Internet Publikation für
Allgemeine und Integrative Psychotherapie
(ISSN 1430-6972)
IP-GIPT DAS=20.03.2015
Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: tt.mm.jj
Impressum:
Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel
Stubenlohstr. 20 D-91052 Erlangen
Mail:_sekretariat@sgipt.org_Zitierung
& Copyright
Anfang_Paranoide
Persönlichkeitsstörung_Überblick_Relativ
Aktuelles _Rel.
Beständiges_ Titelblatt_
Konzept_
Archiv_Region__Wichtige
Hinweise zu Links und Empfehlungen
Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine
und Integrative Psychotherapie, Abteilung Diagnostik und Differentialdiagnostik,
Bereich Persönlichkeitsstörungen, und hier speziell zum Thema:
Paranoide Persönlichkeitsstörung
im ICD-10 F60.0
- Darstellung und Kritik -
Originalarbeit von Rudolf
Sponsel, Erlangen.
* Vorbemerkung * Allgemeine
Kriterien * Kritik spezieller
Kriterien * Zusammenfassung * Anhang
*
Vorbemerkung
Die psychiatrische, psychopathologische und psychotherapeutische Diagnostik
hat eine chronische Krankheit und die heißt mangelnde Objektivität,
Reliabilität und Validität. Das Problem hat seine tiefste
und originärste Wurzel in der Irrlehre der Psychiatrie, dass die kleinste
Einheit der Psychopathologie im Symptom bestünde
(> DSM-5,
Diagnostik-Fehler).
Die kleinste Einheit bilden natürlich die Daten
des Erlebens und Verhaltens, sowie die Körperdaten. Das Symptom
wohnt
im 1. Stock und der hängt wie auch die höheren Stockwerke
(Syndrom, Befund, Diagnose, Behandlung) mangels Erdgeschoss (Daten des
Erlebens und Verhaltens) in der Luft. Daran hat sich bis heute nichts geändert,
obwohl die großen Diagnostiksysteme
AMDP,
ICD,
DSM ein erster richtiger Schritt waren. Doch statt diese Systeme kontinuierlich
zu verbessern, vor allem mit Daten des Erlebens und Verhaltens zu unterlegen,
werden sie trotz enormen Umfangs - so etwa das DSM-5 mit seinen 1298 Seiten
- eher schlechter.
Allgemeine
Kriterien für (alle) Persönlichkeitsstörungen im ICD-10
Darstellung
der speziellen Kriterien
"F60.0 paranoide Persönlichkeitsstörung
Diese Persönlichkeitsstörung ist durch übertriebene Empfindlichkeit
gegenüber Zurückweisung, Nachtragen von Kränkungen, durch
Misstrauen sowie eine Neigung, Erlebtes zu verdrehen, gekennzeichnet, indem
neutrale oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich
missgedeutet werden, schließlich durch streitsüchtiges und beharrliches
Bestehen auf eigenen Rechten, ferner ungerechtfertigte, wiederkehrende
Verdächtigungen bezüglich der sexuellen Treue des Ehe- oder Sexualpartners.
Diese Personen können zu pathologischer Eifersucht, zu überhöhtem
Selbstwertgefühl und häufiger, übertriebener Selbstbezogenheit
neigen.
Dazugehörige Begriffe:
-
expansiv paranoide Persönlichkeit(sstörung)
-
fanatische Persönlichkeit(sstörung)
-
paranoide Persönlichkeit(sstörung)
-
querulatorische Persönlichkeit(sstörung)
-
sensitiv paranoide Persönlichkeit(sstörung)
Ausschluss:
-
Paranoia (F22.0)
-
Paranoia querulans (F22.8)
-
paranoide Psychose (F22.0)
-
paranoide Schizophrenie (F20.0)
-
paranoider Zustand (F22.0)
-
wahnhafte Störung (F22.0)
Diagnostische Kriterien
A. Die allgemeinen Kriterien
für eine Persönlichkeitsstörung (F60) müssen erfüllt
sein.
B. Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen
müssen vorliegen:
-
übertriebene Empfindlichkeit auf Rückschläge und Zurücksetzungen;
-
Neigung, dauerhaft Groll zu hegen, d.h. Beleidigungen, Verletzungen, oder
Missachtungen werden nicht vergeben;
-
Misstrauen und eine anhaltende Tendenz, Erlebtes zu verdrehen, indem neutrale
oder freundliche Handlungen anderer als feindlich oder verächtlich
missdeutet werden;
-
streitsüchtiges und beharrliches, situationsunangemessenes Bestehen
auf eigenen Rechten;
-
häufiges ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber der sexuellen
Treue des Ehe- oder Sexualpartners;
-
ständige Selbstbezogenheit, besonders in Verbindung mit starker Überheblichkeit;
-
häufige Beschäftigung mit unbegründeten Gedanken an «Verschwörungen»
als Erklärungen für Ereignisse in der näheren Umgebung des
Patienten oder der Welt im Allgemeinen.
Kritik
der speziellen Kriterien > Definition
und definieren, Operationalisierung.
Die charakteristischen Kriterienbegriffe sind überhaupt nicht definiert
und nicht operational mit Daten des Erlebens oder Verhaltens unterlegt.
Es werden keinerlei Kriterien genannt, wann von der Erfüllung des
jeweiligen Kriterienbegriffs (Merkmals) auszugehen ist. Im Wesentlichen
fehlen also klare Definitionen, was unter den jeweiligen Kriterienbegriffen
zu verstehen und wie deren Erfüllung festzustellen ist.
"1. übertriebene Empfindlichkeit
auf Rückschläge und Zurücksetzungen;"
_
_
_ |
|
Was genau bedeutet "übertrieben",
"Empfindlichkeit", "Zurücksetzungen"?
Welche Daten des Erlebens und Verhaltens liegen diesen Begriffen zugrunde?
Und wie stellt man diese Sachverhalte fest? (3*2 = 6 Fragen, Sum=6) |
_
"2. Neigung, dauerhaft Groll zu hegen,
d.h. Beleidigungen, Verletzungen, oder Missachtungen werden nicht vergeben;"_
_ |
|
Was genau bedeutet "Neigung",
"dauerhaft", "Groll", "Beleidigungen",
"Verletzungen", "Missachtungen", "vergeben"?
Und wie stellt man diesee Sachverhalt efest? (7*2 = 14 Fragen, Sum=20) |
_
"3. Misstrauen und eine anhaltende Tendenz,
Erlebtes zu verdrehen, indem neutrale oder freundliche Handlungen anderer
als feindlich oder verächtlich missdeutet werden;"
_
_
_
__ |
|
Was genau bedeutet "Misstrauen",
"anhaltend", "Tendenz", "Erlebtes",
"verdrehen", "neutral", freundlich",
"Handlungen anderer", "freundlich", verächtlich"
"missdeuten"? Welche Daten des Erlebens und Verhaltens liegen
diesen Begriffen zugrunde? Und wie stellt man diese Sachverhalte
fest? (11*2 = 22 Fragen, Sum=42) |
_
"4. streitsüchtiges und beharrliches,
situationsunangemes- senes Bestehen auf eigenen Rechten;"_
_
_
_
_
_
_ |
|
Was genau bedeutet "streitsüchtiges",
"beharrliches", situationsunangemessenes",
"Bestehen auf", "eigene Rechten"? Welche Daten
des Erlebens und Verhaltens liegen diesen Begriffen zugrunde? Und
wie stellt man diese Sachverhalte fest? Anmerkung: wieso sollte ein Bestehen
auf eigenen Rechten pathologisch sein können, wenn das Recht schon
besagt, dass man Recht hat? (5*2 = 10 Fragen, Sum=52) |
_
"5. häufiges ungerechtfertigtes
Misstrauen gegenüber der sexuellen Treue des Ehe- oder Sexualpartners;"_
_
_
_ |
|
Was genau bedeutet "ungerechtfertigtes",
"Miss- trauen"? Woher will man das wissen? Welche Daten des
Erlebens und Verhaltens liegen diesen Begriffen zugrunde? Und wie
stellt man diese Sachverhalte fest? (2*2 = 4 Fragen, Sum=56) |
_
"6. ständige Selbstbezogenheit,
besonders in Verbindung mit starker Überheblichkeit;"
_
_
_ |
|
Was genau bedeutet "ständige",
"Selbstbezogenheit", "starke", "Überheblichkeit"?
Welche Daten des Erlebens und Verhaltens liegen diesen Begriffen zugrunde?
Und wie stellt man diese Sachverhalte fest? (4*2 = 8 Fragen,
Sum=64) |
_
"7. häufige Beschäftigung mit
unbegründeten Gedanken an «Verschwörungen» als Erklärungen
für Ereignisse in der näheren Umgebung des Patienten oder der
Welt im Allgemeinen."
_ |
|
Was genau bedeutet "häufig",
"Verschwörungen", "nähere Umgebung",
"Welt im allgemeinen" ? Welche Daten des Erlebens und Verhaltens
liegen diesen Begriffen zugrunde? Und wie stellt man diese Sachverhalt
genau fest? (4*2 = 8 Fragen, Sum=72) |
_
Anmerkung: Misstrauen kommt zwar mal vor, aber nicht im gleichen Zusammenhang.
Zusammenfassung
Die Formulierung "B. Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder
Verhaltensweisen müssen vorliegen" ist wenigstens missverständlich,
streng genommen falsch und vermutlich ist gemeint, dass von den 7 Kriteriengruppen
mindestens vier erfüllt sein müssen. Doch wie will man das feststellen,
wenn keine Definitionen oder operationale
Begriffsbeschreibungen und auch keine Feststellungsmethoden genannt werden?
Nun, offensichtlich ist man der Auffassung, ausgebildete AnwenderInnen
im Feld Psychiatrie oder Psychotherapie wüssten das schon. Natürlich
kann von Wissen keine Rede sein, weil ja nur begriffliche Projektionsräume
angeboten werden, die jede PsychiaterIn, PsychologIn oder PsychotherapeutIn
nach eigenem Gutdünken füllt. Wenn es gewusst würde, würde
es ja wahrscheinlich auch genannt. Die wissenschaftliche Naivität,
Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit, die hier zum Ausdruck kommt, wird
anscheinend vielfach nicht bemerkt, sonst wäre es kaum möglich,
dass sich solche völlig ungeeigneten Kriterienlisten über Jahrzehnte
halten. Bei genauer Betrachtung konnten zu den die 7 Kriterienbereichen
72 Fragen - zusätzlich zu 46
allgemeinen - gestellt werden, die in den Manuals nicht beantwortet
werden, wenngleich man natürlich ahnt und versteht, worum es geht.
Die Frage ist, ob Ahnen den wissenschaftlichen Ansprüchen (Nachvollziehbarkeit
und Kontrolle) genügen kann. Von daher muss sich niemand wundern,
dass die psychiatrische, psychopathologische und psychotherapeutische Diagnostik
sehr individuell, subjektiv, willkürlich und dem freien Meinen,
Mutmaßen und Dafürhalten der AnwenderInnen überlassen sind
mit der fatalen Folge, dass Objektivität,
Reliabilität und Validität auf der Strecke bleiben. Das kommt
davon, wenn man seinen Hausbau im 1. Stock beginnt, ohne Fundament und
Erdgeschoss. Man merkt hier sehr deutlich, dass es an elementarster methodologischer
Kompetenz mangelt und keinerlei methodisches
Problembewusstsein vorliegt. Damit stehen sowohl Epidemiologie
als auch forensische Gutachten
auf extrem unsicheren Boden.
Jaspers zur Psychopathiediagnose
"... Einen Psychopathen durch die 'Diagnose' eines Typus festzulegen,
ist gewaltsam und immer falsch. Menschlich aber bedeutet die Klassifikation
und Festlegung des Wesens eines Menschen eine Erledigung, die bei näherer
{>366}Besinnung beleidigend ist und die Kommunikation abbricht. Das darf
in aller erleuchtenden Begrifflichkeit charakterologischer Menschenauffassung
nie vergessen werden." Karl Jaspers, Allgemeine
Psychopathologie, 5. A. 1948, S. 365f. |
Literatur (Auswahl) > siehe
bitte auch.
Literaturlisten > Selbst,
> Biographik, GIPT,
SKID,
Literatur
Psychodiagnostik und Differentialdiagnostik
Die meisten Bücher über Persönlichkeitsstörungen
beziehen sich unkritisch auf die Klassifikationssysteme und referieren
sie lang und breit, aber ohne obige 54 Fragen zu beantworten oder die Problematik
zwischen dem "Erdgeschoss" (Daten des Erlebens und Verhaltens) und dem
Überbau (Symptom, Syndrom, Befund, Diagnose, Behandlung) in der Psychodiagnostik
zu erkennen und angemessen zu bearbeiten. Ich gebe daher nur die zwei großen
Klassifikationssysteme (ICD-10, DSM-5) und ein Werk
an, das sich kritisch mit dem Konzept der Persönlichkeitsstörungen
auseinandersetzt sowie eine Bemerkung von Jaspers zur Psychopathie-Diagnose.
-
Dilling, Horst & Freyberger H. J. (2008, Hrsg.)
Taschenführer
zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen. Mit Glossar und
Diagnostischen Kriterien ICD-10: DCR-10 und Referenztabellen ICD-10 vs.
DSM-IV-TR. Herausgegeben von H. Dilling und H. J. Freyberger nach dem englischsprachigen
Pocket Guide von J. E. Cooper. 4., überarb. Aufl. 2008 unter Berücksichtigung
der German Modification (GM) der ICD-10. 533 Seiten, flex. Bern: Huber.
-
Falkai, Peter; Wittchen, Hans-Ulrich; Rief, Winfried; Saß,
Henning & Zaudig, Michael (2014, Hrsg.) Diagnostisches
und Statistisches Manual Psychischer Störungen - DSM-5 ®:
Deutsche Ausgabe. Göttingen: Hogrefe Verlag.
-
Lieb, Hans (1998) "Persönlichkeitsstörung".
Zur Kritik eines widersinnigen Konzeptes. Tübinger Reihe 18. Tübingen:
dgvt.
Links (Auswahl: beachte)
Glossar,
Anmerkungen und Endnoten: > Eigener
wissenschaftlicher Standort.
1) GIPT=
General
and Integrative
Psychotherapy, internationale Bezeichnung
für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
__
Querverweise
Standort: Paranoide Persönlichkeitsstörung.
*
Allgemeine Kriterien für
Persönlichkeitsstörungen ICD-10.
Überblick Diagnostik
in der IP-GIPT.
Überblick
forensische Psychologie.
*
*
Information für Dienstleistungs-Interessierte.
*
Zitierung
Sponsel, Rudolf (DAS).
Paranoide
Persönlichkeitsstörung im ICD-10 F60.0 Darstellung und Kritik.
Persönlichkeitsstörung im ICD-10. Darstellung und Kritik.
Probleme der Psychodiagnostik. Aus unserer Abteilung Diagnostik und Differentialdiagnostik.
IP-GIPT Erlangen: https://www.sgipt.org/diagnos/PPSPAe/ParanoPS.htm
Copyright & Nutzungsrechte
Diese Seite darf von jeder/m in nicht-kommerziellen
Verwertungen frei aber nur original bearbeitet und nicht inhaltlich
verändert und nur bei vollständiger Angabe der Zitierungs-Quelle
benutzt werden. Das direkte zugriffsaneignende Einbinden in fremde Seiten
oder Rahmen ist nicht gestattet, Links und Zitate sind natürlich erwünscht.
Sofern die Rechte anderer berührt sind, sind diese dort zu erkunden.
Sollten wir die Rechte anderer unberechtigt genutzt haben, bitten wir um
Mitteilung. Soweit es um (längere) Zitate aus ... geht,
sind die Rechte bei/m ... zu erkunden oder eine Erlaubnis einzuholen.
Ende
Paranoide
Persönlichkeitsstörung_Überblick_Relativ
Aktuelles _Rel.
Beständiges_ Titelblatt_Konzept_
Archiv_
Region_
Mail:_sekretariat@sgipt.org_
_
Wichtige
Hinweise zu Links und Empfehlungen
noch nicht korrigiert:
Änderungen wird gelegentlich überarbeitet,
ergänzt und vertieft * Anregungen und Kritik willkommen
20.03.15 Veröffentlichung.
19.03.15 angelegt, Linkfehler geprüft.