Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=09.03.2015 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 22.02.20.
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel  Stubenlohstr. 20  D-91052 Erlangen
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie, Abteilung Diagnostik und Differentialdiagnostik und hier speziell zum Thema:

    DSM-5

    Anspruch, Wirklichkeit, Kritik -
    Warum psychiatrische Diagnose-Systeme bislang wenig taugen
    Veränderungen: Beispiel ADHS.
    Belege für DSM-5 Fehlleistungen.

    von Rudolf Sponsel, Erlangen.

    Die psychiatrische Diagnostik steht seit ihrer Entstehung in der Kritik. Das große Problem der Psychodiagnostik wurde bislang nicht gelöst, auch nicht im ICD. Die Frage ist daher: Hilft uns das DSM-5 dabei, das ja mit extremem Ansprüchen auftritt? Tatsächlich muss man bei näherer Betrachtung des DSM-5 ernüchtert und frustriert feststellen, dass es nicht besser, sondern schlechter wurde. Das verlangt nach einer Erklärung, die im folgenden leicht und allgemein verständlich gegeben wird.
        Der Sinn der Entwicklung der psychodiagnostischen Klassifikationssysteme war, die großen Probleme mit der Objektivität, Reliabilit ät und Validität zu lösen. Eine Zeit lang schien es, als sei man hier ein wenig vorwärts gekommen. Inzwischen sieht es aber so aus, als entwickelte man sich zurück. Das liegt wahrscheinlich nicht nur an den Wirtschaftsinteressen der Medizin- und Pharmaindustrie, die Krankheitsbegriffe völlig unangemessen, wissenschaftsfremd und unverantwortlich auszudehnen.

    Das Haus der Psychiatrie ist auf Luft gebaut
    In der Psychopsychopathologie, Psychotherapie und Psychiatrie haben wir in aller Regel folgende Standardaufgaben, die ich mit der Metapher eines fünfstöckigen Hauses charakterisieren möchte
     

      0. Erdgeschoss: Daten des Erlebens und Verhaltens sowie Körperdaten (die Basis)
      1. Stock: Symptom.
      2. Stock: Syndrom.
      3. Stock: Befund.
      4. Stock: Diagnose.
      5. Stock: Therapieplan, Behandlung (forensisch: Beantwortung der Beweisfragen).


    Die Grundlage aller Psychologie, Psychopathologie, Psychodiagnostik und Psychotherapie sind die Daten des Erlebens und Verhaltens. Auf ihnen baut alles auf. Stimmt das Fundament nicht, wackelt sozusagen das ganze Haus. Und so ist es auch. Die Psychiatrie fängt im ersten Stock an - ohne Fundament. Und so hängt das Haus der Psychiatrie seit ihrer Entstehung in der Luft. Und genau daher rühren die Objektivitäts-, Reliabilitäts- und Validitätsprobleme.

    In dem 1298 Seiten Werk (Falkai & Wittchen) gibt es nicht die geringsten Anstalten, das Problem wahrzunehmen und daher auch keinerlei Versuche, angemessene Lösungen zu entwickeln. Auch das DSM-5 fängt im 1. Stock an. Der grundlegende Fehler besteht darin,  dass die Psychiatrie den fundamentalen Fehler (Literaturbelege) begeht, davon auszugehen, der kleinste Einheit der Psychopathologie sei das Symptom. Nein, das ist es nicht: es sind die Daten des Erlebens und Verhaltens sowie die Körperdaten. So bleibt die Beziehung zwischen dem Erdgeschoss, also den Daten des Erlebens und Verhaltens, und dem 1. Stock, den Symptomen, völlig ungeklärt. Bildlich gesprochen hängt die Psychiatrie mit ihrer Auffassung regelrecht in der Luft. Und genau deshalb haben wir die großen Probleme mit Objektivität, Reliabilität und Validität in der Psychodiagnostik.

    Ob ein psychopathologisches Symptom vorliegt oder nicht, wird nicht wissenschaftlich aufgrund der Daten des Erlebens und Verhaltens regelgeleitet begründet, sondern gemeint (> Meinungsachten). Die Lücke zwischen Erdgeschoss und 1. Stock wird nicht durch regelorientierte Wissenschaft, sondern durch Meinen "geschlossen" - mit all den Nebenwirkungen, die für eineb wissenschaftlichen Anspruch unerträglich sind.

    Belege DSM-5 Fehlleistungen
     

      Belege (Auswahl) Ansprueche im DSM-5
      1. Ausführlichere kriteriumsbasierte Klassifikationshinweise als im ICD werden geliefert (L I=51)
      2. DSM-5 wesentlich mehr als ein diagnostisches Klassifikationssystem und Nomenklatur, nämlich ein prozedurales Manual, "wie und nach welchen Regeln und Richtlinien eine Diagnose abgeleitet und begründet werden kann." (L II=52)
      3. Gilt als das entscheidende Referenzwerk in der Forschung und daher im deutschsprachigen Raum unverzichtbar. (L II=52)


      Muenchhausen-Syndrom und Varianten der vorgetäuschten Störung
      SR := Sachregister. Seitenzahlen in Klammern verweisen auf die diagnostischen Kriterien
      Artifizielle Störung wurde aufgenommen, weil der Ausdruck im deutschen Sprachraum eine Rolle spielt.
      Zitiert nach den deutschsprachigen Ausgaben: III: 1984, IIIR: 1991, IV: 1996, V: 2015
       
      Ausdrücke (Begriffe) DSM-III DSM-III R DSM-IV DSM-5
      Münchhausen-Syndrom
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      SR 300 (302)
      rein körperlich
      SR 384
      rein körperlich
      SR -
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      SR -
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      Artifizielle Störung SR - SR - SR - SR -
      Vorgetäuschte Störung
         körperlich
         psychisch
         gemischt
      SR 297-302
      SR 300-302
      SR 298 (299)
      SR -
      SR 383f
      körperlich 386
      psychisch 388
      SR -
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      SR 339 (540)
      SR 338 (540)
      SR 339 (540)
      SR 421, 443-46
      SR -
      SR -
      SR -
      Vorgetäuschte Störung by proxy SR - SR - SR 814 (816) SR -
      Vorget.Störg. anderen zugefügt SR - SR - SR - SR 444, 462

      Zu den Veränderungen im DSM-5 wird S. 1113 ausgeführt:
      "Psychologische Faktoren, die eine Medizinische Krankheit beeinflussen ist eine im DSM-5 neu aufgenommene psychische Störung, die im DSM-IV noch unter „Weitere klinisch relevante Probleme" aufgeführt war. Genau wie die Vorgetäuschte Störung wurde diese Störung der Gruppe der Somatischen Belastungsstörung und verwandten Störungen zugeordnet, da es sich um psychische Störungen mit vorherrschenden körperlichen Symptomen handelt und beide Störungsbilder meist in medizinischen Behandlungseinrichtungen angetroffen werden. Die Varianten der Diagnose Psychologische Faktoren, die eine Medizinische Krankheit beeinflussen, wurden zugunsten der Hauptdiagnose entfernt. Die Kriterien der Konversionsstörung (Störung mit Funktionellen Neurologischen Symptomen) wurden modifiziert, um die zentrale Bedeutung der neurologi: sehen Untersuchung herauszustellen. Dabei wurde berücksichtigt, dass relevante psychologische Faktoren zum Zeitpunkt der Diagnosestellung häufig nicht nachweisbar sind. Die einzigen Musterbeispiele für Andere Näher Bezeichnete Somatische Belastungsstörung und Verwandte Störungen sind nunmehr die Andere Näher Bezeichnete Somatische Belastungsstörung, die Andere Näher Bezeichnete Krankheitsangststörung und Scheinschwangerschaft."
       
      Kritik: Wenn sich Bezeichnungen ändern, so sollte im Sachregister die alte Bezeichnung geführt werden und auf die neue Bezeichnung verweisen. Zur guten wissenschaftlichen Praxis gehört auch eine Begründung. 

      Pathologisches Spielen neu organisiert und schlecht dokumentiert
      Pathologisches Spielen war bis DSM-IV (S. 698) unter den Störungen der Impulskontrolle eingeordnet, die im neuen DSM-Sachregister verschwunden sind. Unter "Pathologisches ..." findet man im Sachregister nur "Pathologisches Horten", aber kein Spielen mehr, nicht einmal einen Querverweise zur Neuordnung. Auch "Spielen" wird im Sachregister nicht geführt. Und selbst den Informationen zu Neuerungen wird im Abschnitt "Disruptive, Impulskontroll- und Sozialverhaltensstörungen" S. 1116 kein Wort über die Herausnahme und Neuorganisation des "Pathologischen Spielens" verloren. Allerdings ist das Thema ausführlich behandelt, wie man dem Sachregistereintrag "Glücksspielen" S. 803-809 entnehmen kann.

      Belege Ausdehnung der Krankheitsbegriffe
      Die extremsten Fehlleistungen (z.B. mehr als 14 Tage Trauer beim Tod einer nahen Bezugsperson bereits krankheitswertig) wurden aufgrund massiver internationaler Kritik zurückgenommen, allerdings werden die Zurücknahmen schamhaft verschwiegen und nicht ausdrücklich ausgewiesen. Auch kein Zeichen ordentlicher Wissenschaft und Ethik. Besondere Verdienste hat sich hierbei Allen Frances mit seinem Buch Normal - Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen, erworben. Er weiß, wovon er spricht, denn er war Vorsitzender der DSM-IV Kommission.

      Literaturbelege für die falsche Lehre vom Symptom als Basis der Psychopathologie

      1. Stieglitz & Freyberger Psychiatrische Diagnostik und Klassifikation in Berger (1999, Hrsg.), S. 53f: Die folgenden Ausführungen der profunden und informativen Arbeit berücksichtigen zwar die elementare Datenbasis ausdrücklich, verkennen aber die grundlegende Bedeutung im diagnostischen Prozeß, wenn unter 7.2 ausgeführt wird: "Die unterste Ebene ist die Symptomebene. Hier werden Symptome als kleinste Beschreibungsein{>54]heiten psychopathologischer Phänomene erfaßt. ..." Genau das ist das Grundproblem psychiatrischer Diagnostik. Die Datenfundamente sind nicht normiert und geregelt und deshalb kommt bei vielen PsychiaterInnen so viel Unterschiedliches heraus.
      2. Stieglitz bleibt auch 2008, S. 27, bei dieser falschen Auffassung: "Die Symptomebene stellt die elementarste Beschreibungseinheit innerhalb der psychiatrischen Diagnostik dar und ist eng verbunden mit dem Begriff der Psychopathologie (psychopathologische Begriffe; s.a. Kapitel 3)."
      3. Foerster & Winckler 2009, S. 26: "Ein Symptom ist definiert als die kleinste Beschreibungseinheit psychopathologischer Phänomene. Dabei handelt es sich entweder um beobachtbare Verhaltensweisen in der Untersuchungssituation oder um vom Patienten berichtete Störungen."
      4. "»Psychopathologische Symptome (griech.: ... = Eigentümlichkeit) stellen als diagnostische Bausteine die kleinsten phänomenologisch zu unterscheidenden und operationalisierbaren Störungseinheiten dar, die sprachlich gekennzeichnet werden können.« (Payk 2002, S. 44)", zitiert in: Schneider, Frank; Frister, Helmut & Olzen, Dirk (2010, Hrsg.), S. 37.
      5. Payk bleibt auch in der 3. Auflage 2010 bei seiner Auffassung, S. 43: "Psychopathologische Symptome (griechisch: symptoma=Eigentümlichkeit) stellen als diagnostische Bausteine die kleinsten phänomenologisch zu unterscheidenden und operationalisierbaren Störungseinheiten dar, die sprachlich gekennzeichnet werden können."
      6. Scharfetter, Christian (1976) Allgemeine Psychopathologie. Stuttgart: Thieme, zum Syndrom  S. 9: "1.3.2. Von Symptomen zum Syndrom: "Das Symptom ist die kleinste beschreibbare Untersuchungseinheit in der Psychiatrie. ..." in Scharfetter, Christian (1976).



    Veraenderungen nicht genau oder vollständig ausgewiesen und begründet


    Das DSM wurde 1952 erstmals und die letzte und 5. Version wurde 2013 (dt. 2015) veröffentlicht.

    Allgemein ist von einem solch wissenschaftlich anspruchsvollen Werk zu erwarten, dass es Veränderungen kennzeichnet, genau und vollständig begründet, worin die Veränderung besteht und warum diese Veränderung für nötig erachtet wurde - und zwar nicht erst im Anhang, sondern in einer Fußnote an der Stelle, wo sie erfolgte.

    Beispiel ADHS Kriterien DSM-III, IV und 5
    Die ADHS Kriterien wurden von Auflage zu Auflage verändert, aber die Veränderungen nur unzureichend erklärt und dokumentiert, selbst solch wesentliche oder grundlegende wie die Reduktion von drei Dimensionen auf zwei. Mit verantwortlicher und evidenzbasierter angewandter Wissenschaft hat dies wenig zu tun.
     
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    DSM-III 1980 (dt. 1984), S. 51f

    "Diagnostische Kriterien der Störung mit Aufmerksamkeits- defizit bei Hyperaktivität
    Das Kind zeigt für sein Lebens- und Entwicklungsalter inadäquate Auf- merksamkeit, Impulsivität und Hy- peraktivität. Diese Merkmale müs- sen von Erwachsenen aus der Um- gebung des Kindes, etwa Eltern oder Lehrer, berichtet werden. Weil sie in typischer Weise variieren, können sie vom Kliniker nicht direkt beobachtet werden. Falls sich die Angaben von Eltern und Lehrern widersprechen, ist das Hauptge- wicht auf das Urteil der Lehrer zu legen, die mit den altersangemesse- nen Normen besser vertraut sind. Die Symptome verstärken sich typi- scherweise in Situationen'', die  Selbstbehauptung erfordern, zum Beispiel wenn sich das Kind in einer neuen Situation oder einer mit nur einem Partner befindet. Die Mehr- zahl der angeführten Symptome gilt für Kinder zwischen acht und zehn, dem Hauptalter für eine Untersu- chung. Bei jüngeren Kindern beste- hen gewöhnlich schwerere und mehr Symptome. Für ältere Kinder trifft das Gegenteil zu. 

    A) Unaufmerksamkeit: Mindestens drei der folgenden Symptome:
    A1  beendet vielfach nicht, was es anfängt; 
    A2  scheint oft nicht zuzuhören;
    A3  ist leicht ablenkbar; 
    A4  hat Schwierigkeiten, sich auf Schularbeiten oder andere Tätigkei- ten, die längere Aufmerksamkeit erfordern, zu konzentrieren;
    A5  hat Schwierigkeiten, bei einer Spielaktivität zu bleiben.

    B) Impulsivität: Mindestens drei der folgenden Symptome:
    B1  handelt oft, ohne zu überlegen; 
    B2  wechselt sehr häufig von einer Beschäftigung zur anderen;
    B3  hat Mühe, seine Arbeit zu planen (nicht durch mangelnde intellektuelle Leistungsfähigkeit bedingt);
    B4  braucht viel Aufsicht;
    B5  ruft häufig im Unterricht dazwischen; 
    B6  hat Schwierigkeiten beim Spielen und in der Gruppe abzu- warten, bis es dran ist.

    C) Hyperaktivität: Mindestens zwei der folgenden Symptome; 
    C1  läuft viel herum und klettert überall hinauf;
    C2  hat Schwierigkeiten, stillzu- sitzen oder zappelt sehr viel; 
    C3  hat Schwierigkeiten, sitzen zu bleiben;
    C4  bewegt sich sehr viel im Schlaf; 
    C5  ist immer „auf dem Sprung" oder „wie aufgezogen".

    D) Beginn vor dem siebenten Lebensjahr.

    E) Dauer mindestens sechs Monate.

    F) Nicht durch Schizophrenie, Affektive Störungen oder Schwere oder Sehr schwere geistige Behinderung bedingt.
     

    314.00 Störung mit Aufmerksam- keitsdefizit ohne Hyperaktivität
    Alle Merkmale sind dieselben wie bei der Störung mit Aufmerksam- keitsdefizit bei Hyperaktivität, ausgenommen das Fehlen der Hyperaktivität; Nebenmerkmale und Behinderungen sind im allgemeinen leichter. Prävalenz und familiäre Häufigkeit sind unbekannt.

    Diagnostische Kriterien der Störung mit Aufmerksam- keitsdefizit ohne Hyperaktivität
    Die Kriterien dieser Störung sind dieselben wie bei der Störung mit Aufmerksamkeitsdefizit bei Hyperaktivität, außer daß der Betroffene niemals Zeichen von Hyperaktivität (Kriterium C) hatte.
     

    314.80 Störung mit Aufmerksam- keitsdefizit, Residualtyp

    Diagnostische Kriterien für Störung mit Aufmerksamkeits- defizit, Residualtyp

    A) Bei dem Betroffenen bestanden früher die Kriterien der Störung mit Aufmerksamkeitsdefizit bei Hyper- aktivität. Diese Angabe macht der Betroffene selbst oder andere, z.B. Familienangehörige.

    B) Es bestehen keine Zeichen der Hyperaktivität mehr, aber andere Merkmale der Störung haben bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt ohne Zeichen der Remission persistiert, bewiesen durch noch bestehende Zeichen sowohl von Aufmerksam- keitsschwierigkeiten als auch Impul- sivität (z.B. Schwierigkeiten bei der Planung der Arbeit und der Ausfüh- rung von Aufgaben, Schwierigkei- ten, sich zu konzentrieren, Ablenk- barkeit, plötzliche Entscheidungen, ohne über die Folgen nachzuden- ken).

    C) Die Symptome der Unaufmerk- samkeit und Impulsivität führen zu einiger Behinderung in sozialer und beruflicher Hinsicht.

    D) Nicht durch Schizophrenie, Affektive Störungen, Schwere oder Sehr schwere geistige Behinderung oder schizotypische bzw. Border- line-Persönhchkeitsstörungen bedingt."
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    Gegenüberstellung von DSM-II und DSM-III-Kategorien S. 397

    "DSM-II [Kein Eintrag]

    DSM-III
    314.00 Störung mit Aufmerksam- keitsdefizit ohne Hyperaktivität
    Es ist bekannt, daß manche Kinder mit Aufmerksamkeitsdefizit niemals eine begleitende Hyperaktivität gezeigt haben (101).

    314.80 Störung mit Aufmerksam- keitsdefizit, Residualtyp
    Es gibt Hinweise dafür, daß manche Personen, die als Kinder eine Stö- rung mit Aufmerksamkeitsdefizit mit Hyperaktivität hatten, in der Ado- leszenz oder im Erwachsenenalter keine Hyperaktivität mehr zeigen, obgleich weiterhin Aufmerksam- keitsschwierigkeiten bestehen (102,103)."

    Literatur S. 399-402
    101. Wender P: Minimal Brain Dysfunction in Children. New York, John Wiley & Sons, 1971.
    102. Weiss G, Minde K, Werry JS, et al: Studies on the hyperactive child, VIII, five year follow-up. Arch Gen Psychiatry 24: 409-414, 1971.
    103. Wood DR, Reimherr FW, Wender PH, et al: Diagnosis and treatment of minimal brain dysfunc- tion in adults. Arch Gen Psychiatry 33: 1453-1460, 1976.

    Interrater-"Reliabilität" S. 469-475
    Die Begriffe, Methode und Ergeb- nisse sind sehr unzulänglich be- schrieben, ein Kappa = 0.58 bei ADHS (S. 474) erscheint mittel- mäßig (0 entspricht keine Überein- stimmung, 1 maximaler, wobei zufäl- lige Übereinstimmungen berücksich- tigt werden). 
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    DSM-IV 1994 (dt. 1996), S. 122f

    "A. Entweder Punkt (1) oder Punkt  (2) müssen zutreffen:
    (1) sechs (oder mehr) der folgenden Symptome von Unaufmerksamkeit sind während der letzten sechs Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand des Kindes nicht zu vereinbarenden und unangemes- senen Ausmaß vorhanden gewesen:

    Unaufmerksamkeit 
    1a  beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten
    1b  hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder beim Spielen aufrechtzuerhalten
    1c  scheint häufig nicht zuzuhö- ren, wenn andere ihn / sie anspre- chen
    1d  führt häufig Anweisungen anderer nicht vollständig durch und kann Schularbeiten, andere Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende bringen (nicht aufgrund oppositionellen Verhaltens oder Verständnisschwierigkeiten)
    1e  hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren
    1f  vermeidet häufig, hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich häufig nur widerwillig mit Aufgaben, die länger dauernde geistige Anstrengungen erfordern
    1g  verliert häufig Gegenstände, die er / sie für Aufgaben oder Akti- vitäten benötigt (z.B. Spielsachen, Hausaufgabenhefte, Stifte, Bücher oder Werkzeug)
    1h  läßt sich öfter durch äußere Reize leicht ablenken
    1i  ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergeßlich

    (2) sechs oder mehr ... 
    Hyperaktivität 
    2a  zappelt häufig mit Händen und Füßen oder rutscht auf dem Stuhl herum,
    2b  steht in der Klasse oder in anderen Situationen, in denen Sitzenbleiben erwartet wird, häufig auf,
    2c läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen das unpassend ist (bei Ju- gendlichen oder Erwachsenen kann dies auf ein subjektives Unruhegefühl beschränkt bleiben),
    2d  hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Frei- zeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen,
    2e  ist häufig „auf Achse“ oder handelt oftmals als wäre sie / er „getrieben“,
    2f  redet häufig übermäßig viel;

    Impulsivität
    2g  platzt häufig mit den Antwor- ten heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist,
    2h  kann nur schwer warten, bis sie / er an der Reihe ist, 
    2i  unterbricht und stört andere häufig (platzt z. B. in Gespräche oder in Spiele anderer hinein).

    C. Beeinträchtigungen durch diese Symptome zeigen sich in zwei oder mehr Bereichen (z.B. in der Schule bzw. am Arbeitsplatz und zu Hause).

    D. Es müssen deutliche Hinweise auf klinisch bedeutsame Beeinträchti- gungen der sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsfähigkeit vorhanden sein.

    E. Die Symptome treten nicht ausschließlich im Verlauf einer Tiefgreifenden Entwicklungsstörung, Schizophrenie oder einer anderen Psychotischen Störung auf und können auch nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden (z. B. Affektive Störung, Angststörung, Dissoziative Störung oder eine Persönlichkeitsstörung).

    Codiere je nach Subtypus:
    314.01 (F90.0)  Aufmerksamkeits- defizit-/ Hyperaktivitätsstörung, Mischtypus: liegt vor, wenn die Kriterien Al und A2 während der letzten sechs Monate erfüllt waren.

    314.0 (F98.8) Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung, Vorwiegend Unaufmerksamer Typus: liegt vor, wenn Kriterium Al, nicht aber Kriterium A2 während der letzten sechs Monate erfüllt war.

    314.1 (F90.1)  Aufmerksamkeits- defizit-/ Hyperaktivitätsstörung Vorwiegend  Hyperaktiv-Impulsiver Typus: liege vor, wenn Kriterium A2, nicht aber Kriterium Al während der letzten sechs Monate erfüllt war.

    Codierhinweise: Bei Personen (besonders Jugendlichen und Erwachsenen), die zum gegen- wärtigen Zeitpunkt Symptome zeigen, aber nicht mehr alle Kriterien erfüllen, wird Teilremittiert spezifiziert."

    314.9 (F90.9) Nicht Näher Bezeichnete
    Aufrnerksamkeitsdefizit-/ Hyperak- tivitätsstörung 
    Diese Kategorie ist für Störungen mit deutlichen Symptomen von Unaufmerksamkeil oder Hyperak- tivität-Impulsivität vorgesehen, die nicht die Kriterien einer Aufmerk- samkeitsdefizit-/ Hyperaktivitäts- störung erfüllen.
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    Kommentierte Auflistung der Veränderungen im DSM IV ... 
    [S. 867 gegenüber DSM III] 
    Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivi- 
    tätsstörung. Hier werden die Auf- merksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivi- tätsstörung und die Undifferenzierte Aufmerksamkeitsstörung (ohne Hyperaktivität) aus DSM-III-R in einer übergreifenden Kategorie zusammengefaßt. Literaturreviews, Reanalysen von Datensätzen und die Ergebnisse der Feldstudien legen es nahe, daß diese Störungsbilder am besten als eine einzelne Stö- rungskategorie mit unterschiedlichen vorherrschenden Symptommustern zu sehen ist. DSM-IV stellt nun einen Kriteriensatz mit drei Sub- typen zur Verfügung: den Mischty- pus, den Vorwiegend Unaufmerk- samen Typus und den Vorwiegend Hyperaktiv-Impulsiven Typus. Dies erlaubt dem Untersucher, genauer zu codieren, welche Symptome bei dem jeweiligen Störungsbild über- wiegen. Das Kriterium A gruppiert die einzelnen Items in drei Unter- gruppen: Unaufmerksamkeit, Hy- peraktivität und Impulsivität. Das Kriterium C, das nun das Vorhan- densein von Symptomen in zwei oder mehr Situationen erfordert (z.B. Schule, Arbeit, zu Hause), wurde hinzugefügt, um falsch-po- sitive Diagnosen zu reduzieren."_
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    In DSM-5, S. 1108  dokumentierte Veraenderungen gegenüber DSM-IV

    "Verschiedene Veränderungen wurden hinsichtlich der diagno- stischen Kriterien für die Aufmerk- samkeitsdefizit-/ Hyperaktivitäts- störung (ADHS) vorgenommen. Den Einzelkriterien wurden Beispiele hinzugefügt, um die Anwendung dieser Störungskategorie über die Lebensspanne hinweg zu ermögli- chen. Die Beschreibung des Erster- krankungsalters wurde verändert (vormals: „Einige Symptome der Hyperaktivität-Impulsivität oder Un- aufmerksamkeit, die Beeinträchti- gungen verursachen, treten bereits vor dem Alter von 7 Jahren auf.", nunmehr: „Mehrere Symptome der Unaufmerksamkeit oder der Hyper- tivität-Impulsivität treten bereits vor dem Alter von 12 Jahren auf.") Die bisherigen Subtypen der ADHS wurden durch Zusatzcodierungen ersetzt, die sich direkt auf die vor- maligen Subtypen beziehen. Ferner kann die Autismus- Spektrum-Stö- rung nun gemeinsam mit ADHS diagnostiziert werden. Darüber hinaus wurde das Symptomschwel- lenkriterium für Erwachsene verän- dert, sodass für die Diagnose der ADHS in den Bereichen Unauf- merksamkeit und Hyperaktivität/Im- pulsivität nun noch jeweils fünf Symptome gefordert werden, statt sechs, wie bei jüngeren Personen. Damit wird substanzielle Evidenz zur klinisch bedeutsamen Beeinträchti- gung bei ADHS aufgegriffen."
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    DSM-5 2013 (dt. 2015), S. 77ff Vor die Buchstaben A, B, ... wurde "V" für DSM-5 eingefügt.
    "VA. Ein durchgehendes Muster von Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität-Impulsivität, wie in (1) und/oder (2) beschrieben, welches das Funktionsniveau oder  die Entwicklung beeinträchtigt:

    1. Unaufmerksamkeit: Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome sind während der letzten 6 Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand nicht zu vereinbarenden Ausmaß aufgetreten und wirken sich direkt negativ auf soziale und schulische/berufliche Aktivitäten aus:
    Beachte: Die Symptome sind nicht ausschließlich ein Ausdruck von oppositionellem Verhalten, Trotz, Feindseligkeit oder der Unfähigkeit, Aufgaben oder Anweisungen zu verstehen. Für ältere Jugendliche und Erwachsene (17 Jahre und älter) sind mindestens fünf Symptome erforderlich.

    V1a Beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten (z. B.: übersieht Einzelheiten oder lässt sie aus; arbeitet ungenau).
    V1b  Hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder beim Spielen auf- rechtzuerhalten (z.B.: hat während Unterricht, Vorträgen, Unterhaltun- gen oder längerem Lesen Schwie- rigkeiten, konzentriert zu bleiben).
    V1c  Scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere ihn bzw. sie ansprechen (z. B.: scheint mit den Gedanken anderswo zu sein, auch ohne ersichtliche Ablenkungen).
    V1d  Führt häufig Anweisungen anderer nicht vollständig durch und bringt Schularbeiten, andere Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende (z.B.: beginnt mit Aufgaben, verliert jedoch schnell den Fokus und ist leicht abgelenkt).
    V1e  Hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren (z. B.: hat Probleme, sequenziell aufeinander folgende Aufgaben zu bewältigen; Schwie- rigkeiten, Materialien und eigene Sachen in Ordnung zu halten; unordentliches, planlos-desorga- nisiertes Arbeiten; schlechtes Zeit- management; hält Termine und Fristen nicht ein).
    V1f  Vermeidet häufig, hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich nur widerwillig mit Aufgaben, die länger andauernde geistige An- strengungen erfordern (z.B. Mitar- beit im Unterricht oder Hausauf- gaben; bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen: Ausarbeiten von Be- richten, Ausfüllen von Formularen, Bearbeiten längerer Texte).
    V1g  Verliert häufig Gegenstän- de, die für bestimmte Aufgaben oder Aktivitäten benötigt werden (z. B. Schulmaterialien, Stifte, Bücher, Werkzeug, Geldbörsen, Schlüssel, Arbeitspapiere, Brillen, Mobiltelefone).
    V1h  Lässt sich oft durch äußere Reize leicht ablenken (bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen können auch mit der aktuellen Situation nicht in Zusammenhang stehende Gedanken gemeint sein).
    V1i  Ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich (z. B. bei der Erledigung von häuslichen Pflichten oder Besorgungen; bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen umfasst das Vergessen auch Telefonrückrufe zu tätigen, Rechnungen zu bezahlen, Verabredungen einzuhalten). 

    2. Hyperaktivität und Impulsivität: Sechs (oder mehr) der folgenden Symptome sind während der letzten 6 Monate beständig in einem mit dem Ent- wicklungsstand nicht zu vereinba- renden Ausmaß aufgetreten und wirken sich direkt negativ auf soziale und schulische/berufliche Aktivitäten aus: Beachte: Die Symptome sind nicht ausschließlich ein Ausdruck von oppositionellem Verhalten, Trotz, Feindseligkeit oder Unfä- higkeit, Aufgaben oder Anwei- sungen zu verstehen. Für ältere Jugendliche und Erwachsene (17 Jahre und älter) sind mindestens fünf Symptome erforderlich.
    V2a  Zappelt häufig mit Händen und Füßen oder rutscht auf dem Stuhl herum.
    V2b  Steht oft in Situationen auf, in denen Sitzenbleiben erwartet wird (z. B.: verlässt eigenen Stuhl im Klassenraum, im Büro oder an anderem Arbeitsplatz oder in anderen Situationen, die erfordern, am Platz zu bleiben).
    V2c  Läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist. {Beachte: Bei älteren Jugendlichen und Er- wachsenen kann dies auf ein subjek- tives Unruhegefühl beschränkt bleiben).
    V2d  Hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen.
    V2e  Ist häufig „auf dem Sprung" oder handelt oftmals, als wäre er bzw. sie „getrieben" (z. B.: kann nicht über eine längere Zeit hinweg ruhig an einem Platz bleiben bzw. fühlt sich dabei sehr unwohl, z.B. in Restaurants, bei Besprechungen; dies kann von anderen als Ruhelo- sigkeit oder als Schwierigkeit erlebt werden, mit dem Betreffenden Schritt zu halten).
    V2f  Redet häufig übermäßig viel.
    V2g  Platzt häufig mit den Antworten heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist (z. B.: beendet die Sätze anderer; kann in Unter- haltungen nicht abwarten bis er bzw. sie mit Reden an der Reihe ist).
    V2h  Kann häufig nur schwer warten, bis er bzw. sie an der Reihe ist (z. B. beim Warten in einer Schlange).
    V2i  Unterbricht oder stört andere häufig (z. B.: platzt in Gespräche, Spiele oder andere Aktivitäten hinein; benutzt die Dinge anderer Personen ohne vorher
    zu fragen oder ohne Erlaubnis; bei älteren Jugendlichen und Erwach- senen: unterbricht oder übernimmt Aktivitäten anderer).

    VB  Mehrere Symptome der Unaufmerksamkeit oder der Hyper- aktivität-Impulsivität treten bereits vor dem Alter von 12 Jahren auf.

    VC  Mehrere Symptome der Unaufmerksamkeit oder der Hyper- aktivität-Impulsivität bestehen in zwei oder mehr verschiedenen Lebensbereichen (z. B. zu Hause, in der Schule oder bei der Arbeit; mit Freunden oder Verwandten; bei anderen Aktivitäten).

    VD  Es sind deutliche Hinweise dafür vorhanden, dass sich die Symptome störend auf die Qualität des sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsniveaus auswirken oder dieses reduzieren.

    VE  Die Symptome treten nicht ausschließlich im Verlauf einer Schizophrenie oder anderen psychotischen Störung auf und können auch nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden (z. B. affektive Störung, Angststörung, dissoziative Störung, Persönlichkeitsstörung, Substanzintoxikation oder -entzug).

    "Bestimme ob:
    F90.2 Gemischtes Erscheinungsbild: Sowohl Kriterium A1 (Unaufmerksamkeit) auch Kriterium A2 (Hyperaktivi- tät-Impulsivität) waren während der letzten 6 Monate erfüllt.
    F90.0 Vorwiegend Unaufmerksames Erscheinungsbild: Kriterium A1 (Unaufmerksamkeit), aber nicht Kriterium A2 (Hyperaktivität- Impulsivität) war während der letzten 6 Monate erfüllt.
    F90.1 Vorwiegend Hyperaktiv-Impulsives Erscheinungsbild: Kriterium A2 (Hyperaktivität-Impulsivität), aber nicht Kriterium A1 (Unaufmerksam- keit) war während der letzten 6 Monate erfüllt.

    Bestimme ob:
    Teilremittiert: Wenn die Kriterien früher vollständig erfüllt worden sind, in den letzten 6 Monaten jedoch nicht alle notwendigen Kriterien erfüllt wurden und die Symptome immer noch eine Beeinträchtigung des sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsniveaus verursachen.

    Bestimme den aktuellen Schweregrad:
    Leicht: Es treten wenige oder keine Symptome zusätzlich zu denjenigen auf, die zur Diagnose- stellung erforderlich sind, und die Symptome führen zu nicht mehr als geringfügigen Beeinträchtigungen in sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsbereichen.
    Mittel: Die Ausprägung der Symptome und der funktionellen Beeinträchtigung liegt zwischen „leicht" und „schwer".
    Schwer: Die Anzahl der Symptome übersteigt deutlich die zur Diagnosestellung erforderliche Anzahl oder mehrere Symptome sind besonders stark ausgeprägt oder die Symptome beeinträchtigen erheblich die soziale, schulische oder berufliche Funktionsfähigkeit."

    Vergleiche (Auswahl)
    Seit AD-H-D in das DSM aufgenommen wurde, wurde von Ausgabe zu Ausgabe, von Revision zu Revision, die AD-H-D-Definition verändert. Das führt zu keiner kontinuierlichen und vergleichbaren Diagnostik. Bei den Forschungsarbeiten muss geklärt sein: mit welcher Definitionsbasis wurde gearbeitet, was aber gewöhnlich nicht mitgeteilt wird.
     
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    DSM-III 1980 (dt. 1984), S. 51f

    16 Items: 
         5 Unaufmerksamkeit (3 aus 5)
         6 Impulsivität (3 aus 6)
         5 Hyperaktivität (2 aus 5)

    "Bei jüngeren Kindern bestehen gewöhnlich schwerere und mehr Symptome. Für ältere Kinder trifft das Gegenteil zu." 
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    DSM-IV 1994 (dt. 1996)

    18 Items
         9 Unaufmerksamkeit  (6 aus 9)
         5 Hyperaktivität 
         4 Impulsivität (6 aus 5+4=9)

    DSM-IV: Entweder-oder bedeutet ein ausschließendes oder und damit, dass Mischformen ausgeschlossen werden, was aber der Ausführung S. 123 zum Subtypus Mischform widerspricht (314.01/F90.0). Der logische Widerspruch wurde im DSM-5 beseitigt.
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      DSM-5 2013 (dt. 2015)

      18 Items
           9 Unaufmerksamkeit (6 aus 9)
           9 Hyperaktivität & Impulsivität 
              (6 aus 9)

      In der Veränderungsdokumentation S. 1108 wird nicht erklärt, warum Hyper- aktivität und Impulsivität zusammengelegt und damit nicht mehr unterschieden wer- den, obwohl es sich um einen erheblichen strukturellen Eingriff handelt, wenn von 
      drei auf zwei Dimensionen reduziert wird.

      "Für ältere Jugendliche und Erwachsene (17 Jahre und älter) sind mindestens fünf Symptome erforderlich."_
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    Kritik der ADHS-Schweregrade im DSM-5  (Kritik DSM-5  und   Traditionelle Klassifikationsdiagnostik)

    • Positiv ist zu vermerken, dass die Merkmale in den Kriterien praktisch-operational beschrieben sind.
    • Hyperaktivität und Impulsivität wird unerläutert zusammengefasst, so werden urplötzlich aus drei Dimensionen zwei.
    • Motivations- und Interesse-Probleme werden gar nicht erfasst.
    • Beim Schweregrad werden die Ebenen zwischen den Schweregraden und der Symptomausprägung verschränkt: Einerseits in Mittel: die Ausprägung der Symptome liegt zwischen "leicht" und "schwer". Andererseits in Schwer: mehrere Symptome sind besonders ausgeprägt.
    • Quantitative Kategorien und Kriterien für die Symptomausprägung werden gar nicht vorgegeben, für die Diagnose ist allein die Anzahl der erfüllten Kriterien (Symptome) maßgeblich, nämlich jeweils (A1, A2) mindestens sechs bei unter 17jährigen, sonst 5.
    • Was ist ein "deutliches" Übersteigen der Symptomanzahl (es werden ja mindestens 6 bzw. 5 aus insgesamt 9 gegebenen verlangt)?
    • Veränderungen zur Vorgängerversion werden nicht genau und vollständig ausgewiesen oder begründet (z.B. > Dimension)


    Grundlegende Kritik an den ADHS-Diagnostik im DSM
    Wenn die Kriterien so oft - und sogar grundlegend in den Dimensionen -  verändert werden, ist weder Diagnose- noch Forschungssicherheit möglich. Veränderungen müssten frühere Versionen umfassen, damit wenigstens Forschungskontinuität gewährleistet ist.





    Literatur (Auswahl) > Klassifikation > Diagnostik > Befund > Daten > Symptom > Syndrom >
    • Berger, Mathias (1999, Hrsg.). Psychiatrie und Psychotherapie. München: Urban & Schwarzenberg.
    • Falkai, Peter; Wittchen, Hans-Ulrich; Rief, Winfried;  Saß, Henning & Zaudig, Michael  (2015, Hrsg.) Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen - DSM-5 ®: Deutsche Ausgabe. Göttingen: Hogrefe Verlag.
    • Foerster, Klaus & Winckler, Peter (2009). Forensisch-psychiatrische Untersuchung. (17-33). In: Foerster, Klaus & Dreßing, Harald (2009, Hrsg.) Venzlaff & Foerster Psychiatrische Begutachtung. Ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen. 5. Auflage. München: Elsevier (Urban & Fischer).
    • Frances, Allen (2013) Normal. Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen. Köln: Dumont.
    • Payk, T. R. (2002) Pathopsychologie. Vom Symptom zur Diagnose. Berlin: Springer.
    • Payk, T. R. (2010) Psychopathologie. Vom Symptom zur Diagnose. Berlin: Springer.
    • Scharfetter, Christian  (1976) Allgemeine Psychopathologie. Stuttgart: Thieme
    • Schneider, Frank; Frister, Helmut & Olzen, Dirk (2010. Hrsg.). Begutachtung psychischer Störungen. 2., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Berlin: Springer.
    • Stieglitz & Freyberger (1999, Hrsg.). Psychiatrische Diagnostik und Klassifikation in Berger (1999), S. 53f.
    • Stieglitz, Rold-Dieter (2008) Diagnostik und Klassifikation in der Psychiatrie. Stuttgart: Kohlhammer.
    • Kind, Hans (1990) 10 Zuverlässigkeit der psychiatrischen Untersuchung. In (151-154)




    Links (Auswahl: beachte)
    • DSM-5 Development:
      • DSM-5 Field Trials.
    • Psychiatrie-Verlag: DSM-5: Der Wahnsinn der Normalität.


    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:
    1) GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    DSM-IV TR Änderungen bei ADHS
    Da ich noch keine deutsche Übersetzung des DSM-IV-TR besitze, habe ich bei der Originalausgabe nachgesehen. Der Entweder-Oder-Fehler (> Wahrheitswerte der "oder") wurde auch im DSM-IV-TR nicht bemerkt:

    Es müsste richtig heißen: (1) or/and (2). Erst im DSM-5 wird der Fehler ohne jegliche Erläuterung (>Beleg) stillschweigend korrigiert.
     
    Im Anhang zu den Änderungen p. 830, wird ausgeführt:
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    Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder.  Many of the changes highlight differences among the subtypes. For example, individuals with the Predominantly Inattentive and Combined Types tend to have academic deficits and school-related problems, whereas those with the Predominantly Hyper- active-Impulsive Type' to have more peer rejection and accidental injuries. Gender ratio is less predominantly male in the Predominantly Inattentive Type. Additional information about Associated Features (e.g., variability in IQ, presence of family discord) and specific Age Features (especially Attention-Deficit / Hyperactivity Disorder in adults) is included. Estimates of prevalence rates have been revised upward, reflecting in prevalence due to the inclusion of the Predominantly Hyperactive-Impulsive Predominantly Inattentive Types in DSM-IV.
    A
    Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung. Viele von den Änderungen markieren Unterschiede zwischen den Subtypen. Zum Beispiel Personen, die zu den überwiegend Unaufmerksamen und kombi- nierte Typen neigen zu akademische Defiziten und schulischen Probleme, während diejenigen mit überwiegend Hyperaktiv-Impulsiv-Typ, mehr Peer- gruppen-Ablehnung und Unfallverletzungen haben. Das Geschlechterverhältnis ist bei vorwiegend der überwiegend unaufmerksamen Art bei männlichen geringer. Zusätzliche Informationen über assoziierte  Merkmale (z. B. Variabilität im IQ, Präsenz von  Familienzwietracht) und spezifische Altersmerkmale (insbesondere Aufmerksamkeits- Defizit / Hyper- aktivitätsstörung bei Erwachsenen) ist Enthalten. Schätzungen der Prävalenzraten wurden   Revidiert nach oben, was in der Prävalenz aufgrund der Einbeziehung der überwiegend hyperaktiven -impulsiven Vorwiegend unaufmerksame Typen in DSM-IV._


    Querverweise
    Standort: DSM-5.
    *
    Überblick forensische Psychologie.
    *
       
      Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site: www.sgipt.org
      z.B. Diagnostik site: www.sgipt.org. 
    *
    Information für Dienstleistungs-Interessierte.
    *

    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). DSM-5 Anspruch, Wirklichkeit, Kritik - Warum psychiatrische Diagnose-Systeme bislang wenig  taugen. Aus unserer Abteilung Diagnostik und Differentialdiagnostik. IP-GIPT Erlangen: https://www.sgipt.org/diagnos/DSM-5.htm
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    korrigiert: irs 09.03.2015 + 10.12.2016


    Änderungen wird gelegentlich überarbeitet, ergänzt und vertieft * Anregungen und Kritik willkommen
    22.02.20    Zwischenüberschrift: Das Haus der Psychiatrie ist auf Luft gebaut
    12.11.17    Fehlerkorrektor: kleinste Einheit im Selbstverständnis der Psychiatrie das Symptom, nicht Syndrom.
    23.03.17    Münchhausen-Syndrom und Vairanten der vorgetäuschten Störung.
    09.12.16    Beispiel ADHS Kriterien DSM-III, IV und 5. Untertitel modifiziert von "nichts taugen" in "bislang wenig taugen"
    11.03.15    Literaturbeleg: Payk 3. A. 2010.