Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPTDAS=31.08.2015 Internet Erstausgabe, letzte Änderung TT.MM.JJ
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel   Stubenlohstr. 20   D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Wissenschaft, Bereich ... und hier speziell zum Thema:

    Kritische Anmerkungen zur Sprache und Didaktik der Mathematik

    von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Vorbemerkung Sollen mathematische Laien Mathematik verstehen und lernen können? Nachdem Mathematik wegen ihrer überragenden Bedeutung für Wissenschaft und Technik Schulfach ist, muss man die Frage ohne Zweifel mit Ja beantworten. Wie funktioniert nun so ein Verständniserwerb, das Lernen von Mathematik? Das Grundkonzept der Schule erscheint vernünftig, man lernt bei einem, der es kann und es daher einem auch beibringen kann. Das ist in der Schule die MathematiklehrerIn. Dazu gibt es zur Unterstützung Lehrbücher, Anleitungungen, Aufgaben, Übungen und Hilfen. Doch viele beklagen Verständnisschwierigkeiten. Sind das "nur" didaktische Probleme oder geht das tiefer? Dies soll im Folgenden an einigen Beispielen näher betrachtet werden.  Bis zur Mengenlehre gab es im wesentlichen nur eine Mathematik, gefeiert als Königin der Wissenschaften und ewiger Fels in der Brandung der Erkenntnisse. Mit der Grundlagenkrise  hat sich das gewandelt und bis auf den heutigen Tag auch nicht geändert. Die Mathematik hat ihren Nimbus verloren und das hängt in der Hauptsache mit der neuen und merkwürdigen Lehre des Unendlichen zusammen. In Grundfragen sollte es keinen Streit geben. Und gerade Axiome sollten klar und allgemein verständlich sein. Das ist aber gwiss nicht der Fall, wie im Folgenden an einigen Beispielen gezeigt wird.


    Potentiell und aktual Unendliches am Beispiel der natürlichen Zahlen
    Darf man die Folge der natürlichen Zahlen 1,2,3, ... als ein fertiges Ganzes = aktual Unendliches auffassen  oder nicht (potentiell Unendliches)? Allgemine Einigkeit besteht darüber, dass die Folge kein Ende hat und dass es keine größte natürliche Zahl gibt. Ein großer Teil der Mathematiker ist dieser Auffassung, dass man es darf, nicht wenige bedeutende aber auch nicht (z.B. Gauß, Poincare, Weyl). Nachvollziehbar begründet wird es in den von mir eingesehenen Quellen nirgendwo. Querverweise > Links. Spätestens wäre eine klare und verständliche Begründung beim Unendlichkeitsaxiom zu erwarten. > Unendlichkeitsaxiom in der Fassung von Halmos.

    Alle und Jeder
    Die Mathematik ist nicht in der Lage oder willens, eine saubere und klare Differenzierung zwischen den zwei Hauptbedeutungen von alle einzuführen und strikt und konsequent zu gebrauchen. Das ist das Gegenteil von exakt und genau genommen ein unwissenschaftlicher und  verschmierter Sprachtil. Alle kann alle zusammen, die Gesamtheit in mehreren Varianten, bedeuten oder jedes Mitglied der betrachteten Menge. Die Vermengung dieser beiden Grundbedeutungen kann zu vielen Irrungen und Wirrungen, Paradoxien und  Antinomien führen oder beitragen > Unendlichkeitsaxiom in der Fassung von Halmos.

    Beispiel Unendlichkeitsaxiom
    Hier stellen sich u.a. einige Fragen: Was genau soll unter Unendlichem verstanden werden? Zu was soll ein Unendlichkeitsaxiom genau dienen? Was genau wird durch "das" Unendlichkeitsaxiom ausgedrückt? Warum braucht es ein Axiom statt z.B. nur eine Definition? Werden die Formalismen in klarer deutscher Sprache ausgedrückt oder bleibt hier einiges offen und der Interpretationsphantasie überlassen?

    Unendlichkeitsaxiom in der Fassung von Halmos (GB; S. 60f):
    "Es gibt eine Menge, die 0 enthält und mit jedem ihrer Elemente auch dessen Nachfolger."
        Halmos erläutert: "Der Name 'Unendlichkeitsaxiom' ist naheliegend: Wir haben zwar noch keine präzise Definition der Unendlichkeit aufgestellt, aber es scheint vernünftig, solche Mengen, wie sie das Unendlichkeitsaxiom beschreibt, unendlich zu nennen."
        Die Formulierung des Axioms ist unklar. Man kann es 1) so verstehen, dass alleg Nachfolger gemeint sind. Dann wäre es falsch, weil es nicht alleg und insbesondere keinen letzten Nachfolger gibt. In dieser Bedeutung sollte man das Axiom umtaufen in "selbstwidersprüchliches Unendlichkeitsaxion". 2) man kann es als eine potentielle und unbestimmte Menge von Vorgängern und Nachfolgern verstehen, dann ist die Menge nur potentiell unendlich und nach oben offen, was aber meist nicht gewünscht ist. Gewünscht ist eine Maßeinheit für alleg natürlichen Zahlen, womit man etwas Unvollendetes und Unvollendbares als vollendet und vollendbar denkt. Das ist der grundlegende Denkfehler. Denn es bleibt die Frage, ob etwas in sich Widerspruchsvolles oder ein grundlegender Denkfehler als Axiom überhaupt zulässig sein kann. Sonst könnte man ja per Axiom verkünden: es gibt einen viereckigen Kreis.

    Weiter heißt es:
     


    Wie kann man A anschreiben? Z.B. so: (1) A = {0, x1, x2, x3}; (2) A = {0, x1, x1+} oder (3) A = {0, x1, x2, x3, ...}. (1) gibt eine endliche Nachfolgermenge wieder. (2) kann besagen besagt, dass es zu jedem Element ein Nachfolgerelement gibt. Ob man (2a) "alle" oder (2b) einen Teil betrachtet, bleibt an dieser Stelle offen. Und bei (3) ist entscheidend, was " ... " bedeuten soll. Die historische Hauptbedeutung ist usw. oder fortfahren, also potentiell. Das Symbol omega wird auch hier zwei zweideutig verwendet. Zunächst bezeichnet Halmos damit nur eine Nachfolgermenge. In der 5.letzten Zeile ist er dann plötzlich bei omega in der Bedeutung allerg natürlichen Zahlen.

    Fischer Lexikon Mathematik 2, Kapitel Maßtheorie,  S. 226f:
    "... Dieser Begriff läßt sich nun ganz allgemein definieren: Eine Kardinalzahl (= Mächtigkeit, I, S. 167) k heißt unerreichbar, wenn 1. jedes System von weniger als k Elementen, die alle kleinere Mächtigkeit als k haben, eine Vereini-;smenge von kleinerer Mächtigkeit als k hat, und wenn 2. für jede Menge A gilt: Hat A kleinere Mächtigkeit als k, so hat auch die Potenzmenge von A eine kleinere Mächtigkeit. Demnach ist die Kardinalzahl  Aleph0 von N die kleinste unerreichbare Kardinalzahl. Das in der Mengenlehre erforderliche Unendlichkeitsaxiom »Es gibt eine unendliche Menge« kann demnach auch so formuliert werden: Es gibt eine unerreichbare Kardinalzahl. — Steigt man, von dieser .Menge ausgehend, durch Potenzmengenbildung und Vereinigungen weiter auf, so erhält man eine unvorstellbar große Anzahl verschiedener Mächtigkeiten, die aber, wegen ihrer Entstehungsart, alle erreichbar sind. Um eine neue unerreichbare Menge zu haben, muß man offenbar ein neues »Unendlichkeitsaxiom« fordern. Dabei stellt sich heraus, daß diese erfüllende Menge gewisse paradox erscheinende Eigenschaften haben muß. Dann kann man weiter aufsteigen, bis man eine dritte unerreich-[>227] bare Menge axiomatisch einführen muß, usw. Diesen Prozeß man (mit Hilfe der Ordinalzahltheorie) auch ins Transfinite fortsetzen und gewisse Prozesse finden, die unerreichbare Kardinalzahlen von durchaus unvorstellbarer Größe beschreiben. In der üblichen Mathematik scheinen diese Mengen nun sehr oft benutzt zu werden, gibt es doch Leute, die meinen, daß man in der Mathematik mit den ersten beiden unendlichen Mächtigkeiten, nämlich der von N und der von R,  völlig auskommt. ..."

    Autorenkollektiv (1979) Mathematische Logik Mengenlehre Zahlenbereiche. Berlin: Volk & Wissen.
    S. 108: "Es gibt wenigstens eine unendliche Menge"
    S. 130: nur Erwähnung.
    S. 179: nur Erwähnung und Verweis auf S. 108
     

    Omegas, alephs und das Transfinite
    Grundsätzlich fallen mir keine Einwände ein, weshalb man "das" Unendliche nicht differenzieren und quantifizieren können sollte, vielleicht kann man solche neuen Maßeinheiten in der Kosmologie, z.B. bei den schwarzen Löchern gebrauchen, oder auch beim Allerkleinsten, den nonstandard Zahlen (kleiner als jede reelle Zahl und doch größer 0). Warum soll man nicht sagen können: der Gesamheit aller natürlichen Zahlen wird die Ordnungszahl omega und die Anzahl aleph zugeordnet? Mein Argument oben war: weil es die Gesamtheit aller natürlichen Zahlen nicht gibt, man kann sie nur unbegrenzt fortführen, indem immer 1 dazugezählt wird - ohne Ende. Es gibt also kein Ende durch Fortführung, aber kann man nicht trotzdem ein Ende oder ein Ganzes denken? Natürlich, denn man tut es ja. Das Unfertige und Unvollendbare wird fertig und vollendet gedacht. Sozusagen als ob, fiktional. Denken kann man "alles", doch ist es auch richtig und begründbar?
     

    Existenzquantor sichert
    Der Existenzquantor sichert gar nichts, wie mancherorts gern gesagt wird, er behauptet oder postuliert nur: es gibt wenigstens ein ..., für das gilt ...

    Grundlagen der Mengenlehre
    Nach Yanhai Song (2011):  "Die Sprache der Mengenlehre ist die Prädikatenlogik erster Stufe mit Epislon als Relationssymbol." [PDF Technische Universität München]. So auch Deiser in Einführung in die Mengenlehre [GB]. Demnach dürfte die Prädikatenlogik nicht mit Elementen der Mengenlehre aufgebaut werden, da das ja zirkulär wäre.

    Numerische instabile Matrizen
    (aus Ralston 1965, p.397):
    (I) x_1 + 3x_2 = 4
       2x_1 + 6,00001 x_2 = 8,00001
      ergibt x1=x2=1
    verglichen mit
    (II) x_1 + 3x_2 = 4
        2x_1 + 5,99999 =8,00002.
        ergibt x1=10, x2= -2.
    Beispiel in Sponsel, Rudolf (1984), S. 218
     





    Literatur (Auswahl)
    • Autorenkollektiv (1979) Mathematische Logik Mengenlehre Zahlenbereiche. Berlin: Volk & Wissen.
    • Bergfeld, Emil (1927) Die Axiome der Euklidischen Geometrie psychologisch und erkenntnistheoretisch untersucht. [GB]
    • Beutelsbacher, Albrecht (1992) "Das ist o.B.d.A. trivial" Tips und Trcks zur Formulierung mathematischer Gedanken. Braunschwei: Vieweg.Dienes, Z.P. (1967) Schulmathematik als Bildungsfach. Programm Moderne Mathematik. Freiburg: Herder.
    • Halmos, Paul R. (1968) Naive Mengenlehre. Moderne Mathematik in elementarer Darstellung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
    • Lipschutz, Seymour (1980) Finite Mathematik. Finite Mathematik. Logik, Mengenlehre, Vektoren und Matrizen, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Markoff-Ketten, lineare Programmierung, Spielthoerie. Theorie und Anwendung. Birkenau: Schaum.
    • Lorenzen, Paul  (1955) Einführung in die Operative Logik und Mathematik. Berlin: Springer.




    Links (Auswahl: beachte)
    • Materialien zur Kontroverse um "das" Unendliche.
    • Unendlich. Vorstellungen, Metaphern, Analogien, Begriffe, Kennzeichnungen, Definitionen.
    • Cantor Diagonalverfahren I Probleme. Unklarheiten, Paradoxes, Widersprüchliches mit Zählen, Anzahlen und den Mächtigkeiten im Endlich-Unendlichen aus der Sicht eines mathematischen Laien.
    • Naleph Phantasien.
    • Wikibooks: Mathe für Nicht-Freaks.




    Glossar, Anmerkungen und Fußnoten
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    Wie man Mathematik lernt nach Dienes (1967), S. 15.
    "Unser Vorhaben, zu erläutern, wie das Lernen der Mathematik vor sich geht, erscheint verwegen genug. Es ist tatsächlich einigermaßen vermessen, zu fragen, wie etwas erlernt wird, wenn man einmal davon abgeht, als Erklärung das Zusammenspiel von Reiz und Reaktion anzugeben, womit ja in Wirklichkeit nichts erklärt, sondern nur die Tatsache festgestellt wird, daß gewisse Dinge erlernt zu werden scheinen, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind. Wir wollen uns die grundsätzlichere Frage vorlegen, worin der Vorgang des Lernens eigentlich besteht. Würden wir sagen, etwas sei erlernt, wenn ein bestimmtes Problem nach dem Lernen besser bewältigt wird als zuvor, so hätten wir — selbst wenn wir eine angemessene Methode fänden, die Qualität zu messen, mit der ein Problem bewältigt wird — immer noch eher bestimmte sachdienliche Fakten über den Vorgang des Lernens zusammengetragen als darüber etwas ausgesagt, wie das Lernen vor sich geht. Bei näherem Nachdenken über die Sache könnten wir zur Ansicht kommen, mit Hilfe von beobachteten Fakten allein könne der Lernvorgang nicht „erklärt werden", denn es ist in der Tat unmöglich, irgendein vielschichtigeres Phänomen durch beobachtete Tatsachen zu „erklären". Ein Phänomen erklären heißt ein Ordnungsprinzip angeben, welches die beobachteten Fakten in bestimmter Weise ordnet, so daß es möglich ist, sie als ganzes System zu übersehen und wir, durch das System gestützt, vorauszusagen vermögen, was jeweils als nächstes eintreten könnte.
    So geschieht es in jeder Wissenschaft, wenn eine Theorie vorgeschlagen oder verwendet wird: Die Theorie wird zum Koordinieren beobachteter Tatsachen vorgeschlagen; in ihrer Sprache können wir, so kann man sagen, den Tatsachen einen „Sinn geben" und also zukünftige Ereignisse voraussagen. ... "
     


    Querverweise
    Standort: Sprache und Didaktik Mathe u.a. am Bsp Axiome ML.
    *
    *Materialien zur Kontroverse um "das" Unendliche.
    Unendlich. Vorstellungen, Metaphern, Analogien, Begriffe, Kennzeichnungen, Definitionen.
    Cantor Diagonalverfahren I Probleme. Unklarheiten, Paradoxes, Widersprüchliches mit Zählen, Anzahlen und den Mächtigkeiten im Endlich-Unendlichen aus der Sicht eines mathematischen Laien. * Naleph Phantasien.
    * Beweis und beweisen in Wissenschaft und Leben * Beweis und beweisen in Mathematik *
    Sophistik und Rabulistik in der altehrwürdigen Mathematik.
    Materialien zur Mathematik: Lexika, Wörterbücher, Glossare.
    *
    Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
    z.B. Mathematik site:www.sgipt.org. 
    *
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    Zitierung
    Sponsel, R.  (DAS). Kritische Anmerkungen zur Sprache und Didaktik der Mathematik. Internet Publikation  für Allgemeine und Integrative Psychotherapie  IP-GIPT. Erlangen:  https://www.sgipt.org/wisms/mathe/ML/AxiomeML.htm
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    Ende
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