Der Vater
1887 von August Strindberg
Gastspiel vom Theater
an der Ruhr (Mülheim) im Markgrafentheater Erlangen
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... und die Liebe zwischen den Geschlechtern ist Kampf ... Und der Stärkere hat recht? Immer, da er die Macht hat [Q] |
Info Theater an der
Ruhr: Der Vater:
"Strindbergs DER VATER, 1887 entstanden, seziert mit äußerster
Genauigkeit die Ehe von Laura und dem Rittmeister. Der Anlass der Auseinandersetzung
ist die Erziehung der gemeinsamen Tochter Berta. Laura sieht sie eher als
Künstlerin, der Vater möchte sie in die Stadt schicken, damit
sie später studieren kann. Auf jeden Fall will er sie dem Einfluss
der Mutter entziehen. Als Vater hat er zu dieser Zeit das verbriefte Recht,
die Erziehung des Kindes zu bestimmen und lässt keinen Zweifel aufkommen,
dieses Recht durchzusetzen.
Zufällig hat sich zur gleichen Zeit ein Fall
ereignet, bei dem eine Vaterschaft nicht eindeutig zu klären war.
Aus dem beiläufigen Gespräch des Ehepaares über diesen Vorfall
entsteht der Verdacht, dass auch der Rittmeister nicht der Vater des gemeinsamen
Kindes sei. In seinen Vorstellungen entwirft der Rittmeister seinen eigenen
Untergang. Der einmal erhobene Verdacht wird zum Fluch.
Kaum hatte sich die bürgerliche Familie im
19. Jahrhundert etabliert, erkennt man schon die Züge ihres Zerfalls.
Ihre Überfrachtung mit dem Pathos der Liebe, früher war sie eher
eine Rechts- und Sachgemeinschaft, zerstört sie so nachhaltig, dass
heute vielfach nur noch die Masken dieser Institution übrig geblieben
sind."
BÜHNENBILD: FÜR ALLE DREI AKTE
Wohnzimmer im Hause des Rittmeisters. Eine Tür im Hintergrund
rechts. Mitten im Zimmer ein großer, runder Tisch mit Zeitungen und
Zeitschriften. Rechts ein Ledersofa mit einem Tisch davor. In der Ecke
rechts eine Tapetentür. Links eine Kommode mit einer Pendeluhr. Daneben
eine Tür. — An den Wänden Säbel, Gewehre und Jagdtaschen.
Neben der Tür ein Kleiderständer mit Uniformröcken. — Auf
dem großen Tisch steht eine brennende Petroleumlampe."
Rein sachlich ist es für das Verständnis des Stückes
wichtig zu wissen: "Ab 1915 verschwand das patriarchalische Familienleitbild
aus dem Gesetz, dem man damals das Prädikat „besonders fortschrittlich“
hätte verleihen können." [Q]
D.h. für Strindbergs Der Vater gilt noch das alte, patriarchalische
Ehegesetz in Schweden, das noch keinerlei Gleichberechtigung kennt..
Der Vater ist ein Stück, das einen fürchterlichen
Kampf um Macht und Gleichberechtigung in einer bürgerlichen Ehe in
Schweden gegen Ende des 19. Jahrhundert, radikal zugespitzt auf die Frage
der elterlichen Sorge und des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die
Tochter Bertha im Konfirmationsalter, zum Gegenstand hat. In einem
"Narrenhaus" voller Frauen, geht es dem Rittmeister - der sich neben seinem
Soldatendienst aus Frust in die Wissenschaft geflüchtet hat und dort
an einem bahnbrechenden Thema arbeitet (Nachweis von Lebenszeichen in Meteoriten
durch Kohlenstoff) - darum, was mit der künstlerisch begabten Tochter
Bertha (im Konfirmationsalter) - die
mit einer besonders intensiven Bindungsbeziehung
zu ihrer Mutter beschrieben wird - werden soll. Bleibt sie in dem (Weiber-)
"Narrenhaus", wie es seine Frau Laura will oder kann er sich durchsetzen
und die Tochter in fremde Obhut - zu einem Freidenker - geben. Das übergeordnete
Thema ist der Kampf der Geschlechter und die Gleichberechtigung, die der
Rittmeister seiner Frau unter Berufung auf die damaligen Gesetze und den
Zeitgeist verweigert. Aber er hat nicht mit Lauras Willen zur Macht in
dieser Frage - wie überhaupt - gerechnet. Sie ist ebenso scharfsinnig
wie scharfzüngig und treibt ihn mit ihrer Intelligenz und Bosheit
regelrecht in den Wahnsinn. So wird der Machtkampf mit gerissener Intelligenz
und skrupelloser Heimtücke von Laura zu ihren Gunsten entschieden.
Am Ende stirbt der Rittmeister entehrt, gedemütigt, entmündigt
in einer Zwangsjacke an einem Hirnschlag und das scheinbar schwache Geschlecht
erweist sich als überlegen.
Die spannende Frage bleibt offen, ob es anders gegangen wäre, wenn der Rittmeister weniger als autoritärer Patriarch, der auf seinen unrechtmäßigen Rechten beharrte, sondern als Mann und Mensch seine Frau als gleichwertig anerkannt hätte. Spannend deshalb, weil Laura von Strindberg durch ihren Bruder, den Pastor, bereits als Kind missraten in ihrem unbedingten Machtwillen eingeführt wurde. Strindbergs Der Vater lehrt uns: der Wille zur Macht ist keine Männerangelegenheit. Und: eine Mutter kann zur Bestie werden, wenn man ihr ihr Kind wegzunehmen versucht. Spannend und unaufgelöst bleibt auch die Frage, weshalb er naiv - die mörderische Realität verkennend - und sich selbst wohl überschätzend, glaubte, dem unbedingten Machtwillen, ihrem - von ihm verkannten - Scharfsinn und der Niedertracht seiner Laura gewachsen zu sein? Bekennt er doch seinem Schwager, dem Pastor: "Es ist wie in einem Tigerkäfig: hielte ich ihnen nicht mein glühendes Eisen unter die Nase, so würden sie mich bei der ersten Gelegenheit zerreißen." Laura ist, menschenrechtlich betrachtet, im Recht, aber
nicht nach dem unrechtmäßigen Recht der damaligen Gesellschaft.
Die gemeinsame elterliche Sorge ist erst ein Produkt der jüngeren
Vergangenheit. In Lauras Augen hatte ihr Mann, der Rittmeister, nicht das
Recht, über den Aufenthalt und die Zukunft der Tochter über ihren
Kopf hinweg zu bestimmen. Und mehr noch: ... eine
Mutter kann und muß für ihr Kind jedes Verbrechen begehen. Deshalb
kommt es zum unerbittlichen, mit allen destruktiven Mitteln geführten
Machtkampf durch Laura und sie wird zur Mutterdomina als ihr Mann Bertha
ihrem Einflussbereich entziehen und damit entfremden will. Und so wird
der Rittmeister nach seiner eigenen sozialdarwinistisch- faschistischen
Ideologie sozusagen zu Recht Opfer, denn - wie er verkündet - Recht
hat der Stärkere, "immer, da er die Macht hat."
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Die folgende Gliederung fasst aus meiner Sicht Hauptabschnitte, die ich Szenen nenne - einige kleine wurden ausgelassen bzw. zusammengefasst - und denen ich bestimmte Themen zuordne, zusammen. Sie folgt der Ausgabe bei Rowohlt (1960, S. 1 - 46).
[ERSTER AKT]
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1. Szene (S. 7): Erstes zentrales Konfliktthema: Welcher Mann kann schon sicher wissen, ob er der Vater eines Kindes ist? [Kuckuckskinderproblem] |
Der Rittmeister und sein Schwager, der Pastor, sprechen über die
Situation im Haus. Nöjd soll die Magd geschwängert haben. Der
Pastor soll ihm die Leviten lesen. Doch Nöjd weist auch auf Ludwig
hin, der mit der Magd etwas gehabt haben soll und bringt damit ein wichtiges
Leitmotiv des Dramas auf: Welcher Mann kann schon sicher wissen, ob er
der Vater eines Kindes ist? (S. 7 - 8)
2. Szene (S. 9): Die Mutter
will, dass Laura zu Hause bleibt, der Vater will sie aus dem "Narrenhaus"
heraus haben und in fremde Obhut geben. Nach seinem Willen soll sie Lehrerin
werden, das ist für beide Varianten - ob sie einmal heiratet oder
nicht - in seinen Augen eine gute Lösung.
Zweites zentrales Konfliktthema: Die Machtfrage: Wer hat das
Sorge-
und Aufenthaltsbestimmungsrecht über die Tochter Bertha?
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LAURA (knickst). Danke vielmals! — Führst
du auch darüber Rechnung, was du nicht für den Haushalt ausgibst?
RITTMEISTER. Das geht dich nichts an ! LAURA. Das ist wahr! Es geht mich ebensowenig etwas an, wie mich die Erziehung meines Kindes etwas angehen darf. Haben die Herren heute abend in der Sitzung den Beschluß gefaßt? RITTMEISTER. Ich hatte schon vorher meinen Beschluß gefaßt und wollte ihn nur noch dem einzigen Freunde mitteilen, den ich und die Familie gemeinsam haben. Bertha kommt in die Stadt in Pension. In vierzehn Tagen reist sie. LAURA. Zu wem kommt sie in Pension, wenn ich fragen darf? RITTMEISTER. Zum Auditeur Säfberg. LAURA. Zu dem Freidenker. RITTMEISTER. Die Kinder sollen im Glauben des Vaters erzogen werden, bestimmt das Gesetz. LAURA. Und die Mutter hat da nichts mitzureden? RITTMEISTER. Gar nichts. Sie hat ihren Vorrang gesetzmäßig verkauft und auf ihre Rechte verzichtet, wogegen der Mann ihre Versorgung und die ihrer Kinder auf sich genommen hat. LAURA. Sie hat also kein Recht auf ihr Kind? RITTMEISTER. Nein, gar keines. Wenn man eine Ware einmal verkauft hat, so kann man sie nicht zurücknehmen und das Geld noch dazu behalten. |
Die Diskussion spitzt sich zu. Laura wirft ein: "Wenn aber Vater und
Mutter gemeinsam beschließen würden ...", womit sie bei ihrem
Mann auf taube Ohren stößt. Es kommt dann die Sprache auf die
Schwängerung der Magd und der Rittmeister übernimmt die Position
von Nöjd, womit er selbst den Keim für den eigenen Zweifel legt
(S. 13):
...
RITTMEISTER. Aber im Gesetz steht nicht, wer der Vater des Kindes ist. LAURA. Nein, aber das pflegt man zu wissen. RITTMEISTER. Kluge Leute behaupten, daß man so etwas nie wissen kann. LAURA. Das ist merkwürdig! Kann man nicht wissen, wer der Vater eines Kindes ist? ' RITTMEISTER. Nein, so behauptet man. LAURA. Das ist merkwürdig! Wie kann der Vater dann solche Rechte über das Kind haben? RITTMEISTER. Er hat sie nur dann, wenn er Verpflichtungen auf sich nimmt oder wenn ihm Verpflichtungen auferlegt werden. Und in der Ehe gibt es ja keinen Zweifel an der Vaterschaft. LAURA. Es gibt keinen Zweifel? RITTMEISTER. Nein, das hoffe ich. LAURA. Und wenn die Frau untreu gewesen ist? RITTMEISTER. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. — Hast du noch etwas zu fragen? LAURA. Nein. RITTMEISTER. Dann gehe ich hinauf in mein Zimmer. Bitte, sei so gut und verständige mich, wenn der Doktor kommt. (Schließt den Sekretär und steht auf.) LAURA. Das wird geschehen. RITTMEISTER. Aber sobald er kommt. Ich will nicht unhöflich gegen ihn sein. Du verstehst. (Ab) LAURA. Ich verstehe. ... |
4. Szene (S. 14): Der neue Doktor kommt - Laura lügt, intrigiert und denunziert ihren Mann als gemütskrank. |
Statt wie versprochen den Rittmeister, ihren Mann zu rufen, lügt
sie (S. 14):
DR. ÖSTERMARK (tritt ein). Gnädige
Frau!
LAURA (geht ihm entgegen und reicht ihm die Hand). Willkommen, Herr Doktor! Herzlich willkommen bei uns! Der Rittmeister ist ausgegangen, aber er kommt gleich wieder. |
Die Fragen des Doktors sind suggestiv
und ungeschickt (RS: fett-kursiv hervorgehoben). Sie legen der Ehefrau
nahe, wie sie ihr Netz spinnen und garnen muss, um zu ihrem Ziel, ihren
Mann für wahnsinnig erklären zu lassen, zu gelangen. So sollten
Heilfachkundige nicht explorieren. Ein paar Kostproben (S. 15):
DR. ÖSTERMARK. Sehen Sie, gnädige
Frau, Ihr Vertrauen ehrt mich; aber als Arzt muß ich untersuchen
und prüfen, ehe ich urteile. Hat der Herr Rittmeister Zeichen
von besonderer Launenhaftigkeit, von schwankendem Willen erkennen lassen?
LAURA. Ob er das hat? Wir sind zwanzig Jahre verheiratet, und er hat noch nie einen Beschluß gefaßt, den er nachher nicht wieder aufgegeben hätte. DR. ÖSTERMARK. Ist er halsstarrig? LAURA. Er muß immer seinen Willen durchsetzen; aber wenn man ihm nachgegeben hat, dann läßt er alles sein und bittet mich, die Entscheidung zu treffen. DR. ÖSTERMARK. Das ist bedenklich und erfordert genaue Beobachtung. Sehn Sie, gnädige Frau: der Wille, das ist das Rückgrat der Seele; wenn der verletzt wird, dann zerfällt die Seele. |
Anmerkung: Die Beschuldigung zur bloß demonstrativen Willensdurchsetzung
ist eine Umlenkung genau der Vorwürfe, die ihr Bruder über sie
ausgesprochen
hat.
7. Szene (S. 19): Der Rittmeister und seine Tochter Bertha. |
...
RITTMEISTER. Glaubst du, daß es Geister gibt? BERTHA. Ich weiß nicht. RITTMEISTER. Aber ich weiß, daß es keine gibt. BERTHA. Aber die Großmutter sagt, daß der Papa das nicht versteht und daß der Papa viel ärgere Sachen macht, wenn er zu anderen Planeten hinübersieht. RITTMEISTER. Das sagt sie! Das sagt sie! Und was sagt sie noch? BERTHA. Sie sagt, daß du nicht zaubern kannst. RITTMEISTER. Das habe ich auch nicht behauptet. Du weißt, was Meteorsteine sind! Das sind Steine, die von anderen Himmelskörpern auf die Erde herabfallen. Die kann ich untersuchen und sagen, ob sie die gleichen Stoffe enthalten wie unsere Erde. Das ist alles, was ich sehen kann, BERTHA. Aber die Großmutter sagt, daß es Dinge gibt, die sie sehen kann und die du nicht sehen kannst. RITTMEISTER. Das ist eine Lüge! BERTHA. Die Großmutter lügt nicht. RITTMEISTER. Warum nicht? BERTHA. Dann lügt Mama auch. RITTMEISTER. Hm. BERTHA. Wenn du sagst, Mama lügt, dann glaube ich dir nie mehr etwas! RITTMEISTER. Ich habe das nicht gesagt, und deshalb mußt du mir glauben, wenn ich dir sage, daß es dein Bestes, deine Zukunft, erfordert, daß du dieses Haus verläßt. Willst du das? Willst du in der Stadt wohnen und etwas Nützliches lernen? BERTHA. Ach ja, ich möchte gerne in die Stadt, weg von hier, wohin auch immer! Wenn ich dich nur manchmal sehen darf, nein, oft! Oh, da drinnen ist es immer so dumpf, so unheimlich wie in einer Winternacht; aber wenn du kommst, Vater, dann ist es, als ob man an einem Frühlingsmorgen die Doppelfenster abnimmt. RITTMEISTER. Mein geliebtes Kind! Mein teures Kind! BERTHA. Aber, Papa, du mußt zur Mama lieb sein, hörst du! Sie weint so oft. RITTMEISTER. Hm. — Du willst also in die Stadt? BERTHA. Ja, ja, RITTMEISTER. Aber wenn Mama es nicht will? BERTHA. Aber das muß sie ja wollen. RITTMEISTER. Aber wenn sie es nicht will? BERTHA. Ja, dann weiß ich nicht, wie es gehen soll. Aber sie muß es wollen, sie muß! RITTMEISTER. Willst du sie bitten? BERTHA. Du mußt sie ganz schön bitten; denn auf mich gibt sie nichts. RITTMEISTER. Hm. — Aber wenn du es willst und ich es will, und sie will es nicht, was wollen wir dann tun? BERTHA. Ach, dann wird wieder alles so schwierig! Warum könnt ihr nicht beide... LAURA (tritt ein). Ach so, Bertha ist hier! Da können wir vielleicht
ihre eigene Meinung zu hören bekommen, wenn über ihr Schicksal
entschieden werden soll.
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8. Szene (S. 20f): Zweite, schwere Auseinandersetzung zwischen dem Rittmeister und seiner Frau. |
LAURA. Du fürchtest ihre Meinung,
weil du glaubst, daß sie zu meinen Gunsten wäre.
RITTMEISTER. Ich weiß, daß sie selbst vom Haus fort will; aber ich weiß auch, daß du die Macht hast, ihren Willen nach deinem Belieben zu ändern. LAURA. Oh, bin ich so mächtig? RITTMEISTER. Ja, du hast eine satanische Macht, deinen Willen durchzusetzen, aber das hat derjenige stets, der kein Mittel scheut. Wie hast du zum Beispiel Doktor Norling fort- und den neuen Arzt hergebracht? LAURA. Ja, wie habe ich das gemacht? RITTMEISTER. Du hast den vorigen so beschimpft, daß er ging, und dann hast du deinen Bruder Stimmen für den neuen werben lassen, LAURA. Nun, das war ja ganz einfach und vollkommen gesetzlich. — Soll Bertha jetzt reisen? RITTMEISTER, Ja, in vierzehn Tagen. LAURA. Hast du das beschlossen? RITTMEISTER. Ja. LAURA. Hast du mit Bertha darüber geredet? RITTMEISTER. Ja. LAURA. Dann darf ich wohl versuchen, es zu verhindern, RITTMEISTER. Das kannst du nicht. LAURA. Nicht? Glaubst du, eine Mutter läßt sich ihr Kind wegnehmen und unter schlechte Menschen stecken, die ihm beibringen, daß alles, was die Mutter ihm beigebracht hat, Dummheiten sind, so daß sie schließlich ihr ganzes Leben lang von der eigenen Tochter verachtet wird? RITTMEISTER. Glaubst du, ein Vater wird zulassen, daß unwissende und eingebildete Weiber die Tochter lehren, daß der Vater ein Scharlatan war? LAURA. Das sollte für den Vater weniger bedeuten. RITTMEISTER. Wieso? LAURA. Weil die Mutter dem Kind nähersteht, seit man entdeckt hat, daß man eigentlich nicht wissen kann, wer der Vater eines Kindes ist. RITTMEISTER. Was hat das in diesem Fall für eine Bedeutung? LAURA. Du weißt nicht, ob du Berthas Vater bist. RITTMEISTER. Weiß ich das nicht? LAURA. Nein, das, was niemand wissen kann, weißt wohl auch du nicht. RITTMEISTER. Du scherzest wohl? LAURA. Nein, ich wende nur deine Lehren an. Im übrigen, woher weißt du, daß ich dir nicht untreu war? RITTMEISTER. Ich traue dir viel zu, aber das nicht, und ich glaube auch nicht, daß du davon reden würdest, wenn es wahr wäre. LAURA. Angenommen, ich würde alles vorziehen, ich würde vorziehen, ausgestoßen und verachtet zu werden, alles, wenn ich nur mein Kind behalten und beherrschen darf, und daß ich jetzt die Wahrheit spräche, wenn ich erklärte: Bertha ist mein Kind, aber nicht deines. Angenommen... RITTMEISTER. Hör jetzt auf! LAURA. Nehmen wir es nur an: dann wäre deine Macht zu Ende. RITTMEISTER. Sobald du beweist, daß ich nicht der Vater bin. LAURA. Das wäre wohl nicht schwer. Würdest du das wollen? RITTMEISTER. Hör jetzt auf! LAURA. Ich brauchte natürlich nur den Namen des wirklichen Vaters anzugeben, den Ort und den Zeitpunkt näher zu bestimmen ... Zum Beispiel: Wann ist Bertha geboren? ... Im dritten Jahr nach der Hochzeit ... RITTMEISTER. Hör auf jetzt! Sonst ... LAURA, Was, sonst? Wir sollen jetzt aufhören! Aber bedenke genau, was du tust und beschließt! Und mach dich vor allem nicht lächerlich! RITTMEISTER. Ich finde das alles äußerst traurig, LAURA, Um so lächerlicher wirst du! RITTMEISTER. Aber du nicht! LAURA. Nein, so klug haben wir das angestellt. RITTMEISTER. Deshalb kann man mit euch nicht streiten. LAURA. Warum läßt du dich dann mit einem überlegenen Feind in Streit ein? RITTMEISTER. Überlegen? LAURA. Ja. Es ist sonderbar, aber ich habe nie einen Mann ansehen können, ohne mich ihm überlegen zu fühlen. RITTMEISTER. Na, dann sollst du einmal deinen Meister finden, so daß du es nie mehr vergißt! LAURA. Es wird interessant werden. |
[ZWEITER AKT]
DR. ÖSTERMARK. Gnädige Frau,
ich habe unser Gespräch aufgezeichnet, und ich erinnere mich, daß
ich Sie nach diesem Hauptpunkt zweimal gefragt habe, weil ich glaubte,
mich verhört zu haben. Man muß bei solchen Anklagen, bei denen
es sich um die Unmündigkeitserklärung eines Mannes handelt, sehr
gewissenhaft sein.
LAURA. Unmündigkeitserklärung? DR. ÖSTERMARK. Ja, das wissen Sie doch, daß ein Wahnsinniger seine Rechte als Bürger und Familienvorstand verliert. LAURA. Nein, das wußte ich nicht. DR. ÖSTERMARK. Dann war noch ein Punkt, der mir verdächtig erscheint: Er sprach davon, daß seine Briefe an die Buchhändler unbeantwortet blieben. Darf ich fragen, ob Sie diese Briefe etwa in wohlmeinender, aber unvernünftiger Absicht abgefangen haben? LAURA. Ja, das habe ich. Aber es war meine Pflicht, die Interessen des Hauses zu wahren, und ich konnte ihn doch nicht ohne weiteres uns alle ruinieren lassen. |
11. Szene (S. 26): Der Rittmeister und seine alte Amme Margret. Er fragt, ob sie sicher sei, wer der Vater ihres Kindes sei. |
RITTMEISTER: Und jetzt kommt die Moral:
Trau nie jemandem zu sehr!
DR. ÖSTERMARK: Aber auch nicht zu wenig! |
RITTMEISTER. Ich bin heute abend auf
dem Postamt gewesen und habe Briefe abgeholt. Aus diesen geht hervor, daß
du sowohl abgehende wie ankommende Briefe unterschlagen hast. Die Folge
davon ist zunächst, daß der Zeitverlust das erwartete Resultat
meiner Arbeit zerstört hat.
LAURA. Das war von mir nur gut gemeint, denn du hast wegen dieser Arbeit deinen Dienst vernachlässigt. RITTMEISTER. Es war wohl von dir nicht gut gemeint, denn du hattest die Gewißheit, daß jene andere Arbeit mir eines Tages mehr Ehre einbringen würde als mein Dienst; aber du wolltest vor allem, daß ich überhaupt keine Ehre erringe, denn das hätte dich in deiner Unbedeutendheit bedrückt ... Dann habe ich an dich gerichtete Briefe aufgefangen. LAURA. Das war nobel gehandelt. RITTMEISTER. Siehst du, du hast eine höhere Meinung von mir — wie man das so nennt ... Aus diesen Briefen geht hervor, daß du seit längerer Zeit alle meine früheren Freunde gegen mich einnahmst, indem du Gerüchte über meinen Geisteszustand verbreitet hast. Und deine Bemühungen haben Erfolg gehabt, denn jetzt gibt es keinen einzigen mehr, vom Chef bis herab zur Köchin, der glaubt, ich sei bei Verstand. — Nun verhält es sich aber mit meiner Krankheit folgendermaßen: Mein Verstand ist, wie du weißt, nicht im geringsten gestört; ich kann sowohl meinen Dienst versehen als auch meine Pflichten als Vater erfüllen. Auch meine Gefühle habe ich noch in meiner Gewalt, solange der Wille noch halbwegs unbeschädigt ist; aber du hast an ihm genagt und genagt, so daß die Zahnräder bald abgenützt sein werden, und dann schnurrt das ganze Uhrwerk zurück. Ich will nicht an deine Gefühle appellieren, denn du hast keine — und das ist deine Stärke —, sondern ich appelliere nur an dein Interesse. ... LAURA: Die Macht, ja. Worum ist es in diesem ganzen Kampf auf Leben und Tod sonst gegangen als um die Macht? (S. 31) ... RITTMEISTER. Du hattest immer die Oberhand. Du konntest mich im Wachzustand so hypnotisieren, daß ich weder sah noch hörte, sondern nur gehorchte. Du konntest mir eine rohe Kartoffel geben und mir einreden, es wäre ein Pfirsich. Du konntest mich dazu zwingen, deine dummen Ideen als geniale Einfalle zu bewundern. Du hättest mich zu Verbrechen, ja zu ehrlosen Taten verleiten können. Denn dir fehlte der Verstand, und statt meinen Ratschlägen zu folgen, handeltest du nach deinem eigenen Kopf, Aber als ich dann erwachte und wieder klar denken konnte, fühlte ich, wie meine Ehre gelitten hatte, und ich wollte sie wiederherstellen durch eine große Tat, ein kühnes Unternehmen, eine Entdeckung oder durch einen ehrlichen Selbstmord. Ich wollte in den Krieg ziehen, aber das gelang mir nicht Da warf ich mich auf die Wissenschaft. Jetzt, da ich die Hand ausstrecken wollte, um die Frucht entgegenzunehmen, schlägst du mir den Arm ab. Jetzt bin ich ehrlos und kann nicht weiterleben, denn ein Mann kann nicht leben ohne Ehre. (S. 33) ... RITTMEISTER (geht drohend auf sie zu). Wie kannst du mich unter Vormundschaft stellen lassen? LAURA (zieht einen Brief hervor). Durch diesen Brief, der in beglaubigter Abschrift auf dem Vormundschaftsgericht liegt. RITTMEISTER. Was für ein Brief? LAURA (zieht sich rückwärtsschreitend gegen die Tür zurück). Dein Brief! - In dem du dem Arzt erklärt hast, daß du wahnsinnig bist. RITTMEISTER (betrachtet sie stumm). LAURA. Jetzt hast du deine Bestimmung als leider notwendiger Vater und als Versorger erfüllt. Man braucht dich nicht mehr, und du mußt gehen. Du mußt gehen, nachdem du eingesehen hast, daß mein Verstand ebenso stark wie mein Wille war, und weil du das nicht anerkennen wolltest. RITTMEISTER (geht zum Tisch, ergreift die brennende Lampe und wirft sie nach Laura, die, das Gesicht ihm zugekehrt, aus dem Zimmer flüchtet). (S. 34) |
[DRITTER AKT]
15. Szene (S. 39): Der Rittmeister tritt ein - Die Eröffnung des Wahnsinns durch den Pastor und Dr. Östermark erfolgt. |
RITTMEISTER: ... was nützen mir Wissenschaft und Philosophie, wenn ich nichts habe, für das ich leben kann? Was kann ich mit dem Leben machen, wenn ich ehrlos bin? ... Jetzt will ich sterben! Macht mit mir, was ihr wollt! Ich bin nicht mehr da! ... (S. 40) |
16. Szene (S. 41): Bertha und ihr Vater - sie flüchtet schließlich vor ihm. |
BERTHA. Sag nichts Böses über
Mama, hörst du!
RITTMEISTER. Ja, ihr haltet zusammen, alle zusammen gegen mich! Und das habt ihr die ganze Zeit getan! BERTHA. Papa! RITTMEISTER. Gebrauche das Wort nicht mehr! BERTHA. Papa! Papa! RITTMEISTER (zieht sie an sich). Bertha, liebes, geliebtes Kind, du bist ja mein Kind! Ja, ja! Es kann nicht anders sein! Es ist so! Das andere waren nur kranke Gedanken, die mit dem Wind kommen wie Pest und Fieber. — Sieh mich an, damit ich in deinen Augen meine Seele sehe! — Aber ich sehe auch ihre Seele! — Du hast wohl zwei Seelen, und mit der einen liebst du mich, und mit der anderen haßt du mich. Aber du sollst mich nur lieben! Du sollst nur eine Seele haben, sonst bekommst du niemals Frieden und ich auch nicht. Du sollst nur einen Gedanken haben, der das Kind meines Gedankens ist; du sollst nur einen Willen haben, den meinen! BERTHA. Das will ich nicht. Ich will ich selbst sein. |
17. Szene (S. 42): Seine alte Amme Margret täuscht den Rittmeister und bringt ihn in die Zwangsjacke |
MARGRET. ... Er war ein unvernünftiges Kind, und daher musste man ihn überlisten, denn er glaubte nicht, daß man es gut mit ihm meinte. ... |
18. Szene (S. 43): Die letzte große Auseinandersetzung des Rittmeisters mit seiner Frau "Omphale" bevor ihn der Hirnschlag erlöst. |
LAURA (tritt zum Sofa), Adolf! Sieh mich
an! Glaubst du, daß ich dein Feind bin?
RITTMEISTER. Ja, das glaube ich. Ich glaube, ihr alle seid meine Feinde. Meine Mutter, die mich nicht zur Welt bringen wollte, weil ich [>44] mit Schmerzen geboren werden mußte, war mein Feind; denn sie entzog dem ersten Lebenskeim die Nahrung und machte mich zu einem halben Krüppel. Meine Schwester war mein Feind, denn sie lehrte mich, daß ich ihr untertan sein müsse. Das erste Weib, das ich umfing, war mein Feind, denn sie gab mir zehn Jahre Krankheit als Lohn für die Liebe, die ich ihr schenkte. Meine Tochter wurde mein Feind, als sie zwischen mir und dir wählen sollte. Und du, meine Gattin, du warst mein Todfeind, denn du ließest mich nicht eher los, ehe ich nicht kraftlos dalag. LAURA. Ich weiß nicht, ob ich irgend etwas von dem gedacht oder gewollt habe, von dem du glaubst, daß ich es tat. Es mag wohl sein, daß ein dunkler Drang in mir herrschte, dich wegzuschaffen wie etwas Hinderliches; aber wenn du in meiner Handlungsweise einen Plan, siehst, so ist es wohl möglich, daß er darin war, obgleich ich ihn nicht sah. Ich habe nie über das, was geschah, nachgedacht, sondern es ist dahingeglitten wie auf Schienen, die du selbst gelegt hast; und vor Gott und meinem Gewissen fühle ich mich unschuldig, auch wenn ich es nicht bin. Dein Dasein ist mir wie ein Stein auf dem Herzen gelegen, der gedrückt und gedrückt hat, bis das Herz versuchte, die drückende Last abzuschütteln. So ist es wohl gewesen, und wenn ich dich ungerechterweise geschlagen habe, so bitte ich dich um Verzeihung. RITTMEISTER. Das klingt begreiflich. Aber was hilft es mir? Und wer hat die Schuld? Vielleicht die geistige Ehe? — Früher verheiratete man sich mit einer Frau; jetzt bildet man mit einer Gewerbetreibenden eine Handelsgesellschaft oder zieht mit einer Freundin zusammen. — Dann schwängert man die Gesellschafterin oder entehrt die Freundin. — Was ist aus der Liebe, der gesunden, sinnlichen Liebe geworden? Sie ist daran gestorben. Und was für Kinder kommen aus dieser Liebe auf Aktien, ausgestellt auf den Inhaber, ohne gemeinsame Haftung! Wer ist der Inhaber, wenn es zum Krach kommt? Wer ist der körperliche Vater des geistigen Kindes? LAURA. Und was deinen Verdacht wegen des Kindes angeht, so ist er vollkommen unbegründet. RITTMEISTER. Das ist ja gerade das Furchtbare! Wenn er wenigstens begründet wäre, dann hätte man etwas, das man greifen, an das man sich halten könnte. Jetzt sind es nur Schatten, die sich in den Büschen verbergen und den Kopf hervorstecken, um einen auszu- lachen; jetzt ist es nur wie Hiebe in die Luft, wie Scheingefechte ohne wirkliche Munition. Eine traurige Wirklichkeit hätte Widerstand hervorgerufen, den Körper und den Geist zu Taten gestrafft, so aber ... Die Gedanken lösen sich in Dunst auf, und das Gehirn läuft leer, bis es in Brand gerät ... |
19. Szene (S. 46): Eine etwas rätselhafte, kurze Schlußszene beendet das Drama. |
Eindrücke
von der Inszenierung
Die Aufführung, ca. 100 min ohne Pause, folgte weitgehend dem
Stück von Strindberg, zumindest im Text. Die Musikübung am Anfang,
die Streichinstrumenteinlagen (Bassgeige?) und die gelegentliche musikalische
Untermalung ist der Inszenierung geschuldet wie auch die Parallelszenerie
am Ende, die ein Verstehen erschwerte. Die Lichteffekte im dritten Akt
riefen bei mir eine Gitterwirkung hervor, die gut zu der Botschaft passt:
die Ehe als Gefängnis aus dem eine rechtzeitige Befreiung nicht gelang.
Der Lampenwurf auf Laura wurde wie der Einschlag einer Bombe gestaltet.
Die kurzen Lichtwegnahmen von Anfang an wirkten seltsamerweise wie Blitze
und setzten dramaturgische Einschnitte. Das Markgrafentheater war im Hauptteil
gut besetzt, hätte aber mehr Zuschauer, ja ein voller Haus verdient.
Am Ende gab es ganz ordentlichen und längeren Beifall sogar zum Ausklang
mit leichtem Johlen und Rufen. Insgesamt wurde sehr sparsam, aber
wirkungsvoll mit wenigen Requisiten gearbeitet. Das weiße, engelhaft-brautartige
Kleid Lauras stellte im zweiten Teil wie auch ihre sanfte Ausdrucksform
einen sehr starken Kontrast zum knallharten, ja infamen Inhalt und Gang
der Handlung dar. In die von der Inszenierung erfundene imposamte Bücherzersägeszene
wurden u.a. Otto Weininger (1880-1903) und Friedrich Nietzsche
eingebracht, die ebenfalls den Kampf der Geschlechter und den Willen
zur Macht thematisieren. Sehr eindrucksvoll, ja hervorragend, wurde der
Loyalitätskonflikt Berthas zwischen Vater und Mutter dargestellt (diese
äußerst gelungene und aktuelle Darstellung findet sich so nicht
im Text Strindbergs; > Eingangs-Foto; Stelle im
Übergang 7. und 8.
Szene) .
Über das Stück könnte man mühelos eine eigene und umfangreiche psychologisch-psychopathologische Abhandlung schreiben. Ich will mich aber auf einige mir wichtig erscheinende Gesichtspunkte beschränken.
Die
Bindungsbeziehungen in der Kernfamilie
Bertha hat ohne Zweifel eine positive Bindungsbeziehung zu beiden Eltern,
insbesondere auch zu ihrem Vater, wenngleich die intensivere Bindung an
die Mutter besteht. Diese intensivere Bindung nutzt die Mutter scham- und
skrupellos aus, um Bertha deren Vater zu entfremden (> PAS),
wobei ihr aber auch der Vater durch sein eigenes Fehlverhalten noch dabei
hilft. Er anerkennt den Kindeswunsch nicht und er anerkennt die Wünsche
der Mutter nicht. Er führt sich auf wie ein typischer Jurist, der
formal auf ein vorsintflutliches Recht pocht, das er in seiner materialen
Falsch- und Unangemessenheit nicht erkennt. Damit provoziert er, dass seine
recht selbstbewusste Frau zur Mutterdomina entgleist.
Wie entsteht Bertha ?
Die dritte große Auseinandersetzung, S. 31, liefert hier
einige Hinweise:
LAURA. Warum haben wir uns nicht beizeiten
getrennt?
RITTMEISTER. Weil das Kind uns zusammenband. Aber das Band wurde eine Fessel. Und wie geschah das? Wie? Ich habe nie darüber nachgedacht; aber jetzt steigt die Erinnerung auf, anklagend, vielleicht verurteilend. Wir waren zwei Jahre verheiratet und hatten kein Kind. Warum, das weißt du am besten. Ich wurde krank, sterbenskrank. In einem fieberfreien Augenblick hörte ich draußen im Salon Stimmen. Du warst es und der Advokat. Ihr spracht über mein Vermögen, das ich damals noch besaß. Er erklärte, daß du nichts erben könntest, weil wir kein Kind hatten, und er fragte dich, ob du schwanger wärest. Deine Antwort hörte ich nicht. Ich wurde gesund, und wir bekamen ein Kind. Wer ist der Vater? LAURA. Du. |
Zur Psychologie und Psychopathologie des Rittmeisters
Zum Lebenshintergrund und zur Entwicklung des Rittmeisters finden sich
zwei wichtige Stellen im Text. S. 32 beschreibt sich der Rittmeister -
seiner Frau gegenüber - als dependente
Persönlichkeit:
RITTMEISTER. Ja, so war es wohl. Vater und Mutter wollten mich nicht haben, und deshalb wurde ich ohne Willen geboren. Es schien mir daher, daß mir etwas zuwuchs, als ich und du eins wurden, und darum durftest du herrschen. Ich, der in der Kaserne und vor der Truppe der Befehlende war, ich war bei dir der Gehorchende, und ich wuchs an dir, ich sah zu dir auf wie zu einem höher begabten Wesen. Und ich hörte auf dich, als wäre ich dein unverständiges Kind. |
Kann
der Rittmeister als dependente Persönlichkeit verstanden werden ?
Untersuchen wir, ob der Rittmeister die verlangten - mindestens - fünf
Kriterien einer dependenten
Persönlichkeit nach DSM-IV 301.6 erfüllt.
Dependente Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV 301.6 | Laura gegen- über | Allgemein |
Ermunterung oder Erlaubnis an andere, die meisten wichtigen Entscheidungen für das eigene Leben zu treffen | Nein | Nein |
Unterordnung eigener Bedürfnisse unter die anderer Personen, zu denen eine Abhängigkeit besteht, und unverhältnismäßige Nachgiebigkeit gegenüber deren Wünschen | Ja (Geld,
"Hausregi- ment") |
Nein |
hat Schwierigkeiten, anderen Menschen gegenüber eine andere Meinung zu vertreten, aus Angst, Unterstützung und Zustimmung zu verlieren. Beachte: hier bleiben realistische Ängste vor Bestrafung unberücksichtigt, | Ja (Geld,
"Hausregi- ment") |
Nein |
hat Schwierigkeiten, Unternehmungen selbst zu beginnen oder Dinge unabhängig durchzuführen (eher aufgrund von mangelndem Vertrauen in die eigene Urteilskraft oder die eigenen Fähigkeiten als aus mangelnder Motivation oder Tatkraft), | Nein | Nein |
tut alles Erdenkliche, um die Versorgung und Zuwendung anderer zu erhalten bis hin zur freiwilligen Übernahme unangenehmer Tätigkeiten, | Nein | Nein |
fühlt sich alleine unwohl oder hilflos aus übertriebener Angst, nicht für sich selbst sorgen zu können, | Nein | Nein |
sucht dringend eine andere Beziehung als Quelle der Fürsorge und Unterstützung, wenn eine enge Beziehung endet, | ? | Nein |
ist in unrealistischer Weise von Ängsten eingenommen, verlassen zu werden und für sich selbst sorgen zu müssen. | Nein | Nein |
Das reicht selbst bei viel großzügigerer Auslegung nicht für die mindestens fünf benötigten Kriterien aus, obwohl die Textstelle S. 32 eine ähnlich hohe Suggestivkraft hat wie die Anmutung, Laura könnte eine Borderlinerin sein. Dies mag eindrucksvoll illustrieren, wie vorsichtig man mit suggestiven Eindrücken und ihrer diagnostischen Vor-Beurteilung sein sollte.
Und in der letzten Auseinandersetzung zwischen ihm und seiner Frau (S.
43f) sagt er:
RITTMEISTER. Ja, das glaube ich. Ich glaube, ihr alle seid meine Feinde. Meine Mutter, die mich nicht zur Welt bringen wollte, weil ich [>44] mit Schmerzen geboren werden mußte, war mein Feind; denn sie entzog dem ersten Lebenskeim die Nahrung und machte mich zu einem halben Krüppel. Meine Schwester war mein Feind, denn sie lehrte mich, daß ich ihr untertan sein müsse. Das erste Weib, das ich umfing, war mein Feind, denn sie gab mir zehn Jahre Krankheit als Lohn für die Liebe, die ich ihr schenkte. Meine Tochter wurde mein Feind, als sie zwischen mir und dir wählen sollte. Und du, meine Gattin, du warst mein Todfeind, denn du ließest mich nicht eher los, ehe ich nicht kraftlos dalag. |
Rekonstruktion
der Wahnentwicklung des Rittmeisters
aus dem Werk.
Einführung Wahn (Paranoia): Fast alle Menschen sind wahnfähig,
d.h. wir alle können im Prinzip - meist vorübergehend - verrückt
werden. Ein einfacher und im Alltag häufig vorkommender Fall
ist die Betrunkenheit. Man kann doppelt sehen, bildet sich alles mögliche
ein und führt sich gelegentlich auf. Aber auch viele religiöse
oder ideologische Vorstellungen sind psychologisch nichts anderes als Wahnformen,
die oft nicht so gesehen werden, weil sie positiv erlebt und soziologisch-statistisch
sehr verbreitet sind. Ein Wahn kann also auch sehr hilfreich, tröstlich
und nützlich sein, wenn man sich etwa geliebt wähnt - obwohl
es nicht so ist - , kann dies das Lebensgefühl sehr erhöhen und
befriedigen.
Eine seelisch-geistige Störung, wie z.B. ein
Wahn, kann viele Ursachen, Bedingungen und Auslöser haben:
Überheblich-entwertende
Haltung gegenüber dem weiblichen Geschlecht
Nimmt man hinzu, dass er sein Haus als "Narrenhaus" bezeichnet, in
dem er alle Frauen unter diesem, "seinem" Dach so erlebt, dass sie alle
versuchen, die Tochter Bertha gegen seinen Willen und unterschiedlichst
zu beeinflussen, neben der Aussage (S. 9): "Es ist wie in einem Tigerkäfig:
hielte ich ihnen nicht mein glühendes Eisen unter die Nase, so würden
sie mich bei der ersten Gelegenheit zerreißen.", dann kann man als
paranoides Grundthema mühelos erkennen: alle sind gegen mich. Sein
Frauentrauma zieht sich sozusagen von Geburt an durch sein Leben. Das ist
der Nährboden, auf dem der manifeste Ausbruch der Paranoidisierung
durch Laura gelingt.
Die Fehlhaltung:
Das Kind als Ware und Besitz
Der Rittmeister will die Zukunft seiner Tochter bestimmen, ja mehr
als das, er will ihre Seele, ihr Wesen durch sein eigenes Wesen prägen:
RITTMEISTER. ... Aber du sollst mich
nur lieben! Du sollst nur eine Seele haben, sonst bekommst du niemals Frieden
und ich auch nicht. Du sollst nur einen Gedanken haben, der das Kind meines
Gedankens ist; du sollst nur einen Willen haben, den meinen!
BERTHA. Das will ich nicht. Ich will ich selbst sein. |
Er ignoriert die Wünsche und Neigungen seiner Tochter genauso,
wie die seiner Frau und beruft sich auf das Ehe- und Familienrecht der
damaligen Zeit. Er propagiert den Alltagsfaschismus, der in so vielen Köpfen
und Seelen steckt - und der sich auch heute noch tagtäglich tausendfach
bei den Menschen und im Weltgeschehen beobachten lässt: Der Große
und Starke frißt den Kleinen und Schwachen, wer die Macht hat und
gewinnt, bestimmt was Recht ist. Mit dieser grundfaschistischen Haltung
liefert er sich seiner Frau, die die weitaus bessere und skrupellosere
Beziehungskämpferin ist, nicht nur aus, sondern legitimiert ihr bösartiges
Verhalten auch noch durch seine persönliche sozialdarwinistische Macht-Rechts-Ideologie
wie sie Hitler,
Mussolini, Franco oder Pinochet im Großen vertreten haben. Auch sein
intellektueller Überheblichkeitsdünkel erweist sich als falsch,
so erkennt und schreibt das Theater an der Ruhr sehr trefflich: "In seinen
Vorstellungen entwirft der Rittmeister seinen eigenen Untergang. Der einmal
erhobene Verdacht wird zum Fluch."
Zur
Psychologie und Psychopathologie Lauras
Der PASTOR, Lauras Bruder charakterisiert den Willen
seiner Schwester so (S. 10): "Als sie noch Kind war, pflegte sie sich,
wenn sie ihren Willen durchsetzen wollte, totzustellen, und wenn sie das
bekommen hatte, was sie wollte, so gab sie es wieder zurück und erklärte,
es sei ihr nicht darum zu tun gewesen, sondern nur darum, ihren Willen
durchzusetzen." Das kann man als ein Symptom sehen, eine Art verselbstständigtes
Dominanzstreben, sich durchsetzen, um der Durchsetzung willen, aber ein
Symptom allein macht hier noch keine Störung oder psychische Krankheit.
Lauras Persönlichkeit wird von Strindberg völlig
skrupel- und gewissenlos in ihrer Willensdurchsetzung geschildert, die
lügt, agiert (Post abfängt) intrigiert und denunziert, um die
Erziehungs-Macht über die Tochter Bertha zu behalten. Sie schreckt
nicht davor zurück, ihren Mann zu entmündigen, indem sie mit
allen Mitteln versucht, ihn als wahnsinnig erscheinen und entmündigen
zu lassen. Als er schließlich am Ende in der Zwangsjacke steckt,
in die ihn sogar seine alte Amme lockt, rettet ihn ein Schlaganfall vor
weiter Demütigung und Entehrung in den Tod. Ist Laura, die Mutterdomina,
ein Fall?
Sie erkennt und benennt den gnadenlosen Machtkampf
auf Leben und Tod und sagt am Schluss: "... vor Gott und meinem Gewissen
fühle ich mich unschuldig, auch wenn ich es nicht bin." Ihr fehlt
hier das Gewissen und ein Schuldgefühl, sie scheint keinerlei Mitgefühl
oder Mitleid mit ihrem Mann zu verspüren. Er hat sich zu ihrem Todfeind
gemacht, wenn er ihr die gemeinsame Tochter aus ihrem Einflussbereich entziehen
will, und darf daher mit allen Mitteln bekämpft und auch physisch
vernichtet werden.
Kann Laura als "Borderlinerin" eingeschätzt werden ?
Von den 9 Borderline-Kriterien - wovon zur Diagnose mindestens 5 vorliegen
müssen - erfüllt Laura bestenfalls Nr. 1, die Angst, von ihrer
Tochter "zwangsverlassen" zu werden, falls sich ihr Mann, der Rittmeister
durchsetzen könnte.
DSM-IV Borderline-Kriterien | An Laura aufzeigbar? |
"(1) verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden. Beachte: Hier werden keine suizidalen oder selbstverletzenden Handlungen berücksichtigt, die in Kriterium 5 enthalten sind. | Jein, teils, was ihre Tochter Bertha betrifft. Aber sie ist nicht verzweifelt. |
(2) Ein Muster instabiler, aber intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist. | Nein. |
(3) Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung. | Nein. |
(4) Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen (Geldausgaben, Sexualität, Substanzmißbrauch, rücksichtsloses Fahren, "Fressanfälle") Beachte: Hier werden keine suizidalen oder selbstverletzenden Handlungen berücksichtigt, die in Kriterium 5 enthalten sind. | Nein, nur Geldausgeben, was aber nicht ihres ist. |
(5) Wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten. | Nein |
(6) Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung (z. B. hochgradige episodische Dysphorie, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern). | Nein, sie ist sehr kühl, berechnend und kontrolliert. |
(7) Chronische Gefühle von Leere. | Nein. |
(8) Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren, (z. B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte körperliche Auseinandersetzungen). | Nein, sie realisiert ihre Wut sehr kontrolliert. |
(9) Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome." | Nein. |
Ist
Laura eine dissoziale Persönlichkeit nach ICD-10 F60.2 ?
Zum Vergleich auch eine Bewertung des Vaters.
Bemerkung: Im "blauen" Buch der ICD-Diagnostik finden sich 7 Kriterien,
wobei offen bleibt, wie viele hiervon erfüllt sein müssen. Im
"grünen" ICD-Buch der Forschungkriterien (1994, S. 153f) sind es 6
Kriterien (1-6), wovon mindestens drei erfüllt sein
müssen, was hier für Laura zutrifft - im Kontext betrachtet aber
nicht unverständlich: denn wenn Recht Unrecht ist, wird ein vitaler
und selbstbewusster Mensch andere Wege suchen müssen.
ICD-10 Kriterien (1992, S. 214) | Laura (4) | Vater (3) |
1. Dickfelliges Unbeteiligtsein gegenüber den Gefühlen anderer und Mangel an Empathie. | Ja (1) | Ja (1) |
2. Deutliche und andauernde Verantwortungslosigkeit und Mißachtung sozialer Normen, Regeln und Verpflichtungen. | Ja (1) | Jein (0.5) |
3. Unvermögen zur Beibehaltung längerfristiger Beziehungen. | Nein (0) | Nein (0) |
4. Sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten. | Nein (0) | Nein (0) |
5. Unfähigkeit zum Erleben von Schuldbewußtsein und zum Lernen aus Erfahrung, besonders aus Bestrafung. | Ja (1) | Jein (0.5) |
6. Neigung, andere zu beschuldigen oder vordergründige Rationalisierungen für das eigene Verhalten anzubieten, durch das die Person in einen Konflikt mit der Gesellschaft gerät. | Ja (1) | Jein (0.5) |
7. Andauernde Reizbarkeit. | Nein (0) | Jein (0.5) |
Rekonstruktion
der Ehebeziehungsproblematik aus dem Werk
Aus dem Werk ergibt sich - nicht sehr überzeugend
- , dass ein Soldat und Rittmeister, der sich selbst in Folge seiner Aufwuchsbedingungen
als willenlos beschreibt, auf eine besonders willensstarke und selbstbewusste
Frau trifft, die keinerlei Skrupel hat, wenn es um "ihr" Kind geht, zur
Verbrecherin zu werden (S. 32 RITTMEISTER. Was soll das nützen, da
du früher selbst gesagt hast, eine Mutter kann und muß für
ihr Kind jedes Verbrechen begehen?).
RITTMEISTER. Ja, so war es wohl. Vater und Mutter wollten mich nicht haben, und deshalb wurde ich ohne Willen geboren. Es schien mir daher, daß mir etwas zuwuchs, als ich und du eins wurden, und darum durftest du herrschen. Ich, der in der Kaserne und vor der Truppe der Befehlende war, ich war bei dir der Gehorchende, und ich wuchs an dir, ich sah zu dir auf wie zu einem höher begabten Wesen. Und ich hörte auf dich, als wäre ich dein unverständiges Kind. |
Irritationen
Lauras, weil sie fühlt, ihn nicht nur als Frau, sondern auch als Mutterersatz
lieben zu sollen.
LAURA. Ja, so war es damals, und deshalb liebte ich dich, als wärst du mein Kind. Aber weißt du — du sahst es ja doch —, jedesmal, wenn deine Gefühle ihre Natur änderten und du als mein Geliebter vor mir standest, da schämte ich mich, und deine Umarmung war mir eine Freude, der Gewissensbisse folgten, als ob das Blut Scham fühlte. Die Mutter wurde Geliebte. Hu! (S. 32f) |
Hier werden von Laura nicht einfach zu verstehende inzestuös anmutende Schamgefühle berichtet, die eine zusätzliche und schwierige Komplikation in der Mann-Frau Beziehung der beiden bedeuten.
Laura fühlt
sich von Anfang allen Männern überlegen
(S. 22: LAURA. Ja. Es ist sonderbar, aber ich habe nie einen Mann ansehen können, ohne mich ihm überlegen zu fühlen.) |
LAURA. Ja, aber darin lag der Irrtum, siehst du. Die Mutter war dein Freund, aber das Weib war dein Feind, und die Liebe zwischen den Geschlechtern ist Kampf. Glaub ja nicht, daß ich mich hingab; ich gab nicht, sondern ich nahm — was ich haben wollte. Aber du hattest die Oberhand, das fühlte ich, und ich wollte, daß du es fühlen solltest. |
Die
schöne Zeit des Anfangs und der Jugend und die Macht des Schicksals
(S. 45)
RITTMEISTER. ... Laura, als du jung warst und wir im Birkenwäldchen spazierten, wo die Primeln blühten und die Drosseln sangen! Herrlich, herrlich! Denk nur, wie schön das Leben war und wie es jetzt geworden ist! Du wolltest nicht, daß es so werde, und ich wollte es nicht, und doch wurde es so. Wer lenkt also das Leben? ... |
Gesamtbild
der Eheentwicklung nach dem Werk: Ein zumindest in Beziehungen willensschwacher
Mann, der sich von Mutter und Vater nicht gewollt sieht, trifft auf eine
extrem willensstarke, scharfsinnige und selbstbewusste Frau, in der er
auch noch mangels früher Erfahrung die mütterliche Liebe nachzuerleben
sucht, was bei ihr auf inzestuös erlebte Irritationen stößt.
Aber sie fühlt sich dem männlichen Geschlecht von Anfang an überlegen,
wog ihn aber in dem Glauben, die Oberhand zu haben. Er wurde in erster
Linie als Versorger (auch für Anverwandte) und Statusgeber gebraucht.
Als die Verliebtheit vorbei ist, erkrankt der Rittmeister schwer. Warum
es in der ersten Zeit zu keiner Schwangerschaft kam, bleibt offen und der
Phantasie der LeserIn (ZuschauerIn) überlassen. Mehrdeutig sagt der
Rittmeister (S.32): "Wir waren zwei Jahre verheiratet und hatten
kein Kind. Warum, das weißt du am besten."
In einer fieberfreien Phase bekommt er mit, wie seine Frau von einem Rechtsanwalt
informiert wird, dass sie ihn nur beerben kann, wenn sie ein Kind haben.
Ein Jahr darauf wird Bertha geboren. Durch die Geburt Berthas verliert
er viel Zuwendung, vor allem die mütterliche, und seine Frau konzentriert
sich auf das Kind. Dadurch fehlt dem Rittmeister Aufmerksamkeit und Zuwendung
und er sucht sich Alternativen, die er in der Wissenschaft findet. So driftet
die Beziehung immer mehr auseinander, die einstige Liebe verschwindet,
Geld und kaufen, besitzen, Macht und bestimmen werden immer wichtiger.
Die Stellung des Rittmeisters in der Frauengroßfamilie wird immer
schwieriger.
In dem ("Narren-") Haus des
Rittmeisters leben viele Frauen, die alle auf Berthas Entwicklung Einfluss
nehmen wollen und gegen ihn zusammenhalten. Hier setzt Strindbergs Stücks
ein mit der zentralen Frage: wer bestimmt die Zukunft des Kindes?
Der Rittmeister erlebt seine
Frau als überaus mächtig, die ihren Willen - sogar hypnotische
Kräften dichtet er ihr an - durchzusetzen weiß. Er erweist sich
als vollkommen unfähig, Frau und Kind als eigenständige und gleichberechtigte
Wesen wahrzunehmen und pocht in typisch juristischer Manier auf sein patriarchalisches
(Un-) Recht. Und er täuscht sich gründlich über die wirklichen
Fähigkeiten seiner Frau, obwohl er weiß, wie sie denkt und sogar
offen sagt (S. 32): eine Mutter kann und muß für ihr Kind
jedes Verbrechen begehen. Er unterschätzt ihren Scharfsinn, ihre
Manipulationskraft und Entschlossenheit sträflich. So besiegt sie
den Soldaten und Repräsentanten der Vernunft souverän. Und so
gewinnt sie den Kampf ums Kind, indem sie Bertha dem Vater nicht nur wegnimmt,
sondern Berthas positive Erfahrungen auch noch entwertet.
Allgemeine
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Zu Der Vater von August Strindberg
August Strindberg [Porträts:
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zum Thema rund um das Stück Der Vater
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korrigiert: irs 02.05.09