Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=30.08.2022 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: 04.09.22
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und integrative Psychotherapie, Abteilung Forschung,
    Bereich Begriffsanalysen, und hier speziell zum Thema :

    Brentano über Gewissheit und Evidenz

    Recherche von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Kurzcharakteristik Franz Brentanos (1838-1917) Wissenschaftsansatz und Psychologie.
    Wolfgang Stegmüller beginnt seine Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie mit Franz Brentano und widmet ihm unter dem Titel Philosophie der Evidenz beachtliche 46 Seiten (S.2-48), darin 14 Seiten Würdigung, woran man ersehen kann, für wie bedeutend er den Lehrer Husserls einschätzt. Für mich ist er insofern interessant, als Brentano beansprucht, eine Psychologie vom empirischen Standpunkte (3 Bde., erstmals 1874 veröffentlicht) auf den Weg gebracht zu haben - immerhin in der Pionier- und Blütezeit der deutschen wissenschaftlichen Psychologie (Ebbinghaus, Herbart, Fechner, Külpe, Lotze, Wundt [erstes psychologisches Labor 1879 in Leipzig]). Die Zuwendung zum Bewusstsein und Erleben und seine deskriptive Psychologie sind auch als programmatische Ideen teilweise heute noch interessant, wenn man sie tatsächlich  empirisch  bearbeitet, wozu jeder Mensch täglich ca. 16 Stunden Gelegenheit hat.
        Das Empirische bei Brentano ist vor allem Programm und Intention, was richtige empirische wissenschaftliche Arbeit ist, scheint er nicht gewusst oder zumindest nicht für forschungsrelevant gehalten zu haben. Brentano selbst scheint keinerlei empirische Untersuchungen durchgeführt zu haben wie leider üblich bei den PhilosophInnen. Das ist insofern rätselhaft, weil sein zentraler Ansatz ja das Bewusstsein ist, das er bei sich täglich 16 Stunden studieren konnte. Seine Psychologie der Erlebnisklassen ist auch extrem dürftig, wenn er nur 3 Erlebensklassen, nämlich Vorstellungen, Urteile und emotionelle Phänomene unterscheidet (>Überblick Bewusstseinsinhalte; Anmerkung zu Brentano). Besonders wissenschaftlich fragwürdig sind generelle Behauptungen (Allsätze), deren hypothetischer Charakter nicht deutlich gemacht wird und die auch nicht bewiesen oder beweisartig begründet werden, wie etwa alles Bewusstseinserleben sei intentional, zeige also eine Absicht des bewusst Erlebenden. Solche Hypothesen ergeben sich vielleicht nach einer langen Reihe empirischen Untersuchungen bei vielen Menschen zu ihrem Bewusstseinserleben, aber sie einfach zu behaupten, hat weder mit  empirischer Psychologie noch mit  Wissenschaft  und  wissenschaftlichem Arbeiten   etwas zu tun. Erstaunlich war für mich auch, dass Brentano, noch dazu als Aristoteleskenner, die  Grundregeln Begriffe  nicht einzuhalten wusste.

       
      "... Nun müssen diejenigen, 
      welche  ihre Gedanken untereinander austauschen wollen, 
      etwas voneinander verstehen; 
      denn wie könnte denn,
      wenn dies nicht stattfindet,
      ein gegenseitiger Gedankenaustausch (...)
      möglich sein? 
      Es muß also jedes Wort (...) bekannt sein
      und etwas, und zwar eins
      und nicht mehreres, bezeichnen;
      hat es mehrere Bedeutungen, 
      so muß man erklären, 
      in welcher von diesen man das Wort gebraucht. ..."

       Aus: Aristoteles (384-322) Metaphysik. 11. Buch, 5 Kap., S. 244 (Rowohlts Klassiker 1966)

      Leider verstehen viele Philosophen, Juristen, Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaftler auch nach 2300 Jahren Aristoteles immer noch nicht, wie Wissenschaft elementar funktionieren muss: Wer wichtige Begriffe gebraucht, muss sie beim ersten Gebrauch (Grundregeln Begriffe) klar und verständlich erklären und vor allem auch referenzieren  können, sonst bleibt alles Schwall und Rauch (sch^3-Syndrom). Wer über irgendeinen Sachverhalt etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, wie er diesen Sachverhalt begrifflich fasst, auch wenn dies manchmal nicht einfach ist. Wer also über Gewissheit etwas sagen und herausfinden will, der muss zunächst erklären, was er unter "Gewissheit" verstehen will. Das ist zwar nicht einfach, aber wenn die Philosophie eine Wissenschaft wäre und und die PhilosophInnen Aristoteles ernst nehmen würden, dann hätten sie das in ihrer 2300jährigen Geschichte längst zustande bringen müssen. Im übrigen sind informative Prädikationen mit Beispielen und Gegenbeispielen immer möglich, wenn keine vollständige oder richtige Definition gelingt (Beispiel Gewissheit  und  Evidenz).  


    Aktuell sind folgende Themen in den Werken bearbeitet:
    Der Gewissheitsbegriff in den beiden ersten Bänden Psychologie vom empirischen Standpunkte.
    Der Gewissheitsbegriff in der Deskriptiven Psychologie.
    Evidenz in Brentanos Psychologie vom empirischen Standpunkt.
    Evidenz in Brentanos Wahrheit und Evidenz.



    Brentano, Franz (1874) Psychologie vom empirischen Standpunkt. Leipzig: Meiner.
    Die erste Ausgabe erfolgte 1874 im Verlag Duncker & Humblot, als PDF beim Münchener DigitalisierungsZentrum (MDZ) einseh- und downloadbar..
    [Interne Quelle EBooks/Philosophie/Brentano/..."]

    Zusammenfassung-Brentano-1874: Das Buch (2 Bde., eigentlich zwei Teile) enthält 6 Fundstellen zu "Gewissheit" und 170 Fundstellen zu "gewiss". Brentano benutzt den Ausdruck Gewissheit zum ersten Mal auf S. 11, wo er den Bewusstseinsinhalten der inneren Wahrnehmung, ein Begriff, der auch nicht näher erklärt wird, der unmittelbaren Einsicht vollste Gewissheit zuschreibt, ohne dies näher zu erklären oder zu begründen, auch nicht durch Fußnote, Querverweis, Anmerkung oder Literaturhinweis und schon gar nicht durch operationale Beispiele. Es handelt sich also um eine - nach Brentano allerdings unbezweifelbare - Behauptung. Die Sachverhalte liegen aber nicht so einfach, wie insbesondere jede PsychotherapeutIn weiß. Das Innere ist oft sehr schwer zu erfassen (>Focusing). In  S.182  behauptet Brentano ohne weitere Belege, also fragwürdig, die innere Wahrnehmung - als Quelle vollster Gewissheit - sei der äußeren überlegen. Aus  S.292  ergibt sich Brentanos quantitative Auffassung, wenn er von einem grösseren oder geringeren Maass von Gewissheit spricht, wie auch die Fundstelle S.329  noch einmal bestätigt.  S.314  bringt ein Zitat Lotzes, in dem dieser Gewissheit verwendet. Die Gewissheit und damit die Evidenz Brentanos stehen auf sehr schwachen empirischen Füßen und beruhen vor allem auf  Meinen  und Behaupten.
        Anmerkung: In der  Deskriptiven Psychologie  kommt Gewißheit nur einmal, S.73, vor. Der Begriff wird nicht näher erläutert, auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis, und damit wohl als allgemeinverständlicher Grundbegriff verwendet, der keiner näheren Erklärung oder Begründung bedarf.
        Gewiss wird im Sinne von wahr, richtig, zutreffend oder verstärkend verwendet, wobei die begrifflichen Unterschiede von Brentano nicht thematisiert werden.

    Die Brentanoveröffentlichungen erscheinen teilweise wirr und sind schwierig zu durchschauen. Eigentlich gibt es keine zwei Bände, sondern zwei Teile des ersten Bandes (1. Teil Kapitel 1-4, 2. Teil Kapitel 5-9).
     
    Brentano, Franz (1874) Psychologie vom empirischen Standpunkt. Duncker & Humblot. 351 Seiten, 9 Kapitel. Ab Kapitel 5 scheint es nicht ausgewiesen um den 2. Band (Schmutztitel)  zu gehen, der im Inhaltsverzeichnis verwirrend als Zweites Buch und nicht als zweiter Band bezeichnet wird.
    Die erste Ausgabe 1874 erfolgte im Verlag Duncker & Humblot, als PDF beim Münchener DigitalisierungsZentrum (MDZ) einseh- und downloadbar. 
    Das Buch enthält 6 Fundstellen zu "Gewissheit" und 170 Fundstellen zu "gewiss" 
    Brentano, Franz (1924) Psychologie vom empirischen Standpunkt. Leipzig: Meiner. 251 Seiten, 4 Kapitel, 
    Ausgabe 1924 Felix Meiner Leipzig. Das Buch enthält lange Texte des Herausgebers, Vorwort und Einleitung (97 Seiten) mit 3 Fundstellen zur Gewißheit und 15 zu "gewiß", die hier nicht dokumentiert werden. 
    Das Buch entspricht den ersten vier Kapitel der Ausgabe von 1874. 
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    Fundstellen Gewissheit
    S.11: "Aber was von den Gegenständen der äussern Erfahrung, kann nicht in gleicher Weise von denen der inneren gesagt werden. Bei dieser hat nicht bloss keiner gezeigt, dass, wer ihre Erscheinungen für Wahrheit nähme, in Widersprüche sich verwickelte, sondern wir haben sogar von ihrem Bestande
    jene klarste Erkenntniss und jene vollste Gewissheit, welche von der unmittelbaren Einsicht gegeben werden. Und dess-[>12] halb kann eigentlich Niemand zweifeln, ob der psychische Zustand, den er in sich wahrnehme, sei, und ob er so sei, wie er ihn wahrnehme. Wer hier noch zu zweifeln vermöchte,
    der würde zu einem vollendeten Zweifel gelangen, zu einem Skepticismus, der freilich sich selbst aufhöbe, indem er auch jeden festen Punkt, von dem aus er seinen Angriff auf die Erkenntniss versuchen könnte, zerstört hätte."

    S.182: "Man hat oft gesagt, eine untrügliche Controle der Wahrnehmung sei da möglich, wo man fähig sei, den Inhalt der Vorstellung mit dem wirklichen Gegenstande zu vergleichen. Bei der sogenannten äusseren Wahrnehmung vermöge man dieses nicht zu thun, da hier nur die Vorstellung des Gegenstandes,
    nicht aber der wirkliche Gegenstand in uns bestehe. Sie sei und bleibe darum unzuverlässig. Dagegen besitze man hinsichtlich der Treue der inneren Wahrnehmung volle Gewissheit; denn hier bestehe, wie die Vorstellung, so auch der wirkliche Gegenstand der Vorstellung in uns."

    S.292: "In ganz analoger Weise finden wir aber auch eine vollkommen neue Gattung von Intensität in dem zur Vorstellung hinzutretenden Urtheile. Denn das grössere oder geringere Maass von Gewissheit in Ueberzeugung oder Meinung ist offenbar nichts, was dem Unterschiede in der Stärke der Vorstellungen verwandter genannt werden könnte als der Unterschied in der Stärke der Liebe."

    S.314: "§. 3. Beim Streben, Begehren und Wollen darf, was ich sage, als allgemein anerkannt betrachtet werden. Hören wir darüber einen der hervorragendsten und einflussreichsten Vertheidiger der fundamentalen Scheidung von Gefühl und Willen.
        L o t z e , wo er diejenigen bekämpft, welche das Wollen als ein Wissen fassen und sagen, das „ich will" sei gleich einem zuversichtlichen „ich werde", setzt das Wesen des Wollens in eine Billigung oder Missbilligung, also in ein gut-Finden oder schlecht-Finden. „Nur die Gewissheit vielleicht, dass ich ____
    h a n d e l n werde", sagt er, „mag gleichgeltend sein mit dem ___
    W i s s e n  meines Wo11 e n s, aber dann wird in dem Begriffe des Handelns jenes eigenthümliche Element der B i l l i g u n g , 
    der Zulassung oder Absicht eingeschlossen sein, welches den Willen zum Willen macht."  ..."

    S.329: "... Die Unterschiede der Gewissheit sind , wie schon früher bemerkt, mit den Unterschieden der Grade des Liebens und Hassens unvergleichbar; ja geradezu lächerlich würde es sein , wenn einer sagte : es ist mir dies doppelt so wahrscheinlich, als mir jenes lieb ist od. dgl. Aber innerhalb der Classe selbst gilt nirgends dasselbe. Wie die verschiedenen Stufen der Ueberzeugung im Anerkennen und Verwerfen, so lassen auch die Gradunterschiede im Lieben und Hassen sich mit einander vergleichen. Wie ich ohne Inconvenienz sagen kann, dass ich das Eine mit grösserer Gewissheit annehme, als ich das Andere leugne : so kann ich auch sagen , dass ich das Eine in höherem Maasse liebe als ich das Andere hasse. ..."
     

    Fundstellen "gewiss"
    Insgesamt sind es 170 Fundstellen, die aber auch viele "gewisse, gewissen" enthalten.

    S.10: "... Und gewiss war es nicht zufällig, wenn wir einem Physiologen ersten Ranges, wie E. H. Weber , die erste Anbahnung und einem philosophisch gebildeten Physiker,
    wie Fechner, die Feststellung des Gesetzes in erweitertem
    Umfange zu danken hatten FN1)."

    S.44: "... Und ist einmal die Möglichkeit dafür gegeben , so liegt auch die Wirklichkeit nicht fern, da gewiss hinsichtlich der eigenen psychischen Acte jene vorurtheilslose Stimmung, deren der Beobachter bedarf, am Schwersten zu erreichen ist."

    S.50: "... Und sollte etwa die letztere Ansicht, welcher, wie in früheren Zeiten Aristoteles und Locke, noch heute die grosse Mehrzahl der Menschen huldigt, als die richtige sich ergeben, so hätten wir hier gewiss den allermerkwürdigsten Fall von isolirter
    Bethätigung gewisser psychischer Kräfte vor uns. ..."

    S.53: "Und auch das ward schon oft und gewiss nicht ohne Wahrheit gesagt , dass die Entwickelungsgeschichte der Menschheit im Grossen darstelle, was sich in analoger Weise in der Entwickelungsgeschichte des Einzelnen im Kleinen wiederhole."

    S.54: "... Gewiss wurde hiedurch die Zahl der für die Psychologie merkwürdigen Thatsachen tausendfach vermehrt. ..."

    S.56: "... Aber natürlich bietet sie keine genügende Bürgschaft
    und würde den, welcher sich zu sehr auf sie verliesse,
    ebensogewiss in Irrthümer führen, wie sie dem, der ihre Bestimmungen mit Vorsicht benützt, die Auffindung der Wahrheit
    erleichtert...."

    S.121: "... So gewiss es auch ist , dass eine Farbe uns nur erscheint, wenn wir sie vorstellen: so ist doch hieraus nicht zu
    schliessen , dass eine Farbe ohne vorgestellt zu sein nicht 
    existiren könne. ..."

    S.164, FN1): "Von den Empfindungen der sogenannten fünf Sinne haben wir nach Thomas ein Bewusstsein. Die Sinne selbst, meint er, können allerdings ihre Acte nicht wahrnehmen. Dies wäre eine Reflexion auf die eigenen Acte, eine Einwirkung der Organe, als deren Functionen Thomas die Empfindungen denkt, auf sich selbst; und eine solche hält er darum für unmöglich, weil nie etwas Körperliches auf sich selbst verändernd einwirke. Was die Acte der äusseren Sinne wahrnimmt, ist daher nach Thomas ein von ihnen verschiedenes, inneres Sinnesvermögen , der sensus communis. (Summ. theol. P. I, Q. 78, A. 4, ad 2.; ibid. Q. 87, A. 3, obj. 3 und ad 3.) Aber auch dieser innere Sinn ist
    wie das ihm entsprechende Object körperlich. Auch er kann darum nicht selbst seine Thätigkeit wahrnehmen. Da nun Thomas nicht wieder einen neuen Sinn und ein neues Organ, durch welche wir die Thätigkeiten des inneren Sinnes wahrnehmen könnten , angenommen hat, so ergibt sich, dass nach seiner Lehre die Wahrnehmung der Empfindungsacte der äusseren Sinne niemals wahrgenommen wird, und dass wir demnach auf sinnlichem Gebiete alsbald auf eine unbewusste Seelenthätigkeit stossen. Gewiss wäre es ihm ein Leichtes gewesen, noch einen zweiten und dritten inneren Sinn dazu zu fügen. Aber was hätte er damit gewonnen? Ohne die Annahme einer geradezu unendlichen Menge von Sinnen und Sinnesorganen, die offenbar ein endlicher Leib zu umfassen nicht fähig wäre, hätte er nach seinen Principien die Allgemeinheit des Bewusstseins für alle sinnlichen Acte dennoch nicht durchführen können."

    S.165: "... Als vergangen also; und somit ist klar, dass sein
    Erfassen in der That nicht bloss als etwas dem Gedächtnisse Aehnliches, sondern als ein reiner Gedächtnissact gedacht werden müsste. Seltsam aber wäre es gewiss, wenn wir von dem, was, da es gegenwärtig war, von uns unbemerkt geblieben ist, nachher eine Erinnerung haben sollten."

    S.167: "Dies deutet auf eine eigenthümliche Verwebung des Objects der inneren Vorstellung mit dieser selbst und auf eine
    Zugehörigkeit beider zu ein und demselben psychischen Acte
    hin. Diese müssen wir in der That annehmen. So gewiss
    wir in unserem Falle die Frage nach der Mehrheit der Vorstellungen affirmativ entscheiden mussten, wenn wir sie nach
    der Zahl der Objecte bestimmten : so gewiss müssen wir sie
    negativ beantworten , wenn wir sie nach der Zahl der psychischen Acte bestimmen , in welchen vorgestellt wird. Die
    Vorstellung des Tones und die Vorstellung von der Vorstellung
    des Tones bilden nicht mehr als ein einziges psychisches
    Phänomen, das wir nur, indem wir es in seiner Beziehung
    auf zwei verschiedene Objecte , deren eines ein physisches,
    und deren anderes ein psychisches Phänomen ist, betrachteten,
    begrifflich in zwei Vorstellungen zergliederten. In demselben
    psychischen Phänomen, in welchem der Ton vorgestellt
    wird, erfassen wir zugleich das psychische Phänomen selbst,
    und zwar nach seiner doppelten Eigenthümlichkeit , insofern
    es als Inhalt den Ton in sich hat, und insofern es zugleich
    sich selbst als Inhalt gegenwärtig ist."

    S.172: "... Hier zeigt sich seine Auffassung der unserigen vollkommen conform , und so hat sie ihm gewiss auch vorgeschwebt, als er die zuvor betrachtete Stelle niederschrieb , und um ihretwillen die unendliche Verwickelung der Seelenthätigkeit als unberechtigte Folgerung zurückwies. Doch da er hier seine Ansichten von der eigenthümlichen Vereinigung des Hörens und der Wahrnehmung des Hörens in  e i n e m ____ Acte anschaulich machen wollte, und keine passenden Analogien dafür fand, begegnete es ihm, dass er sie vielmehr in ein falsches Licht setzte."

    S.190: "Ferner haben wir gesehen , wie bei manchen Sinnesempfindungen das begleitende Gefühl von Lust und Unlust
    nicht bloss mit der Empfindung selbst, sondern sogar mit
    dem immanenten Gegenstande der Empfindung, mit dem physischen Phänomene verwechselt wurde, auf welches der Empfindungsact als auf sein primäres Object gerichtet ist. Dies
    fanden wir namentlich beim Schmerz und bei der Lust des
    sogenannten Gefühlssinnes; Philosophen wie Nicht-Philosophen
    sahen wir hier in den gleichen Fehler fallen. Auch er ist gewiss
    ein Zeichen, welches auf die Innigkeit der Verbindung des
    Gefühles mit dem von ihm begleiteten Acte hindeutet."

    S.213: "Inniger ist gewiss das Hören mit dem dreifachen Bewusstsein des Hörens als mit dem gleichzeitigen Sehen verbunden. ..."

    S.217: "... Es ist gewiss, dass die innere Wahrnehmung uns keine Ausdehnung zeigt; aber etwas nicht zeigen und zeigen, dass etwas nicht ist, ist verschieden. ..."

    S.230: "Vor Allem ist es gewiss ein sonderbarer Schluss, dass,
    weil unsere eigenen Empfindungen und Vorstellungen uns
    im Traume als äussere erscheinen, sie es wahrscheinlich auch
    sind. ..."

    S.247: "Diese Betrachtungen zeigen gewiss auf's Deutlichste, dass die Fähigkeit für eine Farbenwahrnehmung nicht von vorn
    herein auf die Fähigkeit für eine andere schliessen lässt. ..."

    S.248: "Es ist gewiss etwas Missliches, zu behaupten, dass Kant und die bedeutenden Männer, welche nach ihm seine Dreitheilung vertraten, sich über das Princip, welches sie bei ihrer
    Classification bestimmte, selbst nicht genügend Rechenschaft
    gegeben hätten. ..."

    S.271: "Gewiss wäre es unnütz, wollten wir uns länger mit der
    Bekämpfung einer Hypothese aufhalten, bei welcher schon von vorn herein nur Wenige geneigt sein werden, sie zu vertreten. ..."

    S.291: "Indem Liebe und Hass hinzutreten, tritt eine ganz andere
    Art von Gegensätzen auf. Ihr Gegensatz ist kein Gegensatz
    zwischen den Objecten, denn derselbe Gegenstand kann
    geliebt oder gehasst werden : er ist ein Gegensatz zwischen
    den Beziehungen zum Object; gewiss ein deutliches Zeichen,
    dass wir es hier mit einer Classe von Phänomenen zu thun
    haben, bei welchen der Charakter der Beziehung zum Object
    ein durchaus anderer als bei den Vorstellungen ist."

    S.302: "... Die Regeln, die ich hier im Texte beispielsweise folgen
    lasse, werden, mit den übrigen, in dieser Schrift jene sorgfältige Begründung finden, die man bei einem Widerspruch gegen die gesammte Tradition seit Aristoteles gewiss zu verlangen berechtigt ist. ..."

    S.319; "Solche Zeugnisse aus dem Munde der am Meisten hervorragenden Gegner sind gewiss von unleugbarer Bedeutung. ..."

    S.324: "... Gewiss wird Niemand behaupten, jede dieser
    Classen sei von der Art, dass sich ausser einer etwaigen Besonderheit der Beziehung zum Objecte kein Unterschied dafür
    angeben lasse. ..." 

    S.337: "... Das Zweite aber, das gewiss von vorn herein unvergleichlich wahrscheinlicher ist, setzt deutlich einen besonderen Kreis von Erfahrungen und die Existenz und wirkliche Bethätigung einer besonderen Gattung von Kräften voraus, auf welche diese Erfahrungen sich beziehen. ..."

    S.347: "Die Thatsache gibt also nur der universellen Bedeutung
    jeder der drei Classen Zeugniss; und dieses Zeugniss ist, wo
    es sich um die Frage nach dem fundamentalen Charakter
    der Classe handelt, gewiss willkommen. "

    S.349: "... Es ist gewiss nicht nöthig, dass derjenige, welcher etwas liebt, glaubt, dass es existire, oder auch nur existiren könne; aber dennoch ist jedes Lieben ein Lieben, dass etwas sei; und wenn eine Liebe die andere erzeugt, wenn Eines um des Anderen willen geliebt wird, so geschieht dies nie, ohne dass ein Glauben an gewisse Beziehungen des Einen zum Anderen dabei betheiligt ist."

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    Fundstellen Gewißheit
    S.14: "Aber was von den Gegenständen der äußern Erfahrung,
    kann nicht in gleicher Weise von denen der innern gesagt werden. Bei dieser hat nicht bloß keiner gezeigt, daß, wer ihre Erscheinungen für Wahrheit nähme, in Widersprüche sich verwickelte, sondern wir haben sogar von ihrem Bestande jene klarste Erkenntnis und jene vollste Gewißheit, welche von der unmittelbaren Einsicht gegeben werden. Und deshalb kann eigentlich niemand zweifeln, ob der psychische Zustand, den er in sich wahrnehme, sei, und ob er so sei, wie er ihn wahrnehme. Wer hier noch zu zweifeln vermöchte, der würde zu einem vollendeten Zweifel gelangen, zu einem Skeptizismus, der freilich sieh selbst aufhöbe, indem er auch jeden festen Punkt, von
    dem aus er seinen Angriff auf die Erkenntnis versuchen könnte, zerstört hätte."

    S.197: "Man hat oft gesagt, eine untrügliche Kontrolle der
    Wahrnehmung sei da möglich, wo man fähig sei, den Inhalt der Vorstellung mit dem wirklichen Gegenstande zu vergleichen. Bei der sogenannten äußeren Wahrnehmung vermöge man dieses nicht zu tun, da hier nur die Vorstellung des Gegenstandes, nicht aber der wirkliche Gegenstand FN2) in uns bestehe. Sie sei und
    bleibe darum unzuverlässig. Dagegen besitze man hinsichtlich der Treue der inneren Wahrnehmung [>197] volle Gewißheit; denn hier bestehe, wie die Vorstellung, so auch der wirkliche Gegenstand der Vorstellung in uns."
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    Fundstellen "gewiss"
    Aus suchtechnischen Gründen eine Ausgabe genutzt, die "gewiß" (35 Fundstellen) statt "gewiss" (170 Fundstellen) schreibt. "gewiß" hat 35 hier Fundstellen, wobei die ersten 15 auf die Einleitung des Herausgebers gehen.

    S.12: "... Und gewiß war es nicht zufällig, wenn wir einem Physiologen ersten Ranges, wie E. H. Weber, die erste Anbahnung und einem philosophisch gebildeten Physiker, wie Fechner, die Feststellung des Gesetzes in erweitertem Umfange zu danken hatten FN*)"

    S.53: "... Und ist einmal die Möglichkeit dafür gegeben, so liegt auch die Wirklichkeit nicht fern, da gewiß hinsichtlich der eigenen psychischen Akte jene vorurteilslose Stimmung, deren der Beobachter bedarf, am schwersten zu erreichen ist."

    S.57: "... Und sollte etwa die letztere Ansicht, welcher, wie in früheren Zeiten Aristoteles und Locke, noch heute die große Mehrzahl der Menschen huldigt, als die richtige sich ergeben, so hätten wir hier gewiß den allermerkwürdigsten Fall von isolierter Betätigung gewisser psychischer Kräfte vor uns. Übrigens wird nach jeder Theorie, die sich nicht so weit von dem gesunden Menschenverstande entfernt, daß sie den Tieren alles psychische Leben abspricht, die Erforschung und die Vergleichung ihrer psychischen Eigentümlichkeiten mit denen des Menschen für den Psychologen von größtem Werte sein."

    S.60: "... Und auch das ward schon oft und gewiß nicht ohne Wahrheit gesagt, daß die Entwickelungsgeschichte der Menschheit im großen darstelle, was sich in analoger Weise in der Entwickelungsgeschichte des einzelnen im Kleinen wiederhole. ..."

    S.60f: "Das Gesagte genügt, um zu zeigen, welchem Kreise der Psychologe die Erfahrungen entnimmt, die er seiner Forschung nach den psychischen Gesetzen zugrunde legt: Wir fanden für sie als erste Quelle die [>61] i n n e r e  W a h r n e h m u n g , ___ welcher der Nachteil anhaftete, daß sie nie Beobachtung werden kann. Zu ihr kam das Betrachten unserer früheren psychischen Erlebnisse im G e d ä c h t n i s , und hier war eine Hinwendung der Aufmerksamkeit und sozusagen eine Beobachtung möglich. Das bis dahin auf die eigenen inneren Phänomene beschränkte Feld der Erfahrung erweiterte sich dann, indem uns die _______
    Ä u ß e r u n g e n  des psychischen Lebens anderer indirekt einen Einblick in fremde psychische Phänomene gewährten.
    Gewiß wurde hiedurch die Zahl der für die Psychologie merkwürdigen Tatsachen tausendfach vermehrt. Aber diese letzte Art von Erfahrungen setzte die Beobachtung im Gedächtnis, so wie diese die innere Wahrnehmung gegenwärtiger psychischer Erscheinungen voraus, welche somit für beide die letzte und unentbehrliche Vorbedingung bildet. Auf der inneren Wahrnehmung also — darin bleibt die ältere Psychologie Comte gegenüber im Rechte — erhebt sich recht eigentlich der Bau dieser Wissenschaft wie auf seiner Grundlage."

    S.63: "... Wir haben schon bemerkt, daß die gewöhnliche Sprache durch die allgemeinen Namen, welche sie psychischen Phänomenen gibt, der Untersuchung vorarbeitet. Aber natürlich bietet sie keine genügende Bürgschaft und würde den, welcher sieh zu sehr auf sie verließe, ebenso gewiß in Irrtümer führen, wie sie dem, der ihre Bestimmungen mit Vorsicht benützt, die Auffindung der Wahrheit erleichtert. ..."
     

    S.85: "... Wenn aber Goethe sagt, er habe nie an Denken gedacht, während es bei ihm doch gewiß nicht an Denken fehlte, so will er wohl nichts anderes sagen, als daß er sich nie bei seinem Denken beobachtet habe, was nach unserer früheren Erörterung noch keineswegs bedeutet, daß sein Denken ein unbewußtes gewesen sei. ..."

    S.110: "... Und somit stellt sich heraus, daß, was sie physische Erscheinungen nennen, uns in Wahrheit nicht erscheint, ja daß wir gar keine Vorstellung davon haben; gewiß eine merkwürdige Art, den Namen Phänomen zu mißbrauchen! Bei solcher Lage der Dinge können wir nicht umhin, uns noch etwas eingehender mit der Frage zu beschäftigen."

    S.130: "Ich muß eingestehen, daß ich nicht imstande bin, mich von der Richtigkeit dieser Argumentation zu überzeugen. So gewiß es auch ist, daß eine Farbe uns nur erscheint, wenn wir sie vorstellen: so ist doch hieraus nicht zu schließen, daß eine Farbe ohne vorgestellt zu sein nicht existieren könne. Nur wenn das Vorgestelltsein als ein Moment in der Farbe enthalten wäre, so etwa wie eine gewisse Qualität und Intensität in ihr enthalten ist, würde eine nicht vorgestellte Farbe einen Widerspruch besagen, da ein Ganzes ohne einen seiner Teile in Wahrheit ein Widerspruch ist. ..."

    S.176 FN*): "Von den Empfindungen der sogenannten fünf Sinne haben wir nach Thomas ein Bewußtsein. Die Sinne selbst,
    meint er, können allerdings ihre Akte nicht wahrnehmen. Dies wäre eine Reflexion auf die eigenen Akte, eine Einwirkung der Organe, als deren Funktionen Thomas die Empfindungen denkt, auf sich selbst; und eine solche hält er darum für unmöglich, weil nie etwas Körperliches auf sich selbst verändernd einwirke. Was die Akte der äußeren Sinne wahrnimmt, ist daher nach Thomas ein von ihnen verschiedenes, inneres Sinnesvermögen, der sensus communis. (Summ. theol. P. I, Q. 78, A. 4, ad 2; ibid. Q. 87, A. 3, obj. 3 und ad 3.) Aber auch dieser innere Sinn ist wie das ihm entsprechende Objekt körperlich. Auch er kann darum nicht selbst seine Tätigkeit wahrnehmen. Da nun Thomas nicht wieder einen neuen Sinn und ein neues Organ, durch welche wir die Tätigkeiten des inneren Sinnes wahrnehmen könnten, angenommen hat, so ergibt sich, daß nach seiner Lehre die Wahrnehmung der Empfindungsakte der äußeren Sinne niemals wahrgenommen wird, und daß wir demnach auf sinnlichem Gebiete alsbald auf eine unbewußte Seelentätigkeit stoßen. Gewiß wäre es ihm ein Leichtes gewesen, noch einen zweiten und dritten inneren Sinn dazu zu fügen. Aber was hätte er damit gewonnen? Ohne die Annahme einer geradezu unendlichen Menge von Sinnen und Sinnesorganen, die offenbar ein endlicher Leib zu umfassen nicht fähig wäre, hätte er nach seinen Prinzipien die Allgemeinheit des Bewußtseins für alle sinnlichen Akte dennoch nicht durchführen können."

    S.177ff Fußnote: "Nur ganz kurz will ich auf einige wesentliche Mängel, welche dieser Lehre anhaften, hinweisen. Vor allem ist
    es inkonvenient, daß Thomas eine ganz andere Theorie für das Bewußtsein von der Sinnestätigkeit und für das von der Tätigkeit des Verstandes gibt, da doch nach dem Zeugnisse der inneren Erfahrung das eine Phänomen vollständig dem anderen analog erscheint. Dann erregt aber auch jede der beiden Theorien für sich ihre großen Bedenken. Wir sollen uns nie bewußt sein, daß wir uns des Hörens, Sehens usw. bewußt sind. Schon dies scheint eine harte Annahme. Aber noch deutlicher beweist ein anderer Umstand die Unmöglichkeit der Auffassung. Das Verhältnis des inneren Sinnes zu seinem Objekt und das des äußeren zu der Ursache, welche eine Empfindung hervorruft, werden einander völlig gleich gedacht. Dem  [>178] widerspricht aber die untrügliche Evidenz der inneren Wahrnehmung, an welcher die äußere nicht im geringsten Teil hat. Die innere Wahrnehmung der Empfindungen könnte unmöglich unmittelbar evident sein, wenn sie auf einen ihr fremden Zustand, auf den Zustand eines von ihrem Organe verschiedenen Organs, gerichtet wäre. Ebensowenig befriedigt die Theorie von dem Bewußtsein der Verstandestätigkeit. Nach ihr sollen wir uns nie des gegenwärtigen, sondern immer nur eines vergangenen Denkens bewußt sein, eine Behauptung, die mit der Erfahrung nicht im Einklange erscheint. Wäre sie aber richtig, so könnte man strenggenommen nicht von einer inneren Wahrnehmung des eigenen Denkens, vielmehr nur von einer Art Gedächtnis sprechen, welches auf einen unmittelbar vergangenen eigenen Akt sich bezöge; und dies hätte die Folge, daß auch hier die unmittelbare untrügliche Evidenz unbegreiflich würde. Und wie würden wir nach dieser Theorie den Denkakt wahrnehmen? Als gegenwärtig oder vergangen oder als zeitlich unbestimmt? Als gegenwärtig nicht; dann wäre ja die Wahrnehmung falsch. Aber auch nicht als zeitlich unbestimmt; sonst wäre sie nicht die Erkenntnis eines individuellen Aktes. Als vergangen also; und somit ist klar. daß sein Erfassen in der Tat nicht bloß als etwas dem Gedächtnisse Ähnliches, sondern als ein reiner Gedächtnisakt gedacht werden müßte. Seltsam aber wäre es gewiß, wenn wir von dem, was, da es gegenwärtig war,
    von uns unbemerkt geblieben ist, nachher eine Erinnerung haben sollten.
        Es sei schließlich noch bemerkt, daß es nach der Thomistischen Theorie von dem Erkennen der eigenen Verstandsakte nicht bloß gewisse Akte geben würde, deren man sich nicht bewußt wird, obwohl man sich ihrer bewußt werden könnte, sondern, ähnlich wie bei den [>179] Empfindungen, auch solche, deren man sich unmöglich bewußt werden kann; es müßte denn einer dem Verstande eine unendliche Kraft, eine Fähigkeit für unendlich kompliziertes Denken zuschreiben. „Alius est actus", sagt Thomas, „quo intellectus intelligit lapidem, et alius est actus, quo intelligit se intelligere lapidem; et sic deinde." Die Komplikation der Glieder wächst also ins Unendliche in steigender arithmetischer Progression."

    S.179: "Dies deutet auf eine eigentümliche Verwebung des Objekts der inneren Vorstellung mit dieser selbst und auf eine Zugehörigkeit beider zu ein und demselben psychischen Akte hin. Diese müssen wir in der Tat annehmen. So gewiß wir in unserem Falle die Frage nach der Mehrheit der Vorstellungen affirmativ entscheiden mußten, wenn wir sie nach der Zahl der Objekte bestimmten: so gewiß müssen wir sie negativ beantworten, wenn wir sie nach der Zahl der psychischen Akte bestimmen, in welchen vorgestellt wird. Die Vorstellung des Tones und die Vorstellung von der Vorstellung des Tones bilden nicht mehr als ein einziges psychisches Phänomen, das wir nur, indem wir es in seiner Beziehung auf zwei verschiedene Objekte, deren eines ein physisches, und deren anderes ein psychisches Phänomen ist, betrachteten, begrifflich in zwei Vorstellungen zergliederten. ..."

    S.185f: "... Hier zeigt sich seine Auffassung der unserigen vollkommen kon-[>186] form, und so hat sie ihm gewiß auch vorgeschwebt, als er die zuvor betrachtete Stelle niederschrieb, und um ihretwillen die unendliche Verwickelung der Seelentätigkeit als unberechtigte Folgerung zurückwies. Doch da er hier seine Ansichten von der eigentümlichen Vereinigung des Hörens und der Wahrnehmung des Hörens in  e i n e m  Akte anschaulich machen wollte, und keine passenden Analogien dafür fand, begegnete es ihm, daß er sie vielmehr in ein falsches Licht setzte"

    S.196f: "Man hat oft gesagt, eine untrügliche Kontrolle der Wahrnehmung sei da möglich, wo man fähig sei, den Inhalt der Vorstellung mit dem wirklichen Gegenstande zu vergleichen. Bei der sogenannten äußeren Wahrnehmung vermöge man dieses nicht zu tun, da hier nur die Vorstellung des Gegenstandes, nicht aber der wirkliche Gegenstand FN2) in uns bestehe. Sie sei und bleibe darum unzuverlässig. Dagegen besitze man hinsichtlich der Treue der inneren Wahrnehmung [>197] volle Gewißheit; denn hier bestehe, wie die Vorstellung, so auch der wirkliche Gegenstand der Vorstellung in uns."

    S.205: "Ferner haben wir gesehen, wie bei manchen Sinnesempfindungen das begleitende Gefühl von Lust und Unlust nicht bloß mit der Empfindung selbst, sondern sogar mit dem immanenten Gegenstande der Empfindung, mit dem physischen Phänomene verwechselt wurde, auf welches der Empfindungsakt als auf sein primäres Objekt gerichtet ist. Dies fanden wir namentlich beim Schmerz und bei der Lust des sogenannten Gefühlssinnes; Philosophen wie Nicht-Philosophen sahen wir hier in den gleichen Fehler fallen. Auch er ist gewiß ein Zeichen, welches auf die Innigkeit der Verbindung des Gefühles mit dem von ihm begleiteten Akte hindeutet."

    S.230: "Inniger ist gewiß das Hören mit dem [dreifachen] Bewußtsein des Hörens als mit dem gleichzeitigen Sehen verbunden. ..."

    S.235: "... Es ist gewiß, daß die innere Wahrnehmung uns keine Ausdehnung zeigt; aber etwas nicht zeigen und zeigen, daß etwas nicht ist, ist verschieden. FN17) ... "

    S.249: "Vor allem ist es gewiß ein sonderbarer Schluß, daß, weil unsere eigenen Empfindungen und Vorstellungen uns im Traume als äußere erscheinen, sie es wahrscheinlich auch sind. Denn mit demselben Rechte könnte einer auch weiter noch schließen, daß, weil sie uns als Bäume, Häuser und Menschen erscheinen (die wir, wie Ludwig bemerkt, oft fragend anreden), sie wahrscheinlich auch Bäume, Häuser und Menschen seien. Darein pflegt man ja gerade das Unterscheidende des Traumes vom Wachen zu setzen, daß er uns Falsches vorspiegelt, und höchstens nur dann und wann auch etwas Wahres einmischt. Die Voraussetzung, auf welche der Schluß sich gründet, daß, wenn uns unsere Vorstellungen u. s. f. im Traume als etwas Äußeres erscheinen, sie wahrscheinlich auch etwas Äußeres seien, ist also im höchsten Grade unstatthaft."

    Der Gewissheitsbegriff in der Deskriptiven Psychologie
    __
    Zusammenfassung-Brentano-Deskriptive-Psychologie: Gewiß hat 40 Fundstellen, Gewißheit hat nur eine Fundstelle S.73.  Gewißheit wird nicht näher erläutert, auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis, und damit wohl als allgemeinverständlicher Grundbegriff verwendet, der keiner näheren Erklärung oder Begründung bedarf. Gewiss wird im Sinne von wahr, richtig, zutreffend oder verstärkend gebraucht, wobei ich eine Differenzierung dieser wichtigen Begriffe bei Brentano bislang nicht finden konnte.
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    S.73: "Bei einem so interessanten Gebiete ist auch eine bloße Wahrscheinlichkeitserkenntnis, wenn sie wenig oder keine Aussicht hätte, je volle Gewißheit zu werden, von Wert."
        Kommentar: Gewißheit wird nicht näher erläutert, auch nicht durch Querverweis, Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis, und damit wohl als allgemeinverständlicher Grundbegriff verwendet, der keiner näheren Erklärung oder Begründung bedarf. Gewiss wird im Sinne von wahr, richtig, zutreffend oder verstärkend gebraucht, wobei ich eine Differenzierung dieser wichtigen Begriffe bei Brentano bislang nicht finden konnte.

    Auch wenn Brentanos empirische Psychologie nur Programm ist, so ist doch ein auch heute noch sehr interessantes Programm. Allein die 35 Seiten über das Bemerken sind eine ungewöhnliche und umfangreiche Monographie über eine Grundfunktion des Bewusstseins, die ich sonst nirgendwo gefunden habe. Ich möchte daher das Inhaltsverzeichnis dieses bemerkenswerten ;-) Buches auflisten:
     

      Inhaltsverzeichnis Deskriptive Psychologie

      Einleitung der Herausgeber       IX
      Vorwort der Herausgeber   XXIII

      _____________ Franz Brentano
      _________  Deskriptive Psychologie

      Erster Teil. Die Aufgabe der Psychognosie   1

      I. Psychognosie und Genetische Psychologie   1

      II. Elemente des Bewußtseins   10
          A. Einheit, nicht Einfachheit des Bewußtseins   10
          B. Ablösbare und Distinktionelle Teile   12
          C. Ein fiktives Beispiel   14
          D. Distinktionelle Teile im eigentlichen Sinne   20

        1. Sich durchwohnende Teile   20
        2. Logische Teile   20
        3. Teile des intentionalen Korrelatenpaares   21
        4. Die primäre und die sekundäre psychische
            Beziehung   22
          E. Distinktionelle Teile im modifizierenden Sinne   25

      III. Das richtige Verfahren des Psychognosts   28
            A. Einleitung   28
            B. Das Erleben   29
            C. Das Bemerken   31
            D. Das Fixieren   65
            E. Induktive Verallgemeinerung   71
            F. Deduktive Verwertung   74
            G. Psychognosie als Vorbedingung der
                 Genetischen Psychologie   76

      Zweiter Teil: Übersicht über die Psychognosie   79
      I. Die Bestandteile des menschlichen Bewußtseins   79
      II. Psychische Akte   83
      A. Einleitung   83
      B. Zwei Hauptklassen der psychischen Akte:
           Fundmentale und Supraponierte Akte   84
      C. Die Natur der fundamentalen psychischen Akte   84
      D. Die primären Objekte der fundamentalen
           psychischen Akte   88

        1. Zwei sich durchwohnende Teile:
            Räumlichkeit und Qualität   88
        2. Die Momente der Qualität   89
        3. Ist Zeitlichkeit ein dritter Teil?   92
        4. Weitere Teile der fundamentalen
             psychischen Akte   98
        5. Andere Meinungen   100
        6. Weitere Klassen der fundamentalen Akte   102


      III. Der allgemeine Charakter der Sensationen   104
      A. Räumlichkeit   104

        1. Einleitung   104
        2. Allgemeines über Kontinua   105
        3. Anwendung auf das räumliche Kontinuum   113
      B. Von dem Raumerfüllenden   115
        1. Hell und Dunkel   115
        2. Kolorit und Nicht-Kolorit   117
        3. Zusammenfassung   120


      Anhang I. Innere Wahrnehmung   121
      Anhang II. Deskriptive Psychologie oder
                        beschreibende Phänomenologie   129

        I. Begriff der deskriptiven Psychologie   129
        II. Entstehung der deskriptiven Psychologie   130
        III. Zusammenfassung   130


      Anhang III. Vom Inhalt der Empfindungen   134
      Anhang IV. Psychognostische Skizze   146
      I. Einleitung   146
      II. Von den seelischen Beziehungen   147

      Anhang V. Psychognostische Skizze.
                        Andere Bearbeitung   154
      I. Psychognosie   154
      II. Psychologie   156

      Anhang VI. Perzipieren, Apperzipieren, deutlich
      Apperzipieren, kopulativ Apperzipieren,
      transzendent Apperzipieren   162

      Anmerkungen der Herausgeber   165
      Namen- und Sachverzeichnis   178

    _
    Exkurs: Das Bemerken in Brentanos deskriptiver Psychologie
    Brentanos Ausführungen zum Bemerken reichen bemerkenswert ;-) von S.31-65, umfassen also mehr als 35 Seiten.

    Definition Bemerken
    S.33, Punkt 9: "9. Vor allem müssen wir sorgen, daß wir uns genau klar halten, worauf die Untersuchung abzielt. Wir fragen nach Bedingungen des Bemerkens und verstehen dabei unter dem Bemerken ein inneres Wahrnehmen, und zwar ein explizites Wahrnehmen von solchem, was implizite in der Wahrnehmung unseres Bewußtseins beschlossen war."

    Widersprüchliche Angaben zum Irren und täuschen beim Bemerken
    S.31: "... Und ein irriges Bemerken gibt es so wenig, als überhaupt die innere Wahrnehmung je von der Evidenz entblößt ist. ..."
    S.45: "Nur freilich kann es dann auch (einzelne Male) vorkommen, daß einer sich einbildet zu bemerken, ohne es wahrhaft dazugebracht zu haben, wie ja schon mancher behauptete, bemerkt zu haben, was gar nicht vorhanden war, oder was zwar vorhanden sein mag, aber von ihm so wenig bemerkt werden konnte, als es je von einem andern bemerkt werden wird.
        Doch davon und wie dies geschehen könne, später."
     



    Evidenz in Brentanos Psychologie vom empirischen Standpunkt 1. Bd. 1924

    Zusammenfassung-Evidenz-PeS-1924: Das Werk, die ersten vier Kapitel der Erstausgabe von 1874, hat 33 Fundstellen mit Evidenz, die ersten 9 und die letzten 4 sind vom Herausgeber, so dass für Brentano 20 verbleiben. Der Begriff Evidenz wird das erste Mal S.28 gebraucht: "Anderes gilt von den Phänomenen der inneren Wahrnehmung. Diese sind wahr in sich selbst. Wie sie erscheinen — dafür bürgt die Evidenz, mit der sie wahrgenommen werden —, so sind sie auch in Wirklichkeit." Die wissenschaftliche Grundregel, wichtige Begriffe beim ersten Gebrauch zu erklären, wird von Brentano hier nicht eingehalten. Bei der Vielfalt und dem Durcheinander, das sich um den  Evidenzbegriff in der Geistesgeschichte rankt, darf er aber davon nicht ausgehen. Er hätte sich mit dem Begriff ausführlich auseinandersetzen müssen.

    Fundstellen Evidenz im Text der ersten vier Kapitel

    S.28: "Anderes gilt von den Phänomenen der inneren Wahrnehmung. Diese sind wahr in sich selbst. Wie sie erscheinen — dafür bürgt die Evidenz, mit der sie wahrgenommen werden —, so sind sie auch in Wirklichkeit."

      Kommentar-Evidenz-PeS-S.28: er Begriff Evidenz wird hier, S.28, zum ersten Mal gebraucht. Die wissenschaftliche Grundregel, wichtige Begriffe beim ersten Gebrauch zu erklären, wird von Brentano hier nicht eingehalten. Bei der Vielfalt und dem Durcheinander, das sich um den  Evidenzbegriff in der Geistesgeschichte rankt, darf er aber davon nicht ausgehen. Er hätte sich mit dem Begriff ausführlich auseinandersetzen müssen. Die Aussage "Diese sind wahr in sich selbst" ist ebenfalls erklärungsbedürftig. Das gilt auch für die nächste Aussage: "Wie sie erscheinen ... so sind sie auch in Wirklichkeit".
    S.50f: "So kommt es, daß, während die Einen die Untrüglichkeit des Selbstbewußtseins anpreisen, andere, wie z.B. auch Maudsley, FN*) ihm die größte Unzuverlässigkeit zum Vorwurfe machen. Und wenn die Ersteren sich auf die Evidenz der inneren Wahrnehmung berufen, so können dafür die Letzteren auf die häufigen Illusionen hinweisen, denen nicht etwa bloß Geisteskranke, sondern, man darf sagen, in gewissem Grade alle Menschen hinsichtlich ihrer selbst sich hingeben. Auch wird es so begreiflich, wie sich unter den Psychologen oft Streit erhob, obwohl die Lösung der Frage in der inneren Wahrnehmung, mit unmittelbarer Evidenz gegeben, vorlag. Daß die Beobachtung nur im Gedächtnisse stattfinden konnte, hatte dem Zweifel die Türe geöffnet. Wenn man noch heute über die Frage uneinig ist, ob eine Gefühlsregung, Lust oder Unlust, jedes psychische Phänomen begleite, so ist dies die Folge der eben angedeuteten Verhältnisse. Und die grundlegende Frage über die höchsten Klassen der psychischen Phänomene würde ohne sie längst zur Entscheidung und zum Abschlusse gebracht worden sein. Das Hindernis ist so bedeutend, daß wir uns öfter in die Notwendigkeit versetzt sehen werden, durch förmliche Beweisführung und durch reductio ad absurdum Meinungen zu widerlegen, welche eigentlich durch die Evidenz der inneren Wahrnehmung unmittelbar als falsch zu erkennen sind.
        Doch wie groß auch immer der Nachteil sein mag, der sich an die mangelhafte Zuverlässigkeit des Gedächtnisses knüpft, es wäre offenbar eine törichte Übertreibung, wenn man der eigenen inneren Erfahrung deshalb allen Wert absprechen wollte. Wäre das Zeugnis des Gedächtnisses für die Wissenschaft unbrauchbar, so würden mit der Psychologie auch alle anderen Wissenschaften unmöglich werden."
      Kommentar-Evidenz-PeS-S.50f: Die Ausführungen bestätigen, dass die im Kommentar zur Seite 28 geforderte Begriffserklärung unabdinglich ist.


    S.120: "... Allein ihrer Ansicht widersprach die Tatsache, daß die gleichen Phänomene in der gleichen Weise oft nach der Amputation des Gliedes erscheinen. Andere argumentierten daher vielmehr umgekehrt skeptisch gegen die Evidenz der inneren Wahrnehmung. Alles löst sich, wenn man zwischen dem Schmerze in dem Sinne, in welchem der Namen: die scheinbare Beschaffenheit eines Teiles unseres Leibes bezeichnet, und zwischen dem Gefühle des Schmerzes, das sich an seine Empfindung knüpft, zu unterscheiden gelernt hat. Hat man aber dieses getan, so wird man nicht mehr geneigt sein zu behaupten, daß dem Gefühle des sinnlichen Schmerzes, den man bei einer Verletzung empfindet, keine Vorstellung zugrunde liege."

      Kommentar-Evidenz-PeS-S.120: Hier setzt sich Brentano mit dem Phantomschmerz auseinander. Brentano sieht hier kein Argument gegen die Evidenz der inneren Wahrnehmung von der allerdings immer noch nicht klar ist, was sie genau bedeutet.


    S.128f: "§ 6. Eine weitere gemeinsame Eigentümlichkeit aller psychischen Phänomene ist die, daß sie nur in innerem Bewußtsein wahrgenommen werden, während bei den physischen nur äußere Wahrnehmung möglich ist. Dieses unterscheidende Merkmal hebt Hamilton hervor. FN*)
        Es könnte einer glauben, mit einer solchen Bestimmung sei wenig gesagt, da es vielmehr das Naturgemäße scheine, daß man umgekehrt den Akt nach dem Objekt, also die innere Wahrnehmung im Gegensatze zu jeder anderen als Wahrnehmung psychischer Phänomene bestimme. Allein die innere Wahrnehmung hat, abgesehen von der Besonderheit ihres Objektes, auch noch anderes, was sie auszeichnet; namentlich jene unmittelbare, untrügliche Evidenz, die unter allen Erkenntnissen der Erfahrungsgegenstände ihr allein zukommt. Wenn wir also sagen, die psychischen Phänomene seien diejenigen, welche durch innere Wahrnehmung erfaßt werden, so ist damit gesagt, daß ihre Wahrnehmung unmittelbar evident sei.
        Ja noch mehr! Die innere Wahrnehmung ist nicht bloß die einzige unmittelbar evidente; sie ist eigentlich die einzige Wahrnehmung im eigentlichen Sinne des Wortes. Haben wir doch gesehen, daß die Phänomene der sogenannten äußeren Wahrnehmung auch auf dem Wege mittelbarer Begründung sich keineswegs als wahr und wirklich erweisen lassen; ja daß der, welcher vertrauend sie für das nahm, wofür sie sich boten, durch den Zusammenhang der Erscheinungen des Irrtums überführt wird. Die sogenannte äußere Wahrnehmung ist also streng genommen nicht eine Wahrnehmung; und die psychischen Phänomene können somit als diejenigen bezeichnet werden, in Betreff deren allein eine Wahrnehmung im eigentlichen Sinne des Wortes möglich ist."

      Kommentar-Evidenz-PeS-S.128f: Auch die äußere Wahrnehmung ist streng betrachtet eine "innere" Wahrnehmung, das Objekt der Wahrnehmung liegt lediglich außerhalb des Wahrnehmenden. So gesehen ist die Begrifflichkeit innere und äußere Wahrnehmung nicht sinnvoll. Es gibt Wahrnehmungen, deren Quellen im Wahrnehmenden liegen (innere Wahrnehmungen)  und es gibt Wahrnehmungen, deren Quellen außerhalb des Wahrnehmenden liegen (äußere Wahrnehmungen). Brentano stellt hier die Wahrnehmungswelt auf den Kopf, wenn er meint, die äußere Wahrnehmung sei gar keine. Wahrnehmungen äußerer Objekte sind oft viel einfacher, klarer und deutlicher als innere Objekte.


    S.132f: "... Wenn Bain beifügt: „wir kennen die Berührungsempfindung von Eisen, aber es ist nicht möglich, daß wir die Berührungsempfindung als etwas für sich, abgesehen von der Berührungsempfindung, [>132] kennen": so gebraucht er das Wort Berührungsempfindung zuerst offenbar im Sinne des Empfundenen, dann im Sinne des Empfindenden. Das sind verschiedene Begriffe, wenn auch der Namen derselbe ist. Und somit würde nur der, welcher durch die Äquivokation sich täuschen ließe, das von Bain verlangte Zugeständnis unmittelbarer Evidenz machen können."

      Kommentar-Evidenz-PeS-S.132f:  Die Argumentation kann ich nicht nachvollziehen. Solche Auseinandersetzungen sind aber leicht aufzulösen, so bald man operational konkret wird, seine Begriffe, Hypothesen und Experimente klar formuliert.


    S.137: "... Die Behauptung war aber nicht ohne Widerspruch geblieben, und erst spätere Untersuchungen können über sie entscheiden; nur daß die psychischen Phänomene wirklich sämtlich ausdehnungslos erscheinen, konnte schon jetzt festgestellt werden. FN19) Wir fanden demnächst als unterscheidende Eigentümlichkeit aller psychischen Phänomene die  i n t e n t i o n a l e   I n e x i s t e n z, die Beziehung auf etwas als Objekt; FN20) keine von den physischen Erscheinungen zeigt etwas ähnliches. Weiter bestimmten wir die psychischen Phänomene als den ausschließlichen Gegenstand der inneren Wahrnehmung; sie allein werden darum mit unmittelbarer Evidenz wahrgenommen; ja sie allein werden wahrgenommen im strengen Sinne des Wortes. Und hieran knüpfte sich die weitere Bestimmung; daß sie allein Phänomene seien, denen außer der intentionalen auch wirkliche Existenz zukomme. FN21) Endlich hoben wir als unterscheidend hervor, daß die psychischen Phänomene, die jemand wahrnimmt, ihm trotz aller Mannigfaltigkeit immer als Einheit erscheinen, während die physischen Phänomene, die er etwa gleichzeitig wahrnimmt, nicht in derselben Weise alle als Teilphänomene eines einzigen Phänomens sich darbieten."

      Kommentar-Evidenz-PeS-S.137: Ziemlich unverständlich ohne Beispiele. Die Allsatzbehauptung "aller psychischen Phänomene" ist überdies mehr als gewagt.
    Weitere nicht ausgewertete Fundstellen: S.172: S.173: S.178: S.179: S.196: S.199: S.232: S.233: S.241: S.249, weil ich nicht damit rechne, dass Brentano den Evidenzbegriff dann noch erklärt, wenn er es die ersten 137 Seiten nicht gemacht hat.



    Evidenz in Brentanos Wahrheit und Evidenz, Vierte Abteilung. (1930) Kürzel BEv1930

    Zusammenfassung-Evidenz-1930: Der Text von 1930 Wahrheit und Evidenz, S.122-164, enthält 79 Treffer "Evidenz" ohne Treffer beim Herausgeber, Titel und Inhaltsverzeichnis. Evidenz  wird S. 125 zum ersten Mal verwendet, aber nicht erklärt, es gibt auch keinen Querverweis, keine Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis. Die wissenschaftliche Grundregel, wichtige Begriffe beim ersten Gebrauch zu erklären, wird von Brentano hier nicht eingehalten. Vermutlich setzt Brentano an dieser Stelle die Kenntnis seines oder des Evidenzbegriffes voraus. Auch S.135, 10 Seiten nach dem ersten Gebrauch, bleibt der Begriffsinhalt von Evidenz im Dunklen. S.137 werden zwei neue Spezifikationen, scheinbare und wirkliche Evidenz eingeführt, aber so wenig erklärt, wie der Grundbegriff selbst. S.141: Der Evidenzbegriff ist nach wie vor ungeklärt und in diesem Zusammenhang besonders unverständlich. S.142-2: Hier wird empfohlen, um weiter zu kommen, evidente und nicht evidente Urteile vergleichend einander gegenüber zu stellen. Das klingst sehr vernünftig, aber warum tut Brentano das nicht, sondern belässt es beim Programmentwurf? Erneut wird von wirklicher Evidenz gesprochen.

    Evidenz im Sachregister
    Evidenz, eine Differenz des Urteils,
        nicht des Vorstellens 62.
    —, ob ein Akzidens des Urteils
        82, 145, 191, 216.
    —, mittelbare und unmittelbare
        148.
    —, die unmittelbare, affirmative, auf
        die innere Wahrnehmung beschränkt 149f.
    — und Allgemeingültigkeit
        XVI, XXIV, 64, 150.
    — und Deutlichkeit 149.
    — der apriorischen Urteile nennt man Einsicht 144.
    — evidente Urteile können einander nicht
         widersprechen XVI, XX, 64, 132, 157.
    — schließt Irrtum aus 144.
    — evidente Vermutungen im Sinne MEINONGS, d. h.
         unmittelbar evidente, aber nicht sichere Urteile sind
         eine absurde Annahme 69, 145.
    — und Wahrheit: das evidente Urteil ist nicht nur als wahr,
         sondern als logisch gerechtfertigt charakterisiert 115.
    —, so urteilen, wie ein evident Urteilender urteilen würde,
          heißt wahr urteilen 139. (Vgl. Wahrheit.)
    —, Typen evidenter Urteile 214.
    —  und Wahrscheinlichkeit 145.
    —, ihr Wesen ist nur durch Beispiele evidenter Urteile zu
          verdeutlichen 143.
    —, verfehlte Deutungen bei DESCARTES 62, 68, HUME 61,
          SIGWART 63, 67, DINGLER 186, HUSSERL XIII.
    —, nicht = unwiderstehlicher Drang, so zu urteilen XX, 141 f.
    — kein Gefühl XII, XX, 63, 186.
    — als Regel des richtigen Urteils IX, XIV, 167.
    —, Täuschungen über Evidenz XII.

    Fundstellen im Text S. 122-164

    BEv1930-S.125: "... Der Psychologist aber fehlt dadurch, daß er die Evidenz der Urteile mit einer Naturgesetzlichkeit verwechselt, welche zu einer vollen oder angenäherten Allgemeinheit für eine gewisse Spezies führt FN159). Er weiß zwischen „soll" und „muß" nicht zu unterscheiden und arbeitet infolge davon einem Subjektivismus in die Hände. Nichts Ähnliches kann aber von demjenigen gesagt werden, welcher sich weigert, außer den Dingen auch noch das Sein und Nichtsein von Dingen als Gegenstände von Anerkennung und Verwerfung gelten zu lassen. Von denen, welche ein Ding anerkennen oder leugnen, sagt er ja, daß nicht alle es blind, sondern manche mit Evidenz tun, und daß dann jede Möglichkeit eines Irrtums sowie auch jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, daß ein anderer, der entgegengesetzt urteilt, sich nicht im Irrtum befindet FN160). Nach ihm gibt es ja zwar kein Sein des A und kein Nichtsein des A, wohl aber urteilt auch er, daß A ist oder nicht ist, und daß darum von zweien, die beide A anerkennen, nicht der eine richtig, der andere unrichtig urteilen könne. Und daß ebenso Gleiches für zwei, die A verwerfen, gelten müsse."
        Kommentar-BEv1930-S.125: Evidenz wird nicht erklärt, es gibt auch keinen Querverweise, keine Fußnote, Anmerkung oder Literaturhinweis.  Die  Grundregel, wichtige Begriffe beim ersten Gebrauch zu erklären, wird von Brentano hier nicht eingehalten. Vermutlich setzt Brentano an dieser Stelle die Kenntnis seines Evidenzbegriffes voraus.

    S.135f: "9. Man müßte die neue Definition der Wahrheit darum anders interpretieren, indem man den Ausdruck Regel des Denkens auf ein Urteil bezöge, welches mit Evidenz über die betreffende Sache und mit dem betreffenden Temporalmodus urteilt, und sagen, auch die blindlings gefällten Urteile, welche inhaltlich mit einem evidenten Urteil übereinstimmten, seien wahr, sowenig man sie auch
    Erkenntnisse nennen könnte. Gewiß ist es die Evidenz, ohne die uns jedes Urteil über die Wahrheit einer Behauptung unmöglich wäre. Aber wer etwas mit Evidenz [>136] urteilt, erkennt die Wahrheit dieses Urteils nicht durch Vergleich eines blinden Urteils mit einem evidenten."
        Kommentar-BEv1930-S.135f: Auch hier, 10 Seiten nach dem ersten Gebrauch, bleibt der Begriffsinhalt von Evidenz im Dunklen.

    S.137: "... Die wahre Garantie für die Wahrheit eines Urteils liegt in der Evidenz, die es entweder unmittelbar besitzt oder mittels des Beweises durch die Verbindung mit anderen Urteilen, welche unmittelbar evident sind, erlangt. Man kann gewisse Klassen von evidenten Urteilen unterscheiden und in den bei der Schwäche des menschlichen Geistes nur allzu häufigen Fällen, daß scheinbare Evidenz mit wirklicher verwechselt wird, durch den Blick auf die Eigentümlichkeit jeder dieser Klassen, die man wie eine Art Regel benützt, sich die Orientierung erleichtern FN176)."
        Kommentar-BEv1930-S.137: Hier werden zwei neue Spezifikationen, scheinbare und wirkliche Evidenz eingeführt, beide aber so wenig erklärt, wie der Grundbegriff selbst.

    S.141: "... Bekannt ist sein Ausspruch: quod clare et distincte percipio verum est [R.S.: was ich klar und deutlich als wahr wahrnehme]. Wenn hier das „percipere" [R.S.: wahrnehmen] im Sinn von urteilen und das „clare et distincte" [R.S.: klar und deutlich] im Sinn von einleuchtend genommen wird, so finden wir uns vor einem idem per idem [das gleiche für das gleiche], das uns in keiner Weise fördert, wenn aber in anderem Sinn, dann scheint das „percipere" der Evidenz negativer Urteile und das „clare et distincte" den Fällen nicht Rechnung zu tragen, wo wir ein Vielteiliges, ohne es durch Analyse in seine Teile aufzulösen, sondern ganz konfus, aber nicht unrichtig denken und uns dieses Denkens bewußt sind, wie z. B. wenn wir uns bewußt sind, einen Vokal oder einen aus sehr vielen Haupt- und Nebentönen zusammengesetzten Klang zu hören FN187). So scheint uns denn hier nichts als jenes Bewußtsein eines unwiderstehlichen Dranges als unterscheidendes Merkmal übriggelassen, und manche wie jüngst noch MACH sprechen, als wenn in der Tat die Evidenz mit diesem Drang ganz zusammenfiele. ..."
        Kommentar-BEv1930-S.141: Der Evidenzbegriff ist nach wie vor ungeklärt und in diesem Zusammenhang besonders unverständlich.

    S.142-1: "... PASCAL, der auch die Evidenz als einen unwiderstehlichen natürlichen Drang zu einer gewissen Weise des Urteilens zu fassen scheint, wenigstens wo es sich um unmittelbare Urteile handelt, kommt darum zu der skeptischen Überlegung, daß, solange man nicht wisse, wer der Urheber unserer Natur sei, das Vertrauen auf das angebliche unmittelbar einleuchtende Urteil aller Verlässigkeit entbehre."
        Kommentar-BEv1930-S.142-1: Evidenz als unwiderstehlicher Drang nach Pascal, deren Verlässlichkeit vom Wissen um den Urheber der menschlichen Natur abhänge.

    S.142-2f: "7. Es ist also unverkennbar, daß die Evidenz eines Urteils nicht einfach mit einem unwiderstehlichen Drang, der zu ihm nötigt, zu identifizieren ist. Wie anders werden [>143] wir aber dann ihren Begriff fassen? — Die richtige Methode wird hier keine andere sein als in vielen anderen Fällen, wo es sich um ein einfaches Merkmal handelt. Wir werden die Aufgabe zu lösen haben, indem wir auf eine Mehrheit von evidenten Urteilen hinblicken und ihnen andere, welchen diese auszeichnende Eigentümlichkeit fehlt, vergleichend gegenüber stellen. So machen wir uns ja auch, was rot oder nicht rot ist, und was farbig oder nicht farbig ist, klar. Der Fall, den DESCARTES ins Auge faßte, war ein Fall wirklicher Evidenz und ein sehr mannigfaltiger. Er war der der Selbstwahrnehmung als denkend, glaubend, leugnend, sich freuend, trauernd usw. Dennoch hätte er sich nicht auf ihn beschränken, sondern diesen Fällen solche von evidenter apodiktischer Erkenntnis, wie sie in Axiomen vorliegt, zu fernerer Illustration zur Seite setzen sollen. Dadurch würde er es einem jeden möglich gemacht haben, vergleichend das gemeinsame Merkmal der Evidenz zu unterscheiden, welches dann keiner weiteren Verdeutlichung durch zusammengesetzte Attribute bedurft hätte. Ja, ohne sie wäre man, nach dem, was wir oben dargelegt, besser gefahren als mit jenem „clare et distincte percipio"."
        Kommentar-BEv1930-S.142-2: Hier wird empfohlen, um weiter zu kommen, evidente und nicht evidente Urteile vergleichend einander gegenüber zu stellen. Das klingst sehr vernünftig, aber warum macht Brentano das nicht, sondern belässt es beim Programmentwurf, obwohl er genau das (nicht gemacht haben bei Descartes) kritisiert? Erneut wird von wirklicher Evidenz gesprochen.
     

      Gesamtes Inhaltsverzeichnis des Buches "Wahrheit und Evidenz"

      Vorwort des Herausgebers   III
      Einleitung des Herausgebers   VII
      I. Über die Anordnung des Buches und seine Teile.
      II. Psychologismus und Phänomenologismus.
      III. Was ist Wahrheit?

      Erste Abteilung: Die frühere Lehre.
      1. Über den Begriff der Wahrheit. (Vortrag, gehalten in der Wiener Philosophischen Gesellschaft am 27. März 1889)   3
      2. Das Seiende im Sinne des Wahren. (Fragment Abfassungszeit nicht nach 1902)   30
      3. Die Grundeinteilung der psychischen Phänomene bei Descartes. (Aus den Anmerkungen zum Ursprung sittlicher Erkenntnis 1889)   33
      4. Windelbands Irrtum hinsichtlich der Grundeinteilung der psychischen Phänomene (1889)   38
      5. Zur Kritik von Sigwarts Theorien vom existentialen und negativen Urteil (1889)   44
      6. Von der Evidenz (die „clara et distincta perceptio" bei Descartes; Sigwarts Lehre von der Evidenz und seine „Postulate" (1889))   61

      Zweite Abteilung: Der Übergang zur neuen Lehre.
      1. Grammatikalische Abstrakta als sprachliche Fiktionen. (Aus einem Briefe an Anton Marty vom März 1901)   73
      2. Der Name existierend und seine Äquivokationen (September 1904)   76
      3. Sprache (Fragment vom 16. November 1905)   81

      Dritte Abteilung: Die neue Lehre, dargestellt in Briefen.
          Gegen entia rationis und entia irrealia, sogenannte ideale und irreale Gegenstände. (Aus Briefen Franz Brentanos)   87
              1. Über das sogenannte „immanente (intentionale) Objekt". (An A. Marty) 7. März 1905   87
              2. Ens rationis und ens irreale (Verstandesding und irreales Wesen). (An A. Marty) 1. März 1906   89
             3. Gegen sogenannte Urteilsinhalte, Sätze an sich, Objektive, Sachverhalte
                  An A. Marty vom 2. September 1906   91.
                  An O. Kraus vom 6. September 1909   97
                  An O. Kraus vom 20. September 1909   99
                  An O. Kraus vom 29. September 1909   102
                  An O. Kraus vom 11. Oktober 1909   103
                  An O. Kraus vom 31. Oktober 1914   105
                  An O. Kraus vom 8. November 1914   107
                  An O. Kraus vom 16. November 1914   109
                  An Franz Hillebrand (Innsbruck) vom 25. Februar 1911   113
                  An Franz Hillebrand (Innsbruck) vom 21. Mai 1916   115

      Vierte Abteilung. Wahrheit und Evidenz (die neue Lehre, dargestellt in Abhandlungen).
      1. Zur Frage der Existenz der Inhalte und von der adaequatio rei et intellectus (20. November 1914)   121
      2. Über den Sinn des Satzes: veritas est adaequatio rei et intellectus (11. Mai 1915)   131
      3. Über den Satz: veritas est adaequatio rei et intellectus (5. März 1915)   137
      4. Gedankengang zur Lehre von der Evidenz (8. Juli 1915)   140
      5. Über Evidenz (9. Juli 1915)   144
      6. Von der Evidenz (Fragment, 12. Juli 1915)   148

      Anhang.
      1. Über die Allgemeingültigkeit der Wahrheit und den Grundfehler einer sogenannten Phänomenologie
      (Aus Briefen F. Brentanos an Eduard Husserl)   153
      2. Über die Entstehung der irrigen Lehre von den entia irrealia (nach Aufzeichnungen von Alfred Kastil, Mai 1914)   162



    Brentano, Franz (1928) Vom sinnlichen und noetischen Bewusstsein [Psychologie / Band III] . Hamburg: Meiner.
    Suchwort Gewißheit 2 Fundstellen im Text der Herausgebers (Einleitung und Anmerkungen), gewiß 17 Fundstellen. Gewißheit kommt in Brentanos Text also nicht vor.

    Gewiß werden im Inhaltsverzeichnis § 5, S. 15f.

    S.8: "§ 11. Noch ein anderer psychologischer Irrtum, der heute erneut worden ist und einigen Anhang gewonnen hat, muß hier mit Entschiedenheit zurückgewiesen werden. Man hat das wahre Verhalten bei der inneren Selbstwahrnehmung in der Art verkannt, daß man meinte, sie wäre nicht in der Tätigkeit, die wahrgenommen werde, mitbeschlossen und wie Aristoteles sagte, (gr. ...)  mitgegeben FN 19). Sie fehle manchmal ganz, und wenn sie vorhanden sei, sei sie nicht eigentlich gleichzeitig, sondern folge, wie auch sonst die Wirkung der Ursache, in nächstem Zusammenhang nach. Auch könne sie dann selbst wieder zu einer Wahrnehmung von ihr, als einer zweiten Wirkung usw. führen. Mit einer solchen Lehre hebt man das Eigentümliche auf, was die unmittelbare Evidenz der Selbstwahrnehmung möglich macht. Es fehlt nach ihr die Identität des Wahrnehmenden und Wahrgenommenen als solchen. Übrigens war schon im Mittelalter kein geringerer als Thomas von Aquino FN20) in diesen Irrtum verfallen, indem er, gewiß unbewußt, hier von der Lehre seines Meisters Aristoteles abfiel."
    S.13a: "... die göttliche Allmacht gewiß dasselbe habe leisten können. ..."
    S.13b: "...Gewiß gilt es von allem unseren Denken, daß es seiner Natur nach ein Leiden FN4) ist, und vielleicht kann man sogar sagen, daß dieser Charakter ihm allgemein anhaftet. Und da nun darunter auch solches sich finde, was, wie z. B. Sehen und Hören, nicht von etwas Psychischem hervorgebracht scheint, so könnte man sagen, daß hier, indem eine Ursache, ein Außending als Ursache gesichert erscheint. ..."
    S.45: "... Bei der letzteren Leistung hat gewiß eine allmählich erworbene Disposition wesentlichen Anteil, ähnlich wie für die Raumanschauung ein Augenmaß sich ausbildet. ..."
    S.66: "... So gewiß es also lokale Beziehungen gibt, gibt es auch absolute lokale Bestimmungen, wenn wir dieselben auch vielfach durch Beziehung auf als bekannt vorausgesetzte Positionen charakterisieren, ähnlich wie alle Längen durch Beziehung auf die bekannte Größe des Meters FN37)."
    S.75: "... Man wird dagegen geltend machen, daß ja doch erfahrungsgemäß kein Tier zählen kann. Es kann aber auch seinen Herrn, obwohl es ihn von allen anderen unterscheidet, nicht zeichnen und wäre, obwohl es gewiß Menschen und Tiere und Pferde und Katzen unterscheiden kann, doch nicht fähig, eine das eine Geschlecht vom anderen unterscheidende Definition zu geben. ..."
    S.79: "... Fragen wir die Erfahrung, so scheint dieselbe aber durchaus nicht mit dem, was Nicolaus Cusanus sagt, im Einklang; vielmehr scheinen die Tiere, so gewiß sie nicht nur an der Liebe, sondern auch am Haß teilhaben, auch nicht bloß an der Anerkennung, sondern auch an der Verneinung teilzuhaben. ..."
    S.79f: "... Und wenn ein Hund durch alle Zimmer läuft, um seinen Herrn zu [>80] suchen, und, nachdem er in eines hineingeblickt, es verläßt, um nun anderwärts zu suchen, so täuschen wir uns gewiß nicht, wenn wir annehmen, er sei zu dem Urteil gelangt, daß sein Herr nicht darin sei FN70).  ..."
    S.81: "... Allein der Fuß kann abgenommen sein, und der Schmerz wird noch mit Evidenz wahrgenommen, aber gewiß nicht mit Evidenz im Fuße wahrgenommen, da dieser ja nicht mehr ist. ..."
    S.87: "§ 38. Eine andere Frage ist, ob wir die durch Abstraktion gewonnenen Universalien zu denken vermögen, ohne gleichzeitig eine sinnliche Anschauung zu haben, aus der sie nicht bloß geschöpft worden sind, sondern in denen sie fort und fort uns zur Anschauung gebracht werden. Daß es nicht nötig sei, könnte einer versucht sein, schon daraus zu folgern, daß wir uns selbst einem allgemeinen Begriffe nach vorstellen, ohne eine individuell determinierte Anschauung zu besitzen. Ferner könnte man sich auf die Erfahrung beziehen, da, wenn wir den Begriff des Dreiecks im allgemeinen denken, keineswegs ein einzelnes Dreieck gleichzeitig gedacht werden muß, vielmehr niemand fähig ist, auch mir eine einzige gerade Linie sich anschaulich zu machen, wie er sie ja auch nicht zu zeichnen vermag, indem immer Unregelmäßigkeiten nicht fehlen werden. So ist es denn gewiß auch nicht wahr, daß, wer immer den Begriff eines Hauses im allgemeinen denkt, sich ein einzelnes Haus, und wäre es auch nur von einer Seite, mit genau bestimmten Größenverhältnissen der Teile anschaulich vorstelle. Demnach ist wohl das Gegenteil sicher, und die angeblichen entgegengesetzten Erfahrungen erledigen sich damit, daß wir, wenn wir ein Haus oder auch ein Dreieck im allgemeinen denken, es nicht anders als durch eine Kombination von Attributen tun, von denen dann jedes einzelne aus einer Anschauung geschöpft ist FN92). Es kommt dazu, daß wir in solchem Fall den komplizierten Begriff, der dem Namen [>88] assoziiert ist, sehr gewöhnlich sehr unvollständig denken; es genügt, daß die nicht wirklich gedachten Momente als bald sich in Gedanken zugesellen, wenn im Verlauf des Nachdenkens über die Sache ihr aktuelles Denken erforderlich ist. Recht deutlich wird man sich davon sofort überzeugen, wenn man beispielsweise sich fragt, ob man, wenn man von Staat oder Kirche spricht, die ganze Fülle von begrifflichen Momenten wirklich gegenwärtig habe, welche in ihren Begriffen umschlossen sind FN93). Dies sei hier nur vorübergehend bemerkt, da es besser ist, die eingehendere Untersuchung in anderem Zusammenhange zu führen FN94); hier kam es uns nur darauf an, den Bestand der sog. intelligiblen Gegenstände überhaupt zu sichern FN95)."
    S.90: "§ 4. Und wenn wir die Lehre dieses großen Philosophen beiseite lassen, so scheint doch das eine gewiß, daß keiner anzugeben vermag, was ihn selbst als Denkenden individualisiere. Was er sieht, hört, schmeckt, glaubt, leugnet, wünscht, will, woran er sich freut, worüber er sich betrübt usw. usw. könnten ohne Widerspruch beliebig viele andere ebenso zum Objekte haben. Und so ist denn nichts gewisser, als daß bei keinem die Selbsterkenntnis eine völlig bestimmte, die individualisierende Bestimmung einschließende ist. Hier also haben wir es mit einer allgemeinen Vorstellung zu tun, die ohne Hinblick auf individuelle Anschauliches gegeben ist FN4)."
    S.91: "§ 6. Wir finden also, daß wir wirklich, genau besehen, nur Allgemeines zu Denkobjekten haben, ganz im Gegensatz zu dem, was die Nominalisten behaupten. In der Allgemeinheit aber gibt es noch Gradunterschiede, und was die äußere, sinnliche Wahrnehmung betrifft, der (nur) FN8) die Zeitbestimmtheit zur vollen Determination mangelt, so ist sie gewiß vor allem der vollen Individualisation nahestehend FN9). Weit mehr entfernt sich davon unser Denken, wenn es ein Dreieck, einen Kreis, eine ebene Figur, eine planimetrische Figur, eine Figur, eine Fläche, einen Körper, eine Linie, einen Punkt, eine Grenze, ein Rotes, ein Farbiges, ein sensibles Qualitatives u. dgl. denkt. ..."
    S.101: "... Die innere Wahrnehmung aber ist infallibel, und darum müßte in dieser wenigstens so gewiß als in der Wirklichkeit die zeitliche Bestimmung in der Erscheinung stets eine andere sein. ..."
     



    Außerdem aufgefallen
    Brentano, Franz (1874) PSYCHOLOGIE VOM EMPIRISCHEN STANDPUNKTE. IN ZWEI BAENDEN. ERSTER BAND
    S.350: "Ebenso ist es bekannt, wie häufig die Menschen etwas darum für wahr halten, weil es ihrer Eitelkeit schmeichelt oder sonst ihren Wünschen entspricht. "
    Diese Äußerung passt gut zur Gewissheitsquelle 6.6 Einbildung, Illusion, Wunschvorstellungen.



    Literatur
    Wichtige Schriften zur Psychologie
    Brentano, Franz (1982) Deskriptive Psychologie. Hg. v. R. M. Chisholm u. W. Baumgartner. Hamburg: Meiner.
    Brentano, Franz (1924) Psychologie vom empirischen Standpunkt. Leipzig: Meiner.
    Brentano, Franz (1907) Untersuchungen zur Sinnespsychologie. Leipzig: Dunker  Humblot.
    Brentano, Franz (1974) Wahrheit und Evidenz. Hamburg: Meiner.

    Stegmüller, Wolfgang (1965) Kapitel 1 Philosophie der Evidenz: Franz Brentano. In (2-48) Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie. Eine kritische Einführung. Dritte wesentlich erweiterte Auflage. Stuttgart: Kröner.



    Links (Auswahl: beachte)
    https://www.franzbrentano.eu/en/selected-bibliography-on-brentano/



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:  Wissenschaftlicher und  weltanschaulicher  Standort.
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    assertorische-Evidenz
    assertorisch:=etwas behaupten. Evidenz:=Offenkundigkeit, Offensichtlichkeit, Augenscheinlichkeit (im Angloamerikanischen eine ganz andere Bedeutung, nämlich: belegt, begründet, beweisorientiert).
    __
    Epimeleia:=Aufmerksamkeit und Sorge für ein gutes Leben.
    __
    Intentionale Inexistenz
    Dorsch (Abruf 03.09.22): "intentionale Inexistenz [engl. intentional inexistence], [KOG, PHI, WA], phil. Konzept des Phänomenologen F. v. Brentano (Phänomen, Phänomenologie), nach dem jeder geistig bewusste Zustand durch einen (inexistenten, nur geistigen) Gegenstand und eine geistige Bezugnahme (z. B. Wahrnehmen, Erinnern, Vorstellen) gekennzeichnet ist. Bewusstsein.
    __
    performative-utterances (Austin)
    Sprechhandlungen, die nicht nur sachlich etwas mitteilen, sondern auf eine Wirkung und Veränderung abzielen. [W.engl]
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    Querverweise
    Standort: Brentano über Gewissheit und Evidenz.
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    Begriffsanalyse Gewissheit * Fragebogen-Pilot-Studie Begriffsanalyse Gewissheit *
    Haupt- und Verteilerseite Begriffsanalysen. *Textanalysen und Sprachkritik * Definition Begriff. * Das A und O: Referenzieren *Begriffsverschiebebahnhöfe*Wissenschaftsglossar*Operationalisieren*Definition und definieren *Beweis und beweisen in Wissenschaft und Leben *Beweis und beweisen im Alltag. *Beweis und beweisen in den Psychowissenschaften*BA Gesunder Menschenverstand*
    Überblick Arbeiten zur Theorie, Definitionslehre, Methodologie, Meßproblematik, Statistik und Wissenschaftstheorie besonders in Psychologie, Psychotherapie und Psychotherapieforschung.
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