04.1 Fundstelle S. 27: Zählzahlen = natürliche Zahlen


    B05 Zaehlen in Rechnen und Mathematik von Athen & Bruhn
    Kein Eintrag zählen im SR aber abzählbar.


    B06 Zaehlen im Lexikon der Mathematik, Bd. 5 (Spektrum)
    Enthält einen Eintrag zählen und einen Eintrag abzählbar.


    B07 Zaehlen in Mathematisches Woerterbuch (Naas & Schmid 1972-74)
    Zählen hat hier keinen eigenen Eintrag (Zähe Flüssigkeit, Zähigkeit, Zähigkeitskoeffizient, Zahl ...)


    B08 Zaehlen im Fachlexikon ABC Mathematik (1978).
    Z beginnt mit Zahl, daher hat zählen keinen Eintrag, aber abzählbar unendlich mit Verweis Menge. Im Stichwort Zahl wird aber ausgeführt:



    B09 Zaehlen in der Begriffswelt der Mathematik (Ruzsa 1976)
    Zählen ist hier nicht vorgesehen - wohl abzählen und abzählbare Menge -, zumindest dem Sachregister nach:


     


    B10 Zaehlen in Der kleine Duden Mathematik (1986)
    Kein Eintrag zählen, wohl abzählbar. Aber erwähnt im Eintrag Zahl:


    B11 Zaehlen im Duden Rechnen und Mathematik (1994)
    Kein Eintrag zählen und nicht einmal Zahl. Z beginnt mit Zahlenarten, worin auch zählen erwähnt wird:


    B12 Zaehlen im Schueler-Rechenduden (1966)
    Kein Eintrag zählen, auch nicht abzählbar, aber Zahl, worin zählen erwähnt wird:


    B13 Zaehlen in Moritz Cantor (1907) Vorlesungen über Geschichte der Mathematik
    Im Sachregister (S. 914 - S. 941) wird nur zählen definiert 4. erwähnt. Tatsächlich kommt es viel öfter vor (4, 5, 6, 7, 8, 11, 13, 24, 32, 36, 37, 82, 87, 88, 134, 169, 204, 253, 530, 689, Original gesperrt = hier fett.

    "Zählen, insofern damit nur das bewußte Zusammenfassen bestimmter Einzelwesen gemeint ist, bildet, wie scharfsinnig hervorgehoben worden ist S4-FN1), keine menschliche Eigentümlichkeit; auch die Ente zählt ihre Jungen. Diesem niedersten Standpunkte ziemlich nahe bleibt das, was von einem südafrikanischen Stamme berichtet wird S4-FN2), daß während wenige weiter zählen können als zehn, dessen ungeachtet ihre Vorstellung von der Größe einer Herde Vieh so bestimmt ist, daß nicht ein Stück daran fehlen darf, ohne daß sie es sogleich merkten. „Wenn Herden von 400 bis 500 Rindern zu Hause getrieben werden, sieht der Besitzer sie hereinkommen und weiß bestimmt ob einige fehlen, wieviel und sogar welche. Wahrscheinlich haben sie eine Art zu zählen, bei welcher sie keine Worte brauchen und wovon sie nicht Rechenschaft zu geben wissen, oder ihr Gedächtnis erlangt für diesen einzelnen Gegenstand durch die Übung eine so ungemeine Stärke." Ohne nach so fernen Gegenden unseren Blick zu richten, können wir ähnliche Erfahrungen täglich an ganz kleinen Kindern machen, welche sofort wissen, wenn von Dominosteinen etwa, mit denen sie zu spielen gewohnt sind, ein einzelner fehlt, während sie sich und anderen über die Anzahl ihrer Steine noch nicht Rechenschaft zu geben wissen. Sie kennen eben die Einzel-Individuen als einzelne, nicht als Teile einer Gesamtheit, und ihr Gedächtnis ist [>5] für die Erinnerung an Angeschautes um so treuer, je weniger andere Eindrücke es zu bewahren hat. In der Sprache drückt sich diese Individualisierung nicht selten dadurch aus, daß dieselbe Anzahl je nach den gezählten Dingen einen anderen Namen führt, wie es bei manchen ozeanischen Völkerstämmen, aber auch für Sammelwörter im Deutschen vorkommt, wenn man von einem Koppel Hunde oder, wenn deren mehrere sind, von einer Meute Hunde, von einer Herde Schafe, von einem Rudel Hirsche, von einer Flucht Tauben, von einer Kette Feldhühner, von einem Zug Schnepfen, von einem Schwarm Bienen zu reden pflegt S5-FN1).
        Das eigentliche Zählen, das menschliche Zählen, wenn man so sagen darf, setzt voraus, daß die Gegenstände als solche gleichgültig geworden sind, daß nur das getrennte Vorhandensein unterschiedener Dinge begrifflich erfaßt, dann sprachlich bezeichnet werden soll. Es liegt darin bereits eine keineswegs unbedeutende Äußerung der Fähigkeit zu verallgemeinern, zugleich auch eine ihrer frühesten Äußerungen, denn die Zahlwörter gehören zu den ältesten Teilen des menschlichen Sprachschatzes. In ihnen lassen sich oft noch Ähnlichkeiten, mithin Beweise alter Stammesgemeinschaft später getrennter Völker auffinden, während kaum andere Wörter auf die gleiche Zeit eines gemeinsamen Ursprunges zurückdeuten. Und was war nun der ursprüngliche Sinn dieser ältesten, der Entstehungszeit wie dem Inhalte nach ersten Zahlwörter? Die Annahme hat gewiß viel für sich, daß sie anfänglich nicht Zahlen, sondern ganz bestimmte Gegenstände bedeuteten, sei es nun, daß man von der eigenen, von der angeredeten, von der besprochenen Persönlichkeit, also von den Wörtern: ich, du, er ausging, um aus ihnen den Urklang für: eins, zwei, drei zu gewinnen S5-FN2), sei es, daß man von Gliedmaßen seines Körpers deren Anzahl entnahm S5-FN3): „Es war dem Menschen ohne Zweifel ein eben so interessantes Bewußtsein fünf Finger als zwei Hände oder zwei Augen zu haben; und das Interesse an dieser Kenntnis, welche einmal einer Entdeckung bedurfte, war ihm die Schöpfung eines zu deren Zählung eigens verwendbaren Ausdruckes wohl wert; von hier aus mag der Gebrauch auf andere zu zählende Dinge übertragen worden sein, zunächst auf solche, bei denen es auffallen mochte, daß sie in ebenso großer Zahl vorhanden waren, als die Hand Finger hat." Wir wiederholen es, solche Annahmen haben viel für sich, sie tragen ihre beste Empfehlung in sich selbst, aber leider auch ihre einzige. Die Sprachforschung hat nicht vermocht deren Bestätigung zu liefern, [>6] oder vielmehr jeder, der mit der Deutung der Zahlwörter sich befaßte, hat aus ihnen diejenigen Zusammenhänge zu erkennen gewußt, welche seiner Annahme entsprachen, lauter vollgelungene Beweise, wenn man den einen hört, sich gegenseitig vernichtend, wenn man bei mehreren sich Rat holt, und dieser mehreren sind obendrein recht viele. Sind demnach die eigentlichen Fachmänner über Ursprung der ältesten einfachen Zahlwörter im Hader, so müssen wir um so mehr darauf verzichten, auf die noch keineswegs erledigten Fragen hier einzugehen. Einige Sicherheit tritt erst bei Besprechung der abgeleiteten, also jüngeren Zahlwörter hervor.
        Es ist leicht begreiflich, daß auch die regste Einbildungskraft, das stärkste Gedächtnis es nicht vermochten, für alle aufeinander folgenden Zahlen immer neue Wörter zu bilden, zu behalten. Man mußte mit Notwendigkeit sehr bald zu gewissen Zusammensetzungen schreiten, welchen die Entstehungsweise einer Zahl aus anderen zugrunde liegt, welche uns aber damit auch schon einen unumstößlichen Beweis für die hochwichtige Tatsache liefern: daß zur Zeit, als die meisten Zahlwörter erfunden wurden, der Mensch von dem einfachsten Zählen bereits zum Rechnen vorgeschritten war.
        Das älteste Rechnen dürfte durch ein gewisses Anordnen vermittelt worden sein, sei es der Gegenstände selbst, denen zuliebe man die Rechnung anstellte, sei es anderer leichter zu handhabender Dinge. Kleine Steinchen, kleine Muscheln können die Vertretung übernommen haben, wie sie es noch heute bei manchen Völkerschaften tun, und diese Marken, diese Rechenpfennige würde man heute sagen, werden in kleinere oder größere Häufchen gebracht, in Reihen gelegt das Zusammenzählen ebenso wie das Teilen einer gegebenen Menge wesentlich erleichtert haben. So lange man es nur mit kleinen Zahlen zu tun hatte, trug man sogar das leichteste Versinnlichungsmittel stets bei sich: die Finger der Hände, die Zehen der Füße. Man reichte freilich unmittelbar damit nicht weit, und Völkerschaften des südlichen Afrika zeigen uns gegenwärtig noch, wie genossenschaftliches Zusammenwirken die Schwierigkeit besiegt, mit nur zehn Fingern größere Anzahlen sich zu versinnlichen S6-FN1): „Beim Aufzählen, wenn es über Hundert geht, müssen in der Regel immer drei Mann zusammen diese schwere Arbeit verrichten. Einer zählt dann an den Fingern, welche er einen nach dem andern aufhebt und damit den zu zählenden Gegenstand andeutet oder womöglich berührt, die Einheiten. Der zweite hebt seine Finger auf (immer mit dem kleinen [>7] Finger der linken Hand beginnend und fortlaufend bis zum kleinen Finger der Rechten) für die Zehner, so wie sie voll werden. Der dritte figuriert für die Hunderte."
        Die hierbei festgehaltene Ordnung der Finger mag man nun erklären wollen, wie es auch sei S7-FN1), sie findet statt und wird uns im Verlaufe der Untersuchungen als Grundlage des sogen. Fingerrechnens noch mehr als einmal begegnen. Sie wird sogar abwechselnd mit der entgegengesetzten Ordnung benutzt, um einem einzelnen zu ermöglichen beliebig viele Gegenstände abzuzählen. Ist nämlich mit dem kleinen Finger der rechten Hand die Zehn erfüllt worden, so beginnt mit eben demselben allein aufgehoben die nächste Zehnzahl, um dieses Mal nach links sich fortzusetzen, d. h. der kleine Finger der linken Hand vollendet die Zwanzig und wird zugleich auch wieder Anfang der nächsten Zehnzahl usf. Natürlich muß bei dieser Zahlenangabe, wenn es nicht um ein allmähliches Entstehen, sondern um ein einmaliges Ausdrücken einer Zahl sich handelt, besonders angedeutet werden, daß und wie oft Zehn vollendet wurde, was etwa so geschehen kann wie bei den Zulukaffern S7-FN2), die in solchem Falle beide Hände mit ausgestreckten Fingern wiederholt zusammenschlagen.
        Es ist wohl zu beachten, daß diese letztere Methode der Versinnlichung einer Zahl, einfacher insoweit als sie nur die Hände eines einzigen beschäftigt, begrifflich weit unter jener anderen Methode steht, die unmittelbar vorher gekennzeichnet wurde und drei oder gar noch mehrere Darsteller einer Zahl erfordert. Der einzelne kommt durch die Zehnzahl der menschlichen Finger allerdings dazu, die Gruppe Zehn als eine besonders hervortretende zu erkennen, aber wie oft diese Gruppe selbst auch erzeugt werde, jede Neuerzeugung ist für ihn der anderen ebenbürtig. Ganz anders bei der Methode stufenmäßiger Darstellung durch mehrere Personen. Wie der Erste so hat der Zweite, der Dritte nur je zehn Finger, und so erscheint die Gruppierung von zehn Einern zwar zunächst, aber in gleicher Weise auch die von zehn Zehnern, von zehn Hundertern. Das scheinbar umständlichere Verfahren führt zu dem einfacheren Gedanken, zum Zahlensystem. Wenn von einem Schriftsteller S7-FN3) darauf hingewiesen worden ist, daß die Wiederholung der Zehnzahl bis zu 10 mal 10 sich bei Erfüllung der nächsten 10 ebensowohl zu 11 mal 10 als zu 10 mal 10 und 10, in Worten ebensowohl zu elfzig als zu hundertzehn fortsetzen konnte, und daß es ein besonders glücklicher Griff war, der fast allen Völkern der Erde gelang, soweit [>8] ihre Fassungskraft überhaupt bis zum Bewußtwerden bestimmter höherer Zahlen ausreicht, gerade die Wahl zu treffen, welche dem Zahlensystem seine Grundlage gab, so ist diese feine Bemerkung vielleicht dahin zu ergänzen, daß auf eine der hier erörterten nahestehende Weise jene glückliche Wahl eingeleitet worden sein mag.
        Über die Grundzahlen solcher Zahlensysteme werden wir sogleich noch reden. Fürs erste halten wir daran fest, daß Zahlensysteme eine allgemein menschliche Erfindung darstellen, in allen bekannt gewordenen Sprachen zu einer Grundlage der Bildung von bald mehr bald weniger Zahlwörtern benutzt, indem höhere Zahlen durch Vervielfältigung von niedrigeren zusammengesetzt werden und bei Benennung der Zwischenzahlen auch Hinzufügungen noch notwendig erscheinen. Multiplikation und Addition sind also zwei Rechnungsverfahren so alt wie die Bildung der Zahlwörter.
        Das Zahlensystem, welches wir in seinem Entstehen uns zu vergegenwärtigen suchten, wurde, sofern es auf der Grundzahl Zehn fußte, zum Dezimalsystem, heute wie unserem Zifferrechnen so auch in unseren Maßen, Gewichten, Münzen fast der ganzen gebildeten Erdbevölkerung unentbehrlich. Wir haben als wahrscheinlich erkannt, daß es nach der Zahl der Finger sich bildete, aber eben vermöge dieses Ursprunges war es nicht das allein mögliche. Wie man sämtliche Finger durchzählen konnte, um eine Einheit höheren Ranges zu gewinnen, so konnte man Halt machen nach den Fingern nur einer Hand, man konnte neben den Fingern der Hände die Zehen der Füße benutzen. In dem einen Falle blieb man beim Quinarsysteme, in dem anderen ging man zum Vigesimalsystem über.
        Ein strenges Quinarsystem würde, wie leicht ersichtlich, 5 mal 5 oder 25, 5 mal 5 mal 5 oder 125 usw. als Einheiten höheren Ranges nächst der 5 selbst besitzen müssen, welche durch einfache oder auch zusammengesetzte Namen bezeichnet mit den Namen der Zahlen 1, 2, 3, 4 sich vereinigen, um so alle zwischenliegende Zahlen zu benennen. Ein solches strenges Quinarsystem gibt es nicht S8-FN1). Dagegen gibt es Quinarsysteme in beschränkterem Sinne des Wortes, wenn zur Benutzung dieses Wortes schon der Umstand als genügend erachtet wird, daß die Fünf bei allmählicher Zahlenbildung einen Ruhepunkt gewähre, von dem aus eine weitere Zählung wieder anhebt.
        Was dementsprechend von einem strengen Vigesimalsysteme zu verlangen ist, leuchtet gleichfalls ein: ein solches muß die Grundzahl 20 durchhören lassen, muß die Einheit höheren Ranges 20 mal [>9] 20 oder 400, vielleicht auch noch höhere Einheiten unter besonderen Namen besitzen. Sprachen, in welchen dieses System maßgebend ist, hat man mehrfach gefunden. Die Mayas in Yukatan S9-FN1) haben eigene Wörter für 20, 400, 8000, 160000. Die Azteken in Mexiko S9-FN2) hatten wenigstens besondere Wörter für 20, 400, 8000 mit der Urbedeutung: das Gezählte, das Haar, der Beutel, wobei auffallend erscheinen mag, daß das Haar eine verhältnismäßig niedrige Zahlenbedeutung hat, während es in karaibischen Sprachen S9-FN3) weit übereinstimmender mit der Wirklichkeit eine sehr große Zahl auszudrücken bestimmt ist. Noch andere Beispiele eines bemerkbaren mehr oder minder durchgeführten Vigesimalsystems hat vornehmlich Pott, dem wir hier fast durchweg folgen, in Fülle gesammelt. Wir erwähnen davon nur als den meisten unserer Leser zweifellos bekannt die Überreste eines keltischen Vigesimalsystems in der französischen Sprache in Wörtern wie quatrevingts, sixvingts, quinzevingtsS9-FN4). Von dänischen Überresten eines Systems, in welchem Vielfache von 20 eine Rolle spielen, ist weiter unten in etwas anderem Zusammenhange die Rede.
        Den Ursprung der drei Systeme, deren Grundzahlen 5, 10, 20 heißen, haben wir oben in die Finger und Zehen des Menschen verlegt. Auch dafür sind sprachliche Anklänge vorhanden. Zwischen den Wörtern für 5 und für Hand ist in manchen Sprachen völlige Gleichheit, in anderen nahe Verwandtschaft S9-FN5). Alsdann darf man aber wohl annehmen, daß es früher wünschenswert war die Glieder des eigenen Körpers zu benennen, als Zahlwörter zu bilden, daß also 5 von Hand abgeleitet wurde, nicht umgekehrt. Das Wort für 10 heißt in der Korasprache S9-FN6) (einem amerikanischen Idiome) so viel wie Darreichung der Hände, und daß ein und dasselbe Wort 20 und Mensch bedeutet kommt mehrfach vor S9-FN7). Ob freilich, wie manche wollen, auch das deutsche zehn mit den Zehen, das lateinische decem mit digiti in Verbindung gebracht werden darf, darüber gehen die Meinungen weit auseinander, und Pott, unser Gewährsmann, steht auf der Seite der Verneinenden. Jedenfalls ist aber schon durch die erwähnten Beispiele ein innerer Zusammenhang der drei genannten Systeme untereinander und mit den menschlichen Extremitäten hinlänglich unterstützt. Gibt es nun Sprachen, in welchen auch andere Grundzahlen als 5, 10 oder 20 sich nachweisen lassen?"
     

      Fußnoten Moritz Cantor
      S4-FN1) H. Hankel, Zur Geschichte der Mathematik im Alterthum und Mittelalter. Leipzig 1874. S. 7. Wir zitieren dieses Buch künftig immer als Hankel. Einen ganz ähnlichen Gedanken hat (nach Kaestner, Geschichte der Mathematik I, 242) auch schon Pietro Bongo (oder Bungus) in seinem Werke Numerorum mysteria (1599, II. Auflage 1618) ausgesprochen.
      S4-FN2) Pott, Die quinäre und vigesimale Zählmethode bei Völkern aller Welttheile, Halle 1847. S. 17. Dieses Buch zitieren wir in der ganzen Einleitung als Pott I, während Pott II die Schrift desselben Verfassers: Pott, Die Sprachverschiedenheit in Europa an den Zahlwörtern nachgewiesen, sowie die quinäre und vigesimale Zählmethode. Halle 1868, bedeuten soll.
      S5-FN1) Pott I, S. 126.
      S5-FN2) Pott I, S. 119.
      S5-FN3) L. Geiger, Ursprung und Entwickelung der menschlichen Sprache und Vernunft. 1868. Bd. I, S. 319
      S6-FN1) Schrumpf in der Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft XVI, 463.
      S7-FN1) Pott II, S. 46, aber auch S. 31 und 42.
      S7-FN2) Pott II, S. 47.
      S7-FN3) Hankel, S. 10-11
      S8-FN1) Pott II, S. 35 und 46 in den Anmerkungen.
      S9-FN1) Pott I, S. 93.
      S9-FN2) Pott I, S. 97-98.
      S9-FN3) Pott II, S. 68.
      S9-FN4) Pott I, S. 88.
      S9-FN5) Pott I, S. 27 flgg. und S. 128 flgg. führt Beispiele aus ozeanischen Sprachen, aus dem Sanskrit und dem Hebräischen an, wenn er auch den letzteren gegenüber, die von Benary und Ewald herrühren, sich ziemlich skeptisch verhält.
      S9-FN6) Pott I, S. 90.
      S9-FN7) Pott I, S. 92.



    B14 Zaehlen in Dinglers Strichkalkül und Zählzahlen (1944)
     
    Strichkalkül. Einführung und Begründung der natürlichen Zahlen durch den Strichkalkül [Dingler 1944 - Grundidee schon 1915 -  neu herausgegeben 1964 durch Lorenzen; auch 1965], der auf zwei einfachsten Regeln beruht: 1) => | . 2) n => n| . 1) gibt die Anfangsregel, 2) die Fortsetzungsregel wieder. Dingler (1944 neu nach 1964, S. 61]) führt aus:


    B15 Zaehlen in Ifrah Universalgeschichte der Zahlen
    Zählen wird im Sachregister (S. 591) vielfach aufgeführt:
     
      "Zählen 14 ff, 21-52,55, 57 ff, 62,64, 66 ff, 84, 110, 117, 122, 136, 146, 150, 173, 175 f, 181, 188, 192, 257, 260, 309, 384, 392, 491
      - mit Fingern 14, 16, 30-34, 36-40, 44, 47-52, 55, 57-40, 67, 74, 79 f, 82, 87-96, 98-109, 112, 173, 450
      - mit Gegenständen 14, 28 f, 33 f, 36, 47 f, 117 ff, 189 f, 231, 257, 262
      - mit Kerben 14 ff, 28,33,36,47 f, 110-116, 173, 260
      - mit Knoten 16, 33, 47 f, 122 ff, 128
      - mit Körperteilen 14 ff, 30-34, 36-40,42 f, 48 f, 98, 102, 450"


    B15-1  Fundstelle S. 14 Frühgeschichte des Zählens
    "Diese Geschichte hat vor sehr langer Zeit begonnen, und man weiß auch nicht genau, wo sie begonnen hat. Am Anfang war der Mensch nicht fähig, Zahlen zu erfassen, er konnte noch nicht zählen. In seiner Vorstellung waren Zahlen konkrete, von der wahrgenommenen Natur nicht ablösbare Gegebenheiten.
        Heutzutage befinden sich noch einige der »primitiven« Völker Ozeaniens, Afrikas und Amerikas in einem solchen Urzustand des Zahlenbewußtseins. Eins, zwei und viele sind die einzigen numerischen Größen, die diese Eingeborenen wahrnehmen können. Sie lassen sich dabei von der angeborenen Fähigkeit leiten, Mengen konkreter Gegenstände zu erfassen, und können so lediglich ein einzelnes Objekt oder ein Paar wahrnehmen, bezeichnen und unterscheiden.
        Es ist aber nicht nötig, »zählen« zu können wie wir, um das Datum einer Zeremonie festzuhalten und weiterzugeben oder um festzustellen, ob die Hammel, Ziegen und Ochsen, die man morgens auf die Weide getrieben hat, am Abend alle wieder zurückgekehrt sind. Selbst wenn Sprache, Erinnerung und abstraktes Denken vollkommen versagen, kann man sich verschiedener Hilfsmittel bedienen, um einen solchen Zählvorgang durchzuführen. Einige »primitive« Völker, die lediglich einzelne Einheiten einander zuordnen können, schnitzen zu diesem Zweck Kerben in Knochen oder Holz. Andere behelfen sich mit dem Aufhäufen oder Aneinanderreihen von Steinen, Muscheln, Knöchelchen oder Stäbchen. Wieder andere nehmen die verschiedenen Teile ihres Körpers zu Hilfe und benützen Finger und Zehen, Arm- und Beingelenke, Augen, Nase, Mund, Ohren, Brüste, Brustkorb usw.
        Die Natur liefert zahlreiche Vorbilder: Die Flügel eines Vogels können z.B. das Paar verkörpern, gewöhnliche Kleeblätter die Zahl Drei, die Füße eines Vierfüßlers die Vier, die Finger einer Hand die Fünf, die Finger beider Hände zusammen die Zehn usw.
        So in eine Welt voller Zahlen gestellt, begann der Mensch zwangsläufig zu zählen und entwickelte nach und nach die abstrakten Zahlen.
        Da alle einmal damit angefangen haben, mit den Fingern zu zählen, basieren die meisten gegenwärtig existierenden Zahlensysteme auf der Zahl Zehn. Einige frühere Kulturen haben statt dessen die Zahl Zwölf gewählt. Die Maya, die Azteken und die Kelten benutzten - da man sich nur ein wenig zu bücken brauchte, um auch die Zehen mitzuzählen - die Zahl Zwanzig als Basis. Die Sumerer, die Erfinder der ältesten bekannten Schrift, und die Babylonier, die allein wegen der Entdeckung der Null einen Ehrenplatz in der Weltgeschichte verdienten, wählten als Grundlage ihres Zahlensystems die Zahl Sechzig; aus welchem Grunde ist nicht bekannt. Sie haben uns die Unterteilung in Stunden, Minuten und Sekunden hinterlassen, die unseren Schülern so schwer fällt, ebenso den seltsamerweise in 360 Grad unterteilten Kreis. Aber das ist bereits höhere Rechenkunst. ..."



    B16 Zaehlen in Bentleys Das Buch der Zahlen
    Zählen wird im Sachregister von Bentleys Das Buch der Zahlen erfasst (S. 264):

    Und auf S. 14f findet sich: "Das Zählen ist eine knifflige Angelegenheit -besonders, wenn man keine Ahnung davon hat, was Zahlen sind. Die ersten zählenden Menschen werden Magier oder Schamanen gewesen sein. Ihre magische Zählfähigkeit war nötig, als verschiedene Stämme begannen, einander zu bekämpfen. Wer einen Stamm anführt und eine große Anzahl von Kriegern für die Verteidigung [>15] (oder den Angriff) befehligt, will wissen, ob alle Krieger aus der Schlacht wieder zurückgekehrt sind oder nicht. Manche Stämme hatten den Brauch, eine Entschädigung entsprechend der Verluste zu verlangen (ich habe fünfzehn Mann verloren, jetzt bekomme ich fünfzehn Büffel von dir). Aber wie handelt man eine faire Entschädigung aus, wenn es kein Wort für fünfzehn gibt und man nicht zählen kann?
        Man benutzt einen ganz einfachen Trick: Beim Auszug in den Kampf legt jeder Krieger einen Stein an eine Sammelstelle. Bei der Rückkehr nimmt jeder wieder einen Stein fort. Die Anzahl der liegen gebliebenen Steine ist gleich der Anzahl der getöteten Männer. Der Anführer kann dann für jeden Stein ein Stöckchen nehmen (die sind leichter zu tragen als Steine), mit ihnen zu dem anderen Stamm gehen und für jedes Stöckchen einen Büffel verlangen. Ohne zu zählen, ja ohne überhaupt eine Vorstellung von Zahlen zu haben, sind auf diese Weise ganz exakte Handels- und Tauschgeschäfte möglich.
        Der Nachteil von Steinen oder Stöckchen ist, dass sie viel Platz brauchen und manchmal verloren gehen. Man mag mit einem Kübel Steine oder einem Bündel Stöcke eine Zahl »schreiben« können - unkompliziert ist das aber nicht. (Dennoch war dieses Prinzip in einigen Gegenden noch lange in Gebrauch: In Elam im heutigen Iran fand man 6000 Jahre alte Behälter mit verschieden geformten Tontäfelchen für Zählzwecke.)
        Doch seit etwa 30 000 Jahren gibt es auch effektivere Wege, Zahlen zu schreiben. Dies beweisen Funde von Tierknochen mit Kerbmustern. In prähistorischer Zeit schlug man Kerben mit Steinäxten in die Knochen und konnte so Zahlen aufzeichnen. Eine Kerbe pro Tag maß das Verstreichen der Zeit, sodass man die Mondphasen oder die Jahreszeiten mit großer Genauigkeit vorhersagen konnte. Mit einer Kerbe pro Tier stellten die ersten Hirten fest, ob die Herde am Abend noch vollständig war. Mit einer Kerbe pro Beutetier wiesen die besten Jäger ihren Mut und ihre Fähigkeiten nach. Interessanterweise waren die Kerben oft in Gruppen zu fünf zusammengefasst. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens hat die menschliche Hand fünf Finger, und wir benutzen unsere Finger ja auch gerne zum Zählen. Doch die Fünfergruppen haben noch einen weiteren Grund: Das menschliche Hirn kann nämlich zwei Mengen aus vielen Elementen nicht besonders gut auf einen Blick unterscheiden. ... "


    B17 Zaehlen in Menningers Bd. 1 Zahlwort und Ziffer, Bd. 2 Zahlschrift und Rechnen
     
    Karl Menninger: "... Kurz, man kann alles Unterscheidbare zählen, ..." Bd.1, S. 17. Original gesperrt = hier fett.

    B17a Bd. 1 Zahlwort und Ziffer
    Der erste Bd. enthält Sachregistereinträge zählen, aber nicht abzählbar:

    B17a  Fundstelle S. 17 ff (Original gesperrt = hier fett)

    "DIE LEERE ZÄHLREIHE

        Wie zählen wir heute?
        Ehe wir die geschichtliche Entwicklung unserer Zahlwörter untersuchen, wollen wir feststellen, wie und was wir zählen und was 'zählen' eigentlich heißt.
        Vor uns liegt ein Haufen Erbsen, den sollen wir zählen. Wie machen wir das? Wir reihen die Erbsen wirklich oder im Geiste hintereinander, tupfen nun die erste an und sagen 'eins', dann die zweite: tupf — 'zwei'; tupf — 'drei' . . . tupf — 'zweiundzwanzig'; 22 Erbsen sind es. Was haben wir also gemacht? Jeder Erbse ein Wort zugeordnet. Zählen ist also eine Zuordnung von Wörtern.
        Wem werden diese Wörter zugeordnet? Den Dingen, die wir zählen; hier den Erbsen. Ein andermal zählen wir Häuser, Bäume, Menschen, Finger. Kann man auch Dinge verschiedener Art zählen: einen Federhalter, einen Schreibtisch und eine Katze? Ja, es sind 3 'Dinge'. Kann man auch ungreifbare Dinge zählen, etwa die Schlüsse eines Beweises oder die Gedanken eines Aufsatzes? Ja. Auch die Eigenschaften eines Menschen: geistvoll, schlank, lebhaft, warmherzig . . . kann man auf-zählen. Kurz, man kann alles Unterscheidbare zählen, sei es greifbar oder ungreifbar, von gleicher oder verschiedener Art. Unterscheidbare Dinge bilden allgemein gesehen eine Menge, sie selbst sind die Glieder dieser Menge.
        Danach sagen wir jetzt:
        Eine Menge kann man immer zählen. Wir ordnen ihren Gliedern jeweils die Zahlwörter zu.
        Auch die Zahlwörter bilden eine Menge. Ihre Glieder sind die Wörter zwei, drei usw. Beim Zählen werden also die Glieder der Zahlwörter-[>28] menge oder der Zählreihe, wie wir sie nennen wollen, den Gliedern der zu zählenden Menge eindeutig zugeordnet; eindeutig will heißen: so, daß jeder Erbse nur ein Zahlwort angehängt wird.
        Denken wir uns einmal die einzelnen Glieder der Zählreihe als Kästchen mit der Aufschrift eins, zwei, drei usw., dann können wir uns das Zählen auch so vorstellen: Wir setzen von vorn her in jedes Kästchen eine Erbse, die erste in Kästchen 'eins', die letzte in Kästchen 'zweiundzwanzig'.
    22 Kästchen unserer Zählreihe sind voll, alle ihre folgenden Kästchen ab 23 sind leer.
        Jetzt verstehen wir die Überschrift 'die leere Zählreihe'. Solange nicht gezählt wird, steht sie da, losgelöst von allen Dingen, leer, aber in Bereitschaft. Zählt man, dann werden nach dem einen Bild die Zahlwörter den Dingen angeheftet, nach dem andern werden die Dinge in die leeren Kästchen der Zählreihe eingesetzt. Das letzte Zahlwort (oder das letzte Kästchen) gibt die Anzahl der Menge an.
        So einfach diese Einsicht ist, so wichtig ist sie. Denn wir werden sehen, daß die 'Loslösung' der Zählreihe von den gezählten Dingen dem Menschengeist große Schwierigkeiten gemacht hat. Wir brauchen ja nur einmal zu denken: Wie zählten wir, wenn wir diese Reihe aus den merkwürdigen Wörtern eins, zwei, drei usw. nicht besäßen? Und einmal war sie doch nicht da!
        Eine Leistung unserer Zählreihe ist also ihre Unabhängigkeit von den Dingen. Man kann alles mit ihr zählen.
        Kann man aber auch beliebig große Mengen mit ihr zählen, den Sand am Meer? Ja, auch diese 'unzählbaren' Mengen zählt unsere Zählreihe; das ist ihre andere Leistung. Jedem Sandkorn ordnet sie ein Zahlwort zu, unermüdlich, unerschöpflich! Und wenn das letzte Korn gezählt ist, besitzt sie immer noch 'unzählig viele' Zahlwörter, mit denen sie weiter zählen könnte.
        Sie könnte weiter zählen, nicht wir. Aber wir wissen genau, daß sie es ordentlich und richtig machte. Wir hören von 3 Millionen Einwohnern einer Stadt. Wer zählt sie nacheinander 1 2 3? Und doch sind wir sicher, daß, geschähe es so, wir auf unserem Weg kämen zu dem Einwohner Nr. 2999974, 2999975, 2999976 . . . und schließlich 2999999, 3000000.
        Woher diese Gewißheit, die wir nie durch Erfahrung gewannen? Nun, wir wissen: unsere Zählreihe verkörpert das Gesetz des unendlichen Fortgangs; wir wissen: jede Zahl hat eine folgende, und wir wissen auch, wie diese folgende aus der vorhergehenden gebildet wird.
        Unsere Zählreihe ist also nicht eine bunte Aufreihung zusammengesuchter Wörter, sondern sie ist ein wohlgegliedertes geistiges Gebilde. Sie trägt in sich das Gesetz des unendlichen Fortgangs, kraft dessen wir die Zählbarkeit von Mengen erkennen, selbst dann, wenn deren wirkliche Durchzählung für uns unausführbar ist. [>19]
        Sie begnügt sich dabei mit einer endlichen, ja sogar wunderbar kleinen Anzahl von Zahlwörtern, denn sie verwendet sie in geschickter Ordnung und Verknüpfung immer wieder.
        Und sie ist völlig unabhängig von den Dingen, die sie zählt; sie ist leer. Daher kann sie alles zählen.
        Das ist unsere Zählreihe von heute, die Zählreihe in ihrer höchsten Ausbildung. Und nun, da wir sie kennen, gewinnt für uns die Frage besonderen Reiz:
        War denn das nicht immer so?"

    B17b Band 2 Zahlschrift und Rechnen
    Der 2. Band enthält keinen Eintrag zählen (S. 313):


    B18 Zaehlen in Artmanns Der Zahlbegriff (1983)
    Kein Sachregistereintrag zählen, aber abzählbar.


    B19 Zaehlen in Rödler Was ist eine Zahl? Was heißt rechnen? (In Mathematik verstehen)
    Zählen, obwohl es im Text mehrfach vorkommt, hat keinen eigenen Sachregistereintrag, auch nicht abzählbar

    B19.1 Fundstelle S. 132  Wie wir zählen
    "... Was eigentlich sollen die Kinder im Unterricht lernen und verstehen? In den Antworten der Teilnehmer zeigt sich, ebenso wie bei einem Blick in die unterschiedlichsten Schulbücher, dass unser Verständnis von Zahlen durch unsere vertraute Zahlreihe geprägt ist. Wir zählen mit Worten („Eins, Zwei, Drei, ...“) und schreiben mit abstrakten Zeichen (1, 2, 3, ...). Die Zahlreihe scheint am Anfang zu stehen. Mit diesen Worten und Zeichen fängt alles an."
     


    B20  Zaehlen in der Kleinen Enzyklopädie Mathematik (1980)
    Kein SR-Eintrag zählen, aber abzählbar.



    B21 Zählen im Mathematischen Begriffswörterbuch Meschkowskis (1966)
    Kein Eintrag zählen:, aber abzählbar.



    B22 Zählen in Dehaene (1999) Der Zahlensinn oder Warum wir rechnen können
    Eintrag zählen, aber nicht abzählbar.

    Fundstelle S. 140f. "Zählen: das ABC des Rechnens
    In den ersten sechs oder sieben Lebensjahren tritt eine Fülle von Rechenverfahren zutage. Kinder erfinden das Rechnen neu. Spontan oder beim Nachahmen von Gleichaltrigen denken sie sich neue Rechenverfahren aus und lernen auch, für jedes Problem die beste Strategie zu wählen. Die Mehrzahl ihrer Strategien beruhen auf dem benannten und unbenannten Zählen, mit oder ohne Hilfe der Finger. Oft entdecken Kinder solche Strategien ganz von selbst, noch bevor sie Rechenunterricht erhalten.
        Können wir daraus schließen, daß Zählen eine angeborene Fähigkeit des menschlichen Gehirns ist? Diese Ansicht vertreten Rochel Gelman und Randy Gallistel. Ihrer Meinung nach können Kinder Dinge zählen, ohne es je lernen zu müssen. Man muß ihnen nicht beibringen, daß jedes Ding nur einmal gezählt werden soll, daß es für die Zahlwörter eine feste Reihenfolge gibt oder daß die letzte Zahl die Kardinalzahl der Menge angibt. Gelman und Gallistel behaupten, eine solche Kenntnis des Abzählens sei angeboren und gehe sogar dem Erwerb des Zahlenwortschatzes voraus.
        Wohl nur wenige Theorien wurden so erbittert debattiert wie die von Gelman und Gallistel. In der Psychologie und Pädagogik wird das Zählen oft als typisches Beispiel für Lernen durch Nachahmung gesehen, das anfangs nur sinnlose Routine ist. Nach Karen Fuson zählen Kinder anfangs einszweidreivierfünf ... als ununterbrochene Kette. Erst später lernen sie, diese Folge in Wörter zu unterteilen, sie zu größeren Zahlen weiterzuführen und sie in konkreten Situationen anzuwenden. Sie leiten immer besser her, worum es beim Zählen geht, indem sie andere Menschen dabei beobachten. Anfangs ist Zählen nach Meinung von Fuson lediglich Nachplappern.
        Die Wahrheit, die nach Jahren der Kontroversen und Dutzenden von Experimenten immer deutlicher zutage tritt, liegt anscheinend irgendwo zwischen den Extremen von alles angeboren und alles erworben. Einige Aspekte des Zählens werden schon sehr früh gemeistert, andere dagegen werden wohl durch Lernen und Nachahmen erworben.
        Als Beispiel für erstaunlich frühes Zählvermögen betrachte man das folgende von Karen Wynn durchgeführte Experiment. Kinder im Alter von zweieinhalb Jahren haben vermutlich noch nicht viel Gelegenheit gehabt, jemanden zu beobachten, der Töne oder Handlungen zählt. Aber wenn man ihnen ein [>141] Videoband der Sesamstraße vorspielt und sie bittet zu sagen, wie oft das Krümelmonster seilhüpft, zählen sie mühelos. Ähnlich zählen sie ohne weiteres so unterschiedliche Klänge wie Trompetenfanfaren, Glockenläuten, Plätschern und Pieptöne eines Computers, die auf Tonband aufgenommen wurden und deren Quelle unsichtbar ist. Kinder verstehen also anscheinend sehr früh und ohne ausdrückliche Unterweisung, daß Zählen ein abstraktes Verfahren ist, das sich auf alle möglichen sichtbaren und hörbaren Dinge anwenden läßt."
     

      Anmerkung: Dehaene (1999) weist S. 273f darauf hin, dass die Peano-Axiome für die natürlichen Zahlen einen ganz entscheidenden Mangel haben, sie gelten nicht nur für die natürlichen Zahlen, sondern auch für beliebig viele Nicht-Standard-Modelle der Arithmetik > Originalzitat.


    B23  Zählen in ROBERT Grassmanns Formenlehre IV (1872)
    Sachregistereintrag Zählen, Erklärung Z [Zahlenlehre] 9, die aber auf S. 8 gegeben wird:

    Anmerkung: Der Abschnitt enthält 7 Untergliederungen mit zwei Beweisen.



    B24 Zählen in Aigner Diskrete Mathematik > Begriff nach Aigner.
    Das Sachregister enthält "Zählfunktion, 1", nicht zählen und nicht abzählbar.



    B25 Zählen in Lipschutz Finite Mathematik > Begriff zu Lipschutz.
    Das Sachregister enthält "Zahlen", nicht zählen und nicht abzählbar. aber Abzählprinzip, fundamentales:


    B26 Zählen bei Karlson (1954), Erstes Kapitel "Vom Zählen"
    Das Buch enthält kein Sachregeister, aber ein ausführliches Inhaltsverzeichnis und das erste Kapitel (11-28) ist m.E. irreführend mit "Vom Zählen" überschrieben, geht aber auf das Zählen kaum ein. Schon auf S. 12 ist er bei "Zahl und Anzahl" und S. 13 bereits beim Rechnen.



    B27 Zählen bei Bartels Zahlentheorie (1976)
    Kein Sachregistereintrag zählen, auch nicht abzählbar:



    B28 Zählen nach Beutelspacher & Zschiegner (2014)
    Sachregistereintrag S. 55 Zählen, wobei aber zählen bereits vorausgesetzt wird:



    B29 Zählen in Deiser et al. (2016)
    Obwohl Zählen keinen Sachregistereintrag hat, wird es im Abschnitt 2.1 Natürliche Zahlen, S. 30-32 ausführlich behandelt.

    Hierbei ergeben sich die natürlichen Zahlen aus Definitionen.

      S. 30: "Die Mathematik hat die natürlichen Zahlen lange als undefinierte Grundobjekte betrachtet. Erst im späten 19. Jahrhundert wurde von Richard Dedekind und anderen die von einem Notationssystem unabhängige Struktur der natürlichen Zahlen ans Licht gebracht und so eine Definition der natürlichen Zahlen ermöglicht. ...
          Die Eigenschaften (1)–(4) genügen bereits für eine strukturelle Definition der natürlichen Zahlen: ..."
      S. 31: "... Wir definieren für alle m e N die Addition m + n durch Rekursion nach n: ..."




    B30  Zählen und Messen im Inhaltsverzeichnis In Freys Die Mathematisierung unserer Welt
    Zählen erschent nicht im Sachregister, aber im Inhaltsverzeichnis wird im Kapitel "Erfahrung und Mathematik" am Anfang der Abschnitt "4.1 Zählen und Messen" ausgewiesen. S. 61:
    "Zählen: Der einfachste und ursprünglichste Bezug zwischen Erfahrungen und mathematischen Begriffen wird durch Zählen hergestellt. Diesem operativen Prozeß muß immer eine Abstraktion vorausgehen. Zwei Voraussetzungen müssen für das Zählen erfüllt sein:
    (1) Wir müssen Gegenstände unterscheiden können. Wir bilden Einheiten. Wo die Abgrenzung der einheitlichen Gegenstände voneinander fragwürdig ist, kann auch nicht eindeutig gezählt werden. Wenn jemand etwa versuchen wollte zu zählen, wieviel Gedanken ihm in einer Viertelstunde gekommen sind, wird bei diesem Versuch schon deshalb sehr bald scheitern, weil gar nicht eindeutig alle Gedanken als Einheiten voneinander getrennt und unterschieden werden können.
    (2) Es muß eine Menge von solchen wohlunterscheidbaren Gegenständen eindeutig charakterisiert und ausgezeichnet sein. So könnte ein Bauer nicht seine ihm gehörenden Stück Vieh zählen, wenn die Besitzverhältnisse nicht geklärt sind.
        Das Zählen setzt eine Beziehung zwischen den Zahlbegriffen und den Erfahrungsgegenständen. Die für die Zahlen geltenden Rechenregeln müssen anwendbar sein auf die gezählten Erfahrungsgegenstände. So muß festgestellt werden, ob gezählte Mengen addierbar sind und was das bedeuten soll. Durch das Zählen einer Menge erhalte ich eine benannte Zahl. Es muß festgelegt werden, ob benannte Zahlen addiert werden können oder nicht."


    Exkurs-1 Zaehlen in Helmholtz (1887)
    Der Aufsatz "Zählen und Messen erkenntnistheoretisch betrachtet" - wie schon aus seinem Titel hervorgeht -, handelt vom Zählen und Messen. S. 81f (gesperrt hier kursiv):

                                                                  "Die gesetzmässige Reihe der Zahlen.

    Das Zählen ist ein Verfahren, welches darauf beruht, dass wir uns im Stande finden, die Reihenfolge, in der Bewusstseinsacte zeitlich nach einander eingetreten sind, im Gedächtniss zu behalten. Die Zahlen dürfen wir zunächst als eine Reihe willkürlich gewählter Zeichen betrachten, für welche nur eine bestimmte Art des Aufeinanderfolgens als die gesetzmässige, oder nach gewöhnlicher Ausdrucksweise „natürliche" von uns festgehalten wird. Die Bezeichnung der „natürlichen" Zahlenreihe hat sich wohl nur an eine bestimmte Anwendung des Zählens geknüpft, nämlich an die Ermittelung der Anzahl gegebener reeller Dinge. Indem wir von diesen eines nach dem andern dem gezählten Haufen zuwerfen, folgen die Zahlen bei einem natürlichen Vorgang auf einander in ihrer gesetzmässigen Reihe. Mit der Reihenfolge der Zahlzeichen hat dies nichts zu thun; wie die Zeichen in den verschiedenen Sprachen verschieden sind, so könnte auch ihre Reihenfolge willkürlich bestimmt werden, wenn nur unabänderlich irgend eine bestimmte Reihenfolge als die normale oder gesetzmässige festgehalten wird. Diese Reihenfolge ist in der That eine von Menschen, unsern Voreltern, die die Sprache ausgearbeitet haben, gegebene Norm oder Gesetz. Ich betone diesen Unterschied, weil das angeblich „Natürliche" der Zahlenreihe mit der unvollständigeren Analyse des Begriffs der Zahl zusammenhängt. Die Mathematiker bezeichnen diese gesetzmässsige Zahlenreihe als die der positiven ganzen Zahlen. [>82]
        Die Zahlenreihe ist unserem Gedächtniss ausserordentlich viel fester eingeprägt als jede andre Reihe, was unzweifelhaft auf ihrer viel häufigeren Wiederholung beruht. Wir brauchen sie deshalb auch vorzugsweise, um durch Anknüpfung an sie die Erinnerung anderer Reihenfolgen in unserem Gedächtniss zu festigen; d. h. wir brauchen die Zahlen als Ordnungszahlen.

    Eindeutigkeit der Folge.

        In der Zahlenreihe sind Vorwärtsschreiten und Rückwärtsschreiten nicht gleichwertige, sondern wesentlich verschiedene Vorgänge, wie die Folge der Wahrnehmungen in der Zeit, während bei Linien, die im Raume dauernd und ohne Aenderung in der Zeit bestehen, keine der beiden möglichen Richtungen des Fortschreitens vor der andern ausgezeichnet ist.
        Thatsächlich wirkt in unserem Bewusstsein jeder gegenwärtige Act desselben, sei es Wahrnehmung, Gefühl oder Wille, zusammen mit den Erinnerungsbildern vergangener Acte, nicht aber zukünftiger, die zur Zeit im Bewusstsein noch gar nicht vorhanden sind, und der gegenwärtige Act ist uns bewusst als specifisch verschieden von den Erinnerungsbildern, die neben ihm bestehen. Dadurch ist die gegenwärtige Vorstellung in einen der Anschauungsform der Zeit angehörigen Gegensatz als die nachfolgende den vorausgegangenen gegenüber gestellt, ein Verhältniss, welches nicht umkehrbar ist, und dem nothwendig jede in unser Bewusstsein eintretende Vorstellung unterworfen ist. In diesem Sinne ist die Einordnung in die Zeitfolge die unausweichliche Form unsrer inneren Anschauung."
     


    Exkurs-2 Der Beitrag Piagets zum Zählen.
    Obwohl Piagets zu den ganz großen kognitiven Entwicklungspsychologen gehört und der Entwicklungspsychologie der Mathematik (mindestens) zwei Monographien gewidmet hat (Das mathematische Denken und Die Entwicklung des Zahlbegriff beim Kinde), verblüffte mich bei der Inspektion der beiden Werke, dass das Zählen selber kein eigenes Kapitel, ja nicht einmal einen Abschnitt erhielt. Man kann die Inhaltsverzeichnisse beider Werke bei Google-Books einsehen. Weitere Recherchen ergaben, dass Piagets Theorie zur Entwicklung des Zahlbegriffs seit einigen Jahrzehnten kritisch gesehen wird (Dehaene 1999, S. 57-60).



    Exkurs-3  Können Tiere zählen? Ein Rabe, der bis zu 4 Personen unterscheiden konnte
    Ifrah (1989) berichtet in seiner Universalgeschichte der Zahlen S. 21f:
      "Noch bemerkenswerter sind Raben und Elstern, die offensichtlich Mengen mit einem bis vier Elementen unterscheiden können. So berichtet Tobias Dantzig (1931, 10) von einem Schloßherrn, der einen Raben töten wollte, der sein Nest im Wachturm des Schlosses gebaut hatte. Der Schloßherr hatte mehrmals versucht, den Vogel zu überraschen, aber jedesmal, wenn er sich näherte, floh der Rabe aus seinem Nest und ließ sich auf einem benachbarten Baume nieder, um zurückzukommen, sobald sein Verfolger den Turm wieder verlassen hatte. Der Schloßherr griff daraufhin zu einer List: Er ließ zwei seiner Begleiter in den Turm ein; nach wenigen Minuten zog sich der eine zurück, während der andere blieb. Der Rabe ließ sich aber nicht überlisten [>22] und wartete das Verschwinden des zweiten ab, bevor er an seinen alten Platz zurückkehrte. Das nächste Mal gingen drei Männer in den Turm, von denen sich zwei wieder entfernten; aber das listige Federvieh wartete mit noch größerer Geduld als sein verbliebener Kontrahent. Danach wiederholte man das Experiment mit vier Männern, aber ohne Erfolg. Es gelang schließlich mit fünf Personen, da der Rabe nicht mehr in der Lage war, vier von fünf Leuten zu unterscheiden."
          Anmerkung: Bei solchen Geschichten empfiehlt sich kritische Zurückhaltung (> Kluger Hans).




    Exkurs-4  Ein paar Gedanken zur kognitiven Entwicklungspsychologie des Zählens.
    Die Fähigkeit zu zählen wird durch die Wahrnehmung vorbereitet. Nämlich dadurch, dass wir  Unterschiede  in der Wahrnehmung erkennen (da ist ein Himmel, dort eine Wolke, hier ein Haus). Hieraus entwickelt sich die Wahrnehmung von Einheiten, das sind zusammengehörig empfundene Wahrnehmungselemente (blauer Himmel, grüne Wiese). Eine weitere wichtige Quelle ist die interaktive Alltags-Kommunikation besonders der ersten einfachen Zahlwörter: keins, eins, zwei, drei (hast du die zwei Eichhörnchen gesehen?) bzw. nicht genau bestimmte Zahlworte wie mehr, weniger, gleich viel, viele. Weitere wichtige Schritte der kognitiven Entwicklung sind das Erlernen des Abstrahierens (alle blauen, also absehen von anderen Eigenschaften, der Form und Lage), Verallgemeinerns (nicht Papa oder Mama, sondern Mann oder Frau) und Klassifizierens (essbar, nicht essbar), damit man unterschiedliche und wohlunterscheidbare Objekte zählen kann. So gelangt das Kind zu einem allgemeinen Objektbegriff (wie viele Dinge siehst Du hier?), der einerseits von Form und Inhalt abstrahiert, andererseits den Unterschied zu anderen Objekten (Wahrnehmungseinheiten) erkennen kann. Ein wichtiger Entwicklungsschritt ist dann das Begreifen der Anzahl (wie viele wart ihr?) und ihre Unabhängigkeit von der Anordnung (den wievielten Platz hast du erreicht?): Himmel, Wolke, Haus = Himmel, Haus, Wolke = Wolke, Himmel, Haus = Wolke, Haus, Himmel = Haus, Himmel, Wolke = Haus, Wolke, Himmel. Es sind immer drei, egal wie man sie an-, ab- oder aufzählt.



    Exkurs-5 Gedanken zu einem neurowissenschaftlichen Versuchplan zur Frage angeborener Zählfähigkeiten
    Dehaene (1999) diskutiert in Kap. 2 die Frage: "Können neugeborene Kinder rechnen? Die Frage scheint absurd. Wir meinen intuitiv zu wissen, daß Babys unberührte Lebewesen sind, die zunächst über keine andere Fähigkeit verfugen als die zu lernen. Aber wenn meine Arbeitshypothese zutrifft, ist das menschliche Gehirn mit einem angeborenen Mechanismus für das Erfassen numerischer Größen ausgestattet, der im Lauf der Evolution erworben wurde und uns zur Aneignung der Mathematik befähigt. Damit dieses protonumerische Modul das Erlernen von Zahlwörtern beeinflussen kann, muß es an seinem Platz sein, bevor die Zeit des außerordentlichen Sprachwachstums beginnt, das die Psychologen gelegentlich als lexikale Explosion bezeichnen, die sich im Alter von etwa eineinhalb Jahren ereignet. Demnach sollten Babys also schon im ersten Lebensjahr einige Aspekte der Arithmetik verstehen."
        Seine Schlussfolgeru ngen S. 62 überzeugen mich nicht: "Um zu beweisen, daß Säuglinge die Anzahlen 2 und 3 unterscheiden können, wurden ihnen zuerst wiederholt Mengen mit stets zwei Dingen präsentiert (links), bis eine Gewöhnung eintrat. Anschließend zeigten sie ein größeres Interesse an neuen Mengen mit drei Dingen (rechts). Weil Lage, Größe und Art der Dinge nicht konstant waren, läßt sich die erneute Aufmerksamkeit des Kindes nur durch seine Aufnahmebereitschaft für Anzahlen erklären ..."
        Wie könnte nun ein idealer neurobiologischer Versuchsplan rein theoretisch aussehen? Ein erstes brainstorming:
    1. Grundfrage: Kann und wie soll zählen bzw. Anreize zum Zählen in der Vorsprachzeit erfasst werden? Woher will man wissen, ob "das Gehirn" in der Reizvorgabe-Situation zählt?
    2. müsste an älteren Versuchspersonen festgestellt werden welche neuronalen Areale für das Zählen zuständig sind.
    3. müsste an älteren Versuchspersonen der Zustand, wenn keine Anreize für zählen gegeben ist, erfasst werden.
    4. müsste an älteren Versuchspersonen der Zustand, wenn Anreize für zählen vorliegen, erfasst werden.
    5. müsste an jungen Neugeborenen untersucht werden, ob diese neuronalen Areale schon ausgebildet sind.
    6. falls sie schon ausgebildet sind, wie ist der Zustand, wenn keine Anreize für zählen vorliegen?
    7. falls sie schon ausgebildet sind, wie ist der Zustand, wenn Anreize für zählen vorliegen?
    8. Vergleichen der Ergebnisse.



    Exkurs-6  Eigene Betrachtungen zu Zählmodellen
    Zum Zählen gehören:
    1. die Wohlunterscheidbarkeit der Objekte, die gezählt werden sollen.
    2. Wohlunterscheidbarkeit als Grundlage für die Abstraktion gleiche Zähleinheiten, auch wenn die Objekte verschieden sind.
    3. die Zähleinheiten, mit denen gezählt wird, gewöhnlich die natürlichen Zahlen.
    4. Zuordnung wohlunterschiedene Objekte zu den Zähleinheiten.


    Einige Zählzahlmodelle:

     





    Literatur (Auswahl) >
    • Aigner, Martin (1993) Diskrete Mathematik Braunschweig: Vieweg
    • Artmann, Benno (1983) Der Zahlbegriff Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
    • Athen, H. & Bruhn, J. (1974-76, Hrsg.). Rechnen und Mathematik. München: Mosaik u.a. Lizenzausgaben.
    • Behnke, H.; Remmert, R.; Steiner, H.G. & Tietz, H. (1964, Hrsg.). Mathematik 1. Frankfurt a.M.: Das Fischer Lexikon.
    • Behnke, H. & Tietz, H. (1966, Hrsg.). Mathematik 2. Frankfurt a.M.: Das Fischer Lexikon.
    • Bentley, Peter J. (2011) Das Buch der Zahlen. Darmstadt: WBG.
    • Beutelspacher, Albrecht (1992) "Das ist o.B.d.A. trivial" Tips und Tricks zur Formulierung mathematischer Gedanken. Braunschweig: Vieweg. [Aus dem Vorwort]
    • Beutelspacher, Albrecht  & Zschiegner, Marc-A. (2014) Diskrete Mathematik für Einsteiger Bachelor und Lehramt 5., erweiterte Auflage. Wiesbaden: Springer Spektrum.
    • Bibliographisches Institut Mannheim (1966) Schüler-Rechenduden. Ein Helfer für Schulaufgaben. Gekürzte Ausgabe von MEYERS Großem Rechenduden Bd. I. Mannheim: BI.
    • Bruder, Regina;  Hefendehl-Hebeker, Lisa; Schmidt-Thieme, Barbara & Weigand, Hans-Georg (2015, Hrsg.) Handbuch der Mathematikdidaktik. Berlin: Springer (Spektrum).
    • Cantor, Moritz (1907) Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. 1.Band Von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1200 n. Chr. 3. Auflage. Leipzig: Teubner. [PDF im Netz]
    • Dehaene, Stanislas (1999) Der Zahlensinn oder Warum wir rechnen können. Basel: Birkhäuser.
    • Deiser, Oliver; Lasser, Caroline; Vogt, Elmar & Werner, Dirk (2016) 12 x 12 Schlüsselkonzepte zur Mathematik. Heidelberg: Spektrum. [Darin 2.1 Natürliche Zahlen]
    • Dingler, Hugo (1944). Aufbau der exakten Fundamentalwissenschaft. München: ? [1964² neu herausgegeben von P. Lorenzen]
    • Engesser, Hermann (1986). Der kleine Duden Mathematik. Mannheim: PI.
    • Engesser, Hermann & Scheid, Harald (1994, 5.A.). Duden. Rechnen und Mathematik. Das Lexikon für Schule und Praxis. Mannheim: Duden-Verlag.
    • Everett, Daniel  (2012) Das glücklichste Volk: Sieben Jahre bei den Pirahã-Indianern am Amazonas München: Pantheon.
    • Frey, Gerhard (1967) Die Mathematisierung unserer Welt. Stuttgart: Kohlhammer (Urban). Anmerkung: Namensgleichheit mit dem Mathematiker, der zu Fermats letztem Satz die grundlegende Beweisidee 1986 formulierte.
    • Grassmann, ROBERT (1872) Die Formenlehre oder Mathematik IV Die Zahlenlehre oder Arithmetik, Abschnitt 1: Das Zählen. Hier Nachdruck (1966): Hildesheim: Olms. [Bruder von HERMANN Grassmann, Verfasser der Ausdehnungslehre]
    • Gellert, W.; Kästner, H. & Neuber, S. (1978, Hrsg.). Fachlexikon ABC Mathematik. Frankfurt: Deutsch.
    • Gerster, Hans-Dieter & Schultz, Rita (2004) Schwierigkeiten beim Erwerb mathematischer Konzepte im Anfangsunterricht Bericht zum Forschungsprojekt Rechenschwäche – Erkennen, Beheben, Vorbeugen. Pädagogische Hochschule Freiburg Institut für Mathematik und Informatik und ihre Didaktiken.
    • Gerster, Hans-Dieter & Schultz, Rita (2004) Entwicklung des Zahlverständnisses aus dem Zählschema. In (54-66) Gerster, Hans-Dieter & Schultz, Rita (2004)
    • Helmerich, Markus; Lengnink, Katja; Nickel, Gregor & Rathgeb, Martin  (2011, Hrsg.) Mathematik verstehen Philosophische und Didaktische Perspektiven Vieweg+Teubner.
    • Helmholtz, Hermann von (1887) Zählen und Messen erkenntnistheoretisch betrachtet. In (S. 75 - 112) Philosophische Aufsätze. Leipzig: Fuss. Wiederabdruck: Darmstadt: WBG (1959)
    • Ifrah, Georges (1989) Universalgeschichte der Zahlen. Frankfurt: Campus.
    • Kramer, Jürg & Pippich, Anna-Maria von (2013) Von den natürlichen Zahlen zu den Quaternionen. Basiswissen Zahlbereiche und Algebra. Wiesbaden: Springer. [noch nicht verarbeitet]
    • Karlson, Paul (1954) Zauber der Zahlen. Frankfurt aM: Ullstein. [Erstes Kapitel "Vom Zählen"]
    • Lipschutz, Seymour (1980) Finite Mathematik. Logik, Mengenlehre, Vektoren und Matrizen, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Markoff-Ketten, lineare Programmierung, Spieltheorie. 750 ausführiche Lösungsbeispiele. Schau's Überblicke, Aufgaben. Birkenau: McGraw-Hill.
    • Menninger, Karl (1958) Bd. 1: Zahlwort und Ziffer Eine Kulturgeschichte der Zahl. Band 2: Zahlschrift und Rechnen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
    • Meschkowski, Herbert (1966) Mathematisches Begriffswörterbuch. Mannheim: BI.
    • Naas, J. & Schmid, H.L. (1972-74, Hrsg.). Mathematisches Wörterbuch mit Einbeziehung der theoretischen Physik  Bd. I A-K, Bd. II. L-Z. Berlin und Leipzig: Akademie und Teubner.
    • Padberg, F. & Benz,C. (2011) Didaktik der Arithmetik für Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung. Berlin: Springer.
    • Piaget, Jean & Szeminska, Alina (dt. 1975, fr.). Die Entwicklung des Zahlbegriffs beim Kinde. GW 3 Studienausgabe. Stuttgart: Klett.
    • Piaget, Jean (dt. 1975, fr. 1950). Die Entwicklung des Erkennens I Das mathematische Denken. GW 8 Studienausgabe. Stuttgart: Klett.
    • Reinhardt, Fritz & Soeder, Heinrich (1982 f). dtv-Atlas zur Mathematik. 2 Bde. München: dtv.
    • Reinhardt, Fritz (2003) dtv-Atlas Schulmathematik  Definitionen, Beweise, Sätze. München: dtv.
    • Royar, Thomas  (02.2015) Wo Piaget irrte – Zahlbegriffsentwicklung im Vorschulalter. Im Netz als PDF abrufbar
    • Rödler, Klaus (2011) Zahlen und Rechenvorgänge auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus. Möglichkeiten der Entwicklung einer inklusiven Fachdidaktik auf der Grundlage historischer Perspektiven. In (131-146) Helmerich et al. (2011)
    • Ruzsa, Imre (1976) Die Begriffswelt der Mathematik. Berlin: Volk und Wissen.
    • Walz, G. (2001ff, Red.) Lexikon der Mathematik. 6 Bde.: Verlag: Elsevier - Spektrum Akademischer Verlag. [ISBN: 3827404339]




    Links (Auswahl: beachte) > Querverweise.



    Glossar, Anmerkungen und Fußnoten
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    Ausnahmen
    Nicht alle Völker oder Kulturgemeinschaften brauchen die Zahlen. So berichtet z.B. Daniel Everett, dass die Pirahã, ein Indianer-Stamm im brasilianischen Urwald, nur über die Zahlen 1 und 2 und die Quantifizierung viele verfüggen sollen. Wikipedia schreibt hierzu (Abruf 28.11.15):
      "Zahlen und Numerus
      Nach Angaben von Everett 1986 hat Pirahã Wörter für „eins“ (‚hói’) und „zwei“ (‚hoí), die sich nur durch den Ton unterscheiden. Im Jahr 2005 erklärte Everett aufgrund seiner Beobachtungen, dass Pirahã überhaupt keine Zahlwörter besitzt und deutete ‚hói’ und ‚hoí’ als „kleine Anzahl“ und „größere Anzahl“. Frank und sein Team beschrieb 2008 zwei Experimente, die mit vier Pirahã-Sprechern durchgeführt wurden, um zwei Hypothesen zu überprüfen. Im ersten Experiment wurden 10 gleiche Gegenstände auf einen Tisch gelegt. Nun wurden die Pirahã nach der Anzahl gefragt. Alle vier antworteten, wie vermutet, mit einer Mischung zwischen (‚hói’) und dem Pirahã Wort für ‚viel’. Hierbei war bekannt, dass diese Pirahã für einen Gegenstand ‚hói’ und für zwei Gegenstände ‚hoí’ benutzten. Im zweiten Experiment wurden zuerst 10 Gegenstände hingelegt, dann wurde einer weggenommen. Nun antwortete einer der Pirahã ‚hói’ (das als „eins“ gedeutete Wort). Nachdem man drei weitere Gegenstände entfernte, stimmten alle Befragten darin überein, ‚hoí’ zu benutzen. Frank und seine Kollegen vermuteten nach diesen unterschiedlichen Mengenangaben, dass es sich also nicht um Zahlwörter, sondern eher um relative Mengenbezeichnungen handele.
          Darüber hinaus gibt es im Pirahã keine Numeri, daher keine Möglichkeit anzugeben, ob es sich um Einzahl oder Mehrzahl handelt.
      ...
      Pirahã und die Sapir-Whorf-Hypothese
      Die Sapir-Whorf-Hypothese besagt, dass Sprache das Denken formt.
      Dies scheint sich im Fall der Pirahã zu bestätigen. Obwohl noch diskutiert wird, ob die Sprache über Zahlwörter für „eins“ und „zwei“ verfügt oder nicht, steht außer Frage, dass keine größeren Zahlen vorhanden sind. Für sie benutzen die Pirahã nur ungefähre Angaben und waren in Experimenten nicht in der Lage, zuverlässig zwischen einer Gruppe von vier Objekten und fünf ähnlich gruppierten Objekten zu unterscheiden. Bittet man sie, Gruppen von Objekten nachzubilden, gelingt es ihnen im Durchschnitt, die richtige Anzahl zu wählen, jedoch selten beim ersten Versuch.
          Da sie (zu Recht) befürchten, deswegen beim Handeln betrogen zu werden, baten sie Daniel Everett, ihnen einfache Arithmetik beizubringen. Nach acht Monaten enthusiastischen, aber fruchtlosen Lernens gaben sie auf und stellten fest, dass sie nicht in der Lage seien, die Thematik zu erfassen. Nicht ein einziger Pirahã hatte gelernt, bis 10 zu zählen oder 1 + 1 zu addieren.[4]
          Everett argumentiert, die Pirahã könnten aus zwei kulturellen und einem formalen sprachlichen Grund nicht zählen. Zunächst sind sie Jäger und Sammler und hätten nichts zum Zählen, demnach auch keine Gelegenheit, das Zählen zu praktizieren. Des Weiteren gebe es einen kulturellen Druck gegen das Generalisieren über die Gegenwart hinaus, was Zahlwörter eliminiere. Außerdem seien das Zählen und Zahlwörter auf Rekursion in der Sprache basiert, was sich aufgrund der einfachen Satzstruktur der Pirahã nicht ausdrücken lasse. Die Ursache liege jedoch nicht darin begründet, dass die Pirahã geistig nicht in der Lage seien, zu zählen."

      Ähnliches berichtet Karlson (1954) von den Botoku: "Ach dann mußten die Zahlen noch lange Zeit warten, ehe sie wirklich entdeckt wurden. Beträchtliche Zeiträume hindurch konnte die Menschheit nicht bis drei zählen. So benutzen die Botokuden für 1 das Wort pögik — Finger, für 2 das Wort krä-pö — doppelter Finger. Alles, was darüber hinausgeht, bezeichnen sie als »uruku« — viel."

    __
    Diskrete Mathematik
    Aigner (1993) führt im Vorwort, S. V, zum Begriff aus: "Vor 50 Jahren gab es den Begriff "Diskrete Mathematik" nicht, und er ist auch heute im deutschen Sprachraum keineswegs gebräuchlich. Vorlesungen dazu werden nicht überall und schon gar nicht mit einem einheitlichen Themenkatalog angeboten (im Gegensatz zum Beispiel zu den USA, wo sie seit langem einen festen Platz haben). Die Mathematiker verstehen unter Diskreter Mathematik meist Kombinatorik oder Graphentheorie, die Informatiker Diskrete Strukturen oder Boolesche Algebren. Das Hauptanliegen dieses Buches ist daher, solch einen Themenkatalog zu präsentieren, der alle Grundlagen für ein weiterführendes Studium enthält.
        Die Diskrete Mathematik beschäftigt sich vor allem mit endlichen Mengen. Was kann man in endlichen Mengen studieren? Als allererstes kann man sie abzählen, dies ist das klassische Thema der Kombinatorik - in Teil I werden wir die wichtigsten Ideen und Methoden zur Abzählung kennenlernen. Auf endlichen Mengen ist je nach Aufgabenstellung meist eine einfache Struktur in Form von Relationen gegeben, von denen die anwendungsreichsten die Graphen sind. Diese Aspekte fassen wir in Teil II unter dem Titel Graphen und Algorithmen zusammen. Und schließlich existiert auf endlichen Mengen oft eine algebraische Struktur (oder man kann eine solche auf natürliche Weise erklären). Algebraische Systeme sind der Inhalt von Teil III.
        Diese drei Gesichtspunkte bilden den roten Faden des Buches. Ein weiterer Aspekt, der die Darstellung durchgehend prägt, betrifft den Begriff der Optimierung. Die Entwicklung, welche die Kombinatorik in den letzten 50 Jahren vollkommen revolutionierte und sie erst zum heutigen Gebiet der Diskreten Mathematik machte, war die Frage nach schnellen Algorithmen. Es genügte nicht mehr, ein kombinatorisches Problem theoretisch zu lösen, man wollte eine Lösung explizit konstruieren, und dies wenn möglich anhand eines schnellen Algorithmus. Es ist sicher kein Zufall, daß dieser Optimierungsgesichtspunkt gerade Ende der 40'er Jahre an Bedeutung gewann, genau parallel zur Entwicklung der ersten schnellen Rechner. In diesem Buch wird dementsprechend großer Wert auf den algorithmischen Standpunkt gelegt, vor allem in Teil II, wie dies ja auch schon im Titel zum Ausdruck kommt. Die Diskrete Mathematik ist heute eine Grundlagenwissenschaft auch der Informa¬tik, und das Buch sollte durch die Stoffauswahl für Mathematiker und Informatiker gleichermaßen interessant sein."
    Im Lexikon der Mathematik, Bd. 1,  von Spektrum (2001) wird ausgeführt:


    Aus dem Vorwort 5. Auflage Beutelspacher, Albrecht  & Zschiegner, Marc-A. (2014) Diskrete Mathematik für Einsteiger
    "Diskrete Mathematik in der Schule? In Deutschland immer noch ein Fremdwort. Während in anderen Ländern die diskrete Mathematik fest in den Lehrplänen verankert ist, fristet sie in Deutschland ein Schattendasein. Das ist schade, denn es gibt viele Argumente, diskrete Mathematik in der Schule zu behandeln:
        Diskrete Mathematik ist voraussetzungsarm: Eine große Schwierigkeit des üblichen Mathematikunterrichts ist, dass die Inhalte kontinuierlich aufeinander aufbauen. Schüler, die einmal den Anschluss verloren haben, haben es sehr schwer wieder „einzusteigen“. Viele Gebiete der diskreten Mathematik dagegen kommen ohne große Voraussetzungen aus. Oft ist ein spielerischerEinstieg ohne großen Formalismus möglich.
        Diskrete Mathematik ist reine Mathematik: Diskrete Mathematik zeigt an vielen Stellen besser als der herkömmliche Schulstoff das eigentliche Wesen der Mathematik auf. An Stelle des in der Schule oft praktizierten kalkülhaften Ausrechnens tritt hier das problemorientierte Denken und Argumentieren in den Vordergrund. Dadurch können auch überfachliche Kompetenzen geschult werden.
        Diskrete Mathematik ist angewandte Mathematik: Im herkömmlichen Mathematikunterricht werden Anwendungen oft sehr künstlich erzeugt. Manche Aufgaben wirken dadurch eher albern als motivierend. Die diskrete Mathematik dagegen liefert echte, lebensnahe Anwendungen. Schülerinnen und Schüler können Probleme lösen, die sie wirklich interessieren.
        Diskrete Mathematik zeigt Zusammenhänge auf: Viele Inhalte der diskreten Mathematik haben Entsprechungen in der kontinuierlichen Mathematik. Diese Analogien können im Unterricht aufgezeigt werden, um so ein tieferes Verständnis der mathematischen Strukturen zu erzeugen."
    __
    Einheiten der Wahrnehmung  > Gestalt/ Gestaltpsychologie. > Grundbegriffe.
    Gut bekannte und gewohnte Wahrnehmungseinheiten lassen sich leicht von einander abgrenzen und damit auch leicht zählen. Je unstrukturierter, ungenauer und unschärfer, aber auch komplexer Wahrnehmungselemente vorliegen, desto offener oder unklarer  kann bleiben, was nun als Wahrnehmungseinheit angesehen wird. Das kann von Individuum zu Individuum, von Situation zu Situation, von Entfernung und Schärfe sehr verschieden sein. Die folgenden Bilder zeigen, wie schwierig es sein kann, Wahrnehmungseinheiten festzulegen, am leichtesten noch beim Haus oben Mitte (z.B. Zählen der Fenster) und sogar beim abstrakten Paul Klee. Sehr schwierig wird es aber bei der Histologie der Lungenpest oder dem Akt von Paul Klee (etwa Zählen der Arme und Beine).
     


    Bildquellen: alle Wikipedia: Oben links: Hängende Häuser,  Oben Mitte: Ivo ruusamägi: Tõstamaa vallamaja . Oben rechts: Paul Klee Akt (1905):
    Unten links: Lungenpest (Public Health Image Library, CDC),  Unten rechts: Paul Klee Motiv aus Hammemet (Tunisreise 1914)
     

    Finite Mathematik
    Reinhard Michel schreibt zu Lipschutz im "Vorwort zur deutschen Ausgabe
    Obwohl das im vorliegenden Buch behandelte Gebiet der Finiten Mathematik in letzter Zeit einen starken Aufschwung in vielen Bereichen der Anwendung spezieller mathematischer oder formallogischer Methoden gefunden hat (siehe dazu auch das Vorwort zur englischsprachigen Ausgabe), wird mancher Leser sich beim Titel des vorliegenden Bandes fragen: Was ist eigentlich Finite Mathematik? Wie man dem Inhaltsverzeichnis entnehmen kann, wird hier ein breites Spektrum mathematischer Methoden diskutiert, wobei das vereinheitlichende Grundprinzip die Tatsache ist, daß alle Ausführungen auf endlichen Betrachtungen aufbauen. Es wird mit anderen Worten keine Infinitesimalrechnung, keine infinite Mathematik dargestellt. Die Theorie der Finiten Mathematik ist einfacher darzustellen, ihre Sätze sind beträchtlich einfacher zu beweisen, sie ist insgesamt stark anwendungsbezogen.  ..."
    __
    Originalzitat Dehaene (1999), S. 273 über Peano-Axiome und Nicht-Standard-Modelle
     

    __


    Hilfsbegriffe Metamathematik - Die Sprache der Mathematik.

    Querverweise
    Standort: Die Sprache der Mathematik am Beispiel zählen..
    *
    Denken - Eine wichtige psychologische Grundfunktion
    Terminologische Differenzierung und Entwicklung kognitiver Schemata und Begriffsbildung.
    Überblick Arbeiten zur Theorie, Definitionslehre, Methodologie, Meßproblematik, Statistik und Wissenschaftstheorie besonders in Psychologie, Psychotherapie und Psychotherapieforschung.
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site: www.sgipt.org
    z.B. Wissenschaft site: www.sgipt.org. 
    *
    Dienstleistungs-Info.
    *

    Zitierung
    Sponsel, R.  (DAS). Die Sprache der Mathematik am Beispiel Zählen. Aus der Sicht eines mathematisch interessierten Laien. Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen:  https://www.sgipt.org/wisms/mathe/sprache/zaehlen/dsdm02.htm
    Copyright & Nutzungsrechte
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    Ende
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    korrigiert: irs 26.11.2015



    Änderungen Kleinere Änderungen werden nicht extra ausgewiesen; wird gelegentlich überarbeitet und ergänzt.
    22.12.15    B30.
    30.11.15    Diskrete Mathematik für Einsteiger.  B28  und  B29.
    29.11.15    Exkurs-6  Eigene Betrachtungen zu Zählmodellen. B27.
    28.11.15    B24, B25, B26, B27. Ausnahmen.
    27.11.15    B23 Grassmann, ROBERT. * Exkurs-5.
    26.11.15    Angelegt und auf Linkfehler geprüft.