Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=28.08.2022 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung: tt.mm.jj
    Impressum: Diplom-PsychologInnen Irmgard Rathsmann-Sponsel und Dr. phil. Rudolf Sponsel
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    Willkommen in unserer Internet-Publikation für Allgemeine und integrative Psychotherapie, Abteilung Forschung, Bereich Begriffsanalysen und hier speziell zum Thema :

    Gewißheit im Lexikon der Erkenntnistheorie und Metaphysik

    Recherche von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Ricken, Friedo (1984, Hrsg.) Lexikon der Erkenntnistheorie und Metaphysik. München: Beck.

    Zusammenfassung: (1) "G. wird in einem psychologischen u. einem epistemischen Sinn verstanden. Im ersten Fall wird G. von Bewußtseinszuständen oder Menschen ausgesagt u. besagt Ausschluß jeden Zweifels, unerschütterliches Überzeugtsein (certitudo assensus). Im zweiten Fall wird G. von Sachverhalten, Propositionen oder Sätzen ausgesagt. Eine Proposition ist dann gewiß, wenn sie jenseits eines vernünftigen Zweifels liegt ..."
    Hier werden die drei  Begriffsverschiebebahnhöfe Ausschluß jeden Zweifels, unerschütterliches Überzeugtsein und jenseits vernünftigen Zweifels bemüht. (2) "Die G. des phänomenal : „Gegebenen“ soll unsere Wissensansprüche, ja alle wahren Sätze begründen." Hier wären wenigstens ein paar Beispiele hilfreich gewesen, noch besser natürlich Regeln für das "phänomenal Gegebene".
     

    Gewißheit. G. wird in einem psychologischen u. einem epistemischen Sinn verstanden. Im ersten Fall wird G. von Bewußtseinszuständen oder Menschen ausgesagt u. besagt Ausschluß jeden Zweifels, unerschütterliches Überzeugtsein (certitudo assensus). Im zweiten Fall wird G. von Sachverhalten, Propositionen oder Sätzen ausgesagt. Eine Proposition ist dann gewiß, wenn sie jenseits eines vernünftigen Zweifels liegt u. mindestens so vernünftig ist wie irgendeine andere Proposition (Chisholm). In diesem objektiven Sinn verstanden kann G. zur Legitimation von Erkenntnisansprüchen herangezogen werden (certitudo rei cognitae).
    In der neuzeitlichen Philosophie kommt der G. eine grundlegende Rolle zu im Zusammenhang mit der Frage nach Möglichkeit u. Grenzen menschlichen Erkennens. Die unmittelbareG. gegebener Sachverhalte wird dabei als erkenntnisbegründend (gegenüber dem Skeptizismus) verstanden. Der Sachverhalt, daß ich zweifle (Descartes’ Cogito), ist, wenn er gegeben ist, für mich unmittelbar gewiß. Darauf baut Descartes die neuzeitliche Erkenntnistheorie auf. Die logisch positivistischen Versuche, unsere Erkenntnisse auf das „Gegebene“ der Sinnesdaten zurückzuführen, haben letztlich dieselbe Zielsetzung. Die G. des phänomenal : „Gegebenen“ soll unsere Wissensansprüche, ja alle wahren Sätze begründen.
    Begründungen basieren letztlich auf unbewiesenen, aber evidenten Sachverhalten. Evident werden im allgemeinen die Sachverhalte genannt, die unmittelbar einleuchten, die „sich selbst präsentieren“ (Meinong). Aber so wie ,G.‘ wird auch ,Evidenz' auf vielfältige Weise verwendet. Die Vernachlässigung der begrifflichen. Klärung hat zu Mißverständnissen in der Begründungsproblematik geführt (Schlick). Evidenz kann so verstanden werden, daß sie die Möglichkeit von Scheinevidenz ausschließt. Evidenz wäre dann mehr als ein bloß subjektives Wahrheitskriterium. Redewendungen wie „Es war mir evident, daß p, aber p ist falsch“, wären dann nicht möglich. Evidenz kann aber auch im umgangssprachlichen Sinn verstanden werden u. Scheinevidenz einschließen. Descartes geht in der Begründung der Außenwelt von einer solchen Evidenzauffassung aus. Er schließt aber dann durch Rekurs auf Gott, der uns nicht täuscht, Scheinevidenz aus. Absolute Evidenz und G. gibt es in bezug auf die sich selbst präsentierenden Sachverhalte. Diese sind aber auf Bewußtseinszustände u. bestimmte logisch-mathematische Grundsätze beschränkt. Uns interessiert jedoch nicht so sehr die G. der Sätze, deren Wahrheit von unseren Bewußtseinszuständen abhängig ist, sondern die G. u. Evidenz in bezug auf die gegenständliche Welt. Hier ist allerdings eine gewisse Evidenzskepsis berechtigt. Unsere Erkenntnisansprüche beruhen letztlich auf einem Evidenzvertrauen, das sich nicht mehr rechtfertigen läßt (Kutschera). „Das Wissen gründet sich am Schluß auf der Anerkennung“ (Wittgenstein); „das Element der Gewißheit ist der Glaube“ (Fichte). Für die Erkenntnis in ihren letzten Grundlagen braucht es nicht nur die Vernunft, sondern auch das Herz als „Organ der Evidenz“ (Pascal). Daraus folgt allerdings nicht, daß die Frage nach G. u. Evidenz nur eine willkürliche, irrationale Entscheidung zuläßt. Eine völlige Evidenzskepsis in bezug auf die gegenständliche Welt ist im Leben praktisch undurchführbar.
        Lit.: F. Brentano, Wahrheit und Evidenz, Leipzig 1930; L.Wittgenstein, Über Gewißheit, Frankfurt 1970; R. Chisholm, Erkenntnistheorie, München 1979, bes. Kap. 1 £.; F.v.Kutsche- ra, Grundfragen der Erkenntnistheorie, Berlin 1982, Kap. 1. E. Runggaldier
     
     
     



    Links(Auswahl: beachte)
     



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:  Wissenschaftlicher und  weltanschaulicher  Standort.
    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
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    assertorische-Evidenz
    assertorisch:=etwas behaupten. Evidenz:=Offenkundigkeit, Offensichtlichkeit, Augenscheinlichkeit (im Angloamerikanischen eine ganz andere Bedeutung, nämlich: belegt, begründet, beweisorientiert).
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    Epimeleia  Ausfmerksamkeit und Sorge für ein gutes Leben.
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    performative-utterances (Austin)
    Sprechhandlungen, die nicht nur sachlich etwas mitteilen, sondern auf eine Wirkung und Veränderung abzielen. [W.engl]
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    Querverweise
    Standort: Gewißheit im Lexikon der Erkenntnistheorie und Metaphysik
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    Überblick Arbeiten zur Theorie, Definitionslehre, Methodologie, Meßproblematik, Statistik und Wissenschaftstheorie besonders in Psychologie, Psychotherapie und Psychotherapieforschung.
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