Internet Publikation für Allgemeine und Integrative Psychotherapie
    (ISSN 1430-6972)
    IP-GIPT DAS=03.04.2002 Internet-Erstausgabe, letzte Änderung  01.05.14
    Impressum: Diplom-Psychologe Dr. phil. Rudolf Sponsel  Stubenlohstr. 20  D-91052 Erlangen
    Mail: sekretariat@sgipt.org_Zitierung  &  Copyright

    Anfang _Typentheorie_Überblick_Rel. Aktuelles _Rel. Beständiges  Titelblatt_ Konzept_ Archiv_ Region_ Service_iec-verlag__Wichtiger Hinweis zu Links und zu Empfehlungen

    Willkommen in unserer Abteilung Abstrakte Grundbegriffe aus den Wissenschaften (Analogien, Modelle und Metaphern für die allgemeine und integrative Psychologie und Psychotherapie sowie Grundkategorien zur Denk- und Entwicklungspsychologie):

    Typentheorie (Russell)

    Ein Kreter sagt: Alle Kreter lügen
    Lügt er nun oder sagt er die Wahrheit?

    Einführung * Meine Lösung * Ein Literaturhinweis * Typentheorie im Internet

    von Rudolf Sponsel, Erlangen

    Einführung. Wenn Sie sich mit der Frage beschäftigen, ob der Kreter nun lügt oder die Wahrheit sagt, werden Sie schnell irritiert oder / und wütend werden können, wenn Sie z.B. seelisch- geistig ähnlich strukturiert sind wie der Schreiber dieser Zeilen. Zugleich werden Sie erkennen, was die Typentheorie leistet, wenn Sie sich vergegenwärtigen, daß das Lügnerproblem mit der Akzeptanz der Typentheorie verschwindet oder gelöst wird.

    Aus der Geschichte der logischen und mathematischen Grundlagenforschung wird berichtet, daß um die Jahrhundertwende eine Reihe von logischen Paradoxien aufgetreten sind, die mit der sog. "Grundlagenkrise der Mathematik" im Zusammenhang stehen sollen. In der Tat soll einer der wichtigen Begründer der modernen Logik, Gottlob Frege, über der logischen Antinomie, die im Lügnerproblem zum Ausdruck kommt, nach 4 Jahren vergeblicher Suche nach einer Lösung, an der Vollendbarkeit seiner Logizismus Programm gezweifelt haben und darüber recht verzweifelt gewesen sein. Bertrand Russell und Alfred Withehead lösten das Problem schließlich, allerding tauchten später weitere tiefgreifende Probleme in der Logik auf (Gödel'sche Unvollständigkeitssätze, auf die wir aber hier nicht eingehen wollen). Die Lösung bestand in der sog. "Typentheorie", die besagt, daß man in Widersprüche, Paradoxien und Antinomien geraten kann, wenn man die Ebenen der Aussagen vermischt. Was heißt das nun?

    Ein Kreter sagt: Alle Kreter lügen

    Betrachten wir diese Aussage genau, so können wir feststellen, daß der Kreter nichts inhaltliches direkt sagt, sondern über die Aussagen von Kretern spricht. Wir können das Problem noch weiter klärend vereinfachen zu der "Aussage":

    Ich lüge

    (1) Ist das eine Lüge, dann sage ich die Wahrheit, also lüge ich also nicht. (2) Und ist es die Wahrheit, dann lüge ich doch nicht. (1) und (2): Widerspruch!

    Die grundlegende Idee der Typentheorie ist nun, zu unterscheiden zwischen verschiedenen Aussageebenen, man sagt später in der Beweistheorie und Meta-Logik, daß man zwischen Objektsprache und Metasprache unterscheiden müsse - sonst gerät man sozusagen in Teufels Küche. Spricht man in einer Sprache, so können wir direkte Ausdrücke in dieser Sprache an Objektsprache bezeichnen. Nun kann man aber auch über Aussagen dieser Objektsprache sprechen, dann sagt man, daß man in der Metasprache 1. Stufe über die Objektsprache spricht. Sage ich "Dieser Satz ist kurz", so spreche ich nicht in der Sprache über die Welt, sondern über die Sprache mit der ich über die Welt spreche. Einigen wir darauf, daß Sätze, die nicht mehr als fünf Worte haben, kurz heißen sollen, dann ergibt sich aus dieser Einigung über dieser Kurz- Definition, daß die Aussage, "Dieser Satz ist kurz" wahr ist. Wahr ist ebenfalls ein - relationaler - metasprachlicher Ausdruck, der eine Übereinstimmung zwischen zwei Modellen oder Welten erkennt: der Welt aller als kurz definierten Sätze mit dem Satz "Dieser Satz ist kurz". Das hört sich plausibel an, ist aber problematisch, weil hier eine 2. Metaebene hineinkommt. "Dieser Satz ist kurz" bezieht sich auf sich selbst, vermengt also seinerseits die 1. Metaebene mit der 2. Metaebene. Die Aussage "Dieser Satz ist kurz" klingt wie eine Aussage, ist aber in meiner Interpreation der Typentheorie keine, weil zwei Ebenen vermischt werden.

    Die Russell'sche typentheoretische Lösung des Alle-Kreter-Lügner-Problems besteht darin folgende Relation zu verbieten (Brendel S. 53):



    Meine Lösung:
    Scheinbarer objektsprachlicher Ausdruck mit metasprachlichem Ausdruck unzulässig vermengt [18.8.3]

    Die Aussagen Lügen oder die Wahrheit sagen sind metasprachliche Ausdrücke. Bei genauer Betrachtung der scheinbaren Aussage "Ich lüge" fällt auf, daß hier und damit beim Lügnerproblem gar keine Aussage auf der objektsprachlichen Ebene gemacht wird.

    Eine einfache Lösung des Lügnerproblems ergibt sich durch folgende "Formalisierung".

    Besteht eine Elementar- Aussage aus wenigstens einem Gegenstand und einem Merkmal, das diesem Gegenstand zu- oder  abgesprochen werden kann, so hat die einfachte Form einer Aussage folgende Gestalt:

    G (M)

    Lies: M kommt G zu. Analog: G (-M): M kommt G nicht zu.

    Frage wir nun, ob die Elememtaraussage wahr oder falsch ist, so kann dies formal so dargestellt werden:

    {[G (M)] wahr}     bzw.    {[G (M)] falsch }

    oder
    {S[(G (M))] sagt die Wahrheit}     bzw.    {S[G (M)] lügt }

    ausführlich:

        S, der M von G aussagt, sagt die Wahrheit bzw. S, der M von G aussagt, lügt.

    Ich lüge ergäbe demnach formalisiert: {S[]lügt} und hier sieht man nun, daß die eckigen Klammern, in der die inhaltliche Aussage stehen müßte, leer ist. Ob S lügt oder nicht, kann gar nicht entschieden werden, weil S in diesem Ausdruck gar nichts sagt. Die Probleme ergeben sich also durch nachlässige Sprache, durch Scheinaussagen, die, bei Lichte betrachtet, gar keine sind.

    Und die Moral von der Geschicht?
    Vermisch die Ebenen ja nicht

    A. Es regnet.
    B. Das kann nicht sein.
    A. Warum nicht?
    B. Weil du es so ekelhaft gesagt hast ;-)
    Auflösung ;-)

       


    Literatur (Auswahl)
    Brendel, Elke (1992). Die Wahrheit über den Lügner. Eine philosophisch- logische Analyse der Antinomie des Lügners. Berlin: de Gruyter. Die Monographie zum Lügnerproblem enthält einen Überblick, eine Geschichte des Lügners und eine "Systematische Rekonstruktion einiger moderner Lösungsansätze".
    Viele weitere Literaturhinweise finden Sie unter den Internetadressen und hier (Russell, z.B.1902, 1906, 1908, 1910)



    Die Typentheorie im Internet (Auswahl)

    Aus Quelle Janich: https://www.uni-marburg.de/~janich/doc/willem_philosophie_der_mathematik.doc

      Leseprobe: "25.04. Die Antinomien (1895-1902). Controversies that had been smoldering before 1900 broke out into open fire when the paradoxes and the consistency problem added fuel. (Morris Kline) Cantor entdeckte seine erste bereits 1895; einen dringlichen Status erhielten sie erst  mit Russells lückenloser Deduktion einer von ihnen aus Freges fünftem Grundgesetz der Arithmetik im Jahre 1902: die  logisch-mathematischen Antinomien. Es ist Ziel der Sitzung eine terminologische Unterscheidung zwischen Paradoxien und Antinomien vorzunehmen, die ?Russellsche Antinomie? herzuleiten, sowie die Frage zu beantworten, was Gründe für diese Inkonsistenz sein können. Dafür werden wir auf die letzte Sitzung zurückgreifen und die entscheidende Rolle des uneingeschränkten Komprehensionsprinzips von Cantor untersuchen.
      Textgrundlage: Christian Thiel: Antinomien und Paradoxien, in: ders.: Philosophie und Mathematik,  S.315-329*. Referatsliteratur: Christian Thiel: Imprädikative Verfahren; in: ders.: Grundlagenkrise und Grundlagenstreit, S.130-156*
      Weiterführende Literatur: Bertrand Russell: The Contradiction, in: ders.: The Principles of Mathematics (Chapter X); Adolf Fraenkel: Die Antinomien der Mengenlehre, in: ders.: Einleitung in die Mengenlehre,  S.209-220 (§13); Bertrand Russell: Letter to Frege, in: Jean van Heijenoort: From Frege to Gödel, S.124-125; Gottlob Frege: Letter to Russell, in: Jean van Heijenoort: From Frege to Gödel, S.126-128; Hao Wang: The concept of set, in: ders.: From Mathematics to Philosophy, S.181-223; Wilhelm Essler/ Elke Brendel: Die ontologischen Antinomien, in: dies.: Logik II, S.281-306; Joseph Warren Dauben: The Paradoxes and the Problems of Post-Cantorian Set Theory, in: ders.: Georg Cantor, S.240-270; Fraenkel/ Bar-Hillel/ Levy: The Antinomies, in: dies.: Foundations of Set Theory, S.1-14; Thoralf Skolem: Bemerkungen zum Komprehensionsaxiom, in: ders.: Selected Works in Logic, S.615-631."


    Aus Quelle Raggio Historisches Wörterbuch der Philosophie: https://dns.uncor.edu/info/raggio/03obra/logfm/logica/frege.htm
      Leseprobe: "Die moderne Logik seit Frege  (Originalmente publicado en: Historisches Wörterbuch der Philosophie, tomo 5, pp. 378-383, Schwabe &  Co Ag Verlag, Basel-Stuttgart, Alemania.)
      Die weitere Entwicklung der L. im 20. Jh. ist weitgehend als Reaktion auf die von Russell entdeckte mangelnde Widerspruchsfreiheit von Freges L. zu verstehen. Die Reaktion erfolgte in dreifacher Weise:
              Erstens versuchte Russell, den Widerspruch dadurch zu verhindern, daß er logische Typen einführte 8. In der    traditionellen L. war die zugrunde liegende und sinnstiftende grammatische Struktur der Sprache weitgehend  unberücksichtigt geblieben. Russells Typentheorie brach mit diesem Vorurteil. Leider läßt seine philosophische Begründung der Typentheorie zwei Deutungen zu: Manchen gilt sie als ad hoc erfundenes Mittel zur Vermeidung der Widersprüche, manchen als eine einsichtige Konsequenz aus der kategorialen Struktur der Sprache." Mit Literaturverzeichnis.


    Aus: https://www.tu-harburg.de/rzt/rzt/it/sofie/node42.html
      Leseprobe: "Das zweite bedeutende Werkzeug im logischen Baukasten Russells ist seine Typentheorie. Ausgehend von den Axiomen und Definitionen der Prädikatenlogik leitet er darin die Peano-Axiome ab, ohne die Widersprüche der Cantor'schen Mengenlehre zu erhalten. In der Typentheorie geht Russell von dem Prinzip aus, daß ein Ausdruck, der sich auf alle Gegenstände eines Typs bezieht, wenn er etwas bedeutet, etwas bedeuten muß, das höheren Typs ist als die Gegenstände, auf die er sich bezieht. Wo man sich auf alle Gegenstände eines Typs bezieht, gibt es eine gebundene Variable, die zu diesem Typ gehört. Daher ist ein Ausdruck, der eine gebundene Variable enthält, höheren Typs als die Variable selbst. Das ist das grundlegende Prinzip der Typentheorie. Mit diesem Prinzip läßt sich in der Typenlogik für jeden Typ die Widerspruchsfreiheit erreichen. Die Allmenge ist von anderem Typ als eine Menge. Der Allsatz: alle Kreter lügen ist von anderem Typ als der singuläre Satz: Epimenides lügt."
          Was in der Wissenschaft zu trennen versucht wird, geht in der Umgangssprache munter durcheinander. Um sich nicht in Sprachfallen zu verfangen, ist es auch im alltäglichen Umgang wichtig, in Analogie zu den logischen Typen Sprachebenen zu unterscheiden. Normalerweise wird in der Umgangssprache über die Dinge in der Welt gesprochen. Dann handelt es sich um Objektsprache. Wird nicht über Objekte, sondern über die Sprache gesprochen, redet man in der Metasprache. In ihr werden Worte nicht gebraucht, sondern erwähnt. Ein Beispielsatz: Hamburg hat sieben Buchstaben und liegt an der Elbe. Im vorigen Satz wird Hamburg zuerst erwähnt, dann gebraucht. Epimenides sagt metasprachlich, daß er objektsprachlich lüge. Damit widerspricht er sich nicht mehr. Die Hierarchie der Metasprachen ist unbegrenzt. Es ist wichtig, sich nicht in ihr zu verirren. Was ist z.B. von der Mutter zu halten, die ihrem Kind vorwirft: Sei doch mal spontan!"


    Kai Petersen: "Eine Menge stelle ich mir vor wie einen Abgrund"  Die Grundlagenkrise der Mathematik
      https://www.mathematik.uni-kl.de/~wwwfktn/homepage/swr2text.htm


    Einführung in die referentielle Semantik. Hausaufgabe 7: https://janus.cl.uni-heidelberg.de/kurs/ss01/refer/aufg-7.mhtml
      Leseprobe: "Die Logiker haben Probleme! Siehe den unten abgedruckten Artikel. Haben Sie eine  Lösung für den Satz  "Der Barbier ist derjenige, der alle diejenigen rasiert, die sich nicht selbst rasieren" ?
      21.Juni 2001  DIE ZEIT Nr. 26
      Brilliantes Versagen
      Vor hundert Jahren stieß Bertrand Russell auf ein Paradoxon. Es irritiert die Mathematiker und Philosophenm bis heute. VON ANNETTE LESSMÖLLEMANN


    Verstehen‘ verstehen.  Über Analyse und Hermeneutik: https://www.lrz-muenchen.de/~vossenkuhl/index1.html
      Leseprobe: "3.2 Analytisches Verstehen
      Die Therapie, die Russell nach der Diagnose seiner Paradoxie erfand, ist seine Typentheorie. Sie geht von der Frage aus, wie wir Aussagefunktionen auffassen, wie wir sie verstehen und welche Bedeutung sie haben können. Nicht von ungefähr stellt auch Wittgenstein später die Frage, wie wir Funktionen, Sätze, Begriffe, Wörter, Gleichungen und Regeln auffassen und verstehen können. Russell widmet sich der Frage, wie wir Aussagefunktionen verstehen, ganz unvoreingenommen. Er geht nicht von formalistischen Voraussetzungen aus. Deswegen kann er ein breites Spektrum von logischen und erkenntnistheoretischen Interessen mit Aspekten der Philosophie des Geistes verbinden. Wie vereint er diese Interessen und Aspekte? Indem er frägt, wie wir Aussagefunktionen auffassen, welche logische Form sie haben und was wir mit ihnen erkennen.
      Russell hat zwei starke theoretische Motive für diese Fragen, zum einen die Vermeidung von Paradoxien, nicht nur seiner eigenen, zum andern die notorische Vieldeutigkeit von Aussagefunktionen. Vor allem das erste dieser beiden Motive interessiert uns hier. Alle Paradoxien kommen durch vitiöse Zirkel zustande. Mit ‘w ist ein w ‘ haben wir schon der Form nach eine Aussage kennengelernt, die einen vitiösen Zirkel und dann ein Paradox bildet.


    Eine kurze Einführung in die Philosophie der Mathematik > siehe bitte auch hier.
      https://www.ifi.unizh.ch/groups/ailab/teaching/NAISemi01/Presentations/ Philosophie_Mathematik.htm
      Bertrand Russell
      https://www.tu-harburg.de/rzt/rzt/it/sofie/node41.html
      Leseprobe: "Nach dem Studium der Mathematik und Philosophie in Cambridge begann er ab 1894 am Trinity College mit der Arbeit an einer logischen Begründung der Mathematik. Beflügelt durch die Erfolge Peanos und Hilberts bei der Axiomatisierung der Arithmetik und Geometrie machte er sich mit Whitehead daran, die Grundlagen der gesamten Mathematik nach logischen Prinzipien herzuleiten. Allein aus logischen Prinzipien sollten die mathematischen Wahrheiten gefolgert werden können! Diesem Projekt widmete er sich in den ersten zehn Jahren dieses Jahrhunderts. Einen Entwurf seines Projekts veröffentlichte er 1903 in den Prinzipien der Mathematik. Den Zusammenhang zwischen Sprache und Existenz untersuchte er 1905 in seiner Theorie der Beschreibung. Nicht viel später gelang ihm mit seiner Typentheorie die Lösung des Lügnerparadoxons und vieler weiterer Paradoxien der Sprache. Den Abschluß seiner logischen Forschungen bildeten die drei Bände der Principia Mathematica, die zwischen 1910 und 1913 erschienen. Nach dieser Zeit intellektueller Berauschtheit brachte der 1914 beginnende 1. Weltkrieg seinem Leben einen tiefen Einschnitt."


    Viele weitere Arbeiten können Sie über die Internetsuchmaschinen finden.



    Glossar, Anmerkungen und Endnoten:  > Eigener wissenschaftlicher Standort.

    GIPT= General and Integrative Psychotherapy, internationale Bezeichnung für Allgemeine und Integrative Psychotherapie.
    __
    Die Menge aller Mengen

      Man kommt mit Mengen schnell in Teufels Küche, wenn man den Unterschied zwischen Alle und Jeder, Teil und Ganzes oder eben den Unterschied zwischen Objektebene und Metaebene, die Typentheorie nicht streng beachtet.
          Ein weiterer Fallstrick besteht im falschen, zirkulären Definieren ("impredikative Definitionen"), d.h. solche, wo das Definiendum (das zu Definierende, gewöhnlich links) im Definiens (womit definiert wird, gewöhnlich rechts) enthalten ist, formal X def=  X, X1...Xn.
          Und grundsätzlich muss eingewendet werden, dass man Aufzählungen ohne Anfang oder oder Ende nicht zu einem Ganzen oder zu einer Ganzheit zusammenfassen sollte, weil das zu in sich selbst widersprüchlichen Konstruktionen führt (unvollendetes Vollendetes, fertiges Unfertiges), d.h. z.B. die Menge aller natürlichen Zahlen kann es als Ganzes nicht geben.
          Anmerkung: Ich sehe übrigens nicht, wie sich das Problem der "Menge aller Mengen" aus Cantors klassischer Definition ergeben soll: "Unter einer „Menge“ verstehen wir jede Zusammenfassung M von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten m unserer Anschauung oder unseres Denkens (welche die „Elemente“ von M genannt werden) zu einem Ganzen.". Diese Definition ist ziemlich gut, wenngleich einige darin vorkommende Begriffe noch weiter präzisiert werden sollten, etwa das wichtige Kriterium "Wohlunterscheidbarkeit"; wie etwa will man jede reelle Zahl von jeder anderen reellen Zahl unterscheiden können, wenn einige gar kein Ende haben?
    __
    Russell, Bertrand (1952)  Einführung in die mathematische Philosophie. Darmstadt: Holle.
      In der Einführung in die mathematische Philosophie führt Russel S. 152f aus: "Nun gehört die Theorie der Typen keineswegs zu den abgeschlossenen und gesicherten Teilen unseres Gegenstandes. Ein großer Teil der Theorie ist noch heute chaotisch, verworren und dunkel. Aber die Notwendigkeit irgend einer Typenlehre ist weniger zweifelhaft als die genaue Form, die sie anzunehmen hat. Im Zusammenhang mit dem Unendlichkeitsaxiom sieht man die Notwendigkeit einer solchen Theorie besonders leicht ein.
          Diese Notwendigkeit ergibt sich z. B. aus dem „Widerspruch der größten Kardinalzahl". Wir sahen im achten Kapitel, daß die Zahl der Mengen, die in einer gegebenen Menge enthalten sind, stets größer ist als die Zahl der Elemente dieser Menge selbst. Hieraus schlossen wir, daß es keine größte Kardinalzahl gibt. Aber wenn wir, wie eben vorgeschlagen, die Individuen, die Mengen von Individuen, die Mengen von Mengen von Individuen usw. zusammenwerfen, so bekommen wir eine Menge, die ihre eigenen Teilmengen als Elemente enthält. Die Menge aller zählbaren Objekte, gleichgültig welcher Art, muß, wenn sie existiert, die größtmögliche Kardinalzahl besitzen. Da alle ihre Teilmengen Elemente von ihr sind, so kann es nicht mehr Teilmengen als Elemente geben. Hier kommen wir also auf einen Widerspruch.
          Als ich im Jahre 1901 zum erstenmal auf diesen Widerspruch stieß, versuchte ich irgend einen Fehler in Cantors Beweis zu entdecken, wonach es keine größte Kardinalzahl gibt. Er ist im achten Kapitel wiedergegeben. Als ich diesen Beweis auf die angenommene Menge aller denkbaren Objekte anwandte, kam ich auf folgenden neuen und einfacheren Widerspruch.
          Die betrachtete Menge, die alles umfassen soll, muß sich selbst als Element enthalten. Mit anderen Worten: wenn es so etwas wie „alles" gibt, so ist „alles" etwas Bestimmtes und ist ein Element der Menge „alles". Aber normalerweise ist eine Menge nicht ein Element ihrer selbst. Die Menschheit z. B. ist kein Mensch. Bilden wir die Vereinigung aller Mengen, die nicht Elemente ihrer selbst sind, so ist dies eine Menge. Ist sie nun ein Element ihrer selbst oder nicht? Gilt dies, so ist sie eine der Mengen, die nicht Elemente ihrer selbst sind, d. h. sie ist nicht ein Element ihrer selbst- Ist sie es nicht, so ist sie nicht eine der Mengen, die nicht Elemente ihrer selbst sind, d. h. sie ist ein Element ihrer selbst. Also enthält sowohl die Hypothese, daß sie ein Element ihrer selbst ist, wie daß sie es nicht ist, ihr Gegenteil. Dies ist ein Widerspruch.
          Ähnliche Widersprüche kann man ohne weiteres je nach Wunsch aufstellen. Die Auflösung dieser Widersprüche mit Hilfe der Typenlehre ist vollständig in den Principia Mathematica auseinandergesetzt FN01. Etwas kürzer in Artikeln des Verfassers im „American Journal of Mathematics" FN02) und in der „Revue de Metaphysique et Morale" FN03). Für den Augenblick muß ein Umriß der Lösung genügen."
      FN01 Bd. I, Einführung Kap. 2, Satz 12 und 20; Bd. II
      FN02 Begründung der mathematischen Logik durch die Theorie der Typen, Bd. 30, 1908, S. 222—262
      FN03 Die Paradoxien der Logik 1906, S. 627—650.




    Da sich die Adressen (URLs) im Internet häufig ändern oder verschwinden, wurden die Linkangaben nicht mehr mit der Adresse unterlegt, um nicht ständig Fehlermeldungen 404 zu erhalten. Die angegebenen Adressen besagen: da habe ich die Texte seinerzeit gefunden.


    "Auflösung"
    A. So ein Unsinn. Was hat denn meine Aussage mit der Art und Weise, wie es bei Dir ankommt, zu tun?
    B. Sehr viel. Deinem Ton nach hatte ich nicht Regen, sondern ein Unwetter erwartet.
    Das nennt man Nicht-Vestehen-Wollen, Aneinandervorbeireden oder Sophistik.
    __
    Russell teilt die Entdeckung der Antinomie Frege in einem Brief vom 16.6.1902 mit [Brendel S. 46].



    Querverweise
    Standort: Typentheorie.
    *
      • Definieren und Definition. * ist * Nicht * Alle&Jeder * Paradoxien * Was ist Fragen * Welten *
      • Beweis und beweisen in Wissenschaft und Leben.
      • Definitionen, Nominal- und Realdefinitionen (Abschnitt aus der Testheorie).
      • Definition aus Eisler Wörterbuch der philosophischen Begriffe (1927-1930).
      • Einführung in die Definitionsproblematik am Beispiel Trauma.
      • Zum Universalienstreit am Beispiel der Schneeflocke.
      • Gleichheit und gleichen im alltäglichen Leben und in der Wissenschaft. Näherungen, Ideen, Ansätze, Modelle und Hypothesen.
      • Aufbau einer Wissenschaftssprache in Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie.
      • Allgemeine Theorie und Praxis des Vergleichens und der Vergleichbarkeit. Grundlagen einer psychologischen Meßtheorie.
      • Überblick Wissenschaft in der GIPT.
    *
       
      Suchen in der IP-GIPT, z.B. mit Hilfe von "google": <suchbegriff> site:www.sgipt.org
      z.B. Definition definieren site:www.sgipt.org. 
    *
    Dienstleistungs-Info.
    *

    Zitierung
    Sponsel, Rudolf  (DAS). Typentheorie (Russell 1903) und die Lösung des Lügnerproblems.  Abstrakte Grundbegriffe aus den Wissenschaften: Analogien, Modelle und Metaphern für die allgemeine und integrative Psychologie und Psychotherapie sowie Grundkategorien zur Denk- und Entwicklungspsychologie.Internet Publikation - General and Integrative Psychotherapy   IP-GIPT. Erlangen: https://www.sgipt.org/wisms/gb/typenth.htm
    Copyright & Nutzungsrechte
    Diese Seite darf von jeder/m in nicht-kommerziellen Verwertungen frei aber nur original bearbeitet und nicht  inhaltlich verändert und nur bei vollständiger Angabe der Zitierungs-Quelle benutzt werden. Das direkte, zugriffssaneignende Einbinden in fremde Seiten oder Rahmen ist nicht gestattet. Zitate und Links sind natürlich erwünscht. Sofern die Rechte anderer berührt sind, sind diese dort zu erkunden. Sollten wir die Rechte anderer unberechtigt genutzt haben, bitten wir um Mitteilung. Soweit es um (längere) Zitate aus  ...  geht, sind die Rechte bei/m ... zu erkunden oder eine Erlaubnis einzuholen.

      Ende   Typentheorie_Überblick_Rel. Aktuelles  _Rel. Beständiges  Titelblatt_ Konzept_ Archiv_ Region_ Service_iec-verlag    Mail:  sekretariat@sgipt.org__Wichtiger Hinweis zu Links und zu Empfehlungen



    Änderungen
    30.04.14    Zitat Russell zur Typentheorie, Die Menge aller Mengen, Unterlegte Linkadressen entfernt, um Fehlemeldung 404 zu reduzieren. Jahreszahl 1902 entfernt [Danke an NT] und "Russell" verlinkt.
    18.08.03    Beim Lesen im Tractatus von Wittgenstein fand ich heute folgende Stelle 3.332: "Kein Satz kann etwas über sich selbst aussagen, weil das Satzzeichen nicht in sich selbst enthalten sein kann (das ist die ganze 'Theory of types')". Das scheint mir die gleiche Argumentation zu sein.