Gewißheit im Lexikon der Erkenntnistheorie und Metaphysik
Recherche von Rudolf Sponsel, Erlangen
Ricken, Friedo (1984, Hrsg.) Lexikon der Erkenntnistheorie und Metaphysik. München: Beck.
Zusammenfassung: (1) "G. wird
in einem psychologischen u. einem epistemischen Sinn verstanden. Im ersten
Fall wird G. von Bewußtseinszuständen
oder Menschen ausgesagt u. besagt Ausschluß jeden Zweifels, unerschütterliches
Überzeugtsein (certitudo assensus). Im zweiten Fall wird G.
von Sachverhalten, Propositionen oder Sätzen ausgesagt. Eine Proposition
ist dann gewiß, wenn sie jenseits
eines vernünftigen Zweifels liegt ..."
Hier werden die drei Begriffsverschiebebahnhöfe
Ausschluß jeden Zweifels, unerschütterliches Überzeugtsein
und jenseits vernünftigen Zweifels bemüht. (2) "Die G.
des phänomenal : „Gegebenen“ soll unsere Wissensansprüche, ja
alle wahren Sätze begründen." Hier wären wenigstens ein
paar Beispiele hilfreich gewesen, noch besser natürlich Regeln für
das "phänomenal Gegebene".
Gewißheit. G. wird in
einem psychologischen u. einem epistemischen Sinn verstanden. Im ersten
Fall wird G. von Bewußtseinszuständen
oder Menschen ausgesagt u. besagt Ausschluß jeden Zweifels, unerschütterliches
Überzeugtsein (certitudo assensus). Im zweiten Fall wird G.
von Sachverhalten, Propositionen oder Sätzen ausgesagt. Eine Proposition
ist dann gewiß, wenn sie jenseits
eines vernünftigen Zweifels liegt u. mindestens so vernünftig
ist wie irgendeine andere Proposition (Chisholm). In diesem objektiven
Sinn verstanden kann G. zur Legitimation
von Erkenntnisansprüchen herangezogen werden (certitudo rei cognitae).
In der neuzeitlichen Philosophie kommt der G.
eine grundlegende Rolle zu im Zusammenhang mit der Frage nach Möglichkeit
u. Grenzen menschlichen Erkennens. Die unmittelbareG.
gegebener Sachverhalte wird dabei als erkenntnisbegründend (gegenüber
dem Skeptizismus) verstanden. Der Sachverhalt, daß ich zweifle (Descartes’
Cogito), ist, wenn er gegeben ist, für mich unmittelbar
gewiß. Darauf baut Descartes die neuzeitliche Erkenntnistheorie
auf. Die logisch positivistischen Versuche, unsere Erkenntnisse auf das
„Gegebene“ der Sinnesdaten zurückzuführen, haben letztlich dieselbe
Zielsetzung. Die G. des phänomenal
: „Gegebenen“ soll unsere Wissensansprüche, ja alle wahren Sätze
begründen.
Begründungen basieren letztlich auf unbewiesenen, aber evidenten
Sachverhalten. Evident werden im allgemeinen die Sachverhalte genannt,
die unmittelbar einleuchten, die „sich selbst präsentieren“ (Meinong).
Aber so wie ,G.‘ wird auch ,Evidenz'
auf vielfältige Weise verwendet. Die Vernachlässigung der begrifflichen.
Klärung hat zu Mißverständnissen in der Begründungsproblematik
geführt (Schlick). Evidenz kann so verstanden werden, daß sie
die Möglichkeit von Scheinevidenz ausschließt. Evidenz wäre
dann mehr als ein bloß subjektives Wahrheitskriterium. Redewendungen
wie „Es war mir evident, daß p, aber p ist falsch“, wären dann
nicht möglich. Evidenz kann aber auch im umgangssprachlichen Sinn
verstanden werden u. Scheinevidenz einschließen. Descartes geht in
der Begründung der Außenwelt von einer solchen Evidenzauffassung
aus. Er schließt aber dann durch Rekurs auf Gott, der uns nicht täuscht,
Scheinevidenz aus. Absolute Evidenz und G.
gibt es in bezug auf die sich selbst präsentierenden Sachverhalte.
Diese sind aber auf Bewußtseinszustände u. bestimmte logisch-mathematische
Grundsätze beschränkt. Uns interessiert jedoch nicht so sehr
die G. der Sätze, deren Wahrheit
von unseren Bewußtseinszuständen abhängig ist, sondern
die G. u. Evidenz in bezug auf die gegenständliche
Welt. Hier ist allerdings eine gewisse Evidenzskepsis berechtigt. Unsere
Erkenntnisansprüche beruhen letztlich auf einem Evidenzvertrauen,
das sich nicht mehr rechtfertigen läßt (Kutschera). „Das Wissen
gründet sich am Schluß auf der Anerkennung“ (Wittgenstein);
„das Element der Gewißheit ist
der Glaube“ (Fichte). Für die Erkenntnis in ihren letzten Grundlagen
braucht es nicht nur die Vernunft, sondern auch das Herz als „Organ der
Evidenz“ (Pascal). Daraus folgt allerdings nicht, daß die Frage nach
G.
u. Evidenz nur eine willkürliche, irrationale Entscheidung zuläßt.
Eine völlige Evidenzskepsis in bezug auf die gegenständliche
Welt ist im Leben praktisch undurchführbar.
Lit.: F. Brentano, Wahrheit und Evidenz,
Leipzig 1930; L.Wittgenstein, Über Gewißheit, Frankfurt 1970;
R. Chisholm, Erkenntnistheorie, München 1979, bes. Kap. 1 £.;
F.v.Kutsche- ra, Grundfragen der Erkenntnistheorie, Berlin 1982, Kap. 1.
E. Runggaldier
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