Überblicks-, Verteiler- und Grundlagenseite
Methodenkritische Untersuchung
der schriftlichen Urteilsbegründung im Mollath Wiederaufnahmeverfahren
Originalarbeit von Rudolf
Sponsel, Erlangen
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Allgemeine Vorbemerkungen
Zunächst ein Dank an das Gericht und an Dr. Strate für die Veröffentlichung.
Aus forensisch-psychologischer Sicht ist die schriftliche Urteilsbegründung
in mehrfacher Hinsicht sehr interessant und untersuchungswürdig: Thematisch
ist die aussagemethodologische Argumentation, die das Gericht vorlegt,
von natürlichem forensisch-psychologischen Interesse, insbesondere
für AussagepsychologInnen.
Das zweite große interessante Thema betrifft die psychopathologischen
Beurteilungen und Würdigung der Gutachten. Drittens sind natürlich
die Rechtsbegriffe (z.B. "nicht
ausschließbar, "möglich", "Einsichts-,
Steuerungs- Schuldfähigkeit") sehr
wichtig. Denn die Worte sind die Kleider der Begriffe, die in aller Regel
mehrdeutig und daher vielfältige Homonyme
sind. Es kann daher sehr wichtig sein, genau zu sagen in welchem Bedeutungszusammenhang
die Urteilsbegründung einen Begriff verwendet (z.B. als Alltags-,
Bildungs-, juristischen, forensisch-psycho-patho-logischen oder wissenschaftlichen
Fachbegriff ). Das wird im Abschnitt Rechtsbegriffe noch mehr ausgeführt.
Von besonderem wissenschaftlichen Interesse ist die Argumentation, die
Beweismethodik und die Beweiswürdigung. Ungeachtet spezieller
rechtlicher
Prüfkriterien spielen hier ganz allgemeine wissenschaftliche
Kriterien eine Rolle: Sind angemessene Definitionen erfolgt (z.B. "Aussage",
"Kerngeschehen", "Randgeschehen", "Gesamtschau",
"Hypothese", "Konstanz",
"Glaubwürdigkeit", "Stimmigkeit"), sind die wichtigen Voraussetzungen
für die Schlüsse ausgeführt, sind die Belege für eine
Entscheidung für eine Sachverhaltsfeststellung ausgewiesen,
... Oder gibt es hier Lücken und Sprünge, die durch
Meinen
- eigentlich eine Spezialität jener forensischen Psychiater, die nichts
wirklich wissen und können - überbrückt und mit Leerformeln
("zur vollen Überzeugung des Gerichts", "das Gericht hat keinen Zweifel")
ausgefüllt werden. Schließlich geht es auch um Nachvollziehbarkeit,
Verständlichkeit, Klarheit und Eindeutigkeit der Argumentation. Wer
Im
Namen des Volkes spricht und großartig verkündet "die Gerichtssprache
ist deutsch" (§ 184
GVG; Kom),
der muss - wenigstens für alle Betroffenen - in seiner Argumentation
klar, verständlich und nachvollziehbar sein.
In dieser Arbeit untersuche ich die oben genannten
Themen, zuerst auf dieser Seite die aussagemethodologische Argumentation
des Gerichts. Hierbei sollte man auch im Hinterkopf behalten, an die Sachverhalte
zu denken, die vom Gericht nur sehr knapp oder gar nicht beachtet wurden,
wie z.B. das Ignorieren des wichtigen BGH Urteils zur Aussagepsychologie
1999.
Das Kürzel "UB" steht für Urteilsbegründung,
die links, blau unterlegt, präsentiert und zum leichteren Bezugnehmen
und Verlinken durchnummeriert wird. Leerzeilen zwischen Absätzen werden
durch Einrücken markiert. Fett-kursive Markierungen sind Hervorhebungen
von mir. Das Urteil erscheint äußerlich klar gegliedert, leider
trifft das nicht für die Inhalte und die Methodik ihrer Gewinnung
zu, wie ich im Einzelnen belegen werde. Weil die Inhalte so unzureichend
entwickelt und präsentiert werden, typisch etwa für den zentralen
Konstanzbegriff, habe ich für diese Arbeit einen
Hilfsapparat
zu den Fundstellen der Urteilsbegründung geschaffen, der gestattet,
Bedeutungen zu erschließen und die Lücken, Sprünge und
Ungereimtheiten in diesem Urteil genau nachzuvollziehen. Damit die Seite
nicht zu lang wird, habe ich die Text-Fundstellen zur Kontrolle meiner
Arbeit auf Hilfsseiten ausgelagert.
Diese Arbeit geht hier neue Wege, die sich direkt
aus der Auseinandersetzung mit dem Urteil ergeben haben und streng an diesem
entlang heuristisch-kreativ
entwickelt werden. Da diese Arbeit sehr anspruchsvoll und zeitintensiv
ist, veröffentliche ich sie Zug um Zug, denn die Auseinandersetzung
mit dem schriftlichen Urteil steht jetzt an, nicht erst in
einem halben Jahr. Daher hier ein besonderer Dank an Prof. Dr. Henning
Ernst Müller, der im beck-blog am 20.11.2014
mit seinen "Anmerkungen" die Diskussion eröffnet hat.
Angesichts der unglaublichen Zustände in der Justizpsychiatrie halte ich entsprechende Urteilsanalysen für dringend erforderlich. Eine Gesellschaft, die das Recht den JuristInnen überlässt, hat sich aufgegeben. Es ist ja ein Hohn und eine Anmaßung ohnegleichen, Im Namen des Volkes Urteile zu verkünden, ohne dass das Volk wirklich beteiligt ist. Daher hoffe ich, dass sich viele an der Diskussion um diese Urteilsbegründung beteiligen werden.
[S. 4] Inhaltsverzeichnis
A.) Verfahrensablauf ...7
B.) Tatvorwurf 12.08.2001 ... 9
I.) festgestellter Sachverhalt ... 9
1.) Beziehung des Angeklagten und der Nebenklägerin
... 9
2.) Tat vom 12.08.2001 ... 10
3.) Schuldfähigkeit ... 11
II.) Beweiswürdigung ...12
1.) Beweiswürdigung zur Beziehung des Angeklagten
und der Nebenklägerin ... 12
2.) Beweiswürdigung zurTat vom 12.08.2001 ...
13
a.) Einlassung des Angeklagten
... 15
b.) erstmalige Tatschilderungen
durch die Nebenklägerin ... 16
aa.) Zeugin Sim ... 17
bb.) Zeuge Rei ... 20
cc.) Zeugin Kra-Ol ... 26
dd.) Fazit ... 28
(1) keine unzutreffenden Angaben der Zeugen Sim, Rei und Kra-Ol ... 29
(2) kein durchschlagendes Motiv für unzutreffende Angaben der Nebenklägerin
... 30
c.) Konstanz der Angaben
der Nebenklägerin 36
aa.) Zeugen ... 36
bb.) Protokolle ... 40
cc.) Gesamtwürdigung ... 43
(1) konstante Schilderungen ...43
(2) Abweichungen ... 45
d.) rechtsmedizinische Nachvollziehbarkeit
... 50
e.) Vereinbarkeit mit Einlassung
und Schreiben des Angeklagten ... 55
[>S. 5]
f.) Gesamtschau ... 56
aa.) Entstehung der Anschuldigung ... 58
bb.) Konstanz der Angaben ... 61
cc.) kein Belastungseifer ... 62
dd.) Falschbeschuldigung und anderweitige Verursachung der Verletzungen
63
(1) Falschbeschuldigung ... 63
(2) Sprung aus Auto ... 63
(3) Selbstverletzung ... 64
ee.) Wahnvorstellungen ... 65
ff.) Ergebnis ... 65
g.) Beweiswürdigung
zum Vorsatz ... 66
h.) Beweiswürdigung
zur Rechtswidrigkeit ... 66
3.) Beweiswürdigung zur Schuldfähigkeit ... 67
a.) Anlass der Auseinandersetzung
... 67
b.) nicht ausschließbare
Schuldunfähigkeit ... 69
aa.) schwere andere seelische Abartigkeit in Form einer wahnhaften Störung
... 69
bb.) mögliches Vorliegen einer wahnhaften Störung bereits am
12.08.2001 ... 81
cc.) mögliche Aufhebung der Steuerungsfähigkeit bei Begehung
der Tat ... 81
III.) rechtliche Würdigung ... 84
1.) Tatbestand ... 84
2.) Rechtswidrigkeit ...
86
3.) Schuld ... 86
a.) schwere andere seelische Abartigkeit ... 86
b.) Aufhebung der Steuerungsfähigkeit bei Begehung der Tat ... 88
IV.) keine Unterbringung nach § 63 StGB ... 89
C.) Tatvorwurf 31.05.2002 ... 90
I.) vorgeworfener Sachverhalt ... 90
II.) festgestellter Sachverhalt ... 91
III.) Beweiswürdigung ... 91
D.) Sachbeschädigung ... 101
I.) vorgeworfener Sachverhalt ... 101
II.) festgestellter Sachverhalt ... 102
III.) Beweiswürdigung ... 104
1.) Beweiswürdigung
zum festgestellten Sachverhalt ... 104
2.) kein hinreichender Nachweis
der Täterschaft ... 105
E.) Kostenentscheidung ... 117
F.) Entschädigung ... 117
[S. 6]
In der Hauptsache werde ich mich mit diesem
Ergebnis beschäftigen, wobei aber für das Verständnis die
gesamte Urteilsbegründung herangezogen wird. Die Auseinandersetzung
mit diesem Ergebnis wird in Teil 4 Beweismethodik erfolgen.
(1) Geben Sie bitte genau und lückenlos
an, welche psychischen Merkmale zur Tatzeit
aufgrund welcher Zeichen wie auf die Tathandlung
eingewirkt haben? Falls Lücken bestehen, kennzeichnen Sie diese. Erörtern
Sie pro und contra.
(2) Gehen Sie hypothesenorientiert vor und geben Sie die im vorliegenden Fall möglichen Hypothesen an. Erörtern Sie das Für und Wider für Ihre Hypothesen und begründen Sie Ihre Entscheidung so, dass sie für einen gebildeten Laien nachvollziehbar und verständlich ist. Siehe auch Empfehlungen Methodenfragen von De Boor (1966). |
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